Von Pausen und Proberaumgesprächen von abgemeldet (OS-Sammlung) ================================================================================ Von Ruhe und Bienenstöcken -------------------------- | von ruhe und bienenstöcken | Unglaublich. Das war das erste Wort, das Ruki in den Sinn kam. Es war einfach nicht zu Beschreiben, dieses Gefühl, das ihn überkam, als er die Uhr ticken hörte. Wirklich ticken! Das war das letzte Mal vorgekommen, als er aus Versehen zu früh im Proberaum aufgetaucht war und außer ihm nur Kai dagewesen war. Uruha hatte der Leader wie immer irgendwo unterwegs wegen durcheinanderpurzelnder Gedanken vergessen, der tauchte immer erst eine Stunde zu spät hier auf. Aoi und Reita kamen meistens zehn Minuten zu spät. Dann war auch immer die Ruhe vorbei. Das hieß, er wurde immer bereits beim Betreten des Raumes mit einer Kakophonie aus wirren und langweiligen Erzählungen ihres Gitarristen belästigt, gönnte er sich selbst doch fünfzehn Minuten Verspätung. Seufzend legte Ruki den Kopf nach hinten auf die Sofalehne, atmete tief und gleichmäßig durch, im Einklang mit der Natur oder dem gedämpften Straßenlärm oder dem Geschreis aus den anderen Proberäumen. Himmlisch. Und das nur, weil Kai der Kragen geplatzt war und ihre Plaudertasche dazu verdonnert worden war, mit Uruha, dem armen Würstchen, Kaffee zu holen. Na gut, was hieß armes Würstchen. Der würde es sowieso erst morgen merken, dass diesmal Aoi mit ihm gegangen war. Was Ruki zu der Frage führte, warum eigentlich ausgerechnet die Schlaftablette den Kaffee holen sollte? Wäre es nicht für sie alle und den Feierabend sicherer, wenn man ihn einfach mit Gitarre neben dem Verstärker stehen lassen würde in der Pause? Na gut. Einmal hatte er genau das vorgeschlagen. Seine Hand tat jetzt noch weh von dem ganzen Schreibkram, den Kai als Strafe auf ihn abgewälzt hatte. Dabei hatte er es doch nur gut gemeint … Genüsslich seufzend ließ er den Kopf von links nach rechts und wieder zurück rollen. Seine Ohren fühlten sie an wie neugeboren. Gut, vielleicht stellte er sich auch nur an, so viel plapperte Aoi nun auch wieder nicht und eigentlich war es immer recht lustig. Eigentlich. Nur nicht, wenn es um ihn, Ruki, ging. Und in letzter Zeit kam das verteufelt oft vor! Da durfte er sich freuen, dass er nun allein mit Kai hier saß und wirklich Pause machen durfte. »Wo ist denn … Vorhin war er doch noch …« Theoretisch zumindest. Kai suchte irgendetwas. Und fragte ständig, ob er wüsste, wo irgendein Zettel lag. Aoi würde es ja immer wissen. Der Leader rieb sich stöhnend übers Gesicht, raufte sich die Haare. »Was ist denn los?«, fragte Ruki träge und blinzelte an die Decke, beobachtete das Spinnennetz, das sich leicht hin und her wiegte. »Es ist so ungewohnt still. Das bringt mich ganz durcheinander.« »Sag nicht, du vermisst das ewige Gerede. Du hast doch immer gesagt, es würde stören.« »Ja, schon. Aber man gewöhnt sich so daran, dass es den Arbeitsfluss stört, wenn es so ruhig ist.« »Du hast Sorgen …« »Ah, da ist er ja!« Wenigstens etwas. »Nee, das ist er ja gar nicht. Verdammt, was hab ich überhaupt …« Kai unterbrach sich plötzlich und hob den Kopf. Auch Ruki lehnte den Schädel wieder nach vorn und sah fragend zu ihm herüber. Dann hörte auch er es. Da war eine aufgebrachte Stimme im Flur, die sich rasant näherte. Vielleicht Aoi, der schon zurückkam? Oder einer von diesen … wie hießen die noch … Ach, einer von den Neulingen halt, die erst seit ein paar Monaten in der Company waren. Frischlinge waren auch immer recht laut. Kein Grund, jetzt so zu reagieren. Also ließ Ruki seinen Kopf entspannt wieder auf die Sofalehne plumpsen und atmete tief … »WO IST DIESE VERFLUCHTE RATTE?!« Der Sänger fiel fast vom Sofa vor Schreck, als die Tür aufgerissen wurde und ein fuchsteufelswilder Shou hineinstürmte. In der Hand hielt der andere Sänger irgendetwas, das neonkotzgrün war. Oder eher gelb? Was war denn das für eine Farbe, die passte mal so gar nicht hier rein. … Oh. Die hatte er ja selbst ausgesucht vor ein paar Tagen. Hatte er schon ganz vergessen. Die sah aber auch toll aus! Und das war ja ihre Single, eine der Versionen zumindest. Die, auf der … Oh nein. Schluckend sackte Ruki in sich zusammen, wünschte sich, er hätte doch eine Diät nach der Fressorgie letztens mit Uruha und Reita gemacht. Dann würde er jetzt vielleicht in der Sofaritze entkommen können. »Aha! Der feine Herr ahnt also schon, wieso ich hier bin!«, wetterte Shou weiter und fuchtelte mit der CD herum. »Ähm … Was willst du hier?«, wagte Kai, der mehr oder weniger zwischen ihnen auf dem Boden saß, einzuwerfen und so den wild gewordenen Alice-Nine-Sänger zu stoppen. Bevor der noch quer über den Tisch stiefelte und sein Opfer direkt erwürgte, denn danach sah es wirklich aus. »Shou … Das ist ja … schön … dass du uns mal besuchen kommst«, haspelte der sich als mickriger Wurm vorkommende Ruki hevor und hob schon mal abwehrend die Hände. »Du …!« Ein Schnaufen. »Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht? Und außerdem bin ich fast jeden Tag hier! Deine scheinheiligen Ausreden kannst du dir sonst wohin stecken!« »Zum Beispiel in deinen forbidding beehive*.« Kai lachte grunzend und schrieb weiter, bemerkte so nicht die beiden mörderischen Blicke, die sich auf ihn richteten. Shous Augen wurden schmal und schossen nun nadelspitze Blicke auf Ruki ab. »Er weiß es also auch? Und die anderen? Wissen es vielleicht sogar schon alle?« »Ähm … Was meinst du denn?« »Na was wohl! Dein dämlicher Song! ›Forbidden beaver‹! Wieso hast du das getan?!« Die Stimme wurde weinerlich und verzweifelt. Rukis Brust zog sich zusammen. »Vielleicht … sollten wir das draußen klären«, meinte er schnell, als Kai stirnrunzelnd aufsah. Hastig erhob er sich, griff nach Shous Arm und zog ihn hinter sich her in den Flur. Ihr Leader musste nicht alles mitkriegen, das war höchst privat! Nur leider war Shou schon wieder auf hundertachtzig, als sie dann endlich vor der geschlossenen Tür standen. »Was sollte das denn?!« »Kai muss nicht alles …« »Ich meine den Titel! Verdammt, wieso tust du mir so was an?! Wie lange wird es dauern, bis die anderen erfahren, was es damit auf sich hat?!« »Ähm … Also eigentlich …« »Und überhaupt! Wieso ausgerechnet der Name?!« »Hey, jetzt reicht's aber!«, fuhr Ruki wütend dazwischen. »Wer hat denn angefangen?! Aus meinen mühevoll geschriebenen Lyrics hast du doch zuerst den fiesen Namen für mein bestes Stück gewählt!« »Schlimm genug, dass du meiner Rückseite dann auch einen verpasst hast, aber wieso so öffentlich?! Hast du am Ende noch pikante Details im ganzen Text versteckt?!« »Pff, bei dir gibt’s doch kaum was zu erzählen!« »Aber auch nur, weil deiner viel zu klein ist, damit er überhaupt erwähnenswert ist!« »Und du … Mann!« Schaufend standen sie sich gegenüber, am ganzen Körper angespannt und so wütend starrend, dass man die Spannung zwischen ihnen spüren konnte. Und plötzlich stürzten sie sich knurrend aufeinander. Heftig pressten sich ihre Münder gegeneinander, hart krallten sie ihre Finger in den jeweils anderen und hielten sich fest. Aufstöhnend prallten ihre Körper aufeinander, erhitzt und erregt durch die nicht allzu freundliche Diskussion. Sie griffen sich gegenseitig in die Haare, tasteten fahrig jeden Flecken des anderen Körper ab, bis sie sich atemlos wieder voneinander lösten. »Was … Was war das denn jetzt?«, keuchte Shou atemlos. »Und was soll das? Warum … Wieso hast du den Song so genannt?« »Ich hatte halt Sehnsucht nach dir. Ohne triftigen Grund traust du dich doch eh nicht in unseren Proberaum«, grinste Ruki überlegen. »Wenn ich das nicht so an dir mögen würde …« »Du stehst aber drauf. Und jetzt komm endlich!« »Hey, das geht auch sanfter!« Ruki lächelte. Ja, das ging. Er beugte sich vor, küsste Shous Nasenspitze und wisperte in sein Ohr: »Dann lass uns die Pause mal nutzen, hm?« Mit roten Wangen nickte Shou, ergriff die Hand und ließ sich sanft Richtung Toiletten ziehen. Wenn die anderen wüssten, wie lieb Ruki sein konnte. Nicht immer nur der herrische, schlecht gelaunte Zwerg. Aber andererseits, wer vermutete schon, dass Shou ihn immer wieder auf Ideen wie den ›Forbidden beaver‹ brachte, nur um möglichst unauffällig mit dem GazettE-Sänger verschwinden zu können …? * bedrohlicher Bienenstock Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)