Schneeketten von Hotepneith (Der 23. Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 5: Nachdenken --------------------- Als der Dämonenprinz die Treppe aus Schnee aus dem Schloss emporstieg, empfing ihn eisiger Wind vom Meer. Er ignorierte den so gut er konnte, ließ nur seine Energie etwas ansteigen, um sich soweit warm zu halten, wie es nötig war. Fast ein wenig erleichtert spürte er, dass die Magie der Schneefrauen hier nicht so permanent lästig war wie im Schloss selbst. Hier konnte er nur die schützenden Bannkreise spüren – nicht weiter verwunderlich. Er trat an den Rand des Daches aus Schnee und blickte über das Meer, während der Wind sein weißes Haar und seine Boa flattern ließ. Er musste dringend alles zusammenfassen und nachdenken. Leider fehlten ihm hier auch sachliche Berichte. Jede der yuki onna erzählte ja nur ihre Sicht, ihre Meinung, und wollte im Zweifel gut da stehen, sei es auch auf Kosten ihrer Schwestern. Drei der fünf Damen beklagten Diebstähle. Ihre Schneeketten waren gestohlen worden, während sie selbst auf dem Land waren – das hatte der Täter jeweils genau gewusst. Ein Dieb von außen, wie es Yukiko vorgeschlagen hatte, war unsinnig. Wie hätte dieser, selbst ein Fuchs, unbemerkt an den soliden Bannkreisen vorbei kommen sollen, oder gar über das Wasser in den Hafen? Fliegen, ja – aber dann? Yukiko mochte darauf hoffen, aber das war wohl eher unwahrscheinlich. Füchse waren schlau, geborene Diebe, und sie verstanden sich auf Tarnung. Aber die Schneeschwestern hatten dieses Schloss aus ihrem eigenen Schnee mit ihrer eigenen Magie erbaut, so dass ihnen ein fremder Zauber aufgefallen wäre. Zumindest zwei oder drei von ihnen waren anscheinend intelligent. Also musste es jemand von hier sein. Weder die Krieger noch die Dienerinnen konnten ohne die Erlaubnis, ja, den Befehl der Herrinnen handeln. Die Menschenfrauen wohl noch eher, aber sie würden sich kaum trauen. Immerhin zeigte der Tod der Einen ja, dass die yuki onna durchaus zu Strafen griffen. Kurz und gut, wenn es eine der Schwestern nicht selbst gewesen war, so hatte sie doch irgendwie die Anweisung gegeben – und die Verstecke verraten. Nur, welche der Fünf kam dafür in Betracht? Eine der Beiden, die sie noch besaßen? Oder war eine der anderen Drei so schlau gewesen, sich durch den vorgeblichen Diebstahl ihrer eigenen Kette quasi ein Alibi zu verschaffen? Er würde nie wieder denken, dass ein Diebstahl einfacher aufzuklären wäre als ein Mord. Ruhig bleiben, ermahnte er sich. Er musste alle Aussagen noch einmal durchgehen. Wann hatte wer etwas Verdächtiges geäußert, etwas, was den Anderen widersprochen hatte oder sonst irgendwie aus der so gleichförmigen Reihe der Schwestern fiel? Sakura könnte das sicher zusammenfassen... Er stand fast eine halbe Stunde im Wind, als er hörte, wie jemand die Treppen hinaufkam. So drehte er sich um. Eine menschliche Dienerin verneigte sich, die Arme fast unschicklich um ihren Umhang geschlagen: „Lord Sesshoumaru....“ Sie wagte es ihn anzusprechen? Aber dann verzichtete er auf Strafe. Dieses junge Ding hatte wohl keine Ahnung, in welchem Rangverhältnis er zu ihrer Herrin stand. Das war Midori, die Dienerin Lady Yuzukis: „Nun?“ „Die Damen lassen Euch bitten in den Aufenthaltsraum zu kommen. Sie möchten zum Teil auf das Land gehen und wollten wissen, ob Ihr noch weitere Fragen habt.“ Mit anderen Worten, zwei wollten hier weg. Na schön, da er diese Schneefrauen ja wohl kaum in ihrem eigenen Schloss daran hindern konnte es zu verlassen, musste er eben die Fragen, die sich ihm gestellt hatten, jetzt gleich klären. Hoffentlich waren damit dann auch die Diebstähle gelöst. Als er hinter Midori die Treppe hinunterstieg, betrachtete er noch einmal nachdenklich die weiße Wand aus gefrorenem Schnee. Yuzuki war schlau genug gewesen ihre Kette erneut zu verbergen, in diesem Schnee, unter Bann – und dennoch war sie gestohlen worden. Sie hatte ausgesagt, Midori sei nicht im Raum gewesen. Aber gut, er hatte ja zuvor schon eine Menschenfrau als alleinige Täterin ausgeschlossen. Als Werkzeug, möglich. Aber auch das wäre schwierig. Wie sollte eine von denen ihren Aufenthalt in einem falschen Raum erklären, wenn die eigentliche Dienerin sie traf? Sicher, es hatte geheißen, wenn die Damen an Land wären, würden sich die jeweiligen Menschen im Aufenthaltsraum aufhalten, das senkte das Risiko. Aber: wer wusste, oder wusste es überhaupt jemand, wann die Damen von ihren Ausflügen zurückkämen? Das sollte er gleich mal untersuchen. Die fünf Schneefrauen saßen im Kreis in ihrem Aufenthaltsraum, ohne ihre Frauen und auch Midori huschte mehr durch und verschwand in Lady Yuzukis Zimmer. Die Schwestern neigten höflich die Köpfe, was in Sesshoumaru eine unangenehme Assoziation weckte. So ähnlich musste man sich auch fühlen, wenn man über mehrere Frauen verfügte und zu denen in die Frauengemächer kam, weil man sich eben schon wieder eine aussuchen musste.... Nun gut, noch war er nicht verheiratet und zumindest Vater schien ihn da auch nicht drängen zu wollen. Seine Mutter allerdings..... Er brach lieber ab. Das hier war wichtiger, schließlich wollte er einen Fall lösen und weder sich noch sich noch Vater blamieren: „Zwei der Damen wollen aufs Festland?“ „Ja, Lord Sesshoumaru,“ erwiderte Yukiko als Älteste: „Youko und ich. Falls Ihr keine weiteren Fragen habt....“ „Während Ihr Euch auf dem Festland befindet, gehen Eure jeweiligen Dienerinnen in den Aufenthaltsraum und verbleiben dort bis zu Eurer Rückkehr.“ „Ja.“ „Also wären das heute Etsu und Machi.“ „Ja.“ Ihre Verwunderung lag in ihrer Stimme: „Aber sie sind bei uns so lange, bei uns aufgewachsen...“ Uninteressant. Verräter hatte es schon immer gegeben. Aber das bedeutete, dass es der jeweils anderen Dienerin, oder sogar den anderen Beiden, wenn drei Schneefrauen von der Insel reisten, auffallen würde, wäre eine Dienerin eine Weile nicht anwesend – und sich wundern würden. So stellte er die abrupte Frage: „Wissen die jeweiligen Dienerinnen, wann ihre Herrin zurückkehrt, oder auch die Schwestern?“ „Nein,“ antwortete Yoshiko: „Das machen wir nach Lust und Laune. Wenn der Schnee gar zu herrlich tobt, wird es Abend, wenn wir nichts zu spielen finden, eben früher.“ „War seit den Diebstählen eine der Damen auf dem Festland?“ Die Schwestern sahen sich an, ehe Yuzuki sagte: „Nein. Die Durchsuchung des Schlosses, zwei Mal, der Dienerinnen und der Krieger, all die Aufregung....Es wäre heute das erste Mal. - Oh, ich verstehe. Ihr glaubt, ein Dieb könne mit uns hinaus, um die Ketten von hier wegzubringen? Ich kann Euch versichern....“ Er hatte die Hand gehoben und die yuki onna verstand das zu Recht als Tadel – und Warnung. Natürlich, dachte er nur. Jeder der Damen würde ein Unbekannter auffallen, wenn sie hinüber flog und sich jemand in ihrer Energie verstecken wollte. Zuerst vermutlich Yuzuki, die er für die Klügste der Schwestern hielt. Seine Frage hatte auf etwas anderes gezielt. War niemand auf dem Festland gewesen und umgekehrt aber auch im Schloss keine der Schneeketten gefunden worden, gab es eigentlich nur eine Schlussfolgerung. Nein, zwei. „Es erscheint Euch allen auch unwahrscheinlich, dass die Ketten zerstört worden sind?“ Gerade die drei Bestohlenen, aber auch ihre Schwestern, nickten. Yoshiko ergänzte: „Es sind Korallen und an sich schon recht hart, Lord Sesshoumaru. Aber ich bin sicher, dass jede Besitzerin es spüren könnte, würde die Kette nicht mehr existieren. Ihr Zauber liegt ja in unseren jeweiligen Spezialbereichen.“ „Wobei wir natürlich auch ohne Ketten reizende Damen sein können,“ lächelte Youko verheißungsvoll und Seine Eisigkeit bemerkte, dass er die Finger seiner Rechten versteifte. Mühsam entspannte er sie wieder. „Nun ja, meine liebe Youko,“ erklärte Yaoko mit heiterem Lächeln: „Während du und Yukiko euch auf dem Festland vergnügt, könnten wir ja Seine Lordschaft ein wenig unterhalten.“ „Vermutlich allerdings erst,“ ergänzte Yuzuki: „Wenn er die Diebstähle geklärt hat. Seine Lordschaft scheint mir bemerkenswert...geradlinig....“ Sie war eindeutig die intelligenteste der Schwestern, aber der Seitenhieb des letzten Wortes hatte sich auch auf „naiv“ beziehen können, und sie wusste, dass er es wusste. Darum würde sich die Vielehe auch nie durchsetzen, dachte Sesshoumaru aufgebracht, bemüht, seine aufsteigenden Zorn unter Kontrolle zu halten. Die Ladys mochten lästig sein – aber sie unterstanden Vaters Schutz und der hätte kaum Verständnis für eine impulsive Handlung seinerseits. Obwohl, womöglich schon, immerhin hatte der hier das halbe Schloss zerlegt. Allerdings keine der Schwestern umgebracht. Mit gewissem inneren Seufzen betrachtete er die fünf Damen, die vor ihm knieten, ihn immer wieder anlächelten – und von denen immerhin noch keine ihn zum Sitzen aufgefordert hatte. Was ihn unangenehm daran erinnerte, warum er es bevorzugte, anderen, zumal weiblichen, Personen den Rücken zuzudrehen. Wohin die guckten.... Er wandte sich ab und starrte auf die Schneewand. Lästig, wie sie waren – aber nur eine von ihnen hatte ihre Schwestern bestohlen und belogen. es bei ihm jedoch nicht gewagt, vermutete er. Dennoch: sie hatte ihm nicht alles gesagt, und zwei oder drei Fehler begangen, die ihr nun gehörigen Ärger verschaffen würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)