Gold von den Sternen von Feuerblut ================================================================================ Kapitel 2: Hinaus in die Gefahr! -------------------------------- Was fühlt ein wohlbehütetes Kind, wenn es aus seinem schützenden Käfig kommt? Empfindet es Angst? Neugier? Oder ist es vielleicht schon von der Welt außerhalb abgestumpft worden, weiß wie das Leben funktioniert? Oder kann es vielleicht sein, dass Leo vor lauter Übermut die Gefahr unterschätzt, die auf ihn lauert?     „Machen wir wieder zusammen einen Auftrag, Lucy?“ Ich drehte mich, ein wenig aus den Gedanken gerissen, zu ihm um. „Was?“, fragte ich, obwohl ich ihn genau verstanden hatte. „Auftrag… wir beide…“ Natsu deutete zuerst langsam auf sich selbst, dann zeigte er auf mich. Er vollführte die Bewegungen extra langsam, als ob er ihre Bedeutung einem Dummen erklären wollte. Doch das zügelte keineswegs sein feuriges Temperament: „Siehst du, ich habe auch schon den peeerfekten Auftrag für uns!“ Begeistert wedelte er mit einem zerrissenen Auftragszettel, der wohl einmal jungfräulich aussehend am Request Board gehangen hatte, vor meiner Nase herum. „Mmh…“, machte ich desinteressiert, ich sah den Auftragszettel noch nicht einmal an, sondern ich starrte sauber durch ihn hindurch. „Heißt das jetzt ja oder nein?“, fragte der Dragonslayer des Feuers schmollend. „Natsu… du warst doch mal in der Geisterwelt…“, fing ich langsam an. Der Angesprochene richtete sich auf und blickte mich sichtlich verdutzt an. „Was soll’n die Frage jetzt?“, wollte er wissen. Klar, er verstand den plötzlichen Themenwechsel meinerseits nicht. „Wie war es? Hast du etwas gespürt? Oder gesehen? Kannst du mir beschreiben, wie die Geisterwelt aussieht?“, fragte ich interessiert. „Hmm…“ Er schien wirklich angestrengt nachzudenken, sich daran erinnern zu wollen. „Ich weiß noch, wie ich dieses komische Dienstmädchen an der Jacke gepackt habe… Und dann wurde es plötzlich schwarz…“ Ich beugte mich immer weiter vor, ich hing quasi an seinen Lippen. Ich wollte mich unbedingt darüber informieren, wie die Welt war, aus der Loki stammte. „Normalerweise hätte man das nicht überlebt“, sagte ich. „Nur… sehr starke Magier überleben so ein riskantes Erlebnis“, flüsterte ich. „Ja, dann war da schwarz… und plötzlich war ich wieder in der Menschenwelt!“ Ich schüttelte den Kopf. Hoffnungslos! „Was ist denn los?“, wollte Natsu wissen. „Nichts… du bist nur so absolut unspannend, weißt du?“, sagte ich und mein Gegenüber verschränkte die Arme. „Kommst du jetzt mit auf den Auftrag, oder nicht?“, fragte er schmollend. „Ist ja gut, ich komme mit!“ Ich sollte wirklich mitgehen, ich musste mich ablenken, und zwar dringend! Ich dachte eindeutig viel zu oft an ihn in letzter Zeit… So etwas hatte ich noch nie gefühlt… was war das nur? „Juhu! Lass uns den Auftrag machen!“, rief Natsu und ich rannte ihm lächelnd hinterher, er hatte es mal wieder eilig, wenn es darum ging, einen Job zu erledigen. Happy flog uns eilig hinterher. „Aye!“ „Was genau müssen wir denn besiegen?“, fragte ich, als wir im Zug saßen. „Kann… grad… nicht… sprechen…“, brachte Natsu über sich und ich seufzte. Natürlich. Ihm war wieder schlecht! Irgendwo bemitleidete ich ihn für diese Krankheit und sah nachdenklich zum Fenster hinaus. Die Nacht war angebrochen und die Sterne funkelten hell am dunklen Firmament. Wie weit der Weg wohl zu den Sternen war? Konnten Sterne auch vom Himmel fallen?     Am Rand der Welt fällt Gold von den Sternen, Und wer es findet, erreicht was unerreichbar war. Sein heißt Werden, Leben heißt Lernen, Wenn du das Gold von den Sternen suchst, musst du allein hinaus in die Gefahr.     Ich konnte das Sternbild des großen Wagens erkennen, und als ich mich konzentrierte, konnte ich sogar das des Löwen ausmachen. Loki. Ich musste lächeln. „Lucy? Warum lächelst du?“, fragte Happy und ich sah ihn liebevoll an. „Ach nicht so wichtig“, schmunzelte ich und sah erneut zu dem Sternbild, das mich am hellsten von allen anstrahlte. Manchmal hatte ich mich gefragt, wie es wohl wäre, zu ihnen zu gehören, am Himmel zu leuchten und über seine Besitzer zu wachen. Die Welt der Stellargeister faszinierte mich schon, seit ich meinen allerersten Vertrag mit einem Geist abgeschlossen hatte. Natsu konnte das natürlich nicht verstehen. Für ihn waren meine Stellargeister nichts weiter als irgendwelche Freunde, die ich eben mal kurz zu Hilfe rief, wenn ich angegriffen wurde. Er verstand nicht, wie es war, wie ich mich fühlte, wenn mich jemand angriff: Alleine, wehrlos. Immer brauchte ich andere, um mich zu verteidigen. Dabei wollte ich das nicht! Ich wollte endlich selbst Kampfkraft in mir tragen, mich selbst schützen können! Doch dieser Wunsch wurde mir nicht erfüllt. Ich hatte Loki gefragt, es war unmöglich zu einem Stellargeist zu werden. Der Geisterkönig selbst hatte bei der Erschaffung der Stellargeister mitgewirkt und diese einmalige Tat sei nicht mehr zu wiederholen, genaueres konnte er mir nicht sagen, da er selbst nicht mehr wusste.   Natsu schlurfte hinter mir her, als wir aus dem Zug stiegen. „Natsu… findest du nicht auch, dass die Sterne wunderschön sind?“, fragte ich strahlend und sein Blick folgte kurz meinem Finger. „Mmh“, sagte er, ihm war offensichtlich immer noch schlecht. Seine Antwort versetzte meinem Herzen einen Stich und meine Laune sank sichtlich. „Ich habe Hunger…“, maulte Happy und wir machten uns auf dem Weg in eine Pension.   Wir hatten uns zwei Einzelzimmer genommen und ich starrte erneut zum Fenster hinaus, nachdem ich meine Sachen ausgepackt und eingeräumt hatte. In meiner Hand spielte ich mit einem goldenen Schlüssel. Hell leuchtete er im Schein des Mondes auf und ich musste lächeln, bevor ich den Schlüssel in die Mitte des Zimmers richtete: „Öffne dich! Tor zum Löwen! Loki!“ Hell strahlend durchschritt mein Prinz das Tor zu unserer Welt. „Lucy! Ist alles in Ordnung bei dir?“ „Ja, nur keine Sorge. Ich wollte dich nur um deine Meinung fragen“, sagte ich und seine Augen weiteten sich. „Um mich… nach meiner Meinung zu fragen hast du mich beschworen?“, fragte er ungläubig und ich nickte. „Loki… findest du nicht auch, dass die Sterne wunderschön sind?“, fragte ich und er trat hinter mich, seine Hände ruhten auf meinen Schultern. „Ja, sie sind wirklich wunderschön“, meinte er beinahe wehmütig und ich sah ihn an. „Was ist los?“, wollte ich wissen und er schüttelte den Kopf, als wollte er nicht darüber reden. „Ich habe nur gerade ihre Entstehungsgeschichte gehört und das hat mich zum Nachdenken gebracht“, sagte der Stellargeist und ich erhob mich. „Erzähle es mir!“, bat ich und Loki trat mir gegenüber. „Zuerst habe ich ein Geschenk für dich! Schließe die Augen!“ Ich sah ihm in die braunen Augen und lächelte, bevor ich seiner Bitte folgte. Ich vertraute ihm, und das grenzenlos. Weiche Hände strichen über meine Wangen und plötzlich berührten seine Lippen sanft die meinen. Ich war im ersten Moment überrascht, sodass ich beinahe die Augen wieder geöffnet hätte, doch ich fing mich beinahe sofort wieder und erwiderte vorsichtig seinen Kuss, während ich meine Arme um ihn schlang und ihn näher zu mir zog. „Wie lange schon?“, flüsterte er, nachdem wir unsere Lippen voneinander getrennt hatten und uns in den Armen lagen. „Eine ganze Weile“, gab ich zu und wurde rot. „Ich wusste es von Anfang an. Ich wusste, dass wir zusammengehören“, murmelte Loki und ich lächelte. Ich war so froh, dass es raus war. So froh, von dieser Ungewissheit befreit zu sein, was das eigentlich die ganze Zeit für ein komisches Gefühl war, wenn ich an ihn dachte. Endlich wusste ich es! Es war Liebe! Kein Wunder, dass ich dieses Empfinden nicht erkannt hatte, ich hatte schließlich noch nie einen Freund gehabt, geschweige denn mich in jemanden verliebt! Loki kicherte auf einmal. „Was ist?“, fragte ich und sah ihm ins Gesicht. „Taurus wird mich umbringen, weil ich den schönen Körper berühren darf, den er niemals auch nur ansatzweise anfassen wird!“, meinte er, ich lachte auf und schmiegte mich an ihn, bevor ich meine Lippen erneut mit den seinen versiegelte und ihn auf mein Bett zog. „Bleib heute Nacht hier“, bat ich und kuschelte mich an ihn, während er mich zudeckte. „Wie du befiehlst, Besitzerin“, meinte er und ich kicherte. Meine Magiereserven waren stark genug, es würde bestimmt für eine Nacht ausreichen. Und dann würde ich morgen in seinen Armen aufwachen.   Ich beobachtete sie die ganze Nacht über. Ihre ruhigen Gesichtszüge verrieten, wie sehr sie mir vertraute. Ich strich über ihr goldblondes Haar. Sie konnte mir auch vertrauen, ich hatte sie schon so oft beschützt… und ich liebte sie. Wenn sie nicht mir vertrauen konnte, wem dann? Ich konnte die ganze Nacht über nicht schlafen. Ich wärmte Lucy, die sich ab und an in meinen Armen regte und ich lächelte bei dem Gedanken, dass sie ab jetzt mir gehörte, nur mir ganz allein. Keine Frau außer ihr würde bis zu meinen Gefühlen vordringen. „Siehst du Vater… Es wird kein schlimmes Ende nehmen, denn jetzt bin ich bei ihr und beschütze sie!“, flüsterte ich und schaute in den Sternenhimmel hinaus, der stetig weiterwanderte, bis er schließlich vom Morgenrot der Sonne abgelöst wurde, welches langsam über die Ebene kroch und die Sterne verblassen ließ. War das etwa der Grund, warum die Sterne nur nachts leuchteten? Hatte mein Vater etwa das Licht der wunderschönen Sonne vergessen und wollte stattdessen die Dunkelheit erhellen? Oder bildeten die Sterne etwa seine Tränen, die in der Dunkelheit glitzerten? Sind wir wirklich nur aus einem einzigen Gefühl entstanden?, fragte ich mich. Aus dem Gefühl zu einem Menschen? Aus einem gebrochenem Herzen? Ich sah auf Lucy hinab. Wie stark war mein Gefühl für sie? Ich schloss die Augen, versuchte zu lauschen, zu fühlen. Und da war es. Ich konnte ihre Magiereserven spüren, die sich langsam dem Ende zuneigten. Vielleicht war das der Grund, warum sie nicht aufwachte? Ich drückte sie noch einmal kurz an mich und küsste sie auf die Schläfe. „Ich muss gehen, Lucy“, murmelte ich und schrieb ihr noch einen kurzen Zettel, dann löste ich sie vorsichtig von meinem Oberkörper und bettete sie auf ihr Kissen. Bevor ich durch mein Tor schritt, deckte ich sie noch sorgfältig zu. Das war der Vorteil. Ich konnte zwar mein Tor zur Menschenwelt nicht mehr freiwillig durchschreiten, aber ich konnte doch zurückkehren, wann immer ich wollte. Ich musste sie schonen. Sie sollte nicht wegen mir leiden müssen. Das hatte ich niemals gewollt.   Als ich langsam die Augen aufschlug, musste ich lächeln, als ich mich an letzte Nacht erinnerte. Wir hatten uns geküsst und ich war in seinen Armen eingeschlafen. Und würde ihm nun erneut ins Gesicht sehen können… Doch als ich mich erhob, bemerkte ich, dass ich allein war. Ich setzte mich verwirrt auf. „Loki?“, fragte ich in den Raum hinein. Keine Antwort. War es etwa nur ein Traum gewesen, und gar keine Wirklichkeit? Ich roch ihn aber! Er war hier gewesen, ganz sicher! Ich schaute auf meinen Nachttisch, wo sein Schlüssel lag, und mit ihm eine Nachricht:   Guten Morgen Lucy,   um deine Magiereserven zu schonen bin ich bereits gegangen, bevor du aufgewacht bist. Vielen Dank für diese unvergessliche Nacht, es war wunderschön, dich beim Schlafen zu beobachten.   In Liebe   Leo   Ich musste lächeln und ließ das rote Papier sinken. Also doch kein Traum. „Lucy!!!!!“ Erschrocken und errötend ließ ich den Zettel in der Schublade verschwinden. „Happy! Kannst du nicht anklopfen?“, fragte ich verärgert und der Kater schmunzelte. „Machst du etwa etwas Unanständiges, Lucy?!“ „Wie kommst du darauf?“, fragte ich sofort abweisend. „Ha! Zu schnell geantwortet! Komm schon, Natsu wartet schon lange auf dich!“, sagte der Kater und ich sah auf den Stand der Sonne und erschrak. Es war schon so spät?! „Dann verzieh dich, damit ich mich umziehen kann!“, bat ich und die fliegende Katze tat ausnahmsweise mal das, was man ihr befahl. Hastig zog ich mich um und kämmte meine Haare durch. Gerade wollte ich meinen Zopf wieder auf die rechte Seite machen, als ich mich dazu entschied, ihn von nun an links zu tragen, schließlich hatte sich mein Leben entscheidend verändert: Ich hatte jetzt einen Freund! Das musste ich mit einer kleinen Veränderung feiern! Als ich Natsu unten in der Lobby traf, fiel ihm das natürlich nicht auf. War ja klar. „Da bist du ja endlich, Langschläfer!“, meinte Natsu, als ich gähnend neben ihm herlief. Ich hatte aufgrund der Ereignisse der vergangenen Nacht völlig vergessen, dass wir ja eigentlich hier waren, um einen Auftrag zu erledigen.  „Gegen was müssen wir denn nun kämpfen, Natsu?“, fragte ich, ich wollte endlich das Thema wechseln… und nebenbei angemerkt auch den Auftrag los sein. „Wir müssen gegen einen Vampir antreten, der eine geheime Karte bewacht, auf der die Geheimnisse aller Sterne geschrieben stehen sollen! Quasi das Geheimnis unendlichen Lebens“, meinte der Feuermagier. „Gegen einen Vampir??? Bist du denn des Wahnsinns? Wie sollen wir den denn bitte besiegen? Mit Knoblauch?“, schrie ich hitzig, Natsu schien sich daran jedoch nicht weiter zu stören, er fuhr einfach weiter fort: „Der Auftraggeber will, dass wir diese Karte zu ihm bringen. Dafür gibt es auch ganze 500 000 Jewel!“ „Wir haben auch Knoblauch, Lucy!“, meinte Happy und schwenkte tatsächlich einen Knoblauchkranz vor meiner Nase herum, den ich jedoch beiseite schlug. Ich blieb für einen Moment stehen. „Du weißt, worauf wir uns da einlassen? Weil ich finde, von der Belohnung her klingt das wie ein S-Klasse Auftrag!“, meinte ich und Natsu sah mich mit großen Augen an. „Ach was, ich würde doch keinen S-Klasse Auftrag annehmen!“ „Aye!“ „Nein, sicher nicht“, meinte ich ironisch und lief weiter. „Wenn mir auch nur ein Haar gekrümmt wird, mache ich dich dafür verantwortlich, Natsu! Das ist dir schon bewusst, ja?“, fragte ich und dieses Mal war es Natsu, der stehenblieb. „Warum sollte dir was passieren? Entweder ich oder deine Stellargeister sind da! Aber eher ich, also mach dir keine Sorgen! Wobei es dir ja eigentlich ganz gut tun würde, mal eine auf die Nuss zu beko…“ „Wie war das Letzte doch gleich?“, schrie ich ihn an. „Ach gar nichts…“ „Du bist so ein Angeber! Als ob du der große Retter wärst, der mich beschützen kann! Ich erinnere dich nur mal an den Kampf gegen Angel, da lagst du halb kotzend auf einem davontreibenden Floß und ich wäre vor deinen Augen beinahe getötet worden! Wo war er denn da, der ach so große Natsu?“ Der Dragonslayer sah mich mit großen Augen an. „Du… wurdest fast getötet? Echt?“ „Das fällt dir erst jetzt auf?“, schrie ich und schlug mir die Hand gegen die Stirn. „Ach vergiss es… Es ist zwecklos, Natsu!“ Wir standen vor einer großen Gruft, das Gebäude sah alt und schäbig aus. „Da… sollen wir rein?“, fragte ich und meine Stimme war um ein paar Oktaven höher geworden. „Jop“, sagte Natsu lässig und ging vor, Happy flog ihm direkt hinterher. „Ich hasse euch und eure bescheuerten Ideen…“, flüsterte ich leise und ging hinterher. Als sich hinter uns die Tür schloss, fröstelte ich. Das Tageslicht war nahezu verschwunden, es war stockdunkel. „Haben… wir nicht wenigstens etwas Licht?“, fragte ich leise und um Natsus Fäuste bildeten sich Flammen. „Nichts leichter als das!“, meinte er. „Aye!“ Ich seufzte. Ganz ruhig, zur Not kannst du noch einen Stellargeist rufen!, dachte ich mir und sah mich um. Überall hingen Spinnenweben von den Wänden und die Säulen, die das Gebäude von innen hielten, sahen sehr alt und stark beschädigt aus. Die Szenerie wirkte fast schon, als sei sie aus einem Gruselfilm geklaut worden. Die Gruft führte uns immer tiefer unter die Erde, ich brauchte keine Treppen um zu merken, wie es bergabwärts ging. Die Kälte kroch mir unter die Haut und schlang meine dünne Jacke enger um mich. „Da seid ihr ja endlich“, sagte eine fremde Stimme und ich wirbelte herum. Tatsächlich. Da stand er. Ein waschechter Vampir. Ich hatte noch nie in meinem Leben etwas Furchterregenderes gesehen. Die hochgewachsene Gestalt wurde nun von Natsus Flammen erhellt, sodass man sie besser erkennen konnte. Das Gesicht war schneeweiß, aber wirklich anziehend schön, seine schwarzen Haare relativ kurz, aber wohlgeordnet. Seine schlanken, dünnen Hände waren an seinem Körper angelegt und ein Lächeln umspielte seine roten Lippen. Der schmale Körper wurde von einem langen, dunklen Umhang umrahmt. „Na endlich…“ Seine Zunge fuhr über seine Lippen. „Es ist schon lange her, wo ich das letzte Mal gegessen habe“, sagte er und trat geräuschlos näher. „Dabei habe ich solchen Hunger… Du da!“ Sein langer Zeigefinger deutete zu meinem Entsetzen auf mich. „Du riechst besonders gut! So weich und zart… Ich sehne mich jetzt schon danach, meine Zähne in dein junges Fleisch zu graben… Der da vorne sieht zäh aus, Drachenschuppen schmecken nicht. Klar, zur Not würde ich ihn auch nehmen, aber du bist viel erstrebenswerter…“ Ich wich vorsichtig zurück. „Du kriegst sie nicht!!“ Happy flog todesmutig auf den Vampir zu und schleuderte ihm den Knoblauchkranz ins Gesicht, welcher ihn mit einem breiten Grinsen wegschlug. Der Kranz traf Happy, der ohnmächtig zu Boden sank. „Happy!“, rief Natsu entsetzt aus. „Knoblauch? Alter Urglaube! So etwas kann mich nicht besiegen!“ Ich war starr, meine Gedanken überschlugen sich fieberhaft, welchen Stellargeist ich rufen sollte: Es wurde höchste Zeit! „Das wirst du büßen!“, schrie Natsu und griff an. Loki! Ich musste ihn rufen. Ich zog den Schlüssel hervor und hielt ihn auf den Vampir gerichtet. Der Einzige, der etwas ausrichten konnte, war Loki! Vampire hassten das Licht, zumindest hoffte ich, dass sich dies nicht auch als ein Irrglaube herausstellen würde. Und wer hatte mehr Licht zu bieten als der hellste Stern im Sternbild des Löwen, Regulus?  „Öffne dich! Tor zum Löwen! L… Loki!“, sagte ich, doch bei den letzten Worten sackte ich erschöpft nach hinten. Was war los? Waren meine Magievorräte etwa aufgebraucht, sodass ich ihn nicht mehr rufen konnte? Und als die Erkenntnis zu mir durchsickerte, bemerkte ich, was für ein schrecklicher Fehler es gewesen war, über Nacht meine Magiereserven gänzlich zu erschöpfen. Natsu war der überdimensionalen Kraft des Gegners nicht gewachsen und ich konnte ihm nicht helfen. Happy lag bewusstlos am Boden und der Vampir kam auf mich zu, meine Augen weiteten sich.   „Du siehst so glücklich aus“, sagte Aries, als sie mich an meinem Tor empfing. „Ihr seid euch näher gekommen, habe ich recht?“, fragte sie und ich wunderte mich, dass die sonst so schüchterne Aries solch eine Vermutung äußerte. „Ja, du hast recht“, gestand ich ihr errötend. „Es wird dasselbe Ende nehmen.“ Wir beide wirbelten herum, als wir seine Stimme vernahmen. „Lucy wird keine Ausnahme sein. Auch sie wird sterben. Sterben wie Carolin. Es passiert so wie bei mir damals“, sagte der König und in diesem Moment leuchtete mein Tor kurz auf, um gleich darauf wieder zu erlöschen. „Was war das?“, fragte Aries und meine Augen weiteten sich, als ich begriff: „Sie… wollte mich rufen, aber war zu schwach um den Ausgang zum Tor zu öffnen? Ist das… etwa meine Schuld?“, flüsterte ich und mir stiegen die Tränen in die Augen. „Ich muss da raus!“, schrie ich. „Ich muss sie retten!“ „Das bringt nichts, Loki!“, sagte Aries, die ebenfalls Tränen in den Augen hatte. „Wir können das Tor nicht mehr alleine durchschreiten!“, meinte sie während ich auf mein Tor einhämmerte. „Öffne dich!“, schrie ich. „Öffne dich! Jetzt! Sofort! Ich spüre, dass sie in großer Gefahr schwebt! Bitte, öffne dich! Vater… öffnet das Tor! Bitte!“, brüllte ich nun meinen Vater an, der den Kopf schüttelte. „Nein. Ich kann nicht. Du wirst nur dasselbe Leid erfahren wie ich. Es ist besser, wenn du es nicht mitansehen musst. Lerne loszulassen… und nicht deinem eigenen Glück hinterherzulaufen“, sagte der König der Stellargeister und verschwand.     Lieben heißt manchmal loslassen können. Lieben heißt manchmal vom Geliebten sich trennen. Lieben heißt nicht nach dem eig'nen Glück fragen.     Aries nahm mich in den Arm und ich beruhigte mich gerade wieder, als ich sah, wie alle Stellargeister auf uns zugelaufen kamen. „Muuuuuuh! Ich verzeihe dir nie, dass du ihren nice body berührt hast!“, meinte Taurus und schnaufte. „Ich verzeihe ihr nie, dass sie jetzt einen Freund gefunden hat“, meinte Aquarius. „Puuu Puuu!“, sagte Plue und ich schaute sie alle an. „Was sollen wir jetzt tun?“, fragte ich gerade, als ich plötzlich meine Augen aufriss. Alle Stellargeister taten es mir gleich. Wir alle fühlten plötzlich diesen Schmerz in uns… Das Zusammenziehen unserer Herzen konnte nur eines zu bedeuten… Lucy… war dem Tode nahe! Unsere Verträge, sie geraten ins Wanken! Ich krampfte mich schreiend zusammen, den anderen Geistern erging es nicht gerade besser. „Wir… müssen das Tor aufbrechen! Ich kann… mein eigenes nicht aufbrechen… es ist zu stark… aber ich weiß, welches wir ganz sicher aufkriegen…“, keuchte ich und alle versuchten, meiner Idee aufmerksam zuzuhören und das wachsende Gefühl des Todes in sich auszublenden. Wir mussten schnell handeln. Sonst war es endgültig zu spät. Nach meinem gescheiterten Versuch, Loki zu beschwören, sank ich zu Boden. Ich fühlte mich völlig erschöpft, allein durch die Anstrengung, Magie wirken zu wollen. „Aha… mein Opfer lässt bereits nach. Wie schade. Ich dachte, der Kampf um dein Leben würde spektakulärer ausfallen“, meinte der Vampir und ich sah ihm in die Augen. Schwarz durchbohrten sie die meinen, ich spürte, wie ich in ihnen zu ertrinken schien, wie sie mich anzogen, dunkel und starr. „Karyuu no tekken!“, hörte ich Natsu rufen, doch der Angriff wurde abgeblockt. Ich spürte, wie ich mich nicht mehr bewegen konnte und mein Kopf auf einmal leer wurde, sämtliche Gedanken waren beiseite gewischt worden. „Es wird nicht wehtun, keine Sorge!“, hauchte der blasse Mann und kam näher, ich spürte, wie er mich hochhob, seine Berührungen waren beinahe liebevoll, als wollte er wirklich das wahrmachen, was er gesagt hatte. Tränen bildeten sich in meinen Augen, als ich die kalten Lippen an meinem Hals spüren konnte. Ich hatte nun einen Gedanken: Loki. Beinahe lächelnd sah ich zu Natsu herüber, der schreiend am Boden lag und sich aufzurappeln versuchte, als ich den plötzlich auftretenden Schmerz an meinem Hals spürte und aufschrie. Die scharfen Schneidezähne bohrten sich immer tiefer in meine Hauptschlagader und ich konnte fühlen, wie das Vampirgift durch meinen Körper rauschte und mein Herz bereits die ersten Aussetzer machte. Das Gift würde es schlussendlich zum Stillstand bringen. Es war eine Lüge gewesen. Ich empfand Schmerz, ich litt unheimlich unter dem brodelnden Gift, das mein Blut hochkochen ließ. Und Natsu… hatte mich nicht beschützt, obwohl er es versprochen hatte. Er war gescheitert, so wie ich es vorhergesehen hatte. Doch nun zählte nichts mehr, ich spürte, wie der Vampir mein Blut aus meinen Adern saugte und er stöhnend fester zog, um noch mehr des süßlichen Saftes in sich aufzunehmen. Ich fühlte, wie mir ein kleines Rinnsal von Blut den Hals hinunterlief. Plötzlich hielt der Vampir inne. „Was ist das?“, fragte er und meine vernebelte Sicht richtete sich auf den Boden: Verschwommen erkannte ich ein mir vertrautes Wesen, das sich am Bein des Vampirs festgekrallt hatte und laut: „Puuuu Puuuuuuuuuuu!“, schrie. „Verschwinde du nerviges Tier! Störe mich nicht beim Trinken!“, schrie der Blutsauger und kickte den Hund weg. Meine Hoffnung schwand. Ich würde sterben, in den Armen eines Vampirs.   Ich starrte mit tränenerfüllten Augen auf das Tor, betete, nein hoffte. „Da!“ Aries deutete auf das Tor des kleinen Hundes, Nicola, welches wir zuerst aufgebrochen hatten. Je rangniedriger der Stellargeist, umso leichter war sein Tor aufzubrechen. Also hatten wir Plue vorgeschickt, um den Feind abzulenken, um danach das Tor eines anderen Stellargeistes zu öffnen... „Puuuu…“ Erschöpft fiel das kleine Wesen in die Arme von Aries, die es besorgt auffing. „Hat der Plan funktioniert, Plue?“, fragte der Stellargeist des Widders. „Puuuu!“, sagte Plue, dann war er eingeschlafen. „Ich möchte doch meinen, dass er funktioniert hat“, sagte Horologium, der gerade durch sein Tor geschritten kam, mit Lucy in seinem Innenraum. Meine Augen weiteten sich, als ich meine Freundin sah. Sie schien bewusstlos und an ihrem Hals sickerte dickes Blut herab und durchtränkte bereits ihre Kleider. „Lass sie raus…“, flüsterte ich und Horologium gehorchte. „Vielen Dank, Horo!“, sagte Aries und die Uhr nickte. „Ich… möchte auch nicht, dass Lucy stirbt“, sagte er. „Das wird sich jedoch nicht mehr vermeiden lassen, befürchte ich“, sagte Vater, der urplötzlich wieder aufgetaucht war. „Ihr wisst doch, dass es verboten ist, einen Menschen hierherzubringen“, setzte der König an und alle Stellargeister sahen sich bedrückt an. Ich jedoch nahm Lucy in den Arm und drückte sie an mich. Sie war bewusstlos. Noch. Ihr Herz schlug unregelmäßig, wahrscheinlich breitete sich das Vampirgift gerade in ihrem Körper aus. „Jeder Mensch wird über kurz oder lang sterben sobald er in der Geisterwelt ist, egal, ob derjenige verletzt ist oder nicht“, sagte der König und ich funkelte ihn wütend an. „Du hättest sie retten können!“, schrie ich aufgebracht. „Warum bist du nur so stur und hast das Tor nicht für uns durchlässig gemacht! Du hast die Macht dazu!“, schrie ich weiter, Aries legte mir eine Hand auf die Schulter, doch ich achtete nicht darauf. Alle Stellargeister hatten sich um Lucy gestellt und weinten, da wir alle spürten, in was für einem schlechten Zustand sie war. „Vampire hassen helles Licht“, sagte Horologium auf einmal. „Vielleicht… kannst du sie heilen, Anführer des Tierkreises“, meinte der Stellargeist und ich sah ihn an, meine Augen weiteten sich. „Natürlich! Das ich nicht eher darauf gekommen bin!“, rief ich aus. Wer konnte helleres Licht schenken als ich? Ich zog Lucy näher an mich und legte meine Lippen auf ihre blutende Wunde, sehr darauf bedacht, ihr Blut nicht zu schlucken und selbst vergiftet zu werden. Oh Regulus, du hellster Stern des Löwen, gib mir Kraft! Erstrahle!, dachte ich mir und ich spürte, wie mir der Stern gehorchte und ich zu leuchten begann. Ich fühlte, wie das scharfe Gift auf einmal wich und mein helles Licht auf Lucy übersprang, die leise in meinen Armen stöhnte. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät!, dachte ich verzweifelt und legte all meine Gefühle in meine Macht und plötzlich war es, als ob ich mich von außen beobachten könnte.   Die hell leuchtende Gestalt eines Löwen stand neben dem blonden Mädchen, hatte eine große Tatze sanft auf ihrem Hals abgelegt und glitzerte und strahlte, bis er seine gigantische Mähne nach hinten warf und laut und furchterregend brüllte. Leo, der Löwe. Anführer aller Tierkreiszeichen. Die übrigen Stellargeister sanken auf die Knie, um ihm Respekt zu zollen. Der Löwe sah in die Reihe von Gesichtern um ihn herum, die ihn ehrfürchtig betrachteten. „Vielen Dank für eure Hilfe. Sie war sehr kostbar“, sagte der Löwe und brüllte erneut, als das Mädchen neben ihm langsam die Augen öffnete. Das Blut an ihren Kleidern war verschwunden, Lucy sah sauber und rein aus. Sie erhob sich langsam und schritt auf die leuchtende Katze zu, bevor sie ihre Arme um seinen gewaltigen Körper schlang und ihn an sich zog. Tränen suchten sich ihren Weg in das kurze Fell und sie schluchzte. „Vielen Dank…“, hauchte sie, dann senkte der Löwe den Kopf und löste sich von ihr. Er schritt langsam und würdevoll vor den Geisterkönig. Seine gelben Augen fixierten den König der Geister, als er direkt vor ihm stehenblieb. Der Moment war magisch, aber auch furchteinflößend. Regungslos standen sich beide gegenüber, sahen einander in die Augen. Vater und Sohn. König und Löwe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)