Küchentussi vs. Schwertschwuchtel von abgemeldet (SanjixZorro; ?x?) ================================================================================ Kapitel 28: Das Handbuch für Unentschlossene -------------------------------------------- Ace' Part: Träume voller Liebe und Sehnsucht verfolgten mich diese Nacht. Einmal war es Marco, der mich innig küsste, dann war es wieder Lysop, der mir gestand, dass er mich liebte. Dann vergewaltigte mich Zorro. Sehr zu meinem Leidwesen hatte meine Teufelskraft in Träumen allerdings noch nie funktioniert. Weshalb ich seinen schweren Körper auf mir brav und mit zusammengebissenen Zähnen erdulden musste. Es war furchtbar; ich schwitzte und bald schon spürte ich meinen Körper von der Hüfte abwärts gar nicht mehr. Konnte es nicht endlich aufhören? Ein durchdringendes Möwenkreischen weckte mich. Gerade noch rechtzeitig. Das war aber auch ein unmöglicher Albtraum gewesen. Zorro war nicht der Typ, der einfach jemanden vergewaltigte. Immerhin hatte er nur Sanji im Kopf und ging sonst als sehr anständig durch. Seltsamerweise schien aber tatsächlich jemand auf mir zu liegen. In meinen Armen, um genau zu sein. Sofort war meine Welt wieder in Ordnung. Es war mitnichten ein böser Triebtäter – es war derjenige, dem ich um des Friedens Willen einfach alles verzeihen würde. Wobei mir die Position, in der wir eingeschlafen waren, doch ein klein wenig merkwürdig erschien. »Ach, Marco«, flüsterte ich und zog ihn der ungewohnten Lage zum Trotz näher an mich heran, »Ich hab dich so...« Moment mal! Seit wann ist Marco klein und schmächtig?! Ich öffnete meine Augen einen Spalt breit. Durch den hellen Glanz einer im Zenith stehenden Sonne hindurch erkannte ich einige schwarze Locken, die sich wie ein Wasserfall über meinen halben Oberkörper ergossen. Klar, wie hatte ich so dämlich sein können?! Ich befand mich auf dem Schiff meines Bruders und das hier war auch Lysop, mit dem ich im Krähennest lag. Alles andere konnte ich meiner Einbildungskraft in die Schuhe schieben. Was sollte ich denn auch gegenwärtig mit Marco?, überlegte ich verwirrt, Er war mir plötzlich zu viel. Ich hab doch Schluss gemacht und das zurecht. Das hier ist etwas ganz anderes... Selbst wenn ich nicht wusste, was genau es war. Zumindest aber ließ sich sagen, dass es irgendwie nett war, nach einer so leidenschaftlich verbrachten Nacht aufzuwachen und festzustellen, dass Lysop immer noch bei mir lag. Ich wagte einen Blick aus dem Fenster. Die Nachtwache hatten wir beide ja schön versemmelt. Glücklicherweise schien jedoch nichts Weltbewegendes passiert zu sein. Bis darauf, dass es mittlerweile bestimmt schon zwölf Uhr mittags war und wir an einer Insel vor Anker lagen. »Ob das Ärger gibt?«, murmelte ich in die Stille hinein. »Mit Nami bestimmt«, kam die ganz unerwartete und sehr müde Antwort von Lysop, »Wache gehalten haben wir ja nicht gerade.« Er setzte sich auf, sah sich kurz um und schien dann zu beschließen, dass es nicht weiter schlimm war, sich wieder in meine Arme zu kuscheln. »Mann, muss das spät sein«, meinte er währenddessen, »Die haben es geschafft, an einer Insel anzulegen, während wir gepennt haben.« »Ich glaub, sie sind sogar an Land gegangen«, stimmte ich zu, »Zumindest hört sich das Schiff sehr verlassen an.« »Ist vielleicht besser so. Ich will noch nicht aufstehen.« »Aber mich als Kissen missbrauchen, oder was?«, beschwerte ich mich grinsend, »Du kannst sagen, was du willst, aber wenn das hier mal kein schwules Verhalten ist...« »Ich bin nicht schwul«, wehrte er wie gewohnt ab, seine rechte Hand dem völlig zum Trotz auf mein Bein gelegt, »Allerhöchstens ein klitzekleines Bisschen bi.« »Aha, so ist das also.« Auf bi hab ich ihn schon herunten. Mal sehen, wie lange es noch dauert, bis er zugibt, dass er schwul ist. Ich zog schmunzelnd eine Augenbraue nach oben. Lysop wusste doch nie genau, was er wollte. Immer lag er im Clinch mit sich selbst, bis er sich endlich für eine Option entschied. Natürlich brauchte er da für Entscheidungen länger als ein gewöhnlicher Mensch. »Dann schlag ich vor, dass wir jetzt vielleicht doch besser aufstehen«, gähnte ich und ließ ihn los, um mich genüsslich zu strecken, »Ich hab Hunger.« »Das Frühstück haben die bestimmt schon längst weggeräumt«, erwiderte er, während er sich über mein Knie hinweg nach unten beugte, um seine Hose vom Boden aufzuheben. »Ach, wir finden auch so irgendwas. Brot mit Käse oder...« »Hör schon auf, das ist doch kein Frühstück«, er erhob sich von der Sitzbank, um sich anzuziehen, »Ich koch uns lieber was.« »Du kannst kochen?« »Klar kann ich kochen. Sanji ist zwar nicht zu toppen, aber immerhin hab ich den größten Teil meiner Kindheit alleine ohne Eltern verbracht. Einfache Sachen krieg ich locker hin.« Er bückte sich und schob den Riegel vor der Bodenluke weg. Als er sie öffnete, um nach unten zu klettern, wehte ein Stoß frischer Luft herein. Bis gerade eben hatte ich gar nicht bemerkt, wie stickig und heiß es in dem kleinen Raum durch die Sonneneinstrahlung geworden war. »Räumst du hier auf und deckst den Tisch, während ich in der Küche bin?«, fragte Lysop, der bereits mit den Füßen auf der Leiter stand. »Klar, mach ich«, versprach ich, bevor meine Faulheit zu Wort kommen konnte. Warum ich das so bereitwillig tat und warum ich innerlich mit dem Drang zu kämpfen hatte, ihn für einen Kuss auf die Wange zurückrufen zu wollen, wurde mir immer klarer mit jedem Schritt, den Lysop in Richtung Boden tat. Dann, als er gänzlich verschwunden war, glühte die Erkenntnis in heißem Rot auf meinen Wangen auf. Natürlich hatten mich die Empfindungen der gestrigen Nacht an Marco erinnert. Aber nicht, weil ich mich so sehr zu ihm zurück sehnte. Die Beziehung mit ihm war nur das einzige Mal in meinem Leben gewesen, dass ich mich wirklich und wahrhaftig verliebt hatte. Dieselben Gefühle nun durch meinen Körper pulsieren zu spüren, wenn ich Lysop ansah, bedeutete dann letztendlich... In Lysop verknallt. Das glaubt mir keiner, selbst, wenn ich es mir fett in roten Buchstaben aufs Hirn schreibe. Allgemein betrachtet stand es jemandem meines Kalibers auch nicht wirklich zu, einen erbärmlichen Angsthasen wie Lysop attraktiv zu finden. Doch was sollte ich machen? Er hatte es mir einfach angetan mit seinen schmalen, weichen Gesichtszügen, den vollen Lippen, der ungestümen Haarmähne und seinen fast schwarzen Augen. Wenn ich ehrlich war, fand ich sogar seine Nase niedlich. Ja, toll ist das jetzt gelaufen, Ace! Wirklich!, schalt ich mich selbst, während ich mir meine Hose anzog, Die Chancen, dass er dasselbe für dich empfindet wie du für ihn, liegen bei etwa null Prozent! Außerdem seid ihr beide verlobt! Das ist doch unmöglich! Aber mich verrückt zu machen, half gar nichts. Besser, ich ließ die Dinge erst einmal geschehen. Immerhin konnte ich ihn bei unseren geheimen Verabredungen jedesmal ganz und gar für mich haben. Vielleicht reichte das. Nicht, wenn das nur einmal in der Woche ist und ich ihn aber sonst die ganze Zeit um mich herum habe. Da dreh ich durch. Ich packte die Decken und stieg damit die Leiter nach unten. Irgendwie musste ich Lysop dazu bringen, sich öfter mit mir treffen zu wollen. Lysops Part: Ich wusste nicht genau, ob ich froh darüber sein sollte, endlich ein paar Minuten für mich alleine zu haben, oder ob in Panik ausbrechen nicht doch angebrachter war. Alles was ich wusste, während ich auf die Schnelle ein paar Pfannkuchen zusammenrührte, war, dass mir der gestrige Abend mit Ace besser gefallen hatte als jemals zuvor. Er war so ungewohnt vorsichtig und sanft gewesen, dass ich bei jedem weiteren Gedanken daran rosa anlief. Wenn das so weiterging, dann würde ich noch süchtig werden. Aber das bist du schon, Lysop, das bist du schon... Einmal mehr musste ich meiner inneren Stimme Recht geben, obwohl ich ihr lieber widersprochen hätte. Nur konnte ich nicht so ganz mit mir klarmachen, wonach ich denn eigentlich süchtig war. Wenn es bloß Sex gewesen wäre, dann hätte ich mir das folglich auch mit jedem anderen vorstellen können. Was aber schon an Nami scheiterte, von Frankie oder Zorro ganz zu schweigen. (An Brook und Chopper wagte ich noch nicht einmal zu denken.) Aber was war es dann, wenn nicht meine zügellosen Triebe? Waren es etwa doch eher die Momente direkt nach dem Sex, auf die ich nicht mehr verzichten wollte? Diese Momente, in denen ich mich ohne Gewissensbisse an Ace schmiegen konnte? Sehnte ich mich etwa nach Zärtlichkeit? »Nein! Nein! Nein, nein, nein, nein...!«, hinderte ich mich selbst daran, eine Antwort auf meine Fragen zu finden, und schüttelte wie wild den Kopf, »Das ist es ganz bestimmt nicht! Ace war doch gestern bloß so drauf, weil er mir vorher von seinem Ex erzählt hatte! Da ist gar nichts! Er interessiert sich nicht für mich und ich interessiere mich erst recht nicht für ihn! So einfach ist das! Schluss! Aus!« Ich knallte den Pfannenwender auf die Arbeitsplatte, dann sog ich verzweifelt und mit zusammengebissenen Zähnen Luft ein. Mein Kopf und mein Körper wollten zwei verschiedene Dinge und gerne hätte ich gehabt, dass ersterer das Richtige anstrebte. Tief in mir spürte ich jedoch die tatsächliche Wahrheit immer eindeutigere Formen annehmen. Ich mochte Ace. Ich mochte ihn wirklich. In seiner Gegenwart fühlte ich mich sicher und er war ein Kerl zum Pferde stehlen. Nur deshalb war es mir auch möglich, mit ihm zu schlafen, ohne mir dabei seltsam vorzukommen. Kein anderer wäre trotz allem immer noch so kumpelhaft und freundlich geblieben. Seit ich aber in den Genuss seiner etwas gefühlvolleren Seite gekommen war, wurde es von Minute zu Minute schwerer, das Verlangen danach zu unterdrücken, ihn öfter für mich alleine haben zu wollen. Denn nur dann war er mehr als Ruffys lässiger Bruder, der Faulenzen als Hobby betrachtete. Und nur dann war ich auch mehr als nur ein pessimistischer Unglücksrabe. Zusammen mit Ace konnte ich tatsächlich ich sein, ohne dass mir jemand einen Strick daraus drehte oder sich darüber lustig machte. Das einzige, womit Ace mich liebend gerne aufzog, war meine felsenfeste Überzeugung, ich könne auf gar keinen Fall schwul sein. Natürlich glaubte er mir das nicht und deswegen machte ich ihm auch gar keine Vorwürfe. Immerhin wusste ich allmählich selber nicht mehr, was ich glauben oder fühlen sollte. »Ach, vielleicht hat er einfach doch Recht«, seufzte ich und drehte niedergeschlagen den Pfannkuchen um, »Ich muss mir nachher das Buch ansehen.« Auch, wenn ich wahnsinnige Angst vor den möglichen Resultaten hatte. So sehr meine Bedenken mich auch bedrückten – sie alle waren spurlos verschwunden, kaum dass ich mich gegenüber von Ace am Esstisch niederließ. Seine Anwesenheit hatte eine unglaublich beruhigende Wirkung auf mich. Was wohl besonders daran lag, dass er sich nach all den anzüglichen Dingen, die wir miteinander getrieben hatten, immer noch wie er selbst verhielt. Andere hätten sich vielleicht Vorwürfe gemacht, wären im schlechten Gewissen versunken oder wären mir grundsätzlich aus dem Weg gegangen. Ace tat nichts von alledem. Er saß mit dem üblichen schiefen Grinsen vor seinem Teller und verbarg gekonnt, was auch immer er gerade fühlte. Nur aus einem machte er kein großes Geheimnis. »Wurde aber auch Zeit. Was meinst du, was ich für einen Mordshunger hab? Pass auf, die Pfannkuchen ess ich alle alleine.« »Hey!« »Ha, ha, war nur ein Witz!«, kichernd klatschte er sich den halben Stapel auf den Teller, »Einen darfst du haben.« »Zu freundlich«, erwiderte ich leicht verächtlich und nahm mir ganz seinen Worten zum Trotz gleich vier auf einmal. Ace inzwischen hatte sich seinen ersten bereits dick mit Marmelade bestrichen und biss nun ein großes Stück davon ab. »Mhh, die sind ja lecker!«, rief er voller Begeisterung und kam kaum mit dem Schlucken nach, »Besser als die von Sanji!« »Glaubst du ja wohl selber nicht«, murmelte ich, auf der Suche nach dem Honig, »Viel zu teigig. Die hätten ruhig noch länger in der Pfanne bleiben können, aber das krieg ich ja nie richtig...« »Ist das Honig, den du dir da auf den Pfannkuchen schmierst?!« Er sah mich über den Tisch hinweg ungläubig an, wie ich mit dem Messer herumhantierte. »Warum nicht?«, erwiderte ich, »Ich weiß schon, manche Leute finden das eklig...« »Gib das Glas her!« Ach, darum geht es ihm. Mit einem verhaltenen Grinsen reichte ich ihm das Honigglas hinüber. Währenddessen meinte ich: »Aber Butter würdest du dir nie draufschmieren.« »Sicher. Hab ich sogar schon.« »Und wie steht's mit der Schokosoße fürs Eis?« »Das ist doch nichts Besonderes. Versuch erst mal Ketchup, dann kannst du dich vielleicht mit mir messen.« »Tss, hab ich schon«, entgegnete ich großspurig, »Wie wär's mit Senf?« »Mayo.« »Joghurt.« »Sojasoße!« »Käse!« »Schinken!« »Jetzt wirst du albern. Spinat!« »Rohe Eier!« »Rohe Eier?«, wiederholte ich. Das klang sogar für meinen Geschmack ein klein wenig fragwürdig. »Schmeckt nicht schlecht«, antwortete Ace, »Kannst es gerne ausprobieren.« »Kann ich nicht. Die letzten Eier sind in den Pfannkuchen.« Wir sahen uns ernst über das Essen hinweg an. Dann brachen wir in haltloses Gelächter aus. Es war unfassbar, über welch banale Themen ich mich mit ihm unterhalten konnte. Und es machte mir noch nicht einmal etwas aus – ohne es sich anmerken zu lassen, war er in Wahrheit mindestens genauso verrückt wie ich. Das als einziger an Bord immer wieder feststellen zu dürfen, erfüllte mich beinahe ein wenig mit Stolz. Fast so, als hätte ihn vor mir niemand jemals wirklich kennen gelernt. »Aber jetzt mal im Ernst«, grinste Ace, nachdem er sich halbwegs wieder beruhigt hatte, »Es gibt nicht viele Leute, die Pfannkuchen mit Honig essen.« »Es gibt auch nicht viele Leute, die sich auf so eine Abmachung einlassen wie wir«, lenkte ich das Thema (wie ich fand, sehr geschickt) in eine ganz bestimmte Richtung. »Stimmt«, erwiderte er und sah mich herausfordernd an, »Wann hätten wir unser nächstes Treffen denn gerne?« »Montag, wie sonst auch?«, schlug ich vor und hoffte inständig, dass Ace dem etwas entgegenzusetzen hatte. Denn wenn ich ehrlich war, dann war der Abend in der Bibliothek genau der richtige Zeitpunkt für eine Ausnahme gewesen. »Also wieder Montag...«, murmelte er und starrte für einen kurzen Augenblick des Zögerns ins Leere. Ich sah ihn unsicher an. Wenn er es dabei beließ, blieb es an mir hängen, eine Regeländerung anzusprechen. »Weißt du...«, fuhr er fort und bedachte mich plötzlich mit einem so durchdringenden Blick, dass ich beinahe den Pfannkuchen fallen gelassen hätte, den ich mir gerade im Inbegriff war zu nehmen, »Ich hab mir nur gedacht... einmal in der Woche... das ist so... hmm... wenig. Wenn du verstehst, was ich meine.« »Worauf willst du hinaus?«, fragte ich, meine volle Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet. Er hatte doch nicht wirklich vor...? »Na ja...«, mit einem nervösen Lächeln angelte er sich die Wildbeerenmarmelade, »Vielleicht frag ich dich besser direkt. Würdest du das auch alle drei Tage machen?« Ich starrte ihn an. Offensichtlich ging es nicht nur mir so, dass mein Verlangen danach mit jedem Treffen stärker wurde. »Du musst mir nicht sofort eine Antwort geben...«, sagte er hastig, doch ich unterbrach ihn. »Tu ich aber. Ich find deinen Vorschlag gut.« »Im Ernst?« Er klang verblüfft. »Muss ich das noch ausführlich erklären?«, entgegnete ich gespielt lässig, um die brodelnde Aufregung in mir zu unterdrücken, »Ich brauch das wohl öfter als ich dachte. Reicht das?« Ich sah hinüber zu ihm und für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich unsere Blicke in äußerst ungewohnter Weise. Fast hatte ich den Eindruck, Ace wäre am liebsten aufgesprungen, um wer-weiß-was zu tun. Stattdessen wandte er aber die Augen ab und grinste. Was auch mich dazu veranlasste, mich zu entspannen. Es war schon erstaunlich, wie schnell und einfach wir uns auf Dinge einigen konnten. So auch darauf, wer den letzten Pfannkuchen bekommen sollte. Beide hatten wir bereits die Hand danach ausgestreckt, als ich meine auch schon wieder zurückzog. »Oh, nimm du ihn«, sagte ich großzügig, »Ich hab eh keinen Hunger mehr.« »Nein, wenn du ihn haben willst, dann...« »Ist schon okay. Wirklich.« »Bist du dir sicher?« Er durchdrang mich mit dem tiefen Blau seiner Augen, als versuche er, meine Gedanken zu lesen. »Ja, natürlich bin ich mir sicher. Ich...« »Red keinen Stuss«, in Windeseile hatte er den Pfannkuchen mit Honig bestrichen und zusammengerollt, »Hier. Die Hälfte kannst du haben.« Er halbierte ihn und reichte mir eines der Stücke. Sprachlos nahm ich es entgegen. Dass Ace Essen teilte, war noch nie vorgekommen. Durfte ich mir jetzt etwas darauf einbilden? »Ich bin dann draußen, wenn es dir nichts ausmacht, auf das Schiff aufzupassen«, sagte er kurz entschlossen und stand mit dem halben Pfannkuchen in der Hand auf, »Ich seh mal nach, wo die anderen abgeblieben sind. Scheint mir so eine Art Sumpfinsel zu sein. Bestimmt sind sie angeln oder suchen nach einer Stadt.« Eine Sumpfinsel?! Und obwohl ich sehr wohl etwas dagegen hatte, unter derartigen Umständen alleine auf dem Schiff zu bleiben, verließ Ace gut gelaunt lächelnd das Esszimmer. Ich blieb zurück und sofort brachen all meine Gedanken und Gefühle wieder über mich herein. Alle drei Tage!, hämmerte es in meinem Kopf, Alle drei Tage! Das heißt, das nächste Mal ist am Donnerstag! Ich glaub, es ist verboten, sich auf sowas dermaßen zu freuen! Natürlich tat ich es trotzdem. Konnte gar nicht anders. Die gemeinsamen Stunden mit Ace waren viel zu wichtig für mich geworden. Ei, ei, ei, Lysop... Was soll das noch werden? Du kommst ja mittlerweile schon schwuler rüber als Sanji. Nein, tat ich nicht! Das bildete ich mir doch nur ein, oder? Wenn ich aber Sanjis und Zorros Verhalten miteinander damit verglich, wie Ace und ich uns benahmen.... Ich schluckte und wurde unwillkürlich rot. Einen Blick in ein ganz gewisses Buch zu werfen, schien mir auf einmal mehr als nur eine gute Idee zu sein. Ich saß auf der Matratze in meinem Trauerhaus und hatte mir eine Decke umgewickelt. Nur eine Armlänge von mir entfernt lag das »Handbuch für Unentschlossene« und funkelte mich feindselig an. Es war einfach gewesen, es aus meinem Zimmer hierher zu tragen, aber zu mehr hatte meine Courage dann doch nicht gereicht. Jetzt nimm es schon endlich! Es ist kein Mensch da, du hast die Tür abgeschlossen und die Bullaugen sind mit Tüchern verhangen! Das merkt keiner! Gestärkt von diesen Gedanken streckte ich meine Hand nach dem Buch aus. Im dämmrigen Licht des niedrigen Raumes machte es vielleicht doch gar keinen so gefährlichen Eindruck auf mich. Es gab hundert Dinge, vor denen ich mehr Angst hatte. »Nein! Nein, das kann ich nicht!«, von meinem vorübergehenden Mut verlassen, versteckte ich meinen Arm wieder unter der Decke, »Da tret ich lieber als Gladiator gegen eine Meute hungriger Löwen an!« Ach, ernsthaft? Glaubst du ja wohl selber nicht! Ich seufzte tief auf. Natürlich hatte meine innere Stimme Recht, es fiel mir nur schwer, ihren schlauen Ratschlägen Folge zu leisten. Sollte ich dieses Buch nämlich tatsächlich lesen, wäre mein Schicksal besiegelt. Das Buch würde bestätigen, was meinem Unterbewusstsein natürlich schon längst klar war. »Okay«, ich holte tief Luft, »Das erste Kapitel kann ich bestimmt gefahrlos lesen. Das ist doch meistens sowieso bloß so ein Vorwort.« Die Augen fast gänzlich geschlossen, tastete ich nach dem Buch. Wenn ich nicht hinsah, so bildete ich mir ein, war es nicht ganz so schlimm. Trotzdem zuckte ich erschrocken zusammen, kaum dass meine Finger den harten Einband berührten. »Ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht...« Unter einem selbst auferlegten Zwang zog ich das Buch zu mir heran. Schließlich lag es neben mir unter der Decke und ich öffnete vorsichtig ein Auge. Das Schlimmste war vorüber, oder? Schnell, damit ich es mir nicht noch einmal anders überlegen konnte, hatte ich das Buch hervorgeholt und auf meinen Schoß gelegt. Dann saß ich zitternd da und beäugte es gut eine ganze Viertelstunde lang misstrauisch. Bestimmt hatte es noch nie zuvor einen Menschen gegeben, der vor einem stinknormalen Buch solche Angst hatte. Wie erbärmlich war ich eigentlich? Mach es endlich auf! Es frisst dich ja nicht! Es hat noch nicht einmal Zähne! Mit dem Gefühl, gänzlich aus Wackelpudding zu bestehen, schluckte ich meine Bedenken hinunter und klappte langsam den Deckel auf. Mitten in der Bewegung klappte ich ihn allerdings lieber wieder zu. Nein, jetzt komm schon! Schlapp machen gilt nicht! Wenigstens den ersten Satz wirst du doch wohl schaffen! Also schlug ich das Buch letztendlich doch auf. »Erst einmal einen großes Lob an Sie«, las ich, »Dass Sie es über sich gebracht haben, dieses Buch zu Rate zu ziehen.« Das hatte ich aber auch wirklich verdient. »Es wird Sie erstaunen, aber bestimmt sind Sie nicht der Erste, der es in der Hand hält.« »OGOTT!« In hohem Bogen warf ich das Buch von mir. Es landete mit einem gleichgültigen Platschen auf dem unteren Ende der Matratze, während ich mich unter meiner Decke zusammenkauerte. Verschreckt spähte ich hinaus. Das hatte mir gerade noch gefehlt; dass ich mir vorstellen musste, wie Zorro Wochen zuvor genau dasselbe getan hatte. Er war genauso verzweifelt gewesen wie ich und dann hatte dieses mistige Ding ausgespuckt, dass er seine Testfrage mit »ja« anzukreuzen habe! Moment, kam es mir da, Zorro kann gar nicht lesen. Dennoch bewegte ich mich keinen Milimeter. Das Buch war schrecklich. Es hatte mich direkt persönlich angesprochen. Hatte ich schon einmal erwähnt, dass ich eine Allergie gegen derartige Bücher hatte? So vergingen weitere fünf Minuten. Wenn mich die ersten beiden Sätze nicht so neugierig gemacht hätten, dann wäre es ein Einfaches für mich gewesen, zu beschließen, das Buch doch nicht zu lesen. Umso länger ich jedoch wartete, desto stärker wurde der Drang in mir, jetzt endlich die Wahrheit herausfinden zu wollen. »Verdammt nochmal!«, wetterte ich aus der Sicherheit meines Verstecks hervor, »Ich tu's ja schon!« Von der Wut auf mein feiges Selbst angestachelt, schnellte meine Hand unter der Decke hervor, schnappte sich das Buch und beförderte es ohne Umschweife in mein unmittelbares Sichtfeld. Es war fast zu finster, um Buchstaben zu erkennen, doch fühlte ich mich in dieser Position weitaus unbeobachteter, als es ohne Decke der Fall gewesen wäre. Möglich, dass ich nun soweit ungehemmt war, dass ich zumindest nicht nach jedem Satz das Buch wegwerfen musste. Also, wo war ich stehen geblieben...? Schon nicht mehr ganz so zögerlich öffnete ich das Buch erneut und fand auch gleich die Stelle, an der ich aufgehört hatte. Ganz entgegen meiner anfänglichen Abscheu verschlang ich das Vorwort regelrecht. Wie auch immer er es gemacht hatte, aber der Autor schien gewusst zu haben, dass eines Tages ausgerechnet ich sein Buch in die Hand nehmen würde. Weshalb mir der Übergang zum ersten Kapitel auch relativ leicht fiel. Ich verschwendete nur einen kurzen, unangenehmen Gedanken daran, dass ich gerade tatsächlich dabei war, mich dem zu stellen, was tief in mir lauerte, dann setzte ich mich auf. Immer noch mit der Decke über dem Kopf fand ich heraus, dass der Rest des Buches wie ein Fragebogen aufgebaut war. Ich brauchte nur die auf mich zutreffenden Antworten anzukreuzen und diese dann anhand der Tabelle am Ende des ersten Kapitels auswerten. Daraus ergab sich dann, zu wie viel Prozent ich schwul war. So weit, so gut. Und wenn ich das eigentlich gar nicht wissen will? Ich schüttelte den Kopf, um meine feigen Gedanken daraus zu verbannen. Besser, als wenn das Buch rein kategorisch in schwul und nicht-schwul unterteilt hätte. Bestimmt wäre sogar Ruffy auf einen Prozentsatz von 20 gekommen, hätte er den Test gemacht. Doch, bestimmt. Jede Wette. »Na, dann wollen wir doch mal sehen...« Von unerklärlichem Eifer gepackt, zückte ich den Bleistift, den ich in meiner Hosentasche gefunden hatte. Es war derselbe, mit dem ich Ace vor drei Tagen den Zettel geschrieben hatte. Danach überflog ich die ersten drei Fragen. »Nummer 1: Zu wie viel Prozent würden Sie sich selbst als schwul bezeichnen?« »Nummer 2: Wie viel Angst haben Sie vor dem Ergebnis dieses Tests?« »Nummer 3: Gibt es in Ihrem Umfeld einen Mann, den Sie als attraktiv bezeichnen würden?« Ich seufzte unwillkürlich auf. Es waren einhundert und eine Frage. Mit jeweils zwei bis sechs Antworten. Noch dazu wurden die Fragen nach hinten hin immer intimer und genauer. Und irgendwie hatte ich das ungute Gefühl, sehr viele von ihnen so ankreuzen zu müssen, dass eine hoher Prozentsatz nicht ausblieb. »Nummer 10: Haben Sie schon einmal einen Mann geküsst?« Nun, zumindest da konnte ich mir sicher sein, dass ich es noch nie freiwillig getan hatte. Was all die Fragen über Sex anbelangte, so sah es da allerdings ein klein wenig anders aus... »Oh Mann, oh Mann«, flüsterte ich bestürzt, während ich mit rot glühenden Wangen Kreuze in Kästchen malte, »Bin ich wirklich so versaut? Aber wenn die da auch so detailliert nachfragen müssen...« Und jedes Mal musste ich zugeben, dass es mir auch noch gefallen hatte. Schlimm war das eigentlich. Besonders, da ich die Frage danach, ob ich schon einmal mit einer Frau geschlafen hatte, wahrheitsgemäß mit »nein« beantwortete. Tatsächlich fühlte ich mich immer schwuler mit jedem neuen Kreuzchen, das ich setzte. Denn die Gelegenheiten, mich als eher hetero zu behaupten, waren rar gestreut bis schlicht gar nicht vorhanden. Meistens musste ich sowieso das nichts aussagende »vielleicht« nehmen. Fast zwei Stunden saß ich da und zerbrach mir den Kopf über meine Gefühle und all die Dinge, die ich bereits getan hatte. Man machte es mir nicht leicht und sogar die letzte Frage konnte ich nicht so beantworten, wie ich es gerne getan hätte. »Nummer 101: Könnten Sie sich in einer festen Beziehung mit einem Mann vorstellen?« Zum wiederholten Male heute schon standen mir nervöse Schweißtropfen auf der Stirn. Natürlich wäre »nein« eine schöne, eindeutige Antwort gewesen. Doch wenn ich nicht gerade an solche Männer wie Ruffy, Sanji oder Zorro dachte, sondern an solche wie Ace – nein, am besten direkt an Ace – dann... Von mir selbst entsetzt entschied ich mich für die Antwort »nicht mit jedem« und blätterte schnell um. Wie ging denn das nun mit diesem Auswerten? Ganz einfach, wie sich herausstellte. Hinter meinen Antworten standen Zahlen jeweils im Minus- oder Plusbereich. Wenn ich alles zusammenaddierte, bekam ich eine Zahl möglichst zwischen null und eintausend heraus. Dann musste ich nur noch anhand der Tabelle ablesen, was es zu bedeuten hatte. In meinem Fall war das Ergebnis erschreckend. 76, 4 Prozent!!! ICH BIN ZU FAST 80 PROZENT SCHWUL!!! DAS DARF DOCH NICHT WAHR SEIN!!! Mit trockenem Mund starrte ich in das Buch hinein. Es war nicht so, als würde ich ihm nicht glauben. Immerhin hatte ich es ja schon geahnt, bevor ich überhaupt in Erwägung gezogen hatte, ein solches Buch zu suchen. Aber diese Tatsache nun so schwarz auf weiß vor mir zu haben, erschütterte mich tief bis aufs Mark. Und mit einem mal verstand ich. Ich verstand, wieso ich den Sex mit Ace genoss, wieso ich mich auf der Suche nach ein klein wenig Zärtlichkeit so gerne an ihn kuschelte und warum ich mich in seiner Gegenwart so ganz anders verhielt als sonst. Ich war schwul. Ich stand tatsächlich und wahrhaftig auf Männer. Kaya konnte einpacken. »Oh Gott, das wollte ich nie«, hauchte ich von meinen Kräften gänzlich verlassen, während die ersten Tränen auch schon mein Gesicht hinabliefen, »Ich wollte das wirklich nicht. Ich, ich... Es tut mir so Leid!« Mit dem Kopf in meinen Händen entschuldigte ich mich immer wieder. Ich entschuldigte mich für meine Untreue, mein leichtsinnig gegebenes Versprechen und dafür, dass ich mich so lange selbst belogen hatte. Und selbst wenn mich niemand hören konnte; mich beruhigte es dennoch ein wenig. Bis ich schließlich dasaß und in mir nichts als gähnende Leere fühlte. Tränen hatte ich für diesen Umstand keine mehr übrig. Ich hatte mich damit abzufinden, so einfach war das. »Manno«, krächzte ich und hob das Buch wieder auf, das ich vorhin hatte fallen lassen, »Ich hätt jetzt gerne Ace hier.« Der hätte mich in seine Arme nehmen können und mir mit einem neckischen Scherz klar gemacht, dass doch alles nicht weiter schlimm war. Er wäre lieb und freundlich gewesen, so wie immer, und... HALT! NEIN!!! Dass ich schwul war, bedeutete noch lange nicht, dass ich in Ace verknallt war. Das brauchte ich mir gar nicht einzubilden. Immerhin hatten wir nur Sex miteinander und weiter nichts. Ganz sicher? Ich dachte zurück an den vergangenen Abend. Ace hatte mich mit seinem Ex verglichen, wenn auch nur flüchtig und ohne näher darauf einzugehen. Bestand vielleicht die Möglichkeit, dass zumindest er auf mich...? Neuerlicher Ansporn überkam mich, weshalb ich mich auch sogleich an das zweite Kapitel des Ratgebers heranmachte. Auch dieses enthielt einen umfangreichen Katalog an Fragen, anhand derer man angeblich herausfinden konnte, ob jemand in einen verliebt war. Schlimmer konnte meine Situation gar nicht mehr werden, fand ich, und solange ich eine sinnvolle Beschäftigung hatte, war es mir egal, ob sich herausstellte, dass Ace, Frankie, Ruffy oder sonst wer auf mich stand. Hauptsache, ich war abgelenkt. »Nummer 12: Hat er Ihnen jemals ein Kompliment zu Ihrem Aussehen gemacht?« Ich zögerte. Was war das gestern gewesen, wenn nicht ein Kompliment zu meinem Aussehen? Er mochte meine Augen. Schön. Ich mochte die seinen ja auch. »Indirekt«, kreuzte ich kurz entschlossen an und ging dann über zur nächsten Frage. »60, 1 Prozent«, murmelte ich, als ich fertig war. Es war mehr als die Hälfte, doch nicht gerade überzeugend viel. Ace war aber auch ein schwer zu durchschauender Charakter, der ähnlich wie Sanji seine Gefühle sehr gut überspielen konnte. Na ja, aber sicher ist zumindest, dass er mich attraktiv findet. Das kann er mit 60 Prozent nicht abstreiten. Obwohl ich immer dachte, um mich attraktiv zu finden, müsse einer schön bescheuert sein. Ich zuckte die Schultern. Fast war ich enttäuscht über die verhältnismäßig geringe Prozentzahl. Ob etwas anderes herausgekommen wäre, wenn ich die Fragen aus Ace' Sicht beantwortet hätte? »Mal sehen. Das kann ich ja immer noch tun.« Dann würde ich schon herausfinden, ob ich auf ihn stand oder nicht. Das tat ich auch. Und es traf mich härter als alles andere heute. 82, 3!?! Ich bin zu mehr Prozent in Ace verknallt als schwul, oder wie?! War ich vielleicht so etwas Dämliches wie acesexuell? Hätte ja schön auf mich Chaoten gepasst. »Verdammt, ist mir schwindelig!« Verwirrt von meinen Gefühlen und viel zu vielen Entdeckungen auf einmal, legte ich das Buch bei Seite und mich selber auf die Matratze. Ich brauchte jetzt erst einmal Schlaf. Ich musste schlafen, um das alles verarbeiten zu können. Später am Abend vielleicht war ich bereit, mir zu überlegen, was ich jetzt weiterhin vorhatte. Ob das, was ich für Ace empfand, wirklich das war, wofür ich es hielt, und ob meine neue Gesinnung mich irgendwie im Alltag beeinflussen würde. Dann konnte ich auch den Ratgeber getrost mit in mein Zimmer nehmen und die verbliebenen beiden Kapitel durchlesen. Immerhin war es jetzt ja kein Beinbruch mehr, dass ich mich für dieses Thema interessierte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)