Schneeketten von Hotepneith (Der 23. Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 2: Lady Yukiko und Lady Yoshiko --------------------------------------- Als sich Lady Yukiko und ihr hoher widerwilliger Gast erhoben, fiel Sesshoumaru zum ersten Mal auf, dass sie ihn nicht betont freundlich anlächelte, wie er es gewohnt war, sondern fast neugierig, anscheinend abwartend. Was sollte das? Aber er hatte hier einen Diebstahl, nun, drei, zu klären. Je eher das passierte, umso rascher konnte er wieder verschwinden. So fragte er, auf ihre letzte Bemerkung eingehend: „Die Schneeketten haben folglich Eurer verstorbenen Mutter gehört und sind eigentlich nur Erinnerung an sie, magisch nutzlos?“ Vater hatte doch etwas von Magie erzählt? Die älteste yuki onna wiegte den Kopf: „Wie man es nimmt. Die Ketten verfügen über keinerlei eigene Magie, sind aber durchaus...Vielleicht kann ich es einem Krieger wie Euch mit einem Schwert erklären. Wann auch immer Euer Lordschaft ein Schwert im Kampf benutzt – Ihr seid in der Lage Eure Energie über die Klinge zur Attacke oder Verteidigung zu nutzen.“ „Ich muss mich nie verteidigen.“ „Mag sein. Zum Angriff.“ Yukiko verspürte wenig Lust auszuprobieren, ab wann sich der Herr der westlichen Länder durch Beleidigungen seines Sohnes zum Auftauchen genötigt sah. Da gab es eine kleine Warnung in der Vergangenheit und sie war eigentlich froh, dass er nicht selbst gekommen war. Nun, um ehrlich zu sein, hatte sie nicht erwartet, dass er sich überhaupt um ihren Brief kümmern würde. „Aber deswegen hat das Schwert an sich keine eigene Magie, es leitet nur die Eure. So ist es auch bei den Schneeketten. Jede einzelne Kette verstärkt nur die Magie der Trägerin, darum wurden sie von Mutter auch nach unseren Fähigkeiten oder Talenten ausgewählt. Kein Schmuckstück jedoch hat eigenen Zauber wie das Höllenschwert unseres Fürsten.“ Sesshoumaru dachte kurz nach. Also wären die Ketten höchstens jemandem von Nutzen, der selbst über Magie verfügte. Was nicht hieß, dass sie kein Mensch gestohlen hatte, aber wenn, dann im Auftrag. „Was ist mit den fünf Kriegern?“ Jetzt lächelte Lady Yukiko wirklich ein wenig zynisch: „Sie schützen uns gegen unvermutete Angriffe und sind auch sonst...nützlich. Aber wir achten sehr darauf, dass sie keinen selbstständigen Willen besitzen.“ Das erklärte das eigenartige Verhalten dieses Kudo, aber auch dessen leeren Blick. Der junge Hundedämon verspürte plötzlich ein Prickeln an der Wirbelsäule. War es das, was Vater gemeint hatte? Die Magie der Schneefrauen sei stets aktiv, aber er solle nur wie immer sein? Dann war es durchaus möglich, dass er, wie natürlich sein verehrter Vater auch, davon nichts mitbekam, weil sie beide zu mächtig, zu selbstbeherrscht waren, um auf solche kleinen magischen Tricks hereinzufallen. Sah ihn Yukiko darum so versteckt-abwartend an? Vermutete diese arrogante Schneefrau etwa er würde wie ein einfacher Dämon reagieren? Sachlich bleiben, ermahnte er sich zum zweiten Mal innerhalb von fünf Minuten: „Darum habt Ihr sie auch von der Möglichkeit ausgeschlossen der Dieb zu sein.“ „Ja. Ich...wir hoffen, dass es Eurer Lordschaft gelingt eine Spur zu finden. Es sind doch für uns Schwestern wertvolle, mächtige, magische Erinnerungsstücke.“ Sie öffnete eine der fünf Türen, die aus dem Wohnzimmer hinausführten. „Kommt nur. Wir sind hier nicht auf Rücksicht auf Ehemänner angewiesen. Ein Mann bei mir schadet mir nicht. - Mein Zimmer,“ verkündete sie: „Das dort ist Etsu.“ Das längliche Zimmer war leer bis auf einen mittigen Sitzplatz auf einer Matte, umringt mit Kissen. Einer Kleidertruhe und einer weiteren Kiste, etwas kleiner, ein Schreibpult und dazu gehörige Werkzeuge vervollständigten die Einrichtung. Am anderen Ende des Raumes, neben einer weiteren Tür, kniete eine ältere Menschenfrau, die soeben an einem Kimono nähte, sich nun hastig verneigte. Sie war deutlich wärmer angezogen als es Sesshoumaru von anderen Menschen kannte, aber sie lebte ja auch in einem Schneeschloss. Sogar hier trug sie einen Umhang über den Kopf gezogen und er erkannte warme Stiefel. Nun, immerhin schienen die Herrinnen des Schnees daran zu denken, dass Menschen schwächliche Lebenswesen waren. Jetzt allerdings musste er sich mit jämmerlichen Menschenfrauen abgeben und anscheinend seltsamen Schneedamen. Warum gleich noch einmal hatte er Sakura nicht mitnehmen sollen? „Etsu, das ist Lord Sesshoumaru, der Sohn des mächtigen Inu no Taishou. Er soll das Verschwinden der Ketten meiner Schwestern klären. Zeige ihm den Gang, euren Aufenthaltsraum und den der Krieger, ehe du ihn zu Lady Yoshiko führst.“ Das konnte ja was werden, dachte Seine Lordschaft prompt. Die Namen der Schwestern waren sich ähnlich und er hatte noch nie gehört, dass sich yuki onna sonderlich im Aussehen unterschieden. Hoffentlich wusste er später noch wer was war, sonst käme es zu ungemein peinlichen Situationen. Und er sollte doch höflich bleiben. „Ich hätte im Augenblick nur noch eine Frage an Euch, Lady Yukiko. Wie heißen Eure Schwestern?“ Wieder dieses seltsame Lächeln der yuki onna, das ihn instinktiv die Rechte anspannen ließ. „Dem Alter nach: ich bin Yukiko, wie Euer Lordschaft natürlich weiß, dann Yoshiko, Youko, Yuzuki und Yaoko.“ Die Mutter hatte eindeutig Namen mit Y bevorzugt...Y wie yuki, Schnee. „Danke, Lady Yukiko,“ hörte er sich sagen, ehe er sich der älteren Menschenfrau zuwandte, die aufgestanden war und ihm nun schweigend die zweite Tür öffnete, wartete, bis er in den Flur hinausgetreten war und sie mit einer Verneigung gegen ihre Herrin wieder schloss. Er drehte sich um. Es handelte sich um einen relativ breiten Gang von gut zwanzig Metern Länge, erhellt offenbar durch Magie. Er hätte die seitlichen Wände mit ausgestreckten Armen nicht beide erreichen können. Nach links gingen fünf Türen ab, gewiss in die Zimmer der fünf Schwestern. Rechter Hand lagen nur zwei Türen, hier und am anderen Ende. Etsu verneigte sich vor ihm und deutete auf die erste: „Dies hier ist der Aufenthaltsraum der Krieger, Lord Sesshoumaru. Sie befinden sich stets dort, es sei denn eine der Damen schickt ihre Dienerin um sie.“ „Sie dürfen ohne Befehl den Raum nicht verlassen?“ vergewisserte er sich. Seit wann ließen sich denn Dämonen wie Haustiere behandeln? Etsu warf dem jungen Hundeprinzen einen etwas eigenartigen Blick zu, senkte diesen jedoch rasch wieder zu Boden. „Ich vermute, sie sind nicht dazu in der Lage, edler Lord.“ „Die Magie der Schneefrauen?“ „Äh, ja, Lord Sesshoumaru.“ Sie war ein wenig erstaunt, dass diese nicht auf ihn wirkte, ja, er keine Ahnung zu haben schien, was die bei männlichen Wesen vermochte. Aber nun gut. Kurz bevor sie hier eingezogen war, war nur einmal ein Hundedämon vorbeigekommen, der Inu no Taishou, wie sie damals gehört hatte. Und auch auf diesen hatte die Magie….begrenzt gewirkt. Das hier war sein Sohn. Es lag wohl in der Familie. Nun, das ging sie nichts an. „Wünscht Ihr die Krieger zu sehen, Lord Sesshoumaru?“ „Einstweilen nicht. Sag mir die Namen.“ „Fudo, Ito, Takeru, Masakazu, Tadashi.“ „Dort vorne links ist der Aufenthaltsraum der menschlichen Dienerinnen, wenn sie frei haben?“ „Ja und nein, Lord Sesshoumaru.“ Sie bemerkte durchaus aus jahrzehntelangem engstem Zusammenleben den Anstieg der dämonischen Energie, spürbares Zeichen einer gewissen Verärgerung, und erklärte hastig: „Wir haben sozusagen nie frei, wenn die Damen hier sind. Nur, wenn sie auf das Festland reisen. Aber sie schicken uns immer wieder dorthin, damit wir warmes Essen bekommen, Tee und uns auch aufwärmen können.“ Nun, die yuki onna schienen immerhin um die weiblichen Dienstboten besorgt. „Gibt es dort Personal?“ „Nein. Nur wir leben hier im Schloss.“ „Gibt es aus diesem Gang, durch den Raum der Krieger oder euren Aufenthaltsraum eine Möglichkeit nach draußen zu gelangen?“ „Nein, Lord Sesshoumaru. Nur durch den Wohnraum der Damen. Einmal in den Hafen zum Boot, den Eure edle Lordschaft gewiss gesehen hat, und einmal nach oben auf die Oberfläche.“ „Nachdem die Ketten verschwunden waren, wurde natürlich alles abgesucht?“ „Ja. Auch wir und selbst die Krieger.“ Das erklärte, warum Yukiko und ihre Schwestern Vater um Hilfe gebeten hatten. Es war eigentlich unmöglich. Wie hätte ein Fremder hierher kommen sollen, sich verstecken und auch nur die Ketten entwenden. Da sich Etsu verneigte, fragte er: „Was ist noch?“ Immerhin erwies sie sich als nicht tölpelhaft. Yukiko hatte sie wohl gut erzogen. Ein Lichtblick in diesem eisigen Schloss voller Frauen. „Ich weiß nicht, ob Lady Yukiko daran dachte es Eurer werten Lordschaft zu sagen, aber es könnte für Eure Ermittlungen wichtig sein: soweit ich mitbekam, lagen die Ketten nie offen herum, aber die Truhen und anderes wurde nie durchsucht.“ Er nickte. Das bedeutete, konnte nur bedeuten, dass der Täter genau gewusst hatte, wo die Kette versteckt lag. Das wurde immer rätselhafter. „Zeige mir euren Aufenthaltsraum, dann melde mich Lady Yoshiko.“ Der Aufenthaltsraum der menschlichen Dienerinnen war fast heiß im Verhältnis zu den kalten Räumen des sonstigen Schlosses. Ein sehr gut gemachter Bannkreis verhinderte, dass der Schnee zu schmelzen begann. Ein großes Feuer brannte in einer steinernen Nische und ein Kessel mit heißem Tee hing darüber. Fünf Matten lagen dort, daneben jeweils eine Schüssel, Essstäbchen. In einer Ecke entdeckte er Gemüse und getrocknetes Fleisch. Übersichtlich, aufgeräumt und sauber. Da er sich umdrehte, beeilte sich Etsu die Tür hinter ihm wieder zu schließen und gebückt an ihm vorbei zu eilen, um an die zweite Tür der Fünferreihe zu klopfen, sie etwas zu öffnen und sich zu verneigen. „Lady Yoshiko, Lord Sesshoumaru, der Sohn des Inu no Taishou, um der Ketten willen....“ „Welche Überraschung,“ erwiderte eine weibliche Stimme: „Ich lasse bitten.“ Als Sesshoumaru eintrat und demonstrativ höflich den Kopf vor der zweitältesten Schwester neigte – nicht zu viel, schließlich wusste er um seinen Stand, hörte er wie Etsu die Tür von außen schloss. Anscheinend hatte in der Tat niemand Bedenken, die Schneefrauen mit einem jungen Mann allein zu lassen – ungewöhnlich, ja, eigentlich fast unmöglich. Hier im Raum befand sich kein Mensch. Niemand, außer der yuki onna, und er seufzte in Gedanken. Sie sah fast ebenso aus wie Yukiko, die Kleidung war gleichartig. Nur an einer leichten Veränderung des Geruches vermochte er die Schwestern zu unterscheiden. Das konnte wirklich ein Problem werden. Die Einrichtung des Raumes war praktisch identisch mit der Yukikos. „Nehmt doch Platz, edler Lord. - Ich kann zu dem Diebstahl meiner Kette allerdings nichts sagen. Ich befand mich auf dem Festland um einen herrlichen Schneesturm zu veranstalten. Als ich zurückkehrte, wollte ich sie umlegen, da wir Schwestern uns treffen wollten, um die Erlebnisse der Beiden, die draußen waren, auszutauschen. Das machen wir immer so, zum Gedenken an unsere mächtige Mutter.“ „Dabei tragen auch alle die Ketten.“ „Ja, also...ich immer. Aber ich denke auch die Anderen.“ Sie lächelte fast verschwörerisch. „Die Kette war verschwunden....“ brachte er sie wieder auf das eigentliche Thema zurück. „Oh, ich wurde sehr wütend. Die Einzige, die wusste, wo die Kette lag....dort, unter meiner Kleidung in der Truhe...war eben meine Dienerin.“ „Ihr habt sie ohne Zweifel verhört. War die Truhe durchsucht worden?“ „Nein, das war es ja. Es lag alles perfekt aufeinander, nicht einmal eine Falte anders. Es musste jemand gewesen sein, der genau wusste, wo er zu suchen hat.“ Yoshiko zuckte ein wenig die weiß bekleideten Schultern: „Da wusste ich noch nichts von den anderen Diebstählen. Sie beteuerte ihre Unschuld und ich war geneigt ihr zu glauben....Menschen sind eben so schrecklich fragil....Sagt, Lord Sesshoumaru, Ihr wisst nicht, wo ich eine äußerst kluge, schweigsame, menschliche Dienerin rasch herbekommen würde?“ Seine Lordschaft entschloss sich diese letzte Frage nicht zu beantworten. Auch, wenn er zumindest der Meinung der Dame über menschliche Zerbrechlichkeit zustimmen musste. Kaum fasste man diese jämmerlichen Wesen an der Kehle waren sie auch schon tot. Aber er hatte einen Auftrag zu erledigen: „Als dann zwei weitere Ketten verschwanden, wusstet Ihr, dass es jemand anderer gewesen sein musste?“ „Natürlich. Yukiko meint, jemand von außen, und auch, wenn ich mir nicht vorstellen kann, wie das abgelaufen sein soll – es muss so sein. Wir haben doch alle Menschen, alle Krieger abgesucht, alle Zimmer. Und hier gibt es nicht so viele.“ „Das war es einstweilen, Lady Yoshiko. Ich werde mir zunächst einen Überblick verschaffen.“ „Tut das. - Neben mir wohnt Youko.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)