Rochade von ChiaraAyumi ================================================================================ Kapitel 1: Rochade ------------------ Hugo sah auf die Uhr. 03:45. Er war seit mehr als drei Stunden ein Jahr älter. Er hatte seinen Geburtstag vollkommen vergessen. Schon seit mehr als 30 Stunden war er im Krankenhaus. Da verlor man irgendwann einfach jedes Gefühl für Zeit. Aber bei der ganzen Arbeit musste er hochkonzentriert sein und konnte sich nicht leisten an sich selbst zu denken. Seine Patienten und ihre Heilung war alles, was dann noch zählte. Jetzt war seine Arbeit für heute beendet und er konnte nachhause. Doch nun setzten seine Gedanken wieder ein und er musste an alles denken, was in den letzten 30 Stunden passiert war. Dieser Moment des Realisierens hasste Hugo an seinem Job. Natürlich dachte man an all die Menschen, die man gerettet hatte, aber es gab Tage wie diesen, wo einem wieder vor Auge geführt wurde, dass Magie nicht alles ungeschehen machen konnte. Es gab nicht das Heilmittel, das alles kurieren konnte. Trotz seiner zweiseitigen Ausbildung sowohl in der Zaubererwelt als auch in der Muggelwelt, hatte Hugo nicht auf alles eine Lösung. Und nicht immer war seine Devise „Lachen ist gesund!“ die Antwort. Noch vor wenigen Stunden hatte er seinem Patient in seiner Pause Witze erzählt und ihn zum Lachen gebracht, aber dann war der Zauber anscheinend fehlgeschlagen und das Gift in seiner Wunde war nicht völlig neutralisiert worden, sodass er ohne das es einer von ihn gemerkt hatte, gestorben war. Hugo ärgerte sich nicht besser darauf geachtet zu haben. „Hey Weasley, beabsichtigst du hier im Stehen zu schlafen?“ Ein Kollege von ihm tauchte hinter ihm auf und klopfte ihn aufmunternd auf die Schulter. Hugo versuchte sich wieder zusammen zu reißen. Er stand bestimmt schon ein paar Minuten vor seinem offenen Spind mit seiner Armbanduhr in der Hand und starrte vor sich hin. Er musste sich wirklich umziehen und zurück in seine Wohnung eine Runde schlafen. Wenn er seinen Kittel ablegte, hatte er das Gefühl auch seine Arbeit und all die damit verbundenen Gedanken abzustreifen und alles in sein Spind zu hängen. Wenn er sein Spind schloss, waren auch alle Schuldgefühle wie fort geblasen. Das sagte Hugo sich immer, um sich aus dieser Spirale wieder zu befreien, die ihm sonst sein Lachen kosten würde. Sein Job war hart, aber er liebte ihn und wollte nichts anderes machen. Und in meisten Fällen konnte er seinen Patienten helfen und ihre Zeit im St. Mungos erträglicher machen, indem er sich die lustigsten Sachen ausdachte, um sie zu unterhalten und zum Lachen zu bringen. Hugo machte sich auf den Weg aus dem Hospital, um auf der Straße zu disapparieren. Sekunde später stand er in seiner Wohnung. Er sparte sich den Umweg über das Bad und ließ sich einfach in sein Bett fallen. Er brauchte Energie um in ein paar Stunden weiterzuarbeiten. Mit einem Lächeln im Gesicht schlief Hugo ein. Tock, tock. Hugo drehte sich genervt wieder um und zog sein Kissen mit sich. Tock, tock. Warum hatten diese Eulen eigentlich nie Verständnis dafür, dass er jetzt schlafen wollte? Er drückte das Kissen auf sein Ohr und versuchte das Klopfen vom Fenster her zu ignorieren. Er wollte doch nur noch ein bisschen schlafen. Tock, tock, tock, tock. Das Schnäbelschlagen am Fenster wurde immer lauter und schneller. Ungeduldige Eulen. In diesen Augenblick wünschte sich Hugo nichts sehnlicher als wenn Zauberer auch einfach per Email kommunizieren würde. Ihm hatte es gefallen als Muggel zu leben. Die Muggel waren nicht halb so dumm wie die meisten Zauberer immer dachten. Sie hatten einfach andere Wege für sich gefunden, die ganz ohne Magie funktionierten. Und Emails beschwerten sich nicht, wenn man sie nicht sofort las. Tock, tock, tock, tock. Hugo gab das Ignorieren auf und warf das Kissen gegen das Fenster. Das verursachte ein wildes Eulengeschrei. „Ich komm ja schon“, knurrte Hugo und stand auf, um das Fenster zu öffnen. Sofort flogen duzende Eulen hinein und hielten ihm alle ihr Bein hin, damit er die Pakete und Briefe von ihren Beinen abmachen konnte. Hugo machte sich daran und fragte sich, warum niemand in seiner Familie und von seinen Freunden daran dachte, dass er um diese Uhrzeit schlief. Für sie war es natürlich früher Morgen und die perfekte Uhrzeit um eine Eule loszuschicken. Für ihn dagegen war es Mitten in der Nacht und er wollte nur schlafen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm wenigstens, dass er zumindest fünf Stunden geschlafen hatte. Kaum hatte er die letzte Eule von ihrem Paket befreit, folgen alle Eulen wieder fort. Ein Paket leuchtete irgendwie komisch auf und auch wenn Hugo vorgehabt hatte sich noch für drei Stunden ins Bett zu schmeißen, konnte er nicht widerstehen. Er musste wissen, was in diesem Paket war. Irgendwie hatte er im Gefühl, dass es von seinem Cousin James war. Niemand anders hatte die verrücktesten Ideen mit Ausnahme von ihm selber vielleicht. Er war James in seinen Augen eindeutig ebenbürtig, aber James war immer der König der Streiche gewesen. Und tatsächlich war das Päckchen von James, der ihm seine neuste Idee geschickt hatte. Socken, die ihre Farbe je nach Stimmung verändern konnte. Hugo zog sie sich gleich an und stellte mit einem Blick auf die beigelegte Karte fest, dass das Hellblau für Überraschung stand. Überrascht war er wirklich, aber er fand die Socken einfach genial. Jetzt entschied er sich doch auch die anderen Geschenke anzusehen, weil er ansonsten als ungerecht empfand nur ein Paket aufzumachen. Seine Schwester hatte ihm ein Muggelbuch über Medizin geschickt, das sie auf dem Flohmarkt gefunden hatte. Dabei ging es um die Geschichte der Muggelmedizin, was er überaus spannend fand. Lucy hatte dazu ein Gedicht geschrieben und es beigelegt. Es ging dabei um seine zahlreichen Spitznamen, die sich über die Jahre angesammelt hatten. An einige konnte er sich gar nicht mehr erinnern, aber das Gedicht schloss mit der Feststellung, dass er einfach Weasley war und sie ihn unabhängig von seinen vielen Namen liebten. Hugo war gerührt, dass Lucy sich soviel Mühe gemacht hatte. Aber sie war nicht die einzige, die sich Mühe gemacht hatte. Seine Eltern hatte ein Fotoalbum mit all ihren Lieblingsbildern von ihm selbst gemacht. Zumindest sein Vater war darin sicher verzweifelt, weil seine Mutter sich verlangte hatte, alles ohne Zauberei zu machen. Nachdem er alle Pakete aufgemacht hatte, fiel ihm auf, dass eine Person fehlte. Und als konnte sein bester Freund Gedanken lesen, klopfte es an der Tür. Niemand anders als Chen konnte das sein und wirklich sein bester Freund stand mit einem reiten Lächeln vor der Tür. „Alles Gute zum Geburtstag, Weasley!“, begrüßte Chen ihn. „Haben die Socken gerade ihre Farbe verändert?“ Hugo sah auf seine Füße hinunter und wirklich sie leuchtete jetzt in einem dunklen Blau. „Die hat James mir geschickt“, erklärte er und grinste breit. „Genial“, befand Chen, der James immer sehr respektierte für seine Ideen. Zusammen gingen sie in die Küche und Hugo machte ihnen einen Kaffee. Er war neugierig auf das Paket, das Chen unter dem Arm geklemmt hatte und er verfluchte sich für seine Neugierde. Chen machte es bestimmt unerträglich spannend bevor er ihm das Paket überreichte. Als sein bester Freund kannte er nämlich seinen Schwachpunkt. Er war einfach zu neugierig und verschlang alles an Wissen. „Wir sollten mal wieder eine Runde Schach spielen“, meinte Chen. „Erinnerst du dich noch an das Turnier in Hogwarts, wo wir beide im Finale waren?“ Hugo nickte. „Ja du hast mich am Ende geschlagen, weil ich dir einen Schritt in Gedanken hinterher war. Aber es war ein spannendes Spiel. Es hat richtig Spaß gemacht!“ „Und du Blödmann wolltest nie der Schach-AG beitreten. Das kann ich dir bis heute nicht verzeihen“, erwiderte Chen, aber er lächelte dabei. Hugo wusste auch so, dass sein bester Freund ihm das nicht wirklich übel nahm, aber er hatte nie Lust gehabt der Schach-AG beizutreten. In seiner Freizeit spielte er liebend gern Schach, aber er wollte nicht verpflichtend sein, jede Woche Schach zu spielen, sondern sich lieber frei entscheiden, wann ihm nach Schach war. „Also willst du eine Runde Zauberschach spielen?“, hakte Hugo nach. „Aber erst nachdem du dein Geschenk geöffnet hast. Ich weiß du stirbst vor Neugierde.“ Chen überreichte ihm das Päckchen und Hugo riss sogleich das Papier auf. Zum Vorscheinen kam ein neues Zauberschachspiel. Seine Socken verfärbten sich und wurde gelbgrün. Gemischte Gefühle beschrieb exakt was er gerade dachte. Einerseits freute er sich über das Geschenk, andererseits hatte er schon mindestens fünf Zauberschachspiele bei sich herumfliegen, da ständig jemand auf die Idee kam ihm eins zu schenken. Aber Chen wusste das und deshalb musste etwas Besonderes mit sich aufhaben. Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Das hast du gemacht?“, fragte er erstaunt und die Socken waren wieder hellblau. Chen grinste breit. „Ja das erste, das ich ganz ohne Hilfe gemacht habe.“ „Dann hast du die Ausbildung zum Zauberschachhersteller abgeschlossen?“ Sein bester Freund nickte. „Das ist mein Gesellenstück. Damit hab ich die Prüfung bestanden und kann nun offiziell ein eigenes Geschäft eröffnen. Ich hab auch schon ein kleinen Laden in der Winkelgasse entdeckt, der gerade zum Verkauf steht.“ Hugo fiel seinem Freund um den Hals. „Das ist super. Ich freu mich wahnsinnig für dich. Und du willst mir wirklich dieses Zauberschachspiel schenken?“ „Bei wem wäre es besser aufgehoben als bei dir Weasley?“ Hugo strahlte und die Socken leuchtete in einem schönen Dunkelblau. Sie setzten sich zusammen an den Küchentisch und stellten die Figuren auf. Hugo nahm Weiß und Chen Schwarz. Nun da er wusste, was er da vor sich hatte, betrachte er die Figuren aus einem ganz anderen Licht. „Das muss schwer sein so etwas herzustellen, wenn du solange dafür in die Ausbildung gehst oder?“ „Es sind viele Zauber, die man ineinander verweben muss und machst du ein Fehler reagieren die Figuren falsch oder können sich gar nicht bewegen.“ „Also nicht viel anders als bei mir. Heilen erfordert auch das Ineinanderverweben verschiedener Zauber.“ Hugo begann mit seinem ersten Zug und befahl seinem Bauern auf E4 zu gehen. Chen nickte. „Du kannst es damit vergleichen. Zuerst lernt man die Figuren herzustellen, was ziemlich anstrengend ist. Der Meister bei dem ich in Lehre war, schwört auf handwerkliche Arbeit wie die Muggel es tun und gießt die Figuren. Das ist zwar schwer, aber ich finde, dass besser ist als dafür auch noch ein Zauber zu verwenden. Und dann kommen die ganzen einzelnen Zauber, die wir nacheinander lernen bis wir sie im Schlaf beherrschen.“ Auch Chen gab einen kurzen Befehl und nun war Hugo wieder dran, der seine Bauern auf E5 gehen ließ. Hugo überlegte kurz. „Sicher ein Bewegungszauber und auch ein Zauber, damit sie auf den Schachspieler hören und die Befehle auch ausführen.“ „Ja und um das gewährleisten sind viele kleinere Zauber nötig, die in Kombination dann den erwünschten Effekt haben.“ Hugo fand das wahnsinnig spannend, während er dabei zusah, wie sein weißer Bauer den schwarzen Bauern einen Kopf kürzer machte und vom Spielfeld schleifte. Ein Regernationszauber musste auch noch auf den Figuren liegen, da sie nach Ende jedes Spieles sich wieder zusammensetzten. Er sah wie ähnlich Chens Beruf seinem eigenen war. Auch er musste sich auf viele kleinere Zauber konzentrieren, wenn er seinen Patienten heilen würde. Vergaß er nur eine Sache, konnte alles schief gehen, weil das Gesamte nicht mehr stimmte. „Weasley, wo bist du mit deinen Gedanken? Wenn du weiter so machst, verlierst du wieder gegen mich und das kann ich doch nicht zulassen, wo du heute Geburtstag hast“, witzelte Chen. „Sonst muss ich dich am Ende absichtlich gewinnen lassen.“ Hugo grinste. „Pass besser auf, dass du nicht ein Fehler machst. Wäre sonst peinlich. Und sicher hast du die Figuren manipuliert, damit du einen Vorteil mir gegenüber hast.“ „Das würde ich nie tun. Du bist mein bester Freund und mir ein ebenbürtiger Gegner. Wie langweilig, wenn ich dich austricksen müsste.“ Hugo musste lachen. Er war glücklich. Mit keinem Menschen auf der Welt würde er lieber seinen Geburtstag verbringen als mit seinem besten Freund, der ihn in- und auswendig kannte und ihn trotzdem mochte. Und nichts war besser als eine Schachpartie um seinen Geburtstag zu feiern. So wurde man gerne ein Jahr älter, wenn man einen Freund hatte, auf den man sich immer verlassen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)