Der Mann ohne Vergangenheit von Hotepneith ================================================================================ Prolog: -------- Ein kleiner Flohgeist eilte die Flure des mittelalterlich anmutenden Schlosses entlang, vorbei an Audienzsuchern und Wachen, von denen ihn nur letztere wirklich zur Kenntnis nahmen. Vor einer Tür blieb er stehen: „Befehl des Herrn,“ keuchte er und einer der Dämonen, die rechts und links mit Schwertern bewaffnet neben der Tür standen, schob diese beiseite. Der kleine Floh sprang in das Arbeitszimmer, wo auf dem erhöhten Podest ein Mann in altmodischer Kleidung kniete, in weißer Hose und weiß-blauem Oberteil. Er hatte die weißen, langen Haare zu einem Zopf nach hinten gebunden und zeigte seine spitzen Ohren. Gemeinsam mit den goldenen Augen, die sich nun von dem Brief, den er las, auf den Floh richteten, bewies das nur zu deutlich, dass er ein Hundedämon war, genauer, der Anführer der Hundedämonen, der Inu no Taishou. Den militärischen Titel hatte er seit den letzten Kriegstagen behalten, auch, wenn er sich heute nur Fürst titulieren ließ. Der Neuankömmling verbeugte sich, alle vier Arme verschränkt. „Nun, Myouga?“ Der Angesprochene richtete sich auf, seit Jahrhunderten höfisch erfahren, zumal mit seinem Herrn: „Ich kann Ihnen diverse Zwischenberichte abliefern, oyakata-sama, aber sie sind noch nicht vollständig. Bei dem Einen oder Anderen gestaltet sich die ausführliche, ja, vollständige, Suche ein wenig...schwierig.“ Der Fürst legte das Papier beiseite und musterte den kleinen Flohgeist. Diesem brach sichtlich der Schweiß aus, aber er beteuerte: „Die Leute geben sich wirklich Mühe, oyakata-sama.“ „Ich bezahle meine Agenten nicht für einfache Dinge.“ „Natürlich nicht.“ „Myouga, der Große Krieg kostete viel Blut, das von Dämonen und das von Menschen. Ist es wirklich notwendig dich darauf aufmerksam zu machen, dass ich nicht wünsche, dass sich das nach meinem Tod wiederholt?“ „Dessen bin ich mir im Klaren, oyakata-sama.“ Wer, wenn nicht er, wusste um die Tragik, dass der Mann, der den Frieden gebracht hatte, selbst keinen Nachfolger besaß? Sein Erstgeborener war im Wahnsinn von der eigenen Mutter ermordet worden, der zweite Sohn nur ein Halbblut, dessen Mutter eine Menschenfrau war – des Erbes unfähig. Kein Dämon würde Inu Yasha akzeptieren, der denn auch abseits aufwuchs. Um einen würdigen Nachfolger zu finden hatte der Fürst seinen Geheimdienst beauftragt, unter allen mächtigen Dämonen, zumal seinen Beratern, nach deren Lebensläufen und auch Schwächen zu suchen. „Ich.....“ Er brach ab. Auch, wenn er zu den längsten und vertrautesten Dienern gehörte, sich vieles in der Moderne geändert hatte, so schickte es sich doch immer noch nicht seinem Herrn Vorschläge zu machen. Der Inu no Taishou legte die Hände auf seine Oberschenkel. Er mochte die alte Kleidung, trug sie auch auf Empfängen hier bei Hofe und es galt als ungeschriebenes Gesetz, dass man als Gast oder zu einer Audienz ebenfalls in Kimono oder dieser Garderobe erschien. Nur zu geschäftlichen Zwecken außerhalb trug er schwarzen Anzug und Krawatte. Er empfand dies stets als unbequem, aber es war eben heutzutage üblich. Er hatte sich an vieles gewöhnt in den letzten Jahrhunderten. „Sag deine Meinung.“ „Danke, oyakata-sama.“ Myouga hüpfte etwas näher und sprang dann ohne weiteres auf die Knie des Fürsten, damit von außen sicher niemand mehr zuhören konnte. Mit dieser Aufforderung des Inu no Taishou war das Gespräch soweit privat geworden, dass er dies wagen durfte. „Unter den mächtigen Dämonen, gerade auch Ihren Beratern, gibt es bestimmt einige, die ihre Schwachstellen sehr geschickt verborgen haben, zumal auch, wenn sie im Krieg nicht gerade auf Ihrer Seite waren. Es ist überaus schwierig, mit...offiziellen Methoden dorthin zu gelangen, zumal sie sicher damit rechnen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Sie nach einem Thronfolger suchen.“ „Mit offiziellen Methoden ist es schwierig,“ wiederholte der Inu no Taishou den wesentlichen Punkt. „Was schlägst du also vor?“ „Es gibt da einen Mann, der sich Tantei nennt, Ermittler, obwohl er wohl eher als Informationsbeschaffer zu bezeichnen wäre. Er hat eine Agentur und gilt als der Beste der Branche.“ „Legal?“ fragte der Fürst prompt. Myouga zuckte die Schultern und hob entschuldigend zwei seiner vier Hände: „Sagen wir, die Polizei konnte ihm nie etwas anhaben. Und ich bin ganz sicher, dass er niemals Dinge unseres Geheimdienstes ausspionierte.“ War das glaubhaft? Aber er war gewohnt, erst zu entscheiden, wenn er alle Fakten besaß: „Weiter.“ „Er ist recht jung, vielleicht um die vierhundert Jahre alt....“ Das entsprach unter Menschen zwanzig, also hatte er gewiss den letzten Krieg nicht miterlebt: „....durchaus gut aussehend, sagten mir Frauen, ein Hundedämon ohne weitere Herkunft, vermutlich stammt er aus Akumu.“ Das war das Viertel der Stadt, in dem sich alle Dämonen sammelten, die weder das freie Leben in den Wäldern wollten, noch mit Menschen etwas zu tun haben wollten – von denen sich auch wohlweislich keiner dort hin wagte. Das war zu gefährliches, raues Pflaster. Der Fürst überließ die Dämonen dort sich selbst, solange sie ihre Streitigkeiten untereinander regelten und sich nicht in die zivilisierteren Stadtviertel wagten. Dort, aus dem nicht ungefähr „Albtraum“ genannten Viertel, herauszukommen, war jedoch schwer. „Er scheint aber eine recht vernünftige Ausbildung genossen zu haben, ich hatte mit ihm einmal zu tun. Kühl, sachlich, durchaus kein Schläger. Sein wahrer Name ist unbekannt. Wenn man ihn erreichen will, geht das nur über ein Handy, das er zehn Minuten lang abends an hat – und das gespiegelt wird.“ „Gespiegelt.“ „Verzeihen Sie. Wenn man versucht es zu orten, landet man überall, im Meer oder hier im Schloss, aber man findet ihn nicht, zumal in dieser kurzen Zeit.“ „Ein vorsichtiger Mann.- Du hast ihn erreicht.“ „Ja, einmal. Ich würde vorschlagen, dass Sie ihn für gewisse Überprüfungen engagieren. Er ist teuer, aber er ist sicher der Beste. Ich vermute, und das ist wirklich nur eine Vermutung, oyakata-sama, dass er einen geschickten Hacker bei sich hat und gute Kontakte nach Akumu und zu allerlei Dämonen in der Stadt.“ „Hacker sind doch immer Menschen. Kaum einer von uns mag diese Kästen, so nützlich sie auch sind.“ „Das ist wahr.“ „Gib mir eine Liste mit den Dämonen, bei denen mein sonst so nützlicher Informationsdienst nicht weiterkommt. Ich werde mir einen davon aussuchen. Und du suchst Kontakt zu diesem Tantei. Wenn er so fähig ist, wie du sagst, soll mir der Preis gleich sein. Das brauchst du ihm gegenüber natürlich nicht zu erwähnen.“ „Natürlich nicht, oyakata-sama.“ Myouga sprang zurück auf seinen Platz, denn der private Teil des Gespräches war vorbei: „Wann wünschen Sie die Liste?“ „Morgen früh. - Ich gehe später zu Inu Yasha.“ „Natürlich, oyakata-sama. Heute ist der Todestag....“ Das sprach der kleine Flohgeist lieber nicht aus. Der Inu no Taishou hing noch immer an der schönen Menschenfrau, die ihm diesen, nun seinen einzigen, Sohn geschenkt hatte, und die viel zu früh hatte sterben müssen. Sowohl Izayoi als auch ihr Sohn hatten in einem Haus abseits des Schlosses, wenn auch noch auf dem Gelände, ihr Zuhause gefunden, beide nicht anerkannt von der dämonischen Gesellschaft, aber den Fürsten glücklich machend. Gerade nach der schrecklichen Tragödie seiner ersten Ehe und dem grässlichen Ende seines ersten Sohnes hatte das dem Herrn sehr gut getan. Von dem Kleinen, wie hatte er geheißen, Sesshoumaru, hatte man keine Spuren mehr gefunden und man nahm allgemein an, dass seine Mutter, die in ihrem Wahn immer wieder von ihm und zerreißen gesprochen hatte, auch verrückt genug gewesen war ihn aufzufressen. Wahrlich, ein schweres Schicksal für den armen Herrn. Myouga hatte für einen Augenblick damals vermutet, auch der würde verrückt werden, aber er hatte sich dann doch gefangen. Der Flohgeist verneigte sich. Es war mehr als unhöflich ohne Verabschiedung zu gehen. Die kam auch prompt: „Du darfst gehen, Myouga. Und, mit der Liste möchte ich auch, dass du ein Treffen mit diesem Tantei in vier Tagen hast.“ „Ja, oyakata-sama.“ Hoffentlich würde das gelingen. Dieser Kerl war schwer zu erreichen. Und wenn die Handynummer nicht mehr stimmen sollte....nein, soweit wollte Myouga gar nicht denken. Der Inu no Taishou mochte manchmal nachsichtig wirken – bei Versagen war er es nie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)