Kreativ muss Mann sein von abgemeldet (Reita x Aoi) ================================================================================ | kreativ muss mann sein | »Hast du ihn?« »Nein, hier ist er auch nicht. Wo kann er denn nur stecken?« Seufzend beobachtete Aoi, wie Reita wieder hinter dem Zaun hervorkletterte, hinter welchem dieser bis eben die dürren Grasbüschel durchsucht hatte. Wonach? Nach einem kleinen, süßen, tödlich nervenden Hund. Im Glitzerdress. Theoretisch konnte es also nicht so schwer sein, das verzogene Hündchen aus dem Hause Matsumoto wiederzufinden, war dieses doch vor wenigen Stunden vor der überbordenden Liebe ihres Herrchens geflüchtet – was Aoi gut hatte verstehen können, als er die ebenfalls glitzernde Schleife für das arme Tier gesehen hatte – und wollte nun nicht wieder auftauchen. Uruhas Vorschlag, mit einer Taschenlampe erst im Dunkeln auf die Suche zu gehen, war am Kleinsten unter ihnen gescheitert, der sie alle wütend losgeschickt hatte. Nicht einmal das Argument, dass man das entlaufene Glitzerding dann auch in kilometerweiter Entfernung hätte sehen können, war erfolgreich gewesen. Aber Ruki war nun mal besorgt, hatte sie alle hysterisch über Handy zu sich nach Hause geholt – man möchte schon fast sagen teleportiert, denn ein schlecht gelaunter Ruki war kein guter Ruki und musste schnell beruhigt werden – und nun waren sie in kleinen Grüppchen unterwegs durch die Nachbarschaft des Kleinen. Uruha und Kai waren nach links die Straße hinuntergegangen, er und Reita rechts. Ruki durchsuchte sein kleines Haus. Untenrum zumindest; Uruha hatte angeboten, nachher noch einmal auf den Schränken zu gucken. »Dass der aber auch nie darauf achtet, seine Hintertür zuzumachen. Wie oft ist der Köter jetzt schon abgehauen?«, grummelte Reita neben ihm und schob die Hände in die Hosentaschen, während sie weitergingen. »Vielleicht sollte er doch wieder in eine Wohnung ziehen, damals mit Sabu-chan war es viel einfacher.« »Ach komm, so sorgt er wenigstens dafür, dass du auch mal rauskommst, wenn wir freihaben«, grinste Aoi und wich der Hand aus, die ihm in die Seite piksen wollte. »Du sitzt doch auch nur den ganzen Tag drinnen vor dem Computer!« »Und du vor dem Fernseher!« »Ich gucke mir wissenschaftliche Dokus an!« »Getarnt als Actionfilme, damit niemand auf die Idee kommt, wie schlau du in Wirklichkeit bist und Angst vor dir bekommt?« Reita schnaubte empört und trat nach einer leeren Dose, die auf dem Boden lag. »Wenigstens twittere ich nicht den ganzen Tag sinnloses Zeug wie ›Das Badewasser riecht heute toll!‹« »Hey, das hab ich nie geschrieben!« »Aber so ähnlich!« »Woher weißt du das überhaupt? Behauptest du nicht immer, nie das Internet zu benutzen und Twitter blöd zu finden?« Ertappt zuckte Reita zusammen. Zumindest erschien es dem Gitarristen so, denn der Andere murmelte irgendetwas Unverständliches vor sich hin und beschleunigte sein Tempo. Überrascht sah Aoi ihm hinterher. Bedeutete das etwa, dass Reita seine Tweets las? Heimlich? Denn er hatte bisher noch nicht gehört, dass dieser ebenfalls einen Account hatte. »Kommst du endlich? Wenn wir zu lange brauchen, wird Ruki uns wieder nur eine halbe Tasse Tee geben, wenn wir zurückkommen! Dieser kleinliche, widerliche Geizhals …« Aoi nickte ergeben, folgte dem Bassisten weiter die Straße hinunter und die kleinen Häuser entlang. Ein typischer Vorort von Tokyo. Wahrscheinlich kam hier niemand darauf, dass der cholerische Nachbar in Wirklichkeit der berühmte Sänger war. Wie auch? In seiner Freizeit war vom Modebewusstsein und seinem Bestreben, möglichst gut gestylt zu sein, nicht mehr viel zu sehen. Eher im Gegenteil; wenn er selbst neben so einem Mann wohnen würde, der mit grünlicher Gesichtsmaske, wirren Haaren und schlabberigen Klamotten wie ein fast halbtoter Zombie mit dem Glitzerhund Gassi ging, würde er Angst bekommen und wegrennen. Hatte er auch schon einmal getan. Vor ein paar Jahren. Zum Glück hatte Ruki ihn nicht gesehen und es war nicht aufgefallen, als sie ein paar Stunden später erneut aufeinandergetroffen waren. »Was meinst du, steckt das Vieh im Mülleimer oder reagiert er genauso wie der Zwerg auf den ganzen Dreck?« Reita war vor einem der blechernen Behälter stehengeblieben und betrachtete zweifelnd den Berg an fettigen Papieren und schmutzigen Unrat, der sich vor ihm auftürmte. »Vielleicht wird er gerade bei einer Flucht alles tun, was er sonst nicht darf«, schmunzelte Aoi und angelte einen dünnen Ast aus der Hecke, die dahinter wuchs. Vorsichtig durchwühlte er den Eimer, hoffte, dass nicht ausgerechnet jetzt einer vorbeikam, der ihn kannte, immerhin stand er hier an einem Mülleimer und neben ihm ein Typ, der sich die Hose nicht richtig anziehen konnte. »Nicht drin«, stellte Reita fest, der ihm über die Schulter sah. Aoi hielt die Luft an, als er den Atemzug spürte, der über seine Haut strich, als der Bassist sich noch ein Stückchen vorbeugte und ausatmete, dabei mit seiner Wange leicht die von Aoi berührte. Doch auch beim zweiten Blick schien der Andere nichts Interessantes zu finden und so zog dieser sich wieder zurück. Erstarrt blieb Aoi noch eine Weile so stehen, das Kribbeln bemerkend, welches noch immer an seiner Haut zu spüren war. Nicht zum ersten Mal war Reita ihm überraschend so nahe gekommen, und wie auch die Male zuvor fühlte Aoi sich dabei ganz seltsam. »Hey, Erde an Mond, schwenk mal zurück auf deine Umlaufbahn! Wir müssen weiter!« »Äh … Ja.« Aoi schüttelte sich kurz, versuchte wieder in der Wirklichkeit anzukommen und dem Anderen zu folgen, der bereits einige Meter voraus war und mit der Schuhspitze unter einem Busch herumtrat. »Warum hast du eigentlich jedes Mal diese große Tasche dabei?«, wollte er wissen, als er neben dem Bassisten angekommen war. »Also …« Reita errötete leicht. »Na ja, was Mann halt so braucht …« »Meine Güte, du bist ja schlimmer als Ruki!«, lachte Aoi und schlug dem Anderen auf die Schulter. Und stockte, als er ein Fiepsen hörte. »Hey, ich glaube, der Köter ist da vorne, ich hab ihn gehört!«, rief Reita plötzlich und rannte los. Stirnrunzelnd folgte der Gitarrist ihm, die Augenbrauen zusammenziehend, als er sah, wie der Andere die Tasche beim Laufen seltsam hoch hielt. Als wäre etwas Zerbrechliches darin. »Oh, doch nicht. Falscher Alarm«, lachte der Blonde nervös, als Aoi bei ihm ankam und das Garagentor ansah, vor welchem es nun wirklich keinerlei Versteckmöglichkeiten für den kleinen Hund gegeben hätte. »Reita? Du weißt nicht zufällig, warum sich deine Tasche bewegt hat?« Panisch sah der Andere an sich hinunter, stierte die Tasche an, die sich eigentlich überhaupt nicht bewegt hatte, aber scheinbar schien es im Bereich des Möglichen zu liegen; hätte Reita sich sonst so verhalten? »Na gut, ich geb's auf.« Die Tasche wurde auf dem Boden abgesetzt, die Schnallen gelöst, und schon streckte ein fröhlich fiepsender Koron-chan seine feuchte Nase hervor. »Na, du?« Aoi ging in die Hocke, hob das kleine Tier heraus und auf seinen Arm. Dann stellte er sich wieder hin, ignorierte die nasse Zunge, die seine Nase von innen bearbeitete, und sah Reita vorwurfsvoll an. »Ähm … Ich kann das alles erklären!«, versuchte dieser sich noch aus der Affäre zu ziehen, gab es aber auf und ließ die Schultern sinken. »Na gut, ich wollte mal was mit dir allein machen. Und weil du immer nur am Computer hängst und alle sich wundern würden, wenn ich freiwillig rausgehen und zu dir gehen würde, musste ich mir halt etwas einfallen lassen …« »Du kidnappst Rukis Hund, um mit mir auf die Suche zu gehen und allein Zeit zu verbringen?!« Reitas Gesichtsfarbe ähnelte langsam einer Himbeere. Aoi grinste, irgendwie war die Unbeholfenheit und Ersatz-Kreativität des Anderen schon ganz niedlich, und zog ihm kurz am Ohr. »Das nächste Mal rufst du mich einfach an, klar? Der arme Hund!« Sie lächelten sich an, verlegen in die dunklen Augen des jeweils anderen schauend. Bis sie eine Stimme hörten. »Hey! Was soll das denn werden? Ich such hier ewig nach meinem kleinen Schatz und ihr macht Kaffeekränzchen?! Na wartet!« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)