The Akatsuki Job von 4FIVE ([Itachi x Sakura | modern AU | thriller]) ================================================================================ Kapitel 10: Shut Up And Drive ----------------------------- . . Book Two: Revelation . . Viereinhalb Jahre zuvor. Marine Corps Camp Courtney, Okinawa. "Sie hatten Talent, Sergeant Herunœ." Haruno Sakura hatte jahrelang darum gekämpft, dass die Amerikaner ihren Namen korrekt aussprachen. Nun war sie hier, zwanzig Jahre jung, ausgebildete Scharfschützin des United States Marine Corps, und hatte die Arme so fest hinter dem Rücken verschränkt, dass es wehtat. Sie würde nicht um Entschuldigung bitten. Nicht nach all den Monaten, die sie um Anerkennung gekämpft hatte. Als Frau bei der Marine zu sein war nicht leicht. Erst als Master Sergeant Maes ihr Talent zur Scharfschützin erkannt und gefördert hatte, war sie schnell in den Unteroffiziersrang erhoben worden. Kein Rekordaufstieg; nichtsdestoweniger ein guter Durchmarsch, der ihr Respekt und Genugtuung verschafft hatte. Sie war jemand gewesen. Jetzt war sie niemand mehr. Aber diesen Respekt würde sie sich nicht nehmen lassen. Sie hatte richtig gehandelt. Zumindest dachte sie das. Seit dem Tag ihres siebzehnten Geburtstags hatte sie sich an die Uniform der Marines gewöhnt. Die dreizehnwöchige Grundausbildung hinter sich gelassen, war sie ihre zweite Haut geworden. Mit ihr fühlte sie sich stark; unbesiegbar nahezu. In strammer Haltung vor ihrem Zugführer—ehemaligem Zugführer—zu stehen, ohne jene Kleidung, in der er sie kannte, war ein Gefühl der Leere. Sie war nicht sie, wenn sie die Uniform nicht trug. Maes schien es genauso zu sehen. Er musterte sie mit Bedauern in ihrem leichten Top und den langen Jeans. "Sie hatten Talent", wiederholte er. "Und Sie vergeudeten es. Ich hoffe, Ihnen ist eines bewusst: jedes Menschenleben, das dieser Mann in seiner restlichen kläglichen Existenz auslöscht, haben Sie zu verschulden." "Ich weiß, Sir." "Gut. Leben Sie damit, Herunœ. Bei Gott, ich bin Christ und selbst wenn euer Schlitzaugenvolk nicht an den Einen glaubt, so möge Er darüber richten, ob Er Ihnen das Leben, das Sie verschonten, aufwiegt gegen all jene, die seinetwegen sterben werden. Ich bedauere es zutiefst, Sie aus dem Marine Corps entlassen zu müssen. Sie wissen, der Druck von oben …" Sakura wagte nicht zu nicken. "Ich verweigerte bewusst den Befehl, einen staatsbekannten Terroristen auf seiner Flucht ins Ausland zu erschießen. Insubordination wird laut dem Kodex mit unehrenhafter Entlassung aus dem United States Marine Corps geahndet", zitierte sie den offiziellen Entlassungsgrund. "Sie handen nach Vorschrift, Master Sergeant Maes." "Sie sind eine attraktive junge Frau, Sergeant. Wir sind in Japan, von hier kommen Sie doch, nicht wahr? Haben Sie Familie, zu der Sie gehen könnten?" Sie hielt den Blick starr, ohne ihn anzusehen. "Ja, Sir. Meine Großeltern leben in Ōsaka." Maes strich sich mit den schwieligen Fingern über sein kantiges Kinn, das von kurzen Bartstoppeln übersät war, die einen gleichmäßigen Teppich männlicher Testostheronausprägung darstellten. Sein Kompliment war keineswegs sexistisch gemeint gewesen. Das wollte sie gerne glauben. "Ōsaka, hm? Schöne Gegend. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft, Sakura." Mit dem Weglassen ihres Rangs realisierte sie es zum ersten Mal. Sie war kein Mitglied des U.S. Marine Corps mehr. Sie würde es nie wieder sein. Unehrenhaft entlassen. Semper fi, immer treu. Von wegen. Mittellos, gestrandet in einem Land, das einst ihre Heimat gewesen war, ihr aber so fremd erschien. Erst vor vier Monaten hatte sie sich auf Wunsch des Master Sergeants mit ihrem Trupp zusammen von Beaufort nach Okinawa versetzen lassen. Ihr Körper war taub, als sie ihren Spind räumte und die Sachen in einer einzigen Reisetasche verstaute. Ihr ganzes Leben in einer Tasche. Ihr einziger Trost war Ino, für die diese Reise bloß ein Abenteuertrip gewesen war. Sie würde für sie da sein. Irgendwie. Sakura dankte Maes stumm für seine Wüsche. Alles Gute für die Zukunft. Sie bezweifelte, dass die Zukunft irgendetwas Gutes haben würde. . . Selbst durch hundert Wälder hinter sieben Meeren hätte sie diese Stimme erkannt. Noch im Fall fasste sie an ihren Hals, der gerötet vom Würgen von innen heraus pochte. Erbittertes Husten, gepaart mit panischem Luftschnappen, ließ sie vornüber kippen; in ihren Ohren bloß ein Gedanke: Woher wusste Sasuke, dass sie hier war? Hatte Tenten sie verraten? Hatte er ihr nicht vertraut, sondern war heraufgekommen, um seinen Bruder eigenmächtig zu töten, wie sie es ihm versprochen hatte? Und, wieso um alles in der Welt, war seine Stimme so glatt? Als sie auf den Betonboden prallte, war der Gedankenstrom zu Ende. Eine Welle dumpfen Schmerzes, den sie kaum mitbekam, rollte über sie hinweg. In ihren Ohren rauschte es noch immer, was es beinahe unmöglich machte, die Konversation zu verfolgen, die ihr Peiniger mit ihrem Retter führte. Bedrohte er nun Sasuke? Nein. Es gab keine Kampfgeräusche. "… du sie leben? Sie hat dich beinahe erschossen, Itachi! Mach die Schlampe kalt, sonst tu ich's!" Itachi?! Sakura erstarrte. Unmöglich! Sasuke hatte sie gerettet! Itachi war tot! Sie hatte ihn zu Boden gehen sehen! Sie konnte nicht verfehlt haben! Sie hatte noch nie— Eine blasse, zittrige Hand drückte sie an der Schulter, sodass sie sich mit röchelndem Atem aufsetzen musste. Ihr linker Arm, mit dem sie ihren Sitz festigte, zitterte nicht minder, der andere, dessen Hand sich die roten Striemen am Hals rieb, ebenso. Ihr Atem ging stoßweise, aber wenigstens war er da. Sie weigerte sich, aufzusehen. Sie würde einen lebenden Uchiha Itachi nicht akzeptieren! Nein, nein, nein! Das metaphorische Bein ihrer inneren, rebellischen Stimme, stampfte beleidigt auf dem zertrümmerten Boden ihrer Perfektion auf. Himmel, Arsch und Wolkenbruch, sie hatte bislang immer getroffen! Die schlanken Finger der Hand, die ihr aufgeholfen hatte, wanderten über ihre Halsbeuge zu ihrem Kinn, wo sie es anhoben. Sakura schluckte durch die trockene Speiseröhre, als sie in jenes Uchiharot sah, das sie gerettet hatte. Uchiha Itachi kniete vor ihr, eine Hand an einer Fleischwunde, die von einem Streifschuss verursacht worden war. Die Woge der Erleichterung war unwillkommener als jene, die sie zuvor verspürt hatte. Nicht Sasuke hatte sie vor dem Erstickungstod bewahrt. Sondern der Mann, den sie hatte umbringen wollen. Welch drecksbeschissene Ironisch. "Hinter hundert Wäldern über sieben Meere am Arsch", zischte sie zynisch, bloß um irgendetwas zu sagen. "Sakura. Wir verschwinden." Tonlos drang die Stimme durch ihre in Watte gepackten Ohren. Sie wich seinem stechenden Blick, der nichts über seine aktuelle Gefühlslage verriet—war er sauer, dass sie ihn angeschossen hatte? War er enttäuscht? Wütend? Würde er sie zerstückeln und in einem der hundert Wälder verscharren, hinter dem sie ihn mit seinem Bruder verwechselt hatte?—nach oben hin aus, wo sie endlich eruieren konnte, was das tosende Geräusch verursachte, das sie zuvor vernommen hatte: es war ein schwarzer Helikopter, der über die Dachterrasse hinweggefegt war. Er war inzwischen über einem anderen Hochhaus, wo er seelenruhig einige Meter über dem Dach schwebte. "Wieso bist du nicht tot?", fragte sie mit rauer Stimme. Sie langte nach seiner Hand, die die Blutung der Wunde an seiner linken Seite auffing, und nahm sie in die ihre. Von der ersten Sekunde an waren sie voll Blut; warmem, flüssigem, hellrotem Blut. Blut eines zweifelsfrei Lebenden. Ein taubes Gefühl der Ohnmacht schlich sich in ihr Bewusstsein, während Itachi seine Hand befreite, um die Wunde notdürftig zu verschließen. "Sakura", wiederholte er eindringlich, "wir müssen verschwinden." "Wie? Wie kann das sein?" "Leg' die Nutte um, Itachi! Die ist uns nur im—" Kisame stockte und Sakuras und Itachis Köpfe schnellten schockiert zu ihm herum. Er hielt sich die Stelle an seinem Hals, wo seine Schuppenflechte am schlimmsten war, die Augen geschockt geweitet. "Aber…" Als er sprach, sprudelte Blut aus seinen Mundwinklen. Seine Iriden wurden trüb, als er den unverständlichen Rest des Satzes in Blutgurgeln ertränkte, vornüberkippte und sich mit letzter Kraft übergab. "Scheiße", hauchte Sakura, deren Stimme endlich wieder einigermaßen ihrem gewohnten Ton entsprach. Sie wusste haargenau, wem dieser schwarz lackierte Fuji UH-1J gehörte—und wer aus ihm heraus operierte. "Das ist die ANBU!" Natürlich. Wenn Sai die Informationen von dort hatte, wussten sie längst, wo sich ihr Ziel aufhielt. "Sakura—" "Verflucht", fauchte sie unwirsch. Ihre Panik schlug um in nervöses Denken, das schlagartig einen Plan formulierte. Er war nicht genial, aber er würde sie hier wegbringen. "Mitkommen!" Ohne auf den Grad seiner Verletzung zu achten—ohne überhaupt nachzudenken, wen sie aufzerrte—raffte sie sich unter dem Lärm und dem Wind, den die Rotorblätter verursachten, auf, Itachi mit sich ins Innere des Hotels ziehend. Er war außer Atem, noch ehe sie den Kopf der Treppe erreicht hatten, hielt sich jedoch tapfer. Der scharlachrote Fleck an seinem weißen Hemd hatte sich vergrößert, sodass er bis über seine Rippen reichte. Schön. Wenigstens hatte sie irgendwo getroffen. Diese Erkenntnis verschaffte ihr nur leider keinerlei Genugtuung. Irgendwann zwischen dem vierten und dritten Stockwerk hatte Itachi sie überholt und schleifte nun sie in jene Richtung, die sie zuvor ausgewählt hatte. Das Treppenhaus war als Fluchtweg gekennzeichnet. Wenigstens eine treffende Beschreibung. Als sie das Parkhaus betraten, in dem ihre ausklingenden Schritte lautstark verhallten, stoppte er. Sakura wäre fast an seinen Rücken gestoßen, hätte sie nicht die Geistesgegenwart besessen, mit einem Seitenschritt auszuweichen, sodass sie wieder vor ihm stand. Ihr hektischer Blick suchte den kaminroten Toyota, mit dem sie hergekommen waren. Frauen und ihre parkenden Autos; gerade eben konnte sie über den Witz, der ihr dazu einfiel, nicht lachen. "Wo zum Teufel bist—dort!" Sie zeigte auf das gesuchte Auto, rannte darauf zu und fiel vor ihm auf die Knie. Für ebensolche Notfälle platzierten sie die Ersatzschlüssel an einem geheimen Platz im Inneren der Karosserie an der Beifahrerseite. Ihre zittrigen Finger erschwerten ihr die Aufgabe, sie aus ihrem Versteck zu fingern. Erst nach bangen Sekunden schaffte sie es endlich, das Miststück an die Oberfläche zu ziehen, wo sie es Itachi über das Autodach zuwarf. Er fing es auf, als hätte er nie etwas anderes gemacht, und starrte sie fragend an. "Was?", zischte sie leise, nicht minder fragend. "Ich kann so kein Auto lenken." Er deutete auf seine Verletzung. "Ich habe keine Führerschein, also halt die Klappe und fahr!" Sie riss die Beifahrertür auf und wartete ungeduldig, bis Itachi sich auf den Fahrersitz hatte sinken lassen. Erst dann stieg sie selbst ein. Ihr Herz pochte, als sie sich bewusst wurde, dass sie Sasukes Privatauto stahl. Zusammen mit seinem Bruder. Nun, sie konnte ihn später immer noch töten, wenn kein Bulk ANBU hinter ihm her war. Warum auch immer sie so plötzlich aufgetaucht waren, jemand mit Zugriff auf ihre Dienste hatte es auf Itachi abgesehen. Sie würde herausfinden, wieso. Dieser ANBU Trupp jedenfalls war anders gewesen. ANBU war eine unter Angabe falscher Bezeichnungen staatlich geförderte Attentätergruppe, die politische Gegner, Flüchtlinge oder Staatsfeinde aus dem Weg räumte. In der Regel jedoch nur durch Festnahmen. Etwas war hier faul. Itachi würde ihr schon noch Rede und Antwort stehen, so viel war sicher. "Dort vorne rechts auf die Autobahn", wies sie ihn an und überraschenderweise leistete er Folge, den finsteren Blick auf die Straße gerichtet. Der Helikopter war nicht mehr zu sehen. Selbst wenn er seine Männer abgeladen hatte, waren sie nicht schnell genug gewesen, um das Auto zu erkennen, mit dem sich die Flüchtigen in den fließenden Verkehr eingereiht hatten. "Wohin fahren wir?", wollte Itachi wissen. "Wir verlassen die Stadt. Vorerst." . . "Sakura-chan! Was tust du denn um diese Uhrz—und wer ist dieser gutaussehende junge Mann? Sakura-chan?" Ungeduldig verbeugte Sakura sich. "Ein Freund, Oma. Dürfen wir reinkommen? Es ist dringend." Haruno Chiyo trat skeptisch beiseite, ließ ihre Enkelin mit ihrem Begleiter jedoch ohne Widerstand ins Haus. Sie hatten zuvor eines von Sasukes alten Jacketten aus dem Kofferraum gefischt, um Itachis blutende Wunde zu verdecken. Chiyo war ein überfürsorglicher Mensch, der darauf bestehen würde, ihn ins Krankenhaus zu bringen. Etwas, das es tunlichst zu vermeiden galt. Glücklicherweise war Sasuke immer auf alles vorbereitet, selbst auf Dinge, die er nicht vorhersehen konnte; die Wechselkleidung passte zwar nicht hundertprozentig, war aber besser als nichts. Im Vergleich zu Sakura, deren Haar zerzaust, Arme aufgeschürft und Kleidung dreckig war, sah Uchiha Itachi neben ihr aus, als wäre er von einem Geschäftsausflug zurückgekehrt. Eine Frechheit. Dass der Christbaum im Wohnzimmer noch stand, war nicht verwunderlich. Sakura schenkte ihrer Großmutter einen tadelnden Blick, der schulterzuckend abgewendet wurde. Ende März und ein geschmückter Christbaum—verrückt! "Wollt ihr mit uns essen? Dein Großvater ist mit der Arbeit im Garten bald fertig. Es gibt Curry." Sakura spürte, wie sich ihr Magen vor Hunger zusammenzog. Während ihrer Lauer hatte sie sich verboten zu essen, um sich nicht abzulenken. "Danke, Oma, aber wir sind in Eile. Dürften wir Mamas Kinderzimmer benützen?" Ohne eine Antwort abzuwarten, schob sie Itachi, dem man nicht ansah, ob ihm die Situation peinlich war oder nicht, die knarrende Treppe des Einfamilienhauses hoch. "Dass ihr mir ja keinen Unfug macht!", rief ihnen Chiyo hinterher. Sakura rollte mit den Augen. "Ich bin vierundzwanzig!" "Eben deswegen!" Sie schloss die Tür hinter sich, ehe sie eine Antwort geben konnte, die sie bereuen würde. Sakura mochte ihre Großmutter, aber sie war manchmal einfach zu aufdringlich. Das machte sie mit Fürsorge und Kochkünsten wett, von denen Naruto und Sai heute noch schwärmten. Die Weihnachtsfeiern bei ihren Großeltern waren immer ein Bankett. Chiyo hatte ja sonst nichts zu tun, außer den ganzen Tag zu kochen. "Nettes Zimmer", kommentierte Itachi. Er stand in der Mitte des kleinen Raumes, der aus einem Bett, zwei Kommoden und einem Ankleidespiegel bestand. Seine ganze Statur war einstoischer Fels in der Brandung, regungslos wie gemeißelt. "Dich bekommt man tatsächlich nicht klein, was?" Der Sarkasmus in ihrer Stimme war unnötig und er tat ihr gleich darauf leid. Ein wenig zumindest. Sie war nicht unbedingt glücklich über diese Wendung; im Nachhinein betrachtet war die Wahl ihres Unterschlupfes eine inakzeptable Entscheidung. Nichts desto weniger war sie hier. Mit Uchiha Itachi, den sie mit einem Stoß auf das Bett hinter ihm verfrachtete. Er hatte aufgrund seines Blutverlustes und der Anstrengung der letzten Stunden schon getaumelt, als sie ihn die Treppe hochgeführt hatte, insofern war es kaum verwunderlich, dass seine Beine bar jeden Widerstandes nachgaben. Wäre er bei Gesundheit gewesen, hätte er sie niedergerammt, ehe sie ihn auch nur berührt hätte. Im jetzigen Fall allerdings… "Zieh dein Hemd aus", befahl sie und verließ das Zimmer. Als sie mit allen provisorischen Utensilien wiederkam, die sie gefunden hatte, saß Itachi artig ohne Oberbekleidung auf dem Bett. Sakura schluckte. Er sah so gut aus, dass es unverschämt war. Diverse Gelegenheiten hatten ihr den ein oder anderen—manchmal auch längeren—Blick auf Sasukes Oberkörper verschafft. Itachis Abdomen war … anders. Seine Schultern waren breiter, seine Brustmuskeln ausgereifter als seine Bauchmuskeln, dessen Gegenteil sie bei Sasuke immer ein wenig gestört hatte. Nicht, dass er sie jemals gefragt hätte. Sasuke sah durch sein geringes Gewicht immer athletisch aus, egal was er trug. Bei Itachi sah man nicht gleich jeden Muskel, weil er gerne und gut zu essen schien, aber sie waren da. Und wie sie da waren. Ihre Aufmerksamkeit wurde allerdings von einem ganz anderen Unterschied gefangen: die Unebenmäßigkeit seiner Haut. Sasuke hatte eine nahezu makellose Haut, um die ihn jede Frau beneidete, auch Sakura. Itachis hingegen strotzte vor Brandmalen, Narben, Schwielen und sonstigen Verunstaltungen. Peinlich berührt schreckte sie auf. Sie hatte ihn die ganze Zeit über angestarrt. Itachi grinste sie verschwörerisch an, behielt sich jedoch vor, seine Gedanken nicht zu teilen. Stattdessen beobachtete er sie, wie sie sich auf den Boden vor ihm setzte und alles um sich herum ausbreitete, das sie mit sich gebracht hatte. "Meine Großeltern sind sehr religiöse Menschen", erklärte sie, während sie selbstgebrannten Sake in drei Gläser einschenkte. "Sie halten nicht viel von Medikamenten, sondern schwören auf Naturprodukte." "Und du bist die Skeptikerin der Familie?" "Ich bin Amerikanerin", sagte sie, als wäre dies die Erklärung für alles. "Ich glaube an Penizillin und Valium. Leider steht uns das nicht zur Verfügung, also werde ich das Beste daraus machen." Sie kippte das erste Glas Sake über ein Tuch, gab ihm das zweite und nahm das dritte selbst auf. "Cheers. Das wird wehtun." Itachi zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe. "Weißt du, was du tust?" Sakura leerte ihr Glas mit einem Zug, ehe sie die Schultern zuckte. "Das hoffe ich. Die medizinische Ausbildung der U.S. Marines dauert immerhin ganze zwei Stunden." Für sein Augenrollen hätte sie ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen. Angesichts ihrer Position beschränkte sie sich letzten Endes darauf, das hochprozentige Tuch auf seine Schusswunde zu pressen. Itachi trank den Sake nun ebenfalls. Er verzog nicht einmal eine Faser seines schönen Gesichts, als sie mit dem Alkohol an seine offene Fleischwunde kam. "Marines also?", sinnierte er gelassen. "Ich fragte mich schon, woher du deine Treffsicherheit hast." Sie zischte verächtlich. Er würde sie nicht provozieren. Nein, diesmal blieb sie ruhig. "Ich habe mein Ziel noch nie verfehlt. Auf die eine oder andere Weise." "Dessen bin ich mir schmerzlich bewusst", gab er gespielt gequält zu. Ohne jede Vorwarnung legte er seine raue Hand auf ihren Handrücken und presst ihn fester gegen seine Schussverletzung. Sakura konnte sich nicht helfen, als Mitleid zu empfinden. Es wäre gütiger gewesen, ihn gleich zu erschießen. Doch das konnte sie nicht. "Ich habe dich gerettet, weil ich die Wahrheit wissen will", murmelte sie ein wenig verlegen. Nur mit Mühe konnte sie sich seinem Griff entziehen, um mit absichtlich gesenktem Blick einen medizinischen Faden durch das Öhr einer Nähnadel zu fädeln. "Auch dessen bin ich mir bewusst, Sakura. Ich lasse mir nichts vormachen", sagte er tonlos. Zweideutig. Sakura ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Sollte er denken, was er wollte. Sie stieß entnervt Luft aus ihren Lungen, als der Faden zum vierten Mal infolge am Rand des Öhrs abprallte. Ohne zu fragen nahm er ihr das Werkzeug ab. "Wie bist du bei den Marines gelandet, Sakura?", fragte er, sich derselben Aufgabe stellend, an der ihre zittrigen Finger gescheitert waren. Binnen weniger Sekunden hatte er sie gemeistert und gab ihr das fertige Produkt zurück. Sakura murmelte einen widerwilligen Dank. "Richte dich auf und halte den Rücken gestreckt, sonst nähe ich zu viel Haut zusammen", befahl sie mit all der Strenge, die sie aufbringen konnte. Er gehorchte bereitwillig. Es war Jahre her, dass sie eine Wunde auf diese Weise genäht hatte. Einen medizinischen Faden hatte sie für den Notfall zwar immer in ihrer Tasche, doch sie hatte ihn noch nie gebraucht. Man hatte ihr einst gesagt, sie habe ein Talent für die Krankenversorgung auf dem Schlachtfeld, doch eine genetische Disposition konnte keine fehlende Übung kompensieren. "Es ist sehr unhöflich, eine Frage zu ignorieren, Sakura." Wie er ständig ihren Namen aussprach! Es trieb sie zur Weißglut und sie rutschte ab. Itachi machte keinen Laut, als die Nadel das umliegende gesunde Gewebe durchstach. Bloß ein leichtes Zucken seiner angespannten Muskeln verriet ihr, dass er es gespürt hatte. "Es ist kompliziert." "Ein Argument, das mich noch nie davon abgehalten hat, etwas zu verstehen. Ich bin neugierig." "Schön für dich", erwiderte sie. Wieso sollte sie ihm auch noch in die Arme spielen? Es gab Sachen, die ihn nichts angingen. Um abzulenken, fuhr sie die längliche weiße Narbe entlang, die sich ebenmäßig von seinem Hüftknochen bis zur Unterseite seiner Rippen zog. "Woher kommt sie?" Wenn Sakura ehrlich mit sich war, hatte sie trotz ihres nonchalanten Tons keine Antwort erwartet. Jeder Uchiha für sich war ein Buch mit sieben Siegeln für sie. Umso überraschender war die Tatsache, dass er unberührt seine Stimme hob. "Messerstecherei. Ich war damals erst ein paar Wochen im Außendienst der Ōsaka Polizei, als wir eine Razzia in einem Club machen sollten, den wir als Deckmantel für den Handel von kinderpornographischem Material vermuteten. Es stellte sich heraus, dass nicht nur mit Bildern und Videobändern gehandelt worden war, sondern auch eine Auktion in Gange war." Sie verstand, was er damit meinte. Menschenhandel. "Konkurrenz für deine Familie." Itachi schüttelte unwillig den Kopf. "Du hast deine Hausaufgaben gemacht, wie ich sehe. Menschenhändler lassen sich nicht gerne in die Karten schauen. Wir hatten genügend Beweise, um den gesamten Ring für gut zwanzig Jahre hinter Gitter bringen zu können. Das gefiel ihnen nicht. Sie fingen an, um sich zu schießen und die malaysischen Kinder als Geiseln zu nehmen. Letzten Endes konnten wir sie überwältigen und die Kinder befreien. Bei diesem Handgemenge ist es passiert. Es sieht schlimmer aus, als es war." Sakura konnte nicht umhin, ihm einen anerkennenden Blick zuzuwerfen. So wie er es schilderte, war seine Aktion heldenhaft gewesen, selbst wenn sie zu einem Teil seines Jobs gehört hatte. Dann schüttelte sie den Kopf, um sich in Erinnerung zu rufen, dass er seine Familie getötet hatte. Vielleicht, fügte sie an. "Wieso hat dein Verein Naruto entführt?" Sichtlich überrascht von dieser direkten Frage, lehnte er sich ein Stück nach hinten. Sie musste nachrücken, um seine Wunde weiter versorgen zu können. Ihre Langsamkeit entsprang—was sie vor sich vehement verneinte—nicht nur ihrer Ungeübtheit. Auf verstörende Art und Weise war es angenehm, seine Haut so zu berühren. Tief in ihrem Inneren wünschte Sakura sich, dass er unschuldig war, bloß um sich nicht schlecht zu fühlen. "Sie wollten mir wohl einen Gefallen tun. Ich bin wichtig für sie. Mein Tod hätte fatale Konsequenzen für Akatsuki." Nach dieser Antwort war es an ihr, sich überrascht zurückzulehnen, um ihn ansehen zu können. Es gefiel ihr nicht, wie sie vor ihm kniete. Wie ein kleines Kind vor seinem Vater, doch er schien den Höhenunterschied nicht mit irgendeiner sozialen Rollenverteilung gleichzusetzen. "Inwiefern bist du wichtig für Akatsuki, Uchiha? Jeder ist ersetzbar." Wenn er ständig ihren Namen aussprechen konnte, konnte sie das schon lange. Sein mildes Lächeln über die Kontinuität, mit der sie seinen Nachnamen dafür benutzte, entging ihr bewusst. "Weniger ich als Person, sondern meine monetären Mittel, meine Kontakte, meine Erfahrung und das Maß, in dem sie mir vertrauen können. Es gibt nicht viele, die über diese Form von Humankapital verfügen", korrigierte er sich selbst. "Übrigens sehe ich nicht ein, wieso ich meine Geheimnisse preisgebe, wenn du dich weigerst meine Fragen zu beantworten." "Einzelschicksal", stellte sie schulterzuckend fest. Ihre Blicke trafen sich, geduldig auf herausfordernd. Sie hielten einander minutenlang fest, bis Sakura sich besiegt der halbvernähten Fleischwunde zuwandte. Was auch immer ihn daran interessierte, sie wollte es ihm nicht verweigern. Was machte es für einen Unterschied? Ihre Vergangenheit war nichts, auf das sie Geheimhaltung geschworen hatte. Zufrieden mit seinem Sieg, verlagerte er sein Gewicht auf einen Arm, dessen Muskelstränge sich durch die Anspannung durch seine Haut abzeichneten. Tsk. Dieser Bastard wusste ganz genau, wie er auf Frauen wirkte. Vermaledeiter Casanova. Dieses Uchiha-Pack. "Fein", stieß sie spitz aus, besann sich angesichts neugieriger Ohren jedoch auf einen normalen Tonfall. Sie musste die Details nicht auch noch vor ihren Großeltern ausbreiten. "Mein Vater wurde in Amerika geboren, seine Eltern kommen allerdings ursprünglich aus Abashiri. Er trat mit zwanzig der U.S. Navy bei und wurde zwei Jahre später ins United States Fleet Activities Sasebo versetzt. Dort lernte er meine Mutter kennen, die mit einer Freundin nach ihrer beider Schulabschluss eine Rucksacktour durch Japan machte. Nachdem sie drei Wochen später wieder abreiste, besuchten sie einander immer wieder. Irgendwann heirateten sie und meine Mutter zog in die Nähe seiner Navystation. Ein paar Jahre später wurde ich geboren, und als mein Vater nach Amerika zurückbeordert wurde, folgten wir ihm. Ich wuchs in einem Vorort auf, in dem fast ausschließlich Leute wie wir lebten; Familien von Navyoffizieren. Ich kannte lange nichts anderes. Unsere Gespräche drehten sich um die Marine, die neuesten Schiffe und die aktuelle Ausgabe der Oversea Oversight." "Klingt nicht nach einer netten Umgebung für ein kleines Mädchen." Der Gedanke, Itachi stelle sie sich gerade als unschuldiges Kleinkind vor, behagte ihr nicht sonderlich, trotzdem schüttelte sie den Kopf. "Ich kannte nichts anderes und im Gegensatz zu meiner besten Freundin störte es mich auch nie. Ich wurde in der Schule oft gehänselt und hatte außer Ino keine richtigen Freunde, also bot es sich für mich an, mich mit siebzehn bei der U.S. Army einzuschreiben. Dass sie mich schlussendlich bei den Marines aufnahmen, machte mich stolz. Ich hatte etwas gefunden, in dem ich gut war. Irgendwann …" Sie brach ab, bloß um seinen Tadel zu erliegen. "Als mein Vorgesetzter nach Okinawa berufen wurde, nahm er ausgewählte Mitglieder seines Teams mit, darunter mich. Einige Monate später fanden Anschläge auf eine Hafenstadt im Osten Südkoreas statt. Die Fluchtroute eines dafür verantwortlichen Terroristen führte über einen Seeweg, der in unsere Überwachung fiel. Ich bekam die Order, ihn zu erschießen, von höchster Stelle, doch ich weigerte mich, da es nicht genügend Beweise gegen ihn gab. Insubordination wird mit unehrenhafter Entlassung vergolten. Danach landete ich bei Hidden Leaf." Itachis verständnisvoller, wenngleich nicht mitleidiger Blick, war beinahe schlimmer als die Erinnerung selbst. Seine Meinung traf sie wie ein Pflock ins Herz. "Du hast getan, was du für richtig befandest. Ich sehe darin nichts Verwerfliches." "Innerhalb der nächsten vier Monate tötete er während zwei Geiselnahmen in Afghanistan über zwanzig Menschen, darunter Kinder, Frauen, die er zuvor vergewaltigte, und eine bekannte spanische Reporterin mitsamt ihrem Kamerateam. Erst dann konnten sie ihn zur Strecke bringen." Diesmal war es Mitleid, mit dem er sie betrachtete. Sakura konnte sehen, wie er abwog, ob sie tröstende Worte hören wollte. Es hätte nichts gebracht. Letztendlich hatte sie das Bedürfnis, eine positive Schlussfolgerung zu bringen, um ihm zu zeigen, dass sie nicht unglücklich war. Als würde es ihn interessieren, ob sie glücklich oder unglücklich war. "Manchmal denke ich daran zurück und frage mich, ob mich einige der Opfer aus dem Jenseits verfluchen." Sie zwang sich zu einem schmalen Lächeln. "Dann fällt mir wieder ein, dass ich nicht an ein Leben nach dem Tod glaube, und dass alles irgendwie seinen Sinn hat." Und wenn nur jenen, einen Unschuldigen zu entlasten— Moment. Seit wann betrachtete sie Itachi als unschuldig? Bloß weil er nett war? Diese Nettigkeit konnte auch einem perfiden Hinterplan entsprungen sein. Was machte sie sich vor? Sie war kein Mensch, der sich selbst verleugnete. Sie glaubte an seine Unschuld, selbst wenn er diese nie selbst ausgesprochen hatte. Sakura stand auf, als sie die Wunde fertig genäht hatte. Laienhaft, aber sauber. Sie hatte tatsächlich ein Talent dafür. "Hast du Hunger?", fragte sie nonchalant. Zur Antwort knurrte sein Magen und er räusperte sich entschuldigend. "Gut. Das Curry meiner Großmutter ist exzellent. Wenn sie fragt, hast du vor, irgendwann eine große, glückliche Familie zu gründen. Das stimmt sie glücklich und sie kann Lügen sowieso nicht durchschauen." "Ich habe nicht vor, in diesem Punkt zu lügen", versprach er. Seiner Hand an ihrem Rücken, als sie aus dem Kinderzimmer trat, war sie sich mit klopfendem Herzen bewusst. Sie war geliefert. Sowas. von. geliefert. Scheiße. . . Hosted by Animexx e.V. 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