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Schneeketten

Der 23. Fall Lord Sesshoumarus
von

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Auftrag

Lord Sesshoumaru kam in äußerst guter Laune in das väterliche Schloss zurück, was sich sogar so weit äußerte, dass er einen menschlichen Diener, der ihn im Rückwärtsgehen anrempelte, nicht in vier Teile zerlegte, sondern nur mehr oder weniger harmlos gegen den nächsten Balken fliegen ließ. Die kleine Strafaktion, die ihm sein Vater gegen einen törichten Dämonenstamm aufgetragen hatte, war sehr erfolgreich verlaufen – nun, für ihn. Im Kreis der Dachsfamilie würde es einige Lücken geben.

Er wollte sich, wie es sich geziemte, bei dem Hundefürsten zurückmelden, erhielt jedoch die Auskunft dieser befände sich im Garten. Das war ungewöhnlich unter Tags und so machte sich Seine Lordschaft auf den Weg. Hatte Vater Besuch oder eine Nachricht bekommen, die er allein lesen wollte?

Er blieb unter dem sorgfältig von menschlichen Gärtnern geschnittenen Nadelbaumtor stehen. Der Herr aller Hunde spazierte in Gedanken versunken über die Steine, sichtlich einen Brief in der Hand. Sollte er weitergehen? Es war eigentlich überaus unhöflich einen Fürsten bei der Rede oder auch in Gedanken zu unterbrechen. Eine Rückmeldung samt Bericht jedoch war angebracht.

Der Inu no Taishou sah auf als er die Witterung in die Nase bekam. Da er seinen Sohn entdeckte, schien es ihm, als sei das die Lösung seines Problems der letzten Stunden. So früh hatte er ihn nicht zurückerwartet. Daher winkte er ihm näher zu kommen.

Sesshoumaru gehorchte und neigte ein wenig den Kopf.

„Du hast deinen Auftrag erledigt.“ Darin lag kein Zweifel.

„Ja, verehrter Vater. Vier Krieger der Dachse sind tot, die Anderen unterwarfen sich mir...Euch und versicherten, einen solchen Fehler nicht mehr begehen zu wollen.“ Es war aus ausnehmend töricht gewesen einem Menschendorf die Ernte abzuschwatzen, nun, genauer, die Menschen darum zu betrügen und dem Hungertod auszusetzen, wenn sein mächtiger Vater ihnen Schutz versprochen hatte.

„Das war zu erwarten.“ Der Herr der Hunde dachte kurz nach, ehe er fragte: „Was weißt du über Schneefrauen?“

Sesshoumarus Erstaunen lag nicht in seiner Stimme: „Yuki onna sind Dämonen, ähnlich uns, wenn auch keine Tiergeister sondern Naturgeister, uns unterlegen. Sie sind immer weiblich, zumeist mit knielangen, weißen Haaren, seltener schwarzen, und meist in weißen Kimonos gekleidet. Sie verfügen über gewisse Magie. Manche von ihnen fressen Menschen, andere schützen diese.“ Hatte eine Schneefrau Vater einen Brief geschrieben? Worum ging es da, dass der Herr des Westens sichtlich in Gedanken war? Er entsann sich nur zu gut des überaus peinlichen Heiratsantrages, den der Prinz des Festlandes an Vater ihn selbst betreffend geschickt hatte. Nein, keine Schneefrau als Gemahlin! Er unterdrückte diesen Gedanken. Im Zweifel handelte es sich eher um Mord, wie er aus leidvoller Ermittlungserfahrung wusste.

„In der Tat. Diesen Brief erhielt ich nun von Yukiko. Sie ist die Älteste der fünf Herrinnen des Schnees, der Schwestern, die die Schneefrauen anführen. Sie leben auf einer Insel am nördlichen Rand meines Gebietes. Sie bat mich auch im Namen ihrer Schwestern um Hilfe.“

„Wollte sie jemand überfallen?“

„Nein. Wie du schon sagst, verfügen yuki onna über ihren eigenen Zauber. Bei den fünf Herrinnen manifestiert sich ihre Magie in ihrem Halsschmuck. Selbstverständlich sind sie auch ohne diesen zauberkundig, aber die Schneeketten verstärken ihn wohl noch einmal. Und eine dieser Ketten wurde gestohlen.“

Und sie wandten sich an den Herrn der westlichen Gebiete als ihren Schutzherrn. So weit so gut. Nur.... „Sagtet Ihr nicht, verehrter Vater, sie wohnen nur zu fünft auf einer Insel?“

„Sie haben Menschen und Dämonen als Personal und Wachen dort. Wobei nicht einmal Yukiko annimmt, dass es einer von denen war. Sie vermutet einen unbekannten Meisterdieb, vielleicht einen Fuchs....“

Der Dämonenprinz hätte um ein Haar geseufzt: „Soll ich den Diebstahl klären?“

Zu seiner Überraschung zögerte sein Vater, ehe er sagte: „Nun, das wäre die beste Lösung. Außer, dass ich selbst hinreise. Ich war bereits einmal dort.....“

„Gab es....kleinere Unannehmlichkeiten?“ Natürlich würde ein Hundefürst nie auf Probleme treffen.

Der Inu no Taishou überlegte seine Formulierung sorgfältig. „Schneefrauen haben ihre eigene Magie, wie erwähnt, und manches daran ist....ungewöhnlich. Ich vermute jedoch nicht, dass du auf Scherereien stoßen wirst, wenn du dich auch nur wie gewöhnlich verhältst. Dennoch: eine gewisse Höflichkeit ist selbstverständlich angebracht.“

„Ja, verehrter Vater.“

„Und eine gewisse Vorsicht. - Auch ohne es bewusst zu wollen ist die Magie der Schneefrauen stets aktiv. Hüte dich davor dich davon beeinflussen zu lassen.“

„Ja. - Sakura?“

Der Herr der Hunde dachte erneut kurz nach, ehe er sagte: „Nein. Es gibt keinen Vorwand für eine Heilerin, die Schneefrauen selbst können alles Nötige für sich. Und ich möchte nicht, dass sie, denen die Bitte um Hilfe gewiss schon unangenehm war, denken, ich möchte das ausnutzen. Das solltest du auch in deinem Verhalten bedenken.“

Das wurde ja immer besser. Aber immerhin, ein Diebstahl einer Halskette, kein Mord. Das sollte man doch schnell erledigen können, dachte der heranwachsende Dämonenprinz – und bewies damit nur, dass er wenig Ahnung von Frauen im Allgemeinen und yuki onna im Besonderen hatte.
 

So stand Sesshoumaru nur einen halben Tag später am Ufer des Meeres. Der kühle Wind ließ sein Haar flattern und er musterte die kleine bebaute Insel vor sich. Zauber umfing sie, in der Tat, aber das war kein Bannkreis, der ihn hätte aufhalten können. Ein Schloss befand sich dort, ohne sichtbaren Eingang in der Mauer. Das Gebäude selbst war ebenso weiß wie die Mauer, wie frisch gefallener Schnee, und er vermutete, dass das eben genau der Fall war. Kein Wunder, dass Vater davon abgeraten hatte, neben den erwähnten Gründen selbstverständlich, Sakura mitzunehmen. Doch – hatte der Herr der Hunde nicht auch erwähnt, dass es hier menschliches Personal gab? Die würden ganz sicher...frieren, oder wie man das nannte?

Es war wohl höflich sich anzumelden. So ließ er seine gewöhnlich verborgene Energie ansteigen, langsam, um keine Aggression anzudeuten.

Tatsächlich regte sich nur Minuten später etwas und ein Dämon, das war zu spüren, tauchte vor dem Schloss auf, scheinbar aus dem Nichts samt seinem Booterscheinend, vermutlich um den Besucher abzuholen. Allerdings war der Mann bewaffnet, ein Krieger, und das machte Sesshoumaru ein wenig stutzig. Aber, was sollte es. Er war auch ohne jede Waffe in der Lage solch einen niederrangigen Dämon umzubringen, sollte es notwendig sein. Seine Lordschaft war sich sicher, dass er nie ohne Notwendigkeit tötete.

Der Dämon kam heran: „Ihr wollt zu den Damen des Schnees? Lady Yukiko schickt mich.“

„Ja.“ Zu allem.

„Bitte kommt, ich werde Euch hinüber rudern und den Hafen öffnen.“

Hafen? Während der Hundeprinz in das Boot stieg und sich niederkniete musterte er noch einmal die scheinbar türlose Wand aus Schnee des Schlosses. Da war keine Bootsanlegestelle, geschweige denn ein Hafen. Die Magie der yuki onna schien selbst ihn zu täuschen. Ärgerlich. Ebenso wie dieser Kerl vor ihm, der ihn nun über die Meerenge ruderte. Der Blick dieses Dämons gefiel ihm nicht, auch wie er gesprochen hatte. War der etwa auch verhext?

Nur kurz darauf, als sich das kleine Boot der Insel näherte, erkannte er, was der Krieger wohl mit Hafen meinte. In der scheinbar undurchlässigen Schneemauer öffnete sich ein Spalt in eine schmale überflutete Höhle, in die das Boot glitt. Dort befand sich eine Treppe aus Eis, die offenbar in höher gelegene Teile des Schlosses führte.

Sesshoumaru sprang dort hinauf, wartete jedoch, bis der Dämon bei ihm war. Es wäre schließlich unhöflich gewesen ohne Begleitung bei den Ladies aufzutauchen, wenn sie ihn schon abholen ließen.

Der Krieger führte ihn auch schweigend nur die Treppe hinauf, öffnete dort eine Tür zu etwas, was offenkundig ein Vorraum war, von dem aus eine weitere Treppe emporführte, dann eine weitere zu einem großen Raum, in dem fünf Matten im Kreis lagen. Unschwer zu erraten, dass es sich um das Besprechungs- oder eher Wohnzimmer der fünf Schwestern handelte, zumal in der Mitte eine weißhaarige, nur scheinbar Mitte zwanzigjährige Schneefrau in hellem Kimono saß, die nun aufblickte.

Der Krieger verneigte sich tief: „Lady Yukiko...Euer Gast.“

„Gut, Fudo. Geh.“ Die Schneefrau musterte interessiert ihren Besucher, ehe ihre Zunge fast unbemerkbar rasch über ihre Lippen fuhr: „Ihr seht mich erstaunt, edler fremder Hundedämon....ich zweifle jedoch nicht, dass Ihr im Auftrag des mächtigen Inu no Taishou kommt.“

Wollte sie ihn ärgern oder waren die yuki onna hier so ahnungslos? Aber Vaters Anweisung lautete, er solle höflich sein: „Mein Name ist Lord Sesshoumaru. Ich bin der Sohn des Inu no Taishou. Mein Befehl lautet, den Diebstahl zu klären.““

Ihr entkam ein überraschter Gesichtsausdruck, ehe sie höflich meinte: „Willkommen in unserem Schloss, Lord Sesshoumaru. Ich bin Lady Yukiko, die Älteste der fünf Herrinnen des Schnees. Bitte, nehmt Platz.“

Er zögerte, aber das konnte man kaum ablehnen. So ließ er sich ihr gegenüber nieder.

Yukiko sah kurz zu Boden, ehe sie langsam sagte: „Ich muss Euch allerdings mitteilen, dass sich die Lage seit meinem Brief an unseren Fürsten nicht verbessert hat. Insgesamt fehlen nun drei Schneeketten.“

Auch das noch. Entweder hier war ein wahrer Meister der Diebeskunst am Werke oder etwas ganz anderes lief ab. Nun, sachlich bleiben und die gewisse Überraschung der Dame ignorieren.„Vielleicht beschreibt Ihr mir die Örtlichkeiten und Eure Schwestern, sowie das Personal.“

Sie schien zu bemerken, dass sie ihn beobachtet hatte, denn sie blickte wieder zu Boden: „Ja, natürlich. Hier, hinter mir, gehen fünf Türen ab. Jede zu einem Privatzimmer, meines und meiner Schwestern. Dort leben wir in aller Regel, gemeinsam mit einer menschlichen Dienerin, die nach Jahren natürlich...ausgetauscht werden muss.“

„Jede für sich.“

Lady Yukiko zuckte die schmalen Schultern: „Bei einem so engen Zusammenleben über Jahrhunderte hinweg lernt man die Einsamkeit schätzen, Lord Sesshoumaru. Wir treffen uns allerdings jeden Morgen und Abend hier, schon um abzusprechen, wer das Schloss verlässt. Es sollten stets drei von uns hier bleiben, um die Magie und den Schutz zu wahren. Die Ketten wurden übrigens immer gestohlen, wenn die Eigentümerin auf dem Festland weilte.“

„Eure auch, Lady Yukiko?“

„Nein.“ Sie zog wenig ihren Kimono am Hals auseinander, zeigte den Aufblitz einer weißen Kette, ehe sie fast liebevoll die Hand daran legte, ihre Kleidung wieder ordnete: „Ich trage dieses kostbare Geschenk der Macht unserer verstorbenen Mutter stets, wie auch Yaoko, meine jüngste Schwester. So ist es wohl schwer, sie zu stehlen. - Unser Personal besteht, wie erwähnt, aus fünf, nein vier, menschlichen Dienerinnen und fünf Kriegern dämonischer Herkunft. Fudo habt Ihr ja bereits kennen gelernt. Die Männer leben jenseits, aber das werdet Ihr noch sehen.“

Fünf Schwestern, vier Dienerinnen....war etwa eine gerade verstorben?....und fünf Dämonenkrieger. Das war doch übersichtlich. „Soweit ich sah sollte Eure Magie und die Eurer Schwester verhindern, dass sich ein Fremder hier einschleicht.“

„Ja. Das macht es ja so rätselhaft.Überdies besitzen die Ketten ja keinen Wert, außer für uns. Ein fremder Dieb könnte sie nie verkaufen oder eintauschen. - Nun, folgt mir bitte in mein Zimmer. Meine Dienerin wird Euch weiterführen, auch zu meinen Schwestern.“

Lady Yukiko und Lady Yoshiko

Als sich Lady Yukiko und ihr hoher widerwilliger Gast erhoben, fiel Sesshoumaru zum ersten Mal auf, dass sie ihn nicht betont freundlich anlächelte, wie er es gewohnt war, sondern fast neugierig, anscheinend abwartend. Was sollte das? Aber er hatte hier einen Diebstahl, nun, drei, zu klären. Je eher das passierte, umso rascher konnte er wieder verschwinden.

So fragte er, auf ihre letzte Bemerkung eingehend: „Die Schneeketten haben folglich Eurer verstorbenen Mutter gehört und sind eigentlich nur Erinnerung an sie, magisch nutzlos?“ Vater hatte doch etwas von Magie erzählt?

Die älteste yuki onna wiegte den Kopf: „Wie man es nimmt. Die Ketten verfügen über keinerlei eigene Magie, sind aber durchaus...Vielleicht kann ich es einem Krieger wie Euch mit einem Schwert erklären. Wann auch immer Euer Lordschaft ein Schwert im Kampf benutzt – Ihr seid in der Lage Eure Energie über die Klinge zur Attacke oder Verteidigung zu nutzen.“

„Ich muss mich nie verteidigen.“

„Mag sein. Zum Angriff.“ Yukiko verspürte wenig Lust auszuprobieren, ab wann sich der Herr der westlichen Länder durch Beleidigungen seines Sohnes zum Auftauchen genötigt sah. Da gab es eine kleine Warnung in der Vergangenheit und sie war eigentlich froh, dass er nicht selbst gekommen war. Nun, um ehrlich zu sein, hatte sie nicht erwartet, dass er sich überhaupt um ihren Brief kümmern würde. „Aber deswegen hat das Schwert an sich keine eigene Magie, es leitet nur die Eure. So ist es auch bei den Schneeketten. Jede einzelne Kette verstärkt nur die Magie der Trägerin, darum wurden sie von Mutter auch nach unseren Fähigkeiten oder Talenten ausgewählt. Kein Schmuckstück jedoch hat eigenen Zauber wie das Höllenschwert unseres Fürsten.“

Sesshoumaru dachte kurz nach. Also wären die Ketten höchstens jemandem von Nutzen, der selbst über Magie verfügte. Was nicht hieß, dass sie kein Mensch gestohlen hatte, aber wenn, dann im Auftrag. „Was ist mit den fünf Kriegern?“

Jetzt lächelte Lady Yukiko wirklich ein wenig zynisch: „Sie schützen uns gegen unvermutete Angriffe und sind auch sonst...nützlich. Aber wir achten sehr darauf, dass sie keinen selbstständigen Willen besitzen.“

Das erklärte das eigenartige Verhalten dieses Kudo, aber auch dessen leeren Blick. Der junge Hundedämon verspürte plötzlich ein Prickeln an der Wirbelsäule. War es das, was Vater gemeint hatte? Die Magie der Schneefrauen sei stets aktiv, aber er solle nur wie immer sein? Dann war es durchaus möglich, dass er, wie natürlich sein verehrter Vater auch, davon nichts mitbekam, weil sie beide zu mächtig, zu selbstbeherrscht waren, um auf solche kleinen magischen Tricks hereinzufallen. Sah ihn Yukiko darum so versteckt-abwartend an? Vermutete diese arrogante Schneefrau etwa er würde wie ein einfacher Dämon reagieren? Sachlich bleiben, ermahnte er sich zum zweiten Mal innerhalb von fünf Minuten: „Darum habt Ihr sie auch von der Möglichkeit ausgeschlossen der Dieb zu sein.“

„Ja. Ich...wir hoffen, dass es Eurer Lordschaft gelingt eine Spur zu finden. Es sind doch für uns Schwestern wertvolle, mächtige, magische Erinnerungsstücke.“ Sie öffnete eine der fünf Türen, die aus dem Wohnzimmer hinausführten. „Kommt nur. Wir sind hier nicht auf Rücksicht auf Ehemänner angewiesen. Ein Mann bei mir schadet mir nicht. - Mein Zimmer,“ verkündete sie: „Das dort ist Etsu.“

Das längliche Zimmer war leer bis auf einen mittigen Sitzplatz auf einer Matte, umringt mit Kissen. Einer Kleidertruhe und einer weiteren Kiste, etwas kleiner, ein Schreibpult und dazu gehörige Werkzeuge vervollständigten die Einrichtung. Am anderen Ende des Raumes, neben einer weiteren Tür, kniete eine ältere Menschenfrau, die soeben an einem Kimono nähte, sich nun hastig verneigte. Sie war deutlich wärmer angezogen als es Sesshoumaru von anderen Menschen kannte, aber sie lebte ja auch in einem Schneeschloss. Sogar hier trug sie einen Umhang über den Kopf gezogen und er erkannte warme Stiefel. Nun, immerhin schienen die Herrinnen des Schnees daran zu denken, dass Menschen schwächliche Lebenswesen waren. Jetzt allerdings musste er sich mit jämmerlichen Menschenfrauen abgeben und anscheinend seltsamen Schneedamen. Warum gleich noch einmal hatte er Sakura nicht mitnehmen sollen?

„Etsu, das ist Lord Sesshoumaru, der Sohn des mächtigen Inu no Taishou. Er soll das Verschwinden der Ketten meiner Schwestern klären. Zeige ihm den Gang, euren Aufenthaltsraum und den der Krieger, ehe du ihn zu Lady Yoshiko führst.“

Das konnte ja was werden, dachte Seine Lordschaft prompt. Die Namen der Schwestern waren sich ähnlich und er hatte noch nie gehört, dass sich yuki onna sonderlich im Aussehen unterschieden. Hoffentlich wusste er später noch wer was war, sonst käme es zu ungemein peinlichen Situationen. Und er sollte doch höflich bleiben. „Ich hätte im Augenblick nur noch eine Frage an Euch, Lady Yukiko. Wie heißen Eure Schwestern?“ Wieder dieses seltsame Lächeln der yuki onna, das ihn instinktiv die Rechte anspannen ließ.

„Dem Alter nach: ich bin Yukiko, wie Euer Lordschaft natürlich weiß, dann Yoshiko, Youko, Yuzuki und Yaoko.“

Die Mutter hatte eindeutig Namen mit Y bevorzugt...Y wie yuki, Schnee. „Danke, Lady Yukiko,“ hörte er sich sagen, ehe er sich der älteren Menschenfrau zuwandte, die aufgestanden war und ihm nun schweigend die zweite Tür öffnete, wartete, bis er in den Flur hinausgetreten war und sie mit einer Verneigung gegen ihre Herrin wieder schloss.

Er drehte sich um. Es handelte sich um einen relativ breiten Gang von gut zwanzig Metern Länge, erhellt offenbar durch Magie. Er hätte die seitlichen Wände mit ausgestreckten Armen nicht beide erreichen können. Nach links gingen fünf Türen ab, gewiss in die Zimmer der fünf Schwestern. Rechter Hand lagen nur zwei Türen, hier und am anderen Ende.

Etsu verneigte sich vor ihm und deutete auf die erste: „Dies hier ist der Aufenthaltsraum der Krieger, Lord Sesshoumaru. Sie befinden sich stets dort, es sei denn eine der Damen schickt ihre Dienerin um sie.“

„Sie dürfen ohne Befehl den Raum nicht verlassen?“ vergewisserte er sich. Seit wann ließen sich denn Dämonen wie Haustiere behandeln?

Etsu warf dem jungen Hundeprinzen einen etwas eigenartigen Blick zu, senkte diesen jedoch rasch wieder zu Boden. „Ich vermute, sie sind nicht dazu in der Lage, edler Lord.“

„Die Magie der Schneefrauen?“

„Äh, ja, Lord Sesshoumaru.“ Sie war ein wenig erstaunt, dass diese nicht auf ihn wirkte, ja, er keine Ahnung zu haben schien, was die bei männlichen Wesen vermochte. Aber nun gut. Kurz bevor sie hier eingezogen war, war nur einmal ein Hundedämon vorbeigekommen, der Inu no Taishou, wie sie damals gehört hatte. Und auch auf diesen hatte die Magie….begrenzt gewirkt. Das hier war sein Sohn. Es lag wohl in der Familie. Nun, das ging sie nichts an. „Wünscht Ihr die Krieger zu sehen, Lord Sesshoumaru?“

„Einstweilen nicht. Sag mir die Namen.“

„Fudo, Ito, Takeru, Masakazu, Tadashi.“

„Dort vorne links ist der Aufenthaltsraum der menschlichen Dienerinnen, wenn sie frei haben?“

„Ja und nein, Lord Sesshoumaru.“ Sie bemerkte durchaus aus jahrzehntelangem engstem Zusammenleben den Anstieg der dämonischen Energie, spürbares Zeichen einer gewissen Verärgerung, und erklärte hastig: „Wir haben sozusagen nie frei, wenn die Damen hier sind. Nur, wenn sie auf das Festland reisen. Aber sie schicken uns immer wieder dorthin, damit wir warmes Essen bekommen, Tee und uns auch aufwärmen können.“

Nun, die yuki onna schienen immerhin um die weiblichen Dienstboten besorgt. „Gibt es dort Personal?“

„Nein. Nur wir leben hier im Schloss.“

„Gibt es aus diesem Gang, durch den Raum der Krieger oder euren Aufenthaltsraum eine Möglichkeit nach draußen zu gelangen?“

„Nein, Lord Sesshoumaru. Nur durch den Wohnraum der Damen. Einmal in den Hafen zum Boot, den Eure edle Lordschaft gewiss gesehen hat, und einmal nach oben auf die Oberfläche.“

„Nachdem die Ketten verschwunden waren, wurde natürlich alles abgesucht?“

„Ja. Auch wir und selbst die Krieger.“

Das erklärte, warum Yukiko und ihre Schwestern Vater um Hilfe gebeten hatten. Es war eigentlich unmöglich. Wie hätte ein Fremder hierher kommen sollen, sich verstecken und auch nur die Ketten entwenden. Da sich Etsu verneigte, fragte er: „Was ist noch?“ Immerhin erwies sie sich als nicht tölpelhaft. Yukiko hatte sie wohl gut erzogen. Ein Lichtblick in diesem eisigen Schloss voller Frauen.

„Ich weiß nicht, ob Lady Yukiko daran dachte es Eurer werten Lordschaft zu sagen, aber es könnte für Eure Ermittlungen wichtig sein: soweit ich mitbekam, lagen die Ketten nie offen herum, aber die Truhen und anderes wurde nie durchsucht.“

Er nickte. Das bedeutete, konnte nur bedeuten, dass der Täter genau gewusst hatte, wo die Kette versteckt lag. Das wurde immer rätselhafter. „Zeige mir euren Aufenthaltsraum, dann melde mich Lady Yoshiko.“
 

Der Aufenthaltsraum der menschlichen Dienerinnen war fast heiß im Verhältnis zu den kalten Räumen des sonstigen Schlosses. Ein sehr gut gemachter Bannkreis verhinderte, dass der Schnee zu schmelzen begann. Ein großes Feuer brannte in einer steinernen Nische und ein Kessel mit heißem Tee hing darüber. Fünf Matten lagen dort, daneben jeweils eine Schüssel, Essstäbchen. In einer Ecke entdeckte er Gemüse und getrocknetes Fleisch. Übersichtlich, aufgeräumt und sauber.

Da er sich umdrehte, beeilte sich Etsu die Tür hinter ihm wieder zu schließen und gebückt an ihm vorbei zu eilen, um an die zweite Tür der Fünferreihe zu klopfen, sie etwas zu öffnen und sich zu verneigen.

„Lady Yoshiko, Lord Sesshoumaru, der Sohn des Inu no Taishou, um der Ketten willen....“

„Welche Überraschung,“ erwiderte eine weibliche Stimme: „Ich lasse bitten.“

Als Sesshoumaru eintrat und demonstrativ höflich den Kopf vor der zweitältesten Schwester neigte – nicht zu viel, schließlich wusste er um seinen Stand, hörte er wie Etsu die Tür von außen schloss. Anscheinend hatte in der Tat niemand Bedenken, die Schneefrauen mit einem jungen Mann allein zu lassen – ungewöhnlich, ja, eigentlich fast unmöglich. Hier im Raum befand sich kein Mensch. Niemand, außer der yuki onna, und er seufzte in Gedanken. Sie sah fast ebenso aus wie Yukiko, die Kleidung war gleichartig. Nur an einer leichten Veränderung des Geruches vermochte er die Schwestern zu unterscheiden. Das konnte wirklich ein Problem werden. Die Einrichtung des Raumes war praktisch identisch mit der Yukikos.

„Nehmt doch Platz, edler Lord. - Ich kann zu dem Diebstahl meiner Kette allerdings nichts sagen. Ich befand mich auf dem Festland um einen herrlichen Schneesturm zu veranstalten. Als ich zurückkehrte, wollte ich sie umlegen, da wir Schwestern uns treffen wollten, um die Erlebnisse der Beiden, die draußen waren, auszutauschen. Das machen wir immer so, zum Gedenken an unsere mächtige Mutter.“

„Dabei tragen auch alle die Ketten.“

„Ja, also...ich immer. Aber ich denke auch die Anderen.“ Sie lächelte fast verschwörerisch.

„Die Kette war verschwunden....“ brachte er sie wieder auf das eigentliche Thema zurück.

„Oh, ich wurde sehr wütend. Die Einzige, die wusste, wo die Kette lag....dort, unter meiner Kleidung in der Truhe...war eben meine Dienerin.“

„Ihr habt sie ohne Zweifel verhört. War die Truhe durchsucht worden?“

„Nein, das war es ja. Es lag alles perfekt aufeinander, nicht einmal eine Falte anders. Es musste jemand gewesen sein, der genau wusste, wo er zu suchen hat.“ Yoshiko zuckte ein wenig die weiß bekleideten Schultern: „Da wusste ich noch nichts von den anderen Diebstählen. Sie beteuerte ihre Unschuld und ich war geneigt ihr zu glauben....Menschen sind eben so schrecklich fragil....Sagt, Lord Sesshoumaru, Ihr wisst nicht, wo ich eine äußerst kluge, schweigsame, menschliche Dienerin rasch herbekommen würde?“

Seine Lordschaft entschloss sich diese letzte Frage nicht zu beantworten. Auch, wenn er zumindest der Meinung der Dame über menschliche Zerbrechlichkeit zustimmen musste. Kaum fasste man diese jämmerlichen Wesen an der Kehle waren sie auch schon tot. Aber er hatte einen Auftrag zu erledigen: „Als dann zwei weitere Ketten verschwanden, wusstet Ihr, dass es jemand anderer gewesen sein musste?“

„Natürlich. Yukiko meint, jemand von außen, und auch, wenn ich mir nicht vorstellen kann, wie das abgelaufen sein soll – es muss so sein. Wir haben doch alle Menschen, alle Krieger abgesucht, alle Zimmer. Und hier gibt es nicht so viele.“

„Das war es einstweilen, Lady Yoshiko. Ich werde mir zunächst einen Überblick verschaffen.“

„Tut das. - Neben mir wohnt Youko.“

Lady Youko und Lady Yuzuki

Vor der Tür erwartete Etsu, die Dienerin der ältesten yuki onna Seine Lordschaft. Sie neigte höflich den Kopf und ging schweigend ihm voraus, um ihn bei der nächsten Schwester anzumelden. Noch drei davon erwarteten ihn und womöglich auch noch ein Gespräch mit den Dienerinnen. Wie überaus lästig. Dabei gab er zu noch immer keine Ahnung zu haben, wie die drei Diebstähle durchgeführt worden waren.

Er ging hinein. Youko sah ihren beiden älteren Schwestern ebenfalls sehr ähnlich, wirkte aber etwas jünger, eher wie Anfang Zwanzig. Aber das besagte wenig.

Sie lächelte ihn offen an, ehe sie meinte: „Das ist ja eine wirklich hübsche Überraschung. Ich muss gestehen, dass ich mit Yukikos Brief an...an den Fürsten nicht ganz einverstanden war. Es gab nun einmal diesen Besuch, der nicht so ganz so ablief, wie wir uns das vorgestellt hatten. Nehmt doch Platz, werter Lord Sesshoumaru...“ Ihre Hände glitten über ihre Oberschenkel.

Langsam hätte es ihn schon interessiert, was hier zwischen den Schneefrauen und seinem verehrten Vater vorgefallen war, aber natürlich war es unmöglich zu fragen. „Lady Youko, auch Eure Kette ist verschwunden.“

„Ja. Ich war mit Yoshiko den Tag über auf dem Festland und als ich sie abends umlegen wollte, war sie verschwunden. Yoshiko veranstaltete bereits solch einen Krach, dass ich wusste, dass ich nicht die einzige Bestohlene war. Machi, meine Dienerin, beteuerte auch nichts zu wissen.“

Sesshoumaru warf einen Blick auf die vielleicht um die Dreißig stehende Menschenfrau, die zu Boden sah und sich sichtlich bemühte ihn nicht anzustarren. Hatte sie noch nie einen Hundedämon gesehen? Oder war sie erstaunt, dass er nicht auf die kleinen, armseligen Hexereien ihrer Herrinnen hereinfiel? „So war auch Eure Kette versteckt?“

„Ja. Nun gut, versteckt...aber ein Fremder sollte nicht wissen, wo sie liegt, nicht wahr?“ Youko zwinkerte ein wenig verschwörerisch, ehe sie ihren Gast anlächelte: „Oder könntet Ihr das sagen?“

Der Raum war ebenso karg möbliert wie die der ersten beiden Schwestern. „Nun?“ Er hatte keine Lust sich auf Ratespielchen mit dieser bislang nervigsten yuki onna einzulassen.

„Oh je, so kalt wie der Vater,“ seufzte Youko: „Nicht sehr nett gegenüber uns einsamen Schneefrauen. Nun gut. Die Kette befand sich hier, in dem Kissen neben mir.“

Auf den ersten Teil ihrer Aussage ging er lieber nicht ein: „Sind alle Schneeketten identisch?“

„Nicht ganz. Mutter machte eine für jede von uns. Sie bestehen natürlich alle aus weißen Korallen, aber sie haben andere Muster der Schneekristalle. Lasst Euch doch von Yukiko oder von Yaoko die ihren zeigen. Sie haben sie wohl nur noch, weil sie sie ständig tragen, selbst, wenn sie die Insel verlassen.“

„Niemand außer einer Schneefrau kann etwas mit diesen Ketten anfangen,“ stellte Sesshoumaru noch einmal fest.

„Niemand, den ich wüsste. Es ist ja überdies mehr Gedenken, mehr Schmuck als Zauber. - Nun, Euer eisige Lordschaft?“ Sie lächelte und ihm wurde plötzlich bewusst, dass sie ihre Magie erhöht hatte.

Was sollte das? Nahm diese kleine Hexe etwa an, er würde so töricht wie dieser Fudo oder auch die anderen Krieger werden? War das der Punkt gewesen, an dem Vater mit den Schneefrauen aneinander geraten war? Er erhob sich. Zur Hölle mit der Etikette! Wenn er diese Youko noch länger ertragen musste, könnte seine Selbstbeherrschung reißen. Hoffentlich waren die letzten beiden Schwestern angenehmer als die da.

Youko lächelte erneut, wenn auch ein wenig bedauernd: „Oh, ein wirklich so hübscher Junge aus Eis – wie überaus interessant aufzutauen. Ich würde mein Bestes geben, das kann ich Euch versprechen. Ihr wärt sicher nicht enttäuscht. - Machi, begleite Seine Lordschaft zu Lady Yuzuki, dann gehe dich aufwärmen.“

Das war doch....nein, daran dachte ein mächtiger Dämon nicht einmal. Sesshoumaru bemühte sich seine Hand zu entspannen. Er sollte höflich bleiben, so lautete seine Anweisung. Hoffentlich waren Yuzuki und Yaoko angenehmere Gesprächspartner. Warum nur hatte Vater ihm quasi verboten, dass er Sakura mitnehmen könne? Natürlich hatte der Herr aller Hunde einen guten Grund gehabt und es wäre auch geradezu unverschämt gewesen nach einem weiteren Argument zu fragen....nun ja. Es wäre sicher überzeugend gewesen. Aber Sakura hätte für ihn eine wahre Entspannung dargestellt.
 

Machi, die Dienerin, meldete ihn höflich bei Yuzuki an. Diese sah äußerlich ebenfalls ihren Schwestern ähnlich, aber dem Eintretenden fiel sofort auf, dass sie unverzüglich den Kopf neigte, deutlich zuvorkommender war als ihre anderen Schwestern. Zumindest entfiel dieses ihn so erbosende Lächeln.

„Ich freue mich Euch kennen zu lernen, Lord Sesshoumaru,“ sagte sie gesittet: „Bitte nehmt Platz.“

Auch dieser Raum war mehr als ähnlich eingerichtet. Die yuki onna schienen ihre Verbundenheit geradezu zu betonen. „Die Dienerin sagte Euch bereits, warum ich hier bin.“

„Ja, um der drei gestohlenen Ketten willen, die so rätselhaft verschwanden. Ich muss gestehen, dass ich nicht erwartet habe, dass der mächtige Inu no Taishou sich derart für unsere Schwierigkeiten interessiert, dass er uns seinen einzigen Sohn schickt.“

Na, da war jemand mal gut informiert. Vielleicht konnte sie ihm einige Fragen beantworten – natürlich, ohne dass er sich als ungeschickt darstellte. „Auch Eure Kette verschwand, während Ihr auf dem Festland ward?“

Die junge Dame neigte zustimmend den Kopf: „Ja. Drei Tage nach den beiden meiner Schwestern. Und das, obwohl ich sie gewöhnlich gut verberge.“

„Wie Eure Schwestern ebenfalls.“

„Ja. - Natürlich war es ein wenig voreilig von meiner zweitältesten Schwester, Yoshiko, ihre menschliche Dienerin so scharf zu verhören, aber sie wusste noch nichts von dem gleichzeitigen zweiten Diebstahl.“ Lady Yuzuki sah unwillkürlich zu der ihren, einer jungen Frau um die Zwanzig, wie alle hier warm angezogen und mit Stiefeln: „Und, nachdem dann auch noch meine Kette verschwunden war, eine weitere Durchsuchung der Räume nichts ergab, auch die Frauen und die Krieger erneut durchsucht wurden...Es ist ein Rätsel. Kein Fremder hätte doch uns entgehen können. Nun, das hätte ich bislang als Gewissheit angenommen.“

Hm. Sesshoumaru dachte kurz nach: „Nach den ersten beiden Diebstählen ließt Ihr Eure Kette am gewohnten Ort?“

Yuzuki lächelte ehrlich erfreut: „Euer Lordschaft hat Erfahrung in Ermittlungen, vermute ich? Wie schön. - Nein, ich hatte sie, ebenso wie Youko, in einem Kissen. Nachdem ich nach den zwei Vorfällen auf das Festland gehen wollte, erschien sie mir dort zu unsicher. Eine Schneekette ist aus weißen Korallen, wie Ihr bestimmt wisst, und so erschien es mir klüger, sie in Weiß zu verbergen. Das gesamte Schloss ist aus Schnee und es ist für eine yuki onna kein Problem, ein Loch dort hinein zu graben, die Kette hineinzulegen und es wieder zu schließen. Midori, meine Dienerin, befand sich zu diesem Zeitpunkt übrigens nicht hier.“

Damit war auch ausgeschlossen, dass die Dienerinnen, bewusst oder unbewusst, über die Verstecke redeten und der Dieb zuhörte. Dennoch, wieso konnte der die Ketten finden? „Strahlen die Ketten ihre gewisse Magie aus?“

Yuzuki zuckte die schmalen Schultern: „Eine Schneekette vermehrt nicht die Magie der Trägerin. Aber sie ist eine wunderschöne Erinnerung an unsere mächtige Mutter. Ich vermute, Ihr wolltet höflicherweise nicht direkt fragen, ob eine von uns die Kette im Schnee wahrnehmen könnte, wenn die ihr auch nicht gehört. Ich denke, dass dem so ist – nur, welchen Sinn sollte das machen? Mehr als eine Kette zu tragen wäre.....übertrieben, als Schmuck. Und jede Kette besitzt nur einen gewissen Anteil unseres Zaubers, je nachdem, was unsere eigene Fähigkeit ist. Mein besonderes Können, neben den üblichen, ist es, starke Bannkreise hervorzubringen. Dies vermögen auch meine Schwestern, aber meine sind eben etwas stärker. Youko, als weiteres Beispiel, schafft es dämonische Krieger derart in Liebe zu ihr entbrennen zu lassen, so dass sie in einen anderen Bewusstseinszustand fallen. Das vermögen wir alle, aber ihre Fähigkeit ist besonders ausgeprägt.“ Lady Yuzuki musterte ihren jungen Gast. Er hatte bereits nach den Regeln der Schneefrauen mit der älteren Youko gesprochen, und schien, ebenso wie sein Vater immun gegen diesen Bann. Schade, eigentlich. Sie waren gemeinsam zu fünft damals so nahe dran gewesen, den Herrn der Hunde auf ihr Lager zu bringen, als der das bemerkt hatte. Er war ziemlich wütend geworden – und hatte das halbe Schloss mit diesem bösartigen Schwert eingerissen. Sie fuhr jedoch nur nüchtern fort: „Wenn also eine von uns fünf Schwestern alle fünf Ketten besitzen würde, würde das ihre eigene Macht nicht verstärken. Angeboren ist angeboren und Magie eine sehr komplexe Sache. - Keine von uns sieht einen Grund, warum wer die Ketten stehlen sollte. Außer natürlich, dass sie wunderbar gearbeitet sind, sehr filigran aus den weißen Korallen geschnitten. Ihr könnt Euch sicher Yaokos ansehen, die unserer jüngsten Schwester. Sie trägt ihre noch. Wie auch Yukiko. Nach den Diebstählen wollten die Beiden sicher gehen und nehmen sie auch auf das Festland mit, was wir alle bislang eigentlich eben aus Sicherheitsgründen vermieden haben.“

Wenigstens eine sachliche Schwester! „Eine letzte Frage, Lady Yuzuki: bei der Durchsuchung des Schlosses, den Durchsuchungen, dachtet Ihr gewiss auch daran, dass der Dieb die Ketten, wie Ihr selbst, im Schnee vergraben haben könnte?“

„Ja, ich dachte daran, und sagte es den Anderen. So achteten gerade wir Bestohlenen auf Anzeichen. Es ist mir wirklich ein Rätsel, wo auf dieser Schneeinsel, die wir selbst erschaffen haben, unser Schmuck liegt – und wer ihn dort hin beförderte. Nun, ich hoffe auf Euch, Lord Sesshoumaru.“

„Falls ich weitere Fragen habe....“ Er erhob sich bereits.

Die Dame neigte den Kopf: „Ich persönlich stehe Euch gern in jeder Beziehung zur Verfügung.“

Als Seine Lordschaft die vierte Schneefrau verließ, fühlte er sich ein wenig deprimiert. Das Rätsel war kein Mord, nur ein Diebstahl, und er kam nicht weiter. Schon um Vaters Willen durfte er nicht versagen. Er übersah ganz bestimmt etwas. Nun gut, jetzt noch die letzte Schwester, dann sollte er in aller Ruhe überlegen, vielleicht noch die Krieger befragen....Alles musste man selber machen!

Lady Yaoko

Yaoko, also. Seine eisige Lordschaft nickte der Dienerin nur zu, damit sie ihn anmeldete. Diese Letzte der Schneefrauen würde er schon auch noch überstehen. Nur Frauen – die Krieger waren ja wohl kaum seiner Beachtung würdig, wenn es diese armseligen Dämonen geschafft hatten, sich von den yuki onna verhexen zu lassen. Aber nun gut. Wenn auch dieses Gespräch nichts brachte, würde er den männlichen Schlossbewohnern doch noch Aufmerksamkeit schenken müssen. Sakura oder wenigstens dieser menschliche Leutnant waren weit. Alles musste er selbst erledigen, wie überaus lästig. Er nahm sich fest vor, in weiter Zukunft möglichst nie ohne Diener auszukommen. Irgendjemand musste einem doch diese unbequemen Arbeiten abnehmen können....
 

„Oh, Lord Sesshoumaru, ich lasse ihn bitten....“ erwiderte im Zimmer die jüngste der Schwestern und ihm wurde die Tür geöffnet.

Na schön. Während er kaum sichtbar den Kopf neigte, bemerkte er wenig begeistert, dass Raum und Schwester praktisch identisch mit allen anderen waren. Wieder war nur der Hauch eines Geruches anders.

Yaoko senkte den Kopf: „Willkommen, werter Überraschungsgast.“

„Kaum überraschend.“

„Ich habe Yukiko von dem Brief an den Inu no Taishou abgeraten,“ gestand sie: „Nach...nun, nach seinem Besuch habe ich kaum erwartet, dass er sich hier noch einmal sehen lassen würde, oder sich auch nur für unsere....Anliegen interessiert. Bitte, nehmt doch Platz.“

Da half nun nichts, er musste da durch. So setzte er sich: „Ihr besitzt Eure Kette noch, Lady Yaoko.“

„Ja. Wie auch Yukiko. Wir tragen sie beide stets, so dürfte ein Diebstahl unmöglich sein.“

„Würdet Ihr sie mir zeigen?“ Er hatte nie zuvor eine Schneefrau so entgeistert gesehen. Was hatte sie denn? „Nun?“

„Äh...“ Die junge Dame suchte sichtbar nach Worten, die Hand an die Brust gelegt: „Ich...ja, ich zeige sie Euch, natürlich. Aber.....würdet Ihr bitte Euch abwenden?“

Ach ja, sie trug sie wohl unter dem Kimono und hatte Sorge, sein Blick könne sich in ihren Ausschnitt verirren. Wie albern. Was interessierte ihn denn das Dekolletee einer yuki onna oder überhaupt einer Frau? Yukiko hatte sich auch nicht so lächerlich angestellt, als sie ihm die ihre gezeigt hatte. Sie hatte ja auch kaum den Stoff auseinander ziehen müssen. Aber nun gut. Er sollte ja höflich bleiben. So wandte er mehr als betont den Kopf und fixierte die Schneewand des Zimmers. Er hörte das leise Rascheln von Stoff, ein seltsames Klirren, ehe sie deutlich ruhiger meinte:

„Hier, bitte, Lord Sesshoumaru.“

Er betrachtete die Kette in ihrer Hand. Es handelte sich um eine Aneinanderreihung weißer Korallenteile, jeweils eines länglich geformt, eines zu verschiedenen Ausformungen von Schneekristallen verarbeitet. Vermutlich aufwendig in der Herstellung. Nun ja, Frauen standen auf derartige Dinge, sogar seine eigene, ganz sicher nicht sonderlich romantisch veranlagte, Mutter trug regelmäßig die Kette, die Vater ihr zur Eheschließung geschenkt hatte. Und hier sollte ja sogar ein Zauber eingewoben sein. „Die fehlenden Ketten sehen sehr ähnlich aus?“

„Es sind fünf gleiche Ketten für fünf Schwestern. Nur die Form der Schneekristalle ändert sich etwas, je nach dem Zauber, der darauf liegt.“

„Lady Suzuki erwähnte, dass auf ihrer ihre besondere Fähigkeit eines Bannes liegt. Und auf der Euren?“

„Des Vergehens. Kälte und Schnee bringen viele Lebewesen um, Dämonen oder nicht.“

„Angenommen, jemand besäße alle fünf Ketten...“

„So könnte er sie zusammenfügen, ja“

„Das würde die eigene Magie verstärken.“

„Nur, wenn er sie bereits besitzt.“

„Also womöglich ein Dieb im Auftrag einer anderen yuki onna, die Euch und Euren Schwestern die Regentschaft streitig macht?“

„So habe ich es noch nicht gesehen, Lord Sesshoumaru, “ gab Lady Yaoko zu: „Natürlich sind meine Schwestern entsetzt gewesen bestohlen worden zu sein....Was ist Kichi?“ Das galt ihrer Dienerin, einem jungen Mädchen von kaum sechzehn Jahren, das sich verneigte. „Oh, ja, geh nur.“ Als Kichi den Raum verlassen hatte, meinte Yaoko: „Manchmal vergesse ich, wie kalt es Menschen hier vorkommt. Aber sie wärmen sich drüben in der Küche gleich wieder auf.“

„Eure Dienerin ist sehr jung.“ Selbst Sakura war älter gewesen, als er sie im Takaeda-Schloss zugeteilt bekommen hatte.

„Sie ist die Jüngste hier, ja. Wenn es Euch meine Schwestern noch nicht gesagt haben: Schneefrauen verursachen Schneestürme, ja. Aber wir warnen auch Kinder vor ihnen. Wenn sie zu sterben drohen, nehmen wir Mädchen manchmal mit her, um sie zu unseren Dienerinnen auszubilden. Sie leben hier ruhiger und besser als in ihren Dörfern.“

„Sind die Krieger auch einer von Euch Schwestern zugeteilt?“

„Nein, wir teilen sie.“

Das klang vollkommen unbefangen, aber Seine Lordschaft spürte ein Prickeln im Kreuz, da er inzwischen ahnte, was sie meinte. Aber sich dann wegen der Kette so eigen schüchtern benehmen? „Selbstverständlich ist Euch kein Fremder aufgefallen?“

„Nein. Darum rätseln ja auch meine Schwestern so.“

„Ihr nicht?“ fragte er sofort.

Lady Yaoko lächelte ein wenig: „Ihr seid aufmerksam. Ja, ich nicht. Ich habe alles, was ich möchte. Und wenn meine Schwestern, wie ja auch Yukiko, ihre Ketten stets getragen hätten, wäre kaum etwas geschehen.“

Hm. Waren sich die Fünf nicht immer einig? Auch die Anderen hatten zuvor ja schon erwähnt, dass es wohl hauptsächlich Yukiko gewesen war, die das Hilfsersuchen geschrieben und durchgesetzt hatte. Diese besaß ihre Kette aber noch. Unterschiedliche Ansichten, was die Ketten betraf, oder insgesamt? „Die Schneeketten wurden von Eurer Mutter hergestellt.“

„Ja. Sie gab in jede einen Teil ihrer Macht, je nach dem, welche besondere Fähigkeit die jeweilige Tochter hat.“

„Aber jede Schneefrau könnte sie nutzen.“

„Das weiß ich nicht genau, ich vermute aber ja. Ihr erwähntet ja zuvor, dass eine andere yuki onna uns die Regentschaft streitig machen könne.....“

„Aber daran habt Ihr bislang nicht gedacht.“

„Nein. Es ist ein Erinnerungsstück an Mutter für mich, mit durchaus magischen Nebenwirkungen. Aber ich sah es bislang nie als Element einer Herrschaft. Auch ohne das wäre ich zauberkundig.“

Log sie oder nicht? Die stetige Magie der Schneefrauen machte es in der Tat schwer festzustellen, was wirklich wahr war. Aber er sollte zunächst mal davon ausgehen, dass sie vermuteten einen Hundedämon nicht anlügen zu können. Er musste wirklich in Ruhe nachdenken. Und zunächst auch noch diese männlichen sogenannten Krieger ansehen, die sich von den yuki onna hatten verzaubern lassen. „Danke, Lady Yaoko. Wenn ich weitere Fragen habe...“

„Natürlich, Lord Sesshoumaru. Vielleicht könnten wir uns ja nochmals treffen, unter vier Augen, wenn Ihr...diese Angelegenheit erledigt habt?“

Eher nicht, dachte er sofort. Ach du liebe Güte. Die Schneefrauen schienen ja sehr interessiert an der Männerwelt zu sein. Ob sie da auch Vater so angemacht hatten? Vermutlich. Eher noch mehr. Er war stärker als er und auch noch der Fürst.
 

Im Gang draußen erkannte er vor sich Etsu, die Dienerin der ältesten Schneeschwester, auch die älteste Menschenfrau hier. Sie war ihm bislang recht höflich und vernünftig vorgekommen und so sagte er ihren Namen.

Sie fuhr herum, sichtlich erschrocken, wer sie auf dem Weg zu ihrer Herrin ansprach, ehe sie sich eilig auf die Knie warf und zu Boden blickte.

Nun ja, höflich war sie, wenn wohl auch ein wenig schreckhaft. Er ging näher: „Zeige mir das Zimmer der Krieger.“

„Ja, Lord Sesshoumaru.“ Sie stand auf, erleichtert, dass der anscheinend so mächtige Dämon nichts weiter von ihr verlangte. Lady Yukiko schien nervös seit er hier war, aber auch vermutlich die anderen Damen. Nun gut. Wenn man bedachte, wie sie sonst mit Männern umsprangen, musste ein junger, durchaus gut aussehender, Dämon, der immun gegen Liebeszauber war, sie wohl beunruhigen. Zumal, wenn man die Diebstähle betrachtete. So öffnete sie nur die Tür: „Das Zimmer der Krieger, Lord Sesshoumaru.“

Der Hundeprinz trat in die Pforte und sah sich mit einer raschen Wendung seines Kopfes um. Verächtlich betrachtete er die fünf Krieger, Dämonen verschiedener Rassen, die offenbar auf ihren Matten lagen und zu nichts weiter in der Lage waren, als empor an die Decke zu starren. Sie reagierten wohl wirklich nur, wenn eine der Schwestern etwas von ihnen wollte. Schloss sie das als Diebe aus? Aus eigenem Antrieb sicher. Aber was, wenn sie den Befehl und die nötigen Informationen von einer Schneeschwester erhalten hätten? Vermutlich hätten sie davon allerdings selbst unter strengstem Verhör nichts mehr zu erzählen gewusst. Wäre das ein perfekter Diebstahl? Nicht war je perfekt, das hatten ihn gewisse Mordermittlungen gelehrt.

Er wandte sich um und Etsu schloss die Tür, wartete höflich auf ihre Entlassung.

Sesshoumaru beschloss, doch einmal seiner Neugier nachzukommen. Es war ja nur ein Mensch: „Lebtest du schon hier im Schloss, als mein mächtiger Herr und Vater hier war?“

„Nein, Lord Sesshoumaru. Ich kam ein wenig später.“

„So weißt du nicht über den Zwischenfall?“

„Nichts Genaueres, edler Lord. Ich sah nur die Folgen.“

„Nun?“

„Die Damen waren dabei das Schloss und die Insel zu reparieren. Es schneite unaufhörlich. Lady Yukiko erzählte mir, dass dies nur der Fall war, weil der...der mächtige Inu no Taishou die Hälfte der Insel zerstört hatte. Er besäße ein wahrhaft höllisches Schwert.“

Die Schneefrauen hatten es wohl in der Tat übertrieben, wenn Vater hier mit dem Höllenschwert gewedelt hatte. Mehr sicher nicht, sonst würden weder die yuki onna noch die Insel mehr existieren. Das Höllenschwert mit der gesamten Macht eines Dämonenfürsten hatte ganz andere Wirkungen. Und, wenn er zusätzlich bedachte wie nachsichtig sein Vater in aller Regel mit weiblichen Annäherungsversuchen umging – ja, sie hatten es eindeutig übertrieben. Hatte Vater erst spät bemerkt, was sie wollten, oder hatten sie gar versucht ihn zu so einem nutzlosen Krieger wie die fünf dort hinter ihm zu machen? „Wenn ich aus dem Schloss möchte, nach oben, muss ich durch das Zimmer einer der Damen und dann durch den Aufenthaltsraum gehen.“

„Ja, Lord Sesshoumaru.“

„Dann melde mich deiner Herrin.“

Etsu gehorchte.
 

Lady Yukiko blickte neugierig auf: „Oh, könnt Ihr schon etwas berichten?“

„Ich erstatte Euch keinen Bericht,“ knurrte Sesshoumaru unwillig: „Ich werde die Diebstähle aufklären.“

„Wie Ihr es nennt.“ Sie neigte jedoch den Kopf, um zu zeigen, dass sie den Tadel verstanden hatte. Natürlich war der Erbprinz der westlichen Länder nicht verpflichtet einer Schneefrau Bericht zu erstatten. Sie sollte nicht vergessen, wer er war, und vorsichtiger sein.

„Ich gehe an die Oberfläche.“ Ein wenig frische Luft würde ihm beim Nachdenken helfen. Er musste noch einmal genau überlegen, was welche der Schwestern gesagt hatte, worin die Übereinstimmungen und die Widersprüche lagen, ehe er weiter fragte – oder gar bereits die Lösung fand.

Versagen kam nicht in Betracht.

Nachdenken

Als der Dämonenprinz die Treppe aus Schnee aus dem Schloss emporstieg, empfing ihn eisiger Wind vom Meer. Er ignorierte den so gut er konnte, ließ nur seine Energie etwas ansteigen, um sich soweit warm zu halten, wie es nötig war.

Fast ein wenig erleichtert spürte er, dass die Magie der Schneefrauen hier nicht so permanent lästig war wie im Schloss selbst. Hier konnte er nur die schützenden Bannkreise spüren – nicht weiter verwunderlich.

Er trat an den Rand des Daches aus Schnee und blickte über das Meer, während der Wind sein weißes Haar und seine Boa flattern ließ. Er musste dringend alles zusammenfassen und nachdenken. Leider fehlten ihm hier auch sachliche Berichte. Jede der yuki onna erzählte ja nur ihre Sicht, ihre Meinung, und wollte im Zweifel gut da stehen, sei es auch auf Kosten ihrer Schwestern.
 

Drei der fünf Damen beklagten Diebstähle. Ihre Schneeketten waren gestohlen worden, während sie selbst auf dem Land waren – das hatte der Täter jeweils genau gewusst. Ein Dieb von außen, wie es Yukiko vorgeschlagen hatte, war unsinnig. Wie hätte dieser, selbst ein Fuchs, unbemerkt an den soliden Bannkreisen vorbei kommen sollen, oder gar über das Wasser in den Hafen? Fliegen, ja – aber dann? Yukiko mochte darauf hoffen, aber das war wohl eher unwahrscheinlich. Füchse waren schlau, geborene Diebe, und sie verstanden sich auf Tarnung. Aber die Schneeschwestern hatten dieses Schloss aus ihrem eigenen Schnee mit ihrer eigenen Magie erbaut, so dass ihnen ein fremder Zauber aufgefallen wäre. Zumindest zwei oder drei von ihnen waren anscheinend intelligent.

Also musste es jemand von hier sein.

Weder die Krieger noch die Dienerinnen konnten ohne die Erlaubnis, ja, den Befehl der Herrinnen handeln. Die Menschenfrauen wohl noch eher, aber sie würden sich kaum trauen. Immerhin zeigte der Tod der Einen ja, dass die yuki onna durchaus zu Strafen griffen. Kurz und gut, wenn es eine der Schwestern nicht selbst gewesen war, so hatte sie doch irgendwie die Anweisung gegeben – und die Verstecke verraten. Nur, welche der Fünf kam dafür in Betracht?

Eine der Beiden, die sie noch besaßen?

Oder war eine der anderen Drei so schlau gewesen, sich durch den vorgeblichen Diebstahl ihrer eigenen Kette quasi ein Alibi zu verschaffen?

Er würde nie wieder denken, dass ein Diebstahl einfacher aufzuklären wäre als ein Mord.

Ruhig bleiben, ermahnte er sich.

Er musste alle Aussagen noch einmal durchgehen. Wann hatte wer etwas Verdächtiges geäußert, etwas, was den Anderen widersprochen hatte oder sonst irgendwie aus der so gleichförmigen Reihe der Schwestern fiel? Sakura könnte das sicher zusammenfassen...
 

Er stand fast eine halbe Stunde im Wind, als er hörte, wie jemand die Treppen hinaufkam. So drehte er sich um.

Eine menschliche Dienerin verneigte sich, die Arme fast unschicklich um ihren Umhang geschlagen: „Lord Sesshoumaru....“

Sie wagte es ihn anzusprechen? Aber dann verzichtete er auf Strafe. Dieses junge Ding hatte wohl keine Ahnung, in welchem Rangverhältnis er zu ihrer Herrin stand. Das war Midori, die Dienerin Lady Yuzukis: „Nun?“

„Die Damen lassen Euch bitten in den Aufenthaltsraum zu kommen. Sie möchten zum Teil auf das Land gehen und wollten wissen, ob Ihr noch weitere Fragen habt.“

Mit anderen Worten, zwei wollten hier weg. Na schön, da er diese Schneefrauen ja wohl kaum in ihrem eigenen Schloss daran hindern konnte es zu verlassen, musste er eben die Fragen, die sich ihm gestellt hatten, jetzt gleich klären. Hoffentlich waren damit dann auch die Diebstähle gelöst.

Als er hinter Midori die Treppe hinunterstieg, betrachtete er noch einmal nachdenklich die weiße Wand aus gefrorenem Schnee. Yuzuki war schlau genug gewesen ihre Kette erneut zu verbergen, in diesem Schnee, unter Bann – und dennoch war sie gestohlen worden. Sie hatte ausgesagt, Midori sei nicht im Raum gewesen. Aber gut, er hatte ja zuvor schon eine Menschenfrau als alleinige Täterin ausgeschlossen. Als Werkzeug, möglich. Aber auch das wäre schwierig. Wie sollte eine von denen ihren Aufenthalt in einem falschen Raum erklären, wenn die eigentliche Dienerin sie traf? Sicher, es hatte geheißen, wenn die Damen an Land wären, würden sich die jeweiligen Menschen im Aufenthaltsraum aufhalten, das senkte das Risiko. Aber: wer wusste, oder wusste es überhaupt jemand, wann die Damen von ihren Ausflügen zurückkämen? Das sollte er gleich mal untersuchen.
 

Die fünf Schneefrauen saßen im Kreis in ihrem Aufenthaltsraum, ohne ihre Frauen und auch Midori huschte mehr durch und verschwand in Lady Yuzukis Zimmer. Die Schwestern neigten höflich die Köpfe, was in Sesshoumaru eine unangenehme Assoziation weckte. So ähnlich musste man sich auch fühlen, wenn man über mehrere Frauen verfügte und zu denen in die Frauengemächer kam, weil man sich eben schon wieder eine aussuchen musste.... Nun gut, noch war er nicht verheiratet und zumindest Vater schien ihn da auch nicht drängen zu wollen. Seine Mutter allerdings.....

Er brach lieber ab. Das hier war wichtiger, schließlich wollte er einen Fall lösen und weder sich noch sich noch Vater blamieren: „Zwei der Damen wollen aufs Festland?“

„Ja, Lord Sesshoumaru,“ erwiderte Yukiko als Älteste: „Youko und ich. Falls Ihr keine weiteren Fragen habt....“

„Während Ihr Euch auf dem Festland befindet, gehen Eure jeweiligen Dienerinnen in den Aufenthaltsraum und verbleiben dort bis zu Eurer Rückkehr.“

„Ja.“

„Also wären das heute Etsu und Machi.“

„Ja.“ Ihre Verwunderung lag in ihrer Stimme: „Aber sie sind bei uns so lange, bei uns aufgewachsen...“

Uninteressant. Verräter hatte es schon immer gegeben. Aber das bedeutete, dass es der jeweils anderen Dienerin, oder sogar den anderen Beiden, wenn drei Schneefrauen von der Insel reisten, auffallen würde, wäre eine Dienerin eine Weile nicht anwesend – und sich wundern würden. So stellte er die abrupte Frage: „Wissen die jeweiligen Dienerinnen, wann ihre Herrin zurückkehrt, oder auch die Schwestern?“

„Nein,“ antwortete Yoshiko: „Das machen wir nach Lust und Laune. Wenn der Schnee gar zu herrlich tobt, wird es Abend, wenn wir nichts zu spielen finden, eben früher.“

„War seit den Diebstählen eine der Damen auf dem Festland?“

Die Schwestern sahen sich an, ehe Yuzuki sagte: „Nein. Die Durchsuchung des Schlosses, zwei Mal, der Dienerinnen und der Krieger, all die Aufregung....Es wäre heute das erste Mal. - Oh, ich verstehe. Ihr glaubt, ein Dieb könne mit uns hinaus, um die Ketten von hier wegzubringen? Ich kann Euch versichern....“

Er hatte die Hand gehoben und die yuki onna verstand das zu Recht als Tadel – und Warnung. Natürlich, dachte er nur. Jeder der Damen würde ein Unbekannter auffallen, wenn sie hinüber flog und sich jemand in ihrer Energie verstecken wollte. Zuerst vermutlich Yuzuki, die er für die Klügste der Schwestern hielt. Seine Frage hatte auf etwas anderes gezielt. War niemand auf dem Festland gewesen und umgekehrt aber auch im Schloss keine der Schneeketten gefunden worden, gab es eigentlich nur eine Schlussfolgerung. Nein, zwei. „Es erscheint Euch allen auch unwahrscheinlich, dass die Ketten zerstört worden sind?“

Gerade die drei Bestohlenen, aber auch ihre Schwestern, nickten. Yoshiko ergänzte: „Es sind Korallen und an sich schon recht hart, Lord Sesshoumaru. Aber ich bin sicher, dass jede Besitzerin es spüren könnte, würde die Kette nicht mehr existieren. Ihr Zauber liegt ja in unseren jeweiligen Spezialbereichen.“

„Wobei wir natürlich auch ohne Ketten reizende Damen sein können,“ lächelte Youko verheißungsvoll und Seine Eisigkeit bemerkte, dass er die Finger seiner Rechten versteifte. Mühsam entspannte er sie wieder.

„Nun ja, meine liebe Youko,“ erklärte Yaoko mit heiterem Lächeln: „Während du und Yukiko euch auf dem Festland vergnügt, könnten wir ja Seine Lordschaft ein wenig unterhalten.“

„Vermutlich allerdings erst,“ ergänzte Yuzuki: „Wenn er die Diebstähle geklärt hat. Seine Lordschaft scheint mir bemerkenswert...geradlinig....“

Sie war eindeutig die intelligenteste der Schwestern, aber der Seitenhieb des letzten Wortes hatte sich auch auf „naiv“ beziehen können, und sie wusste, dass er es wusste. Darum würde sich die Vielehe auch nie durchsetzen, dachte Sesshoumaru aufgebracht, bemüht, seine aufsteigenden Zorn unter Kontrolle zu halten. Die Ladys mochten lästig sein – aber sie unterstanden Vaters Schutz und der hätte kaum Verständnis für eine impulsive Handlung seinerseits. Obwohl, womöglich schon, immerhin hatte der hier das halbe Schloss zerlegt. Allerdings keine der Schwestern umgebracht.

Mit gewissem inneren Seufzen betrachtete er die fünf Damen, die vor ihm knieten, ihn immer wieder anlächelten – und von denen immerhin noch keine ihn zum Sitzen aufgefordert hatte. Was ihn unangenehm daran erinnerte, warum er es bevorzugte, anderen, zumal weiblichen, Personen den Rücken zuzudrehen. Wohin die guckten....

Er wandte sich ab und starrte auf die Schneewand. Lästig, wie sie waren – aber nur eine von ihnen hatte ihre Schwestern bestohlen und belogen. es bei ihm jedoch nicht gewagt, vermutete er. Dennoch: sie hatte ihm nicht alles gesagt, und zwei oder drei Fehler begangen, die ihr nun gehörigen Ärger verschaffen würden.

Auflösung

Sesshoumaru betrachtete die weiße Wand vor sich und genoss fast die Kälte, die sie ausstrahlte, als er ruhig meinte: „Jedes Verbrechen, ob Diebstahl oder Mord, beginnt mit der Tat. Um zu wissen, wer diese Tat begangen hat, muss man sich das Wie der Tat ansehen.

Mir war rasch klar, dass es sich bei dem Dieb um keinen Außenstehenden handeln konnte. Nicht einmal einem Fuchs, die zugegeben Meister der Tarnung sind, wäre es gelungen, sich mehr als eine Woche unbemerkt in den wenigen Räumlichkeiten dieses Schlosses aufzuhalten, ohne dass eine der Damen ihn bemerkt hätte. Eure Insel, Euer selbst erschaffenes Schloss, Eure Bannkreise. Nein. Es musste jemand von innerhalb sein. Sowohl die Dämonenkrieger als auch die Menschenfrauen waren als alleinige Täter auszuschließen. Die Krieger, weil ihnen die Eigeninitiative genommen wurde und sie höchstens als Werkzeug fungieren konnten, die Dienerinnen, weil auch ihnen unbekannt war, wo die Ketten versteckt wurden. Zumindest wusste es im Fall Lady Yuzukis Midori definitiv nicht, wo die Kette nach den ersten Diebstählen verborgen wurde, und es ist nicht davon auszugehen, dass es sich um zwei verschiedene Täter handelt.

Das ließ nur den Schluss zu, dass es eine von Euch Schwestern war, die gegebenenfalls einen Krieger oder eine Dienerin angestiftet hatte.“ Er hörte das tiefe, fünffache Atemholen hinter sich und hob die Hand: „ICH rede. - Aber das Letztere schloss ich eigentlich bald aus. Die Krieger dienen jeder von Euch und hätten auf Nachfragen sicher auch Befehle zugegeben, ebenso die Dienerinnen. Das Risiko für die entsprechende yuki onna wäre enorm gestiegen. - Es war weitaus einfacher harmlos bei einem Treffen wie heute immer wieder einmal über die Ketten zu plaudern, solcherart die Verstecke zu erfahren. Aber Lady Yoshiko meinte zuvor, dass jede von Euch auch die Ketten spüren könne, selbst, wenn sie ihr nicht gehörten. Das vereinfacht die Sache natürlich. Die Schwestern sind außer Haus – jede von Euch weiß das, wenn auch nicht, wann sie genau wieder kommen. Wobei ihr alle in Bezug auf das Wetter den gleichen Geschmack haben dürftet und sie es sich denken kann. Einfach die eigene Dienerin zum Aufwärmen schicken, hinüber in das Zimmer gehen, die Kette nehmen - und sie sich um den eigenen Hals hängen. Jede von Euch hat mir erzählt, dass alle Räume, alle Dienerinnen und alle Krieger durchsucht wurden. Aber Ihr habt Euch nicht gegenseitig durchsucht. Ich bin sicher, noch gestern hingen alle gestohlenen Ketten am Hals einer Frau, perfekt vor den Schwestern verborgen durch die eigene.

Das führt zu der Frage: wer?

Im Prinzip hatte jede von Euch die gleichen Möglichkeiten des Diebstahls. Aber es gibt Aussagen, die sich widersprechen. Jede der drei Bestohlenen bedauerte den Verlust eines Erinnerungsstückes an die Mutter, nicht jedoch den Verlust eines magischen Gegenstandes. Aber sowohl Lady Yukiko als auch Lady Yaoko, die beide noch die Kette tragen, erwähnten die Schneeketten als Gegenstand der Macht, mehr bedeutend als Schmuck oder Erinnerung. Es wäre nun vollkommen sinnlos ein Erinnerungsstück zu stehlen, das man selbst besitzt, also lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf diese beiden Schwestern, die Jüngste und die Älteste.

Beide zeigten mir ihre Ketten, Lady Yukiko sofort, in dem sie ihren Kimono ein wenig auseinanderzog, Lady Yaoko nach gewissem Zögern, da ich wegschauen sollte, sie hielt sie dann in der Hand. Beide jedoch verhinderten, dass ich sehen konnte, ob sie weitere um den Hals trugen.

Wenn man eine Tat begeht, in solch engem Umkreis muss man mit Schrecken, aber auch gewissen Nachforschungen rechnen.

Lady Yukiko hat, gegen den definitiven Rat all ihrer Schwestern, das Hilfeersuchen an meinen mächtigen Herrn und Vater geschrieben, Lady Yaoko gab offen zu dagegen gewesen zu sein, mit der Begründung, der Herr der Hunde würde sich kaum um die Probleme der Schneefrauen kümmern. Diese Ansicht vertraten durchaus auch ihre Schwestern,. Überdies gab es da einen Besuch in der Vergangenheit, der Euch alle meinen Herrn und Vater lieber in der Ferne wissen ließt.

Das führte mich zu der Überzeugung, dass selbst Lady Yukiko eigentlich nicht davon ausging, dass ihr Brief in Wahrheit den Besuch des Fürsten bringen würde. Sie war auch recht überrascht als ich eintraf, wie Ihr alle. Offenbar wusstet Ihr nicht einmal, dass mein mächtiger Herr und Vater einen Sohn hat.

Wozu also dann der Brief?

Sicher, eine Unschuldige schreibt, um Hilfe zu bekommen.

Aber wie sieht es aus, wenn der Täter ja gar keine Hilfe bekommen will?

An diesem Punkt wurde mir klar, dass Lady Yukiko noch einen Fehler begangen hat. Sie ließ mir gegenüber unerwähnt, dass alle gestohlenen Ketten verborgen gewesen waren, durchaus ein wichtiger Faktor, der, im Gegensatz zu ihrer im Brief geäußerten Ansicht, es sei ein Fuchsdämon vom Festland, auf einen internen Täter hinwies. Erst ihre Dienerin, in dem offensichtlichen Glauben ihrer Herrin zu helfen die Diebstähle aufzuklären, erzählte es mir.

Auch ist sie heute bei den ersten Zwei, die die Insel verlassen wollen, sicher, um sie zu verbergen.

Ich bin überzeugt, meine Damen, wenn die Bestohlenen nun Lady Yukiko durchsuchen, werden sie alle Ketten bei ihr finden.“
 

Für einen Augenblick herrschte Schweigen, dann brach hinter ihm die Hölle los. Zumindest empfand er es so.

„Zeig es uns, Yukiko!“ rief wohl eine der Bestohlenen mit geradezu überschlagender Stimme.

Nannte man so etwas keifen?

Da auch noch andere einstimmten, beschloss Seine Lordschaft seine empfindlichen Ohren zu schonen und flüchtete mehr, als er gesetzt ging, aus dem Aufenthaltsraum. Aus den Augenwinkeln entging ihm nicht, dass sich die Schneefrauen verwandelten – rote Augen, lange Krallen anstelle der bisherigen zarten Finger, Fangzähne wuchsen. Wirklich, das waren Furien, die sich da kreischend balgten.

Oben auf dem Schneeschloss herrschte dagegen faktisch Ruhe. Nun ja, eben nur gegen den Krach einen Stock tiefer, der selbst bis hierher zu vernehmen war.

Fast ein wenig sehnsüchtig betrachtete er das scheinbar so nahe Ufer. Trotz der Bannkreise müsste es doch möglich sein, zumindest in seiner wahren Gestalt, dort hinüber zu springen. Aber das wäre wohl rüpelhaft und Vaters Befehl lautete höflich zu bleiben. Überdies – falls die Bannkreise der Schneefrauen recht geschickt fabriziert wären, würde er dagegen prallen und in das eisige Wasser stürzen. Die Aussicht, hier als klitschnasser Hund wieder anzulanden, brachte ihn von seinem Gedanken ab.

Endlich herrschte dort unten Stille.

Nein, wirklich, die Aussicht auf mehrere Ehefrauen bot noch weniger Reize als die auf eine.

Er vernahm leise Schritte und drehte sich um.

Lady Yaoko, die jüngste der yuki onna, kam die Treppe empor und lächelte ihn an: „Meine Schwestern, bis auf Yukiko, natürlich, sind Eurer Lordschaft sehr dankbar. Yukiko trug sie tatsächlich um den Hals. Sie schrie uns gerade an, dass sie die Älteste sei und darum auf Mutters Erbe Anspruch habe. Wie töricht, wo wir doch alle gemeinsam sogar stärker als Mutter sind. - Ich erbot mich Euch dies zu sagen.“

Aha. Kam da noch etwas? Aber er musterte sie nur.

Lady Yaoko lächelte: „Ihr habt nun fast alle unseren kleinen Geheimnisse erfahren, so möchte ich Euch auch den Grund nennen, warum Ihr wegsehen solltet als ich meine Kette abnahm. Hier....“ Sie legte die Hand an ihren Ausschnitt: „Trage ich ein Mal eines Kriegers, das nur langsam verblasst. Ich...schätze ihn sehr und erlaube ihm aus seiner Trance zu erwachen, wenn er bei mir ist. Wir haben uns recht gern, aber das würden meine Schwestern natürlich nie dulden. - Falls Ihr mögt, könnt Ihr gehen. Falls Ihr es jedoch schätzen würdet noch ein wenig unsere Gesellschaft zu genießen, würden wir uns sehr freuen.“

„Was geschieht mit Lady Yukiko?“

„Nichts weiter. Ein kleiner Familienstreit, nicht wahr? Das kommt in den besten Familien vor. Habt Ihr einen Bruder?“

„Nein.“

„Nun, dann könnt Ihr nicht wissen, wovon ich rede.“ Sie lächelte erneut: „Kommt Ihr mit oder wollt Ihr leider gehen..? Wir kommen Euch sicher in allen Euren Wünschen entgegen.“

„Mein Herr und Vater erwartet meinen Bericht,“ wehrte Seine Lordschaft fast zu eilig ab: „So sind die Bannkreise jetzt offen.“

„Ja.“ Mit gewissem Bedauern sah die junge Dame, wie sich neben ihr ein großer, weißer Hund bildete, der mit einem gewaltigen Satz auf das Festland flog. Nun ja, zumindest das hatten die vier Schwestern Yukiko nun erst einmal untersagt.
 

Erst in sicher scheinender Entfernung von der Insel verwandelte sich Sesshoumaru zurück.

Frauen!

Wie konnte man so etwas nur bei sich dulden!

Nun ja, zur Sicherung des Erbes, ja. Aber das konnte wirklich noch warten.

Bei der Vorstellung eine Ehefrau wie Prinzessin Tokushima zu bekommen, mit ihrer spitzen Zunge und den sonstigen Launen, oder eine wie diese Schneefrauen, immer lächelnd, immer darauf bedacht einen zu locken, und in Wahrheit reißende Furien? Oder, als Krönung, eine Mischung aus beiden Varianten, was vermutlich eine Bestie in Reinkultur wäre?

Nein, danke. Keine Dämonin, keine Schneefrau.....es sei denn, es musste in ferner Zukunft wirklich einmal sein. Warum konnten sie nicht so schweigsam und höflich wie ein Menschenmädchen sein?

Oder konnten die sich auch verwandeln und wurden dann zu Monstern?

Hm.
 

Sakura arbeitet neben ihrem Lehrer Neigi im Kräutergarten. Die Ohren des Dämons waren weitaus besser als die des Menschenmädchens neben ihm, so dass er ihren Namen ausgesprochen hörte und hastig bedeutsam wiederholte, um seine Schülerin nicht einer unverdienten Strafe auszusetzen.

Sie wandet gerade noch rechtzeitig den Kopf um zu erkennen, dass Seine Lordschaft mitten auf dem Hof stand und mit dem Zeigefinger knapp vor sich gedeutet hatte.

„Verzeiht, sensei,“ murmelte sie, ehe sie hastig aufstand, hinübereilte und sich vor den Füßen des Dämonenprinzen niederkniete. Was wollte er denn von ihr? Sie hatte gehört, dass er im Auftrag seines Vaters in den Norden gereist sei, wohl kein Mord, jedenfalls hatte er sie nicht mitgenommen. Während sie so zu Boden blickte und angelegentlich die schwarzen Schuhe vor sich musterte, bewegte sie sich wohlweislich nicht. Sie kannte die winzigen Anzeichen, die etwas zu starre Haltung der Finger, des gesamten Körpers Seiner Lordschaft, nur zu gut, als dass sie nicht gewusst hätte, dass er aufgebracht war. Der Erste, der einen Fehler beging, würde das zu spüren bekommen – und Sakura wollte nicht gerade diejenige sein.

Die Minuten vergingen, und, obwohl sie seinen Blick förmlich auf ihrem Hinterkopf, ihrem Nacken spüren konnte, sagte er nichts, tat nichts. Was war nur los? Sie wurde etwas unruhig, rührte sich aber noch immer nicht. Sie war nur froh, dass ihr Haar sich aus dem Knoten löste, über ihr Gesicht fiel, als sie aus den Augenwinkeln bemerkte, dass die ungewöhnliche Szene Zuschauer fand.

Natürlich. Eine solche Einzelunterhaltung mit dem Erbprinzen bedeutete für den jeweiligen Diener, gleich, ob Dämon oder Mensch, zumindest eine Strafe. Und vermutlich überlegten alle, was sie getan haben könnte, zumal der Prinz ja unterwegs gewesen war.

Das wusste sie auch nicht.

Ihr war nur klar, dass es eine überaus peinlich Lage war, so im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen oder eher zu knien. Warum nur sagte Lord Sesshoumaru nichts? Wie lange kniete sie hier schon? Er tat doch nichts ohne Grund?
 

Der Inu no Taishou hatte durchaus bemerkt, dass sein Sohn eingetroffen war und erwartete eigentlich dessen unverzüglichen Bericht. Da nach einer halben Stunde noch immer nichts von Sesshoumaru zu sehen oder zu hören war, sandte er, zugegeben irritiert, einen Diener aus, der nach dem sehen sollte.

Dessen Bericht: „Lord Sesshoumaru steht seit vierzig Minuten auf dem Hof und macht mit Sakura herum....“ beunruhigte den Fürsten doch soweit, dass er sich erhob und selbst nach dem Rechten sehen ging.

Er konnte es sich zwar eigentlich bei seinem kühlen Sohn nicht vorstellen, aber die Magie der Schneefrauen hatte den doch nicht etwa auch beeinflusst? So sehr, dass er vor aller Augen mit einem Menschenmädchen.....

Etwas erleichtert, wenngleich verwundert, musterte der Schlossherr die Szene im Hof, ehe er anmerkte: „Hier scheint niemand etwas zu tun zu haben. – Sesshoumaru, dein Bericht.“

Der Hundeprinz drehte unverzüglich ab und überließ es Sakura zumindest innerlich aufzuatmen,.

Sie wartete allerdings bis die beiden Herren den Hof verlassen hatten, ehe sie vorsichtig, mit etwas steifen Gliedern, aufzustehen wagte.

Neigi war heran: „Meine Schülerin...?“ Echtes Erstaunen lag in seiner Stimme: „Was sollte das?“

„Das...das weiß ich nicht, sensei. Die Gedanken Seiner Lordschaft sind unergründlich,“ gestand sie ehrlich.

„Und doch errätst du sie meist – sonst wärst du kaum mehr am Leben.“

„Mag sein, aber....

Sakura wollte ihrem verehrten Lehrer nicht sagen, dass sie für einen Moment tatsächlich geglaubt hatte die Gedanken Seiner Lordschaft zu lesen. Das wäre natürlich unsinnig, aber sie hatte das Gefühl gehabt, er stelle sich ihr nicht wie der Erbprinz des Westens gegenüber einer kleinen Dienerin, die nicht einmal wagen durfte den Blick seiner Brust zu heben, sondern eher wie ein junger Krieger gegenüber einem sprungbereiten Raubtier. Wahrlich töricht. Wovor sollte ER je Angst haben.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das war der rmittlerweile 23. Krimi. Mal sehen, was mir noch einfällt.

An dieser Stelle beginnt nächste Woche eine Brüdergeschichte: Im Westen etwas Neues, in dem sich die Halbbrüder mit einem heimtückischen Schwertbann belästigt sehen - und dessen Folgen. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (45)
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Von:  Kerstin-san
2020-04-19T15:58:03+00:00 19.04.2020 17:58
Hallo,
 
oha... Ein Satz mit x: Das war wohl nix - leider! Für so abgebrüht hätte ich Yukiko wirklich nicht gehalten. Aber das ist natürlich schon wieder genial: Sie hat ja nicht erwartet, dass der Taishou wirklich jemanden schickt....
Und was? Niemand hat die Schwestern durchsucht als die Diebstähle stattfanden? Davon bin ich jetzt eigentlich ausgegangen... Hab da hin und her überlegt wo und wie Yuzuki die Ketten nur verborgen hat, bis sie sie aus dem Weg schaffen konnte.
Dann hätte ich aber trotzdem noch eine Frage: Wie kommt es dann, dass keine der Bestohlenen ihre Kette in Yukikos Nähe gespürt hat? Oder ist das mehr so gedacht gewesen: Sie spüren die Präsenz einer Kette, aber man merkt nicht, dass es mehrere Ketten sind, sodass jede dachte, dass es nur Yukikos normale Kette wäre?
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-04-19T15:46:43+00:00 19.04.2020 17:46
Hallo,
 
ich stimme seiner Lordschaft zu: Morde aufzuklären erscheint einfacher als Diebstähle xD
Hm und wenn die gestohlenen Schneeketten ans Festland transportiert und dort deponiert wurden? Aber bleibt immer noch die Frage, warum?
 
Okay, ich rate jetzt einfach mal ins Blaue hinein:
Nicht Yukiko, weil die ja unbedingt den Taishou um Hilfe bitten wollte, während die anderen Schwestern teilweise dagegen waren - wäre ja ziemlich bekloppt sich selbst einen Ermittler ins Haus zu holen (oder bemerkenswert abgebrüht). Ich setze auf Yuzuki. Sie hat die ersten beiden Ketten gestohlen, als ihre beiden Schwestern auf dem Festland waren und anschließend im Schnee verborgen bevor die Durchsuchungen begannen. Da sie Bannkreise errichten kann, war es ihr damit möglich die Magie der Ketten abzsuchirmen oder so? Als es dann aufs Festland für sie ging, hat sie die gestohlenen Ketten plus ihre eigene dort deponiert und nach ihrer Rückkehr behauptet ihre Kette wäre auch gestohlen worden. Und jetzt wartet sie noch auf eine Gelegenheit ihren beiden anderen Schwestern die Kette zu mopsen, um sie dann heimlich alle zusammenzubauen.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-04-19T15:22:56+00:00 19.04.2020 17:22
Hallo,
 
es klirrte seltsam, als sie die Kette hervorzog? Hm, wäre schon ziemlich dreist, wenn sie die anderen geklauten Ketten einfach übereinander tragen würde und Sesshoumaru sich aht abwenden lassen, damit er das nicht sieht, oder?
 
Und ob ein Krieger mit dem Diebstahl beauftragt wurde? Würde das Risiko der verantwortlichen Schneefrau natürlich verringern, vorausgesetzt der Zauber ist so stark, dass der Krieger sich wirklich nicht mehr dran erinnert, wer ihn beauftragt hat.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-04-19T15:16:13+00:00 19.04.2020 17:16
Hallo,
 
mich interessiert ja auch brennend, was zwischen dem Taishou und den Schneefrauen damals war, dass da jeder der Beteiligten nur mit gemischten Gefühlen dran zurückdenkt.
...Und kaum schreibt mans, schon wirds aufgelöst. Oha, kein Wunder, dass der Herr der Hunde da aus der Haut fuhr.
 
Haha, immerhin hat er drei Damen überstanden, ehe er sich Sakura herbeiwünscht xD
 
Nur so ganz theoretisch wäre es ja auch möglich, dass Yuzuki die Ketten ihrer älteren Schwestern stahl, als sie auf dem Festland waren, die Ketten wahlweise im Schnee vergraben oder im meer versenkt hat, ihre eigene nur versteckt hat und jetzt behauptet, dass sie auch geklaut wurde, um von sich abzulenken - das Problem ist nur, dass ich einfach nicht weiß, warum sie sowas machen sollte...
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-04-19T15:07:11+00:00 19.04.2020 17:07
Hallo,
 
tja, wenn man sich das so anhört, kann es nur eine der anderen Schwestern oder eine Dienerin gewesen sein, was? Das ist doch ein sehr überschaubarer Kreis der Verdächtigen.
 
Und möglicherweise hat der Dieb die Ketten nicht geklaut, um sie zu behalten, sondern nur um zu verhindern, dass die Schwestern sie nutzen und hat sie dann zum Beispiel ins Meer geschmissen. Würde immerhin erklären, warum die bei den Durchsuchungen nicht wieder aufgetaucht sind.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-04-19T14:58:47+00:00 19.04.2020 16:58
Hallo,
 
na wie so eine kleine Bestrafungsaktion gleich mal die Laune unseres Ermittlers hebt xD
Aber hey, diesmal kein Mord, sondern "nur" Diebstahl und der Ärmste muss das alles auch noch ohne Sakura erledigen, wo er doch so sonst gerne die Verhöre der holden Weiblichkeit ihr überlässt. So ein Pech aber auch.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von: abgemeldet
2016-03-13T19:31:37+00:00 13.03.2016 20:31
wow...wow...einfach super @.@ ich bin gerade etwas.... sprachlos
Von:  KageyamaTobio
2016-03-13T17:10:53+00:00 13.03.2016 18:10
Was für ein spannender Auftakt.
Ich finde es erstaunlich interessant, wie elegant das gesamte Setting wirkt. Durch deine Beschreibungen bekommt die gesamte Geschichte einen geschmeidigen Erzählstil, der mir gut gefällt. Vor allem Sesshoumaru gefällt mir in seiner Art, höflich, aber kalt. Forschend, aber distanziert. Das ist ein tolles Maß an Selbstverständlichkeit, die einen Leser wie mich, in ihren Bann schlägt. Gewöhnungsbedürftig empfand ich den Wechsel zwischen "Schneefrauen" und "yuki onna". Mir hätte es gereicht, wenn du dich für einen Begriff entschieden hättest. Das hätte für mich etwas konstanter gewirkt, grenzt aber schon an "Meckern auf hohem Niveau". Der Auftakt, wie gesagt, hat mit sehr gut gefallen. Ich hatte anfänglich etwas die Befürchtung, das es mir zu schnell voranschreiten könnte, aber der Verlauf ist gut getaktet und macht Lust auf mehr. Sehr gelungen :]
Übrigens haben mir einige humoristische Andeutungen sehr gefallen. Vor allem am Anfang im Bezug auf die Dachse. Sesshoumarus Einschätzung ist doch sehr lapidar ... nach menschlichem Verständnis. Hervorragend inszeniert!
Antwort von:  Hotepneith
13.03.2016 19:13
Danke schön für den Krimi und ddas Lob.
Yuki Onna/ Schneefrauen habe ich gleich zu Beginn eingeführt, fast einführen müssen, da auch Menschenfrauen mit vorkommen und ich doch ab und an andere Worte verwenden wollte.
Diese Geschcihte sollte zwischen al den Morden der Serie mal eine gewisse amüsante Unterhaltung sein. Natürlich nur für den Leser - Seine Lordschaft ist nciht ganz so erbaut...

bye

hotep
Von:  Yvibel
2013-10-01T13:47:14+00:00 01.10.2013 15:47
Aww...ich liebe diese "vertraulichen" Teile ganz besonders an deinen super Krimis. Das Ende war mein Lacher des Tages. Herzlichen Dank dafür!^^
Ich könnt mich echt kugeln wenn ich das lese. ...Sess macht mit Sakura herum..." Heiliger Strohsack, was so ein paar einfache aber wohl sehr unüberlegte Worte doch anrichten können. Im gesamten war diese Szene ja schon ziemlich...ja ungewöhnlich. Das arme Mädchen, in was für Situationen der liebe Sess sie auch immer bringt...
Der hat meiner Ansicht nach, einfach nur "Urlaub" von den frostigen Weibsbildern gebraucht, wozu ihm seine Sakura natürlich die beste Ruhe vermittelt. ^^
Ja und was eben diese Fünf Damen betrifft und den "kleinen" Familienstreit...davon dürfte Sess heute wohl auch ein Lied singen können. *g*
Papa macht sich sorgen, dass Söhnchen von der Magie beeinflusst wurde?
Das klang als würde er deswegen gleich über Sakura herfallen wollen.
Holla...da kommen einem doch gleich ganz eigene Gedanken in den Kopf...*räusper*
Könnte es Inu vielleicht der Magie, der Schneefrauen zu verdanken haben, dass er überhaupt auf der Welt ist..? *lacht*
Naja, sicher nicht nur aber vielleicht hat es die Sache ja...wie auch immer noch unterstützt...wer weiß.^^
Jedenfalls wieder ein sehr schöner Krimi. Mal etwas...weniger blutig und ohne Tote, was auch mal nett ist und ich hoffe natürlich, es kommen noch welche.^^
Also denn, bis zur nächsten Geschichte!
Liebe Grüsse
Yvi
Von:  Yvibel
2013-10-01T12:58:56+00:00 01.10.2013 14:58
Thihi, ist ja ziemlich nervenaufreibend für unseren Sess mit so vielen Frauen...die unterschwellig auch noch alle was von ihm wollen. XD
Im wahrsten Sinne eindeutig zweideutig...*räusper*
Wie auch immer...ich hab wieder mal keinen blassblauen Dunst wer es gewesen ist und warum. Verdächtigen würde ich eventuell die Jüngste. Warum..das kann ich nicht genau sagen. Nur ein Gefühl. Vielleicht gerade weil sie die Jüngste ist und von den anderen deshalb vielleicht nicht immer so ernst genommen wird. Das muss man sich ja dann beweisen...
Aber okay, ich warte jetzt einfach mal die Auflösung ab, wie immer und freue mich ein bisschen darüber, dass Sessi seine Sakura so sehr vermisst. *grins*

Lg Yvi


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