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Vergangene Zeiten

Eine One-Shot-Sammlung
von

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Brautschau

Du bist tot!“, schrie eine grelle Stimme in sein linkes Ohr.

„Gar nicht! Du bist tot!“, grölte es in sein Rechtes und obwohl Newall seine beiden Söhne liebte, ertappte er sich zunehmend oft dabei, sich zu wünschen, sie hätten einfach Beide recht.

Seit über einem Monat hingen die Zwei nun schon sprichwörtlich an seinem Rockzipfel und er musste zusehen, wie er neben seinen angestammten Aufgaben auch noch die Mutter für die Beiden ersetzte.

Natürlich, er hätte eine Amme anstellen können, aber er misstraute diesen Weibern und wollte nicht, dass eine von ihnen seine ständige Abwesenheit ausnutzte um die künftigen Thronfolger zu korrumpieren.
 

Newall seufzte und lehnte sich weiter gegen die Reling. Hätte Ursilla sehen können, dass er ihre Söhne auf ein Schiff geschliffen hatte, sie hätte ihm sicherlich die schlimmsten Vorwürfe gemacht. Aber Ursilla war tot – dahingerafft von der Grippe - und irgendwo mussten die beiden Knaben ja bleiben. Auch wenn er zunehmend zu verstehen begann, was der Kapitän eigentlich hatte sagen wollen, als er ihn gefragt hatte, ob sie sicher mit den Beiden an Bord ablegen sollten.

Eigentlich hätte ihm auch selbst einfallen können, dass seine Söhne spätestens am zweiten Tag der Reise nicht mehr von Segel und Mast eingeschüchtert werden und stattdessen anfangen würden, sich auf dem Boot zu langweilen. Aber nein, er war mit seinem Kopf bei wichtigeren Dingen gewesen und die Götter der leeren Hand hatten ihn dafür die letzten vierzehn Tage lang bestraft.

„Vater, Edwyn ist unfair!“, jaulte sein Jüngster und für einen kurzen Augenblick war die Verlockung einfach über die Reling zu fallen beinahe überwältigend. Vielleicht würde er ja in den Armen einer Meerjungfrau landen, bevor er ersoff.

Newall seufzte ein zweites Mal.
 

Wie hatte Ursilla das nur den ganzen Tag ausgehalten? Die Frau hatte doch sonst keine nennenswerten Talente besessen. Wie also hatte sie es geschafft, dass die Zwei immer friedlich geschlummert hatten, wenn er sie zu Gesicht bekommen hatte? Da musste es doch einen Trick geben. Ein Zaubermittel! Bestechungsgelder! Irgendetwas.

„Ich bin gar nicht unfair! Du bist unfair! Vater, Athelstan will wieder nicht sterben! Befehlt es ihm!“ Edwyn stampfte mit dem Fuß auf die Planken und fuchtelte mit seinem Holzschwert. Ein Verhalten, die er sicher ebenfalls von seiner Mutter hatte, aber Newall schwieg stoisch. Er wollte keinem von Beiden befehlen zu sterben, denn das hätte nur noch mehr Gejammer und Gejaule ausgelöst.

Er wusste es.

Er hatte es in den letzten Tagen in den verschiedensten Konstellationen ausprobiert.

„Vater!“, drängten beide Jungen weiter. Diese Beharrlichkeit musste ebenfalls von ihrer Mutter stammen.

Newall seufzte ein drittes Mal.
 

Wenn die Beiden sich an Land genauso aufführen würden wie hier, konnte er seine Pläne auch gut im Meer ertränken. Und er hasste es, wenn er seine Pläne im Meer ertränken musste. Fast so sehr, wie er dieses nervige „Vater“ hasste, dass ihm zur Zeit ständig an den Kopf geworfen wurde.

Betont langsam drehte er sich zu seinen Söhnen um und zwang sich zu einem halbherzigen Lächeln. „Was haltet ihr davon noch ein Marzipanwettessen zu veranstalten?“, fragte er scheinbar unschuldig und überließ es den Knaben prompt in lauten Jubel auszubrechen.

Sollten sie sich ruhig freuen. Wenn sie die Reste seines teuren Marzipans in sich hineinschaufeln würden, würden sie wenigstens eine Weile gezwungen sein den Mund zu halten und das bedeutete, dass er sich eine weitere Weile würde beherrschen können. Mit Glück genau die Weile, die das Schiff noch brauchte um endlich im Hafen einzulaufen.

Und he, Marzipan war unschädlich. Schließlich wurde es in Apotheken verkauft.

 
 

++++

 

„Euer Hoheit“, brüllte Madoc quer durch den Hafen und sorgte so dafür, dass sich deutlich mehr Männer nach ihm umdrehten, als er eigentlich gewollt hatte. Newall presste die Zähne aufeinander. Er kannte Madoc schon seit Jahren und er wusste, dass dieser Mann einfach nicht unauffällig sein konnte, aber das hier war selbst für seine Verhältnisse plump.
 

Madoc walzte weiter auf ihn zu und walzen war im wahrsten Sinne das richtige Wort. Während andere Händler ihren Verdienst nämlich in Gold anlegten, legte Madoc seinen in etwas Anderes an.

In Fett.

Er war so breit, aus den Fellen, die er für einen Mantel kaufte, hätte Newall zwei schneidern lassen können. Aber irgendwo hinter seiner lauten Stimme und viel, viel Speck, steckte ein Mann, den Newall durchaus schätzte. Darum äußerte er sich auch nicht über den vermasselten Empfang, sondern winkte nur unwirsch ab als Madoc zu etwas ansetzte, was sowohl eine Verbeugung als auch ein schmerzhafter Anfall hätte sein können.

„Es freut mich, dass Ihr wohlbehalten angekommen seid, Euer Hoheit“, ergriff Madoc wie gewohnt zuerst das Wort und Newall erinnerte sich spontan daran, dass das hier nicht seine Westmarch war - wo es respektlos gewesen wäre ohne seine Erlaubnis zu sprechen - sondern Daast, wo jeder den Mund öffnen konnte wann und wie er wollte, bis er auf Jemanden traf, der in der Lage war Jemanden zu bezahlen, damit er ihm die Zunge herausschnitt und damit für Ruhe sorgte.

Etwas, was er vielleicht auch an seinen Söhnen ausprobiert hätte, hätte es nicht so weitreichende Folgen gehabt.

„Ich fürchte ich habe meine Geduld auf See verloren, alter Freund“, entgegnete er, auch um nicht in die Verlegenheit zu geraten, dem Mann so etwas wie ein Kompliment auf sein aufgequollenes Selbst machen zu müssen. Denn er hätte schwören können, dass Madoc seit ihrem letzten Treffen runder geworden war und wenn nicht runder, dann wenigstens aufgedunsener. Aber das erwähnte er vielleicht besser nicht.

„Ich hoffe wirklich, du hältst was du mir versprochen hast“, schob er stattdessen nach und beobachtete mit einer diebischen Freude, wie die Farbe aus dem Gesicht seines Freundes wich. Sah irgendwie aus wie ein Käse und spontan fiel Newall ein, dass er eigentlich Hunger hatte. Im letzten Monat war er selten dazu gekommen ordentlich zu essen, da er die meiste Zeit darauf hatte verwenden müssen, fliegenden Häppchen auszuweichen. - Ein Teller bot dabei einen perfekten Schild. Allerdings musste man darauf achten, dass nichts auf ihm lag, bevor man ihn zweckentfremdete. Ansonsten ruinierte man nämlich mehr, als es die Häppchen getan hätten und ja, er konnte da aus Erfahrung sprechen. - Leider.

„Natürlich halte ich was ich verspreche“, beeilte sich Madoc zu versichern, „Ich habe Euch eine Schönheit versprochen und Ihr werdet eine bekommen. Aber erlaubt eine Frage: Wo habt Ihr denn die jungen Prinzen gelassen? Ich hatte gehofft sie heute endlich kennenzulernen.“

Sicher hatte Madoc es nur gut gemeint, doch diese Frage war definitiv eine von jenen, die Newall nur ungern hatte hören wollen.

„Im Gasthof“, grollte er entsprechend verärgert, „Sie fühlen sich unpässlich.“
 

Die Wahrheit war, dass die Beiden seit Stunden damit beschäftigt waren sein teures Marzipan wieder auszuspucken, weshalb er die Knaben nicht ganz ohne Begeisterung in der Obhut seines Magus zurückgelassen hatte. Denn eines hatte er dann doch von seiner verstorbenen Gattin gelernt. Frauen hassten es, wenn in ihrer Gegenwart irgendjemand spuckte. Sie mochten es ordentlich, rein, frei von Spucke und vor allem teuer. Alles Dinge über die man reden konnte, wenn er nur nicht mehr den ganzen Tag mit den beiden Marzipanvernichtern auskommen musste.

Aber so weit waren sie bedauerlicher Weise noch lange nicht.

Madoc verkaufte in der Regel Gewürze und seltene Speisen, keine Frauen und wer wusste schon wie gut sein Auge war, wenn es um etwas so Subjektives wie das andere Geschlecht ging?

Immerhin, wenn Madoc nicht log, dann hatte das Mädchen eine Mitgift, die jedem Emporkömmling des Landes anziehen würde.
 

Nur ob das so gut war?

In der Regel zahlte Newall nur drauf, wenn er versuchte etwas reichlich Minderwertiges an den Mann zu bringen. Und wer wollte schon eine minderwertige Ehefrau? - Er sicher nicht.

Wären nicht die Knaben gewesen, er hätte eine zweite Ehe gar nicht in Betracht gezogen. Aber die Beiden brauchten eine Mutter, oder zumindest Jemanden, der ihre Erziehung überwachte und der einfachste und sicherste Weg dafür war nun Mal erneut zu heiraten.

Nachdenklich blickte Newall in den Himmel. Für Ursilla hatte er trotz der beiden gemeinsamen Söhne nie mehr als Respekt empfunden und auch der war nicht sonderlich groß gewesen.

Natürlich, er hatte geschworen sie zu achten und zu lieben und ja, er hatte seine Pflicht erfüllt so gut es ihm möglich gewesen war, aber irgendwie... Wirklich wichtig war sie ihm nicht gewesen.

Um so merkwürdiger erschien es ihm, dass sie jetzt nach ihrem Tod viel öfter in seinen Gedanken auftauchte als noch zu Lebzeiten.

Ganz getreu den Worten: „Ich gehe zwar, aber ich verschwinde nicht“¹, die der Magus auf ihrer Beisetzung so betont hatte. - Komisch das sie erst hatte sterben müssen, damit er begann sie zu vermissen. Oder vermisste er am Ende gar nicht sie, sondern nur sein altes Leben?

 
 

++++

 

Er hatte es sich schwerer vorgestellt einen Platz an der Tafel des Fürsten zu bekommen. Nicht das er darin ein Problem gesehen hätte, aber er hatte angenommen, dass er sich zumindest noch einmal mit „Eure Hoheit“ hätte ansprechen lassen müssen.

Doch nein. Entweder Madoc hatte im Vorfeld die Männer des Fürsten bestochen, oder seine pummelige Gestalt hatte genügt um sie von ihrer Wichtigkeit zu überzeugen, so dass sie nun einen mehr oder minder schönen Platz an der Tafel hatten, der sowohl eine gute Aussicht auf das gebratene Schwein, als auch auf die anderen Gäste bot, die gerade staunend einen Schwarm kleiner Vögel beobachteten, der beim Anschneiden aus dem Inneren des Schweines gekommen sein musste.

Kein Trick, den Newall nicht schon einmal gesehen hatte, aber selbst wenn er neu gewesen wäre, er hätte nichts für ihn übrig gehabt, denn auch wenn er es nicht zugegeben hätte, inzwischen war er reichlich nervös und alles aber nicht mehr hungrig.

Er hatte noch nie um eine Frau gefreit – Ursilla hatte man mit ihm verlobt, da hatte er das Wort noch nicht einmal aussprechen können - und ja, auch wenn er das offizielle Prozedere natürlich kannte, wenn er einen Fehler in der Auswahl machte, würde er die Entwicklung seiner Söhne in eine Richtung lenken, die er sich nicht leisten konnte. - Ganz abgesehen davon, dass er auch keine große Lust hatte, wieder Monate lang auf irgendwelchen Schiffen zu verschwinden, nur damit seine Gattin ihn ein Weilchen in Frieden ließ.

Nein, dieses Mal sollte es anders laufen. Dieses Mal würde sie ein weniger einfältiges Gemüt besitzen und es vielleicht sogar schaffen, ihn ein Weilchen mit einem Gespräch zu erfreuen, das sich nicht um bunte Vögelchen drehte.

Irgendwann - In der Regel knapp nach dem dritten Satz - wurden die nämlich langweilig. Stinkend langweilig und immerhin sollte seine Frau nicht stinken, sondern in seiner Abwesenheit einen ordentlichen Haushalt führen und dafür brauchte man ein bisschen Geschick, sonst war der Wert der Mitgift schneller ausgegeben, als er eingenommen war.
 

Madoc klopfte vor Begeisterung über die Vögel so stark auf den Tisch, dass der Wein in seinem Becher überschwappte und irgendwie war es schön zu wissen, dass wenigstens einer sich amüsierte.

Sein lautes Lachen ließ Newalls Ohren empfindlich klingeln.

Ja, Madoc hatte Spaß.

Vielleicht sogar zu viel Spaß für Newalls Geschmack, denn so rot wie seine Wangen waren, war er sicherlich schon so besoffen, dass es schwer werden würde noch einmal bis zu ihm vorzudringen und das war schlecht, denn er brauchte ihn noch ein Weilchen. Immerhin musste er ihm noch sagen um welche Lady er sich eigentlich bemühen sollte.
 

Madoc lachte ein weiteres Mal und prostete fröhlich dem Hausherrn zu, der natürlich den Platz am Kopf der Tafel eingenommen hatte.

Newall stöhnte leise. Hätte er die Aufmerksamkeit des Fürsten gewollt, er hätte dafür gesorgt, dass er den Platz an seiner Seite bekam. So aber war das kein gutes, erstes Treffen. Er, neben einem besoffenen Gewürzhändler. Am Ende hielt man ihn auch für so einen. Immerhin, in Daast waren die Menschen schnell in ihrem Urteil, besonders wenn sie es über einen Bewohner der Insel fällen durften.

Vielleicht war es ja doch klüger zu fliehen, bevor er aus der Sache nicht mehr ohne Schaden heraus kam. Ja, genau. Er würde sich entschuldigen, in Richtung Abort verschwinden und rein zufällig unterwegs verloren gehen.

Madoc würde das eh nicht mehr bemerken und was das Mädchen betraf, nun das hatte dann eben Pech gehabt. Jede Lady in Daast hätte sich glücklich schätzen können, hätte er beschlossen Interesse an ihr zu zeigen, auch wenn die Tatsache, dass er bereits zwei Erben hatte, seinen Wert vielleicht ein wenig minderte.

Egal, hier galt es sein Gesicht zu wahren und das war wichtiger als die ferne Aussicht auf eine neue Gattin, die ihm „Tot“ und „Toter“ abnahm.

 
 

++++

Die Gänge waren kurvenreich, dunkel und menschenleer und auch wenn er es ungern zugab, musste er einräumen, dass er schon vor längerem die Orientierung verloren hatte. Er hatte sich verlaufen und dabei hatte er doch gehofft dieses verhängnisvolle Fest hinter sich lassen zu können, bevor Madoc anfing in seinem Suff wirklich unangenehme Dinge zu tun.

Doch so wie es jetzt aussah, würde er stattdessen alsbald dem Fürsten erklären müssen, wieso er sich in seinem trauten Heim verirrt hatte und ehrlich gesagt konnte Newall sich besseres vorstellen.

Zum Beispiel den Magus davon abzuhalten, seinen Söhnen die Pocken anzuhexen.

Aber um das zu tun, musste er hier erst einmal heraus und das war offenkundig ziemlich schwierig. Wer legte denn auch Gänge an, die überall, nur nicht dorthin führten, wo man gerade hin wollte? Das war doch schlicht kontraproduktiv.
 

Sichtlich genervt bog Newall um die nächste Ecke und blieb erst einmal überrascht stehen.

Die gute Nachricht war, er hatte endlich wieder Menschen gefunden. Die Schlechte, es handelte sich um eine Gruppe Damen, die fröhlich giggelnd in seine Richtung kam.

Wahrscheinlich waren sie auch auf dem Fest gewesen und hatten – ähnlich wie Madoc – ein wenig zu tief ins Glas geblickt. Ja, doch. Er konnte einen Grünschimmer im Gesicht der Einen erkennen, was schade war, denn eigentlich war sie ganz hübsch mit ihrem blonden Haar.

Newall zwang sich zu einer knappen Verbeugung. Vielleicht hatte er Glück und konnte der Gruppe unerkannt entkommen.
 

„Meine Damen“, raunte er ihnen der Höflichkeit halber entgegen und zumindest eine der Drei machte sich die Mühe ihm im Gegenzug ein kleines Lächeln zu schenken.

„Was tut Ihr hier?“, keifte ihn die Größte – ein dunkelhaariges Mädchen mit hoher Stirn und strengen Zügen - an und auch wenn er von den Einwohnern von Daast inzwischen einiges gewohnt war, erlaubte er es sich dennoch einen kurzen Augenblick lang ob des Tonfalles pikiert zu sein. Das Mädchen, das ihn angelächelt hatte, schien mit den Augen um Verzeihung bitten zu wollen, doch sagte sie nichts um ihre Begleiterin zur Räson zu rufen. Vielleicht war sie nicht in der Stellung, vielleicht hatte er in diesem Gang aber auch wirklich nichts zu suchen.

Wer wusste das schon?

Newall wusste nur, dass eine Antwort von ihm erwartet wurde. Eine möglichst Gute, denn sonst würden die Drei am Ende noch nach den Wachen rufen und dann würde das Ganze wirklich peinlich für ihn werden.
 

„Ik hab ihn mit d'm Gewürzhändler geseh'n“, nuschelte die Blonde und lehnte sich näher an ihre große Freundin, die fast wie auf Befehl abschätzig das Gesicht verzog.

Hatte Newall sie auf den ersten Blick genauso hübsch wie die Blonde gefunden, musste er seinen Eindruck jetzt revidieren. Mit dem angewiderten Ausdruck im Gesicht sah sie nach allem aus, nur nicht nach einer Frau, die er Abends in seinem Bett finden wollte.

„Gewürzhändler haben in diesem Flügel nichts zu suchen“, eröffnete sie und verspielte damit auch den letzten Rest an Sympathie, die er irgendwo für sie verspürt hatte.

„In diesem Fall“, eröffnete er, bemüht seine Verärgerung nicht durch seinen Tonfall zu verraten „wird es Euch freuen zu erfahren, dass ich nur am Ersten des Monats mit Gewürzen handele.“

Die Große warf der Blonden einen fragenden Blick zu, während die Dritte leise zu kichern begann. Offenbar hatte wenigstens eine von ihnen verstanden, dass er mit der, zugegebenermaßen erlogenen, Antwort auf die für den Haushalt nötigen Einkäufe anspielte.

„Wenn Ihr kein Gewürzhändler seid, was seid Ihr dann?“, wollte das Mädchen wissen und Newall kam zum ersten Mal in die Verlegenheit sie sich genauer anzusehen. Die langen, roten Haare boten einen interessanten Kontrast zu ihrer blassen Haut und dem blauen Kleid und auch zu den anderen Beiden, die ihn inzwischen giftig anfunkelten.
 

Zugegeben, er hätte mit der Frage rechnen müssen, aber eigentlich missfiel sie ihm. Sie bedeutete, dass er der Sache nicht mehr unerkannt entkommen würde, außer natürlich er erlaubte sich noch eine klitzekleine Lüge, die den Göttern der Hand bestimmt missfallen würde.

Und war es wirklich gut in Zeiten wie diesen den Geboten der Götter zu trotzen? Nein, wahrscheinlich nicht. Am Ende schickten sie ihm noch einmal eine Grippeepidemie und das musste nun doch nicht sein.

„Vielleicht möchtet Ihr ja raten“, bot er an, was er sonst eher seinen Söhnen angeboten hätte. Es würde ihm helfen Zeit zu schinden, so wie es das bei den Knaben auch immer tat.

„Ich denke er handelt schlicht mit irgendetwas Anderem. Mit Äpfeln vielleicht oder ähnlich unnützem Zeug“, eröffnete die Große und brachte die Rothaarige dazu spontan den Kopf zu schütteln.

„Nein“, widersprach sie ihr, „Erstens sind Äpfel nicht unnütz und zweitens habe ich noch nie einen Apfelhändler mit einem Schwert gesehen.“

„Dann isser bestimmt 'n Söldner!“, rief die Blonde dazwischen und disqualifizierte sich damit ziemlich endgültig als Gesprächspartnerin.

„Weil jeder Hausherr seine Söldner Gewürze kaufen schickt. Natürlich.“

Vielleicht hatte die Blonde ein Problem mit den Ohren, jedenfalls schien sie den Unterton in der Stimme ihrer Freundin gar nicht wahrzunehmen. Stattdessen klatschte sie begeistert in die Hände.

„Ik hatte recht“, jubelte sie in einem süßen, alkoholgetränkten Singsang und bemerkte nicht einmal mehr das Augenrollen der Anderen.

„Also Sir“, gab diese nach und wählte eine Anrede, die einem Söldner wohl kaum mehr hätte schmeicheln können, „Habt Ihr Euch verlaufen? Wir könnten Euch den Weg zurück zum Festsaal zeigen.“

„Könnten wir“, echote die Große, ließ Newall aber keinen Zweifel daran, dass sie lieber ein Schwein durch die Korridore geführt hätte, als ihn.

„Uh, könnt Ihr uns von 'ner Schlacht erzählen?“, schnatterte die Blonde dazwischen und Newall erwischte sich dabei, wie er mit den Augen nach einer Reaktion im Gesicht ihrer Freundin suchte. Vielleicht zählte er auch Sommersprossen und hatte es nicht bemerkt. Fakt war, er wollte keine Geschichte erzählen. Schon gar nicht über irgendwelche Schlachten an denen er nie teilgenommen hatte und überhaupt, dieses Mädchen war betrunken und gehörte ins Bett.

„Der hat doch mit Sicherheit noch nie eine Schlacht gewonnen“, plapperte nun auch die Ernste dazwischen und die Rothaarige fühlte sich genötigt erneut den Kopf zu schütteln.

„Hört auf“, befahl sie barsch, „Jetzt ist es genug. Ihr wisst doch so gut wie ich, dass er kein Söldner ist.“ Verdatterte Blicke flogen zwischen den Mädchen hin und her, dann ergänzte sie ein kaum hörbares „Oder?“

Zugegeben bei den beiden Grazien war sich Newall auch nicht sicher, ob sie erkannt hatten, dass er kein billiges Fußvolk war. Ehrlich gesagt hätte er den Beiden auch zugetraut, dass sie ihn gerade mit einem Pferd verwechselten, aber das jetzt auszusprechen, hätte Ärger bedeutet. Ärger der nicht sein musste, auch wenn er den Beiden zu gerne richtig eins ausgewischt hätte.

Vielleicht sollte er ja doch...

„Ich denke wir sollten dieses Spiel jetzt beenden“, entschied er kurzentschlossen, obwohl er ahnte, dass das mehr Probleme verursachen als klären würde, „Ich bin Newall Dunham.“

 

 
 

++++

Sein Name hing schwer in der Luft und für einen Augenblick war sich Newall sicher, dass er das besser nicht hätte sagen sollen.

„Der Newall Dunham?“, presste die Große nach einer gefühlten Ewigkeit hervor und von ihrer arroganten Art war nicht mehr viel übrig. Lag vielleicht daran, dass sie ihre Freundin stützen musste oder vielleicht auch daran, dass ihr gerade eingefallen war, dass sie ihn als Apfelhändler beschimpft hatte. Etwas, was er ihr ganz sicher nachtragen würde, auch wenn er das vorerst für sich behielt. Es machte schließlich deutlich mehr Spaß, wenn man seine Opfer eines schönen Tages kalt erwischte.

„Newall Dunham, Herzog der Westmarch, Graf von Lands End und Great Gate, Admiral der Westlichen Flotte Ihrer königlichen Majestät Hadwin IV., Freund der Händler und Seefahrer und ich glaube irgendwo bin ich auch als elender Wucherer bekannt.“

Erneut kicherte seine persönliche Favoritin, aber er kam nicht dazu darauf einzugehen dass ihm das gefiel, denn die Blonde krietschte sehr undamenhaft dazwischen und landete mit samt ihrer Freundin sowohl auf dem Boden des Ganges als auch auf dem der Tatsachen.

„Was ist mit ihnen?“, fragte Newall und bemühte sich nicht zu offensichtlich zu dem Knäul aus Röcken, Haaren, Händen, Haut und Stroh zu blicken. Ja, wahrscheinlich hätte er ihnen helfen sollen, aber ehrlich - Er hatte einfach keine Lust sich für die beiden dummen Hühner die Hände – oder schlimmer die Kleidung - schmutzig zu machen.

„Mary ist nur ohnmächtig“, klärte ihn die Rothaarige auf und schien ebenso wenig Interesse daran zu haben ihr zu Hilfe zu eilen, wie er, „Das passiert öfter. Beth wird ihr aufhelfen falls sie selbst noch einmal auf die Beine kommt. Und was den Weg in den Festsaal betrifft, Euer Hoheit. Ihr geht ganz einfach...“

 

 

 

 
 

++++

„Wo wart Ihr denn so lange?“, begrüßte ihn Madoc mit roten Wangen und einem Becher voller Wein als Newall sich umständlich wieder auf den Platz neben ihm fallen ließ.

Er redete fröhlich weiter, aber Newall blendete ihn kurzentschlossen sofort wieder aus. Er war mit seinen Gedanken ohnehin noch in den Gängen. Bei dem Mädchen mit den roten Haaren, das prompt auch noch rote Wangen bekommen hatte, als er ihm zum Abschied die Hand geküsst hatte.

Und das erste Mal in seinem Leben fragte er sich, ob seine künftige Gattin nicht vielleicht mehr für ihn sein konnte als nur Jemand, der ihm die Knaben abnahm und all jene Aufgaben, die ihm sonst noch unangenehm waren.

Vielleicht hatte er ja bislang die falschen Tugenden gesucht. Vielleicht hatte er sich unbewusst eine zweite Ursilla gewünscht. Eine, die alles am laufen hielt und nichts veränderte und vielleicht hatte er dabei vergessen, dass eine Veränderung durchaus auch positiv sein konnte, wenn er nur bereit war ihr eine kleine Chance einzuräumen.

„Madoc?“, fiel er seinem Freund überraschend ins Wort, „Sag, kennst du eigentlich eine Lady mit rotem Haar?“

 

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Fußnote: ¹ „Ich gehe zwar, aber ich verschwinde nicht.“ von Martin Bangemann, deutscher Politiker


Ähm, ich muss sagen, ich bin verwirrt. Ich wollte das gar nicht schreiben. Jetzt mal ernsthaft. Ich schwöre das hier sollte eine FF zu einer bekannten Magical-Girl-Serie werden und dann plötzlich "Puff". Ähm... Ist euch sowas auch schon mal passiert?
Das ihr am Ende eine Geschichte hattet, die ihr so eigentlich nie geplant hattet, weil ein Plotbunny euren Handlungsstrang mit dem Schwert des Feldes verwiesen hat? Komplett anzeigen

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