The Life Around Us von 4FIVE (Evenfall-verse) ================================================================================ Enchanted Hearts ---------------- . . "Zum Henker damit!" Uzuki Yūgao sprang von ihrem Posten auf dem Baumstamm gut sieben Meter über dem vom Regen durchweichten Erdboden auf den Kahlschlag, der Gekkō Hayates, Hyūga Kōs und ihr alleiniges Verschulden war. Ihre beiden Gegner hatten keine Zeit, ihr nachzusetzen. Sobald sie auf dem Boden aufkam, zückte sie drei Kibakufuda, warf sie in die Luft, zückte ihr Schwert—"Deckung!"—und zerschnitt sie in einem kreisrunden Hieb über ihrem Kopf. Die Explosion, die folgte, zerriss jeden noch so kleinen Regentropfen in hunderte Einzelteile. Sie erschütterte die unnatürliche Lichtung, tauchte sie in gleißendes Licht und sengende Hitze. Mit einer Jutsu schützte sie die Pflanzen und ihre Kameraden vor der zerstörerischen Wut der heißen Druckwelle. Als die Attacke vorbei war, legte sich taube Stille über die Szene. Sie sammelte beiläufig die lädierten Körper ihrer Angreifer ein, um ihre Bewusstlosigkeit zu überprüfen. Einen hatte sie unbeabsichtigter Weise getötet. Sei's drum, diese hinterlistigen Sunashinobi hatten zuerst angegriffen. "Seit du Jōnin bist, bist du ziemlich brutal geworden", merkte Hayate an, der leichtfüßig mit schwachem Hüsteln neben ihr landete. Sie konnte nicht umhin, einen Vorwurf in seinem Räuspern zu erkennen. Die dicken Augenränder waren immer da; seine ach so empfindliche Lunge komischerweise nur, wenn er sie damit ärgern konnte. Das hatte er schon getan, als sie noch zusammen in einem Geninteam gewesen waren. Und bereits damals mit zehn Jahren hatte sie ihn nicht leiden können. Heute, sechs Jahre später, sah es nicht anders aus. "Rigoros, nicht brutal", korrigierte sie den feinen Unterschied zwischen diesen Wörtern herausstreichend. "Nennen wir es endgültig und gehen wir nach Hause", entschied Kō. Er deaktivierte sein Byakugan und trat gegen einen der Sunanin. "Die sind hinüber. Sollten sie überleben, wissen sie nach dieser Erschütterung sicherlich nicht mehr, was geschehen ist." "Selbst schuld, wenn sie uns grundlos attackieren." Yūgao nickte zu Boden, auf dem die fünf Leichen oder Fast-Leichen regungslos klebten. Hayate seufzte tadelnd. "Wir sind ja auch auf ihrem Territorium, Schrimp. Alles nur, weil du nicht die Abkürzung über Kawa no Kuni nehmen wolltest!" "Wieso bin plötzlich ich schuld?", brüskierte sie sich, abwehrend einen Arm von sich streckend. "Jeder Trottel weiß, dass der Pfad über das nördliche Kaze no Kuni sicherer ist als durch Kawa no Kuni und in weiterer Folge Ame no Kuni zu reisen! Ich für meinen Teil möchte mich nicht mit Sanshōuo no Hanzō anlegen! Oder hast du Lust, ihm zu erklären, was ein Jōnin mit zwei Chūnin in seinem Land zu suchen hat?" "O jetzt hör aber auf, Yūgao!" Hayate machte einen Schritt auf sie zu. "Du malst immer den Teufel an die Wand! Das hier ist keiner deiner kleinen, feinen A-Rang Missionen, an denen du in letzter Zeit dein ohnehin schon unangemessen großes Ego steigerst, sondern eine einfache C-Rang! Wieso bist du überhaupt mitgekommen? Ich wette, es gibt einen Haufen anderer Aufträge, die sehr viel eher deiner anmaßenden Selbstherrlichkeit entsprechen! Ich wette, Kakashi-san und Kurenai-san haben noch einen Platz frei in ihren ach so tollen Teams!" Sie schoss ebenfalls einen Schritt nach vorne in seine Richtung, wo Hayate die Arme rhetorisch fragend ausgebreitet hatte. "Ich bin weder selbstherrlich noch anmaßend dabei! Und mein Ego entspringt meinem rein gar nicht übersteigertem Selbstbewusstsein, damit das klar ist! Was interessieren mich Kakashi-senpai und Kurenai? Ich wollte nur mit euch kommen, um sicherzugehen, dass du nicht an deiner Dummheit verreckst!" In einer selten kindischen Geste streckte sie ihm die Zunge heraus—kein sehr würdevolles Auftreten für eine erst kürzlich zur Jōnin ernannten Kunoichi, die sonst durch Ernst glänzte—und erwiderte seinen abwertenden Gesichtsausdruck mit einer obszönen Geste. "Könnten wir nun bitte weitergehen?", flehten Kō von der Seite. Auffordernd zerrte er Hayate mit sich nach hinten an den Rand der Lichtung, von wo aus sie gemeinsam in ihr übliches Reisetempo verfielen. Yūgao blieb einige Augenblicke verdutzt zurück, ehe sie ihnen folgte. Binnen weniger hundert Meter hatte sie ihre Kameraden eingeholt, die in schweigsames Nebeneinanderherlaufen verfallen waren. Ohne groß zu überlegen, dass sie als Ranghöchste die Geschwindigkeit bestimmen konnte, passte sie sich Hayates Schritten an, der sich weigerte, sie anzusehen, als sie aufholte. Das hatte sie wieder toll hinbekommen. Dabei war es nicht einmal ihre schuld. Dieser störrische Esel hatte einfach keinen Respekt vor ihrer Genialität. Yūgao verzog den Mund angesichts dieses sarkastischen Gedankens. Zugegeben, ihr selbst wäre es schwer gefallen zu akzeptieren, wenn Gekkō Hayate, der immer auf derselben Stufe wie sie gestanden hatte, plötzlich über ihr gestanden hätte. Sie hatten zusammen bei null angefangen, hatten sich gemeinsam mit Kō Stärke vor ihrem Sensei erkämpft, hatten gemeinsam Seite an Seite immer schwerer werdende Missionen gemeistert. Hayate war der Grund, wieso sie mit Kenjutsu angefangen hatte. Es war inzwischen fünf Jahre her, seit sie ihre erste gemeinsame Trainingseinheit absolviert hatten. Er war ihr Lehrer gewesen, sie seine Schülerin. In puncto Kenjutsu konnte sie ihm nach wie vor nicht das Wasser reichen, dafür war er ihr viel zu weit voraus, doch ihr ganz eigener Stil, der sich nach einiger Zeit mit dem seinen vermischt hatte, hatte sie zur Elite gemacht. Man handelte Hayate als baldigen Tokubetsu Jōnin, aber was würde sie ihm nicht auch noch auf die Nase binden. Wenn sie schon einmal für ein paar Wochen Macht über ihn hatte, wollte sie es gerne auskosten. - ɣ - Fünf Jahre zuvor. In dieser mondhellen Nacht, als schon ganz Konoha schlief, trieb es Yūgao aus ihrem Bett. Es war weit nach Mitternacht und ihre Mutter hätte ihr sofort Hausarrest verpasst, wenn sie gewusst hätte, dass ihre elfjährige Tochter sich nachts aus dem Bett stahl, obwohl diese bereits Hausarrest hatte. Wieso genau, konnte Yūgao gar nicht mehr sagen. Sie war eines nachts zu spät nach Hause gekommen, hatte zu patzige Antworten gegeben und dann mit einem Shuriken auch noch ein Fenster ruiniert. Eines dieser drei Ereignisse musste ihr die Strafe verschafft haben. Oder alle drei zusammen. Sie konnte sich vage daran erinnern, an diesem Tag noch etwas verbrochen zu haben, doch sie konnte sich nicht mehr daran erinnern. Hausarrest bedeutete in ihrer Welt schon lange nichts mehr. Sie hatte vor einigen Monaten die Ninjaakademie als drittbeste ihrer Klasse abgeschlossen; sich von ihrer Mutter einsperren zu lassen, gehörte nicht zu jenen Dingen, die sie auf sich sitzen ließ. Ihr Ausbruch hatte nichts mit Trotz oder Rebellion zu tun, sondern war eine Prinzipsache und Training. Wenn sie es nicht schaffte, sich unbemerkt nach draußen zu stehlen, war sie keine gute Kunoichi. Draußen auf den Straßen des Dorfes war es gewohnt still. Ihre Flucht hatte einwandfrei geklappt, was vornehmlich daran lag, dass ihre Mutter kein Ninja war. Sie war eine Zivilistin, weswegen sie den Angriff des Kyūbi vor acht Wochen im Schutz des Evakuationsplatzes auch überlebt hatte. Die Aufbauarbeiten schritten unter der Leitung des Sandaime nach einer Trauerzeit zu Ehren des Yondaime Hokage zügig voran. Die meisten Gebäude waren bereits wieder aufgebaut; der Hokageturm, die Ninjaakademie und das Uchihaviertel waren mitsamt einigen Zivilwohnungen und dem Hyūgakomplex die einzigen Bauten, die keine nennenswerten Schäden davongetragen hatten. Durch den Innenhof letzteren trugen sie ihre Schritte lautlos und sanft. Yūgao hatte keine Ahnung, wohin sie gehen wollte. Sie würde es wissen, wenn sie da war. Auf ihrer letzten Mission hatte sie Hayate während ihrer Nachtwache dabei beobachtet, wie er heimlich etwas mit einem kleinen Katana geübt hatte. Es war nicht so kurz wie ein Wakizahi, aber kürzer als ein handelsübliches Katana gewesen, das er um seinen Körper herum bewegt hatte. Das helle Licht des Halbmondes hatte seiner Klinge etwas Magisches verliehen, das sie gefesselt hatte. Von dem Geld, das sie für diese letzte Mission bekommen hatte, hatte sie sich ein gebrauchtes Schwert gekauft, das sie im Schein des heutigen Vollmondes auf den Händen trug. Was auch immer Hayate gemacht hatte, sie wollte es auch lernen. Am lichten Dorfrand, aber immer noch innerhalb der Mauern, blieb sie schließlich auf einer freien Fläche stehen. Sie konnte sich vage daran erinnern, dass dort vor neun Wochen noch ein Geschäft für Heilkräuter gestanden hatte. Nun fand sie nicht einmal mehr ein Holzstück von dem einstigen Haus. Sie war zu jung, um zu verstehen, was der Angriff des Kyūbi bedeutet hatte; welch weitreichende Konsequenzen er hatte. Zumindest hatte ihr Sensei ihr das gesagt, als sie danach gefragt hatte. Zu jung war sie gewiss nicht. Aber Genin. Es war frustrierend, ausgeschlossen zu werden, obwohl man eine Kunoichi war. Hayate und Kō schienen es ebenfalls so zu sehen. Seit dem Überfall hatten sie in noch nie dagewesener Harmonie eifrig trainiert, um die Chūninprüfung alsbald erfolgreich absolvieren zu können. Hayate hatte mit dieser Technik, die laut einem Buch in der Bibliothek zur Palette der Kenjutsu gehörte, gute Karten. Seine Fähigkeiten waren speziell, genau das, was man brauchte. Darum wollte sie es ebenfalls lernen. Yūgao zog ihr Katana aus der Scheide. Sie hatte es zu Hause notdürftig mit einem Kunai geschärft, perfekt war die Klinge allerdings immer noch nicht. Scharten und Rost hatten sich darüber verteilt, für den Anfang musste es reichen. Die Scheide flog zu Boden, von wo aus sie sie an den Rand der unnatürlichen Lichtung trat. Das Mondlicht schien durch die vereinzelten Bäume, die als Ausläufer des Parks dunkle Schatten auf die unnatürliche Lichtung warfen. Was hatte dieser Streber Hayate am Anfang gemacht? Sie sah das Bild, das sie sich eingeprägt hatte, deutlich vor sich. Mit geschlossenen Augen versuchte sie seine Haltung nachzumachen: ein Bein durchgestreckt, das andere angewinkelt, sodass nur ihre Zehen vor ihr den Boden berührten. Das Schwert vor sich in der Horizontalen parallel zum ebenen Grund haltend, führte sie ihre ausgestreckte Handfläche den Rücken der Klinge entlang, bis sie am Ende angekommen war. Das Chakra war appliziert und das Metall glühte auf. Freudig japste sie auf, als sie ihren Erfolg beim ersten Versuch bemerkte. So schnell hatte sie gar nicht damit gerechnet! Euphorisch durch den schnellen Fortschritt schwang sie das Katana nach hinten, nahm die nächste Haltung ein und sprang. Dann wusste sie nicht mehr weiter. Hayate war einige Zeit in der Luft verweilt, wo er die Klinge in einem Zickzackmuster vor sich her bewegt hatte, doch egal welche Linien sie nachahmte, das Chakra hatte sich aus der Waffe verflüchtigt. Ein unsanftes Plumpsen holte sie mit schmerzendem Hintern auf den harten Boden der Tatsachen zurück. So einfach war es wohl doch nicht. Noch ehe sie den nächsten Versuch starten konnte, drang Gelächter an ihre Ohren. Wie schamlos! Hayate versuchte nicht einmal, es zu unterdrücken. "Was sollte das denn werden, Yūgao?", neckte er immer noch lachend. Er baute sich vor ihr auf, die amüsierte Grimasse zur Schau stellend, ohne auch nur den Anstand zu haben, ihr aufzuhelfen. Nicht, dass sie sich hätte helfen lassen. Stur wie sie war, stand sie alleine auf, klopfte den Staub von ihren Trainingssachen und wiederholte die Prozedur. Auf Hayate zu achten, hätte bedeutet, ihm Genugtuung zu verschaffen. Das konnte er sowas von vergessen! "Ich trainiere", gab sie trocken zurück. Diesmal legte sie mehr Chakra auf die Klinge. In ihrer Logik sollte es so länger halten. Doch als sie erneut hochsprang, war er wieder bereits verschwunden, ehe sie zu ihrem ersten Zug ansetzen konnte. Diesmal war sie gewappnet und landete in der Hocke, um den Sturz abzufedern. "Ist was?" zischte sie nach ihrem Misserfolg. Hayate machte keine Anstalten, sich vom Fleck zu bewegen. Sein chronischer Husten war das einzige, das die Stille durchbrach. "Wieso siehst du mich so an, du Streber?" "Tue ich nicht. Ich ergötze mich an deiner Naivität." "Ich bin nicht naiv! Hilf mir oder geh nach Hause!" Sie streckte ihm die Zunge entgegen und wartete, bis er endlich verschwunden sein würde. Zu ihrer Überraschung erwiderte ihr Teamkamerad ihre Provokation nicht, ebenso wenig wie er ihrer Aufforderung nachkommen wollte. Er stand einfach nur da, sie beobachtend, was sie jeden verstreichenden Moment nervöser machte. Was auch immer er mit dieser Naivität meinte, es war ihr nicht recht, beleidigt zu werden. "Würdest du es noch einmal machen?", bat er sie schließlich. Yūgao blinzelte ihre Verwunderung weg. Was auch immer er damit bezweckte, ob er sie demütigen wollte oder sich weiter an ihren Fehschlägen erfreuen, sie wollte ihm diese Freude gerne machen. Ein neuer Versuch hätte ohnedies auf ihrer Liste gestanden. Ohne zu zögern, aber mit berechtigter Sorgfalt und Skepsis, brachte sie die Klinge zum dritten Mal vor ihrer Brust in die Horizontale. Als sie ihre Hand daran legte, spürte sie sie unerwartete Wärme und Haut, die dort eigentlich nicht hingehörte. Überrascht öffnete sie ihre Augen, um Hayates Hand auf ihrer vorzufinden. Er selbst hatte die Augen konzentriert geschlossen, eine kleine Falte an der Nasenwurzel aufgeworfen, als er seine zweite Hand die ihre legte, die den Griff des Katanas hielt. Yūgao spürte eine leichte Röte ihre Wangen überziehen, unter denen es lauwarm glühte. Ihr Herz hatte einen kleinen Sprung gemacht, sodass sie schnell ihre Lider zusammenpresste, um sich nicht zu verraten. "Entspanne dich und wenn du bereit bist, konzentriere dich auf die Klinge." Sie tat, wie ihr geheißen. Als sie begann, ihr Chakra stoßweise in das chakraresponsive Metall zu leiten, spürte sie, wie Hayates eigenes Chakra sich langsam mit dem ihren vermengte und die sprunghafte Übertragung glättete. Er führte sie und formte den Kraftstrom zu einer Spirale im Inneren der Klinge, wo sie weiterwirbelte, als er sich zurückzog. "Halte es aufrecht", wies er sie an. Yūgao nickte, doch als sie es tat, begann die instabile Spirale zu schlingern. Es war schwierig, sie ohne Gegenpart gerade zu halten. Nach einiger Zeit schaffte sie es und wollte es bereits stolz ausrufen, als der Wirbel plötzlich versiegte. "Was ist passiert?" fragte sie irritiert auf die Klinge blickend. "Ist es kaputt?" Hayate schüttelte den Kopf. "Es ist schwierig, sie lange genug aufrecht zu erhalten. Ich arbeite seit vier Jahren daran, den Chakrafluss konstant zu halten. Es funktioniert ziemlich leicht, wenn du dich darauf konzentrierst, aber machst du eine Bewegung dazu, geschweige denn eine ganze Angriffskombination, in der du den Strom auch noch lenken und verzweigen musst, ist es lange nicht mehr Geninniveau. Mein Vater sagt, dass man, sobald man den Konoha Ryū Mikazuki no Mai beherrscht, mindestens Anspruch auf den Rang eines Tokubetsu Jōnin hat. Darum werde ich ihn bald beherrschen." Yūgao rümpfte wenig überzeugt davon die Nase. "Wovon träumst du eigentlich nachts, wenn die ganzen surrealen Träume schon im Wachzustand aufgebraucht sind?" "Halt doch die Klappe! Du solltest zuerst einmal zusehen, dass du nicht auf den Hintern fällst!" "Das ist mein erstes Mal! Du wirst schon sehen, bald übertreffe ich dich, Hayate!" Hayate begann lauthals zu lachen. "Wie war das mit nachts und Träumen? Yūgao, manchmal bist du wirklich niedlich." Er zwickte ihr mit schelmischem Gesichtsausdruck in die Nase, was sie ihn böse anfunkeln ließ. Dieser Chauvinist! "Pf!", erwiderte sie wenig eloquent mit gerecktem Kinn. "Ich mache dir einen Vorschlag. Der Tag, an dem du mich in einem Kampf, ausschließlich bestritten mit Kenjutsu, besiegen kannst, ist der Tag, an dem ich dich nicht mehr Schrimp nenne." Yūgao runzelte die Stirn. "Du nennst mich doch gar nicht Schrimp." "Jetzt schon, Schrimp." Erneut wollte er ihr in die Nase zwicken, diesmal jedoch reagierte sie schnell genug, wich aus und zwang ihn in einen unangenehmen Hebel, den er jedoch mit einer geschickten Drehung zu seinen Gunsten umdrehte. "Sagen wir, wenn du mich irgendwann überhaupt besiegen kannst. Schrimp." "Hör auf damit! Das ist Erpressung und Verhöhnung!" "Was willst du dagegen tun, Schrimp?" Yūgao blähte hinter zusammengepressten Zähnen die Backen auf. Egal was sie gesagt hätte, es hätte ihm in die Hände gespielt. Schön, dann nannte er sie eben Schrimp. Sie mochte Meeresfrüchte. Von ihr aus konnte er sie auch Garnele oder Calamari nennen. "Ich werde stärker werden, das werde ich tun", versprach sie schlussendlich. Es war eine Kriegserklärung. "Wunderbar", rief Hayate zufrieden aus. "Ich kann einen Trainingspartner gut gebrauchen. Übermorgen, gleiche Zeit, gleicher Ort. Dann zeige ich dir zu allererst, wie man eine Klinge ordentlich schleift. Diesen Dilettantismus kann ja kein Mensch mit ansehen!" Noch ehe sie ihm eine rüde Geste zollen konnte, hatte er ihr den Rücken zugedreht und winkend einen Abschiedsgruß gerufen. Dann war er verschwunden. Eingebildeter Möchtegernschwertkämpfer. Aber wenigstens hatte sie nun einen Ansporn. - ɣ - Die Mission verlief, wie derartige immer verliefen: ohne Komplikationen. Sie waren im Gegensatz zu manch anderen Teams kein Trio, das schnell in Verstrickungen geriet. Binnen weniger Tage erreichten sie Konoha wohlbehalten nach erfolgreich ausgeführtem Auftrag. Weil sie kein Unmensch war, erklärte sich Yūgao bereit, die Berichterstattung zu übernehmen. Der Sandaime war in den meisten Fällen sehr kurz angebunden, was den Zeitaufwand kaum der Rede wert machte. Als Ranghöchste ihres Teams hatte sie die Pflicht, sich in Verantwortungsbewusstsein zu profilieren. Es dauerte nicht lange, bis sie nach der vollständigen Berichterstattung entlassen wurde. Ihr Weg führte sie vorbei an zwei Chūnin, die sich um eine Nichtigkeit stritten. Die beiden hatten ihr gerade noch gefehlt. Provozierten eine Diskussion anstatt ihre Arbeit zu machen. Sie wollte sich unbemerkt davonstehlen, ehe sie noch in die Verlegenheit kam, eine Moralpredigt halten zu müssen. "Yūgao!" Pech für die zwei. Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und beugte sich bedrohlich nach vorne. "Izumo! Kotetsu! Solltet ihr nicht lieber trainieren, anstatt hier untätig Wurzeln zu schlagen? Die Trainingsfelder wurden letzte Woche erneuert, sie sind ein idealer Platz, eure Fähigkeiten auszubauen. Wollt ihr etwa ewig Chūnin bleiben?" "N-Nein!", rief Kotetsu eingeschüchtert. Sein braunhaariger Freund ließ sich weniger beeindrucken. Er trat einen Schritt nach vorne und baute sich vor ihr auf—so sehr er sich eben mit dem vier Zentimeter hohen Größenunterschied und dem Wissen, dass sie ihn binnen einer halben Minute zu Hackfleisch verarbeiten könnte—aufbauen konnte. "Solltest du, liebe Yūgao, nicht lieber deiner Mutter beim Kochen helfen anstatt uns zurechtzuweisen?" "Wie? Heute ist doch …" Sie stockte schockiert. Heute war Mittwoch. Aber nicht irgendein Mittwoch. Der erste Mittwoch des Monats und das bedeutete … "Freundschaftsessen!", jubelten die beiden Chūnin im Chor. Die zwei Freunde hatten niemals einen Hehl daraus gemacht, die Marotte ihrer Mutter, gluckenhaft und überfürsorglich aufzutreten, schamlos auszunutzen. Seit Jahren hatte sich die Tradition eingebürgert, nach derer sich an diesem speziellen Tag alle unmittelbaren Nachbarn bei den Uzukis zum großen Festessen versammelten. Jeder brachte eine Speise mit, bloß ihre Mutter musste wie immer übertreiben. "Scheiße!", fluchte Yūgao laut. "Zu euch beiden komme ich noch, verstanden? Wir sind noch nicht fertig! Aber erst helft ihr mir dabei, einzukaufen!" Es blieb nicht beim Einkaufen, das hätten Izumo und Kotetsu wissen müssen. Seit jeher waren sie ein Dreiergespann, jeweils Tür an Tür wohnhaft. In ihrer Straße waren sie verschrien als teuflisches Trio, das überall wo es nur konnte Ärger gemacht hatte. Inzwischen waren aus den wilden Kindern verantwortungsbewusste Shinobi geworden. Nicht gefürchtet, aber respektiert. Ansatzweise zumindest. "Wo warst du, Yūgao?" Sie rollte mit den Augen, eine der Einkaufstüten auf die Theke abladend, wo Izumos und Kotetsus Exemplare ebenfalls landeten. "Auf einer Mission, Kaa-san. Das hatte ich doch gesagt. Ich musste Hokage-sama noch Bericht erstatten." "Du weißt doch, dass ich Hilfe brauche!" Sie rollte erneut mit den Augen, diesmal in die andere Richtung. "Ja, Kaa-san. Darum habe ich ja auch Izumo und Kotetsu mitgebracht. Die beiden brennen förmlich darauf, dir Arbeit abzunehmen." "Das ist nicht wahr, du hast uns gezwu—", protestierte Izumo, wurde jedoch von Yūgaos Kopfnuss schmerzhaft unterbrochen. Ihr warnender Blick ließ ihn eingeschnappt einlenken. "Wir würden uns freuen, Ihnen zu helfen, Uzuki-san." "Ihr Charmeure!", kokettierte die Frau mittleren Alters. Yūgaos Protest, dies wäre ihr eigener alleiniger Verdienst, ging in dreifachem Lachen unter. "Fangt doch bitte damit an, das Gemüse zu schneiden. Ich werde frische Kräuter aus dem Garten holen und Blumen für die Vase arrangieren." "Sehr gerne, Uzukui-san!" Erfreut über die leichtherzige Zustimmung klatschte Yūgaos Mutter in die Hände und überließ die drei Heranwachsendem ihrem Schicksal. "Wieso genau muss ich die Zwiebeln schneiden?", schniefte Yūgao empört. Während Izumo und Kotetsu sich um Karotten, Lauch und Zucchini kümmerten, hatte sie die undankbarste Aufgabe abbekommen. Ihre Augen brannten angesichts des beißenden Geruchs, der den Knollen entstieg, die sie wacker geschält und geschnitten hatte. Sie waren bereits rot und verquollen, als hätte sie stundenlang geweint. "Man macht es seinen Gästen so angenehm wie möglich, hat dir das deine Mutter nicht beigebracht?", feixte Kotetsu. Izumo nickte zustimmend. "Du solltest dringend deine Prioritäten klären." "Was hat das damit zu tun?" Er zuckte die Schultern. "Nichts. Ich wollte es nur gesagt haben." Yūgao schnaubte und warf eine Strähne ihres Haares nach hinten. "Meine Prioritäten sind geklärt. Ich bin eine Kunoichi, eine gute noch dazu. Bald werde ich ANBU und dann werdet ihr mich mit ANBU-sama ansprechen, andernfalls werde ich meine Kompanie auf euch hetzen." Sie senkte die Stimme zu beleidigtem Nuscheln. "Dann könnt ihr euch in eine Ecke stellen mit diesem Idioten Hayate, um mein Können zu bewundern." Zeitgleich raunten die beiden Chūnin. "Nicht schon wieder!" Kotetsu setzte fort: "Was ist das bloß mit dir und diesem Hayate? Was kann der Kerl, dass du derart in ihn verknallt bist?" "Bitte was?! Ich bin doch nicht verknallt! Nicht in Gekkō Hayate-sama!" "Und es geht los …" "Er ist eingebildet, großkotzig, arrogant—" "Was Synonyme für ein und dieselbe Eigenschaft sind." "—pathetisch, besserwisserisch, ein Klugscheißer, Eigenbrötler", knüpfte sie ungestört von Izumos pseudoschlauem Einwand an, das Küchenmesser aufgeregt vor sich her schwingend. "Außerdem ist er eine Nervensäge! Er verbessert mich, obwohl er es selbst nicht besser weiß, stellt meine Autorität infrage, dann besitzt er auch noch die Dreistigkeit, meine Kompetenzen anzufechten und diese bescheuerte Wette war auch seine bescheuerte Idee!" Dass sie klang wie eine aufmüpfige Zehnjährige, die schmollte, weil man ihr ihre Puppe weggenommen hatte, war ihr egal. Auch, dass ihre Freunde verwunderte Blicke austauschten, ehe sie lachten, entging ihr. "Du wirst ja ganz rot vor Liebe!", neckte Izumo weiter. "Papperlapapp!" Sie wandte sich wieder ihren Zwiebeln zu. "Das sind a, die Zwiebeln, und b, mein Ärger über diesen … diesen … Möchtegernschwertkämpfer! Pah! Verknallt! Seid froh, dass es nicht gleich knallt!" Die restliche Zeit über verbrachten sie auf ähnliche Weise. Selbst als die restlichen Erwachsenen kamen beharrten die jugendlichen Ninjas darauf, ihren Kleinkrieg weiter auszufechten. Es dauerte nicht lange, bis Yūgao der Geduldsfaden riss. Der Tag war anstrengend gewesen. Izumo und Kotetsu verstanden sich prächtig darauf, sie an den Rand ihrer Nerven zu treiben. Glücklicherweise war sie kein lauter Mensch—nicht sehr zumindest—sondern lebte ihre Überspannung still mit sich selbst aus. Es gab exakt drei Menschen, die ihre normalerweise gediegene, verantwortungsbewusste Natur zu einem extravertierten, feuerspuckendem Gegenteil verkehren konnten. Alle diese drei Menschen hatte sie heute getroffen. Sie brauchte Urlaub von diesem Stress! Weit weg, irgendwo in Shimo no Kuni vielleicht, wo sie niemand finden konnte, am besten vergraben in einer anspruchsvollen Einzelmission. Ob der Sandaime eine derartige Anfrage genehmigen würde? Dort hätte sie wenigstens Zeit, ihre Kenjutsu zu üben, um diesem Großkotz das Maul zu stopfen. Mit diesen und ähnlichen erdrückenden Gedanken schlief sie bereits kurz nach dem Ende der intimen Party ein. - ɣ - Es war weit nach Mitternacht als Yūgao durch leise Geräusche geweckt wurde, die sich anhörten wie 'plonk', 'plonk', 'plonk', immer wiederkehrend, bis sie es leid war, auf das Ende der Störung zu warten. Genervt schlug sie ihre Augen auf, schwang ihre Beine aus dem Bett und tapste auf nackten Füßen über den Holzboden zum Fenster, von wo das repetitiv wiederkehrende 'plonk' kam. Selbst durch die dunkle Nacht konnte sie einen Kieselstein ausmachen, der gegen ihre Fensterscheibe prallte und zu Boden flog. Keine zehn Sekunden später traf der nächste auf. Verärgert über die nächtliche Ruhestörung öffnete sie das Fenster, fing den dritten erkannten Kieselstein auf und beugte sich über das Fensterbrett hinunter auf die Straße. Izumo und Kotetsu konnten was erleben— Was tat der denn hier? Hayate stand unten in ihrem Vorgarten, einen vierten Kieselstein in die Luft werfend und fangend, und winkte zu ihr hinauf, als sei es das Natürlichste auf der Welt, seine ehemalige Teamkameradin mitten in der Nacht zu besuchen. Verwundert trat sie zurück, streifte sich eine legere Trainingshose über und hüpfte aus dem Fenster zu ihm hinunter. "Ist etwas passiert?", fragte sie vage. Hayate war noch nie einfach so bei ihr aufgetaucht. "Ich habe den Bericht ordnungsgemäß abgegeben, du musst mich nicht kontrollieren." Ihr Freund hüstelte in alter Manier. "Ich vertraue auf deine Sorgsamkeit, Schrimp. Deswegen bin ich nicht hier." "Weswegen dann?" Yūgao runzelte die Stirn, ohne eine klare Antwort zu erwarten. Sie bekam auch keine. Hayate und sie kannten sich zu lange als dass sie sich einander etwas hätten vormachen können. In Wahrheit wusste sie genau, was er wollte. Sie hatte es von dem Moment an gewusst, in dem sie aufgewacht war. Darum hatte sie ihr Katana mitgenommen. "Drei Runden, keine Ninjutsu, ja?" Hayate nickte. "Das Übliche." "Gut", stimmte sie zu, ein Lächeln auf den Lippen. Dann rannte sie los. "Wer zuerst da ist!" Dass sie unfair war, war ihr sehr wohl bewusst. Einfach loszulaufen, ohne das Wettrennen eröffnet zu haben, war ein unrühmlicher Vorteil, wegendessen sie sich auf ihren Sieg nichts einbilden konnte. Gewonnen hatte sie trotzdem, das war, was zählte, wenn es nach ihrer pragmatischen Seite ging. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass sie sich diesen Vorsprung mit unlauteren Mitteln erkämpft hatte. Hayate hatte es gewusst, immerhin war er es, der 'das Üblich' vorgeschlagen hatte. Bloß dass er diesmal hätte gewinnen können. Etwas war anders an dieser Nacht. An ihm. An ihr. Es gefiel ihr nicht. Sie war Jōnin; darauf trainiert, Dinge zu ahnen, zu wissen, vorauszusehen und darauf zu reagieren. Die Freundschaft mit Hayate hatte auf einem Prinzip basiert: Vertrauen. Egal was sie einander antaten, wie heftig sie sich prügelten, wie schmutzig beschimpften, eines war gewiss; nämlich, dass am Ende des Tages alles wieder gut war. Wenn es etwas gab, auf das sie vertrauen konnte, war es Hayates Loyalität. Umgekehrt galt es genauso. Sie waren immer vorhersagbar füreinander gewesen, zu lesen wie ein offenes Buch. Dass er sich anders verhielt als üblich irritierte sie. Er hatte sie gewinnen lassen. In welchem verqueren Universum gab es sowas? Für jetzt ließ sie fünf lieber gerade sein. Hayate hatte bereits sein Schwert aus der einfach verzierten Scheide genommen und es auf sie gerichtet. Sie hatten keine zehn Minuten zu dem Kahlschlag gebraucht, an dem sie vor fünf Jahren ihre Wette abgeschlossen hatten. Bis heute war kein neues Lokal dort erbaut worden, was es zum idealen Platz machte um nostalgisch zu werden. Aber nicht heute. Nicht, wenn Hayate sich dazu entschlossen hatte, plötzlich 'anders' zu sein. Diese konfusen Gedanken beiseite schiebend, band sie sich einen Pferdeschwanz, um ihre lange Haarpracht aus ihrem Gesicht zu verbannen. Sie würde auf jeden Fall ernstmachen. "Bist du bereit, Schrimp?" Genervt von diesem leidigen Spitznamen zog auch sie ihr Katana aus der sehr viel aufwendiger verzierten Scheide. Damals waren sie mit Kinderschwertern gegeneinander angetreten, kaum würdig, sich Kenjutsunutzer zu nennen. Nun, ein halbes Jahrzehnt später, waren sie Profis. Ihr letztes kleines Duell war einige Monate her; wieso Hayate gerade jetzt darauf kam, sie herauszufordern, sollte vorerst ungeklärt bleiben. Er hustete, rückte sein Hitai-ate gerade und tauchte vor ihr auf. Yūgao hatte keine Mühe, seinen direkten Angriff abzuwehren. Sie tänzelte zurück, schob seine Klinge mit der ihren nach hinten und schlug mit dem Griff ihres Katanas auf seine Hand. Ihr Trainingspartner tat ihr leider nicht den Gefallen, sein Schwert fallen zu lassen. Damit hatte sie auch nicht gerechnet. Es entstand ein geschmeidiger Klingenkampf, kontrolliert, präzise, bis die violetthaarige Kunoichi einen Glückstreffer landete. "Ein Punkt für Yūgao!", gratulierte sie sich selbst. Lächelnd hob sie Hayates Katana auf und warf es ihm zu. Er fing es dankbar auf. Yūgao schob die Brauen über ihren dunkelbraunen Augen zusammen. Was auch immer ihren Freund belastete, es schien sich auf das Training auszuwirken. Wie dem auch war, sie wollte sich nicht beklagen, sofern dadurch die Möglichkeit bestand, ihren Rufnamen loszuwerden. "Willst du weitermachen?" "Klar. Noch einmal wirst du kein Glück haben!" Das sagst du, aber meinst du es auch so? Yūgao schob die Augenbrauen weiter zusammen. Hayate ging erneut in Kampfposition. Diesmal machte sie den ersten Zug, wurde pariert, wich aus, verfing sich mit ihm in einem kleinen Intermezzo, doch ihr zweiter Treffer war ebenfalls seiner Schlamperei zu verdanken. Es machte sie wütend, derart bevormundet zu werden. Etwas lief falsch! "Spuck's aus, Hayate", sagte sie ernst, fordernd, die Spitze ihres Katanas auf ihn gerichtet. Zögerlich ließen sie ihre Waffen synchron sinken. "Was meinst du, Yūgao?" Dass er sie nicht wie gewohnt 'schrimpte' ließ sie nur noch mehr aufhorchen. Natürlich; sie hatte zwei von drei Runden gewonnen. Der Ausgang war entschieden. Eine andere Frage noch lange nicht. "Frag nicht so blöd." Sie machte einen bestimmten Schritt in seine Richtung, von seinen Argusaugen in jeder flüssigen Bewegung beobachtet. "Was Kenjutsu angeht bist du viel besser als ich. Du hast mich gewinnen lassen. Ich will wissen, wieso." Er machte keine Anstalten, sie einer Antwort zu würdigen. Yūgao spürte Verärgerung in sich aufkeimen. Mit drei weiteren Schritten war sie bei ihm, rammte ihm ihren Zeigefinger in die Brust und sah ihn von unten herauf an. "Hayate. Wieso hast du mich gewinnen lassen?" Erst zögerte er. Dann antwortete er in ruhigem Tonfall. "Ich möchte dich nicht länger Schrimp nennen. Wir sind längst zu alt für diesen Kinderkram." "Deswegen verhältst du dich wie ein liebeskranker Teenager und überlässt mir den Sieg? Komm schon, da steckt doch etwas dahinter! Hayate, bitte!" Ein Seufzen entkam ihm. Wieder dieses Zögern. "Es passt nicht mehr zu dir. Damals warst du klein und unförmig, dein Gesicht sah aus wie eine aufgeblähte Makrele." Wie reizend. Dass sie kein schönes Kind gewesen war, wusste sie selbst. Sie hatte ihr Aussehen nie für relevant empfunden. "Du wurdest immer puterrot, wenn du dich geniert oder ertappt gefühlt hast. Aber inzwischen … bist du eine attraktive junge Frau geworden, die keinen unpassenden Kosenamen verdient." Yūgao blinzelte unter langen Wimpern. Das sagte er einfach so? Wie konnte er es einfach so sagen, wo sie doch keinen Meter entfernt vor ihm stand, ihn berührte wie ein Freund einen anderen Freund neckisch berührte, um eine Erklärung für dessen sonderbares Verhalten zu bekommen. Wie konnte er? Und wieso schlug ihr Herz daraufhin schneller? Sie schluckte schwer. Ja, etwas lief hier falsch. Eindeutig falsch! Erst das und dann das! Die leichte Röte, die auf ihren Wangen aufkam, manifestierte sich in ihrem Empfinden als seichte, verräterische Wärme. Dieses Herzklopfen machte sie wahnsinnig! Sie war ein Ninja, kein Schulmädchen! Sie hatte noch nie Herzklopfen bekommen, außer von schwerem Training, schon gar nicht Hayate wegen—ihrem besten Freund wegen! Wie konnte er? Die Frage schien sich anzubieten in ihrer reichlichen Verwirrung. Und sie war so vielschichtig in ihrer einfachen Phonetik! Es war doch Hayate. Einfach nur Hayate. Kotetsus dreiste Anmerkung fiel ihr wieder ein. 'Was ist das bloß mit dir und diesem Hayate? Was kann der Kerl, dass du derart in ihn verknallt bist?' Sie sei verknallt? Sie sei verknallt? "Könntest du bitte etwas sagen und mich nicht so anstarren?" Da war er wieder. Ihr Hayate. Der Hayate, der ihr bester Freund war. Immer ein wenig griesgrämig und mürrisch. Damit konnte sie umgehen. "Ich starre nicht", stellte Yūgao schnippisch fest. Schnippischer als beabsichtigt. "Ich sehe dich an, weil ich eben einen luziden Traum hatte, scheint mir. Eine surreale Projektion meiner blühenden Fantasie, in der du mir erklärt hast, ich sei attraktiv." Sie machte eine wegwerfende Geste. "Scheinbar schlafe ich noch. Oder schon wieder. Denn sowas würdest du doch nie sagen. Oder, Hayate?" Er sah sie an, zögerte und ahmte ihre Geste nach. "Natürlich nicht." "Schön." "Bist du nicht." "Hast du aber gesagt!" "Habe ich nicht!" "Argh, du machst mich fertig!" Dies war die Nacht, in der eine Ära endete. Die Ära von 'Schrimp', aber auch die Ära einer Freundschaft. Bloß brauchte Yūgao noch ein wenig Zeit, um das auch zu verstehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)