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By The Riverside

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By The Riverside - Oneshot

By the riverside
 

Weißt du noch?

Der Tag, an dem wir uns kennenlernten war ein Freitag.  Die Sonne war weit und breit nicht zu sehen. An ihrer statt tobte ein Sturm, trieb große graue Wolken über den Himmel. Hätte ich die Zeit dazu gehabt, hätte ich mich wohl gefragt wie es sich wohl anfühlt. Eine Wolke zu sein, meine ich.

Vielleicht ist der Wind ja ganz sanft zu den Wolken, selbst wenn es gar nicht danach aussieht?

Doch an diesem Freitag hatte ich keine Zeit mir darüber Gedanken zu machen. Ich erinnere mich noch gut, dass ich Mühe hatte meine Kapuze auf dem Kopf zu behalten, während ich durch den immer stärker werdenden Regen lief. Ständig blieben meine Gummistiefel im immer schlammiger werdenden Ufersand hängen und erschwerten mir das Vorankommen enorm. 

Ich war auf dem Weg nach Hause und unglaublich spät dran. Ich weiß noch, wie meine Gedanken anfingen zu rasen als ich mir ins Gedächtnis rief, wie sehr meine Großmutter immer tobte wenn ich zu spät kam. Es musste nicht einmal etwas Besonderes anstehen um sie wütend werden zu lassen. Es musste nicht einmal etwas Besonderes passiert sein. Es reichte vollkommen, wenn ich es war. 

Ich war nicht so, wie sie es gerne gehabt hätte. Sie verstand mich nicht und wie alle Dinge, die sie nicht verstand machte es sie wütend. Ich machte sie wütend. Und Gelegenheiten wie diese – Pünktlichkeit hatte noch nie zu meinen Stärken gehört – gab ihr einen verständlichen Grund wütend auf mich zu sein und es auch auszudrücken.
 

Ich hatte gerade frustriert wieder einmal an einem meiner Stiefel gezogen, der sich hartnäckig im Schlamm hielt während neben mir das Rauschen des Flusses zunahm. Wind und Wasser hatten ihn anschwellen lassen und seinen Strom beschleunigt. Schnaubend hatte ich aufgesehen um mir eine Verschnaufpause zu gönnen und dann…

Dann hab ich dich gesehen. Mitten im Wasser hattest du getrieben und mich angesehen, als wäre ich ein Geist. Mit deinen großen, wunderschönen Augen. Ich konnte nicht anders als zurückzustarren und fühlte einen Schauer über meinen Rücken laufen. Ein ziemlich kalter, wie ich zu meiner Verlegenheit gestehen muss. Aber du hast nicht weniger geschaudert. Wie auch nicht? Es war schummerig und kalt und plötzlich jemand, der so anders ist? So vollkommen anders. Deine Augen waren das Erste, was ich von dir gesehen hatte und sie waren auch der Teil von dir, der mich unter anderem dazu bewegt hat zwei Tage später zum Flussufer zurückzukommen. Erst nach und nach nahm ich deine gesamte Erscheinung auf – soweit man von ‚ganzer Erscheinung‘ reden kann. Immerhin war ein guter Teil von dir unter Wasser versteckt. Trotzdem: deine blasse, leicht gräulich erscheinende Haut und deine langen Haare, die ich im ersten Moment – das schlechte Wetter war Schuld, keine Frage – für Algen gehalten hatte, wirkten überaus befremdlich. Ich werde auf dich kaum anders gewirkt haben. Im Vergleich zu deinen sind meine Augen beinahe winzig und auch meine Haare, wenn auch nicht weniger lang als deine, sind dir bestimmt seltsam vorgekommen. So fein und flusend.

Es tut mir im Übrigen immer noch Leid, dass ich angefangen habe zu schreien. Ich stelle mir manchmal vor, wie es wohl gewesen wäre, wenn wir uns an einem sonnigen Tag kennengelernt hätten. Ob ich anders reagiert hätte. Ich hätte eventuell einen Spaziergang am Fluss gemacht und mich für eine kleine Pause ans Ufer gesetzt. Und während ich die Sonne genossen hätte, wärst du mir ins Auge gefallen. Das Sonnenlicht hätte sich bestimmt in deinen Haaren verfangen und sie ganz wunderbar zum Leuchten gebracht. Und das Wasser um dich herum hätte geglitzert und dir einen Glanz verliehen, sodass mich bestimmt der Schlag getroffen hätte vor so viel Wunder.

Weißt du, ich bin den ganzen Weg nach Hause gerannt so schnell ich nur konnte. Nicht einmal hatte ich bemerkt, dass ich meinen Gummistiefel im Schlamm hatte stecken lassen. Erst als ich im warmen Flur stand und meine Großmutter mich trotz aller (überraschenderweise noch erreichten) Pünktlichkeit anherrschte wieso „um Himmels Willen“ ich so nass sei und „wo zum Henker“ ich meinen zweiten Schuh gelassen habe, fiel es mir auf. Meine Hände zitterten immer noch und meine Beine fühlten sich klamm an, was nicht nur daran lag, dass ich durch das Wetter und meinen Lauf recht ausgekühlt war. 
 

Den ganzen Abend und den nächsten Tag über spielte ich Mal um Mal dieselbe Szene in meinem Kopf ab und versuchte zu entscheiden, ob ich einer Sinnestäuschung erlegen war oder ob es tatsächlich so stattgefunden hatte. Am zweiten Tag nach unserer ersten Begegnung ging ich dann zurück an den Fluss. Es stürmte und regnete dieses Mal nicht und man hätte einen guten Blick auf das Wasser des Flusses. Vorsichtig hatte ich mich der Stelle genähert (denn nur weil ich mich getraut hatte dem Fluss wieder näher zu kommen hieß das nicht, dass ich zufrieden war mit meiner Entscheidung. Aber ich musste unter anderem auch meinen vergessenen Gummistiefel wiederfinden, ein Rückzug war also nur ganz am Rande meiner Möglichkeiten). Mein Gummistiefel steckte im nun mittlerweile getrockneten Ufersand. Immerhin einen Erfolg konnte ich also verbuchen. Während ich mich daran machte, meinen Stiefel aus dem Sand zu befreien sah ich aus den Augenwinkeln immer wieder in Richtung des Wassers. Ich suchte es nach Schatten ab, nach einem Wirbel, nach irgendetwas das mit signalisierte, dass sich etwas oder jemand im Wasser befand. Nachdem ich meinen Gummistiefel aus dem Sand befreit hatte, setzte ich mich ans Ufer. Der Anblick deiner Augen huschte in meinem Kopf herum und ich erschauderte wie schon beim ersten Mal. Dieses Mal allerdings mehr vor Neugierde als vor Befremdung. Ein verrücktes Gefühl, eine Mischung aus Neugierde und Angst, kam in mir auf und ließ mich eine ganze Weile angespannt auf das Wasser schauen. 

Weißt du, ich habe bis zum Abend im Ufer gesessen und darauf gewartet etwas von dir zu sehen. Einen Schatten vielleicht. Oder ein paar deiner Strähnen. 

Am Ende des  Tages war ich mir beinahe sicher, dass es sich doch nur um einen Sinnestäuschung gehandelt hatte. Ich war enttäuscht. Und erleichtert. Und doch wieder enttäuscht. Das Bild deiner Augen geisterte immer noch in meinem Kopf herum, aber ich versuchte nicht mehr sein Ebenbild im Fluss zu suchen. Doch gerade als ich mich aufgerichtet hatte und mich zum Gehen wenden wollte, hörte ich ein Plätschern. Ein nasses Geräusch, das so laut war, dass es meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war schon recht dunkel, doch ich meinte etwas im Wasser verschwinden zu sehen. Etwas großes, mit Schuppen besetztes. Meine Augen weiteten sich und ich schaute angestrengt in die Dämmerung. Ein Plätschern gab es nicht ein zweites Mal, aber etwas schimmerte für kurze Zeit unter der Wasseroberfläche. Mit einem Seufzen wandte ich mich dann endgültig zum Gehen. Der Wuselwind in meinem Kopf hatte nicht gerade abgenommen.

Es dauerte bis zum nächsten Freitag, bis ich wieder am Fluss vorbeikam. Es war grau, Wolken bedeckten den Himmel, aber es wehte kein Wind. Auch das Wasser war ruhig. Ich setzte mich ans Ufer wie zuvor. Unsere zweite Begegnung war weniger düster. Weniger gruselig und doch irgendwie beängstigend. Vor allem war ich beängstigend nervös, beängstigend neugierig und beängstigend ängstlich. Wie schon beim ersten Mal starrten wir uns an. 

Du bist plötzlich mitten im Fluss aufgetaucht, weißt du noch? Ich habe mich unglaublich erschreckt und bin zusammengezuckt.

Ich konnte dich genauer betrachten. Deine Augen waren wie ich sie in Erinnerung behalten hatte: groß und vollkommen schwarz. Deine Haare bestanden allerdings nicht aus Algen, auch wenn sich einige kleinere Algen in ihnen verfangen hatten. Sie waren schwarz und glänzten leicht grünlich. Deine Haut erschien nicht mehr ganz so gräulich, eher bläulich. Wir näherten einander an. Ich kam dir entgegen soweit wie der Sand mich ließ ohne nass zu werden und du mir soweit das Wasser dich ließ ohne zu seicht zu werden. Jetzt konnte ich auch deine Beine sehen oder vielmehr das, was anstelle deiner Beine deinen Unterkörper bildete. Einen schimmernden Fischschwanz mit einer kräftigen Flosse am Ende. Eine weitere kleine Flosse befand sich auf deinem Rücken. Langsam hoben sich meine Hände in Richtung meines Mundes. Mir blieb die Luft weg. Während meine Augen weit geöffnet deine Form aufnahmen und jedes Detail abspeicherten taten deine dasselbe. Ich konnte deinen Blick förmlich auf mir fühlen, wie er mich Stück für Stück abtastete. Meine Beine, meine Arme, meine Schultern, mein Gesicht. Wir sprachen nicht, starrten nur.

Weißt du noch, wie wir uns angestarrt haben? 

Auch die nächsten Male, die wir uns sahen. Es gab immer einen Abstand zwischen uns während wir uns anstarrten. Irgendwann fingen wir an zu sprechen. Zuerst nur einzelne Wörter, dann Sätze, dann Gespräche. Sprache war kein Problem. Wir gestikulierten, imitierten Geräusche und wussten uns gut zu helfen, wenn es Ausdrucksschwierigkeiten gab. Wir lernten gemeinsam zu sprechen.
 

Ich lernte sehr viel, wann immer wir uns trafen. Ich lernte Dinge über den Fluss, über die Pflanzen in ihm. Ich lernte, dass deine Haut unglaublich kalt, aber auch unglaublich weich war (um nicht zu sagen glatt. Das erste Mal, dass ich deine Hand nahm, wäre sie mir um ein Haar sofort wieder entglitten). Ich lernte, dass ich nicht länger als zwei Minuten die Luft anhalten konnte und dass die Schuppen an deinem Fischschwanz in der Sonne ganz bezaubernd aussahen. Irgendwann lernte ich auch, dass du meine Augen mochtest und dass du fürchterliche Angst vor streunenden Katzen hattest (auch wenn sie dir nicht wirklich etwas tun konnte). Ich lernte, dass du es mochtest meine Beine zu berühren und dass du es gern hattest, wenn ich dir deine Haare kämmte. 

Ist es nicht unglaublich komisch, wie wir uns voreinander gefürchtet haben bis es mit einem Mal nicht mehr so war?

Eines Tages lernte ich dann, wie sich deine Lippen anfühlten. Weich und kalt, aber doch so angenehm, dass ich sie ein weiteres Mal ertasten musste. Ich lernte, dass sich deine Lippen langsam erhitzten, je länger ich sie mit meinen ertastete und erkundete. Ich war nicht überrascht, dass deine Küsse ein wenig salzig schmeckten (ich war allerdings doch überrascht, dass sie nicht sehr fischig schmeckten) und es wunderte mich auch nicht, wenn wir vollkommen im Wasser landeten während ich versuchte herauszufinden, wo der Salzgeschmack am stärksten war. Allgemein wunderte es mich nicht mehr, wenn ich nass bis auf die Knochen war sobald ich nahe genug an dich herankam. Du zogst mich meistens sofort in eine Umarmung und ich fragte mich gelegentlich, warum ich mir überhaupt noch die Mühe machte ein oder zwei Lagen Kleidung über meinen Bikini zu ziehen. Das Wasser war nicht immer warm, aber die Sonne macht es einen Großteil der Zeit sehr erträglich.

An sonnigen Tagen lagen wir oft Seite an Seite im seichten Wasser. Unsere Schultern und Oberarme berührten sich und wir hatten unsere Finger miteinander verflochten. Die Sonne ließ deine Schuppen und meine nassen Beine schimmern und glänzen. Ebenso deine Augen, die mir entgegen leuchteten und deine Lippen, die dein wunderbares Lächeln einrahmten.

Weißt du, ich wünschte, es könnte für immer so sein.

Fin.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  rikku1987
2013-08-04T17:25:26+00:00 04.08.2013 19:25
Süß und irgendwie interessant toller Schreibweise



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