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elleth

-Elbenmädchen-
von

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Heimkehr

Nur sehr widerwillig löste Tuilinn den Blick von dem schwarzen Elben, der stolz und hoch aufgerichtet vor all den Orks schritt. Etwas anderes forderte nun ihre volle Aufmerksamkeit. Ein eiskalter Schauer lief den Rücken des Mädchens hinunter, als sie ihren Blick etwas anhob und zu den Bergen sah. Das Schattengebirge, die Grenze Mordors, war noch mehrere Tagesreisen entfernt und dennoch konnte die Halbelbe seine Kälte und Schroffheit bereits spüren. Dunkle Berge bohrten sich in schwarze Wolken, die über Mordor hingen und dort die Herrschaft der Nacht sicherten.

Tuilinn holte tief Luft und begann augenblicklich zu husten. Die Luft war verpestet und abgestanden, Staubteilchen kratzten in ihrem Hals und angewidert versuchte ihr Körper diese wieder loszuwerden.

Überrascht stolperte das Mädchen vorwärts und war im Begriff zu fallen, als der Schwarze plötzlich an ihrer Leine zog. Sie sah den steinigen, unfruchtbaren, ausgetrockneten Boden bereits auf sich zukommen, als zwei Klauen ihre schmale Taille umfassten und sie zurück auf die Beine stellten. Verwirrt und erschrocken wandte Tuilinn ihren Kopf um und blickte in ein, ihr wohl bekanntes, rotes paar Augen. Hastig zog der Ork sich zurück, als er den brennenden Blick seines Herrn auf sich spüren konnte. Die Angst der Orks vor diesem Elb war allgegenwärtig. Sie würden es nie wagen, sich gegen ihn aufzulehnen, gegen einen Herold Saurons.

Immer noch irritiert versuchte Tuilinn den Blick des Orks erneut zu erhaschen. Merkwürdige Bilder waren durch ihren Kopf gerauscht, als er sie berührt hatte. Sie spürte den Schmerz und die Kälte des Todes, so wie sie diese auch bei Lalven mitfühlen musste. Da waren Hände gewesen, die schwarzen, trockenen Boden aufbrachen und Knochen aus ihrer Totenruhe rissen. Schwarzes Licht, unendliche Folter und eine gefangene Seele. Mit aufgerissenen Augen starrte die Seherin elbischen Blutes zu ihrem finsteren Volksmann. Was hatte diese Bestie nur getan?

"Ist euch nicht gut, meine Liebe?" fragte der Schwarze mit einer ungewöhnlichen Besorgnis, die wohl weniger ihr galt, als dem, was sie für ihn darstellte.

"Ihr solltet vorsichtiger sein, rodwen, ihr werdet unbeschadet gebraucht." Die Angesprochene hob spöttelnd eine Braue.

"Wozu, Annûn? Damit ihr auch mich zu einer Puppe macht, wie euren eigenen Bruder?"

Auch wenn sie sein Gesicht nicht sehen konnte, so spürte sie dennoch sein höhnisches Grinsen. Mit einem Ruck streifte er seine Kapuze zurück und entblößte sein Gesicht. Lange, silberblonde Haare, in den Jahren scheinbar noch heller geworden, flossen über eine pechschwarze Rüstung. Der dunkle Mantel flatterte bedrohlich auf, wie ein paar Drachenschwingen. Beeindruckt setzte Tuilinn einen Schritt zurück. Annûns Augen waren weder blau, noch grün, wie sie es bei den Waldelben für gewöhnlich waren, sondern aus bewegtem Rot. Es war, als würden Flammen in seiner Iris brennen.

"Es ist wohl nicht mehr nötig, sich zu verstellen."

Seine Stimme war melodiös, aber ungleich der anderer Elben. Sangen deren Stimmen gleich Vogelgezwitscher, murmelnden Bächen oder wie der Wind in Gräsern und Blättern, so sang Annûn nur Totenlieder, schön vielleicht, aber schmerzhaft und düster.
 

"Kommt, meine Liebe! Ich werde euch etwas zeigen."

Eilig zog der Verräter seine Gefangene einen Hügel hinauf. Stolz, Zufriedenheit und kalte Grausamkeit lag in seinen Zügen, als er, mit ausholender Geste, auf eine Anzahl Höhleneingänge, Zelte und Feuerstellen deutete.

"Wunderbar, nicht wahr? Das alles steht unter meinem Befehl, weil Sauron es so will."

Verwirrt und ängstlich schaute Tuilinn auf das Lager hinab. Es war grauenvoll. Der Geruch von Tod und Blut lag in der Luft.

"Ihr seid ein Diener Saurons?"

Lauthals begann Annûn über ihre naive Frage zu lachen.

"Irgendwer musste doch den Platz einnehmen, den Lalven geschaffen hatte."

Seine Hand wanderte zu dem Griff seines Schwertes, welches er kalt lächelnd aus der Scheide zog und imponierend in die Luft hielt. Tuilinn hielt die Luft an. Nun konnte sie die gefürchtete Waffe endlich selbst sehen. Annûn bemerkte mit Freude ihre Reaktion.

"Der schwarze Herold, dessen Diener ich einst war, gab es mir. Es gibt mir die Macht, über Leben und Tod, Zukunft und Vergangenheit zu herrschen."

Ein grausames, wahnsinniges Grinsen verzehrte seine glatten Züge.

"Es ist erfüllt mit all der Macht derer, die durch das Schwert gefallen sind."

Der schwarze Elb drehte die Waffe in seiner Hand etwas. Tuilinns Augen blitzten blau auf, um jedes Detail erkennen zu können. Ihr war, als würden rötlich schimmernde Adern die Klinge durchziehen. Dieses Schwert schien zu leben. Es lebte, indem es seinen Opfern das Leben aussaugte.

"Ist es das, was Ihr von mir wollt? Meine Macht, indem Ihr mich tötet? Wollt Ihr noch mehr von Zukunft und Vergangenheit sehen?"

Auf seine Reaktion war sie nicht gefasst gewesen. Seine Züge wurden weich und voller Zärtlichkeit sah er sie an.

"Meine Liebste, wie könnt Ihr das sagen?"

Vorsichtig streckte er die Hand nach ihr aus und berührte ihre Wange.

"Niemals könnte ich Euch töten, schöne Ioreth..."

Hasserfüllt und angewidert stieß Tuilinn seine Hand weg.

"Ich bin nicht Ioreth", zischte das Mädchen.

Wieder stahl sich ein kaltes, unheilvolles Grinsen auf seine Lippen.

"Noch nicht..."
 

Mit starrem Blick saß Elinol vor dem kleinen Feuer und starrte in den sternenlosen Himmel am östlichen Horizont. Selbst in der Nacht konnte man sehen, wie die unnatürliche, lebensfeindliche Dunkelheit über die schroffen Gebirgsgrenzen Mordors kroch. Irgendwo dort war sie, Tuilinn Filigod, zusammen mit all seinen Gefühlen. Elinol spürte, dass etwas von ihm fehlte. Es schmerzte, so als hätte man ein großes Stück Fleisch aus seinem Körper gerissen und ihn blutend zurückgelassen.

Er stieß einen tiefen Seufzer aus, bevor er endlich den Blick von diesem hässlichen Himmel reißen konnte. Auf der anderen Seite des Feuers, dessen dünne Rauchsäule in all der Dunkelheit nicht auffiel, saß Tawarên. Die grau-grünen Augen des Hellblonden sahen verträumt und leicht hypnotisiert in die Flammen, die sein feines Gesicht in rötliche Farben tünchten. Wortlos bewegten sich seine Lippen zu einem stummen Singsang.

"Tawarên?"

Elinol war sich nicht sicher, ob sein Begleiter ihn gehört hatte, bis dieser den Kopf anhob. Nur kurz konnte der Hauptmann einen Blick in Tawarêns Augen werfen. Ein Sturm schien hinter dem ruhigen Grau-grün der Iris zu toben. Die innere Zerrissenheit war unverkennbar und wurde offenbar, als der Hellblonde sehnsüchtig zu den wenigen Sternen im nördlichen Himmel schaute. Irgendwo dort musste ihre Heimat liegen, der schrecklich schöne Düsterwald, mit allen seinen Gefahren, Wundern und Bewohnern, dort wo ein Grund für Tawarêns inneren Schmerz lebte.

"Ach Eirien, Eirien ich liebe dich, aber...es schmerzt. Verzeih mir! Ich höre das Lied des Meeres. Ich liebe dich, ich liebe dich, aber ach...das Lied...mein Herz hört das Lied..."

Elinol hielt die Luft an, solange wie sein Freund sprach. Er wusste nun, was geschehen würde. Tawarên würde gehen, er musste gehen. Vorsichtig streckte er eine Hand nach seinem Schwager aus und berührte den Abwesenden an der Schulter. Augenblick zuckte Tawarên zusammen und sah verwirrt und tieftraurig in Elinols ernstes Gesicht.

"Es tut mir leid mein Freund. Mein Herz war zu weit geöffnet, als ich das Meer sah. Ich kann es immer noch hören. Es übertönt selbst Eiriens Stimme."

Verstehend nickte der Hauptmann, blickte dann aber wieder gen Osten.

"Schon oft hab ich die Wirkung des Liedes auf elbische Herzen miterlebt und dennoch bitte ich dich, mir zu helfen."

Erneut fing er Tawarêns Blick auf und nahm dessen getrübten Geist für einen Moment gefangen.

"Ich bitte dich, Bruder, steh mir bei."

Beschämt und verwirrt wandte der hellblonde Kundschafter sein Gesicht ab.

"Es tut so weh. Ich kann es immer noch hören, immer stärker. Es ruft mich und lässt mich nicht los", flüsterte er.

Seufzend ließ Elinol seinen Freund los und warf einen vollkommen ausgetrockneten Ast, die hier in Massen herumlagen, ins Feuer. Nachdenklich lauschte er dem Knacken, welches das Feuer erzeugte, als Tawarên ihn ansprach. Es war einer der wenigen klaren Momente, die das Lied zuließ, wenn es erst das Elbenherz erfasst hatte.

"Ich bin mitgekommen, um dir zu helfen, Bruder, das habe ich nicht vergessen und ich werde es einhalten." Für einen Augenblick verklärte sich sein Blick wieder. "Aber ach...das Lied...das Lied des Meeres...es lässt mich nicht los." Heftig schüttelte er den Kopf um nicht wieder abzudriften. "Ich werde dir helfen, aber dann muss ich gehen. Meine Zeit in diesen Landen ist vorbei, früher als ich dachte, aber ich muss gehen."

Ein tiefer Seufzer erschütterte seinen Körper.

"Wenn du Tuilinn heimbringst, dann richte Eirien aus, dass es mir leid tut. Ich habe versucht zu kämpfen, aber verloren. Sag ihr, dass ich sie liebe und auf sie warte."

Betrübt nickte Elinol. Eirien würde Tawarên folgen. So würde er also nicht nur einen Freund, der ihm so nah wie ein Bruder stand, sondern auch seine Schwester verlieren. Irgendwann würde auch er sich entscheiden müssen, ob er nach Aman segelt oder für immer in den Wäldern lebt und irgendwann zu einem vergessenen Volk gehören will.
 


 

Lautes Gepolter ließ Tuilinn aufschrecken. Instinktiv kroch sie auf dem kargen Lager aus Stroh zurück, bis die schwere Eisenkette um ihren Knöchel dem Fluchtversuch ein Ende bereitete. Schwungvoll wurde der Zeltvorhang beiseite gerissen und fahles, rötliches Licht drang ein. Es war alles, nur kein Sonnenlicht. Die Sonne war in diesem Teil Mittelerdes nur selten zu sehen und wenn, dann nur als blasse Scheibe, verschleiert von Rauchwolken. Jenes Licht, das langsam auf Tuilinn zu kroch, hatte seinen Ursprung in Mordor, wo es die Wolken über sich in bedrohliches, lebensfeindliches Feuerrot tauchte. Die Halbelbe hatte mehr Angst vor diesem Licht, als vor der Dunkelheit, denn sie konnte die starke Macht spüren, die es ausstrahlte. Es flüsterte, immer wieder denselben Reim von Tod und Vernichtung. Dieses Licht war purer Hass und jede Berührung mit ihm schmerzte.

"Habt Ihr gut geschlafen?"

Ruckartig wandte das Mädchen seinen Blick von dem Licht ab und schaute zu der Gestalt im Eingang.

"So gut es eben geht, wenn ich Euch in der Nähe weiß", antwortete die Halbelbe bissig.

Annûns Lächeln gefror.

"Ihr habt anscheinend etwas mehr Temperament, als eure Mutter, aber auch das wird vergehen."

Mit einem Fingerschnipsen rief Saurons Herold zwei Orks heran. Sofort stürmten beide Geschöpfe das Zelt und packten Tuilinn grob an den Armen, um sie herauszuzerren. Widerwillig ließ das Mädchen es über sich ergehen. Sie hatte auch keine andere Wahl.
 

Wütend schaute sie neben sich, zu einem ihrer Bewacher und hielt die Luft an. Es war der Rotäugige, doch schien er ihr verändert. Nicht mehr so aggressiv, bedrohlich und gefährlich. Seit sie in Süd-Gondor waren, war er nicht mehr, als ein stummer Schoßhund Annûns. Auch diese Gier, mit der er sie früher ansah, war vollständig verschwunden.

Der Ork schien ihren abschätzenden Blick zu bemerken, denn nun blickte er ihr unverhohlen in die erschrockenen, blau-grünen Augen. Mit gemischten Gefühlen bemerkte Tuilinn die traurige Leblosigkeit in seinen Augen und wieder war da dieses Gefühl, ihn zu kennen. Gewaltsam bahnten sich Bilder ihren Weg im Kopf. Erinnerungen, allerdings nicht ihre, sondern die des Orks. Die Erkenntnis traf Tuilinn wie einen Donnerschlag. Er war es, dessen Totenruhe gestört worden war, aber wie war das möglich? Er war es, den das Schwert getötet hatte. Er war...

"Girithon?"

Verwirrt und erschrocken zuckte der Ork zusammen. So lange hatte er diesen Namen nicht mehr gehört. Nicht mehr seit jenem Tag, als sein eigener Bruder ihn aus diesem wunderbar warmen Licht riss und ihn in diesen Körper steckte. All die Jahrzehnte konnte Girithon nicht begreifen warum. Warum tat sein eigener Bruder ihm dies an, dieses Leben, diese furchtbare Gestalt, dieses Dasein als Sklave und Puppe. Er war zu schwach, um sich zu wehren. Annûn hatte seine Seele eingesperrt und trübte seine Wahrnehmung.

"Oh...Ihr habt ihn also erkannt?"

Annûn hatte sich zu beiden umgedreht und bedachte den eingeschüchterten Girithon mit einem vernichtenden Blick. Den Rücken gekrümmt wich der Rotäugige einen Schritt zurück. Voller Mitgefühl für den gequälten Girithon beobachtete Tuilinn die Szene.

"Annûn, wie konntet Ihr nur? Er ist euer Bruder. Wieso habt Ihr ihm dies angetan?"

Augenblicklich fühlte sie den leicht gereizten Blick des schwarzen Elben auf sich ruhen.

"Gerade weil er mein Bruder ist, habe ich ihn gewählt."

Er musste grinsen, als er Tuilinns schockiertes und überfordertes Gesicht bemerkte.

"Kommt mit, ich werde Euch etwas zeigen."

Grob packte er ihr Handgelenk und zerrte sie zu einem der Höhleneingänge, welche die Eingänge zu einem unterirdischen Tunnelsystem bildeten.
 

Annûn packte das Mädchen an ihren Schultern und drehte sie um ihre eigene Achse, bis sie auf einen kleinen Hügel schauen konnte. Die Erhebung wirkte unnatürlich auf dem flachen Boden und auch seltsam strukturiert. Neugierig fixierte sie ihre sehr guten, elbischen Augen darauf und hielt erschrocken die Luft an. Skelettierte Hände ragten hervor, Rippenknochen, zertrümmerte Schädel, einzelne, lange, blonde Haarbüschel und über allem krochen fette, schwarze Käfer.

"Ein Grab, für all die, die nicht angenommen wurden", erläuterte Annûn trocken.

"Die nicht angenommen wurden?"

Fragend drehte Tuilinn ihren Kopf zu ihrem Feind. Ein wissendes, hinterlistiges Lächeln zierte sein Gesicht. Überheblich stand er, mit verschränkten Armen, vor dem Höhleneingang und verhinderte die Sicht auf das Innere.

"Komm meine Liebe, zeig dich unserem Gast", rief er jemanden in der Höhle zu, bevor er zur Seite trat.

Neugierig und skeptisch schaute Tuilinn auf die Silhouette, die sich langsam von den Schatten löste. Es war wirklich eine Frau, die langsam aus der Höhle stolperte. Erschrocken hielt die Halbelbe die Luft an. Es war fast, als würde sie in einen Spiegel sehen, so ähnlich war diese Frau ihr. Sie reichte Annûn ihre Hand, die unnatürlich blass war und blutleer wirkte. Bewundernd schritt der Elb um Tuilinns Kopie herum, bevor er hinter ihr stehen blieb und mit den Händen über ihren Körper strich.

"Wollt ihr eure Mutter denn nicht begrüßen, rodwen Tuilinn?"

Angewidert nahm die Angesprochene Abstand. Das sollte ihre Mutter sein? Zugegeben, eine Ähnlichkeit war da, aber Ioreth war tot und dann waren da doch einige Unterschiede. Der Geruch, den dieses Trugbild abgab, erinnerte an verwesendes Fleisch, ihre Haare waren etwas dunkler, als die der Gemahlin Lalvens und sie hatte grüne Augen.

"Das ist nie und nimmer meine Mutter", schrie Tuilinn Annûn an.

Dieser blieb gelassen und strich seelenruhig die blonden Haare seines Geschöpfs zur Seite, um die schneeweiße Haut an ihrem Hals liebkosen zu können.

"Wisst ihr, was Liebe ist?" fragte er die verstörte und wütende Halbelbe, während das Mädchen in seinen Armen wohlig aufseufzte.

"Liebe bedeutet auch dann zu lieben, wenn die Gestalt sich geändert hat."

Begierig wanderten seine Hände über den kaum verhüllten Oberkörper der Fremden.

"Ihr habt Recht. Dies ist nicht Ioreths Körper. Nur ein kleiner Teil von ihr, steckt in dieser Hülle." Zärtlich drehte der Elb den Kopf seiner Gespielin zu sich und nahm leidenschaftlich ihre Lippen in Besitz. Tuilinn wurde schlecht. Sie wollte sich übergeben, so grauenvoll und entwürdigend war der Anblick für sie.

"Und was hat das alles mit mir zu tun?"

Annûn löste sich von der Kopie und leckte sich wohlig über die Lippen.

"Nun ja, wie soll ich es erklären?"

Übertrieben nachdenklich rieb er sich das Kinn.

"Seit mehreren Jahrhunderten versuche ich Ioreths Seele zurückzuholen, da ich ihren Körper aber nicht habe, ist es fast unmöglich."

Wütend stieß er einen gellenden Schrei aus.

"Jeden Körper hat sie bisher abgestoßen. Keiner von ihnen konnte ihre Seele ganz in sich aufnehmen, dabei hab ich ganz Mittelerde nach Mädchen abgesucht, die ihr absolut gleichen...doch dann fand ich Euch."

Eine neue Welle aus Angst und Panik stieg in der Halbelbe auf.

"Ihr seit perfekt, rodwen. Ihr Blut fließt durch eure Adern. Euren Körper kann sie nicht ablehnen und dabei solltet Ihr schon längst tot sein. Ihr solltet sterben, um den Bund zwischen Lalven und Ioreth zu zerstören."

Sämtliche Farbe wich aus Tuilinns Gesicht. Das war also der Grund für den Überfall gewesen. Nur wegen Eifersucht und Gier hatte Annûn sich dem schwarzen Herold als Diener angeboten. Seit wann verfolgte er diesen Plan? Seit Girithon gefallen war und er mit eigenen Augen die Macht des Herolds gesehen hatte? Oder war es erst kurz bevor Lalven den Herold besiegte, im Norden, dort wo auch Sauron einst wieder auferstand? Verunsichert beobachtete Tuilinn ihren "Gastgeber". Die Liebe zu Ioreth hatte diesen wahnsinnig gemacht. Nur wenige Gefühle waren übrig geblieben und die Besessenheit etwas besitzen zu müssen, was einem nie gehören konnte.

"Selbst wenn ihre Seele meinen Körper annimmt, so wird sie Euch nie lieben. Sie liebt Lalven, einzig und allein ihn."

Verzweifelt versuchte das Mädchen mit Argumenten gegen Annûns Wahnsinn anzukämpfen, doch dieser begann nur spöttisch zu kichern.

"Ich werde ihr Schöpfer sein und bestimmen, welche Gefühle sie empfinden wird. Sie wird genauso empfinden wie ich."

Schockiert schüttelte seine Gesprächspartnerin den Kopf. Er hatte nichts anderes vor, als ihren Körper auszuhöhlen, nur damit eine andere Stimme ohne eigenen Willen aus diesem sprechen konnte. Hastig wanderte ihr Blick über das Lager und blieb an Girithon hängen. Der arme Teufel hatte all seine Autorität und Macht eingebüßt. Sicher war seine Intelligenz und alles was sie mit sich brachte zurück zu seinem Herrn geflossen.

"Habt ihr auch deswegen Girithon gewählt? Weil es Euch leichter fiel, eurem nahesten Blutsverwandten euren Willen aufzuzwingen?"

Ein harter Druck am Kinn zwang das Mädchen den Elb anzusehen.

"Ihr seid schnell von Begriff. Das habt ihr mit eurer Mutter gemein", zischte dieser anerkennend. "Es ist wirklich so, dass ich jemanden brauchte, der für mich die Mädchen sucht. Girithon hat nur wenige Gefühle von mir erhalten. Er ist mein verlängerter Arm und lebt nur für mein Glück, koste es, was es wolle."

Tuilinn wollte schreien, so laut, dass ganz Mittelerde sie hören konnte. Das war doch alles nicht wahr. Welches Monster war dieser Annûn? Und so etwas sollte auch ein Elb sein? Wie konnte so jemand vom gleichen Volk wie Elinol, Tawarên, Eliant, Arwen, Legolas, Ithildin und Dhoron sein?
 

"Habt ihr Angst?" fragte Annûn fast schon fürsorglich, nachdem Tuilinn ihn eine Weile schweigend angesehen hatte. Das Mädchen nahm all ihren Mut zusammen und stellte die Frage, die ihr beim Anblick des anderen Mädchens in den Sinn kam.

"Warum braucht Ihr mich? Ihr habt doch sie - sie sieht aus wie Ioreth und ist euch hörig."

Angewidert deutete sie auf das stumme Menschenkind, welches mit leerem Blick vor der Höhle stand. Annûn funkelte Tuilinn an.

"Ein altes Problem."

Anzüglich schlich er erneut um sein Geschöpf herum, begann erneut ihre kalte Haut zu liebkosen und steckte schließlich seine Hand in ihren Rockbund, der es noch mit Mühe schaffte, ihre Hüfte zu erreichen. Erregt warf das Mädchen seinen Kopf in den Nacken und stöhnte seinem Erschaffer ins Ohr.

"Gebieter."

Ihre Stimme war rasselnd und gespenstisch. Wie der Wind, der in Sturmnächten kläglich heulte.
 

Angeekelt wandte Tuilinn ihren Kopf zur Seite, bis sie sah, worauf Annûn hinaus wollte. Schwungvoll riss er den langen, die Beine gänzlich verdeckenden Rock ab. Es war ein schockierender Anblick. Unter dem linken Knie war das Fleisch dunkel, verdorrt und bis auf den Knochen abgefressen.

"Ihre Lebenszeit ist abgelaufen", erklärte der Elb ruhig.

"Das Problem an diesen Körpern ist, das sie zerfallen, sobald die Lebenszeit des ursprünglichen Besitzers abgelaufen ist."

Nahezu unschuldig zuckte er die Schultern.

"Selbst ich als Nekromane kann das nicht aufhalten und eine Wiederbelebung lehne ich ab. Noch so etwas Hässliches wie Girithon ertrage ich nicht, vor allem nicht wenn es mein Lager teilt. Wie du siehst, brauch ich etwas Langlebiges, eine Elbe, so wie dich."

Ein kalter Schauer zog sich über Tuilinns Rücken. Das war es also, er tötete die Mädchen, um ihre Körper auszuhöhlen und nun sollte auch sie sterben. Lange, nachdenklich und abgestoßen, musterte sie die Leiche in Annûns Umarmung. Einst hatte dieses Geschöpf ein anmutige, fürstliche Erscheinung besessen, doch nun war sie nicht mehr, als ein Sklavin, die ihrem Schöpfer hörig war. Tawarêns Geschichte von Sahuld kam der Halbelbe wieder in den Sinn. Nun hatte sich das Geheimnis um ihr Verschwinden doch noch gelüftet, aber welch tragisches Ende hatte die junge Fürstentochter ereilt?
 

Das unheimliche, grauenvolle Gespräch wurde jäh unterbrochen, als ein Ork heftig atmend heranstolperte. Vernichtend und herablassend blickte Annûn zu seinem Untergebenen hinab, dieser begann unterwürfig zu buckeln und schaute vorsichtig zu seinem Gebieter auf.

"M...Meister, wir werden angegriffen", versuchte er sein Auftauchen zu verteidigen.

"Wer?" fragte der dunkle Elb kalt.

"Zwei Elbenkrieger. Sie sind in das äußere Lager eingedrungen."

Hoffnungsvoll leuchteten Tuilinns Augen auf.

"Elinol."

Hasserfüllt wandte Annûn sich ihr zu.

"Freut Euch nicht zu früh. Elinol ist ein Schwächling, ein simpler, einfältiger Soldat. Er ist kein Gegner für mich und meine Macht."

Zornig ergriff er ihr zartes Handgelenk und schleuderte sie förmlich in die Höhle.

"Du weißt, was du zu tun hast", meinte er hastig zu Sahuld, bevor auch diese die Höhle betrat.

Erschrocken starrte Tuilinn zu ihrer Begleitung, als hinter der zerbrechlichen Hülle Steine niederprasselten und sämtliches Licht von außen aussperrte. Dieser wahnsinnige Elb hatte den Höhleneingang verschlossen und nun war die Halbelbe mit dieser wandelnden Leiche aus längst vergangenen Zeiten gefangen.
 

Es war Elinol ein höchstes Vergnügen, diese niederen, stinkenden Wesen, die es wagten, sich ihm in den Weg zu stellen, zu vernichten. Das äußere Lager war längst zerstört. Die Zelte brannten und unzählige Orks lagen in einem Meer ihres stinkenden Blutes. Mit fast schon gelangweiltem Gesicht, strich der Elbenhauptmann seine Schwertklinge sauber, bevor er über die Kadaver seiner ehemaligen Gegner stieg. Sein Weg führte zum Lagerkern, dort wo die Höhlen, die Hauptzelte und das Waffen- und Nahrungslager waren. Eilig lief er auf einen der flachen Hügel zu, die das innere Lager, vom äußeren abgrenzten. Noch bevor er die Spitze erreichen konnte, stellte sich ihm jemand entgegen. Rote Augen funkelten Elinol unsicher an. Kalt und emotionslos erwiderte der Elb den Blick, bevor er sein Schwert demonstrativ vor sein Gesicht hob und die Klinge auffordernd in die Richtung seines zukünftigen Opfers drehte. Für einen Moment flackerte Überraschung in Elinols Augen auf, als der Rotäugige, sich tief verbeugend, zur Seite ging und einer weiteren Gestalt Platz machte. Unruhig erkannte der honigblonde Elb, wen er nun vor sich hatte.

"Annûn."

Der Angesprochene lachte, während er seinem willenlosen, verunstalteten Zwillingsbruder über den nahezu kahlen Kopf strich.

"Wie geht es dir Elinol Brethilion? Wir haben uns lang nicht mehr gesehen."

Hass, blutdurstig und nach Rache verlangend, tobte in Elinols Herzen.

"Nicht mehr seit dem Tag, als du meinen Herrn und meine Kameraden ermordet hast."

Spöttisch kicherte der Elb in schwarz.

"So nachtragend? Eigentlich dachte ich ja, dass du auch längst tot wärst, aber du hast wohl mehr Glück, als Verstand."

Selbst wenn jede Faser seines Körpers verlangte, Annûn seine Zunge herauszuschneiden und ihn in kleine Stücke zu hacken, so sah er diesen dennoch nur unbeeindruckt an.

"Du weißt, weshalb ich hier bin. Gib mir das Mädchen und wir werden abziehen", kam Elinol auf Tuilinn zu sprechen. Schwungvoll warf Annûn seinen Umhang zurück und ließ sein dunkles Schwert hervorblitzen.

"Das wird wohl leider nicht gehen, alter Freund. Niemand gibt seine Braut so einfach her."

Elinol schob seinen Fuß ein Stück über den staubigen Boden vor, um einen besseren Halt zu erlangen und hob sein Schwert leicht über seine Schulter zurück. Seine stechenden Augen blitzen tiefblau auf, als er Annûn fixierte.

"Wie wahr, Leutnant."
 

Fremdes Blut tropfte vom feinen Gesicht auf die staubige Erde. Es klebte überall an Tawarêns Körper. Nachdenklich huschten seine Augen über das Lager. Überall stiegen dunkle Qualmsäulen in den nachtähnlichen Himmel und unzählige Kadaver lagen in Pfützen aus dunklem Blut. Es berührte den Elb nicht. Nichts berührte ihn mehr, außer dem Gesang von Wellen und Möwen. Angewidert wandte er den Blick von den Überlebenden ab, die feige zurück ins Schattengebirge flohen. Wie schwach waren diese Orks doch, wenn sie nicht einmal mit zwei Elbenkriegern fertig werden konnten. Eine ganze Armee von diesen verunstalteten Kreaturen war nicht mal einen einzigen elbischen Soldaten wert.

Er seufzte und schaute sehnsüchtig über die Schulter gen Meer. Kam es ihm nur so vor oder hörte er auch hier das Rauschen der Wellen? Alles zog ihn wieder dort hin, noch stärker, als jemals zuvor. Selbst Eirien war völlig vergessen. Er war Mittelerdes und seiner dunklen Geschöpfe überdrüssig. Noch einmal wandte er einen letzten Blick zu Elinol, als dieser begann mit Annûn die Klingen zu kreuzen. Tawarên fühlte sich nun überflüssig. Seinem Freund konnte er nun auch nicht mehr helfen. Mit einem lauten Pfiff rief er Lagor zu sich. Nicht einen Moment länger als nötig, wollte er hier verweilen. Das Meer, es rief ihn zu sich, lauter und deutlicher als jemals zuvor und er konnte diesem Ruf nicht länger widerstehen, sonst würde sein Herz zerreißen.
 

Voller Angst tastete Tuilinn sich die glitschige, schroffe Höhlenwand entlang. Nur schwer konnte sie in dieser Finsternis etwas erkennen. Gelegentlich stieß sie gegen einige Einrichtungsgegenstände und schrie leise auf. Sie traute sich kaum zu atmen, aus Furcht, Annûns Puppe Sahuld konnte sie finden. Die Halbelbe spürte die Präsenz des toten und wiedererweckten Mädchens nur zu deutlich. Der Schmerz, den Sahulds verschlossene Seele empfand, dröhnte in Tuilinns empfindlichem Geist wieder.

Hinter sich konnte sie hören, wie das andere Mädchen gegen dieselben Möbel stieß. Der rasselnde, unwirkliche Atem Sahulds streifte Tuilinns Haut und ließ ihr Herz fast aussetzen. Hastig stolperte sie weiter und griff mit ihren Händen schließlich ins Leere. Dort schien ein weiterer Gang abzugehen. Kühle, frische Luft wehte durch ihre zittrigen Finger. Vielleicht ein Ausgang. Rasch verfolgte sie diesen Gang weiter und musste feststellen, dass er doch enger war, als anfangs vermutet. Wohl nur ein Luftschach, der bald steil nach oben führte. Krachend stieß sie mit dem Kopf an die obere Decke und hielt sich wimmernd den Kopf. In dieser Dunkelheit konnte sie nicht mal geradeaus sehen, geschweige denn, die Grenzen des Tunnels erkennen. Wenn er noch schmaler werden sollte, saß Tuilinn hoffnungslos in der Falle und Annûns Dienerin war direkt hinter ihr.
 

Klirrend trafen zwei Klingen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Eine schwarz wie mondlose Neumondnächte, die andere silbern strahlend wie der Abendstern. Überheblich grinste Annûn seinen Gegner an. Er war sich des Sieges sicher und freute sich bereits darauf, in Elinols sterbendes Gesicht zu blicken.

"Vielleicht sollte ich dich auch zu meinem Diener machen, mein Freund. Du scheinst mir stärker geworden zu sein, in letzter Zeit."

Elinol antwortete nicht. Ihm war es nur wichtig, diesen Kampf schnellstmöglich zu beenden.

Erschrocken weiteten sich seine Augen, als Annûn ihm gegen die Beine trat und er zu Boden fiel. Gerade noch rechtzeitig konnte er das schwarze Schwert mit seiner Klinge abfangen, bevor es seinen Schädel spalten konnte.

"Du bist wirklich besser geworden", bemerkte Annûn sowohl überrascht, als auch anerkennend. Elinol rollte sich zur Seite und sprang zurück auf die Beine. Immer noch blieb er stumm und griff den Verräter als Antwort erneut an.

Zu seiner eigenen Überraschung, hatte der Schwarze Probleme, sich des jüngeren Elben zu erwehren. Hasserfüllt biss er sich auf die Unterlippe und griff mit seiner freien Hand unter seinen Umhang.

Zischend sauste etwas durch die Luft und traf Elinol empfindlich am Oberarm seiner Schwerthand. Rote Blutstropfen spritzten auf und bedeckten das schöne Gesicht des Elben. Grinsend zog Annûn seine Peitsche zurück. Zu seinem Bedauern rang selbst dies seinem Gegner keinen Ton oder wenigstens einen nervösen Wimpernschlag ab. Gelassen stellte der Honigblonde sich wieder in Angriffstellung.
 

Fahles Licht strahlte Tuilinn entgegen. Der enge Ausgang war nur noch eine Armlänge weit weg. Heilfroh streckte sie ihre Hand danach aus, als etwas ihren Fußknöchel umfasste und sie mit einem Ruck zurückzog. Irritiert blickte das Mädchen an ihrem eigenen Körper vorbei und konnte Sahulds starres Gesicht erkennen. Panisch begann sie zu zappeln und mit ihren Füßen auf die Tote einzutreten, um deren eisernen Griff loszuwerden.

"Lass mich los!"

Sahuld reagierte nicht. Ihre toten Augen glotzten ihr Opfer nur hoffnungslos an. Zischend entblößte sie ihre Zähne, wie eine Schlange, bevor sie das Kaninchen verschlingt. Erschrocken weiteten sich Tuilinns Augen. Sie drehte sich auf den Rücken und krallte ihre Hände in den schroffen Stein unter sich, um sich Halt zu verschaffen. Mit letzter, panischer Kraft, trat sie gegen den Schädel unter sich. Ein lautes Knacken war die Folge und Sahulds Kopf knickte nach hinten weg. Schlaff sackte der gesamte Körper in sich zusammen und fiel polternd den Schacht zurück. Zittrig versuchte Tuilinn so schnell wie möglich von diesem grässlichen Ort wegzukommen. Sie spürte, kühle Luft, die vom nahen Schachtausgang in ihr Gesicht wehte und hörte tänzelnde Schritte von Kämpfenden, die den Boden vibrieren ließen und dumpf in dem engen Tunnel widerhallten.
 

Annûn schwitzte nervös. Das Ende seiner Peitsche war um Elinols Hand gewickelt. Blut quoll zwischen den einzelnen Lederbahnen hervor und floss ein Stück die Waffe entlang. Der schwarze Elb hatte seinen Gegner hoffnungslos unterschätzt und musste nun dafür zahlen. Wütend warf er seine Peitsche von sich und besann sich wieder auf sein Schwert. Er war gerade noch im Sprung, die Klinge über seinem Haupt erhoben, als Elinol die gefangene Peitsche durch die Luft schleuderte und sie um Annûns Hals wickelte. Würgend stürzte der Verräter zu Boden und zerrte verzweifelt an dem dicken Ende seiner eigenen Waffe. Damit hatte er nicht gerechnet. Ein feiner Rinnsal aus Blut floss aus seinem Mundwinkel, als er zu Elinol aufblickte.

"Glaubst du, das ist das Ende?"

Erbarmungslos schaute der Angesprochene auf den Gefangenen hinab. Die silberne Klinge wurde in der Hand gedreht und schwebte nun bedrohlich über Annûns Körper.

"Soll Mandos sich deiner annehmen", beschwor der elbische Hauptmann mit leerem Blick, doch der Besiegte lachte nur.

"Der Friede ist längst zerstört. Nur weil du einen Kriegsherrn tötest, wirst du das Ende nicht aufhalten können. Das Auge meines Herrn ruht nun auch auf dem Stamm der Waldelben. Wenn alles niedergebrannt wurde, wird auch Mandos mich zu meinem Herrn zurückschicken müssen."

Die letzten Worte vergingen in einem erstickten Gurgeln. Angewidert zog Elinol seine Klinge aus dem auskühlenden Körper und wandte sich ab. Seine Augen huschten über das Lager und es war nicht zu übersehen, wie Annûns Macht verging. Unzählige Rauchsäulen stiegen gen Himmel, als die Orkleichen sich auflösten. Elinols Blick blieb an Girithons roten Augen hängen, der die ganze Zeit abseits gestanden hatte. Zum ersten Mal flackerten ehrliche Gefühle hinter der roten Iris auf. Es war Dankbarkeit und Frieden. Endlich, nach all den Lebensaltern fand er seine Ruhe wieder. Ruhig sah Elinol zu, wie der Ork langsam zu Staub zerfiel und dieser ebenfalls gen Himmel stieg.
 

"Elinol?"

Ruckartig drehte der Elb sich um. Sein Herz setzte für einen Moment aus, als er Tuilinn erkannte, die den Hügel hinaufgeklettert war und nun an seiner Spitze stand. Ihre blonden Haare waren zerzaust, das Kleid zerrissen und überall blitzten blutige Schrammen und blaue Flecke hervor. Er selber sah auch nicht besser aus. Sein Ohr war waagerecht eingeschnitten und Blut floss seinen linken Arm hinab.

"Elinol", wiederholte das Mädchen erfreut.

Langsam ging sie auf ihn zu, so als fürchtete sie, er würde sich auflösen, wenn sie zu hastig reagieren würde, doch er blieb da. Ein scheues Lächeln huschte über seine Lippen und verlangte von der Elbe Erwiderung.

Tuilinn stand nun direkt vor ihm und musterte besorgt seine Wunden. Kurz fuhr sie mit der Hand über den tiefen Schnitt an seinem Oberarm, ohne diesen zu berühren. Entsetzt zog sie die Luft ein, bevor sie sich traute, ihm ins Gesicht zu sehen.

"Ist es vorbei?"

Er antwortete nicht, auch nicht, als die ersten Tränen in ihren Augen glitzerten. Unsicher biss sie sich auf die Unterlippe, streckte jedoch dann die Hand nach ihm aus. Vorsichtig zog das Mädchen seinen Kopf näher und berührte seine Stirn mit ihrer.

"Ich wusste, dass du kommen würdest."

Sie konnte spüren, wie er erleichtert tief einatmete.

Elinol hielt sein blutverschmiertes Schwert immer noch in der Hand, auch als er mit dem verletzten Arm ihren Körper nah zu sich zog. Zärtlich strich er durch ihre blonden Haare, als Tuilinn an seiner Brust lehnte und versuchte den Schrecken zu vergessen.

"Ich kann doch mein Vögelchen nicht allein lassen."

Wohlig zog der Elb den Duft des Mädchens ein. Nun konnte er sie endlich nach Hause bringen, auch wenn er dieses unsägliche Gefühl nicht loswurde, von etwas oder jemanden beobachtet zu werden. Von jemanden mit bedeutend mehr Macht, Kraft und Boshaftigkeit, als Annûn.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  mitsuki11
2003-09-17T15:02:23+00:00 17.09.2003 17:02
"GEWONNEN" *strahlt übers ganze Gesicht*

Endlich sind die Beiden wieder vereint! Schade finde ich nur das sich Tawarên sich von dem Gesang des Meeres so mitreißen lässt das er darüber seine Eirien vergisst!

Froh bin ich darüber das die FF noch nicht zu ende ist!
Und ich hoffe der nächste Teil ist bald online!

HDL
mitsuki
Von: abgemeldet
2003-09-17T10:25:30+00:00 17.09.2003 12:25
Juhu, entlich eine neues Kapitel. Ich dachte schon du hast die Geschichte voll vergessen weiter zu schreibe. Die Story war wie immer der Hammer XD

Schreib schnell weiter ^^

*knuddel*

Bussi Nilli
Von:  Poolee
2003-09-17T07:21:27+00:00 17.09.2003 09:21
@Vanillaspirit: Gern geschehen! *smile*

Also, mir hat's auch mal wieder gut gefallen. Was genau, hab ich dir ja schon gesagt!
Und den Titel find ich auch sehr passend!
*sich verbeug*

Bis demnächst *g*
^^Poo
Von: abgemeldet
2003-09-17T06:20:10+00:00 17.09.2003 08:20
Kommentar: Sehr gut.
Von:  Sinia
2003-09-17T05:29:26+00:00 17.09.2003 07:29
Genial wie immer!
Schreib bitte schnell (oder au net hauptsache es geht weiter) weiter!

Ciao *knuddel* Siane


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