Zum Inhalt der Seite

Das Blut der schwarzen Rose

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 1

Es war dunkel um sie herum. Sie atmete ruhig und ihre Hände schlossen sich fester um den Griff ihrer Schwerter. Ihr Atem schwebte als Nebel der eiskalten Winternacht über ihrem Kopf. Sie hatte eine Kapuze übergezogen und hockte entspannt auf dem schneebedeckten Flachdach des Hochhauses. Aufmerksam musterte sie das Geschehen auf der Straße, die sechs Stockwerke unter ihr lag.

Sie atmete tief die kühle Luft ein und spürte wie der Wind an ihrem Mantel zerrte, mit dem sie sich kaum von Nachthimmel abhob. Sie bewegte keinen Muskel und war ganz konzentriert auf die Menschen, die sich durch die beleuchtete Straße schlängelten. Alles würde reibungslos verlaufen, denn dafür war sie bekannt.

Sie hinterließ niemals Spuren, es war, als ob sie ein Geist wäre.

Ihren Opfern hinterließ sie meist nur ein kleines Geschenk: Eine schwarze Rose.

Und das war auch ihr Code-Name: Black Rose.

Von dem Geld, das sie verdiente, konnte sie gut leben, denn ihre Auftraggeber waren alles andere, als arme Leute. Doch es kam seid einigen Nächten zu seltsamen Morden, das behagte ihr überhaupt nicht.

Nun hauchte sie ihren Atem leise in die Nacht hinein und beobachtete weiter das Geschehen unter sich. Ab und an fuhr mal ein Auto durch den Schnee, der sich über die Stadt gelegt hatte, wie ein weißes Tuch.

Es war heute sehr wenig los, doch das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, ließ sie nicht los.

Sie und die anderen lebten zwar tagsüber zusammen, obwohl sie Einzelgänger waren, dennoch wussten sie eigentlich gar nichts voneinander.

Sie strich sich eine Strähne aus ihrem Blickfeld und fragte sich: Wer konnte dieser Mörder bloß sein, der anscheinend willkürlich andere Menschen umbrachte. Wer war er nur?

Doch was noch viel wichtiger war: Was hatte er vor?

Immer darauf bedacht keinen Schnee vom Dachsims zu schieben, richtete sie sich auf und ging durch den Schnee. Kurz sah sie zum Mond hinauf, der wegen seiner Sichelform nur wenig Licht spendete.

Sie schritt langsam über das Dach und hörte wie ihr Mantel hinter ihr im Wind rauschte und sich aufbäumte. Unter ihren schwarzen Stiefel knirschte der Schnee und die Schnallen klimperten leise.

Sie lauschte im Wind nach verdächtigen Geräuschen, doch alles war still. Doch sie war sich sicher an der richtigen Stelle zu stehen. Oder war sie nur hier, um das von ihrem Leben bewahren zu können, was noch übrig war?

Sehr früh schon, hatte man ihr beigebracht, das sie keine Gefühle, keine Gnade zeigen sollte. Der Spruch der ihr schon in ihrer Kindheit beigebracht wurde lautete: "Dein Tod ist mein Ziel und dein Blut ist meine Bezahlung."

Doch sie schüttelte schnell den kopf um die Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben, schließlich war sie hier, um einen Auftrag auszuführen und nicht, um in Erinnerungen zu schwelgen! Sie hatte einen Auftrag und den würde sie erfüllen, egal was noch passieren sollte.
 

Noch vor fast einem Jahr hatte sie mit den anderen am Tisch gesessen und sich für die Nacht vorbereitet, doch es sah ganz danach aus, als ob es wieder eine Nacht ohne Auftrag werden würde. Genau wie auch die Nächte zuvor.

"Es ist zum Haare raufen, seid dieser Irre rum rennt, bekommt niemand mehr einen Auftrag.", murrte ein Junge mit schwarzen Haaren und band sich ein dunkelblaues Stirnband um.

"Ja, es ist wie ein Fluch! Ich meine wer ist der Irre?", beschwerte sich ein Mädchen mit langen, weißen Haaren, die sie fest zu einem Zopf zusammenband.

"Hm, ich weiß nicht, hat keiner eine Idee?", fragte ein anderer Junge, der grade das Zimmer betrat. Unter einem Arm trug er einen Beutel.

"Beruhigt euch erstmal.", meinte Black Rose und überkreuzte ihre Füße auf dem Tisch, ihre Schnallen an den Stiefeln klimperten dabei.

Sofort sahen alle zu ihr. Sie zog die Kapuze tiefer ins Gesicht und lehnte sich zurück: "Es könnte möglich sein, das er einer von uns ist.", meinte sie und verschränkte leicht die Arme."

Der Junge mit dem Stirnband schlug mit beiden Händen flach auf den Tisch und fixierte Black Rose: "Das ist unmöglich, zu so was wäre keiner von uns fähig!"

"Wozu wir fähig sind, müsstest du doch ganz genau wissen, nicht wahr, Schattenprinz?", meinte Black Rose daraufhin ruhig, aber kalt. Sie hob leicht den Kopf und fixierte Schattenprinz mit ihren dunkelblauen Augen. Er ballte die Hände zur Faust und starrte sie wütend an:

"Du hast doch keine Ahnung.", murrte er leise setzte sich aber langsam wieder hin, während Black Rose die Füße vom Tisch nahm und sich erhob. Sie knöpfte den letzten Knopf ihres Mantels zu und strich leicht über die Seite um die Falten zu entfernen:

"Du ebenso wenig.", hauchte sie leise, doch jeder im Raum verstand es.

Das Mädchen mit dem weißen Haaren sah zwischen Black Rose und Schattenprinz hin und her: "Jetzt beruhigt euch beide doch mal. Wir stecken alle in der selben Schlinge."

Schattenprinz sah daraufhin kurz aus den Augenwinkeln zu ihr hin.

"Da hat unser Mondschein allerdings recht.", meinte der zweite Junge und schmiss die Tasche auf den Tisch, woraufhin es unheilvoll rappelte.

"Eine neue Lieferung aus der Werkstatt, Kreuz-König?", sagte Rose mehr feststellend, als fragend. Daraufhin nickte Kreuz-König nur.

Kreuz-König hatte diesen Namen nur bekommen, wegen seinem Geschenk, was er seinen Opfern immer hinterließ. Seine Eigenart war es, seinen Opfern eine Kreuz-König Karte in die Brust zu stecken. Dennoch hinterließ auch er niemals auch nur eine einzige Spur.

Nun zog sich Mondschein die Kapuze ihres Mantels über: "Etwas vom Labor ist auch dabei. Sagt mal, habt ihr davon gehört, das hier bald eine Neue hinkommt?"

"Du meinst von der Akademie?", fragte Schattenprinz und öffnete den Beutel mit seinem Messer, dass er aus dem Halfter an seiner Hüfte zog und die Gegenstände schlitterten leicht über den Tisch.

Black Rose begutachtete kurz die Lieferung und nahm eine der kleinen Granaten in die Hand, die direkt vor ihr lagen. Sie sah sofort, dass es sich um eine typische Blendgranate handelte.

"Die könnte Mondschein gut gebrauchen.", meinte sie dann und warf Mondschein die Granate zu zu. Mondschein fing sie geschickt auf.

Im Gegensatz zu Black Rose und Kreuz-König hatte Mondschein ihren Namen nicht, wegen einem Geschenk bekommen, sondern wegen den Waffen, mit denen sie tötete. Die Spitzen ihrer Pfeile waren reinweiß und manchmal sahen die Leute Mondscheins weiße Haare im Mondlicht aufschimmern.

Während die anderen die neuen Waffen betrachteten, warf Schattenprinz entspannt seinen Dolch in die Luft, bevor er ihn aus der Luft klaubte und in den Halter zurück gleiten ließ.

"Das ist ganz schön viel Zeug.", befand er nach einem kurzen Überschauen des Tisches.

Black Rose nickte bedächtig und ließ ihren Blick schweifen. "Aber wie haben Zeit.", meinte sie und schwenkte ein Fläschchen leicht hin und her:

"Wir haben neues Gift bekommen, sieht so aus, als würde es große Schmerzen bereiten.", meinte sie und sah, wie sich Schattenprinz sofort einen der Toxingürtel aneignete:

"Also genau das richtige für mich.", meinte er zufrieden, während sich aber auch Black Rose, Mondschein und Kreuz-König einen der Gürtel schnappten.

Die Schnalle schnappte zu und das Gummi passte sich sofort Black Roses schlankem Körper an.

"Sehr bequem.", meinte sie daraufhin.

"Alles wie immer.", befand Schattenprinz offenbar zufrieden, während er sich den Gift-Gürtel über die Schultern bis zu seiner Brust zog und die Schnalle an der dafür vorgesehenen Einrichtung an seiner Hüfte befestigte.

"Wir haben auch wieder was modernes bekommen.", rief Kreuz-König glücklich und zog eine Pistole aus dem Waffenhaufen hervor. Er ließ die Waffe in seiner Hand ruhen und betrachtete sie zufrieden. Zu gerne würde er sie ausprobieren.

"Wir können sie erst morgen testen und das weißt du.", schaltete sich Black Rose sofort dazwischen, als sie den Schimmer in Kreuz-Königs Augen sah. Black Rose und die anderen riefen sich zumindest Nachts immer mit ihren Codes an, denn es wusste niemand mehr vom anderen, als er musste. Sprich: Code, Geschlecht und Bewaffnung.

In ihrem Schulalltag spielte auch als einziges, das 'echte' Geld eine große Rolle, dementsprechend selten brauchten sie es.

Es war sowieso ungewöhnlich, das vier Killer in einer einzigen Wohnung zusammen lebten, denn normalerweise lebten diese für sich allein. Aber man hatte Black Rose und die anderen auf der Akademie einfach nicht trennen können, denn dort waren sie zu einer Art verschworenen Gemeinschaft zusammen gewachsen.

Black Rose schielte gleichzeitig mit Schattenprinz zu Kreuz-König hinüber, als dieser mit einem lauten Klicken die Pistole nachlud, doch er ließ sie schon auf den Tisch zurück gleiten.

"Wir sollten die Waffen erst mal verstauen.", beschloss er schließlich, packte sich alle vorhandenen Schusswaffen und sperrte sie in den Waffenschrank.

Kreuz-König war der einzige unter ihnen, der mit Schusswaffen arbeitete, den anderen waren sie viel zu laut und Aufmerksamkeit erregend, da sie lieber heimlich und vor allem leise arbeiteten.

Nun, wo die Pistolen vom Tisch waren, konnte sich Black Rose einen besseren Überblick über den Rest der Lieferung verschaffen.

Jeweils acht Schachteln mit Blend- und Rauchgranaten stapelten sich auf dem Tisch, daneben lag eine Auswahl an frisch geschliffenen, zweischneidigen Dolchen. Außerdem lagen da noch einige kleine, aber hilfreiche Betäubungs-Pfeile, kleine Funkgeräte, die an die kleinen Mikrofone von Sängern oder Reporter erinnerten, einige kleine Kameras, die man überall verstecken konnte und eine ganze Ladung von Blutentferner auf dem Tisch.

Schließlich kam es nicht selten vor, das sie Blutspritzer abbekamen, wenn sie jemanden ermordeten, außerdem waren ihnen die anderen Flaschen bereits beim Waschen ausgegangen. Das besondere an dem Mittel war, es war geruchs- und farblos, es konnte also auf der Kleidung nicht nachgewiesen werden, aber auch nicht mit chemischen Mitteln. Das war auch wichtig, denn ansonsten hätten sie gleich mit ihrer blutbeschmierten Kleidung rausgehen können. Aber gerade in ihrem Geschäft war es das wichtigste nicht aufzufallen und sich so zu verhalten, als wäre man ein Geist.

"Mondschein, brauchst du neue Dolche?", fragte nun Schattenprinz und Mondschein schob den ihren Mantels zur Seite um die Dolche an ihrem Gürtel zählen zu können. Erst kürzlich war nämlich ihr Sicheldolch bei einem Auftrag zerbrochen, er hatte sich zwischen Elle und Speiche des Opfers verfangen.

"Sie konnten also nichts machen.", murrte sie enttäuscht und nahm den neuen Dolch in die Hand und schwang ihn leicht hin und her und entschied: "Liegt gut in der Hand."

Da Mondschein von den neuen Dolchen zumindest etwas begeistert zu sein schien, nahm auch Black Rose nun einen in die Hand. Sie spürte ihn kaum, so leicht lag er in der Hand und der schwarze Griff schien wie für sie gemacht worden zu sein. Ein kurzes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen während sie ihr dunkles Spiegelbild im glänzenden Metall betrachtete.

Dann fiel Black Rose was ein und sie wandte sich an Mondschein: "Mondschein? Meintest du nicht vorhin, es würde eine Neue kommen?"

Mondschein nickt und zog ihr Oberteil zurecht, bevor sie anfing ihre Waffen zu ordnen.

"Aber wer von uns wird dann gehen?", fragte Black Rose nun in die Runde und alle horchten auf. Schattenprinz ließ vor Schreck sogar fast seinen Dolch fallen: "Stimmt!", rief er erzürnt und sah die anderen an. "Mehr wie vier dürfen wir doch gar nicht sein!"

Mondschein überlegte kurz und neigte dabei den Kopf leicht zur Seite: "Solange sie noch in der Ausbildung ist, zählt das nicht."

"Das kann ich mir nicht vorstellen.", meinte Black Rose und lehnte sich gegen die Wand, "Sie würden niemanden hierher schicken der in der Ausbildung ist."

"Da ist irgendwas im Busch. Eindeutig.", schlussfolgerte Schattenprinz während er seine Kapuze zurecht zog. Black Rose nickte daraufhin nur bedächtig.

"Wir werden abwarten müssen.", meinte sie schlussendlich und Kreuz-König ließ sich auf einem Stuhl nieder. Mondschein nahm sich währenddessen ein paar der Blendgranaten und steckte diese an die Halterung von ihrem Schultergurt und Black Rose nahm sich eine Packung Wurfmesser aus der Schublade neben Schattenprinz. Nachdem sie die Messer sicher an ihrem Schultergurt befestigt hatte, warf sie die Packung Schattenprinz zu, der sie shcon erwartend angesehen hatte.

Dieser steckte die Messer sicher an seinem Hüftgürtel fest und warf die leere Packung in den Mülleimer, dann knöpfte er sich nur die ersten Knöpfe vom Mantel zu, damit er noch an seine Waffen kommen konnte. Mondschein schloss indes die Schnallen von ihrem Mantel, die etwa in Bauchhöhe befestigt waren.

Black Rose überlegte kurz und öffnete ihren Mantel wieder und beließ es so, denn sie würde nicht frieren, da sie Kälte gewöhnt war. Als sie Glühbirne zu flackern begann, sahen alle von ihren Vorbereitungen auf, denn jemand war im Anmarsch.

Nun ging alles ganz schnell, Mondschein räumte die Waffen an ihren jeweiligen Bestimmungsort, Kreuz-König steckte seine Karten in die Manteltasche und Black Rose steckte ihre Schachtel mit den Rosen weg.

Dann verließen alle das Zimmer, das Schattenprinz hinter ihnen abschloss und den Schlüssel in seiner Hosentasche versteckte.

Jetzt standen alle im Flur und wartete gespannt auf das Klopfen.
 

Schattenprinz: "Der Schatten wird das letzte sein, was ihr seht, bevor die Dunkelheit euch umhüllt."

Kapitel 2

Es war so still um Black Rose herum, das sie die anderen atmen hören konnte. Die Stille legte sich erst, als der angekündigte Besucher dreimal bestimmend gegen die Tür klopfte, woraufhin sie fragte: "Wer ist da?"

"Hier ist eurer Tod und ich habe was für euch.", antwortete eine Stimme sogleich und Black Rose sah aus den Augenwinkeln ein überraschtes Zucken von Mondschein, denn so ein Besuch war selten. Schattenprinz ging zur Tür, öffnete sie und sofort kam der Akademiemeister mit einem ziemlich dünn aussehendem Mann herein. Hinter dem Meister kam auch noch ein Mädchen herein, dessen Gesicht aber noch von einem Mantel verhüllt wurde.

"Wer ist das?", fragte Kreuz-König mit einem fragenden Blick zum Mann während Schattenprinz die Tür schloss.

"Das ist Bloody Pearl. Sie wird ab heute ebenfalls hier wohnen.", antwortete der Angesprochene, dessen Gesicht von einem Schatten verhüllt wurde.

Black Rose konnte trotz seines weit geschnittenen Mantels, das breite Kreuz und die kräftigen Arme erahnen und anhand des goldenen Sternes an seinem Mantelkragen konnte sie mit Sicherheit sagen, das es sich beim Besucher um den Akademiemeister handelte. Sie sah zu ihm hoch und achtete darauf, das ihr Gesicht nicht enthüllt wurde.

"Wer seid ihr?", fragte Bloody Pearl nun, wobei sie ihr Gesicht hinter dem Kragen ihres Mantels versteckte.

"Ich bin Black Rose.", antwortete Black Rose sofort, verschränkte leicht die Arme und überließ es den anderen, sich selbst vorzustellen.

Schattenprinz lehnte sich lässig gegen die Wand und ergriff die Initiative: "Man nennt mich Schattenprinz."

Der Halbschatten hüllte ihn fast ganz ein und nun wurde auch klar, weswegen man ihn den Schattenprinz nannte.

Endlich stellten sich auch Mondschein und Kreuz König vor, wobei Black Rose bemerkte, das Bloody Pearl diese Namen anscheinend nicht unbekannt waren. Offenbar hatte sie auf der Akademie von ihnen gehört.

"Eure Namen?", fragte Bloody Pearl dann weiter und Black Rose schaltete dazwischen, bevor einer antworten konnte: "Die erfährst du noch früh genug, Bloody Pearl."

"Immer noch so misstrauisch wie eh und je.", murmelte nun der Akademiemeister belustigt und sie spürte seinen musternden Blick, "Ihr werdet euch gut verstehen."

"Wollen wir es hoffen.", meinte sie daraufhin nur und ihre Stimme nahm einen kühlen Unterton an. Dann fiel ihr Blick auf den schmächtigen, in Lumpen gekleideten Mann, der nicht gerade danach aussah, als ob er sich die Dienste von Killern leisten konnte.

"Was macht der Mann hier?", fragte Schattenprinz und Mondschein erkannte kurz darauf unter der Jacke einen Verband: "Er ist verletzt."

Der Meister nickte bei Mondscheins Feststellung bedächtig: "Ja, und wahrscheinlich der einzige, der den Angriff des Unbekannten überlebt hat."

Black Rose beobachtete den Mann nur, während Mondschein das Reden übernahm: "Was ist mit ihm passiert?"

Doch der Mann blickte sich nur verstört um, vergrub die Hände noch tiefer in seine Jackentasche und antwortete nicht auf Mondscheins Fragen.

Da dies ein Anzeichen von ansteigender Panik war, beschloss Black Rose ihn nun noch mehr im Auge zu behalten.

"Gehört ihr zu ihm?", fragte der Mann nun leise und seine Stimme zitterte leicht, war aber ansonsten hart und strotzte vor Kälte. Doch noch ging von ihm keine Gefahr aus.

Black Rose sah aus den Augenwinkeln, wie der Meister den Raum mit wehendem Umhang verließ und die Tür hinter sich schloss.

"Zu wem?", fragte Mondschein ruhig. Black Rose konnte sehen wie die Hand des Mannes leicht unter die Jacke glitt und sofort machte sie sich darauf gefasst, jede Sekunde zwischen die Beiden treten zu müssen. Schattenprinz spannte sich ebenfalls leicht an.

"Na zu diesem Jungen! Er wollte mich umbringen! Und ihr wollt das jetzt auch, hab ich recht?", fragte der Mann und Black Rose sah einen irren Schimmer in seinen Augen aufblitzen. Dieser Mann war durch den Angriff komplett durchgeknallt!

"Nein, wir wollen nur Informationen.", antwortet Mondschein ruhig, doch in der Luft lag eine knisternde Anspannung, die sich jederzeit zu entladen drohte.

"Ja, das sagte er auch! Doch dann versuchte er mich umzubringen! Und das wollt ihr auch!", rief der Mann fast schon außer sich. Black Rose war gespannt, wann ihm weißer Schaum vor dem Mund stehen würde. Sie sah wie Kreuz König seine Hand schon vorsichtshalber an den Gürtel gelegt hatte.

"Aber wir gehören nicht zu ihm. Wir wollen nur wissen wer es war, der Sie angegriffen hat.", sagte Mondschein ruhig und achtete darauf, die Aufmerksam des Mannes ganz auf sich zu lenken.

Black Rose kam die Situation bekannt vor, doch daran wollte sie jetzt gerade nicht denken.

"Stellt euch nicht so dumm an! Ihr wisst genau das es Nachtfalke war! Und jetzt wollt ihr mich in seinem Namen umbringen!!", rief der Schmächtige panisch, zog eine Pistole aus seiner Jacke hervor und richtete sie genau auf Mondschein.

"Ich werde euch alle umbringen!", rief der Mann, doch mit einer schnellen Bewegung hatte Kreuz-König auch seine Waffe gezogen:

"Keine falsche Bewegung.", seine Stimme war ruhig, befehlend und kalt. Er fixierte den Mann mit seinen Blicken, genau wie Black Rose und Schattenprinz.

Der Mann begann zu lachen, sein Finger zuckte am Abzug und es fiel ein Schuss. Ein lauter Schrei ertönte und die Pistole flog im hohen Bogen durch die Luft, doch Bloody Pearl fischte sie geschickt aus der Luft und richtete sie nun auf den Angreifer.

Mondschein trat unterdessen auf den Angreifer zu, der sich seine blutende Hand hielt.

Doch als diese nahe genug war, zog der Mann plötzlich mit der anderen Hand einen Dolch und sein Stich ging in Richtung von Mondscheins Bauchhöhle. Aber Schattenprinz und Black Rose waren sofort zur Stelle:

Während Schattenprinz Mondschein aus der Gefahrenzone zog, trat Black Rose dem Mann mit ihrer Stiefelspitze genau in den Magen.

Dieser krümmte sich und stürzte fast, doch plötzlich ging er mit seinem Messer auf Black Rose los, sodass sie grade noch Zeit hatte ihren eigenen Dolch zu ziehen und den Schlag abzuwehren. Gleichzeitig wunderte sie sich über die Kraft des Schlages, denn das hätte sie einem so schmächtigen Mann niemals zugetraut.

Sie drehte sich so zur Seite weg, dass der Mann mit der Schulter gegen die Wand krachte. Nun hatten auch Schattenprinz und Mondschein ihre Dolche gezogen und Black Rose nutzte die kurze Pause um einmal tief durchzuatmen.

Viel Zeit zum Ausruhen blieb ihr aber nicht, da der Dolch des Mannes aufblitze, als er zum nächsten Hieb ausholte. Sie konnte sich gerade noch zur Seite drehen und die Klinge schoss ganz knapp an ihrem Gesicht vorbei. Leider konnte sie dadurch nicht mehr rechtzeitig hochspringen um zu verhindern, das der Mann ihr die Beine wegzog.

Doch Schattenprinz war schon zur Stelle und zog sie am Arm wieder hoch. Mondschein hatte währenddessen die Hand des Mannes mit einem Wurfmesser an die Wand genagelt, das Blut lief an seinem Arm hinab und er atmete röchelnd.

Bloody Pearl hielt leicht zitternd die Pistole fest, mit der sie gerade geschossen hatte und Mondschein begutachtete kurz die Schnittwunde an ihrem Arm und den Riss in ihrem Ärmel. Dann sah sie zum Dolch, der im hölzernen Türrahmen stecken geblieben war.

Das Blut sammelte sich unter dem Mann und sickerte langsam über den Holzboden.

"Wir sollten ihn hier raus schaffen.", meinte Kreuz-König nun und ließ seine Waffe in den Halfter am Gürtel zurück gleiten. Die anderen nickten zustimmend.

Black Rose dachte nach, während sie ihren Dolch wegsteckte: Irgendetwas an diesem Mann kam ihr komisch, wenn nicht sogar bekannt vor, doch sie kam einfach nicht darauf, was es war. Sie zog dem Mann den Dolch aus der Hand und diese schnellte fast sofort in Richtung ihres Halses, auch wenn ihr Besitzer schon so gut wie Tod war.

"Nichts da.", meinte Black Rose kalt, während sie sich den Arm schnappte und ihn ohne zu zögern so verdrehte, das er brach. Der Mann schrie noch einmal auf, bevor er in seinen letzten Atemzügen röchelte: "Der Verräter ist unter euch. Ihr werdet alle sterben, wir werden uns also wieder sehen."

Damit kippte sein Kopf nach vorn und der röchelnde Atem verstummte. Das einzige was man noch hörte war das Tropfen des Blutes in die Lache, die der Besucher hinterlassen hatte.

"Wohin bringen wir ihn?", fragte nun Bloody Pearl.

"Was heißt hier wir? Du bleibst hier und beseitigst mit Mondschein die Spuren. Kreuz-König, Schattenprinz, beseitigt ihr unseren 'Gast'?", auf ein Nicken der beiden Jungs hin fuhr Black Rose fort, "Ich werde mich einmal umsehen. Die ganze Sache behagt mir ganz und gar nicht."
 

Bloody Pearl wagte es nicht etwas zu erwidern, da es auch keiner der anderen tat. Sie sah Black Rose nach und wandte sich dann zu Mondschein um.

"Warum hört ihr alle auf Black Rose?", fragte sie schließlich gerade heraus und glaubte, dass Mondschein unter der Kapuze kurz die Stirn runzelnde.

"Sie hat die größte Erfahrung.", meinte Mondschein und belegte ihre Stimme mit bedacht.

"Ich dachte ihr seid alle gleich alt.", meinte Bloody Pearl und versuchte Mondscheins Bewegungen zu deuten, wie sie es bei Black Rose gesehen hatte, doch es gelang ihr nicht.

Mondschein drückte Bloody Pearl nur wortlos einen Lappen und eine Spraydose in die Hand, sie war schwarz und unbeschriftet.

"Was ist das?", fragte Bloody Pearl nun, ohne auf die Antwort ihrer ersten Frage zu warten.

Mondschein sah mit ihrem schattenbedeckten Gesicht zu ihr: "Du bist zu neugierig. Sieh lieber zu das das Blut weg ist, bevor die Jungs wieder zurück sind."

Bloody Pearl wagte es nun nicht mehr etwas zu sagen, oder zu fragen. Lieber sah sie Mondschein dabei zu, wie sie den Inhalt der Spraydose auf die Wand sprühte und es mit dem Lappen aufwischte. Nun sah diese wieder genauso grau aus, wie zuvor,

Nur das kleine Loch, was Mondscheins Wurfmesser hinterlassen hatte, deutete noch darauf hin, dass hier ein blutiger Kampf stattgefunden hatte.

Doch um sich keinen Ärger einzuhandeln, wandte sie nun den Blick von Mondschein ab und ihren Aufgaben zu und diese lautete: Boden wischen!

Bloody Pearl seufzte, was für eine langweilige Arbeit, aber einer musste sie ja machen.
 

Oben auf dem Dach machte sich Black Rose gerade wieder auf dem Weg ins Haus. Sowohl hier, wie auch unten auf der Straße: Keinerlei Spuren, weder vom Meister, noch vom Mann. Doch sie spürte, wie sie jemand aus dem Schatten heraus beobachtete, doch sie konnte nichts erkennen. Die ganze Sache wurde zunehmend unheimlicher und auch immer verwirrender.

Denn wenn sie den Aussagen des Mannes Glauben schenken konnte, muss Nachtfalke ein junger Mann gewesen sein. Aber ihrer Erinnerung nach, war Nachtfalke eine Frau.

Ob sie vielleicht gestorben war?

Aber wer wäre so töricht den Namen eines anderen Killers anzunehmen und ihn für sich selbst zu verwenden?

Nachdenklich strich sie kurz über ihr Kinn, bevor sie die Tür zum Haus aufdrückte und sich langsam auf den Weg nach unten machte. Im Treppenhaus waren die Jungs schon dabei jegliche Spuren des Mordes zu beseitigen.

"Unterredung im Konferenzraum.", sagte Black Rose und ging an den beiden vorbei, eine Etage tiefer.

Bald war sie im vierten Stock angekommen und ging zielstrebig durch die linkte Tür. Das dort befindliche Material-Zimmer war viel größer, als es der Anschein vermuten ließ. Schließlich hatten sie in diesem Raum so gut wie alle Wände entfernt um möglichst viel Platz zu haben. Dennoch war es hier unten sehr chaotisch.

Aber Black Rose kannte sich hier schon aus, also wusste sie genau, wo sie suchen musste. Sie ging zielstrebig in einen Raum, in dem grüne Kisten fast bis hoch zu Decke gestapelt waren.

Sie ging bis zum Ende der Regalreihe, zog eine der mittleren Kisten hervor, wühlte etwas darin herum und beförderte eine Stadtkarte zu Tage. Es war lange her, seit sie das letzte Mal eine Unterredung abgehalten hatten, doch Nachtfalke verlangte nun nach einer.

Es war keine Aufgabe, die einer alleine übernehmen konnte, soweit war sich Black Rose sicher. Schnell verließ sie mit der Karte das Zimmer und ging durch einen Bogen rüber ins Nächste. Vorbei an Tischen mit allerlei Spionagegeräten, wie Kameras oder Mikrofonen in verschiedenen Größen.

Am Ende eines langen Tisches standen sogar zwei Lügendetektoren rum. Black Rose fragte sich, ob diese überhaupt funktionstüchtig waren. Des Weiteren glitt ihr Blick über ein ganzes Sammelsurium an Elektroschockwaffen und Enterhacken hinweg, bevor sie endlich den langen Tisch mit verschiedensten Laptops gefunden hatte.

Sofort ging sie darauf zu, fuhr kurz mit den Händen über die Deckel, bis sie endlich den richtigen gefunden hatte und nahm ihn hoch. Auf dem Deckel klebt ein rotes Zeichen mit der Aufschrift: "Top Secret"

Warum ausgerechnet dieser Aufkleber draufgepackt war, wusste niemand so genau, aber sie hatten sich daran gewöhnt. Jetzt verließ Black Rose erst einmal den Raum und lief rüber in den Rechten, direkt vor der Wohnungstür. Dieser hatte etwa die Größe einer Besenkammer. Dort drückte sie auf einen versteckten Schalter, der hinter einem Regal verborgen war und schon kam ein Scanner zum Vorschein. Nachdem dann per Handabdruck gesichert war, das es ihr erlaubt war den Raum zu betreten, glitt eine Tür auf, die den Blick auf einen hell erleuchteten Raum in Fahrstuhlgröße freigab. Sie trat in den kleinen Raum und kurz nachdem sich die eine Tür hinter ihr geschlossen hatte, öffnete sich vor ihr die Tür Richtung Konferenzraum. Der Raum war ebenso länglich ausgelegt, wie der Material-Raum nebenan, und ebenso gräulich waren die Wände gehalten. Durch die Fenster drang nur spärlich das Licht der Straßenlaternen, doch so war das nun einmal im vierten Stock.

Black Rose schritt auf den langen, silberfarbenen Konferenztisch zu, stellte dort den Laptop ab, richtete den Projektor auf die helle, weiße Wand und schaltete ihn an.

Am Laptop suchte sie eine Weile im IKN (Internationalen Killer Netzwerk) nach den Dateien die sie brauchen würden und schloss anschließend den Laptop an den Projektor an.

In den Dateien waren die Morde verzeichnet, die passiert waren, seid Nachtfalke vor zwei Monaten wieder aktiv geworden war. Irgendeine Verbindung musste es doch geben!

Gerade hatte Black Rose den Stadtplan auf dem Tisch ausgebreitet, als sich die Tür öffnete und die anderen eintraten. Sie zog sich die Kapuze vom Kopf, was ihr die anderen gleichtaten, dann rieb sich Black Rose kurz den Nacken und musterte dann zum ersten mal Bloody Pearl. Sie wirkte erstaunt, so als ob sie noch nie in so einem Raum gewesen wäre, ihre Augen hatten einen rötlichen Schimmer und die Haare waren in einem so dunklen Lila gehalten, das der violette Schimmer nur Dank des hellen Lichts auffiel.

"Du willst heraus finden, worin der Zusammenhang der Morde besteht, richtig?", fragte plötzlich Schattenprinz in die Stille hinein, bevor er zu den Fenstern ging und diese mit dem umlegen eines Schalters komplett verdunkelte.

Bloody Pearl ließ sich währenddessen auf einen Stuhl sinken, genauso wie Kreuz-König und Mondschein. Schattenprinz gesellte sich derweil zu Black Rose und betrachtete den Bildschirm des Laptops.

"Du hast es erfasst. Und ich will dem neuen Nachtfalken auf die Schliche kommen.", meinte Black Rose und musterte ihn, aber auch alle anderen.

Schattenprinz nickte im Halbschatten des Projektors: "Und wie ich sehe, hast du schon ganze Arbeit geleistet und alles geholt."

Sie bejahte die Feststellung mit einem leichten Nicken und wandte sich dann an die Anderen:

"Also, was wissen wir?", fragte sie und sah Mondschein an, die mit einer Haarsträhne ihres Ponys spielte.

Die Angesprochene sah auf und musterte kurz die Mordliste, die Schattenprinz ihr zuschob, bevor sie antwortete: "Wir wissen, das der neue Nachtfalke seid zwei Monaten sein Unwesen treibt und das er in diesem Zeitraum vier Morde begangen hat."

"Da hat jemand gut aufgepasst.", meinte Schattenprinz und wandte sich an Kreuz-König: "Fällt dir noch was auf?"

Kreuz-König überflog kurz die Liste und schien überlegen zu müssen, dann antwortete er: "Die Morde sind genau die, die noch auf der Liste der alten Nachtfalke standen."

"Sehr gut," gratulierte Black Rose und sah zum Bild von Nachtfalke, das sie auf die Wand projizieren ließ, "Das heißt, das der neue Nachtfalke, die Alte gekannt haben muss, oder zumindest muss er, wie wir, Zugriff auf ihre nicht beendeten Aufträge haben."

"Das wiederum bedeutet, dass der neue Nachtfalke wirklich aus unseren Reihen kommt.", beendete Schattenprinz den Satz für sie.

Dann meldete plötzlich sich Bloody Pearl zu Wort: "Die Morde werden nicht der Reihe nach begangen, ich glaube das der oder die neue Nachtfalke die Morde willkürlich begeht."

Das unterdrückte Auflachen seitens der Anderen entging ihr dabei nicht. Doch Black Rose konnte an ihrem Gesicht deutlich erkennen, dass sie es mit ihrer Aussage ernst gemeint hatte, also wandte sie sich nun direkt Bloody Pearl zu:

"Bloody Pearl," begann sie, ihre Stimme hatte dabei einen kühlen, belehrenden Unterton, "Du magst zwar Recht haben, dass die Morde, die verübt wurden nicht dem Ablauf auf der Liste entsprechen, aber du musst wissen, dass wir niemals etwas erledigen ohne einen Plan zu haben, an den wir uns halten. Also solltest du dich lieber etwas geschlossener halten, vor allem, wenn du keine Ahnung hast."

Nun wandte Bloody Pearl leicht beleidigt den Blick ab, doch Black Rose wusste, dass es nicht das erste Mal sein konnte, dass man ihr genau das sagte.

Sie wandte sich dann an Schattenprinz, der sich gerade die ganze Zeit mit dem Laptop beschäftigt hatte: "Was hast du für uns?"

Schattenprinz nahm ein Blatt Papier in die Hand und überflog es, bevor er das Bild eines älteren Herren mir rundlichem Gesicht und einer Halbglatze auf der Wand erscheinen ließ.

"Das hier ist das jüngste Opfer, wie uns allen hier bekannt ist. Er ist ein großes Tier in der Wirtschaft gewesen. Er wurde in seiner Wohnung mit durchtrennter Kehle und aufgeschlitzter Brust gefunden. Beide Wunden waren mit Garantie tödlich.", antwortete Schattenprinz nun mit einem kurzem Blick zum Bild.

"Wir sind Killer und keine Polizisten.", murmelte Bloody Pearl vor sich hin. Mondschein sah zu ihr hin und auch die Blicke der Anderen konnte sie spüren. Verdammt, sie hatte bestimmt schon wieder laut gedacht!

"Wir machen das, um mehr über die Vorgehensweise des Mörders zu erfahren. Und dieser Mörder ist bekanntlich der Killer Nachtfalke.", meinte Mondschein ruhig, aber trotzdem gefror Bloody Pearl bei der kalten Stimmlage fast das Blut in den Adern.

Black Rose fuhr inzwischen fort: "Wir müssen ihn finden, bevor es wirklich die Polizei tut. Denn keiner von uns weiß, wie viel er über uns weiß und was er verraten würde, wenn er geschnappt werden würde."

Bloody Pearl nickte nun nur noch ganz kleinlaut, denn sie hielt es für vorteilhaft, ab jetzt die Klappe zu halten, um sich nicht noch mehr Ärger einzuhandeln. Sie begutachtete die Listen und die Abbildungen der Opfer, die vor ihr lagen, doch sie wurde beim besten Willen nicht schlau daraus. Was hatte Nachtfalke bloß für ein System? Hatte er überhaupt eines?

"Der Mörder war anscheinend wütend, er richtete bei jedem Mord ein größeres Blutbad an. Ich glaube er ordnet seine Opfer nach irgendeiner emotionalen Kategorie.", meinte plötzlich Kreuz-König und Black Rose ließ langsam die Bilder von den Tatorten an der Wand ablaufen. Das Bloody Pearl ganz bleich wurde und zusammen zuckte, schien niemandem aufzufallen, oder zu interessieren.

Black Rose nickte, nach einem kurzem Blick auf die Bilder: "Ja, das glaube ich allerdings auch, aber leider ist genau das der Knackpunkt. Wir wissen nicht nach welchem Ereignis er sie ordnet."

Eine Weile herrschte Stillschweigen bevor sich Mondschein zu Wort meldete: "Er hat sie alle in ihrer Wohnung ermordet!", rief sie aufgeregt, daraufhin sahen sich Black Rose und Schattenprinz an. Schnell zogen beide die Landkarte zu sich und Kreuz König sorgte dafür das es im Raum wieder etwas heller wurde.

Alle stellten sich um die Karte herum, wobei Bloody Pearl auf den Tisch klettern musste, um überhaupt etwas zu sehen. Schattenprinz hatte damit begonnen, die Orte zu markieren, wo Nachtfalke bereits zugeschlagen hatte.

"Mondschein du bist brillant." lobte Black Rose daraufhin und die beiden, sonst so emotionslosen Mädchen, warfen sich ein kurzes Lächeln zu.

"Also, er hat bereits vier von sechs Morden begangen.", meinte Schattenprinz und verband die schwarzen Punkte mit einem dünnen, roten Marker, "Es stehen noch zwei aus, nur die Frage ist, wo er als nächsten zuschlagen wird."

Daraufhin kreiste Black Rose mit dem schwarzen Marker die beiden letzten möglichen Tatorte ein, die noch ausstanden.

"Die beiden Wohnungen liegen ja recht nahe beieinander.", murmelte Bloody Pearl und diesmal, warf ihr keiner einen kalten Blick zu, sondern alle sahen überrascht auf das, was sich vor ihnen befand und langsam wurde ihnen klar, welches System Nachtfalke verfolgte.

"Das ist der Ansatz von .... einem Pentagramm.", flüsterte Black Rose leise und Schattenprinz begann sofort mit dem Einzeichnen, doch ihnen war eine Sache unverständlich:

"Wieso ist die Spitze des Pentagramms nicht mit einem der Tatorte verbunden?", fragte Kreuz-König, worauf sich alle fragend ansahen und fast schon hofften sie, das Bloody Pearl wieder einen Geistesblitz von sich gab, aber auch sie schwieg.

Black Rose fuhr mit ihrem Fingern noch einmal die Linien entlang, in dessen Mitte sich die zwei ausbleibenden Tatorte befanden. Langsam kam ihr einer Idee und sie tippte kurz auf die Tatorte und fragte dann selbstsicher:

"Was ist, wenn es nicht zwei Morde sind, sondern nur ein einziger?"

Langsam dämmerte es auch den anderen und sie sahen Black Rose schweigend an, während sie sagte:

"Ja, Leute, es handelt sich hier um einen Doppelmord."
 

Bloody Pearl: "Nenn mich noch einmal klein und du wirst erfahren warum ich Bloody Pearl heiße!"[/]

Kapitel 3

"Der Mord findet also hier statt.", meinte Schattenprinz und tippte mit dem Ende des Stiftes auf den Stadtplan.

Bloody Pearl musterte den Stadtplan, aber nicht wie die anderen um einen ungefährlichen Weg dorthin zu suchen, sondern, weil sie wissen wollte, wo sie eigentlich hin mussten.

"Ähm ... Leute, das ist das Rathaus.", hauchte die leise und nun richtete sich auch die Aufmerksamkeit der anderen auf die Stelle auf der die Spitze des Pentagramms zeigte. Mondschein stellte sich sofort hinter den Computer und suchte etwas, bis sie kurz inne hielt und dann aufsah: "Morgen Nachmittag, werden die Zielpersonen eine Pressekonferenz vor dem Rathaus abhalten.", meinte sie und sah wie Black Rose eine Faust ballte.

"Verdammt, das ist gar nicht gut, das ist sogar verdammt schlecht.", meinte sie und fing an den Raum zu durchqueren. "Wir haben morgen Schule und wenn ich die Zeiten bedenke ..."

"Haben wir keine Zeit mehr hierhin zurückzugehen, ohne das wir eine Chance hätten Nachtfalke schnappen zu können.", beendete Mondschein den Satz und sah in das nachdenkliche Gesicht von Schattenprinz.

"Uns bleibt keine Wahl", meinte Black Rose und die anderen sahen sie an, "Wir müssen unsere Waffen mit in die Schule nehmen."

Die anderen nickten nach kurzem Zögern, nur Black Pearl schaute noch skeptisch drein, während die anderen schon überlegten, wie sie ihre Waffen unbemerkt durch die Schule bringen wollten.
 

-------------------------------------------------------------------
 

Die Nacht war alles andere als entspannend gewesen, das dachte sich zumindest Black Rose, bevor sie plötzlich aus ihrem Schlaf gerissen wurde.

"Hey, steh auf, Jess!", das drang sogar noch durch ihr Kissen. Sie murrte irgendetwas unverständliches vor sich hin und drehte sich auf die andere Seite.

Als Mondschein den Vorhang zur Seite riss, wollte Black Rose die Decke über ihren Kopf ziehen, doch sie zog ihr diese aus den Händen.

"So, jetzt komm frühstücken.", flötete Mondschein, die wie immer hellwach war. Black Rose konnte hören wie sie das Zimmer verließ.

Sie seufzte, setzte sich langsam hin, pustete genervt eine Strähne aus ihrem Blickfeld und stand langsam auf. Dann nahm sie sich ein paar Klamotten und verzog sich in ihr Bad.

Erst nachdem sie sich gefühlte zwanzig Mal kaltes Wasser ins Gesicht geklatscht hatte, wurde sie langsam wach.

Black Rose schüttelte leicht den Kopf und betrachtete sich kurz im Spiegel. Ihre dunkelblauen Augen wirkten so leer wie schon lange nicht mehr. Nachtfalke bereitete ihr mehr Sorgen, als ihr lieb war.

Sie seufzte, trocknete sich das Gesicht am Handtuch ab und warf es dann einfach zur Seite weg, erst dann machte sie sich auf den Weg in die Küche.

Die anderen saßen schon längst da, die meisten waren schon ebenso wach wie Mondschein, nur Schattenprinz hing halb schlafend auf seinem Stuhl.

"Na los komm, mach nicht so ein brummiges Gesicht.", meinte gerade Mondschein und holte sich ein Spiegelei aus der Pfanne.

"Ich bin ein Morgenmuffel, ich darf das.", murrte Schattenprinz müde und bekam gar nicht wirklich mit, wie Black Rose zum Waschbecken ging und ein Glas mit kaltem Wasser füllte.

Dann schlich Black Rose sich praktisch von hinten an den Verschlafenen heran.

"Wag es dich ...", wollte dieser gerade sagen, doch schon hatte sie ihm das eiskalte Wasser übers Gesicht gekippt.

Sofort sprang Schattenprinz auf: "Na warte, das bekommst du wieder!"

Die Schuldige grinste kurz leicht und wurde dann von Schattenprinz durch die Wohnung gejagt.

"Du kriegst mich sowieso nicht!", rief sie und sprang hinter das Sofa. Dann fixierte sie Schattenprinz der sich das Wasser von der Stirn wischte: "Das werden wir ja noch sehen."

Er lächelte siegessicher und rannte halb um das Sofa herum, doch Black Rose sprang mit einem Satz auf das Sofa und von dort aus auf den Couchtisch. Währendessen schwang sich Schattenprinz über die Sofalehne und sprang direkt zu Black Rose auf den Tisch.

"Hab ich dich.", grinste er und griff nach ihr, doch sie wich aus.

"Na, na, nicht so voreilig.", Black Rose lächelte leicht. '

Sie und Schattenprinz hatten sich solche Späße angewöhnt und wer nicht aufpasste, konnte meinen, das die beiden beste Freunde wären.

"Ich hab doch gesagt ich krieg dich.", grinste Schattenprinz und sah Black Rose an. Die strich sich eine Strähne hinter Ohr und drehte ihm dem Rücken zu: "Lass uns frühstücken gehen."

Doch bevor sie vom Tisch springen konnte, legte Schattenprinz von hinten seine Arme um ihre Taille und hob sie hoch.

"Hey lass mich sofort runter!", rief Black Rose, doch er trug sie umbarmherzig weiter. Erst als die Hacke ihres Stiefels in seinem Magen landete, gab er sie frei. Trotz der Schmerzen grinste er und hielt sich den Bauch: "Ich hab doch gesagt, ich kriege dich."

"Ja, in deinen Träumen.", lächelte Black Rose und ging langsam wieder zurück zu den anderen in die Küche. Bloody Pearl stach gerade auf ihr Spiegelei ein und musterte sie kurz als sie rein kam.

"Nein, das ist nicht immer so.", meinte Black Rose auf ihren Blick hin und nahm sich einen Teller aus dem Schrank. Sie schlug sich ein Ei in die Pfanne und für Schattenprinz machte sie gleich eins mit. Kreuz-König beschäftigte sich gerade damit seine Müsliflocken zu zerhacken.

"Hey, halt dich mal etwas zurück! Du ertränkst gleich die Zeitung mit deinem Müsli!", meinte Mondschein genervt und wischte nun schon zum etwa zwanzigsten Mal mit einem Tuch über die Zeitung. Aus dem Wohnzimmer hörte man noch immer ein elendigen Stöhnen.

"Jetzt stell dich nicht so an! Ich hab gar nicht mal feste zugetreten!", rief Black Rose in Richtung Wohnzimmer, nahm sich ihr Spiegelei aus der Pfanne, schnappte sich ein Glas mit kühlem Eistee und ließ sich dann auf ihren Stammplatz am Tisch nieder.

"Jetzt komm her, oder ich esse dein Spiegelei gleich mit!", rief sie schließlich noch mal in Richtung Wohnzimmer, bevor sie anfing zu essen.

Bald kam auch endlich Schattenprinz in die Küche und rieb sich noch immer die Stelle am Bauch, wo sie ihn getroffen hatte.

"Sag mal, weißt du wie hart deine Stiefelhacken sind?", meinte er gespielt beleidigt und schmierte sich ein Wurstbrot, in das er herzhaft hinein biss, bevor er sich sein Spiegelei auf einen Teller lud.

"Da es deinem Appetit anscheinend nicht geschadet hat, kann's ja nicht so schlimm gewesen sein.", meinte die Angesprochene gleichgültig und Mondschein grinste kurz hinter ihrer Zeitung. In dieser fand sie aber nicht sehr viel neues, erst als sie die Politikseite aufschlug, sprang ihr sofort ein Artikel ins Auge.

"Hey Leute, ich hab da was gefunden.", rief sie aufgeregt, bevor Schattenprinz zu einem Konter ausholen konnte.

"Der Präsident der größten Firma der Stadt, wird heute mit seiner Stellvertreterin eine Ansprache vor dem Rathaus halten. Aber das miese daran ist. Wir haben da noch Unterricht.", zitierte Mondschein und seufzte.

Kreuz König fiel daraufhin der Löffel ins Müsli und Bloody Pearl sah von ihrem Teller auf, der jetzt einem Schlachtfeld ähnelte.

"Ich dachte die Ansprache sei erst heute Nachtmittag?", meinte Kreuz-König und nahm die Zeitung an sich, um sich zu vergewissern, dass Mondschein sich keinen Scherz erlaubte.

"Sie ist auf heute Vormittag verschoben worden.", meinte diese düster und pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht. Sie hatte ihre Haare wieder einmal zu einem Zopf gebunden, doch sie empfand es als unpraktisch sich sie störenden Haarsträhnen mit Spangen zu befestigen und so baumelten sie ihr immer wieder im Sichtfeld herum.

"Tatsächlich.", stimmte Kreuz-König ihr düster zu und gab die Zeitung wieder zurück, "Das einzig positive ist, das wir vorher noch Pause haben."

"Das heiße also, das wir die Schule schwänzen?", fragte Bloody Pearl nun und alle sahen zu ihr. In diesem Moment wünschte sie sich, nichts gefragt zu haben. Doch die Antwort von Schattenprinz fiel einigermaßen freundlich aus: "Nun, nicht direkt schwänzen, wir werden nur nicht anwesend sein, wenn uns unser Lehrer Mathematik beibringen will."

"Jess wird er eh nicht vermissen.", grinste Mondschein nun und rollte die Zeitung zusammen und schlug damit Kreuz-König auf die Finger, als dieser nach der Keksdose griff: "Na! Du hast da dein Müsli, jetzt iss auf oder wir kommen zu spät."

"Waren wir jemals pünktlich?", fragte Schattenprinz und lehnte sich entspannt auf seinem Stuhl zurück.

"Du kamst ja nicht aus dem Bett.", antwortete ihm Black Rose, schob sich den Rest von dessen Wurstbrot in den Mund und stand auf: "Jetzt schau mich nicht so an, sondern iss wenigstens dein Spiegelei."

Mit diesen Worten legte sie ihren Teller in das Waschbecken und trank in einem Zug ihr Glas leer. Kreuz-König schaufelte sich währenddessen geräuschvoll sein Müsli in den Mund und Mondschein hatte damit begonnen ein paar Kleinigkeiten in die Schultaschen zu packen.

"Haben wir alles dabei was wir brauchen?", fragte Black Rose sie, während sie Bloody Pearl zum Abwaschen an das Waschbecken schob.

Ohne auf die Antwort zu warten nahm sie Schattenprinz seinen Teller weg, sodass dieser sein Spiegelei mit beiden Händen retten musste. Er starrte sie nur leicht finster an, bevor er sich sein Spiegelei in den Mund schob und es mit einem Glas Wasser runterspülte.
 

Trotz ein paar weiterer Streitigkeiten, machten sich alle fünf rechtzeitig auf den Weg.

Am Horizont ließen sich einige dunkle Wolken blicken.

Black Rose zog den Gurt ihrer Schultasche zurecht, während Bloody Pearl versuchte den anderen zu folgen und sich gleichzeitig ihren linken Schuh anzuziehen. Schließlich lehnte sie sich gegen den Pfahl einer Laterne, zog ihren Schuh über und rannte dann den anderen hinterher.

Unterdessen sah Black Rose zum Kirchturm, dessen Uhr kurz vor acht zeigte.

"Hm, ich schätze wir kommen zu spät.", schlussfolgerte sie und zuckte mit den Schultern.

Mondschein fing an zu grinsen und sah zu ihr: "Wettrennen?", fragte sie und rannte schon los.

Schattenprinz sah sich kurz um, bevor er über die Straße rannte und in einer Gasse verschwand, wo er von den Schatten praktisch verschluckt wurde.

Auch Kreuz- König war schon längst die Straße hinab gerannt,

"Kannst du klettern?", fragte Black Rose an Bloody Pearl gewandt und kurz nachdem diese zögerlich genickt hatte, sprang Black Rose auch schon an einer Hauswand hoch. Ihre Füße berührten nur kurz einen Fenstersims nach dem anderem , bis sie schließlich sicher auf dem Dach des Hauses landete.

Als sie schließlich nach unten blickte, war Bloody Pearl auch schon verschwunden. Sie zuckte nur kurz mit den Schultern und lief am Dachsims entlang, bevor sie gekonnt absprang und auf dem Dach des nächsten Hauses landete.

Plötzlich tauchte Bloody Pearl hinter einem Schornstein auf und Black Rose nickte ihr kurz zu, bevor sie über das Dach sprintete und auf das nächste sprang.

Bloody Pearl setzte ihr sofort nach und so ging das eine Weile weiter, bis Black Rose vom Dach sprang. Sie hielt sich kurz an einem Fenstersims vom fest und vergewisserte sich, dass ihr Vorhaben auch klappte. Dann stellte sie die Füße an die Wand und stieß sich so ab, dass sie sicher auf einer Mauer landete und von dort sicher nach unten sprang.

Hier wartete sie auf Bloody Pearl, die sich am Abflussrohr runter gleiten ließ, zwei Meter über dem Boden absprang und elegant neben ihr landete.

"Wir sind da.", meinte Black Rose trocken, was in Anbetracht des großen Schulgebäudes schon überflüssig gewesen war. Sie ging über die Straße, lehnte sich an einen Pfeiler der Tore und sah sich suchend nach den anderen um.

Die Schuluhr läutete grade, als Mondschein aus der gleichen Gasse kam, wie vorhin auch Black Rose und Bloody Pearl, sie huschte geschwind über die Straße, nickte Black Rose zu und verschwand im Schulgebäude.

Auch Black Rose setzte sich nun in Bewegung und Bloody Pearl folgte ihr. Sie ging in die Klasse, ließ sich auf ihren Platz hinter Mondschein fallen und sah aus dem Fenster.

Nun kam auch endlich Schattenprinz leicht schlitternd vor dem Klassenraum zum stehen und schlenderte gemütlich zu seinem Tisch in der dunkelsten Ecke des Klassenraumes.

Black Rose beobachtete, wie verloren Bloody Pearl dastand, bevor sie von Missy zu sich gerufen wurde. Sie seufzte und lehnte sich zurück.

Missy war, nett ausgedrückt, die Schlampe der Klasse.

Schließlich ließ sich Bloody Pearl auf den letzten freien Platz sinken und sah sich in der Klasse um.

Black Rose konnte ihr ansehen, das selbst ihr Missy missfiel, besonders da diese mal wieder in ihrem sexy Mini und mit einem Ausschnitt fast bis zum Bauchnabel herumlief.

"Das die überhaupt noch ein Oberteil anzieht.", murmelte sie daraufhin leise und Mondschein kicherte kurz.

Plötzlich kam Kreuz-Königin die Klasse geschlittert und krachte fast ins Pult.

Gerade hatte er sich keuchend auf seinen Platz fallen gelassen, als auch schon der Lehrer den Raum betrat und seine Bücher aufs Pult krachten.

"Good morning class.", ließ der Lehrer verlauten und ein genervtes Stöhnen entfuhr der ganzen Klasse.

Englisch am frühen Morgen, was für eine Folter!

Doch der Unterricht wurde amüsanter als erwartet, denn Kreuz-König veranstaltete einen großen Radau, als er aufstehen sollte, um sich vom Lehrer abfragen zu lassen.

Erst warf er seinen Stuhl um und dann fegte er noch versehentlich, seine Stifte vom Tisch, die damit durch die ganze Klasse flogen.

Black Rose sah, wie sich Mondschein die Hand vor den Mund drückte, um nicht laut loszulachen. Doch sie blieb genau wie Schattenprinz eigentlich ziemlich ruhig, tauschte aber dennoch mit ihm einige amüsierte Blicke aus. Besonders als Kreuz-König anfing sich wortreich auf Englisch zu entschuldigen, während er noch die Stifte einsammelte.

Selbst der Lehrer schien erstaunt, über dessen großen, englischen Wortschatz, zu sein.

Pünktlich zum Schellen ließ Black Rose ihr Heft in die Tasche fallen, warf ihr Etui hinterher und schulterte den Rucksack.

In der nächsten Stunde würden sie zum Glück nicht mehr da sein.

Sie schlenderte zum hinteren Teil des Schulhofs und ließ sich dort unter einem Baum ins Gras sinken. Bald darauf nährte sich ihr Schattenprinz, den sie jedoch nur aus dem Augenwinkeln heraus beobachtete.

Er hatte wie immer die Hände in den Hosentaschen und hielt sich leicht versteckt, um nicht doch noch von den Mädchen gesehen zu werden, denn obwohl er so gefühlskalt war und auch nicht gerade nett zu den Meisten, rannten ihm die Mädchen in Scharen hinterher.

"Na? Bist du deinen Fanclub doch noch los geworden?", fragte Black Rose, während sich Schattenprinz seufzend so an den Baum lehnte, das er von den anderen nicht mehr gesehen werden konnte. Dann sah kurz zu ihr runter und stützte einen Fuß am Baumstamm ab.

"Ich weiß gar nicht, was die alle an dir finden.", meinte Black Rose nun und lehnte den Hinterkopf an den Baumstamm.

"Wo ist Mondschein?", fragte Schattenprinz und sah einem Vogel zu, wie er in einem Busch hin- und herhüpfte.

"Sie wurde bestimmt aufgehalten.", meinte Black Rose nur und sah dann doch zu ihm hoch.

Währenddessen nährte sich auch schon Kreuz-König langsam den beiden und streckte sich. Als er angekommen war, ließ er sich gegenüber von Black Rose ins Gras fallen.

"Wie haben deine Freunde reagiert?", fragte Black Rose ihn und er zuckte nur mit den Schultern: "Sie waren nicht aufzufinden."

"Achso, na dann.", sagte sie dann eher leise und blickte kurz in Richtung Schulhof, in der Hoffnung Mondschein oder Bloody Pearl zu entdecken.

"Hast du die beiden gesehen?", wandte sich Black Rose nun wieder an Kreuz-König, der aber den Kopf schüttelte.

"Mich brauchst du gar nicht erst fragen, ich hab vor lauter Mädchen gar nichts mehr gesehen.", mischte sich Schattenprinz ein und Black Rose schnappte sich einen Ast, womit sie gegen sein Bein schlug: "Dich hat auch keiner gefragt."

Nach ein Minuten des Schweigens, kramte Black Rose in ihrer Tasche nach einer Uhr. Die Pause würde in zehn Minuten zu Ende sein. Wo blieben die beiden bloß?!

Schließlich stand Black Rose ungeduldig auf, doch da kamen die beiden Mädchen auch schon angelaufen. Doch beide wirkten sehr zermürbt und Bloody Pearl sah aus, als ob sie am liebsten jemandem umbringen würde.

"Wo kommt ihr denn jetzt her?", fragte Kreuz-König, der sich am Zaun nach oben zog.

"Wir waren im Klassenraum eingesperrt und mussten erstmal das richtige Fenster finden.", murrte Bloody Pearl und ließ sich mit dem Rücken gegen den Baum fallen während Mondschein fort fuhr: "Missy fand es witzig uns einzuschließen."

"Diese Missy ist ne' doofe Kuh.", meinte Bloody Pearl und sah zu ihr.

"Dafür haben wir jetzt keine Zeit, wir müssen los, sonst kommen wir zu spät.", warf Black Rose ein und schmiss ihre Tasche über den Zaun in das Gebüsch.

Die anderen warfen ihre Taschen daraufhin ebenfalls hinüber und der Vogel, der dort grade noch gesessen hatte, flog aufgeschreckt davon.

Kreuz-König brauchte aber Hilfe um überhaupt hoch zu kommen. Währenddessen waren Black Rose und Bloody Pearl schon geschickt auf die andere Seite geklettert.

"Du hättest lieber Klettern üben sollen, statt Kämpfen.", meinte Black Rose belustigt, als sie ihre Tasche aus dem Gebüsch klaubte.

"Sag mir was, was ich noch nicht weiß!", murrte Kreuz-König genervt. Er hing wie ein Sack Mehl oben fest und versuchte irgendwie auf die andere Seite zu kommen.

"Deine Tasche hängt oben im Geäst.", sagte Bloody Pearl daraufhin, die ihre Tasche kurz suchen musste, bevor sie sie mit einem Bein aus den Brennnesseln zog.

Black Rose seufzte und kletterte ein Stück zu ihm hinauf: "Das kann ja keiner mit ansehen.", meinte sie seufzend und zog Kreuz-König am Kragen nach drüben.

"Wir sollten uns eine neue Methode überlegen.", schlug Kreuz-König vor, bevor er über die Umzäunung gezogen wurde und mit einem dumpfen Schlag unten aufkam.

"Beeilt euch, bevor der Aufseher was merkt.", meinte Black Rose dann an Schattenprinz und Mondschein gewandt. Diese nickten und kletterten geschickt über den Zaun, während Kreuz-König so lange am Busch rüttelte, bis ihm seine Tasche in die Arme fiel.

"Verdammt, ich hab vergessen wie schwer die ist.", stöhnte er kurz schmerzverzerrt.

Black Rose ging unterdessen tiefer ins Gebüsch, zog sich ihren Mantel über und setzte die Kapuze auf. Die anderen taten es ihr gleich, auch wenn Mondschein sich ihre Tasche erstmal von den Ästen erkämpfen musste.

Bevor es losging, befreite Black Rose noch Bloody Pearl aus ihrer misslichen Lage - sie war mit dem Mantel an ein paar Ästen hängen geblieben.

"Alle bereit?", fragte sie schließlich und als alle nickten, lief sie los.

Jetzt durften sie keine Zeit mehr verlieren, denn Black Rose beschlich die ungute Vorahnung, dass es heute nicht nur sie und ihre Freunde waren, die Nachtfalke auflauerten.

Sie hörte wie sich nach und nach alle in verschiedene Gassen aufteilten. Alleine waren sie nicht so leicht zu entdecken, wie als Gruppe, das war ihr klar, aber dennoch hatte sie das Gefühl, dass etwas schlimmes passieren würde.

Sofort schüttelte sie energisch den Kopf um die Gedanken zu vertreiben und wieder einen kühlen Kopf zu bekommen. Sie durfte nicht zulassen das ihr ihre Gefühle im Weg standen.

Ihre Mimik wurde kalt und emotionslos, während sie geschickt auf das Dach eines Hauses sprang. Sie blieb kurz stehen und sah sich um, die Sicht war klar und schon jetzt konnte sie die Kuppel des Rathausdaches sehen.

Plötzlich huschte ein Schatten an ihr vorbei und Black Rose wusste sofort, wer es war: Nachtfalke!
 

Kreuz-König: "Deine Zeit ist abgelaufen."

Mondschein: "Hör auf mit deinem Essen zu Reden und ess` endlich, wir kommen zu spät!"

Kapitel 4

Kaum war der Schatten an ihr vorbeigehetzt, setzte Black Rose auch schon zu Verfolgung an. Dabei sprang sie leichtfüßig über die Gassen, die sich zwischen ihr und ihrem Ziel befanden. Der Wind rauschte in ihren Ohren und sie brauchte ihre ganze Konzentration um sich vor allem auf den schneebedeckten Schrägdächern halten zu können.

Sie atmete flach und möglichst leise und behielt die Zielperson immer im Blick. Doch plötzlich spürte sie einen stechenden Schmerz an ihrer Wange und hörte, wie etwas Metallenes am Schornstein hinter ihr abprallte. Kurz darauf merkte Black Rose, wie ihr warmes Blut über die Wange floss.

Sie sah gerade noch, wie der Schatten mit einem Satz aus ihrem Blickfeld und in die Dunkelheit einer Gasse verschwand. Jetzt lag es an den anderen Nachtfalke aufzuhalten, sie hatte etwas anderes zu erledigen.

Ein dumpfes Geräusch ließ sie aufmerken und gerade noch rechtzeitig sprang sie auf das gegenüberliegende Dach und versteckte sich hinter einem Schornstein, um einer Blendgranate zu entgehen. Als ein höhnischen Lachen ertönte, sah sie schnell auf. Über ihr, auf einem anderem Dach, stand ihr selbsternannter Erzfeind und grinste belustigt zu ihr hinunter.

"Wohin so eilig, Prinzessin?", rief er und Black Roses Blick wurde kälter wie Eis. Sie hasste es, wenn er sie so nannte, doch sie wusste auch, das sie sich nicht von diesem Gefühl leiten lassen sollte, denn es würde sie ins Verderben führen. Gefühle waren im allgemeinem sowieso immer nur im Weg.

Gerade noch rechtzeitig zückte sie ihren Dolch, als ihr Rivale zu ihr hinunter schoss. Die Klinge ihres Dolches und die seiner Krallen, die er mit jeweils einem Schlagring an seinen Händen befestigte, sprühten Funken, bevor Black Rose ihn von sich wegdrücken konnte. Geschickt fing er sich aber ab und nun taktierten sich die beiden Rivalen mit ihren Blicken.

"Nett dich wieder zu sehen, Taile.", hauchte Black Rose bedrohlich in den Wind und ließ ihn keine Sekunde lang aus den Augen.

"Das Vergnügen liegt ganz auf meiner Seite, Prinzessin.", grinste Taile seinerseits. Als er losrannte, sprang Black Rose leichtfüßig über ihn hinweg und warf ein paar Messer nach ihm, die er mit seinen Krallen abblockte.

Doch kaum hatte Taile sich zu ihr umgedreht, war sie mit ein paar schnellen Schritten an seiner Seite und beförderte ihn mit einem harten Tritt zu Boden.

Black Rose wusste, das sie mit Fernkampftechniken nicht gegen Taile ankommen konnte, aber dennoch musste sie sich vor seien Krallen in Acht nehmen.

Schließlich hatte er sie damit schon einmal ganz schön schwer verletzten können, aber seine Taktik war damals auch hinterhältig gewesen.

"Hier hast du keine Bäume als Schutz.", knurrte Black Rose zu ihm, bevor sie auf den gegenüberliegenden Fenstersims sprang und sich von dort auf das Dach zog.

Der Wind wehte ihr kurz die Haare ins Gesicht, dennoch bekam sie grade noch rechtzeitig mit, wie Taile auf sie zugesprintet kam und wich seinem Hieb gekonnt aus. Sie sah kurz das glänzende Metall seiner Klingen, bevor sie ihren Ellenbogen in seiner Magengegend versenkte und er so sehr zurücktaumelte, das er fast von der Dachkante fiel.

Sie hoffte schon, er würde fallen, doch er fing sich ab und startete erneut einen Angriff. Black Rose warf ein Messer nach ihm, doch er sprang hoch und warf wieder eine seiner Granaten, die sie dazu zwang auf das neben liegende Gebäude zu flüchten. Sie spürte, wie die kalte Luft in ihrer Kehle brannte, denn obwohl sie eine große Ausdauer besaß, war es dennoch nicht einfach auf Dächern einen Kampf auszutragen und dann auch noch gegen Taile. Dieser zwang seine Opfer sehr gerne dazu sich zu verausgaben, um dann leichtes Spiel mit ihnen zu haben und das beste war - diese Hetzjagd schien ihm auch noch große Freude zu bereiten.

Plötzlich hörte sie ein Sausen in der Luft und konnte sich grade noch mit einer Drehung davor bewahren rücklings aufgespießt zu werden.

"Aus den Hinterhalt ist das unfair!", knurrte Black Rose böse, bevor sie Taile einen Schlag ins Gesicht versetzte, doch dieser grinste sie nur an.

"Das habe ich alles nur von dir, Prinzessin.", grinste er, bevor er ihr so stark in die Taille trat, das sie in die Dachziegel des gegenüberliegenden Hauses krachte.

Black Rose sah wie der Schnee vom Dach rutschte und sich ihr Ärmel mit geschmolzenem Schnee vollsog. Ihre Schulter krönte das ganze mit einer Welle aus Schmerzen. Na toll, der Mistkerl musste ihr die Schulter ausgekugelt haben!

Black Rose stützte sich mit einem Fuß an der Dachrinne des Gebäudes ab um nicht mit dem Schnee in die Tiefe gezogen zu werden. Außerdem wusste sie, das Taile nicht mehr lange auf sich warten lassen würde, also sah sie sich um und entdeckte eine Leiter, die sich nicht sehr weit entfernt von ihr befand. Langsam stützte sie sich am Dach ab, wobei die Kälte sofort in ihre Haut drang. Dann drohte sie plötzlich abzurutschen, doch mit ihrem Ellenbogen konnte sie sich abstützen, auch wenn dabei ein stechender Schmerz durch ihren Arm zuckte.

Angestrengt lauschte sie nun nach verdächtigen Geräuschen, denn Taile konnte jederzeit auftauchen und erneut angreifen. Er liebte Situationen in denen er sich überlegen fühlte und das hier war definitiv eine davon!

Langsam zog Black Rose sich durch den Schnee und war bemüht, nicht auf der eisigen Regenrinne auszurutschen. Sie atmete flach und schob leicht den Schnee zur Seite, sodass sie sich ungehindert auf die Leiter ziehen konnte, sah sich dann um und sicherte sich schnell mit den Füßen, bevor sie ihren Dolch zog und damit den Klauenschlag von Taile abwehrte, der gerade zu ihr aufs Dach gesprungen war.

Er grinste belustigt zu ihr hinab und fragte: "Was ist los Prinzessin? Hab ich dir etwa weh getan?"

Der höhnische Unterton war Black Rose nicht entgangen und sie taktierte ihn mit ihren Blicken: "Mit solchen Kleinigkeiten, bekommst du mich niemals."

Sie konnte genau sehen, wie Tailes hellgraue Augen belustigt aufblitzten und er wieder zu grinsen anfing: "Dich schaff ich doch mit geschlossenen Augen."

"Natürlich und zwar nur in deinen Träumen.", flüsterte Black Rose ihm ins Ohr, bevor sie ihm ein Knie in die Bauchhöhle rammte, ihm am Kragen packte und ihn wegschleuderte.

Sie sah zu, wie Taile vom Dach rutschte und sich gerade noch an der Dachrinne festhalten konnte. Doch sie selbst hing nun auch nur noch halb auf den Stufen, aber jetzt zog sie sich langsam mit Hilfe der Leiter auf das Dach. Ihr war klar, dass sie dringend einen anderen Platz zum kämpfen brauchten, doch das nächste flache Dachstück war zu weit weg um den Sprung hinüber schaffen zu können.

Langsam lehnte sie sich an den Schornstein und betrachtete ihre Schulter, sie war zwar keine Ärztin und auch sonst nicht gut in Medizin, aber es sah ganz danach aus, als ob er ihr die Schulter ausgekugelt hatte. Sie legte kurz die Hand auf diese und spürte wie heiß sie war. Das würde garantiert ein toller Tag werden.

Plötzlich hörte sie, wie neben ihr etwas am Schornstein abprallte und in den Schnee fiel. So wie es sich angehört hatte, hatte es sie nur um wenige Zentimeter verfehlt.

Sofort hockte sie sich hin, barg einen weißen Pfeil aus dem Schnee und betrachtete ihn genau. Sie wusste sofort wem er gehörte: Mondschein.

"Werdet ihr auch angegriffen?", murmelte Black Rose leise vor sich hin, während sie den Pfeil fest in die Hand schloss. Plötzlich vernahm sie ein dumpfes Piepen, das schließlich unangenehm schnell und laut wurde.

Sofort übernahmen ihre Beine das Kommando und sie rannte auf die Schlucht zwischen sich und dem nächsten Dach zu, obwohl sie genau wusste, das die Entfernung viel zu groß war, als das sie das schaffen konnte.

Doch als sie mitten im Flug war, explodierte die Granate und die darauf folgende Druckwelle genügte, um ihr genug Schwung zu verleihen, damit sie mit einem Fuß den Dachsims erreichte. Sie nutzte den restlichen Schwung, um sich mit vorgebeugten Oberkörper über die Schulter abrollen zu können. Den darauf folgenden Schmerz spürte sie schon gar nicht mehr und sah sich lieber nach Taile um.

Er konnte definitiv nicht weit sein, da war sie sich sicher.

Gerade noch rechtzeitig drehte sie sich um, duckte sich unter den Krallen von Taile hinweg und schlug mit der Faust in seinen Magen. Er taumelte zurück und hatte Schwierigkeiten damit auf der rutschigen Fläche sein Gleichgewicht wieder zu finden.

In einem Punkt war sich Black Rose nun sicher:

Der Kampf würde nicht mehr lange dauern. Außerdem gingen ihr die Messer aus und unbedingt Lust, mit ihren Schwertern zu kämpfen hatte sie nicht.

"Was ist los Prinzesschen? Hast du etwa keine Zeit mit mir zu spielen?", fragte Taile und musterte Black Rose belustigt.

"Nein tut mir leid, Das Kaffeekränzchen müssen wir aufs nächste Mal verschieben.", antwortete sie daraufhin ruhig und zog ihren Dolch. Dabei wich sie Tailes Angriff aus aber erwischte ihn mit ihrem Dolch leider nur am Ärmel.

Eines musste man ihm lassen - er war schneller und flinker geworden - aber das würde ihm hier nicht helfen. Black Rose ließ kurz den Blick schweifen und versuchte herauszufinden, ob sich irgendwo auf dem Dach eisfreie Stellen befanden, doch das war durch den Schnee fast unmöglich. Aus den Augenwinkeln bekam sie mit, wie Taile einen Satz auf sie zumachte und trat nach ihm, doch ihre Schuhsohle knallte auf die Klingen seiner Krallen.

Dieser nahm diese Chance wahr und stieß seine Erzfeindin so stark von sich weg, dass sie mit dem anderen Fuß wegrutschte und im Schnee landete. Ihre Schulter bedankte sich prompt, doch sie hatte sich um ein wichtigeres Problem zu kümmern - und das hieß Taile.

"Das war ganz schön fies von dir.", meckerte Black Rose gespielt beleidigt und wehrte seinen Klauenschlag mit dem Dolch ab.

"Das hab ich alles nur von dir.", erwiderte ihr Gegner daraufhin nur und sie spürte, wie er die Spitzen seiner zweiten Klaue an ihren Hals legte.

"Manchmal könnte ich glauben, du wärst ein Vampir.", meinte sie, während Taile ihr etwas den Hals aufschlitzte. Das warme Blut floss ihren Hals hinab und schmolz den Schnee.

Der Angesprochene grinste nur und Black Rose schien es, als ob er sich schon als Sieger sah. Doch er hatte die Rechnung ohne ihren Einfallsreichtum gemacht. Sie umfasste mit einer Hand seinen Gürtel, dann drehte sie sich blitzschnell zur Seite, so, dass es nun sie war, die über ihm kniete. Sie lächelte böse, als sie ihm das Knie in den Magen drückte, so dass er das Gesicht vor Schmerz verzerrte.

"Was ist los Süßer? Macht dir das Spiel keinen Spaß mehr?", grinste sie böse und sah ihn an, während ihr Blut auf sein Gesicht tropfte.

"Du spielst unfair!", brachte Taile unter Schmerzen hervor und Black Rose lachte kurz auf.

"Ich passe mich nur meinem Gegner an.", hauchte sie ihm leise ins Ohr, bevor sie seinen Oberarm mit dem Pfeil durchbohrte. Taile biss die Zähne zusammen und Black Rose schlug ihn gnadenlos mit einem Fausthieb in die Bewusstlosigkeit.

Dann erhob sie sich und machte sich auf den Weg zurück zum Rathaus, ohne einen weiteren Gedanken an ihren Rivalen zu verschwenden. Sie atmete kurz tief ein und sah schon das Rathaus, doch dann wurde ihre Aufmerksamkeit von einem Schrei auf sich gezogen. Kurz stockte sie, bis ihr klar wurde wer da geschrien hatte.

"Saki!", rief sie über die Dächer hinweg und konnte ihre Freundin auch bald darauf erkennen, aber auch ihren Gegenspieler, der ihr bedrohlich nahe kam. Sofort sprang sie über die Straßenschluchten hinweg und kam Mondschein und ihrem Gegner immer näher. Allein an Mondscheins Haltung konnte sie erkennen, dass sie verletzt war und sofort beschleunigte sie ihren Schritt.

Plötzlich sah Black Rose einen Schatten und kurz darauf wurde der Jäger von einer Art Speer durchbohrt. Sie bremste sofort ab, wobei sie fast aus dem Gleichgewicht geriet: Konnte es sein, das Nachtfalke ihnen gerade geholfen hatte?!

"Jess.", flüsterte plötzlich jemand erschöpft und dann verstand Black Rose erst, das sie bereits bei Mondschein angekommen war. Sie kniete sich sofort neben ihre Freundin in den Schnee und sah sie an. Sie hielt die Hand fest an ihren Bauch gepresst, wo der Mistkerl sie anscheinend erwischt hatte. In Black Roses Gesicht zeichnete sich zum ersten Mal so etwas wie Sorge ab.

"Keine Sorge, das kriegen wir schon hin.", meinte sie beruhigend, obwohl sie selbst nicht wusste, was sie machen sollte. Sie sah sich um und fühlte sich zum ersten Mal recht hilflos. Ihr bedeutete Mondschein mehr, als sie jemals vor den Anderen zugeben würde und genau deswegen würde sie sie hier auch nicht einfach sterben lassen!

Plötzlich stand jemand neben ihnen und Black Rose erkannte sofort Nachtfalke und beugte sich beschützend über Mondschein. Dabei spürte sie ihren kalten Atem an der Wange.

"Willst du das sie stirbt? Lass mich ihr helfen.", sagte Nachtfalke dann und seine Stimme klang freundlich, doch Black Rose traute dem nicht. Aber in Anbetracht der Verletzung von Mondschein und ihrem immer schwächeren Atem, kam es ihr vernünftig vor nachzugeben.

"Wenn sie stirbt, bringe ich dich um.", raunte Black Rose Nachtfalke zu, während sie sich langsam zurück zog und aufstand, ehe sich Nachtfalke über Mondschein beugte und sich um ihre Verletzung kümmerte.

Was er da genau tat interessierte sie nicht, Hauptsache war, das es ihr gut ging. Black Rose sah sich unruhig nach weiteren Jägern um, doch es war nirgendwo mehr einer zu sehen. Sie schluckte leicht, als sie ein ungutes Gefühl überkam und sie ging zum Rand des Daches und sah auf die Straße. Blaulicht blendete sie kurz, doch als sie einen Überblick über die Situation bekam, traute sie ihren Augen nicht. Den ganzen Menschen war der Schock ins Gesicht geschrieben, doch die Uniformierten schienen sich über etwas zu freuen. Erst nach einer Weile sah Black Rose die schwarze Aufschrift auf den roten Autos. 'Schupo' prangte dort in großen Buchstaben auf der Motorhaube und das war alles andere als ein gutes Omen.

Doch als sie Anstalten machte auf die Straße zu klettern, wurde sie von Nachtfalke festgehalten.

"Lass mich los, ich muss sehen was da vor sich geht.", knurrte sie aufgebracht, doch Nachtfalke lockerte seinen Griff nicht. Er sah sie an und meinte: "Und deine Freundin hier allein zurück lassen? Verdammt du riskierst da unten selbst gefangen zu werden."

"Ach und wessen Schuld ist das?", gab Black Rose zurück und ging widerwillig zurück zu Mondschein, "Aber du trägst sie."

Doch sie stockte, als sie eine bekannte Stimme hörte, rannte dann zum Dachsims und konnte gar nicht glauben was sie da sah. Dort unten kamen die Truppen aufmarschiert und in ihrer Mitte hatten sie ein Mädchen, das offenbar gefesselt war und sich Hilfe suchend umsah. Black Rose konnte nicht glauben, wen diese Mistkerle da abschleppten. Bloody Pearl!
 

Black Rose: Glaube niemals daran das du die Oberhand hast, denn schneller als du denkst habe ich sie dir wieder genommen und dann bist du derjenige, der durch meine kalte Klinge den wohlverdienten Tod erfährt.

Kapitel 5

Es war ein beschwerlicher Marsch zurück zum Haus. Besonders Black Rose hatte Schwierigkeiten dabei, an Mondscheins Sicherheit zu denken. Außerdem wollte sie Bloody Pearl nicht zurück lassen, doch Nachtfalke hatte schon irgendwie recht.

Sie hätte alleine keine Chance Bloody Pearl heil aus der Masse der Schupo herauszuholen. Außerdem hatte Mondscheins Verletzung Vorrang vor Bloody Pearls Rettung.

Black Rose warf kurz einen kühlen, dennoch besorgten Blick nach hinten. Mondscheins Verfassung schien sich weiter verschlechtert zu haben, doch das änderte sich hoffentlich, sobald sie zurück in der Wohnung waren.

Vor dem Haus vergewisserten sie sich noch kurz, ob ihnen auch kein Jäger oder jemand anderes gefolgt war, dann ließ sie Nachtfalke den Vortritt.

"Fünfter Stock.", flüsterte sie ihm kalt zu. Ihr behagte es überhaupt nicht, dass dieser Junge, der verantwortlich für all die ganzen Probleme war, anscheinend die einzige Person war, die Mondschein helfen konnte. Jetzt musste sie ihm, obwohl er in ihren Augen, für Mondscheins Verletzung verantwortlich war, auch noch in die Wohnung lassen, damit er ihr helfen konnte.

Black Rose zog die schwere Haustür hinter sich zu und beobachtete Nachtfalke dabei, wie er mit Mondschein langsam die Treppen hinauf stieg. Wenn er es auch nur wagen würde etwas falsches zu tun, würde sie ihm höchstpersönlich das Leben zur Hölle machen.

Rasch folgte die dem Killer, der ihre verletzte Freundin hinauf zur Wohnung trug und noch während sie die Treppen hoch lief, kramte sie in der Tasche ihres Mantels nach dem Haustürschlüssel.

Oben im fünften Stock wartete Nachtfalke schon auf sie und Black Rose schloss die Tür auf, aber nicht ohne dem Schuldigen noch einen kalten Blick zuzuwerfen. Nachtfalke versuchte ein Lächeln, doch ihre Miene blieb ernst, sodass sein Lächeln rasch verflog.

"Zweite Tür links.", murrte Black Rose und schloss die Haustür hinter sich wieder ab. Sie würde ihn die ganze Miesere büßen lassen, irgendwie würde sie ihn büßen lassen!

"Sei nicht so böse mit ihm. Immerhin will er mir helfen.", murmelte Mondschein plötzlich ganz leise und Black Rose sah sofort zu ihr.

"Aber er ist Schuld an der ganzen Scheiße.", sagte Black Rose nun eher ernüchtert und Mondschein lächelte sie an.

"Du weißt was ich meine.", flüsterte Mondschein lächelnd, während sie aufs Bett gelegt wurde. Leise seufzte Black Rose und reichte Nachtfalke den Verbandskasten.

"Du kannst froh sein, das du der Einzige bist, der ihr helfen kann.", knurrte Black Rose leise und beobachtete Nachtfalke dabei, wie er Mondscheins Wunde versorgte.

Erst nachdem dieser das Oberteil von Mondschein hochgezogen hatte, konnte sie erst wirklich sehen, wie böse es ihre Freundin wirklich erwischt hatte.

"Er ist mir zu nahe gekommen. Es war, als wäre er aus dem Nichts aufgetaucht.", meinte diese nun leise und Black Rose sah sie beruhigend an: "Hey, ist schon okay. Wir schaffen das schon."

Nachtfalke behandelte sie, während Black Rose versuchte ihre Freundin zu beruhigen. Nachdem er die Wunde gesäubert und eine Kräutersalbe aufgetragen hatte, begann er damit die Wunde zu verbinden.

"Deine Freundin sollte sich ausruhen.", murmelte er dabei und Black Rose sah zu ihm: "Das weiß sie selbst, wie du sehen kannst."

Ihr Blick ging zurück zu ihrer nun schlafenden Freundin und innerlich seufzte sie vor Sorge, aber auch vor Erleichterung. Auch wenn sie noch immer sauer auf Nachtfalke war, so rechnete sie es ihm dennoch hoch an, dass er sich um eine ihm fremde Person gekümmert hatte.

"Ihr Name ist Mondschein,", knurrte Black Rose nach einer Weile des Schweigens, "Und ich bin Black Rose."

"Ich bin Nachtfalke, aber nenn´ mich lieber Hit.", antwortete er dann, sah sie an und erhob sich.

"Was hast du angestellt, Black Rose?", fragte er kurz darauf und sie spürte, wie sein Blick von ihrer Wange, über ihren Hals, bis zu ihrer Schulter glitt.

Vorsichtig legte sie eine Hand an die Wunde ihrer Wange, während sie fragte: "Wonach sieht es denn aus, hm?"

"Sei lieber froh, das er nicht deine Schlagader getroffen hat."

Erst jetzt bemerkte sie, das noch immer Blut aus der Wunde am Hals floss.

Das wurde ja wirklich immer besser.

Black Rose wischte sich mit einer Hand das Blut vom Hals, bevor sie Nachtfalke einen Blick darauf werfen ließ. Jetzt hoffte sie einfach nur, das er nicht bemerkte, dass sie es geschafft hatte, sich die Schulter in kürzester Zeit sowohl aus- als auch wieder einzukugeln.

Dennoch ließ sie sich die Wunde von Nachtfalke eher widerwillig reinigen, da das Spray sowohl eiskalte war, als auch in der Wunde ein heißes Brennen hinterließ.

Sie spürte, wie er ihr einen kleinen Verband um den Hals legte, bevor er von ihr abließ.

"Danke.", sagte Black Rose dann leise und warf noch einen kleinen Blick zur schlafenden Mondschein, bevor das Geräusch der aufgehenden Wohnungstür sie Richtung Flur blicken ließ.

"Sie sind da.", erklärte sie Nachtfalke kurz und begab sich in den Flur, wo Schattenprinz gerade die Tür hinter sich schloss.

"Ihr seid ja schon wieder da. Wie geht es Mondschein?", fragte Kreuz-König. Black Rose sah ihn erst verwundert an, doch sie war sich sicher, das Kreuz-König wohl gesehen haben musste, wie Mondschein angegriffen wurde.

"Es geht ihr besser." antwortete Black Rose und dann fiel ihr Blick auf Schattenprinz´ verwundete Schulter, "Was ist denn mit euch passiert?"

"Anscheinend können die Jäger seid neustem hellsehen.", knurrte Schattenprinz als Antwort und legte die Hand an seine Wunde.

Kreuz-König zog sich mit den Zähnen den Verband um seine Hand fest, während er sagte: "Ripper, dieser Bastard, hat mir in die Hand geschossen."

"Aber Ripper benutzt doch nur Klingen.", meinte Black Rose nachdenklich und Kreuz-König antwortete daraufhin: "Ja, das dachte ich auch."

"Sag mal, Jess, wo zur Hölle ist Tara?", fragte plötzlich Schattenprinz und Black Rose warf ihm einen viel sagenden Blick zu, bevor sie ihm eine Antwort gab: "Schupo.", diese Worte spuckte sie voller Verachtung aus.

"Sie wurde gefangen?!", kam es gleichzeitig von den beiden Jungen.

"Ja und sie haben sie bestimmt schon ins Arrestkarzer gebracht.", knurrte Black Rose und bekam gerade noch mit, wie Nachtfalke aus Mondscheins Zimmer kam.

Doch bevor Schattenprinz oder Kreuz-König etwas sagen konnte, klopfte es an der Tür: "Hier sind die Aufseher Cold Case und Schattenflügel.", kam es dumpf von der Tür und auf Black Roses Nicken hin, öffnete Kreuz-König die Tür. Dort standen tatsächlich zwei, in nachtschwarze Mäntel gehüllte Männer, die nur anhand der goldenen Nähte als Aufseher zu erkennen waren. Des Weiteren trugen sie eine Kette, an dessen Ende ein Pentagramm hing.

"Lange nicht gesehen, Jess.", kam es von einem Mann, der kurz darauf seine Kapuze abnahm und eintrat. Seine Haaren waren braun-blond und das Gel schimmerte im Lichtschein.

"Das kann ich nur zurück geben, Dwayne. Oder muss ich dich nun Schwarzflügel nennen?", fragte Black Rose und macht den beiden Männern Platz.

"Wir haben leider keine Zeit für einen Plausch, ich denke du weißt, warum Dwayne und ich hier sind.", meinte nun der andere Mann und zog sich seine Kapuze vom Kopf. Seine Haare waren strohblond und kurz geschnitten. Seine grünen Augen hatten etwas durchbohrendes und kaltes an sich, außerdem zierte eine Narbe seine Wange.

"Wie könnte ich das nicht wissen?", antwortete Black Rose und schloss die Tür zum Vorbereitungszimmer auf. Es war keine Zeit um runter zu laufen und es sich im Besprechungszimmer gemütlich zu machen. Dieser Raum reichte für diesen Zweck auch aus.

Dwayne sah kurz in die Runde und bevor er Black Rose folgte stellte er noch Cold Case vor: "Das ist übrigens mein Partner Jack Never, wird auch Cold Case genannt. Ich bin Dwayne Striker, alias Schwarzflügel."

"Super Dwayne, da wir das nun hinter uns gebracht haben, lass uns doch zum eigentlichen Thema kommen, ja?", meinte Jack dann und lehnte sich elegant an den Waffenschrank, während sich Dwayne vor dem Tisch stellte und sich die vier um ihm versammelten.

"Wo ist Mondschein?", fragte Jack und Black Rose richtete ihren Blick auf ihn: "Sie schläft."

Auf seinen darauf folgenden, fragenden Blick, gab sie nur einen viel sagenden zurück, danach nickte er zufrieden und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Ihr seid aber bestimmt nicht nur wegen dieser Sache hier. Hab ich Recht?", fragte Black Rose nun in die angespannte Stille und ihre Augen huschten in Richtung von Nachtfalke, der sich nervös umsah.

"Wir sind hier um zwei Themen mit euch abzuklären, ich denke du weißt bereits von beiden Bescheid, Jess, oder ist dir Black Rose lieber?", fragte nun Dwayne und sah in die Runde, richtete seinen Blick dann aber speziell auf sie.

"Händel das, wie du es willst Dwayne.", antwortete diese nur und verschränkte erwartungsvoll die Arme.

Nachtfalke blickte nervös zwischen Jack und Dwayne hin und her. Langsam zog er sich zurück, als fürchtete er, gleich sein Leben lassen zu müssen.

"Also, was stellen wir mit dem da an?!", fragte nun Schattenprinz seinerseits und deutete auf Nachtfalke, "Der Mistkerl macht nur Probleme!"

Bevor jedoch Dwayne antworten konnte, übernahm Jack das Wort: "Er wird bei euch bleiben, bis wir genaueres über das weitere Vorgehen wissen."

Während Nachtfalke erleichtert ausatmete, fing Schattenprinz an sich aufzuregen: "Was?! Habt ihr sie noch alle, der kann doch nicht einfach hier bleiben!"

"Halt endlich die Klappe, Kenji und beruhig dich!", kam es nun ernst von Black Rose und Schattenprinz sprang vor Überraschung fast gegen die Theke.

Er musterte sie überrascht und meinte dann: "Das ich das ausgerechnet von dir höre, hätte ich echt nicht gedacht."

"Auch wenn er nur Probleme macht, können wir seine medizinischen Kenntnisse gut gebrauchen. Jetzt will ich aber über das wichtigere Thema sprechen. Jack, Dwayne, was ist nun damit?", wandte sich Black Rose nun wieder den beiden Aufsehern zu.

"Wir wissen beide nur zu gut, das du sowieso wieder auf eigene Faust handeln wirst, Jess.", meinte Dwayne und Jack trat zu ihm an den Tisch und überreichte ihr eine zusammengerollte Karte: "Du bist eine der besten, Black Rose. Vergiss aber nicht, dass das keine Garantie für einen Erfolg ist. Und vergiss die Regeln nicht."

"Ich habe meine eigenen Regeln.", gab sie zurück, nahm die Karte entgegen, band sie los und breitete sie auf dem Tisch aus.

Jack seufzte und schüttelte den Kopf. Black Rose zuckte leicht mit den Schultern und sah zu Dwayne auf: "Das ist das Arrestkarzer nördlich von hier oder?"

"Ja," Dwayne nickte bedächtig und sah beschwörend in die Runde: "Ihr wisst alle, das dies eins der best bewachten Arrestkarzer ist. Es liegt auf einer Lichtung, an den Lauf des großen Dark Side River gelehnt. Zwei Wachtürme hier und hier, verschaffen den Wachen einen besonders guten Überblick über den Platz. Es ist eines von den vier best bewachten Karzern in ganz Dark Side Lake. Es wird nicht einfach sein Bloody Pearl aus ihrer Gewalt zu befreien und es gibt auch keine Garantie dafür, dass sie überhaupt noch lebt."

"Ich bin sicher das sie noch lebt, die haben sie wahrscheinlich in einen der untersten Trakte eingesperrt, alles andere ergäbe keinen Sinn.", meinte Black Rose, während sie die Karte studierte: "Kenji, schau mal drüber und sag mir, wie wir das am besten anstellen."

"Am besten nutzt einer von euch den Geheimgang um von innen die anderen Reinzulassen. Denn die schweren Türen lassen sich nur von dort öffnen. Aber durch den Gang kommt nur eine einzige Person, da man erst spät wieder Luft holen kann.", brachte sich zur allgemeinen Verwunderung nun auch Jack ein.

Black Rose seufzte gespielt theatralisch und betrachtete die Karte: "Na prima, das sieht nach einem tollen Wetter aus, um im Fluss schwimmen zu gehen."

"Da wir nun beim Wetter sind. Draußen zieht ein Sturm auf, das dürfte euch die nächtliche Arbeit auf einer Seite erleichtern, aber andererseits auch erschweren.", meinte nun Dwayne, nachdem er einen Blick aus dem Fenster geworfen hatte.

"Könnt ihr mir jetzt endlich einmal zuhören?! Ich habe einen Plan!", ließ Schattenprinz nun verlauten und alle sahen den Taktikkünstler an.

Nachdem dieser seinen Plan erläutert hatte, nickten alle bedächtig und Dwayne sah schon beeindruckt aus. Jack lächelte fast schon voller Stolz und Schattenprinz faltete die Karte zusammen.

"Das wird ein Spaß werden.". war nun eine bekannte Stimme zu hören.

"Mondschein?!", riefen alle gleichzeitig und blickten Richtung Tür.

"Saki, was machst du hier?!", fragte nun Dwayne und blickte die Weißhaarige erstaunt an.

"Na, ich habe zugehört wie Kenji unseren Plan erklärt hat.", meinte Mondschein nun und ging zu Black Rose.

"Und was ist mit deiner Verletzung?", fragte Jack und musterte Mondschein.

"Das ist doch nichts, ich kann helfen."

"Wir brauchen sie, ansonsten schlagen die Wachtürme Alarm.", meinte nun Kreuz-König.

Black Rose lauschte dem Gespräch nur halb und vertiefte sich in Gedanken. Einerseits war ihr nicht wohl dabei, dass Saki mit ihrer Verletzung mitkam, es konnte niemand garantieren, dass ihr nichts passierte, andererseits war ihr klar, dass sie ohne ihre Hilfe keine Chance hätten beide Wachturme zugleich auszuschalten, ohne das Alarm geschlagen wurde. Es war eine verdammte Zwickmühle!

"Was meinst du dazu, Jess? Hey, Jess!", rief Mondschein nun und schüttelte Black Rose sanft.

"Hör auf damit Saki. Ich bin mir nicht sicher, du bist verletzt, aber trotzdem brauchen wir dein Talent am Bogen, um in das Karzer kommen zu können. Ich will, dass du dich keiner Gefahr aussetzt und hinterher zusammen mit Drake oben Wache hälst.", Black Rose konnte sehen, dass es ihrer Freundin nicht passte, oben bleiben zu müssen, also fügte sie hinzu: "Dort unten sind die Gänge schmal und eng. Du könntest mit deinen Fernkampfkünsten dort unten nichts reißen. Es ist besser, wenn ich und Kenji das machen."

"Und was ist mit mir?", fragte nun Nachtfalke und zuckte unter Black Roses scharfen, kalten Blick zusammen: "Da fragst du noch?! Du kommst natürlich mit, schließlich sitzt sie wegen dir dort unten!"

"Alles klar.", Nachtfalke war nun ganz kleinlaut und ließ sich auf einen Stuhl sinken.

Black Rose musterte ihn und fragte nun: "Abgesehen von deinen medizinischen Kenntnissen, was kannst du eigentlich?".

Ihr schoss die Szene von heute Vormittag durch den Kopf, wo der Jäger, der Mondschein verletzt hatte, von einem Speer durchbohrt wurde.

"Faustkampf, ein wenig mit dem Schwert und Speerwerfen.", kam es leise von Nachtfalke.

Mondschein setzte ein leichtes Lächeln auf und sagte: "Da passt ja der Name Hit ganz zu dir, nicht wahr?"

Kreuz-König murmelte in der Ecke irgendetwas unverständliches vor sich hin und beschäftigte sich dann mit dem Säubern seines Pistolenlaufs.

"Ach ja, bevor ich es vergesse. Keine Schusswaffen, bis wir drinnen sind.", ließ nun Schattenprinz verlauten und erntete einen fragenden, aber auch enttäuschten Blick von Kreuz-König.

"Drinnen benutzt du einen Schalldämpfer, ansonsten können wir ihnen gleich einen Boten vorbeischicken und ankündigen, das wir heute Nacht kommen.", antwortete Schattenprinz sogleich und Kreuz-König seufzte, aber nickte schließlich zustimmend. Dann ging er zum Waffenschrank, um nach dem Schalldämpfer zu suchen.

Auch die anderen machten sich daran sich für diese Nacht zu rüsten:

Black Rose zog eine der unzähligen Schubladen auf und klaubte sich einige Schachteln Wurfmesser heraus, die sie auf dem Tisch verteilte. Sie öffnete eine zur Hälfte gefüllte Kiste und verstaute die Messer an ihrem Hüftgürtel.

"Drake, hast du das Narkosemittel gesehen?", fragte Schattenprinz in den Raum, der gerade vergeblich etliche Regale durchsucht hatte.

"Ne, tut mir leid.", antwortete Kreuz-König und schraubte den Schalldämpferaufsatz auf seine Pistole. Schattenprinz seufzte genervt und zog eine Schublade auf.

"Bist du sicher, dass du es nicht in deinem Labor vergessen hast?", meinte daraufhin Black Rose ihrerseits und warf Schattenprinz einen kleinen Blick zu. Dieser zuckte leicht zusammen und verließ eiligst das Zimmer.

Black Rose grinste kurz belustigt, warf Kreuz-König ein Poliertuch zu und prüfte ihre Ausrüstung auf Vollständigkeit.

"Saki, denk an deine Wurfmesser, die wirst du eher brauchen, wie Pfeil und Bogen.", mit diesem Worten stapelte Black Rose zwei Packungen und schob sie Mondschein über den Tisch hinweg zu.

"Mal sehen.", meinte diese daraufhin, öffnete aber die Schachteln und verstaute die Messer in der kleinen Tasche, die sie an der Hüfte trug. Danach widmete sie sich wieder dem Spannen ihres Bogens.

Black Rose überlegte kurz, nahm dann die Granaten aus ihren Halterrungen und verstaute sie im Waffenschrank. Danach ließ sie ihren Blick schweifen und schien sehr lange nach einer Alternative suchen zu müssen.

Es ging ihr nicht in den Kopf, aber etwas drängte sie dazu, genau das zu tun, was sie nun auch tat. Sie kramte einen Schlüssel aus der Innentasche ihres Mantels, ging einmal quer durch den Raum und zog den blutroten Vorhang zur Seite, der einen Großteil der Wand verdeckt hatte.

Doch anstatt eines Fensters - wie es zu erwarten gewesen wäre - stand Black Rose nun vor einem pechschwarzen Tresor.

"Du willst sie doch nicht etwa wirklich mitnehmen?", fragte plötzlich Dwayne mit leicht nervösem Unterton, "Du weißt das du sie nicht einsetzen darfst."

Black Rose drehte den Kopf leicht in seine Richtung und bemerkte, wie alle in ihrer Bewegung innegehalten hatten und nun wie versteinert zu ihr schauten. Selbst Jack schien wie erstarrt zu sein.

Nur langsam drangen die Worte aus ihrem Mund, dennoch waren sie voller Ernst: "Niemand weiß, was uns dort unten erwartet. Also werde ich sie mitnehmen und ich werde es nur einsetzen, wenn es wirklich nötig sein sollte. Ansonsten werde ich sie behandeln wie normale Schwerter."

"Aber sie sind nicht normal!", Dwayne schien besorgt und Black Rose wusste auch genau weshalb. Es behagte ihr auch nicht, aber irgendetwas zog sie zu ihren Schwertern, zu lange hatte sie diese im Tresor eingeschlossen, zu lange war es ihr verwehrt worden, sie aus der Dunkelheit zurück zu holen.

Lange sah Black Rose in Dwaynes braune Augen, bevor sie ihm antwortete: "Das weiß ich."

Danach drehte sie ihren Kopf wieder dem Verwahrungsort ihres größten Geheimnisses zu. Heute sollte es endlich soweit sein, heute würde sie endlich ihre Schwerter wieder in den Händen halten.

Es war so still geworden, dass man von draußen sogar das Geschwatze der Menschen hören konnte.

Nur langsam hob Black Rose den Schlüssel und öffnete das Schloss, welches mit einem lauten Klacken aufsprang.

Leise Stimmen zischten ihr etwas zu und nur sie allein wusste, was sie gesagt hatten.

"Es wurde auch Zeit.", murmelte Black Rose leise und drückte die Klinge des Tresors herunter, welcher sich dann langsam wie von Geisterhand nach innen öffnete.

Ein heißer Windstoß kam ihr entgegen, als die in die Schwärze griff und zwei ebenso schwarze Schwertscheiden herauszog.

Aus ihnen ragten schwarze Griffe, mit blutroten Ornamenten und in das schwarze Leder der Scheiden waren goldene Symbole eingestickt worden, die aber niemand zu deuten wusste.

Lange waren Black Roses Augen auf die schimmernden Schriftzeichen gerichtet und kurz stahl sich ein dämonisches Lächeln auf ihre Gesichtszüge, welches jedoch sofort wieder verschwand.

"Ich werde sie vorbereiten gehen.", meinte sie plötzlich leise und verließ mit ein paar schnellen Schritten das Zimmer.
 

Es war noch eine Weile still im Raum, bevor alle langsam aus ihrer Starre erwachten. Nachtfalke ließ sich auf einen Stuhl sinken und zuckte zusammen, als sich der Tresor mit einem lauten Knallen schloss und der Vorhang sich von selbst wieder vor diesen zog.

"Das war echt …", begann Nachtfalke leise vor sich herzumurmeln, doch er kam nicht bis zum Ende und schien nicht ganz realisiert zu haben, was gerade geschehen war.

Es war noch eine Weile still, bevor Schattenprinz - der unbemerkt den Raum betreten hatte - sich zu Dwayne und Jack drehte. Beide sahen so aus, als ob sie gegen eine unsichtbare Wand gelaufen wären und ihre Blicke waren noch immer starr auf den Tresor gerichtet.

"Was ist so besonders an diesen Schwertern?", fragte er nun in die Stille hinein und wie auf Kommando ging plötzlich ein Fenster auf und es wehte ein kalter Luftzug ins Zimmer. Mondschein stand auf und schloss das Fenster wieder, aber in ihrem Spiegelbild konnte man gut einen besorgten, aber auch irgendwie traurigen Ausdruck erkennen.

Nachtfalke und Schattenprinz sahen abwechselnd zwischen Mondschein, Dwayne und Jack hin und her. Ihnen war klar, dass die drei etwas über Black Rose wussten, was sie nicht auszusprechen wagten.

Kreuz-König richtete seinen Blick auf den polierten Stahl seiner Pistole und betrachtete sein Spiegelbild. Er schien tief in Gedanken versunken zu sein.

"Ihr werdet bestimmt bemerkt haben … das etwas eigenartiges geschehen ist, wo Jess den Tresor aufgeschlossen hat, nicht wahr?", fragte plötzlich Mondschein leise und drehte den Kopf leicht zu Schattenprinz und Nachtfalke.

Nachtfalke hob den Blick und sah Mondschein direkt an: "Du meinst, dass der Tresor sich von selbst aufgeschwungen hat und diesen komischen Luftzug, oder?"

Mondschein nickte, aber sprach nicht weiter. Schattenprinz ließ sich nun auch auf einen Stuhl sinken, während Dwayne kurz sein Gesicht in den Händen vergrub, als kämpfte er mit etwas in sich. Jack trat langsam hinter ihn und legte seine Hände auf die Schultern seines Partners.

"Jess wird es ihnen niemals erzählen. Und sie müssen ja nicht alles erfahren.", meinte er nun mit einem Blick Richtung Mondschein, die dankend nickte.

"Denkst du wirklich, das es relevant ist?", fragte nun Dwayne, bevor er den Kopf hob und zu seinem Partner aufblickte. Dieser nickte daraufhin und sah ihn beschwörend an: "Besser so, als wenn sie es auf ganz andere Weise erfahren müssen."

Kreuz-König schloss geräuschvoll den Waffenschrank und alle im Raum zuckten zusammen. Er sah in die Runde und umfasste den Griff seiner Pistole fester, bevor er diese in den Halfter gleiten ließ und tief durchatmete.

Mondschein warf einen Blick auf ihn, ging zu ihm und legte die Hand auf seine Schulter. Er sah sie dankend an und ließ sich von ihr zum Tisch führen, wo er sich auf einen Stuhl fallen ließ, während sie hinter ihm stehen blieb und sich mit den Händen an der Lehne abstützte.

Schattenprinz versuchte indes lässig zu wirken, indem er die Arme verschränkte, während Nachtfalke angefangen hatte nervös eine Beschäftigung für seine Hände zu suchen.

"Also, ich werde euch die Geschichte dieser beiden Schwerter erzählen, damit ihr versteht, wieso uns nicht wohl dabei ist, das sie aus ihrer Verwahrung geholt wurden.", fing dann schließlich Dwayne an zu erzählen, während er einen beschwörenden Blick in die Runde warf. Er hatte seine Stimme gesenkt, fast so, als ob er Angst hätte, jemand könnte lauschen: "Diese beiden Schwerter, wurden im Feuer der Hölle geschmiedet. Man sagt, dass die Familie, die Verantwortlich ist, für das bestehen dieser Schwerter, einen Fluch auf sich nahm, um die Macht zu erhalten, diese mächtigen Waffen zu schmieden. Sie verkauften ihre Kinder an die Mächte der Finsternis und an die Willkür der Hölle.

Außerdem sagt man sich, das der Stahl, aus dem die scharfen Klingen bestehen, aus den Seelen der Verdammten geschmiedet wurden, die aus dem Himmel verbannt wurden. Des Weiteren sollen die roten Ornamente der Schwerter aus dem Blut der im Fegefeuer gefangenen, unschuldigen Seelen bestehen, die weder gut, noch böse waren, ebenso wie angeblich das mächtige Blut Luzifers geflossen sein soll, um das unschuldige Blut an die finsteren Seelen zu binden. Die Steine, die in das Schwert eingelassen wurden, besitzen außerdem eine unbeschreibliche Macht, die nur von den Nachfahren der Familie genutzt werden kann, die für die Entstehung dieser Waffe die Verantwortung zu tragen haben. Niemand weiß was dies für eine Macht sein soll, denn diejenigen die das Geheimnis kennen, hüten es wie einen unsagbaren Schatz.

Die Klingen dieser Schwerter sollen sogar in der Lage sein, eine lebendige Seele in ihre Teile zu spalten, sodass eine Trennung von gut und böse stattfindet. Doch bisher gab es noch keine Beweise für dieses Gerücht.

Wir gaben Jess damals den Auftrag die Schwerter sicher und unzugänglich aufzubewahren, bis eine Zeit anbricht, in der diese Waffen aus ihrer Verbannung geholt werden müssen. Es ist niemand anderem möglich diese Schwerter zu führen, ohne dass er dabei ein Aufzehren seiner Seele in die Tiefen der Finsternis in Kauf nimmt.", damit beendete Dwayne seine Erzählung und hinterließ eine unglaubwürdige Stille. Jacks Hände krallten sich fester in die Schultern seines Freundes und Nachtfalke blickte langsam zu ihm auf.

"Jess ist also ein Nachfahre dieser Familie?", fragte er leise, als ob er einfach nicht glauben könne. Da Dwayne zu keiner Antwort mehr fähig schien, nickte Jack und sah den Jungen an: "Sie ist der einzige, seid diesem einen Tag."

Saki krallte sich leicht in die Schultern von Kreuz-König und dieser legte beruhigend eine Hand auf ihre: "Ganz ruhig, Saki."

"Ich denke wir sollten aufhören. Es ist alles gesagt.", kam es plötzlich ganz leise von Dwayne, der seinen Kopf zwischen seinen Händen versteckte.

"Die Macht dieser Schwerter … sie ist riesig. Sie darf niemals für falsche Zwecke genutzt werden.", flüsterte Mondschein nun beschwörend und Dwayne hob den Kopf: "Du glaubst doch nicht, dass ….?"

Saki schüttelte sofort den Kopf: "Nein! Sie ist nicht wie ihr Bruder!"


 

Während die anderen ihr Gespräch führten, hatte sich Black Rose in ihr Zimmer begeben, die Vorhänge zugezogen und damit begonnen die Klingen ihrer Schwerter zu säubern.

"Ihr seid ja ganz voller Seelenstaub. Es wurde Zeit, dass ich euch aus der Hölle hole, Akuma und Kurochi.", ein leicht dämonisches Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
 

Akuma: Komm her kleines Kind, ich möchte dir was Gutes tun. So gib mir deine Seele und ich geleite dich in eine Welt, wie du sie noch nie gesehen hast. Gutes Kind, deine Seele ist mein.

Kapitel 6

"Seid ihr alle soweit?", fragte Black Rose und schnürte die Scharniere der Scheiden enger, sodass sie sich an ihren Körper schmiegten. Sie spürte die besorgten Blicke, die Jack und vor allem Dwayne auf sie richteten: "Keine Sorge, ich werde nichts anstellen."

Dwayne seufzte und sah sie an: "Wir können dich sowieso nicht aufhalten."

Black Rose nickte bestätigend und musterte nun die anderen.

"Wartet noch einen Moment.", meinte Schattenprinz. Er bekam gerade seine Schulter von Nachtfalke verbunden und mit seinem halb angezogenen Kleidungsstücken, hatte dies sogar etwas amüsantes an sich.

"Hättest du dich nicht auch hinterher anziehen können?", fragte Mondschein verwundert und musterte Schattenprinz´ Mantel, der ihm von der Schulter zu rutschen drohte.

"Das artet ja in Arbeit aus.", murrte Schattenprinz und war froh, als er endlich seine Kleidung komplett anziehen konnte, was sich aber mit der verletzten Schulter schwieriger gestaltete, als er angenommen hatte.

Black Rose seufzte genervt, ging zu ihm und half ihm in den Mantel: "Los mach schon, ich will vor dem Sturm beim Karzer sein."

"Dann solltet ihr euch beeilen.", meinte Jack und deutete nach draußen, wo der Wind bereits Fahrt aufnahm.
 

Während sich der Wind immer weiter zum Sturm aufbäumte, begannen die Baumkronen sich den Sturmböen zu beugen. Die schwarzen Wolken hüllten derweil den Wald in eine immer düstere Schwärze, bis man kaum mehr als ein paar Meter weit sehen konnte.

Ab und an hörten man ein paar Waldbewohner durch die Büsche huschen, oder sah ihre leuchtenden Augen zwischen den Ästen hervorblitzen.

Der Schnee rutschte vom Ast, wurde vom Wind erfasst und rieselte leise - in kleinen Flöckchen - auf den Waldboden, als Black Rose auf diesem Ast zum stehen kam. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete sie, wie Nachtfalke und Schattenprinz auf dem gegenüberliegendem Baum Stellung bezogen und wie Schattenprinz sie aus dem Halbschatten heraus mit seinen dunklen Augen anblickte.

Außerdem hörte sie das Gebüsch unter sich leise rascheln, als Kreuz-König dort seinen Platz einnahm - denn er kam nicht auf die Bäume.

Black Rose blickte in den Wald, dessen Schwärze, die - wie eine Wand - immer weiter auf die Gruppe zukam.

Mondschein war schon lange zwischen den Bäumen verschwunden, um ihren Platz auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung einzunehmen und dafür mussten sie ihr noch Zeit geben.

Vom Wald aus huschten Black Roses Augen zu den Flutlichtscheinwerfern der Wachtürme, die sich langsam am Waldrand entlang tasteten, dessen Strahlen die Assassinen jedoch nicht erreichten. Sie verengte leicht die Augen, als sie eine Gestalt aus dem Lichtkegel treten sah, die sich das Gewehr schulterte und Richtung Wald marschierte.

Sie gab eine kurze Handbewegung an Kreuz-König weiter, der - nach einem bestätigenden Nicken seitens Schattenprinz - einen Schalldämpfer auf den Lauf seiner Pistole schraubte.

Währenddessen beobachtete Black Rose den Feind weiter und dieser machte keinerlei Anstalten stehen zu bleiben, weswegen sie einen kurzen Blick Richtung Nachtfalke warf.

Dieser griff nach einem kleinen Ast, brach ihn lautlos ab und schmiss ihn ins Gebüsch direkt neben der Gestalt, dessen rote Uniform im Scheinwerferlicht fast glänzte.

Das Rascheln der wenigen, noch vorhandenen Blätter, ließen den Schupo stehen bleiben und einen prüfenden Blick in den Wald werfen.

Kreuz-König nutzte seine Chance, zielte sorgfältig und schoss. Kein Geräusch war zu hören. Entspannt schraubte er den Schalldämpfer wieder ab und ließ die Pistole in den Halfter zurückgleiten.

Black Rose sah zu, wie der leblose Körper in sich zusammensackte und den reinweißen Schnee mit seinem Blut tränkte. Dann ließ sie sich - mit einem prüfenden Blick in Richtung der Scheinwerfer - vom Ast gleiten und schritt auf den Leichnam zu. Hinter sich hörte sie, wie auch Kreuz-König leise aus seinem Gebüsch trat und spürte außerdem die Blicke von Schattenprinz und Nachtfalke im Nacken.

Als sie schließlich bei der Leiche ankam und diese mit dem Fuß auf den Rücken drehte, sah sie geradewegs in das Gesicht eines Jungen - kaum älter als 15 Jahre.

Die Schusswunde auf der Stirn war glatt und sein Gesicht unbeschädigt. Kreuz-König hatte gute Arbeit geleistet.

Eine Weile lang sah Black Rose in das bleiche Gesicht des Jungen unter dessen Kopf sich der Schnee rot verfärbte. Dann ging sie in die Hocke und begann ihm seine Uniform auszuziehen. Dem weißen Streifen an seinen Ärmeln nach zu urteilen, war der Junge ein Kadett gewesen.

Nachtfalke hob die schwarze Mütze des Jungen auf und betrachtete sie ungerührt. Black Rose stand auf und stopfte ihm die Uniform in die Arme: "Zieh das an."

Schattenprinz hatte die Leiche inzwischen ins Gebüsch gelegt und beobachtete nun die anderen. Kreuz-König schaufelte etwas weißen Schnee über den blutroten, während Nachtfalke die Uniform anzog.

"Siehst gar nicht so schlecht aus.", urteilte Schattenprinz und Black Rose sah zu ihm: "Geh auf deinen Posten. Wir haben nicht mehr viel Zeit."

Wie zur Bestätigung nahm der Wind Fahrt auf und wehte Nachtfalke fast die Mütze vom Kopf. Er hielt sie mit einer Hand fest und schulterte mit der anderen das Gewehr. Es konnte los gehen.

Nach einem kurzem Nicken trennten sich nun die Wege der vier. Während Schattenprinz seine Stellung nördlich des Karzers bezog, blieben Kreuz-König und Nachtfalke im westlichen Teil des Waldes. Black Rose ging im Schutz der Büsche und Bäume in Richtung Flussufer.

Nachtfalke traute sie nicht weit genug, um ihn als Kadett getarnt in das Karzer zu schicken. Also blieb nur noch dieser Weg, den sie sich außerdem als Fluchtweg offen halten mussten.

Am Flussufer blieb sie stehen, zog sich den Mantel aus und versteckte ihn in einem Busch. Der Mantel würde es ihr nur schwerer machen sich im Wasser zu bewegen, außerdem bräuchte sie nach ihrem Bad wenigstens ein trockenes Kleidungsstück.

Sie blickte vorsichtig zu den schwarzen Mauern des Karzers und wartete auf das ausgemachte Zeichen. Bald kam es auch schon. Der erste Wachturm, blendete kurz ab und dann wieder auf, kurze Zeit später auch der zweite. Die Luft dürfte also rein sein.

Vorsichtig setzte Black Rose einen Fuß in das eiskalte, dunkelgraue Wasser des Flusses. So schlich sie sich in gebückter Haltung immer weiter in die Fluten, bis sie letztendlich noch einmal tief Luft holte und abtauchte.

Das Wasser war erstaunlich klar und bot ihr ein gutes Sichtfeld. Sie ließ sich bis zum Grund absinken, wo sie Halt an den Steinen fand um nicht zu weit weg getragen zu werden. Sie blickte zur Wand des Karzers und suchte nach dem versteckten Eingang, doch das war gar nicht so einfach. Um nicht zu weit abzudriften nahm sie einen schweren Stein in die Hände, der sie am Boden hielt. So ging sie auf das Arrestkarzer zu und hoffte nicht allzu bald wieder Luft holen zu müssen.

Ein Geräusch ließ sie aufmerken, es hörte sich an wie ein Summen. Wie das Summen von einer Schraube. Das Wasser übertrug das Geräusch wirklich sehr gut.

Das war bestimmt eine Lieferung von Proviant. Denn Zeit zum Jagen hatten die Schupo bestimmt nicht. Langsam ließ Black Rose den Stein los und ließ sich nach oben schweben, dann hielt sie sich an einer metallenen Stange fest und sah wie ein kleines U-Boot immer näher kam. Die Scheinwerfer schalteten sich aus und Black Rose war sich sicher, dass es über Funk gesteuert wurde. Aber es war eindeutig zu klein, um eine gute Deckung abgeben zu können.

Black Rose dachte sofort um und tauchte vorsichtig auf. Sie wusste das hier Wachen patrouilliert hatten und genau wie vermutet, lag ein einsames Gewehr auf dem Gras. Schnell griff sie danach und zog sich an der Wand entlang wieder nach unten. Das U-Boot war schon angekommen und eine Schleuse öffnete sich dort, wo sich Black Rose kurz zuvor noch aufgehalten hatte. Schnell tauchte sie weiter hinab und hielt das Gewehr fest in der Hand, welches ihr das Abtauchen auch um einiges leichter machte. Die Öffnung war gerade groß genug um einen Menschen durchzulassen.

Nachdem das U-Boot durch die Schleuse gefahren war, klemmte sie die Schusswaffe zwischen die Stahlverriegelung, welche daraufhin blockierte und sie offen hielt.

Schnell zog sie sich durch die Öffnung und blickte nach oben zur Wasseroberfläche. Eine Leiter führte nach oben zu den hellen Lichtern und der Schatten des U-Boots hob sich deutlich ab. Einen Steg könnte Black Rose auch erkennen und sie hielt sich an einer Stufe der Leiter fest um nicht aufzutauchen. Doch sie konnte hier nicht ewig warten und bestimmt würde einer der Schupo hier herunterkommen um nach dem Problem zu sehen. Vorsichtig ließ sie sich nach oben treiben, wobei die darauf achtete unter dem Steg zu bleiben.

Sie ließ sich langsam bis zu den Schultern aus dem Wasser auftauchen und atmete leise. Ein paar Tropfen liefen ihr übers Gesicht. Sie konnte deutlich zwei Personen miteinander reden hören.

"Wieso müssen wir immer diese Schlepp-Arbeiten machen? Haben die nicht genug Leute dafür?", fragte eine tiefe, männliche Stimme und den Fußtritten nach zu urteilen, gingen sie gerade direkt über Black Rose hinweg.

"Wir sind nun mal Kadetten, Markus. Da muss man halt so was machen.", antwortete der zweite mit einer wesentlich freundlicheren Stimme.

"Und genau deshalb sollten wir lieber lernen zu Kämpfen, statt hier die Kisten-Schlepper zu spielen.", Markus schien ziemlich aufgebracht zu sein. "Manchmal frage ich mich, wieso sie dich genommen haben, Stephen. So ein Weichei wie du bist."

"Hör auf mich zu beleidigen. Außerdem, du schleppst gerade das Mittagessen für dich und die anderen auch.", antwortete Stephen.

"Ich tue was ich will und du meinst wohl den Schweinefraß, den sie uns Kadetten vorwerfen. Die ersten Offiziere und die Hauptmänner schlemmen doch wie die Könige."

"Das werden wir auch tun, wenn wir erstmal aufgestiegen sind."

"Du meinst wohl, wenn ich aufgestiegen bin. Aber wenn du nett bist, befördere ich dich vielleicht, wenn ich erstmal Hauptmann bin.", lachte Markus und Black Rose erschien es so, als ob sein Ego gar nicht mehr größer werden konnte. Die Stimmen, sowie die Schritte entfernten sich immer weiter, bis Markus Stimme plötzlich rief: "Hey Marie, überprüf doch endlich mal die Schleuse!"

Vorsichtig lugte Black Rose unter dem Steg hervor, als sich eine Frau nährte, die kaum älter wie sie selbst sein konnte. Sie ging den schmalen Weg entlang zur Schaltzentrale. Dort leuchtete ein Knopf rot auf und Black Rose vermutete das sie gerade versuchte die Schleuse zu schließen.

"Die Schleuse klemmt!", rief die Frau zurück und als Antwort bekam sie nur: "Na dann tu was dagegen! Wir sind beschäftigt!"

Black Rose grinste als sie sah, wie der Kopf der Frau vor Wut rot anlief, dann ließ sie sich zurück unter den Steg gleiten und tauchte ab, als die Frau sich der Leiter nährte. Von unten konnte sie sehen, wie sie sich die rote Uniform auszog und in schwarzen Sachen herunterkletterte. Black Rose ließ sich tiefer hinabsinken und beobachtete wie sich die Schupo mithilfe der Leiter immer weiter unter Wasser zog.

Als sie schließlich eine Lampe anknipste, holte Black Rose aus ihrer Hosentasche einen reißfesten, dünnen Faden. Die zwei Kerle wussten ja gar nicht, dass sie ihre Kameradin gerade in den Tod geschickt hatten.

Leise schwamm die zu der Frau hin, die dann aber den Kopf drehte und sah wer auf sie zu schwamm. Aber Black Rose war schneller als sie und schlug ihren Kopf mit der Schläfe an das Geländer. Dadurch war die Schupo zwar nur benommen, aber es reichte um sie mit dem Faden zu erwürgen. Ihre Leiche platzierte Black Rose fürs erste unterm Steg. Zu einem späterem Zeitpunkt würde sie ihn schon verschwinden lassen.

Dann schwamm sie zur Leiter und zog sich aus dem Wasserbecken. Vor ihr lagen die trockenen Klamotten der Schupo. Den schwarzen Sternen nach zu urteilen, war sie Unteroffizier gewesen. Doch sonderlich viel Respekt schien sie nicht verlangt zu haben, immerhin ließ sie sich von Kadetten herumkommandieren.

Schnell zog sie die rote Uniform an und schulterte das Gewehr. Sie hoffte das durch ihre langen Haare die Griffe von Akuma und Kurochi verdeckt blieben. Dann schritt sie den Weg entlang und den kleinen Flur hinab. Entgegen kamen ihr die beiden Kadetten, die sie anhand der Stimmen erkennen konnte.

"Marie, hast du das Problem gefunden?", fragte Stephen und Black Rose nickte schweigend.

"Hast du es auch behoben, du unnützes Ding?", kam es von Markus und Black Rose richtete den Blick auf ihn.

"Beheb es doch selbst.", meinte sie sauer und Markus ließ sich davon nur ein Grinsen abgewinnen. Es war spaßig mit anderen Menschen und ihren Gefühlen zu spielen, dachte sich Black Rose nun.

"Muss ich dich wirklich daran erinnern, das ich deine Nacktfotos verteilen werde, wenn du nicht tust was ich sage? Sag bloß, das hast du vergessen, Mariechen?", sagte Markus und legte die Hand an seine Hosentasche.

"Ich bin gespannt wie du das tun wirst, wenn du Tod bist, Kadett Markus.", meinte Black Rose ungerührt und legte eine Hand an den Gürtel. Dort war eine Kleinkaliber-Pistole angebracht.

In Markus Augen glänzte Angst auf, während Stephen schon zurückwich. Aber der selbstgefällige Kadett ließ natürlich seine coole Fassade nicht fallen: "Ach, du bluffst doch nur. Als ob du mich erschießen würdest"

"Ach, glaubst du das wirklich?", meinte Black Rose und zog die Pistole mit einer einzigen Bewegung. Sie konnte zwar nicht mit Schusswaffen umgehen, doch auf so kurze Entfernung würde selbst sie ihr Ziel treffen. "Und ich bin Unteroffizier Marie, oder Ma'am, haben wir uns da verstanden?"

Stephen war schon längst verschwunden und nun stieg auch in Markus sichtlich Panik auf. Offenbar interessierte es hier niemanden, was man mit den Kadetten anstellte.

"Sehr, Sehr wohl Ma'am. Ich, Ich werde dann mal … verschwinden.", kam es stotternd von Markus, doch Black Rose hielt ihn fest.

"Die Fotos, oder du kannst den Traum Hauptmann zu werden vergessen."

Mit zitternder Hand übergab der sonst so selbstbewusste Kadett Black Rose drei Fotos.

"Ich wusste doch, das du bluffst, du hast ja nur drei.", meinte Black Rose und stieß ihn weg: "Ich hoffe das war das letzte Mal, dass wir eine Auseinandersetzung hatten."

Markus verschwand sofort um die nächste Ecke und sie steckte die Bilder in ihre Hosentasche. Auch die Pistole ließ sie wieder in den Halfter am Gürtel zurückgleiten.

Akuma flüsterte ihre zischend etwas Unverständliches zu.

Nein, noch ist es nicht an der Zeit euch einzusetzen, war ihre Antwort.

Black Rose ging den Gang runter und entdeckte schließlich eine Treppe die nach oben führte. Sie ging hinauf und fand sich in einem großen, abgedunkeltem Raum wieder in dem sich Kisten bis zur Decke stapelten. Während sie sich den Raum genaustes ansah, lehnte sie sich langsam gegen die Tür, welche sich dann auch fast geräuschlos schloss.

Die Vorratskammer war kaum beleuchtet, da nur ein paar rohrähnliche Wandlampen ihn erhellten. Ein paar der Lichtspender flackerten und tauchten Teile des Raumes in eine düstere Finsternis, während andere von den großen Kisten verborgen wurden, die sich vor ihnen auftürmten.

Langsam schlich Black Rose in eine der finsteren Ecken des Raumes, die graue Jacke der Uniform hinter sich herziehend. Es war schon komisch sich in den Klamotten des Feindes zu bewegen und so zu tun als währe man dieser.

Hinter einem der Kistentürme blieb sie stehen, lehnte sich mit einer Schulter daran und spähte um die Ecke, um die Patrouille sehen zu können, deren Schritte mit jeder Sekunde näher kamen.

Als der Schupo um die Ecke kam und stehen blieb, fiel ihr sofort auf, das er keines der Gewehre trug, wie sonst jede andere Wache an diesem Ort. Außerdem strahle er eine Aura der Unwissenheit aus, welche Black Rose vermuten ließ, das es leicht sein würde ihn in eine Falle zu locken. Dennoch schien der Junge kein Kadett mehr zu sein, offenbar war er ein einfacher Soldat, ohne höheren Rang. Aber was tat er dann hier?

Man ließ doch sonst nur Kadetten in solchen Räumen Wache schieben. Hier passierte sonst eigentlich nie etwas, nun ja, heute war es anders. Ein leichtes Lächeln stahl sich für Sekundenbruchteile auf ihre Lippen, bevor sie dem Wächter im Schatten der Kisten folgte.

Erst in der Mitte des Raumes blieb der Schupo wieder stehen, während sie sich einen schützenden Platz im Schatten sicherte. Von dort aus konnte sie das gesamte Geschehen überblicken.

Die Mitte war frei geräumt von den großen Eichenholzkisten und wirkte damit wie eine Lichtung im Wald. Nur einzeln standen an die großen Kisten gelehnt einige Fässer oder helle Buchenholzkisten, die aussahen, als währen sie im Dunkeln zusammengezimmert worden. Auf der Kiste, die ihr gegenüber stand, konnte Black Rose deutlich das, mit schwarzer Farbe aufgepinselte, Wort ''Äpfel'' lesen.

Sie wandte den Blick von den Fässern und Kisten ab, als ein zweiter Schupo auf die 'Lichtung' trat. Er trug ebenfalls kein Gewehr bei sich und sah auf den ersten Blick wütend und genervt aus. Der Schupo fischte sich aus einer Kiste einen rotbackigen Apfel, biss hinein und warf einen Blick auf seinen Kollegen, bevor er auch ihm einen dieser roten Obststücke zuwarf: "Wenn wir schon hier sind, dann sollten wir wenigstens nichts verkommen lassen."

Der zweite Schupo fing das Obst, setzte sich auf eines der Fässer, legte den Kopf an die große Eichenholzkiste hinter sich und sah desinteressiert zur schwarzen Decke hinauf.

"Solange du wenigstens die Finger vom Wein lässt.", mit diesen Worten biss auch er in seinen Apfel, aber ohne den Blick vom Schwarz abzuwenden.

Sein Kollege sah sich währenddessen um, als sehnte er sich nach etwas Aufregung, dann seufzte er, blickte zu dem Anderen und meinte: "Trotzdem brauchen wir hier nicht so gelangweilt rumzuhocken."

"Was bitte willst du hier machen?", fragte dieser daraufhin, schwenkte den Blick zu seinem Kollegen und sprang elegant vom Fass. Offenbar war er genervt von seinem Partner, zumindest hörte man dies an der Betonung seiner Worte. "Haben wir nicht schon genug Stress mit dem General?"

Was diese beiden wohl angestellt hatten, um den General zu verärgern?

"Nur weil der uns degradiert hat? Pah! Hast du jetzt etwa Angst, oder was?"

Die beiden gaben sich ihren Gefühlen hin und Black Rose fühlte sich in ihrer Meinung bestätigt, das diese 'Gefühle' einem nur im Weg standen.

"Was denkst du denn von mir?! Aber, jetzt denk' du wenigstens einmal nach! Wir dürfen ja jetzt nicht Mal mehr beim Verhör der Schattenflüsterin dabei sein. Man! Es ist doch verdammt noch mal unser Verdienst, dass die sie jetzt überhaupt haben!"

"Du meinst wohl MEIN Verdienst."

Obwohl die beiden immer lauter und ausfallender wurden, kam niemand anderes hinein um dem Streit ein Ende zu bereiten. Offenbar bekamen sie gar nicht mit, was hier drinnen vor sich ging.

Langsam legte Black Rose die Hand an ihre Hosentasche, wo sie deutlich das kleine Funkgerät spürte, welches schon voller Vorfreude zu vibrieren schien.

Sie musste die beiden Streithähne so schnell es ging zum Schweigen bringen, damit sie mit den anderen das weitere Vorgehen planen konnte. Immerhin war sie das Auge von ihnen.

Sie blickte wieder zu den beiden, die sich gerade gegenseitig die Nasen blutig schlugen und versuchte einen Weg zu finden sie ohne Aufmerksamkeit zu erregen loszuwerden.

Doch immerhin gaben ihr die Schreie und lauten Kampfgeräusche in der Vermutung recht, das dieser Raum offenbar genauso schalldicht war, wie der gesamte Komplex an sich.

Aus diesem bunkerähnlichem Gefängnis sollten schließlich keine Schreie der Gefolterten Gefangenen dringen.

Doch nun spielten diese Umstände ausgerechnet dem Feind - also ihr - in die Hände. Ein kurzes, fast schon diabolisches Lächeln huschte über ihre Gesichtszüge, bevor sie sich noch einmal umsah.

Die Streitenden hatten sich inzwischen getrennt und standen mit dem Rücken zueinander an den jeweils diagonal zueinander liegenden Seiten des Raumes. Während der auf der anderen liegenden Seite des Raumes stehende Schupo neben einem unsicher gestapelten Turm aus Kisten stand, hatte sich der zweite genau in ihrer Nähe positioniert.

Besser konnte es in diesem Moment wirklich nicht laufen!

Leise schlich sie sich im Schatten näher an den Schupo heran, der dort mit verschränkten Armen stand und die Wand musterte. Aber aus seinen Augen sprühte schon etwas Reue und selbst im Schatten sah Black Rose das blaue Veilchen welches sich um sein linkes Auge bildete.

Während sie sich näherte, zog sie langsam das Messer, welches sie unter ihrem Gürtel befestigt hatte. Sie ließ den Blick keinen Augenblick vom Schupo, um keine seiner Bewegungen zu verpassen.

Nur kurz vergewisserte sie sich, das sich auch der Zweite nicht bewegt oder gar umgedreht hatte, bevor sie den jungen Mann packte und zu sich in den Schatten zog. Ohne zu Zögern rammte ihm mit einer kurzen Bewegung das Messer in die Halsschlagader. Sie sah in die Augen des Schupo, welche sich vor Schreck geweitet hatten und jetzt immer mehr von ihrem Glanz verloren.

Offenbar durchschaute er nicht, dass sie keine von ihnen war.

Seine Lippen bewegten sich zwar, doch kein Wort drang aus seinem Munde, dennoch war sie sich sicher, dass er das Wort 'Marie' geformt hatte. Ihr wurde bewusst, das es sich hierbei offenbar um ihren Freund gehandelt haben musste, doch das interessierte sie nicht. Sie würden sich im Jenseits schon wieder finden.

Als der Schupo regungslos am Boden lag, zog Black Rose langsam die blutige Klinge aus seinem Hals, aus dem noch für ein paar Minuten weiteres Blut fließen würde. Sie wischte das Blut am roten Oberteil der Schupo-Uniform ab, stand auf und schob das Messer wieder in den Gürtel.

Sie lugte noch mal um die Ecke und konnte beobachten, wie sich der Zweite Schupo umdrehte und offenbar mit Schrecken das Fehlen seines Freundes bemerkte.

Black Rose sah daraufhin zur Leiche um eine Möglichkeit zu finden, den Anderen abzulenken.

Sie bemerkte den Apfel, der neben der Leiche lag und schon kam ihr eine Idee.
 

Black Rose: Zeig mir deine Gefühle und ich zeige dir, wie du stirbst, denn Gefühle zeigen Schwäche, Schwäche ist der Tod und der Tod ist mein Freund.

Kapitel 7

Langsam ging Black Rose zum Leichnam und nahm das rötliche Obststück an sich.

"Lukas, komm raus! Das ist nicht lustig!", hörte sie hinter sich den Ruf des Schupo. Er klang verzweifelt.

Vorsichtig lehnte sie sich hinter der Kiste hervor, zielte und warf den Apfel genau auf den Kistenturm, welcher davon schon anfing bedrohlich zu wanken, bis die Obersten hinab fielen und auf dem Boden zerbarsten. Heraus kamen neben ein paar Uniformen und Munitionsverpackungen. Ein paar der silbrig schimmernde Munitionshülsen rollten über den Boden.

Der Schupo sprang vor Schreck fast einen Meter nach hinten und blickte zu den Resten, die vom Holz übrig geblieben waren. Eine der Eichenholzkisten hatte ihn nur um wenige Zentimeter verfehlt.

"Lukas, das ist kein Spaß mehr! Hör zu, es tut mir leid, dass mit dem Auge, aber hör auf!", aufsteigende Panik war aus seiner Stimme herauszuhören.

Black Rose hatte die Leiche inzwischen auf einer der Kisten platziert. Sie lief so laut sie konnte vor dieser auf und ab, um die Aufmerksamkeit des Schupo auf sich zu lenken

und schon kam er angelaufen, während sie auf die andere Seite lief.

"Hab ich dich, Lukas!", hörte sie dann den Ruf des Schupo. Kurz darauf stockte dieser aber als schien er nicht glauben zu wollen, was er da sah.

"Lukas? Lukas!", kaum rief er das, stieß Black Rose die Holzkiste mit aller Kraft in seine Richtung.

Dann sprang sie auf die verbleibende und von dort auf jene, unter welcher der Schupo fast vollständig begraben lag. Seine Nase blutete und er wirkte benommen. Außerdem zierte eine Platzwunde seine Stirn. Neben ihm lag die Leiche seines Freundes und Black Rose blickte in sein Gesicht.

Der Schupo schien langsam zu begreifen, dass jemand auf der Kiste stand.

"M-Marie?", kam es leise aus seinem Mund. "W-Was tust du hier? Hast-Hast du Lukas getötet?"

Black Rose antwortete ihm nicht. Stattdessen zog sie ihr Messer, welches leicht aufblitzte. Nun weiteten sich auch seine Augen vor Schreck - wie die seines Kollegen. Jedoch schien er nicht zu verstehen, das vor ihm nicht Marie stand.

"Marie, hör auf!", rief der Schupo nun verzweifelt, während er die Klinge voller Angst betrachtete: "Ich bin's, Kevin!"

Lange sah Black Rose in Kevins Gesicht und blickte in seine blauen Augen, die sich vor Angst geweitet hatten. Sie hockte sich langsam hin, sodass sie den Schupo näher betrachten konnte. Sie bemerkte wie sich die Gesichtzüge des Mannes langsam entspannte und nun wiederholte er hoffnungsvoll: "Genau, Marie! Ich bin's, Kevin! Wir sind Freunde!"

Kaum hatte er ausgesprochen sprang Black Rose auch schon elegant von der Kiste - genau neben den Kopf des Schupos. Er schien sich nicht selbstständig befreien zu können und auf ihre Hilfe zu hoffen.

Sie richtete den Blick langsam wieder auf die blauen Augen des Schupo und lächelte leicht. Das Messer behielt sie in der Hand und es warf einen kleinen Lichtreflex an die Wand hinter ihr. Während sie ihn weiterhin ansah, kniete sie sich neben ihn und bemerkte den hoffnungsvollen Schimmer in seinen Augen. Er befand sich in Gesellschaft der Angst, die den Körper des Schupos unter Adrenalin setzte.

Hoffnung, ein so wundervolles Gefühl - zumindest solange man es nicht zerstörte.

Black Rose legte die Klinge des Messers an den Hals von Kevin und begann langsam zu sprechen, wobei sie jedes einzelne Wort gekonnt betonte: "Ich bin nicht Marie."

Angst und Panik ersetzten zeitgleich den Hoffnungsschimmer in den Augen des jungen Mannes und er wollte noch etwas sagen. Doch bevor auch nur ein Wort aus seinem Mund dringen konnte, hatte sie ihm schon den Dolch in den Hals gerammt.

"Keine Sorge, im Jenseits siehst du sie wieder.", sprach Black Rose zu dem Sterbenden. Danach stand sie auf und zog das Messer aus der Wunde, welche das Blut daraufhin fast ausspuckte.

Der Glanz verschwand immer mehr aus den blauen Augen, die auf sie gerichtet waren. Immer noch voller Angst - Angst vor dem Tod. Der Schupo versuchte etwas zu sagen, doch neben einem gurgelnden Geräusch kam nur ein Schwall Blut aus seinem Mund.

Währenddessen war Black Rose schon zur Leiche von Markus geschritten, wo sie abermals ihre Klinge säuberte.

Dann ließ sie den sterbenden Kevin allein zurück und begab sich schnellen Schrittes zur Tür, die ihrer Kenntnis nach zur 'Eingangshalle' führen müsste. Kurz musterte sie die dunkle Tür, welche sich kaum vom Rest der Wand abheben wollte. Danach drückte sie die Klinge langsam nach unten und ließ die Tür einen Spalt breit ausschwingen.

Ein prüfender Blick nach draußen verriet ihr daraufhin, das vor den einzelnen Türen keine Wachen standen, dafür patrouillierten sie durch den weitläufigen Raum. Diese Halle war an einigen Stellen mit Kisten bespickt, was wohl dazu diente Unwissenden den Eindruck einer einfachen Lagerhalle zu vermitteln.

Ihr Blick glitt nach oben zur Brücke, die etwa in der Mitte des Raumes über den Kisten thronte. Auf ihr standen vier bewaffnete Wachen und es gab praktisch keinen Winkel, den sie nicht einsehen konnten. Das erschwerte die Ganze Sache um einiges, doch bis jetzt gab es noch kein Problem, welches sie nicht lösen konnte. Dieses hier würde auch nicht das erste werden - ganz sicher.

Lautlos zog sich Black Rose in den Vorratsraum zurück und schritt zur 'Lichtung'. Dort lehnte sie sich an eines der Weinfässer und kramte aus ihrer Hosentasche das unscheinbare Funkgerät. Es hatte trotz seiner geringen Größe eine unglaubliche Reichweite und auch die dicken Wände des Karzers sollten kein Hindernis darstellen.

Sie musste mit den anderen unbedingt das weitere vorgehen besprechen, es war viel zu riskant sie blind in diese Situation zu schicken. Außerdem konnte ein einziger Fehler Bloody Pearls Tod bedeuten, denn sie wurde - soweit Black Rose den Worten der beiden Wächter entnehmen konnte - noch verhört oder es war gleich soweit.

Sie entwirrte mit ein paar kleinen Handgriffen den Kabelsalat und befestigte eines der Kopfhörer an ihrem linken Ohr. Mit dem rechten horchte sie, ob sich auch niemand mehr hier befand, oder sich genährt hatte. Dann schaltete sie das Funkgerät ein.

Zuerst hörte sie nur ein undefinierbares Rausches, bis sie durch einen kleinen Klick-Ton darauf aufmerksam gemacht wurde, das sie nun mit den Anderen verbunden war.

"Jess, geht es dir gut?!"; war das erste was Black Rose zu hören bekam. Es war Mondscheins Stimme, sie klang besorgt.

"Ja, es ist alles gut, Mondschein. Ich mache so was schließlich nicht zum ersten Mal.", antwortete sie ihr und blieb bemüht ruhig. Dann meldete sich Schattenprinz zu Wort: "Du hast dir dafür aber ganz schön viel Zeit gelassen. Wir dachten fast schon sie hätten dich erwischt."

Black Rose wusste, das er wieder einmal maßlos übertrieb, doch daran störte sie sich nicht und antwortete auch ihm: "Sehr lustig. Ich wurde nun mal etwas 'aufgehalten'"

Die dachten doch wohl nicht etwa, dass sie hier einfach so reinspazieren kann, ohne vorher ein paar Feinde aus dem Weg zu schaffen, dachte sich Black Rose und verdrehte leicht die Augen. Nein, so dumm konnten ihre Kameraden nicht sein.

"Du kannst sie nicht alle töten.", drang es nun aus dem Kopfhörer. Schattenprinz hatte es gesagt und Black Rose sah das kleine Gerät an: "Ich weiß.", sie fügte dennoch flüsternd hinzu: "Leider."

"Also, wie sieht es nun drinnen aus? Hast du einen Plan, Black Rose?", fragte nun Kreuz-König.

"Drinnen patrouillieren ein paar Wachen zwischen einer Hand voll Kisten. Vier von ihnen stehen aber auf einer Brücke und haben alles im Blick. Ungesehen kommen wir also nicht hinein. Aber soweit ich mitbekommen habe ist in ein paar Minuten Essenszeit und es werden einige Wache abwesend sein.", berichtete Black Rose nun den anderen.

"Also gut, das wir uns alle bereits passend eingekleidet haben.", ließ Schattenprinz nun verlauten und Black Rose konnte sein grinsen bereits vor sich sehen.

"Gut, so werden wir wenigstens nicht auffallen. Ich werde euch gleich rein lassen, ich melde mich dann noch mal.", meinte sie daraufhin und schaltete das Funkgerät aus.

Dann hörte die plötzlich eine Jungenstimme von der anderen Seite des Raumes: "Hallo? Ist hier wer?"

Sofort stopfte Black Rose das kleine Elektrogerät in ihre Hosentasche und zog die Jacke zurecht. Solange der Junge nicht den Raum betrat war alles gut - niemand sollte die Leichen sehen, nicht bevor sie Bloody Pearl befreit hatten!

Schnellen Schrittes ging Black Rose zur Tür und kam gerade an, als der Kadett den Raum betreten wollte. Doch als er sie sah, trat er schnell zurück und versuchte nicht einmal ihrem Blick standzuhalten, sondern starrte auf seine Schuhspitzen.

Black Rose musterte den Jungen - er konnte kaum älter wie 12 sein. Er besaß weder irgendwelche Waffen, noch trug er die richtige Kadettenuniform.

Der Junge sah auf, als sie ihn ansprach: "Was willst du hier?"

"Ich-Ich wollte nach einem Apfel fragen.", meinte der Junge leicht stotternd und eingeschüchtert. Es war offensichtlich, dass er noch nicht lange hier war.

"Es gibt gleich Essen, also kannst du auch so lange warten.", meinte sie und blickte den Jungen an. Dieser verschränkte schüchtern die Hände hinter seinem Rücken und blickte stur an ihr vorbei.

"Glaubst du, du bekommst Ärger, nur wenn du mich anschaust? Du bekommst wesentlich mehr, wenn du es nicht tust."

Daraufhin blickte der Junge zu ihr hoch und zum ersten Mal sah sie seine großen, braunen Augen. Sie passten sich seinen haselnussbraunen Haaren fast perfekt an.

"Warte hier und wehe du kommst hier rein, dann bekommst du Ärger, Junge.", mit diesen Worten ging Black Rose gezielt in den Raum und holte ihm einen der Äpfel. Hauptsache er war endlich weg - ohne viel Aufsehen zu erregen.

Kaum hielt der Junge das rote Obststück in seinen Händen verschwand er auch schon glücklich um die nächste Ecke und Black Rose schloss die Tür. Hoffentlich kamen jetzt nicht noch mehr Schupo hierher um sich eine Vorspeise zu gönnen.

Sie lief wieder zur zweiten Tür und warf einen Blick nach draußen und kaum ertönte ein leiser Glockenton, machten sich auch schon die Patrouillen auf den Weg zum Speiseraum. Doch von ihrem Standpunkt aus, sah Black Rose auch, wie zwei Schupos durch eine Tür in eine Art Treppenhaus verschwanden, während ein anderer durch eine neben liegende Tür in ein Büro ging.

Langsam schlich sich Black Rose aus der Vorratskammer, schloss die Tür hinter sich und begab sich schnell zur ersten Tür auf der östlichen Seite. Dort müssten Schattenprinz und Mondschein bereits auf sie warten.

Mit einer schnellen Handbewegung löste sie den Riegel und öffnete die Tür ein Stück weit, sodass die beiden hindurchschlüpfen konnten.

Mondschein hatte die Uniform eines Wachposten abgegriffen und trug die Mütze so tief, das man ihre roten Augen kaum erkennen konnte. Auch Schattenprinz hatte sich die Kleidung eines Wachposten angeeignet und laut dem schwarzen Stern auf seiner Schulter war die Wache ehemals ein Unteroffizier gewesen.

Black Rose schloss das Eingangstor wieder und sah die beiden an. Zum Glück standen sie unter der Brücke und konnten sich ungestört unterhalten.

"Mondschein, Schattenprinz, kümmert euch um die Wächter auf der Brücke, ich gehe zum Westtor.", flüsterte sie leise und ging erst einmal unter der Brücke entlang zur östlichen Wand. Die Tür lag, versetzt zur anderen, etwa in der Nähe der Waffenkammer.

Sie beobachtete wie sich Mondschein und Schattenprinz unbemerkt den Zutritt nach oben verschafften und machte sich schnell auf den Weg zur Westtür. Dabei ging sie an der Wand entlang, um so gut es ging unter den Blicken der Wachen hindurchzuhuschen.

Kaum war sie am Ziel angekommen warf sie einen kurzen, prüfenden Blick zurück zur Brücke, wo gerade der letzte Schupo von Schattenprinz ein Messer in den Rücken bekam. Augenblicklich begann er sich zu krümmen und Schattenprinz stach ihm die Klinge in den Hals, um ihn am schreien zu hindern.

Black Rose richtete ihre Aufmerksamkeit aber wieder auf die Tür, welche mit einem Riegel versperrt war. Sie zog einen Schalthebel nach unten und mit einem Klacken löste sich die Verriegelung. Die Tür schwang aber schon von selbst ein Stück weit auf, sodass Nachtfalke und Kreuz-König sich nun auch in das Karzer begeben konnten.

Auf der Mütze von Nachtfalkes Kadettenuniform hatte sich Schnee angesammelt und ein Windzug pfiff durch die Torspalte, welcher ihm ein paar Schneeflocken von Mütze und Schultern wehte. Genervt zog Nachtfalke seine Mütze vom Kopf und klopfte den Schnee ab. Seine roten Haare glichen sich zum Glück an seine jetzige Kleidung an.

Kreuz-König lehnte das Gewehr seiner abgegriffenen Uniform an sie Wand und schob sich Schnee von den Schultern. An seiner Brust glänzte ein kleines Abzeichen, für das Black Rose aber keine Bedeutung wusste.

"Gut, jetzt müssen wir nur noch herausfinden wo das Verhör stattfindet.", flüsterte Black Rose leise und sah aus den Augenwinkeln wie sich Schattenprinz und Mondschein zu ihnen gesellten. Kreuz-König nickte bestätigend und Nachtfalke zog wieder seine Mütze über.

"Und wo sollen wir das herausfinden?", fragte Mondschein und zog sich das Oberteil zurecht.

"Da vorn ist ein Büro, da müssten wir etwas finden.", antwortete Black Rose ihr und deutete auf die Tür, wo sie vorhin noch einen der Schupo reingehen sah.

Alle wollten sich gleichzeitig dorthin begeben doch sie hielt die anderen auf: "Wartet. Kreuz-König, geh du auf die Brücke, gemeinsam mit Mondschein. Wenn es ernst wird, könnt ihr von dort eine bessere Deckung liefern. Schattenprinz, Nachtfalke, ihr kommt mit mir mit."

Keiner wagte es zu widersprechen und während sich Mondschein und Kreuz-König auf die Brücke begaben, wandte sich Black Rose mit ihren Begleitern der Bürotür zu.

Dort horchte sie an der Tür, hinter welcher anscheinend gerade ein Telefonat im vollen Gange war und was sie da hörte, gefiel ihr überhaupt nicht: "Ja, natürlich haben wir sie gefangen, das war gar kein Problem! … Wie bitte? … Elektroschocks? … Ja, ja natürlich Sir. …Sie wird jeden Moment verhört. ..Ja natürlich schicke ich ihnen das Protokoll zu … Nein, nein, Sir, es wird keinerlei Probleme geben. … Ja, natürlich, Sir. Das machen wir …"

Nun hatte sie eindeutig genug gehört!

Sie lehnte sich langsam zurück und blickte in die Gesichter von Schattenprinz und Nachtfalke. In ihren Augen funkelte die Neugier, doch Black Rose streckte die Hand aus.

"Gib mir eine deiner Klingen.", meinte sie an Schattenprinz gewandt.

Mit den Worten: ,"Das war keine Bitte, oder?", reichte ihr der Angesprochene eine seiner grünlich schimmernden Klingen.

"Was hast du vor?", fragte Nachtfalke und Black Rose schenkte ihm nur einen kurzen Blick, bevor er begriff, nickte und sich neben die Tür stellte. Schattenprinz nahm seine Position auf der anderen Seite der Tür ein und beide beobachteten, wie Black Rose in Stellung ging.

Ein kurzer, aber dennoch starker Tritt genügte, um die Bürotür fast aus den Angeln zu heben.

Der Schupo hinter dem Schreibtisch hatte gerade noch genug Zeit überrascht den Kopf zu heben, bevor ihn die grüne Klinge mitten ins Herz traf.

Während er noch umfiel, wurde Black Rose am Arm gepackt und von einem zweiten Wächter, welcher neben der Tür stand, an die Wand gedrückt. Sie trat ihn mit ihrer Stiefelsohle in die Magengegend, sodass er sich krümmte, aber kurz darauf schon von Nachtfalke ein Messer in den Hals bekam.

Um den dritten im Bunde hatte sich Schattenprinz derzeit schon gekümmert, denn er lag reglos in seiner Ecke.

Black Rose trat einen Schritt zur Seite, bevor Nachtfalke den leblosen Körper losließ, sodass dessen Kopf gegen die Wand schlug und er zu Boden sank, daraufhin schloss er die Tür, vor der Schattenprinz nun Schmiere stand.

Black Rose musterte Nachtfalke, wie er da in der Kadettenuniform vor ihr stand. Sie vertraute ihm immer noch nicht, aber er beherrschte nun einmal sein Werk, auch wenn man es ihm manchmal gar nicht abkaufen konnte, das er ein Killer war.

Während sie versuchte die Bilder von Nachtfalkes bereits vollendeten Aufträgen aus dem Kopf zu bekommen, schritt sie zum Schreibtisch und musterte den Blätterhaufen, welcher über den ganzen Tisch verteilt war.

Von Ordnung hielten sie hier wohl nicht viel.

Sie kramte einen Teil der Blätter zusammen und begann ihn zu durchsuchen. Ohne das sie etwas erwähnen musste, nahm sich Nachtfalke den zweiten Stapel vor. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bevor sie etwas in ihrer Blättersammlung entdeckte. Sie zog das Papier hervor und betrachtete es genauestens, es stand nicht viel darauf, offenbar war es die Vorlage zu einem Verhörsprotokoll.

"Hast du was?", fragte nun Nachtfalke, welcher gerade mit seinem Haufen fertig geworden war. Black Rose nickte nur, räumte die Mitte frei und legte ihm die Seite vor.

"Hier steht, dass man sie im Hochsicherheitstrakt B festhält.", meinte sie, bevor er anfangen konnte zu lesen. "Jetzt müssen wir nur noch wissen, wo das liegt."

"Das kann ich dir zeigen.", antwortete er und zog sie zu einem Gebäudeplan, welcher an der linken Wand fast unübersehbar hing. Dort war aber nur die Einteilung des Erdgeschosses zu sehen, aber das war wahrscheinlich nicht alles.

Nachtfalke ging zur Leiche des Mannes, dessen Haut sich inzwischen gräulich verfärbt hatte und zog einen kleinen Schlüssel hervor. Black Rose war inzwischen das kleine Schlüsselloch aufgefallen, welches sich unten Links am Rahmen des beleuchteten Plans befand.

Offenbar konnte man die Karte mit einem Screen einstellen, dies bestätigte sich, als Nachtfalke des Schlüssel einsteckte und umdrehte.

Etwa auf Hüfthöhe öffnete sich in der Mitte des Rahmes ein kleiner, rechteckiger Schacht und eine kleine Tastatur fuhr heraus. Nachtfalke schien unbeeindruckt, dennoch meinte er: "Ziemlich modern eingerichtet."

Black Rose erwiderte nichts und begann mit der Tastatur durch die einzelnen Pläne zu blättern, bis sie etwa beim 6ten Untergeschoss stoppte. Es war anscheinend die bisher tiefste Ebene des Karzers, da auf der Seite danach in großen, schwarzen Lettern 'In Bearbeitung' stand.

"Gut, jetzt wissen wir wo sie ist, also los.", gerade wollte sie mit Nachtfalke den Raum verlassen, als eine Durchsage ertönte: "Alle Offiziere haben sich nach dem Essen - in einer halben Stunde im Konferenzraum einzufinden."

Also hatten sie noch 30 Minuten zeit um ins 6te Untergeschoss und in den Hochsicherheitstrakt zu gelangen - na super!
 

Nachtfalke: Angst ist ein mächtiges Werkzeug - welches nur wenige Menschen einzusetzen wissen, aber noch weniger wissen, wie sie sich davor schützen können. Also keine Angst mein Freund - ich bin nur hier um dir die helfende Hand zum Tod zu reichen. Also - weshalb schaust du mich so an - hast du Angst?

Kapitel 8

Der Sprecher begann zum zweiten Mal, seine Durchsage zu wiederholen, aber diesmal hörte ihm Black Rose nicht mehr zu.

"Wir haben also nur noch 30 Minuten.", murmelte Nachtfalke leise. Sie sah gar nicht erst zu ihm, als sie meinte: "Dann sollten wir also keine Zeit mehr verlieren."

Mit diesen Worten schritt sie aus dem Büro und ging schnurstracks zur anliegenden Tür, die zu einem Treppenhaus führte. Sie konnte hören, wie Schattenprinz und Nachtfalke ihr folgten.

Das Treppenhaus war nicht gerade groß und schien auch teils schlecht ausgeleuchtet zu sein.

Die Wände waren grau und an der breitesten prangte in schwarzer Großletterschrift 'Erdgeschoss'. Doch um auf weitere Details zu achten, war die Zeit einfach zu knapp.

Mit ihren beiden Begleitern im Schlepptau ging Black Rose schnellen Schrittes die Treppe hinab. Sie kamen bis zum fünften Untergeschoss leicht voran, da sie keinem Schupo begegneten.

Doch auf halber Höhe zum fünften Untergeschoss stoppte Black Rose plötzlich, als sie eine der Wachen ansprach, die dort unten neben der Tür stand: "Habt ihr eine Genehmigung?"

Sie antwortete ihm nicht und sah ihn nur schweigend an. Dann nickte sie nur leicht und während sie nach unten schritt, konnte sie praktisch hören, wie Schattenprinz und Nachtfalke ihre Dolche zogen und ihr langsam folgten.

"Dann zeigt mir doch mal eure Genehmigungen und Kadetten haben hier schon einmal gar nichts verloren.", ließ der Schupo, mit einem Blick Richtung Nachtfalke, verlauten.

"Die werden Sie noch früh genug sehen.", meinte Black Rose leise und schon hatte Schattenprinz ihm die vergiftete Klinge in den Hals gerammt.. Die zweite Wache erlag Nachtfalke, welcher ihm das Messer einfach mitten ins Herz stieß.

Zufrieden sah Black Rose zu, wie die beiden Männer in sich zusammensackten, dann sah sie zu Schattenprinz: "Schau nach, ob du was nützliches findest."

Während sich Schattenprinz den beiden Leichen zuwandte und Nachtfalke darauf achtete, dass sie niemand überraschte, sah sich Black Rose das Gerät an, welches rechts neben der Tür angebracht war. Offenbar steuerte es eine Art Verriegelungsmechanismus.

"Ich hab hier zwei Sicherheitskarten.", meinte Schattenprinz kurz darauf und erhob sich.

"Gut, die helfen uns sicher weiter, lass mal sehen.", sie nahm einfach eine der beiden Karten an sich. Es standen keine Namen darauf, nur ein Hinweis: 'Die Karte ist für Sicherheitsstation B freigegeben.'

Ein kurzer Blick auf die andere, hellblaue Karte verriet ihr, das sie mit dieser nicht bis zu Bloody Pearl vordringen konnten.

"Die hier nehmen wir mit, die andere kannst du hier lassen.", kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen und die Karte in ihre Hosentasche gesteckt, ließ Schattenprinz auch schon die Karte in eine kleine Blutlache fallen.

"Hey, beeilt euch, eine der beiden unteren Wachposten kommt hoch.", meinte plötzlich Nachtfalke und Black Rose trat schnell an seine Seite.

"Was wollt ihr hier?", auf dem Treppenabsatz stand ein hoch gewachsener, ziemlich muskulöser Mann mit breiten Schultern. Black Rose musterte ihn eine Weile lang, seine Kleidung war offenbar eine Nummer zu klein, oder seine Muskeln eine Nummer zu groß.

"Hey, ich rede mit euch!", rief die Wache und keiner von ihnen zuckte, als der Mann seine Kleinkaliber zog.

"Wir wollen in den Sicherheitstrakt, ist das nicht offensichtlich?", Black Roses Stimme war ruhig und man konnte sehen, wie die Augen des Mannes von Wut in Verwirrung übersprangen.

"Was wollt ihr bitte im Sicherheitstrakt?"

Ein leichtes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, während sie die Treppe zum Mann hinab ging. Seine Hände zitterten am Abzug und für einen Moment wirkte er auf Black Rose wie ein kleines, unbeholfenes Kind.

Mit einer einfachen Handbewegung entwaffnete sie die Wache und hörte wie die Pistole auf den Boden aufschlug und zur Wand schlitterte. Nachtfalke ging runter und nahm sich der Kleinkaliber an, während sich Schattenprinz zur zweiten Wache begab.

"Man richtet doch seine Waffe nicht auf Verbündete.", meinte Black Rose und tätschelte ihm seine breite Schulter. Es machte ihr Spaß mit ihnen allen zu spielen. Es war - unterhaltsam.

"Woher soll ich wissen, dass ihr Verbündete seid?", murrte der Mann, doch sie spürte die Unsicherheit die in ihm loderte. Mit Sicherheit war er kräftiger wie sie - er war sogar größer wie sie, doch je größer sie sind desto tiefer fallen sie nun einmal.

Mit einem leichten Lächeln antwortete sie dem Schupo langsam: "Das kannst du nicht."

Dann ließ die die Hand von seinem Arm gleiten, während sie mit der anderen ihren Dolch zog und ihm mit einer schnellen Bewegung die Kehle durchtrennte.

Ungerührt vom Geräusch des fallenden Körpers, ging Black Rose die Treppe hinab und hörte wie Nachtfalke ihr folgte. Nun war es nicht mehr wichtig die blutigen Spuren zu beseitigen, dazu war der Zeitrahmen viel zu eng.

Unten stand bereits Schattenprinz an der Tür und schien zu versuchen sie zu öffnen. Seinem genervtem Gesichtausdruck nach zu urteilen, war er dabei nicht sonderlich erfolgreich.

Ohne große Worte schob Black Rose ihn zur Seite und besah sich das Schaltpult etwas näher. Sie zog die Karte und zog sie durch den dazu vorgesehenen Schlitz, offenbar hatte Schattenprinz versucht den Schaltkreis zu umgehen, doch er war offensichtlich begabter darin Gifte zu mischen.

Ein leiser Signalton ertönte und das rechteckige Gerät gab eine Tastatur frei. Offenbar erwartete sie einen Code.

"Wir haben keine Zeit um nach dem Code zu suchen.", meinte Nachtfalke, doch Black Rose beachtete ihn nicht, sondern richtete ihre Aufmerksamkeit eher auf die Tastatur. Nach kurzem Überlegen gab sie die siebenstelligen Code ein.

"H.E.L.L.6.6.6.", murmelte sie dabei leise vor sich her und wirkte abwesend. Kaum war die letzte Zahl eingegeben öffnete sich mit einem leisem Zischen die Tür des Sicherheitstraktes.

Die verwirrten Blicke von Schattenprinz und Nachtfalke ignorierend, trat sie durch die Tür in den ausgeleuchteten, ausgesprochen hellem Gang. Auf dem Linoliumboden hallten ihre Schritte wider, während sie den gang hinab schritt. Das die beiden Jungs ihr folgten hörte sie deutlich und das sie verwirrt waren konnte sie nur zu gut verstehen - sie war es ja selbst.

Was mache ich mir eigentlich sorgen, es ist bestimmt ein alter Code gewesen und sie haben ihn einfach nicht geändert, dachte sie sich und schob den Gedanken damit ab.

Sie öffnete die Knöpfe des weißen Mantels, der bisher ihr schwarzes, bauchfreies Top bedeckt hatte. Das leise flattern des Saumes im Wind beruhigte sie ungemein und entspannte sie.

Während sie an den Zellen vorbei lief, fiel ihr auf, das nur die wenigsten mit kümmerlichen Gestalten besetzt waren, welche vorzugsweise nur in gekrümmter Haltung auf ihren Holzbetten saßen und Löcher in den Boden starrten - müsste offenbar ein beliebter Zeitvertreib sein.

Bei einem Häftling fielen ihr die verbrannten Hände auf, welche er einfach schlaff herunterhängen ließ, als wüsste er nichts mit ihnen anzufangen. Der kleine Elektrokasten neben der Zelle ließen die Vermutung nahe stehen, dass die Eisenstäbe unter Strom gesetzt waren. Der Mann drehte langsam den Kopf in ihre Richtung und der Blick aus seinen leeren, fast weißen Augen hatte etwas von Trauer in sich.

Als der Gang sich in zwei Richtungen aufteilte blieb sie zum ersten Mal stehen und betrachtete die Beschriftung der Wände genauer. Einer führte offensichtlich zu weiteren Hochsicherheitszellen, während der Andere zu den Räumlichkeiten der Schupo führte - zu denen auch die Verhörsäle zählen mussten.

Kurz entschlossen drehte sie sich zu ihren Begleitern um und blickte direkt in ihre Gesichter. Schattenprinz sah durch das kalte Licht von oben noch blasser aus als sonst und Nachtfalke sah im Licht sehr unbeholfen aus - eben wie ein Kadett.

"Kenji.", sprach sie zum Schwarzhaarigen, welcher sie verwundert anblickte, weil sie ihn nicht bei seinem Decknamen nannte: "Ich möchte, dass du gemeinsam mit ihm," dabei deutete sie auf Nachtfalke, "wieder nach oben gehst."

Jetzt blickte sie auch Schattenprinz genauso verwirrt an wie der Rothaarige. Er verschränkte die Arme, doch Black Rose hielt dem Blick seiner eisblauen Augen stand.

"Geht nach oben und sorgt dafür, das niemand dieses Treppenhaus betritt.", meinte sie.

"Aber dann kommst du nicht mehr hier raus.", warf Schattenprinz ein, während Nachtfalke hinter ihren Plan zu blicken versuchte.

"Sofort."

"Sie hat Recht.", warf Nachtfalke ein. Schattenprinz blickte Black Rose eine Weile an, bevor er langsam die Arme voneinander löste: "Ich hoffe du weißt, was du tust."

"Ich weiß immer, was ich tue."

Sie sah zu, wie die beiden den Gang Richtung Treppenhaus hinab liefen, bevor sie sich in Richtung der Verhörsäle begab. Es würde keinen Sinn ergeben, wenn sie Bloody Pearl noch in ihrer Zelle gefangen hielten - wenn man sie zu Beginn an überhaupt in eine gesteckt hatte.

Sie lief bald an einigen leeren Zellen vorbei, welche an den Wänden weiß befliest waren - sie waren eben leichter zu reinigen.

Sie hatte auf ihrem Weg keinerlei Widerstand, den hätte ihr auch niemand mehr entgegenbringen können. Vor einer Zelle, welche an einen kleinen Aufenthaltsraum anlehnte, blieb sie stehen. Durch die Stahlgitter konnte sie Bloody Pearls Hinterkopf sehen, welcher fixiert auf einem aus dunklem Eichenholz gefertigten Tisch lag. In der Ecke konnte sie sie Silhouette eines Schupo ausmachen, welcher die Gefangene musterte. Offenbar hatte er die Beobachterin noch immer nicht bemerkt.

"Du scheinst viel auszuhalten, Kleines. Andere wären schon unter den Qualen zusammengebrochen.", hörte sie eine schnarrende Stimme, welche ihr unheimlich bekannt vorkam. Als würde man ein Stück Kreide quietschend über die Tafel ziehen.

Bloody Pearl gab keinen Laut von sich, auch wenn Black Rose nun deutlich die Kabel erkannte, welche offenbar zu eine Art Pult liefen.

Elektroschocks waren eine beliebte Verhörmethode. Diese schien aber bei Bloody Pearl nicht einmal ein Wimpernzucken verursachen zu können.

"Rede endlich, verdammt noch mal!"

"Sie können mich mal", über diese Antwort musste selbst Black Rose ein kleines Lächeln verlieren. Selbst in so einer Situation noch eine so große Klappe zu haben - typisch.

"Dreckiges, kleines, minderwertiges Biest!"

Da schien jemand den falschen Beruf gewählt zu haben.

"Taka, hol ES aus dem Raum.", meinte plötzlich der Mann hinter dem Pult. Der Schupo, der die ganze Zeit den stillen Beobachter gemimt hatte, nickte und löste sich von der dunklen Wand hinter ihm.

Schnell verschwand Black Rose im Aufenthaltsraum, wo sie den Schlüssel unter der Fußmatte fand - was für ein albernes Versteck. Sie hockte sich hinter einen Schreibtisch, kurz bevor der Schupo Taka den Raum betrat. Er war hoch gewachsen und etwa 16 Jahre alt. Sein Aussehen erinnerte Black Rose an den jungen Kadetten, welcher zur falschen Zeit, am falschen Ort war - beziehungsweise zu früh Feierabend machen wollte.

Langsam stand sie auf und schnappte sich den schweren Ordner, welcher auf dem Schreibtisch neben ihr lag. Sie behielt Taka vorsichtig im Blick, während sie sich zu ihm schlich. Er durchwühlte gerade einen Schrank und richtete sich gerade auf, als sie hinter ihm stand.

Er drehte sich um und bevor er etwas sagen konnte, schlug sie ihm den schweren Hefter an die Schläfe, sodass er mit dem Kopf gegen den Schrank knallte und anschließend bewusstlos zu Boden sank. Sie schob den Jungen in den Schrank und schloss die Tür, doch als sie gerade gehen wollte fielen ihr ein Umschlag und eine Art Fernbedienung auf.

Sie hockte sich hin, nahm den Umschlag und die Fernbedienung an sich. Auf den ersten Blick war an beiden Dingen nicht ungewöhnliches festzustellen. Der kleine Umschlag war in hellblau gehalten und relativ schwer, von der Form her könnte er mit Geld befüllt sein, oder anderen Papieren, wobei Geld am meisten Sinn ergab.

Sie steckte das rechteckige Stück Papier in die Hosentasche und widmete ihre Aufmerksamkeit nun der Fernbedienung, welche aus ein paar Knöpfen bestand. Drei rote, zwei Grüne und vier Graue Knöpfe mit Richtungspfeilen waren auf dem Ding angebracht. Über den grünen standen Start und Open, während über den roten jeweils Stop, Close und ein Totenkopf abgebildet waren.

"Taka, wo zur Hölle bleibst du?!", die Stimme des Mannes riss sie aus ihren Gedanken. Als Black Rose aufschaute, fiel ihr Blick auf die Uhr über der Tür, welche ihr 10 Minuten vor Mitternacht anzeigte. Um Tara zu Befreien und das Karzer zu verlassen, hatten sie also nur noch 10 Minuten Zeit.

Auf einmal rumpelte es laut und eine Durchsage ertönte: "Das östliche Treppenhaus ist in der vierten Etage eingestürzt. Ich wiederhole, das östliche Treppenhaus ist nur noch bis zur dritten Etage begehbar. Mister Saranko soll sich sofort beim Stellvertreter melden. Mister Saranko bitte beim Stellvertreter melden."

Aus dem neben liegenden Raum kam ein Fluchen: "Immer wenn es gerade interessant wird, Taka beweg deinen Hintern hierher!"

Als Black Rose gerade vor die Tür des Aufenthaltraumes trat, erblickte besagter Saranko sie und blaffte sie an: "Hey, du da, sag mir wo Taka ist!"

"Er hat sich den Kopf eingeschlagen und liegt bewusstlos vor dem Schrank.", antwortete sie ihm. Es war ja nicht gelogen - Taka war wirklich bewusstlos.

Sie nahm noch ein unterdrücktes Fluchen wahr, bevor sie von Saranko in die Zelle gezogen wurde: "So, Kleine, du passt schön auf unseren Gast auf, während ich kurz weg bin. Du fasst hier nichts an, verstanden?!"

Wie unterbesetzt musste dieses Karzer doch sein, wenn während der Essenzeit nur ein Offizier mit seinem Anwärter hier die Befragungen durchführen musste.

Black Rose nickte und sah dem breit gebauten Mann hinterher und ging erst zu Tara, als sie das Fluchen nicht mehr hören konnte.

Hand- und Fußknöchel waren mit engen Scharnieren auf dem Tisch befestigt und auch ein eng liegender Gurt an der Hüfte hinderte das Mädchen daran sich in irgendeiner Form zu bewegen.

"Wieso hat das solange gedauert?", fragte Bloody Pearl plötzlich und grinste. Black Rose sah in ihre fast schwarzen Augen, bevor sie leicht lächelte und antwortete: "Ich musste halt ein paar Hindernisse aus dem Weg schaffen."

"Gut, die letzten Hindernisse sind jetzt wohl diese komischen Schnallen hier.", Bloody Pearl versuchte sich zu Bewegen - natürlich erfolglos.

"Bleib liegen, ich mach das schon."

"Hab ich 'ne andere Wahl?"

Ohne die rhetorische Frage zu beantworten begab sich Black Rose hinter das große Schaltpult und betrachtete es. Den ganzen Kabeln, die zur Streckbankmäßigen Konstruktion führten, zufolge mussten die Eisendinger unter Strom stehen. Wie zur Hölle konnte das Mädchen dann so ruhig bleiben - ungewöhnlich.

Aber es war auch nichts, was jetzt außergewöhnlich wäre - Stop!

Black Rose besann sich, sie konnte das klären, wenn sie endlich dieses Drecks-Karzer verlassen hatten! Außerdem war sie müde - verdammt müde.

Sie drehte den Stromregler auf null, zückte die Fernbedienung und ließ die Stahlriemen an Bloody Pearls Hand- und Fußgelenken aufschnappen. Danach half sie ihr die Lederriemen an Stirn und Hüfte zu öffnen und zog sie in das neben liegende Büro.

"Was zur Hölle wollen wir hier?", allein an der Frage erkannte Black Rose, das es der Ex-Gefangenen genauso wie ihr ging - bloß schnell weg hier.

"Wenn du erschossen werden willst, kannst du gern vorgehen.", antwortete sie ihr während die einen Schrank öffnete und eine Uniform vom Bügel zog. "Oder du ziehst das jetzt an."

Sie warf der Lilahaarigen die Kleidungsstücke in die Arme.

Als sie kurz darauf umgezogen war, war es auch schon Zeit um zu verschwinden, denn die Glocke zum Ende der Essenszeit läutete bereits.

"Verdammt.", knurrte Black Rose, packte Bloody Pearl am handgelenk und zog sie auf den Flur und beide rannten ihn hinab zum zweiten Treppenhaus. Vor einer stählernen Tür blieben sie stehen und Black Rose trat sie auf.

Das Treppenhaus war offenbar so unwichtig geworden, dass man dort sogar den Strom abgeschaltet hatte. Außerdem lag überall zentimeterdicker Staub und hier und da baumelten Staub- oder Spinnfäden von der Decke.

"Dort drinnen sieht doch niemand etwas.", meinte Bloody Pearl und sah skeptisch in den Raum. Von weiter hinten hörte man schon ein allgemeines Gemurmel, offenbar hatte die Ablenkung durch die Explosion schon nachgelassen.

"Niemand - außer mir.", Black Rose packte sie wieder am Handgelenk und zog sie in das dunkle Treppenhaus. Hinter ihnen schlug die stählerne Tür zu und hüllte beide in eine undurchdringliche Finsternis.

"Pass auf, dass du nicht stolperst.", meinte Black Rose, während die Bloody Pearl die Stufen hinaufzog und mit der freien Hand das Funkgerät aus der Tasche kramte. Sie nahm nur einen der Knopfhörer ins Ohr und schaltete dann das Kleine Gerät an.

Kaum hatte sie Verbindung zu den anderen, fing sie auch schon an : "Saki, Drake, macht das ihr da raus kommt. Sorgt draußen für etwas Tumult. Kenji, Hit, wir treffen uns im Büro von vorhin, wir werden denen hier etwas zu tun geben."

"Klingt nach einem Plan - hoffen wir er funktioniert.", kam es von Nachtfalke.

"Alles klar, Jess. Ich hab auch schon eine Idee was ich und Drake anstellen.", meinte Mondschein und Black Rose musste grinsen, die Kleine Saki war wirklich ganz schön pfiffig.

"Gut, Saki und, hey, es ist mir ganz egal, was ihr anstellt, selbst wenn ihr einen der Türme in Brand stecken müsst - Hauptsache die sind abgelenkt."

"Kannst du Gedanken lesen?", kicherte Mondschein daraufhin und schon schaltete sie das Gerät aus. Danach hörte sie nur noch wie Schattenprinz genervt seufzte und sie sagte sofort: "Los, Kenji, schnapp dir endlich Hit und macht das ihr ins Büro kommt. Wir sind auch gleich da.", daraufhin schaltete sie das Gerät aus und stopfte es zurück in die Tasche ihrer dunklen Hotpants.

Danach drehte sie sich zu Tara um und sah sie an. Sie sah von ihr zwar nur eine Silhouette, aber das genügte schon: "Sag, Tara, kennst du dich mit Computern aus?"

Für einen kurzen Augenblick wirkte die Angesprochene überrascht und verwirrt, aber dann antwortete sie: "Ja, ganz gut, eigentlich."

"Gut, dann hör mir jetzt gut zu.", damit erklärte Black Rose der jungen Assassine, was sie zu tun hatte: "Also, meinst du, du kriegst das hin?"

Daraufhin nickte Bloody Pearl begeistert und meinte grinsend: "Klar, verlass dich da ganz auf mich."

Black Rose nickte und lief mit ihr gemeinsam die letzten zwei Treppenabsätze hoch. Sie standen schon vor der Tür und Black Rose öffnete sie einen Spalt breit, sodass sie gerade noch mitbekamen, wie eine neue Durchsage ertönte: "Eine wichtige Durchsage an alle. Die Gefangene ist geflohen! Ich wiederhole, die Gefangene ist geflohen! Es gilt erhöhte Aufmerksamkeit und Code Alpha! Es wird angenommen, das die gefangene mindestens einen Komplizen innerhalb unserer Mauern hat. Jede Auffälligkeit ist dem Zuständigen Offizier zu melden und wer diese Anordnung missachtet muss mit hohen Strafen rechnen! Ich wiederhole, die Gefangene und ihre Komplizen sind gefährlich, keine Alleingänge und erhöhte Aufmerksamkeit! Wir dürfen sie nicht entkommen lassen!"

Das waren klare und deutliche Anweisungen - Schwachköpfe.

"Komm, lass uns für einen unvergesslichen Abgang sorgen.", grinste Bloody Pearl nun und Black Rose nickte: "Nur zu gern."

Langsam drückte sie dir Tür noch ein Stück weiter auf und ließ Bloody Pearl hinter den rechts liegenden Kistenstapel schlüpfen, bevor auch sie langsam aus dem dunklen Treppenhaus in die große Halle trat.

Die eifrig umherschwirrenden Schupo beachteten sie und Bloody Pearl gar nicht und unauffällig deutete Black Rose auf die Bürotür auf der anderen Seite der Halle, wo Schattenprinz und Nachtfalke bereits Spalier standen. Langsam nickte die junge Assassine und zog die Kopfbedeckung tiefer in ihr Gesicht.

"Wir schaffen das, pass nur auf, dass du dir nichts anmerken lässt.", wisperte Black Rose ihr zu und kam langsam hinter dem Kistenstapel hervor. Sie sah nur aus den Augenwinkeln, wie die Lilahaarige ihr nachsetzte.

"Hey, ihr da, was ist denn bei euch los?", fragte plötzlich eine männliche Stimme und Black Rose wandte den Kopf um. Sie waren nur noch wenige Meter von der Bürotür entfernt.

Fragend zog die Blondhaarige eine Augenbraue hoch und blickte den Offizier ohne Angst an, welcher ihr auch gleich sein Anliegen mitteilte: "Deine Begleitung scheint mir sehr nervös zu sein."

Schattenprinz richtete seinen Blick auf das Geschehen und begab sich unauffällig in die Nähe von Bloody Pearl, während Black Rose dem Offizier antwortete: "Natürlich ist sie das. Schließlich ist eine Gefangene entkommen. Werden jetzt alle neuen und natürlich nervösen Kadetten gefragt?"

Der Mann schien erstaunt zu sein, aber sie blieb einfach kühl in ihrem Blick, während sich der hoch gewachsene Mann langsam wieder besann: "Nein, natürlich nicht. Aber es hätte ja sein können, das ihr was zu verheimlichen habt, aber da habe ich mich wohl geirrt."

Black Rose sah zu, wie er ging, dennoch hatte sie das Gefühl, das er Verdacht geschöpft hatte. Sie nickte Schattenprinz zu, welcher eine Hand auf Bloody Pearls Schulter legte und sie zum Büro führte, während sie gemeinsam mit Nachtfalke das Geschehen im Auge behielt.

Hoffentlich fing bald die Ablenkung von Außen an, sonst konnte es hier noch ungemütlich werden.

Black Rose: "Die Gerechtigkeit kennt kein Wort - nur die Tat."

Kapitel 9

"Hey, da kommt unser Freund wieder.", meinte Nachtfalke kurz darauf und Black Rose betrachtete die kleine Gruppe, die direkt auf sie zusteuerte. Das war nicht gut.

"Das sind hohe Offiziere, ich glaube er hat uns verpfiffen.", knurrte Black Rose leise, während sie die beiden mit 4 schwarzen Sternen versehenen Schultern der zwei breitschultrigen Männer begutachtete.

"Wir ziehen unseren Plan weiter durch, schätze ich.", flüsterte Nachtfalke leise und Black Rose nickte: "Ja, geh rein und helf' Saki, ich wird sie schon aufhalten."

Kurz darauf verschwand Nachtfalke auch schon hinter der Bürotür, während sie die Männer mit ihren dunkelblauen Augen fixierte und ihnen einfach entgegentrat.

"Aus dem Weg, Unteroffizier. Wir haben Grund zur Annahme, dass sich die Gefangene hier befindet.", sprach der rechte Mann und sein Schnurrbart schimmerte rötlich im Licht.

"Wäre die Gefangene bereits hier, dann hätte sie sich doch sicherlich schon nach draußen geschlichen.", antwortete Black Rose direkt und blickte dem Offizier ins Gesicht.

Der linke ließ ein unterdrucktes Lachen vernehmen und der hoch gewachsene Mann murmelte etwas, was sich wie: ''Wie naiv.", anhörte. Sofort fixierte Black Rose ihn mit einem Blick: "Es ist naiv zu glauben, dass sich die Gefangene hier aufhält, anstatt das sie ihre Chance nutzt und flieht. Soweit ich aus den Gerüchten hörte, soll sie eine Schattenflüsterin sein, als ob so jemand es nicht einfach hätte einfach unerkannt zu verschwinden."

"Du kennst dich anscheinend gut aus, was dieses Thema angeht, junge Dame.", sprach der Mann mit dem Schnauzer und Black Rose nickte: "Ja, das tue ich auch."

Bevor noch jemand etwas sagen konnte, hörte man von draußen einen lauten Schrei, gefolgt von einem Alarm.

"Der Westturm brennt!", schrie jemand in die verwirrte Menge und sofort brach ein Tumult los. Die zwei Offiziere hatten alle Hände voll zu tun vor allem die verwirrten und sowieso schon angespannten Kadetten zu beruhigen.

Black Rose nutzte ihre Chance, wandte sich zur Bürotür und ging rasch darauf zu. Sie sah, wie ein eisblaues Auge vom Spalt verschwand und kurz bevor die die Tür erreichte, wurde sie am Arm gepackt: "Nicht so schnell junge Dame, wo soll es denn hingehen, hm?"

Der zweite Offizier hatte entweder Lunte gerochen, oder ihn interessierte es nicht, das der Wachturm brannte, bei ihrem Glück traf bestimmt die erste Vermutung zu - na Toll.

"Ich wollte in das Büro gehen.", antwortete sie ohne wirklich darauf zu achten, das ihre Hand bereits rot anlief.

"Was willst du dort? Hast du dich denn nicht um den Brand zu kümmern, so wie alle anderen auch?"

"Ich habe mich eher darum zu kümmern, herauszufinden, wer dafür verantwortlich ist. Wollen Sie dem Chef vielleicht erklären, dass sie zu inkompetent waren um eine einfache Schattenflüsterin daran zu hindern, aus dem bestgesichertem Karzer des Landes zu fliehen? Ich glaube nicht."

"Inkompetent - was … Inkompetenz. Das sind schwere Vorwürfe, die du da erhebst."

"Es sind berechtigte Vorwürfe. Wenn Sie jetzt schon stammeln, dann will ich sie nicht beim Chef erleben, wenn sie nicht einmal eine plausible Erklärung hervorbringen können."

Der Griff um ihr Handgelenk wurde fester, doch um dieses langsam vor Zornesröte aufquellende Gesicht zu sehen, nahm sie das gern in Kauf.

"Ich frage mich, wie sie wohl Offizier geworden sind. Bestechung? Oder haben sie einfach ihren Vorgänger um die Ecke gebracht?"

Die grünen Augen des Mannes fixierten sie mit einer Mischung aus Zorn, Verachtung, aber auch Verwirrung und zugleich Angst.

"Was erlaubst du dir hier eigentlich?!", rief er laut und drückte sie gegen die Wand. Niemanden schien das Geschehen zu interessierten und alle liefen wild durcheinander, während es eine weitere Explosion gab.

"Sir, der Ostturm hat gerade ebenfalls Feuer gefangen!", schrie jemand, doch sein Geschrei ging im allgemeinen Chaos fast unter. Dieses wurde noch größer, als plötzlich das Licht ausging und das einzige was den Raum noch erhellte, war das Licht der Flammen, welches durch die Dachfenster drang und die ganze Halle in ein unheimliches, rotes Licht tauchten.

"Was ist hier los?!", schrie der Offizier und schlug sie abermals gegen die Wand, was Black Rose nur mit einem hämischen Lächeln quittierte.

"Haben sie etwa Angst im Dunkeln? Da sollten Sie besser keine Nachtschicht machen."

"Ich habe genug von deinen Provokationen!"

"Was wollen sie tun, mich töten, genauso wie ihren Vorgänger?!"

"Verdient hättest du es!", schrie der Mann laut und sein Kopf ähnelte schon einer Tomate, bis ihm bewusst wurde, was er da gerade gesagt hatte. Erst wurde sein Blick dumpf, dann erschrocken, doch dann züngelte wieder Zorn in ihnen auf.

"Ich werde dafür, sorgen, das du niemals jemandem davon erzählen wirst.", knurrte er und zog einen Dolch aus seiner Gürtelschnalle.

Black Rose strich sich gelassen eine Haarsträhne aus dem Blickfeld ihres linken Auges und meinte: "Das müssen Sie nicht. Das erledigt schon jemand anders für sie."

Ein kurzes Grinsen, war das letzte was der Mann sah, bevor er von Nachtfalke einen Dolch in die Halsschlagader gerammt bekam.

Als er seine Klinge herauszog spritzte etwas Blut auf den Boden, bevor der Körper mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden aufschlug. Ein Mädchen schrie auf, als sie die Leiche sah und Black Rose bemerkte einen Schatten, welcher auf die gegenüberliegende Wand projiziert wurde und schrie laut: "Da, die Assassine hat den Offizier getötet!"

Jetzt stürmten alle Richtung Osttor und Black Rose riss die Bürotür auf und sah Schattenprinz und Bloody Pearl an: "Wie weit seid ihr?"

"Einen Moment brauch ich noch. Die Kombination zum Öffnen aller Schlösser ist ganz schön kompliziert, auch wenn sie nur fünfstellig ist.", antwortete die Lilahaarige, während sie auf der Tastatur herumtippte.

"Unglaublich was sie alles kann.", meinte dann Nachtfalke, welcher in den Raum und zu Bloody Pearl hinter den Schreibtisch trat.

Plötzlich tief Schattenprinz: "Pass auf!"

Black Rose drehte sich blitzschnell um und konnte gerade so mit einem Messer den Dolchstoß des Mannes abwehren, welcher sie mit glühenden Augen anstarrte: "Ich wusste es! Du steckst mit denen unter einer Decke, Verräterin!"

Black Rose packte ihn am Ärmel seiner Jacke, drückte seinen anderen Arm nach oben und warf ihn über ihre Schulter zu Boden. Sie trat auf die Hand, in welcher er das Messer hielt und es knackte laut, der Mann schrie auf, doch der Tumult außerhalb des Büros war zu laut. Schattenprinz hatte die Tür geschlossen, sodass niemand sah oder hörte, was hier vor sich ging.

"Ich will dir mal was verraten.", meinte Black Rose und sah auf den Mann hinab, in dessen Augen bereits Tränen glitzerten und als er nach ihr greifen wollte, trat sie den Arm an seinem Ellenbogen zu Boden, sodass sie nun über ihm stand.

"Noch eine falsche Bewegung und ich werde dir richtige Schmerzen zufügen.", drohte sie und trat etwas fester auf seine bereits geschundene Hand.

"Seid nicht so laut, da vorne, ich muss mich konzentrieren. Eine Stelle fehlt noch.", warf Bloody Pearl ein, aber ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.

"Keine Sorge, hier ist gleich Ruhe.", meinte Black Rose und beobachtete den Mann dabei, wie er versuchte sich zu befreien, doch da stach ihm Schattenprinz sein Messer ins Bein.

Langsam hockte sich Black Rose hin, erhöhte dabei den Druck auf Hand und Ellenbogen und der Mann verzog das Gesicht vor Schmerzen. Langsam begann sie zu sprechen: "Ich bin keine Verräterin …. Ich bin eine von ihnen."

Sie grinste, bevor sie ihm das Messer in die Seite rammte und wieder herauszog: "In ein paar Minuten bist du Tod."

Kaum war sie vom schwächer werdenden Körper runter getreten, kam von Bloody Pearl ein letztes Tippen und anschließend ein zufriedenes Lächeln: "So, geschafft!"

Damit erhob sie sich vom Stuhl und trat mit den anderen in die Halle, wo bereits jetzt die Hölle los war. Die Gefangenen des ersten Traktes hatten sich bereits ihren Weg nach oben gebahnt und fielen über die Schupo her. Einige von ihnen waren Assassinen, andere waren einfache Diebe oder Verräter.

Von überall hörte man Kampfgeschrei und hier und da sah man einen Halbtoten oder eine Leiche zwischen der kämpfenden Menge. Das flackernde Licht der brennenden Türme beleuchtete das Kampfgebiet und Black Rose schob ihre Begleiter Richtung Westtor.

Sie sah sich um und konnte den Offizier im Kampfgemenge ausmachen und beobachten, wie er anscheinend ohne großen Aufwand vier Gefangenen den Kopf einschlug.

Am Westtor, warf sie noch einen Blick zurück, bevor sie die schwere Durchgangstür einen Spalt breit aufzog.

"Beeilt euch.", wisperte sie leise, während sich Bloody Pearl durch den Spalt nach draußen drängte. Anschließend war Nachtfalke dran und schlussendlich auch Schattenprinz.

"Vorsicht!", rief plötzlich jemand und Black Rose wurde zur Seite gerissen. Kurz darauf fiel die Tür in Schloss und sie sah sich dem Offizier gegenüber, der eine Axt geschultert hatte.

"Wohin so eilig?", fragte er und blickte zu Black Rose hinab. "Du wolltest doch wohl nicht den ganzen Spaß verpassen?"

Black Rose antwortete ihm nicht, aber ihr wurde bewusst, dass sie allein gegen den Offizier nur eine geringe Chance besaß. Aber das wusste anscheinend nicht nur sie selbst.

Gerade noch rechtzeitig duckte sie sich unter der Offiziersaxt hinweg und entging mit einem Sprung nach hinten ebenfalls nur knapp dem darauf folgendem Hieb. Den Spuren auf dem Boden nach zu urteilen war diese Waffe auch noch verzaubert, oder zumindest aus sehr stabilem Material gebaut, da die Klinge nicht einen Kratzer aufwies.

Der Offizier grinste bedrohlich und wandte sich an Black Rose: "Na, gefällt sie dir? Ist eine Spezialanfertigung. Ich habe schon lange darauf gewartet, dass sie Blut schmeckt."

Ja, dieser Mann war eindeutig verrückt. In seinen Augen schimmerten Blutdurst und Wahn.

Hinter sich hörte Black Rose die Kampfgeräusche des Kleinkrieges und sie wusste, dass der Offizier sie gezielt von den Toren und Türen fernzuhalten versuchte.

"Wir sind jederzeit bereit diesem Wahnsinn ein Ende zu setzen.", hörte Black Rose schließlich ein Wispern in ihrem Kopf.

"Du weißt, dass du es nicht länger zurückhalten kannst.", fügte eine zweite Stimme hinzu und sie fing an zu lachen.

"Verdammt, stör mich nicht bei meiner Arbeit, dass habe ich dir doch schon mal gesagt! Wie kommst du eigentlich in meinen Kopf?!", antwortete Black Rose der Stimme, welche es sich anscheinend in ihren Gedanken gemütlich machte.

"Ich habe meine Mittel und Wege. Nur weil ich nicht in dir sondern in einem dieser Drecks-Schwerter versiegelt bin, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht mit dir reden kann.", antwortete die Stimme sofort.

Gerade noch bemerkte Black Rose das Aufschimmern der Klinge im Feuerschein und konnte dem Hieb mit einem Sprung zur Seite Ausweichen, doch jetzt hatte sie einen der Kistentürme im Rücken. Ewig konnte sie ihm nicht Ausweichen.

"Willst du mich umbringen?!", rief sie zornig in ihre Gedanken hinein. Die Stimme kicherte und antwortete: "Nein, ich will nur Spielen."

"Verschwinde sofort aus meinem Kopf!"

"Es macht aber Spaß dir dabei zuzusehen, wie du dabei bist den Kopf zu verlieren."

Black Rose duckte sich unter einem zweiten Schlag der Axt hinweg, welche in das Eichenholz schnitt, als bestünde es nur aus Butter.

"Wie lange willst du noch ausweichen? Kämpfe!", rief der Offizier und holte zu einem weiterem Schlag aus, doch sie rollte sich zur Seite weg und versuchte auf Abstand zum Offizier zu gelangen, aber das ließ er nicht zu.

Als sie einem weiterem Schlag auswich, packte er sie am Arm und warf sie in Richtung der Kisten. Als die rücklings gegen das Holz schlug, fing der Turm bedrohlich an zu wanken.

Während der Offizier sich gerade daran machte, sich ihr zu näheren, begab sich Black Rose schnell hinter die Kisten.

"Du kannst dich nicht verstecken, Kleine.", lachte der Offizier und schulterte seine Waffe.

"Wer sagt denn das ich mich verstecken will?!", fragte Black Rose und nach einem kurzen, prüfenden Blick, trat sie so kräftig wie sie konnte gegen den Kistenturm.

Zum Glück war der Turm schon so destabilisiert, dass er nach vorne einkrachte und vier Kisten auf die kämpfende Menge fielen. Ein paar konnten den herab fallenden Kisten mit einem Hechtsprung entgehen, während an den Nord- und Südenden unbeschwert weitergekämpft wurde, als ob sie der fallende Turm nicht störte.

Black Rose nutzte die Ruhe vor dem Offizier um sich einen Überblick über ihre Position zu verschaffen. Sie war in der Nähe der Waffenkammer, aber der rettende Ausgang befand sich genau auf der anderen Seite des Raumes und dort musste sie hin - egal wie.

"Hey, Jess, dein Verehrer kommt wieder.", kicherte die Stimme und als Black Rose sich umdrehte, brach gerade die Axt durch das Eichenholz.

Schützend legte sie einen Arm vor die Augen und das nächste was sie sah war, wie der Offizier seine Pistole zückte.

"Schluss mit den Nettigkeiten.", knurrte er, bevor er den Abzug betätigte. Das nächste was sie spürte war, wie ihre Schulter anfing zu brennen und sie konnte dem darauf folgenden Hieb der Axt nur deshalb entgehen, weil jemand vor sie geworfen wurde, der kurz darauf seinen Kopf einbüßte.

Das Blut befleckte ihr Gesicht und die graue Jacke, was sie aber nicht großartig störte. Sie nutzte die kurze Verwirrung des Offiziers um loszulaufen. Der nächste Schuss des Offiziers traf die Wand und der Querschläger landete in der Schulter eines Schupo, was Black Rose aber nur aus den Augenwinkeln heraus wahrnahm.

Im Lauf erkannte sie ein herunterhängendes Seil von einem Querträger des Karzers, doch er war nicht einfach zu erreichen.

"Wieso läufst du weg, du könntest ihn ganz einfach töten!", rief die Stimme herausfordernd, doch Black Rose ignorierte sie. Sie hatte nur eine Chance das Seil zu erreichen und die musste sie Nutzen. An ihrem Kopf vorbei schoss die nächste Pistolenkugel und sie konnte sich denken, das der Offizier nun nicht mehr der Einzige war, der sie verfolgte.

Ihr Blick schnellte zur Wand, dann zu den Kisten, welche in der Nähe des Seiles standen und dann wieder zum Seil, so musste es klappen. Sie rannte auf die Wand zu, stieß sich am Stahl ab und landete auf einem der Kistentürme. Sie konnte kurz über das ganze Kampfgeschehen blicken und sah auch, wie ein paar Schupo zur Tür eilten, welche zur Brücke führte.

"Du sitzt in der Falle, Kleine!", rief der Schupo von unten und der Turm erzitterte, als er seine Axt in einer der Kisten versenkte. Ein Schuss versenkte sich in der Kiste auf der Black Rose stand. Sie atmete tief ein, machte sich zum Sprung bereit und stieß sich mit dem rechten Fuß von der Kiste ab, welche daraufhin nach unten fiel.

Sie klammerte sich an das Seil und fing an Schwung zu holen, während die Tür der Brücke aufsprang und ein paar Schupo herausliefen. Das machte die Sache um einiges komplizierter.

"Lass mich kämpfen, ich töte sie alle!", die Stimme nervte Black Rose so langsam, vor allem weil sie sie nicht abstellen konnte.

"Halt endlich die Klappe!", rief sie der wütend der Stimme entgegen, als sie das Seil losließ und so zwei Schupo von der Brücke trat. Die anderen zogen sofort ihre Pistolen, doch sie rannte zur anderen Seite und stieß sich vom Geländer ab, bevor ihre Gegner den Abzug betätigen konnten. Ziemlich elegant landete sie kurz darauf auf dem nächsten Kistenturm und konnte den Offizier brüllen hören: "Lasst sie nicht entkommen!"

"Sir, ich habe die Verstärkung gerufen, sie wird in etwa 20 Minuten hier sein!", hörte sie noch einen Schupo rufen, bevor ein Schuss ertönte und daraufhin ihr Oberschenkel zu schmerzen begann, sodass sie leicht in die Knie ging.

"Guter Schuss, Sergeant.", hörte sie aus Richtung Brücke und ein kurzer Blick zurück verriet ihr, dass sich dort tatsächlich ein Scharfschütze eingefunden hatte. Verdammt!

"So, jetzt hab ich dich!", rief der Offizier von unten und aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie der Scharfschütze abermals ansetzte.

"So langsam hast du keine Wahl mehr.", wisperte die Stimme ihres Schwertes Akuma: "Setz uns ein."

"Solange ich noch lebe, habe ich die Wahl.", antwortete sie Akuma und sprang vom Kistenturm, wo sekundenspäter die Patrone einschlug. Die Wunde an ihrem Bein schmerzte höllisch, als sie endlich landete und nach vorn abrollte, um einem Schwerthieb zu entgehen.

Sie zog während des Aufstehens einen Dolch und schlitzte dem Schupo die Kehle auf, der sie mit seiner Waffe K.O schlagen wollte.

Was für ein Chaos, dachte sich Black Rose, bevor sie einfach in die kämpfende Menge sprintete. Hier musste sie zwar verdammt gut aufpassen um nicht getroffen zu werden, aber so gab sie wenigstens für den Scharfschützen kein leichtes Ziel mehr ab.

Sie schlitterte zwischen zwei Kämpfern hindurch und sah die Tür in Richtung Vorratskammer schon vor sich, aber der Offizier machte ihr einen Strich durch die Rechung. Sie sah seine blutige Klinge aufblitzen und zog den hinter ihr kämpfenden Schupo vor sich. Sie warf seine Leiche gegen den Offizier und rannte Richtung Tür. Dabei versuchte sie erfolglos ihr schmerzendes, linkes Bein zu ignorieren, an welchem das Blut unaufhaltsam hinab lief.

Aber kurz bevor sie durch die Tür verschwinden konnte, wurde sie am Kragen wieder zurückgezogen und dann rücklings gegen die Wand gedrückt.

"Du entkommst mir nicht.", knurrte der Offizier, an dessen Stirn Schweißperlen glänzten.

"Das werden wir noch sehen.", antwortete Black Rose und sah in sein Gesicht. Seine Wangen glühten vor Anstrengung und sein Atem war schwer. Sie schloss daraus, dass er nicht die längste und beste Ausdauer besaß, aber seine Kraft war dafür umso deutlicher ausgeprägt.

Der Schupo zog seinen Dolch aus der Scheide und Black Rose konnte die züngelnden Flammen des Ostturmes deutlich im Metall der Klinge sehen, bevor diese in ihrer Seite versenkt wurde.

Trotz der darauf folgenden, starken Schmerzen rang sie sich ein Lächeln ab, was den Mann vor ihr stutzig machte: "Was gibt's da zu lächeln?!"

Ihr Lächeln wurde breiter, sodass es fast wahnsinnig wirkte, dann antwortete sie in einem leisen Flüsterton: "Es war ein Fehler von euch die Turme aus purem Holz zu bauen."

Der Mann sah sie erst verwirrt an, bevor ein Schrei die Kampfgeräusche übertönte: "Der Ostturm bricht in sich zusammen! Alle Mann in Deckung!"

Sofort wurden die blutigen Kämpfe beendet und unter einigen Beteiligten breitete sich Panik aus. Kurz darauf hörte man ein lautes Splittern, der Ostturm stürzte genau auf das Karzer!

Das brennende, schwere Holz durchbrach die Dachfenster mit Leichtigkeit und eine Mischung aus Glas und Glut regnete auf die Menge nieder. Kurz darauf folgten die ersten brennenden Holzbalken, welche die übrigen Holzkisten der Ostseite entflammten. Doch der Feueralarm ging nicht los.

Die Hitze der Brände spürte Black Rose deutlich auf ihrer Haut und sie nahm langsam den Arm hinab, den die zum Schutz über ihre Augen gelegt hatte. Oben hatten sich einige Balken verfangen und auch einige der Deckenträger hatten bereits Feuer gefangen. Es regnete ständig Glut von der Decke und der Boden war von Scherben übersäht.

Sie duckte sich unter dem Schlag der Offiziersaxt hinweg, welche an der metallenen Wand abprallte und eine kleine Delle hinterließ. Doch sie rutschte weg und landete rücklings auf dem Boden. Sie rollte sich zur Seite weg und entging so dem zweiten Schlag. Sie legte eine Hand an die Stelle, wo das Messer sie getroffen hatte und spürte das warme Blut, was aus der pochenden Wunde floss.

Und bis auf ein paar Kratzer im Gesicht hatte der Schupo nichts abbekommen, na das lief ja alles wunderbar hier!

Oben an der Decke erkannte sie, wie ein großer Teil des brennenden Turmes von der Decke zu fallen drohte und kurz darauf kam auch schon die erhobene Axt vom Offizier hinzu.

Plötzlich landete etwas genau neben ihrem Kopf - es war ein Stück brennendes Holz. Das kam ja wie gerufen!

Obwohl die Hitze und der Gestank nach Rauch fast den Verstand kosteten, packte die das Holzstück und warf es ins Gesicht des Offiziers, welcher nicht rechtzeitig reagieren konnte. Er schrie auf und ließ seine Axt fallen. Diese Chance nutzte Black Rose sofort, indem sie ihm die Beine wegtrat und sich gleichzeitig auf die Beine schwang.

Die Dachbalken gaben ein warnendes Ätzen von sich und ungefähr die Hälfte des Daches hatte bereits Feuer gefangen, als eine weitere Erschütterung des Boden zum beben brachte.

"Der Westturm ist eingestürzt!", hörte sie nur noch leise aus dem Panikgeschrei der Menge heraus. Diesmal regnete es auf der anderen Seite Glut und Scherben - Doch sie hatte nicht die Zeit um dieses Schauspiel zu bewundern!

Schnell wandte sie sich der Tür zu, stieß sie auf und rannte hindurch zur anderen Seite des Vorratsraumes. Sie sprang fast in einem Satz die gesamte Treppe hinab und schlitterte um die Ecke. Doch sie blieb abrupt stehen, als sie die Menge an Kadetten sah, welche sie mit großen Augen ansahen. Unter den ganzen Schupo erkannte sie auch den Jungen, welcher sie nach dem Apfel gefragt hatte - verdammt das waren Kinder!

"Was ist da oben los?", fragte der Braunhaarige Junge, welcher sie offenbar auch wieder erkannt hatte.

"Ein großes Chaos, aber wichtig ist jetzt, das ihr hier raus kommt. Das Karzer wird bald zusammenbrechen!", als unter den Kindern Panik auszubrechen drohte, wurde sie lauter: "Hey! Bleibt ruhig!"

Als sie die verängstigten Blicke sah, traf sie eine schnelle Entscheidung: "Ich bring euch hier raus - keine Angst."

Sie hörte das erneute Ächzen des Dachgerüstes und wusste das kaum noch Zeit blieb und durch ihren Kopf schossen die Bilder der Karzeranlage, doch der einzige Weg aus diesem Distrikt raus, war der Wasserweg. Verdammt!

Sie wusste das die Kinder es niemals schaffen würden mit ihren Klamotten zu schwimmen, geschweige denn lange genug die Luft anhalten konnten. Doch die großen, hoffnungsvollen Augen der Kinder trieben sie dazu an, nicht aufzugeben.

Man sollte über sie sagen, was man wollte - doch das Blut von Kindern wollte sie niemals an ihren Händen kleben haben! Nicht, wenn sie es verhindern konnte.

Plötzlich fiel ihr etwas ein, da war ein Notausgang in dieser Ebene und er musste direkt nach draußen führen!

"Los, schnell.", rief sie und trieb die Kinder nach links den Gang hinab. Auch wenn sie sich so von ihrem eigentlichen Ziel entfernte, die Kinder wollte sie nicht hängen lassen. Aber die Tür war kurioserweise verriegelt.

"Was zur Hölle soll das denn?!", knurrte sie leise, als sie an der Tür rüttelte, sich jedoch nicht das Geringste tat.

"Sind wir jetzt hier eingeschlossen, Tante?", fragte sie plötzlich ein Blondhaariges Mädchen, welches etwa acht Jahre als sein musste. Ihr Blick erinnerte Black Rose stark an sich selbst, doch sie verdrängte den Gedanken und antwortete ihr ruhig: "Nein, ihr werdet nicht sterben. Hört gut zu, wenn ihr gleich draußen Seit, rennt ihr zur Straße und haltet euch vom Feuer fern. Draußen wartet die Verstärkung und die kümmert sich um euch - alles verstanden?"

Die Kinder nickten und sie gab ihnen ein Zeichen zurückzutreten. Dann trat sie auf die Tür ein, welche sich erst gar nicht bewegen wollte. Nebenher schmerzen ihre Wunden höllisch - besonders die am Bein.

Die Decke kam ein Stück herunter, es regnete Staub, der Rauch des Feuers breitete sich aus und die Kinder bekamen sichtlich Angst.

"geh endlich auf, verdammt noch mal!", rief Black Rose sauer und trat noch einmal mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, gegen die verriegelte Tür, welche daraufhin zu Boden fiel.

Die Kinder schauten sie mit großen Augen an, während Jess die Treppe hinauf marschierte und die Doppeltüren aufstieß. Dann treib sie die Kinder heraus und sah schon die ersten Blaulichter der Schupowagen durch das Gehölz aufleuchten.

Die Kinder rannten genau darauf zu und sie wollte gerade wieder zurück laufen, als die der Junge und das Mädchen festhielten. Sie sah zu den beiden und das Mädchen fragte: "Wo willst du hin, Tante?"

"Ich muss noch einmal rein.", antwortete Black Rose und jetzt konnte sie schon die Motorgeräusche hören.

"Aber das ist doch gefährlich!", rief der Junge und sein Griff um ihren Ärmel verstärkte sich.

"ich weiß, aber ich schaffe das schon. Es ist jetzt viel wichtiger, dass ihr beide in Sicherheit seid, bitte, tut mir den Gefallen und lauft zu den Anderen."

Vorsichtig löste die die Griffe der Kinderhände von ihrer Kleidung und blickte in die beiden Kinderaugen. Das Mädchen sagte nur noch: "Aber, Tante, du bist verletzt."

Black Rose lächelte und strich über ihren blonden Haare: "Ach, dass sind nur Kratzer und jetzt lauft schon - wir sehen und bestimmt wieder."

Obwohl sie wusste, dass dies niemals eintreten würde, wollte sie den Kindern Hoffnung geben, damit sie sich endlich in Sicherheit brachten. Als der erste Schupowagen auf die Lichtung fuhr und die Kinder sich umdrehten, nutzte Black Rose die Chance und lief los. Doch anders wie geplant rannte sie nicht wieder hinein, sondern lief zum Fluss und sprang in das eiskalte Wasser. Sie zog den Mantel aus, welcher von der Strömung weggetragen wurde. Sie ließ sich einige Meter treiben, bevor sie auftauchte und zum Ufer schwamm. Sie blickte kurz auf das Wasser, welches sich blutrot färbte und versuchte das Brennen ihrer Wunden zu ignorieren.

Anschließend zog sie sich aus dem Wasser, klaubte ihren Mantel aus dem Gebüsch und zog ihn über. Dann wrang die ihre Haare aus und ging vorsichtig zum Waldrand um nachzusehen, wie es den Kindern ging.

Inzwischen waren etwa zehn Schupowagen auf der Lichtung und überall blitzte das Blaulicht auf. Die Kinder und einige andere Überlebende Schupo standen bei ihren Kollegen und wurden mit Decken und Wasser versorgt. Im Licht des Feuerscheins sah sie noch wie einige Gefangene in den Wald flüchteten und als sie sich umdrehen wollte, brach unter einem lauten Ächzen der Karzerkomplex in sich zusammen. Wie ein Kartenhaus klappte es zusammen und man hörte das Brechen der Holzbalken bis tief in den Wald hinein.

Mit einem letzten Blick auf die Kinder drehte sich Black Rose um und lief in den Wald - es war an der Zeit nach Hause zu gehen.
 

Black Rose: "Verurteilt mich nicht für das was ich bin oder das was ich tue - es interessiert mich nämlich nicht."

Kapitel 10

Der Sturm hatte schon nachgelassen, dennoch war der Wind beißend und brannte vor Kälte auf ihren Wangen. Normalerweise machte ihr Kälte nichts aus, doch normalerweise war sie auch nicht komplett durchnässt.

Als sie den Waldrand erreichte, sprang sie aus der Baumkrone und spähte in die schlecht beleuchtete Nebenstraße. Es war noch ein weiter Weg nach Hause und die Turmuhr schlug zur fünften Stunde. Die Sonne würde zwar erst in knappen drei bis vier Stunden aufgehen, doch zur Schule musste sie immer noch um sieben. An Schlaf war also nicht mehr zu denken - na super!

Und mit den Wunden war es wohl nicht angenehm über die Dächer zu springen, obwohl dieser Weg eindeutig der schnellere war. Dafür war sie allerdings noch viel zu nahe am Schupo-Viertel und eine Verfolgungsjagd wollte sie auf keinen Fall riskieren.

Genervt seufzte sie und trat den Fußweg an. Um den Weg zu verkürzen und außerdem nicht aufzufallen, nahm sie die Nebenstraßen und Gassen der Stadt, auch wenn ihr hier und da ein paar Ratten und streunenden Katzen begegneten.

Die Hauptstraßen waren zwar bei weitem besser ausgeleuchtet, aber sie hatte keine Lust erkannt zu werden. Als es wieder zu schneien begann, zog sie sich ihre Kapuze über und steckte ihre Hände in die Manteltaschen.

Sie lief an einem Obdachlosem vorbei, der sein Bett offenbar aus Kartons und weggeschmissenen Zeitungen erbaut hatte. Der Schlafplatz wirkte genauso gemütlich, wie der Mann lebendig - nämlich gar nicht. Der blauen Färbung seiner Lippen nach zu urteilen war er erfroren - bei dem Winter kein Wunder.

Sie trat aus der Gasse und ging ein Stück die hell erleuchtete Hauptstraße hinab. Sie sah den Fluss schon und wusste, dass sie in ein paar Minuten zu Hause sein würde.

Ein verdächtiges Geräusch ließ sie allerdings auf der Brücke stehen bleiben und sich umdrehen. Vom letzten Hausdach der Häuserreihe war eine Gestalt gesprungen, welche jetzt in den Lichtkegel der Straßenlaterne trat. Es war kein geringerer als Taile.

Ihn konnte sie jetzt überhaupt nicht gebrauchen!

"Findest du nicht, dass es die falsche Jahreszeit zum schwimmen ist?", fragte er hämisch und grinste sie an.

"Was willst du hier?", fragte Jess daraufhin genervt. Sie war müde und langsam wurde ihr kalt - Taile sollte bloß zusehen das er verschwand!

"Keine Sorge, Black Rose", meinte Taile und betrachtete sie eingehend: "Ich bin nicht hier um zu kämpfen. Viel mehr will ich dich dazu beglückwünschen das du die gesamte Schupo bloßgestellt hast."

Er lachte auf und genoss es offenbar seine Feindin verwirrt zu sehen, doch er hatte seine ganz eigenen Gründe sich über das Versagen der Einheit zu freuen.

"Sieh lieber zu das du verschwindest, Taile."

"Hat da etwa jemand zu wenig geschlafen?", lachte er und bewegte sich keinen Millimeter von der Stelle.

"Ich bin gerade echt nicht in der Stimmung mit dir eine Diskussion zu führen!", langsam wurde es ihr zu bunt. Sie drehte sich um und wollte weitergehen, doch Taile sagte: "Deine Schwerter sind sehr interessant. Ich bin schon ganz gespannt darauf sie mal im Einsatz zu sehen."

Als sich Jess wieder umdrehte. war er schon verschwunden und sie zog eine Augenbraue hoch. Dieser Junge war eindeutig nicht wie alle anderen.

Obwohl es sie nervte, konnte sie es nicht lassen über ihren jahrelangen Rivalen nachzudenken.

Wie, zur Hölle, hatte er von ihren Schwertern erfahren? Ahnte er vielleicht, was sie wirklich waren? Oder wusste er es sogar?

Ein Kichern ließ sie aufhorchen: "Der Typ ist süß, findest du nicht?"

"Sag mal hast du vollkommen den Verstand verloren?! Er ist doch nicht süß!", knurrte Jess, während sie zusah, wie sich vor ihr ein schemenhaftes Abbild ihres Problems bildete.

"Spricht man so etwa mit derjenigen, der du dein Leben zu verdanken hast?!", das Schwarzhaarige Abbild ihrer Selbst stützte die Arme in die Hüfte und schwebte ein paar Zentimeter über dem schneebedeckten Boden.

Zum Glück schliefen alle und die Straße war nicht befahren, sonst würde noch jemand denken sie wäre verrückt geworden.

"Chess, ich bin müde, ich hab keine Lust auf Diskussionen mit dir.", meinte sie genervt und ging einfach durch das Abbild hindurch, doch es verfolgte sie.

Chess kicherte und blickte die blonde Assassine aus ihren roten Augen beschwörend an: "Du musst ja wirklich müde sein, wenn du mich schon beim Namen nennst."

Jess seufzte genervt auf und fixierte Chess mit einem Blick: "Also, was willst du? Dich wieder beschweren?"

"Wer will sich hier beschweren? Ich wollte mich für den Spaß bedanken, so viel Spaß hatte ich schon seid Jahren nicht mehr. Nicht mehr seid …", Jess unterbrach sie sofort: "Ja ich weiß, erinnere mich nicht daran!"

Wieso musste ausgerechnet jetzt jeder mit ihr reden wollen?

Sie war müde und wollte einfach nur ins Bett! Doch die Kirchturmuhr erinnerte sie daran, das sie dieses Vorhaben getrost abschreiben konnte.

Genervt murmelte Jess etwas vor sich hin und kickte einen Stein weg, welcher aber geräuschlos in einer Schneewehe versank.

"Musst du nicht schlafen oder so was?!", knurrte sie, als sie bemerkte wie Chess sie interessiert beobachtete.

"Ich muss nicht schlafen, das musst du doch am besten wissen."

"Chess, verschwinde einfach und lass mich in Ruhe! Ich warne dich!"

"Was willst du tun? Mich wieder in der Hölle einsperren?! Du wirst mich niemals los, Jess. Finde dich damit ab!"

"Sieh trotzdem zu, das du sofort verschwindest, Chess!"

Trotzig verschränkte Chess die Arme vor der Brust und betrachtete die Blondhaarige eingehend: "Nur weil du es geschafft hast mich in diesem Schwert zu versiegeln, heißt das nicht, das ich nicht mehr mit dir verbunden bin!"

"Chess, SOFORT!"

Ihre Stimme hallte auf der menschenleeren Straße wieder und Jess sah sich um. Chess war wirklich verschwunden und sie seufzte. Diese Schwarzhaarige war wirklich die einzige Person, die sie wütend machen konnte.

Mit einer Hand schlug sie gegen die Mauer des Hauses und betrachtete das neuste Graffiti an der gräulichen Steinmauer. 'Freedom' - ein gutes Stichwort.

Sie lehnte sich gegen die Außenwand und schaute hoch in den bewölkten Nachthimmel. Sie schloss die Augen, atmete tief ein und die kühle, frische Nachtluft füllte ihre Lungen. Langsam atmete sie aus und gewann so wieder ihre ausdruckslose Art zurück, die sie sonst nur vor Saki verlor.

Sie verdrängte erneute Gedanken an Chess und betrat langsam das Gebäude. Es war dunkel im Flur - einer der Gründe weshalb sie sich über ihren geschärften Sehsinn freute. Sie brauchte nicht das Licht anzumachen um unbeschadet des Weg zur Wohnungstür zu finden.

Sie schlich sich leise in den Flur der Wohnung und schloss geräuschlos die Tür.

Innerlich hoffte sie unbemerkt in ihr Zimmer zu gelangen, doch anscheinend besaß Saki so etwas wie einen sechsten Sinn für sie, denn urplötzlich wurde sie von einer Weißhaarigen Gestalt ins Wohnzimmer gezogen.

In einem Sessel lag eine rußgeschwärzte Uniform und Kenji schlief bereits auf dem Sofa - angekleidet mit der grauen Jacke des Unteroffiziers.

"Na immerhin einer der schlafen kann.", murrte Jess bei seinem Anblick und Saki betrachtete ihre Freundin von oben bis unten: "Was hast du nur wieder angestellt?"

"Einer der Offiziere wollte mich zerstückeln."

Saki seufzte und betrachtete sie: "Das ist ja nichts neues."

Die Weißhaarige schlang ihre Arme um Jess' Taille und die Blondhaarige strich durch ihre Haare. Sie erinnerte sich noch gut an das Versprechen was sie Saki damals in der Akademie gegeben hatte: "Ich werde dich beschützen, Saki. Versprochen."

"Zeig mal deine Verletzungen her.", Hits Stimme riss sie aus ihren Gedanken und sie sah den Rothaarigen an: "Kann ich vorher wenigstens noch duschen gehen?"

"Solange du dir nicht etwas in die Wunden reinschüttest."

"Nein, ich habe leider noch geplant am heutigen Sportunterricht teilzunehmen.", antwortete sie und ging ohne weitere Worte in das nahe gelegene Bad. Sie war zu müde, um sich in ihr Zimmer und dann noch an ihrem Bett vorbeizuschleppen - welches ohne Zweifel nach ihr rufen würde, sobald sie aus der Schule wiederkamen.

Eine schlaflose Nacht - kein Problem. Aber drei? Das war dann doch etwas viel.

Sie gähnte und kramte sich aus dem Schrank ein Handtuch, bevor ihr einfiel das sie keine Sachen geholt hatte.

Es klopfte an der Tür und dann ertönte Sakis Stimme: "Jess, ich hab dir Sachen geholt."

"Du bist ein Engel, Saki.", lächelte Jess und nahm die Kleidung von ihrer Freundin entgegen.

"Ich weiß.", antwortete sie lächelnd, bevor Jess die Tür schloss, sich auszog und unter das kalte Wasser der Dusche stellte.

Sie schloss die Augen und ließ sich das Wasser ins Gesicht prasseln - das tat so unendlich gut!

Schlussendlich trat sie angezogen und wacher aus dem Bad, schmiss ihre schmutzigen Klamotten in den Wäschekorb vor der Waschmaschine und betrat schlussendlich wieder das Wohnzimmer, wo Kenji einen bedeutungsvollen Schnarcher von sich gab.

"Wenn ihn nicht bald jemand weckt, schmeiß ich ihn aus dem Fenster.", murrte Jess und ließ sich in den freien Sessel sinken.

"Keine Sorge, Tara wird sich darum kümmern.", meinte Hit und ging zu ihr. "Und ich kümmer' mich jetzt um deine Wunden.

Ohne große Widerworte ließ sie ihn die Wunden an Schulter, Bein und an der Seite desinfizieren und verbinden. Gut das sie das T-Shirt für den Sportunterricht bereits trug.

Müde streckte sie sich und würde am liebsten im Sessel einschlafen, aber hätte sie das getan, hätte sie die wundervolle Weckorgie von Tara nicht mitbekommen.

Diese hatte tatsächlich die Badewanne vollaufen lassen, nachdem Jess aus dem Bad gekommen war. Mit der Hilfe von Drake schleiften sie nun den Schlafenden zum eiskalten Weckkommando und das letzte was man vor dem entsetzten Aufschrei hörte, war ein lautes Platschen. Anschließend kam Tara entspannt zurück ins Wohnzimmer und ließ sich auf dem Sofa nieder, welches vorhin noch von Kenji belagert worden war: "So, ich würde sagen, er ist wach.", meinte sie ruhig und sachlich, als ob sie so etwas alltäglich tat.

"Die Idee hätte von mir sein können.", sagte Jess daraufhin und unglücklicherweise dachte der durchnässte Kenji das auch.

"Jess! Ich weiß, dass das deine Idee war!", rief er und ignorierte das er gerade den Holzboden voll tropfte.

"Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen, aber leider bin ich diesmal vollkommen unschuldig an deinem Leiden.", antwortete sie mit einem milden Lächeln. "Aber sieh' es mal so, jetzt hast du noch einen Grund mehr endlich die Schupo-Uniform auszuziehen und du bist wach genug um die Nachbesprechung mit uns führen zu können."

Ihr fiel selbst auf das sie gerade mehr gesagt hatte, als die letzten Tage zusammengenommen.

Grummelnd verzog sich Kenji, um ein paar Minuten später mit trockenen Klamotten und nach allen Seiten abstehenden Haaren, neben Hit, auf dem Sofa Platz zu nehmen und sich, gemeinsam mit den anderen, die Ergebnisse der Befreiungsaktion anzusehen.

"Wir haben also nicht nur Tara befreit, sondern auch nebenbei das Karzer zerstört.", schlussfolgerte Kenji schlussendlich.

"Du meinst, Jess hat es zerstört.", meinte Tara, doch Jess schüttelte den Kopf: "Nein, nein. Diesen Einsturz haben wir den brennenden Wachtürmen von Saki und Drake zu verdanken."

Tara grinste und sprach: "Ich wäre so gerne dabei gewesen! Ich liebe es, wenn es brennt."

Jess streckte sich und sah in die Runde: "Können wir jetzt nicht einfach alle frühstücken?Ich meine, heute ist der letzte Schultag und ich will die letzte Chance vor den Ferien nutzen um Missy eins reinzuwürgen."

Saki schien nach diesen Worten in Gedanken versunken zu sein, aber das war nicht ungewöhnlich bei ihr. Jess stand auf und ging gefolgt von den anderen in die Küche.

"Leute, ich bitte euch! Wenn wir schon von einem Auftrag kommen, dann kann doch wenigstens einer danach aufräumen!"

Auf dem Tisch lagen noch immer blutige Waffen und auch Drakes Schusswaffen hatten einen Platz zwischen den Klingen gefunden. Niemand hatte sich offenbar darum gekümmert, dass alles wieder verstaut wurde.

Tara begann daraufhin, gemeinsam mit Drake, die Waffen zu verstauen, während sich Jess zu Kenji an den Herd gesellte. Unglaublich aber wahr - sie konnten beide kochen!

"Spiegeleier kann ich auch allein braten.", meinte Kenji brummig und Jess reichte ihm die Pfanne. "Eigentlich wollte ich mir nur einen Tee machen."

Sie nahm sie sich Verpackung, Tasse und Wasserkocher, welchen sie füllte und einschaltete. Der Tee würde sie wenigstens für die Schulzeit wach machen, aber beim Blick in den rechteckigen Karton wurde ihr klar, dass der Vorrat langsam knapp wurde.

"Ich muss wohl bald wieder dem Schwarzmarkt einen Besuch abstatten.", dachte sie sich. "Außerdem sind bald Feiertage."

"Meine Chemikalien gehen mir langsam aus.", murmelte Kenji leise vor sich hin, während er das Spiegelei pfefferte. Dann sah er Jess bedeutungsvoll an, sie seufzte und nickte: "Ja, ich gehe bald auf den Schwarzmarkt, Kenji."

"Gut.", meinte er daraufhin: "Dann kannst du ja auch mein überfälliges Buch mitnehmen."

"Was ich dir auch geholt habe, falls du es vergessen hast."

"Was kann ich dafür, dass du die einzige bist, die von uns auf den Schwarzmarkt geht?"

Jess murrte, schüttete sich das heiße Wasser in die Tasse und warf den Teebeutel gleich hinterher.

Es war bekannt dass sie - zumindest unter ihnen sechs - die Einzige war, die auf den Schwarzmarkt ging - oder besser gesagt geschickt wurde.

Wieso? Na ganz einfach - Weil sie Rabatte aushandeln konnte!

Sie war zwar gemeinsam mit dem Assassinen Blutrabe, aus Acrea Horacy, nur Zweitplazierte in der Weltrangliste, aber das reichte schon, um den Händlern Angst einzujagen.

Und die Wucherpreise dort gingen ihr sowieso auf die Nerven.

Aber sie hatte auch einen ganz persönlichen Grund dort unten mal wieder aufzuschlagen.

Abwesend rührte Jess ihren Tee und nahm einen Schluck, nur um gleich darauf den Mund zu verziehen. Verdammt - war das bitter!

Aber zuckern konnte sie das Zeug auch nicht, sonst würde es seine Wirkung verlieren. Ach - was soll's. Runter mit dem Zeug.

Den restlichen Tee trank sie in einem Zug aus und schüttelte sich daraufhin innerlich. Dann sah sie gespielt interessiert zu, wie sich Hit und Drake Milch über ihre Müsli Schüsseln kippten und Saki auf die Uhr sah und dann aufstand, um die sechs Uhr Zeitung zu holen.

Erst dann bemerkte sie, dass sie von Tara angesprochen wurde, welche sie mit ihren grauen Augen förmlich anstarrte. Ihr fiel ein, das diese im Karzer fast schwarz gewesen waren - das musste doch eine Bedeutung haben.

"Was willst du, Tara?", fragte Jess genervt, aber sie spürte wie die Müdigkeit von ihrem Körper langsam abklang und sich damit auch ihre schlechte Laune langsam verzog.

"Ich möchte mit auf den Schwarzmarkt.", antwortete das Lilahaarige Mädchen ohne zu Zögern und Jess zog überrascht eine Augenbraue hoch.

"Ausgeschlossen, Tara. Ich kann dich doch nicht einfach auf den Schwarzmarkt mitnehmen!"

"Ich kann ja mal den Akademieleiter fragen, was er dazu zu sagen hat."

"Das gleiche wie ich.", murrte Jess in dem Wissen, dass dies nicht stimmte. Der Akademieleiter war dafür, dass die jungen Assassinen so früh wie möglich den Schwarzmarkt kennen lernten.

"Gut, dann frag ich ihn morgen einfach mal.", antwortete Tara und ließ sich fröhlich auf ihren Stuhl sinken. Sie trank ihr Glas Wasser in einem Zug leer und Jess dachte über die Möglichkeit nach, ihr das nächste Mal einfach Schlaftabletten unterzujubeln.

"Na gut .. ich nehm' dich mit.", knurrte sie nach der Weile leise, nachdem sie ihr zweites Glas Eistee geleert hatte und von Kenji ein Spiegelei vorgesetzt bekam. "Aber wehe du stellst etwas an, oder gehst mir verloren. Ich suche dich garantiert nicht!"

Das siegesreiche Grinsen in Taras Gesicht belustigte Jess, aber zugleich zerknirschte sie es auch. Ausgerechnet von einer Assassine, die es geschafft hatte sich bei ihrem ersten Auftrag schnappen zu lassen, ließ sie sich auf der Nase rumtanzen!

Aber das war es ja auch, was sie an Tara so faszinierte. Sie hatte die perfekte Mischung aus vorlautem Mundwerk und erpresserischem Genie, welcher wie die Lunte einer Stange Dynamit die Luft zum lodern brachte. Tara erinnerte Jess deswegen mehr an diesen Sprengstoff, wie an eine blutige Perle.

Nach dem Frühstück war es an Drake und Hit den Abwasch zu erledigen, während Jess in ihrem Zimmer verschwand.

Abwesend legte Jess ihre beiden Schwerter auf die Bettdecke und betrachtete die Schriftzüge, welche in die Klingen eingraviert waren. Sie strich kurz mit den Fingerspitzen über die Einkerbungen, bevor sie sich ihrer Schultasche zuwandte.

Neben den Büchern für Geschichte, Deutsch und Hauswirtschaft, befanden sich dort etliche Blöcke, da Jess es nicht für nötig hielt Ordner für jedes einzelne Fach zu führen.

Ihr Blick fiel auf das Mathebuch, welches schon seid Schuljahresbeginn auf ihrem Schreibtisch verstaubte. Aber heute war zum Glück kein Matheunterricht.

Sie schmiss das Hauswirtschaftsbuch auf ihr Kopfkissen, das Geschichtsbuch jedoch blieb in der Schultasche.

Es konnte ja auch nur dem geliebten Geschichts-Lehrer einfallen, am letzten Schultag Unterricht abzuhalten!

Gegen den angesetzten Sportunterricht hatte Jess aber nichts einzuwenden, weswegen sie lächelnd eine schwarze Jogginghose in den Schulrucksack stopfte und anschließend überprüfte ob der Totenkopfbutton noch immer fest saß.

Dann zog sie den Reißverschluss zu und räumte ihre Schwerter in den Schrank.

Sie schulterte ihre Tasche und beim Rausgehen griff sie sich ihren Schulmantel von der Kommode. Sie kam ein paar Minuten vor Kenji bei den Anderen in der Küche an und verstaute gerade ihr Pausenbrot in einer freien Ecke ihres Rucksacks.

Ihr Blick fiel daraufhin auf Saki, welche noch immer die Zeitung studierte. Sie stellte ihren fertig gepackten Rucksack auf einen Stuhl und trat dann hinter ihre Freundin, um auch die Zeitung lesen zu können.

Neben einigen Todesanzeigen, prangte auf der zweiten Seite das schwarz-weiß Foto des zerstörten Karzers. Der darauf folgende Text nahm den Rest der Zeitungsseite ein - sie hatte keine Lust das alles zu lesen.

"Steht da was interessantes drin?", fragte sie deswegen, nachdem die Weißhaarige die Zeitung geschlossen und auf den Tisch gelegt hatte.

"Nicht viel, außer das sie dir die Schuld an der Zerstörung geben. Meinte zumindest ein Offizier mit verbranntem Gesicht.", antwortete Saki ruhig.

"Immer bin ich Schuld an allem.", murrte Jess gespielt beleidigt, aber die Vorstellung des Offiziers mit Brandnarben im Gesicht gefiel ihr trotzdem. Entspannt streckte sie sich und ließ ihre Handknocken knacken.

"Das ist eben das Los, was man als Zweitplazierte der Weltrangliste hat."

Bei diesen Worten strich sich Jess über ihren verspannten Nacken und zuckte mit den Schultern: "Sollen sie mir ruhig die Schuld geben - fassen werden sie mich sowieso nie."

"Ich hoffe, denn wenn - dann wärst du garantiert sofort tot."

"Mach dir um mich mal keine Sorgen."

"Hochmut kommt vor dem Fall.", mischte sich Kenji nun ein, während er damit beschäftigt war seine Haare zu ordnen. Es gelang ihm nicht - wie immer.

"Ich bin nicht hochmütig. Ihr sorgt doch dafür, das ich auf dem Boden bleibe."

Jess sah in Kenjis eisblaue Augen. Eigentlich war auch sie selbst recht realistisch und wusste um die Gefahren, denen sie sich aussetzte.

Die Küchenuhr zeigte nun genau sieben Uhr und erstaunlicherweise waren heute alle rechtzeitig fertig und sie konnten gemütlich den Fußweg zur Schule antreten.

Jess knöpfte sich im gehen den dunkelroten Mantel zu und beobachtete die Leute, welche vor ihren Häusern und Läden Schnee schippten oder bereits Sand ausstreuten.

Die Gedanken daran, Missy im Sport wieder einmal bloßzustellen brachten sie dazu, sich auf diesen Schultag sogar zu freuen. Vor dem Schultor streckte sie sich noch einmal und betrachtete die Außenfassade des alten Gebäudes.

Auf einen entspannten, letzten Schultag, dachte sie sich, bevor sie an Sakis Seite durch das weiße Schultor trat.
 

Tara Mayagame: Wenn du einen Menschen nicht bitten kannst, dann diskutiere mit ihm. Wenn du nicht diskutieren kannst, dann erpresse ihn. Wenn du ihn nicht erpressen kannst, dann töte ihn. Aber wenn du ihn nicht töten kannst - dann lass dir eine gute Lüge einfallen.

Kapitel 11

Während ihre Schritte sie wie von selbst über den grau gepflasterten Steinweg zum Haupteingang des Gebäudes führten, schweiften ihre Augen über den großzügigen Vorplatz der Schule. Das Gras war bedeckt vom weißen Neuschnee der letzten Nacht und die Bäume die den Weg säumten waren kahl und verbreiteten eine traurige Stimmung.

Die sonst so voll besetzten Holzbänke standen verlassen am Wegesrand und waren von Schnee bedeckt, während die Schüler den schnellsten Weg ins Warme suchten.

Sie zog den Kragen ihres Mantels enger um den Hals, während ihr Blick an den grauen Steinwänden des dreistöckigen Schulgebäudes entlang glitt, welches immer näher kam und damit größer wurde. Danach richtete sie den Gurt ihres Rucksacks, da er ihr von der Schulter zu rutschen drohte. Doch das konnte ihren Blick auch nicht von dem fernhalten, was sie am liebsten nie wieder sehen würde.

Mitten im Neuschnee ragten die hellgrauen Steine des ausgetrockneten Schulbrunnens aus dem Boden und der Eimer stand unter einem Schneehaufen begraben daneben. Die dazugehörige Holzkonstruktion gab es schon seid einigen Jahren nicht mehr. Deswegen rankten sich viele Gerüchte um diesen Brunnen und kaum ein Schüler war sich zu schade dafür noch etwas hinzu zu dichten. Doch sie hatte ihre eigene Geschichte für diesen Brunnen, eine Geschichte die sie am liebsten vergessen würde - für immer.

Eine Hand, welche sich an ihren Arm legte, holte sie aus ihren Gedanken und als sie den Kopf umwandte, sah sie in Sakis rote Augen - sie schimmerten traurig. Jess hatte gar nicht bemerkt das sie stehen geblieben war, kaum das ihre Augen den Brunnen entdeckt hatten.

"Komm, lass uns reingehen.", sprach Saki sanft und Jess nickte zustimmend, bevor sie ihrer besten Freundin die Treppen hoch und durch die doppelflüglige, weiß angestrichene Eingangstür folgte. Der Flur war mit Holz ausgelegt und in der Mitte hatte eine breite Treppe Platz gefunden, an dessen Absatz jeweils eine Treppe rechts und links zu den Klassenräumen des ersten Stocks führte. Im Erdgeschoss befanden sich die Räume des Hausmeisters, Besenkammern und Abstellräume, in welche noch nie ein Schüler einen Blick hatte werfen können. So rankten sich auch um die vielen, unter anderem verschlossenen, Räume ebenfalls viele Gerüchte, so sollen Schüler, welche hinter eine dieser Türen hatten blicken können, verschwunden sein, oder sind verrückt geworden. Jess glaubte keiner dieser Legenden.

Abwesend folgte sie Saki sie ausladende Treppe, welche vom Schulwappen, einem Fuchs, flankiert wurde, hinauf und bemerkte kaum, wie sie immer mehr Abstand zu eben dieser aufbaute. Sie ging die Treppe zu ihrer rechten hinauf, während Saki schon um die Ecke verschwunden war.

Der obere Flur war schmaler und große Fenster erlaubten einen wunderbaren Ausblick auf den Schulhof und den dahinter befindlichen Wald. Am Horizont konnte man die Berge des Niemandslandes erahnen und die Sonne zeigte ihre ersten Strahlen am östlichen Horizont. Doch Jess hatte heute keinen Blick dafür und ging wie ferngesteuert den Gang hinab. Im zweiten Stock befanden sich besondere Räume, wie die Labore oder die Räume für die außerschulischen Aktivitäten, auch frei zugängliche Kunsträume befanden sich dort.

An der Treppe zum zweiten Stock, welche sich etwa in der Mitte dieses Flures befand und sich ebenfalls in zwei Absätze unterteilte, blieb sie stehen und starrte die Stufen hinauf. Oben am Absatz hing das Foto des Schulleiters an der Wand und es kam ihr so vor, als ob er sie mit hämischem Lachen und herablassendem Blick betrachten würde. Seine Falten an Mund und Augen ließen ihn älter aussehen als er war, aber trotzdem respektierten ihn alle Schüler - nun ja, fast alle.

Sie streckte sich leicht und sah den Flur hinab, welcher von kleinen Lampen erhellt wurde, welche aber erstaunlich viel Licht spendeten. Ihre Blicke sprangen von den Türen hoch zu den Schildern, welche die einzelnen Klassen kennzeichneten. Dieses System war vorbildlich und andere Schulen hatten es bereits kopiert, denn so war es um einiges leichter seine Klasse zu finden - vor allem für neue Schüler.

"Na, schlecht geschlafen, Jess?", eine Mädchenstimme riss sie aus ihren Gedanken und sie sah zur Tür ihres Klassenzimmers. An den Rahmen gelehnt stand Missy und betrachtete sie mit hämischem Blick, verschränkte die Arme und versperrte die Tür. Wieder einmal sah sie aus, als ob so etwas wie Kleidung ein Fremdwort für sie war, sie trug einen roten Minirock, schwarze Overknees und ihr Oberteil sah aus, als wäre es dazu konzipiert worden mit einem Unterteil getragen zu werden - eigentlich.

"Was willst du, Missy?", knurrte Jess, ihr war eigentlich nicht nach Streit zumute, aber wenn sie diese Zicke sah, stieg ihr Puls sofort an.

"Nichts.", kicherte die Angesprochene und im Lampenlicht schimmerten ihren roten Nägel wie Blut. Während sie aus den Augenwinkeln noch immer die schwarzen Silhouetten des Waldes und der Berge sah, betrachtete sie die früher einmal weiße Tapete des Flures. Wieder einmal kam ihr der Flur düsterer vor, als er eigentlich war und sie verschränkte die Arme. Langsam glitt ihr Blick zurück zu Missy und ihr fiel der Spruch ein, welcher ihr einmal gesagt worden war: "Vor dem Sonnenaufgang ist die Nacht am dunkelsten."

"Hihi, da ist aber jemand verträumt.", kicherte Missy nun und Jess' Blick wurde finster. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass sie leise vor sich hingemurmelt hatte und ausgerechnet diese Person hatte das mitbekommen.

"Ach, halt doch deine Klappe, Missy.", knurrte sie leise - dieses Mädchen hatte doch überhaupt keine Ahnung. Nicht einmal ansatzweise wusste sie etwas und sie würde es auch niemals - wirklich niemals.

"Man soll der Vergangenheit nicht nachtrauern - war das nicht mal dein Spruch?", diese Frage war mehr provozierend gemeint und Jess spannte sich an. Sie sollte es besser nicht übertreiben. Sie atmete zischend ein und ignorierte Chess' weit entfernt scheinende Stimme, die sich langsam in ihren Gedanken einnistete.

Missy warf ihre mattschwarzen Haare locker zurück und während die Blonde das beobachtete, freute sie sich schon innerlich auf den Tag, an dem Missy wieder die Uniform anziehen musste. Es war nun einmal eine alte Tradition an dieser Schule, dass in der letzte Woche die Kleiderordnung aufgehoben wurde und Missy vollführte in dieser Zeit die größte Verwandlung - Vom Kokon zur Raupe. Wobei - selbst eine Raupe war hübscher wie dieses schwarzhaarige, zickige Biest.

"Missy, du hast da was vergessen.", konterte Jess schließlich und Missy schaute sie fragend aus ihren dunklen, graugrünen heraus an. "Dir etwas anzuziehen."

Es war ein amüsanter Anblick zu sehen, wie der Zicke der Mund aufklappe, wenn auch nur soweit wie es ihr Make-up zuließ. Die kurze Zeit der Stille und des statuenhaften Verhaltens der Schwarzhaarigen, trat Jess zur Tür, stieß das Mädchen zur Seite und betrat den hell erleuchteten Klassenraum. Dabei achtete sie nicht auf die entrüstete Miene Missys und bekam nur aus den Augenwinkeln mit, das diese fast in den Mülleimer gestolpert wäre - schade.

Die Klasse war noch relativ leer, soweit Jess es beim ersten Überschauen erfassen konnte. Kenji saß wie gewohnt in seiner dunklen Ecke, hatte sich mitsamt dem Stuhl gegen die Wand gelehnt und döste, Drake spielte mit seinen Stiften herum und Saki las in einem Buch, schaute aber in regelmäßigen Abständen aus dem Fenster. Bis auf die Bäume des Vorgartens, einem Teil der Stadt und dem süd-östlichen Teil des Waldgebietes um Naidoko sah man nichts.

Tara und Hit waren offenbar noch nicht in der Klasse eingetroffen und ansonsten waren nur wenige Schüler da: In der ersten Reihe am Fenster hatten sich die beiden Klassenstreber zusammengesetzt und schienen über ein Thema angeregt zu diskutieren. Ebenso wie eine Mädchengruppe in der vierten Reihe sich über etwas unterhielt, was zur Abwechslung nicht die üblichen Themen, wie die neuste Boyband, Mode, Schmuck oder sonstigen Mädchenkram zu sein schienen.

Von der Mädchengruppe konnte sie nur einzelne Wörter erhaschen, da sie alle durcheinander redeten, aber ein braunhaariges Mädchen mit lockigem Pferdeschwanz tippte die ganze Zeit auf etwas, was wie die heutige Zeitung aussah.

Also ging es anscheinend um das Feuer des Karzers, aber da sie es bei den Mädchen nicht genau verstand, ging sie langsam zu ihrem Tisch und bekam so Gesprächsfetzen der beiden Streber mit, welche natürlich in akkurater Schuluniform hergekommen waren.

"Ich habe gehört, eine Assassine soll sich alleine Zugang zum Karzer verschafft haben und auch noch die ganzen Gefangenen befreit haben!", fing das Mädchen mit Bobschnitt gerade an zu reden und der Junge richtete seine Brille, bevor er antwortete: "Es kann unmöglich eine einzige Assassine gewesen sein. Bestimmt hatte sie Hilfe."

"Vielleicht, aber trotzdem ist der Vorstand sehr wütend."

"Du musst es wissen, immerhin arbeitet dein Vater dort. Nun ja, ich habe gehört das die Assassine, Black Rose, besagte Spionin gewesen ist."

"Ja, das sagen sie alle. Unglaublich was für Probleme nur sie allein verursacht."

"Ist dein Vater im Moment in Kishin? Weil ich gehört habe, dass ein Offiziersanwärter getötet wurde und außerdem einer der besten Offiziere sehr schwere Brandwunden davongetragen hat.", der Junge richtete seine Jacke und das Mädchen nickte schnell und antwortete: "Ja, das stimmt alles. Weißt du, sie hat Desten einfach eiskalt verbluten lassen im Büro des Vorstehers! Jetzt müssen sie beratschlagen wie es weitergehen soll."

"Sie hat Desten umgebracht?!", fragte der Junge aufgeregt und verlor fast seine Brille, "Er war doch einer der besten und stärksten Schupo überhaupt!"

Das Mädchen nickte traurig und das letzte was Jess noch hörte war: "Ja, deswegen gehen sie eine Kooperation mit den Kopfgeldjägern ein. Sie wollen diese Assassinen schnellstmöglich ausrotten."

"Der beste Vorschlag den die bisher gemacht haben!"

Seufzend ließ sich Jess auf ihren Stuhl sinken und stützte den Kopf in ihre Hand - Das könnte eine Erhöhung der Kopfgelder zur Folge haben. Zumindest inoffiziell.

Es klingelte und alle nahmen nach und nach ihre Plätze ein, doch das Flüstern und Gemurmel hörte nicht auf. Wie konnte man nur so viel Wind um eine Sache machen?
 

Nach dem Schellen schmiss Jess alles ungeordnet in ihre Tasche, schulterte diese und war als Erste aus dem Klassenraum verschwunden. Im Flur lehnte sie sich an den Fenstersims und wartete auf Saki. Mit den anderen hatte sie innerhalb der Schule wenig zu tun, davon abgesehen würde sie es bei Kenji und seinen Fangirls nicht eine Minute aushalten - nicht mal für alles Geld der Welt. Tara hatte ihren Platz bei ein paar quirligen Mädchen aus der Parallelklasse gefunden - dieser Umgang tat ihrer sowieso schon aufgedrehten Art überhaupt nicht gut. Wirklich überhaupt nicht.

Die vier Mädchen gingen gerade an ihr vorbei und sie kicherten über den neusten Streich den sie ausgeheckt hatten. Nun ja, die vier brachten wenigstens Abwechslung in den Schulalltag und so lange sie von ihrem Streichen verschont blieb, war es Jess egal, was diese Kinder so anstellten. Überrascht war sie allerdings, als sie Hit mit einem älteren Schüler gemeinsam über den Flur schlendern sah. Vermutlich war es der Chef des Biologieclubs - passte zu Hit und seinen Kenntnissen über die Medizin. Bevor die beiden die nächste Treppe hinab verschwanden, hörte sie nur etwas von wegen gebrochene Knochen und Schiene aus Naturmaterialien. Okay, ehrlich gesagt, hatte sie nicht zugehört - zu uninteressant.

Sie tippte mit den Fingern auf der Fensterbank herum und schulterte ihre Tasche erneut. Als schließlich auch Drake mit seinen zwei Freunden vorbeischlenderte, beschloss die Blondine kurzerhand das Klassenzimmer erneut zu betreten. Keine Minute zu spät.

"Jetzt ist niemand da, der die helfen kann.", kicherte eine Braunblonde und zwirbelte eine Haarsträhne um ihren Finger. Ihr Name war Iowa und sie war eigentlich ganz schüchtern - wenn sie allein war.

"Genau, mach doch endlich mal deinen Mund auf.", meinte daraufhin eine Schwarzhaarige, deren blonder Ansatz ziemlich weiß wirkte. Viola liebte es Missy nachzuahmen, sie aß wie sie, saß wie sie, sie bewegte sich sogar wie sie. Das einzige was Viola nicht konnte war Missys Sprechweise nachzuahmen, dazu hätte sie sich schon die Stimmbänder verätzen müssen, doch dann wäre dieser leichte französische Akzent auch verloren gewesen.

Kurzum konnte man dieses Mädchen als Pantomime oder billige Kopie von Missy beschreiben, das traf es am besten. Irgendwann würde es so richtig zwischen den beiden krachen - Missy musste nur erfahren, dass Viola auch auf dieselben Jungs stand wie ihre angeblich allerbeste Freundin. Auf diesen Tag freute sich Jess schon sehr.

"Kannst du überhaupt sprechen?", fragte Iowa nun provozierend und stemmte eine Hand in ihre Hüfte. Den Schal den die Braunhaarige sich umgebunden hatte klimperte leise und die Pailletten schimmerten. Viola kicherte gespielt hoch und sah auf Saki hinab: "Ich glaube kaum, ich habe sie noch nie sprechen hören. Und Weiß? Was ist das bitte für eine Haarfarbe? Bist du eine alte Frau, Saki?"

Die beide kicherten und nun schaltete sich Missy ein: "Du solltest dir wirklich mal neue Klamotten zulegen, die sind so was von letzte Season."

Saki zog eine Augenbraue hoch und blickte die drei Mädchen ungerührt an: "Erstens: Das Shirt habe ich mir letztens erst gekauft, Zweitens besser weiße Haare wie einen fetten Blondhaaransatz, der sieht aus, als bekommst du graue Haare und drittens wenn ich alt sein soll, dann geht ihr doch bitte nach gegenüber in den Kindergarten zurück, ja?"

Jess huschte ein Lächeln auf die Lippen. So sah man Saki zwar nur selten, aber dennoch sollte man nicht über sie herziehen, denn dann konnte man durchaus überrascht werden. So blickte auch Missy drein, ihre dunklen Augen waren erst überrascht auf die Weißhaarige gerichtet, bevor sie sich vor Ärger zusammenzogen.

"Wag es nicht, so mit ihr zu reden!", meinte nun Viola, welche gerade aus einer Art Schockstarre zu erwachen schien. Saki zog nur eine Augenbraue hoch und antwortete: "Dann sollte sie das auch nicht tun."

Iowa schien als einzige nervös zu werden, denn sie spielte mit ihrer Goldkette herum und betrachtete die Situation nachdenklich, bis sie von Viola angesprochen wurde: "Hast du dazu gar nichts zu sagen, Iowa?"

"Ich find das auch nicht nett.", antwortete die Braunhaarige hastig und blickte ihre Freundinnen an. Zufrieden drehte sich Viola nun wieder zu Saki um: "Siehst du, drei gegen eine. Du hast keine guten Karten."

Teilnahmslos sah die Weißhaarige die drei vor sich an und Jess war sich sicher, das ihre Freundin sie bemerkt hatte, denn sie meinte: "Seid euch da mal nicht zu sicher."

"Red doch keinen Blödsinn, außer uns ist hier niemand!", meinte nun Viola aufgebracht. Sie schienen wirklich nicht zu bemerken, wie nah ihnen Jess schon gekommen war.

"Weil drei gegen einen ja auch so fair ist. Aber das ihr wieder mal nichts mitbekommt, dass passt ja zu euch.", sprach Saki nun und diese Antwort schien für Missy auszureichen. Hitzköpfig wie sie war, packte sie Saki am Oberteil und rief: "Pass bloß auf, was du sagst!"

"Pass du bloß auf, was du tust.", war Sakis Antwort und Missy zog die Weißhaarige zu sich. Iowa und Viola standen tatenlos daneben und es sah nicht so aus, als ob sie etwas gegen ihre Freundin unternehmen wollten. Als die Schwarzhaarige ihre Hand hob, mischte sich Jess ein, denn jetzt reichte es ihr: "Das würde ich an eurer Stelle nicht machen."

Sie trat aus dem Schatten und packte Iowa und Viola an der Schulter. Als die beiden sie erschrocken anblickten, sprach sie: "Macht das ihr verschwindet - Sofort."

Kaum hatte sie die beiden daraufhin losgelassen, rannten sie aus der Klasse. Einen Lehrer würden sie wahrscheinlich nicht holen gehen, dafür würde man den dreien viel zu wenig glauben und außerdem war Saki Schulsprecherin. Das sie Jess beste Freundin war, reichte zwar den meisten auch, um sie in Ruhe zu lassen, doch Missy und ihre Anhängsel waren doch meist die nervige Ausnahme.

Missy hielt derweil weiter wie versteinert Sakis Oberteil fest und ihre Hand, welche sie noch immer nach oben hielt, wurde langsam weiß. Ihre Augen fixierten derweil Jess mit einer Mischung aus Angst und Wut, welchen die Blondhaarige nur mit einem ausdruckslosem Blick quittierte. Derweil spürte Jess die ängstlichen Blicke von Iowa und Viola auf sich Ruhen, welche das Geschehen aus sicherer Entfernung beobachteten. Missys Hände fingen an zu zittern, aber ihr Blick blieb starr auf Jess gerichtet. Ein amüsanter Anblick - fand Jess.

"An deiner Stelle würde ich sie loslassen.", meinte sie schließlich, als Missy noch immer keine Anstalten machte Saki loszulassen. Die Hand der Schwarzhaarigen vergrub sich tiefer im Stoff des T-Shirts und ihr Blick wurde finster. Hinten konnte Jess das ängstliche Gemurmel von Viola und Iowa wahrnehmen, doch ihre Aufmerksamkeit galt alleine Missy.

Diese schien gerade ihre Sprache wieder gefunden zu haben und fragte nun provozierend: "Und was ist wenn nicht?"

Da diese Art der Provokation Jess nicht im geringsten interessierte, antwortete sie dementsprechend kühl: "Willst du das wirklich wissen?"

Missy schluckte leicht, aber noch löste sie ihren Griff nicht von Sakis Oberteil. Jess erwiderte den Blick der Schwarzhaarigen hingegen kühl und ausdruckslos, denn sie wusste, dass genau das ihrer Rivalin am meisten Angst machte. Wenn sie nicht wusste was ihr gegenüber fühlte, war sie verloren, denn ihre Angriffsfläche war verschwunden.

"Bist du dumm, oder einfach nur lebensmüde?", fragte sie und als sie Angst in Missys dunklen Augen sah, lächelte sie und fügte hinzu: "Lebensmüde ist wahrscheinlicher, denn dumm bist du ja sowieso."

Daraufhin knurrte die Schwarzhaarige vernehmlich, löste ihren Griff vom grauen T-Shirt und stolzierte an Jess vorbei. Ein paar Meter entfernt wandte sie sich jedoch noch mal um und rief: "Das bekommst du zurück! Warte nur ab!"

Jess lächelte auf die Drohung hin nur kühl: "Wir sehen uns in Sport, Missy."

Missy ballte die Hände zu Fäusten und stolzierte mit festen Schritten zurück zu ihren Freundinnen und verschwand mit ihnen den Flur hinab. Jess lächelte nur kühl, denn sie wusste, dass sie Missys Stolz gekränkt hatte und genau dasselbe würde sie nach der Pause noch einmal erleben. Sie drehte sich zu ihrer Freundin um sah ihr zu, wie sie ihr Shirt so gut es ging glättete: "Alles in Ordnung, Saki?"

"Das Oberteil ist neu.", seufzte ihre Freundin daraufhin und die beiden Freundinnen lächelten sich belustigt an. Jess huschte mit ihren Augen über das Abbild eines Falken mit übergroßen Augen und meinte: "Du meinst wohl eher frisch gewaschen."

Daraufhin kicherte Saki und befestigte ihren zwei Haarklammern erneut. Die Wutausbrüche von Missy waren sie schließlich gewohnt und sie wussten, dass Missy nun den gesamten Tag beleidigt sein würde. Aber so hatten sie immerhin Ruhe vor ihr - mehr oder minder.

"Lass uns Essen gehen - ich hab Hunger.", meinte Jess und Saki nickte bestätigend: "Das Schulessen am letzten Tag ist sowieso das leckerste."

"Was meinst du, wieso wir ansonsten immer was von Zuhause mitnehmen?", meinte Jess und Saki kicherte erneut. Die Blondine wusste das die Weißhaarige nur in ihrer Nähe so fröhlich und offen war, ansonsten war sie meist schüchtern und zurückhaltend. Das war vielleicht auch der Grund weshalb sie dieses Mädchen so gern hatte und es beschützen wollte. Sie lächelte sanft, während sie Sakis Zopf dabei zusah, wie er hinter ihr auf- und abwippte. Dieses Mädchen war etwas ganz besonderes und sie war wahrscheinlich die einzige, die wirklich alles über sie wusste - fast alles.

Während sie den Verbindungsflur zur Schulcafeteria entlang schritten, beobachtete Jess, wie sich graue Wolken von den Bergen her Richtung Stadt schoben. Es sah ganz nach einer neuen Fuhre Neuschnee aus, aber heute Nacht war zum Glück kein Auftrag angesetzt. Die Aufregung über den Einsturz des Karzers musste erst abflauen, denn erst dann würden auch die verdoppelten Wachen aus der Stadt verschwinden. Leise seufzte Jess und rückte ihren Rucksack auf der Schulter zurecht, während sich Saki ihre Jeansjacke beim Gehen anzog.

In der Cafeteria saßen zum Glück die allermeisten Schüler schon an ihren Tischen, sodass keine lange Schlange mehr vor dem Tresen war. Jess packte sich eines der graumelierten Tabletts und ging zur Salatbar, wo sie sich einen Salat bestehend aus Mais, Salat, Gurken und Dressing zusammenwürfelte. Danach ging sie zu ihrer Freundin, welche schon vor der älteren Dame stand, die das heutige Tagesgericht ausgab. Nachdem sie den Preis von 5 Rubal bezahlt hatten, bekamen sie ein Stück Pizza. Unter dem Käse konnte man kaum ausmachen, mit was es belegt war und die Küchenfrau war offenbar nicht in der Stimmung diese Frage zu beantworten. Saki nahm sich noch einen Schokoladenpudding vom Desserttresen und dann schlenderten beide auf der Suche nach einem freien Tisch durch die Halle.

Am Fenster sahen sie schließlich Drake, welcher sie zu sich an den runden Tisch winkte. Jess stellte ihr Tablett ab und ließ sich auf den Stuhl sinken: "Wo sind deine Kumpel, Drake?"

Der Angesprochene zuckte mit den Schultern: "Keine Ahnung, draußen glaube ich."

"Achso.", Jess kramte ihre Wasserflasche aus der Schultasche und begann anschließend damit prüfend ihre Pizza zu begutachten. Der Käse schien von selbst von der Pizza zu fließen.

"Ich glaube es ist Salami, oder Margherita.", vermutete Saki nun, nachdem sie den Käse etwas zur Seite geschoben hatte. Jess blickte ihr Stück weiterhin skeptisch an, bevor sie mit der Kabel ein Stück abschnitt und es probierte: "Margherita.", war ihre Antwort und dann begann auch Saki zu essen. Drake schlürfte währenddessen seinen Orangensaft und sah aus dem Fenster, wo sich langsam alles verdunkelte: "Sieht nach Neuschnee aus."

"Was interessierst uns? Wir haben heute nichts zu tun.", meinte Jess und spülte ihre Pizza mit einem Schluck Wasser herunter.

"Also ich mag Schnee.", trällerte eine ihnen bekannte Stimme plötzlich und schon hatte sich Tara neben Saki auf einen Stuhl fallen gelassen. Saki sah die Lilahaarige an und fragte: "Wo sind deine Freundinnen?"

"Die haben schon Schule aus.", war die knappe Antwort und ihre hellgrauen Augen färbten sich dunkler, "Wir haben nur noch Sport, oder?"

Allgemeines Nicken war die Antwort und erleichtert seufzte Tara und trank mit ein paar schnellen Zügen ihren Kakao leer. Skeptisch beobachtete Saki das Geschehen: "Hast du jetzt noch etwas für Sport?"

"Natürlich."

Jess war sich nicht sicher, ob Tara es wirklich ernst meinte, doch lange konnte sie nicht darüber nachdenken, denn zu ihrer Überraschung betraten Hit und Kenji gerade miteinander redend die Essenshalle. Sie war allerdings nicht die Einzige, die überrascht wirkte, denn sie hörte, wie Drake das Messer aus der Hand fiel und es auf dem leeren Teller landete. Es war ungewöhnlich für Kenji nicht von einer Mädchentraube umgeben zu sein und ansonsten war er auch nicht der Typ, der sich gerne mit einem von ihnen in der Schule abgab.

"Hallo, zusammen.", meinte Hit und ließ sich neben Tara fallen. Jess sah hoch zu Kenji, welcher Anstalten machte, sich auf den letzten, freien Platz zu setzen: "Wo hast du deinen Fanclub gelassen?"

"Ich hoffe ganz weit weg.", murrte der Schwarzhaarige, kurz bevor der Direktor die Halle betrat, begleitet von seinem Stellvertreter. Er stellte sich etwa in die Mitte, sodass ihn alle Schüler sehen konnten. Erst jetzt fiel Jess auf, dass hauptsächlich ihre Klasse und die dritte des Jahrgangs vertreten war. Alle anderen hielten sich offenbar draußen auf - beziehungsweise hatten schon Ferien.

Der Direktor räusperte sich vernehmlich, um sich die Aufmerksamkeit der Schüler anzueignen, bevor er anfing zu sprechen: "Wie ihr wisst, werden wir nach den Ferien Besuch von unserer Partnerschule aus Immemoria bekommen. Die Klasse, welche uns besuchen kommt, wird eurem Jahrgang zugewiesen, beziehungsweise der ersten und dritten Klasse dieses Jahrganges.", allgemeines Gemurmel machte sich breit, doch davon ließ sich der ältere Herr mit den grauen Haarsträhnen im schwarzen Haar nicht aufhalten: "Ich setzte großes Vertrauen darauf das unsere Schulsprecherin und ihre Vertreterin die Einführung der Schüler übernehmen. Wie euch ebenfalls bekannt sein müsste, handelt es sich bei unserer Partnerschule um eine Eliteschule. Also erwarte ich von euch allen, dass ihr unsere Schule verantwortungsvoll und bestens vertretet. Immerhin haben wir den besten Ruf im ganzen Land und das soll sich nicht ändern. Ich verlasse mich auf euch und ich wünsche euch wunderschöne Ferien."

Kaum hatte der Direktor seine Rede beendet und war aus den Türen der Halle verschwunden, brach wie auf Kommando eine große Diskussion unter den beiden Klassen aus.

"Immemoria also.", murmelte Jess vor sich hin und ihr war bewusst, dass dort die Nummer eins der Weltrangliste ihren Aufenthaltsort hatte. Doch wie wahrscheinlich war es, dass ausgerechnet er hier nach Naidoko kommen würde, und das auch noch durch einen simplen Schulbesuch. Eigentlich recht unwahrscheinlich, doch durchaus möglich.

Diese Möglichkeit werde ich mir wohl offen halten müssen, dachte sie sich, während sie nur mit halben Ohr den anderen lauschte, welche anscheinend ganz andere Probleme hatten.

"Saki, dass kann doch nicht dein Ernst sein!", meinte Kenji aufgebracht und die Weißhaarige zog ihm eine Art Liste aus der Hand und antwortete: "Ich kann nichts dafür, also reg dich endlich ab, Kenji."

"Abregen?! Wie soll ich mich bei den Neuigkeiten bitte abregen?", fragte der Schwarzhaarige aufgebracht und stieß dabei fast ein Tablett vom Tisch. Jess sah auf, strich sich eine Haarsträhne aus dem Sichtfeld ihres linken Auges und fragte: "Was habt ihr jetzt schon wieder? Was für Neuigkeiten sollen das sein?"

"Ein paar aus der Schule werden die drei Wochen in der freien Wohnung neben uns verbringen.", war die einfache Antwort Sakis und Jess nahm ihr die Liste aus der Hand. Dort waren fünf Schüler vermerkt, welche bei ihnen unterkommen würden.

Soju Kaná, irgendwo hatte sie diesen Namen schon einmal gehört, aber es wollte ihr nicht einfallen. Wahrscheinlich war es auch gar nicht so wichtig. Sie überflog den Rest der Namen nur und sah dann auf: "Das heißt also, das wir die Wohnung aufräumen müssen."

Sie waren schon lange nicht mehr in der Nachbarwohnung gewesen, das letzte Mal hatten sie ein paar funktionstüchtige Geräte runter in den vierten Stock geschleppt - und das war vor sechs Jahren gewesen. Alle sahen sie an und Kenji grummelte: "Das wird mindestens eine Woche dauern!"

"Hör auf zu meckern. Wir sind zu sechst, da sollte das auch in weniger als einer Woche zu schaffen sein, wenn alle mithelfen.", meinte Jess und Kenji verschränkte die Arme, während Tara ihre Totenkopfspange richtete und fragte: "Was ist denn überhaupt in der Wohnung?"

"Alles was wir nicht mehr gebrauchen können, obwohl, selbst da bin ich mir sicher. Es ist viel Zeit vergangen, seit wir die Wohnung das letzte Mal betreten haben.", antwortete Saki und Drake fügte hinzu: "Um genau zu sein sechs Jahre, Saki."

Bevor jedoch noch jemand ein Wort sagen konnte, mischte sich Missy in das Gespräch ein: "Ach, bei euch kommen also ein paar Schüler unter, oder was?"

"Selbst wenn, was geht dich das an, Missy?", fragte Jess und Tara fügte hinzu: "Was mischt du dich eigentlich in unser Gespräch ein?"

"Es ist interessant euch zuzuhören. Sind so viele Personen in einem Haus nicht etwas viel? Kenji, du kannst gerne mit in das Haus meiner Eltern kommen, da ist mehr als genug Platz.", meinte Missy und ihre Augen blickten den Schwarzhaarigen beschwörend an. Doch der Angesprochene antwortete nur genervt: "Kein Interesse."

Saki und Tara fingen an zu kichern und Missy plusterte sich gekränkt auf: "Du bist also lieber bei denen", dabei deutete sie mit den Finger auf Jess, Saki und Tara: "Als bei mir?!"

"Du hast es erfasst.", war die knappe Antwort Kenjis, aber anstatt nun zu gehen, fing Missy wieder an: "Was haben sie dir ins Getränk getan? Du bist doch garantiert nicht freiwillig da."

Kenji schlug ihre Hand weg, mit der sie ihm durch das Haar streichen wollte: "Wenn du nicht in 5 Sekunden verschwunden bist, werde ich dafür sorgen müssen."

Jess beobachtete wie ein paar muskulöse Typen sich von ihren Tischen erhoben und hinter Missy traten.

"Hast du dir etwa ein paar Leibwächter angeschafft?", fragte Jess ungerührt und Saki legte eine Hand auf Drakes Schulter. Er war mit diesen Jungs schon seid Jahren verfeindet und auch die anderen hatten das ein oder andere Problem mit ihnen.

"Die sind immerhin nicht so verklemmt wie ihr. Sie wissen meine Schönheit zu schätzen!"

Als Jess und Kenji anfingen zu lachen, sprang ihr Blick von Stolz in Verwirrung über.

"Deine - Was?", fragte Kenji belustigt und Jess fügte hinzu: "Du meinst wohl eher deine Freizügigkeit. Du glaubst doch nicht ernsthaft das du schön bist?"

Missys Blick verfinsterte sich und einer der Typen wollte Kenji packen, doch dieser duckte sich unter dem Arm hinweg und stand auf. Jess drückte ihren Stuhl in die Magengegend des Zweiten und stand ebenfalls auf: "Willst du diese Weicheier, etwa auf uns ansetzen?"

"Das soll wohl ein schlechter Witz sein.", grinste Kenji und betrachtete den Typen, welcher sich vor Schmerzen seinen Bauch hielt. Als er wieder auf Jess zutrat und ausholte, stieß sie ihn an den Schultern weg, sodass er stolperte und auf dem Rücken fiel.

Dann betrachtete sie Missy, welche wie versteinert dastand: "Glaubst du echt ich lasse mich von denen beeindrucken?"

"Das sind doch nichts weiter als Angeber, die nicht einmal rechts von links unterscheiden können.", meinte Kenji, während er mit einer Hand den Schlag des Anderen abfing. Missy schien beinahe der Mund aufzuklappen, aber für die übrigen Schüler war das nichts Neues.

"Missy, wir haben dir doch gesagt, dass die beiden regelmäßig zur Selbstverteidigung gehen.", rief Iowa von einem Tisch herüber. Innerlich grinste Jess, wenn die nur wüssten, ja, wenn sie nur wüssten.

Während der Typ Kenji mit unglaublich dreinblickenden Glubschaugen anstarrte, hielt Saki Drake davon ab von seinem Platz aufzustehen und sich einzumischen. Jess warf leicht ihre Haare zurück und meinte: "Ich würde dir empfehlen auf deine Freundin zu hören."

Missy knurrte und ballte die Hände zu Fäusten. Beleidigt drehte sie sich auf dem Absatz um: "Ihr werdet noch sehen, was ihr davon habt. Niemand legt sich mit mir an!"

Kenji stieß seinen Angreifer von sich weg, sodass dieser neben seinem Freund auf dem Boden landete und ließ sich wieder auf seinen Stuhl zurücksinken. Jess blickte zu den beiden, während sie sich gegen die Lehne ihres Stuhles lehnte und ein mildes Lächeln aufsetzte.

Kaum hatten sich die beiden Jungen erhoben, kam eine Durchsage, welche sich durch ein vorhergehendes Rauschen ankündigte: "Die Schülerinnen und Schüler können nach Hause gehen. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen zu einer letzten Konferenz. Schöne Ferien an alle Schülerinnen und Schüler!"

Daraufhin brach in der Cafeteria lauter Jubel los, sodass eigentlich nur Jess und ihre Freunde die letzten Worte mitbekamen: "Die Zeugnisse werden euch per Post zugesendet."

Jess schulterte ihren Rucksack und sah zu den anderen: "Los, lasst uns nach Hause gehen. Wir haben schließlich noch einiges zu tun, bevor Weihnachten ist."

Die anderen nickten und schulterten ihre Taschen und Rucksäcke. Jess schnappte sich ihre Flasche und blickte aus dem Fenster, es fing an zu schneien - was für ein schöner Ferienbeginn.

"Vergiss nicht, dass du morgen mit Tara auf den Schwarzmarkt gehst, Jess.", meinte nun Kenji, als sie schon auf halben Weg nach Hause waren. Jess seufzte und antwortete: "Keine Sorge, ich bin doch nicht senil."

Saki kicherte und gemeinsam gingen sie über die Brücke des Flusses, dessen Strömung dunkelgrau unter ihnen floss. Der Schatten der dort stand, lächelte und verschwand hinter der nächsten Häuserreihe, ohne das ihn jemand bemerkte.
 

Kenji Kurotake: "Beliebt zu sein ist eine Sache - Freunde zu haben die Andere. Ich habe beides."

Kapitel 12

Am frühen Nachmittag des nächsten Tages, machte sich Jess gemeinsam mit Tara auf den Weg zum Nord-Ost-Bahnhof. Während sie den Weg am Flussufer entlang schlenderten, beobachtete die Blondine das schimmernde Sonnenlicht auf dem Fluss. Aber obwohl der Himmel ausnahmsweise azurblau und klar war, sah man jeden einzelnen Atemzug.

Jess knöpfte ihren Mantel zu und zog den Schal, welchen sie sich ausnahmsweise umgelegt hatte, enger um den Hals. Heute war es doch noch etwas kälter als sonst, die kühle Luft aus den Bergen musste zu ihnen runterwehen.

Tara hüpfte am Ufer entlang und sie schien richtig aufgeregt zu sein. Verständlich - es würde schließlich ihr erster Besuch des Schwarzmarktes sein. Kurz sah Jess dem Mädchen zu, bis sie dann ihren Blick hob und zur anderen Seite des Flusses schaute. Naidoko war schon immer ihre Heimat gewesen. Der Fluss teilte diese Stadt aber in einen Nord-Ost- und einen Süd-West-Block auf. Im Nord-Osten waren schon immer Arbeiter oder Angestellte untergebracht gewesen, auch die ein oder andere Familie lebte im kleinen Vorstadtviertel weit im Norden. Der Süd-Westen war den besser verdienenden Arbeitern, Beamten und Reichen vorbehalten, welche in der dortigen Innenstadt lebten. Insgesamt bestand Naidoko also aus zwei Blocken und sieben Vierteln.

Die Viertel des Nord-Ost-Blocks waren zum einen das Vorstadtviertel, in der Nähe der Niemandsberge, das Arbeiterviertel und das verlassene Viertel, welches sich im östlichen Wald befinden soll. Der Süd-West-Block hatte insgesamt vier Viertel, dass wichtigste Viertel war die Innenstadt mit ihren Verwaltungsgebäuden, dann gab es noch das so genannte Schupo-Viertel, in welchem die Mitarbeiter der Einheit und ihre Angehörigen hausten. Dementsprechend war es den Assassinen strengstens verboten dieses Viertel zu betreten, vor allem, weil dort schon mehrere Morde an jenen verübt wurden, welche sich dort hinein gewagt hatten. Das dritte Viertel war das kleine Industrie-Viertel westlich der Stadt, dort endete auch die große Einkaustraße der Innenstadt. Das letzte Viertel wurde als das Brand-Viertel bezeichnet, da es bei einem schweren Feuer vor etwa 13 Jahren vollkommen verwüstet und bisher nicht wieder aufgebaut wurde.

Jess konnte sich noch genau an Dwaynes Worte erinnern, mit denen er ihr im Alter von fünf Jahren versuchte zu erklären, dass ihre Familie in den Flammen offenbar getötet wurde. Ganz glauben konnte sie das jedoch nie, da irgendetwas in ihr ständig rief: Nein, sie sind nicht tot, sie sind NICHT tot.

"Jess, wo willst du hin?!", Taras Frage riss sie aus ihren Gedanken und Jess blickte die Lilahaarige überrascht an. "Der Bahnhof liegt doch die Straße hier runter!"

Wortlos ging Jess die Straße hinauf und ihre Augen glitten an den Graffiti entlang, welche die Mauern der Hochhäuser schmückten. Nur selten sah Jess Ein - oder Zweifamilienhäuser bei ihren Aufträgen, doch als sie das erste Mal das Vorstadtviertel besucht hatte, war ihr sofort leicht ums Herz geworden. Sie hatte den Wald, die Berge und den Sonnenaufgang sehen können, ohne das ihr Horizont von Hochhäusern begrenzt oder gestört worden war.

Auch in den restlichen Vierteln schmückten Graffiti von Jugendbanden die Wände, Mauern, wahlweise auch Autos und Züge der Stadt. Einzig die Vorstadt und das Schupo-Viertel waren, soweit Jess wusste, frei von jeglichem Graffiti. Wahrscheinlich traute sich keine Jugendbande dort etwas zu verschmutzen, oder es existierten dort einfach keine Banden.

Langsam stieg Jess die Treppe zu den Bahngleisen hinauf, welche sich hier im Nordosten auf zwei Stück beschränkten. Der Anblick der Wartezone war ernüchternd und alles andere als einladend. Abgesehen davon mochte Jess das Zugfahren sowieso nicht, aber das war nun einmal der schnellste Weg zum Schwarzmarkt und bei der langen Liste an Besorgungen würde das ganze bestimmt bis morgen andauern. Vor allem bekam man einige Dinge nicht tagsüber, geschweige denn hatten alle nötigen Geschäfte tagsüber geöffnet.

Am Nordende des Bahnsteiges waren gerade einige Jugendliche damit beschäftigt einen defekten Automaten aufzubrechen, während zwei Jungen an einem Pfeiler ihr neustes Graffiti aufsprühten. Jess war froh, dass Tara schlau genug war um sich mit keinem von ihnen anzulegen, ihr reichte der bevorstehende Besuch des Schwarzmarktes schon.

"Na, wen haben wir denn da?", einer der Graffiti-Sprüher drehte sich um und Jess sah in seine Richtung. "Lebst also auch noch?"

Als er sich den Schal vom Gesicht zog, erkannte Jess ihn und ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen: "Und du sprühst also immer noch wie ich sehe."

"Wenn sonst keiner diese Gegend hier verschönert, wer soll es sonst tun?", grinste der Junge und Jess trat gemeinsam mit Tara zu ihm. Auf dem Pfeiler prangte ein großer Drache und der Zweitete arbeitete an etwas, was aussah wie ein Phoenix. Jess lächelte: "Du stehst wohl immer noch auf Feuer, was?"

"Klar!", lachte der Junge, doch dann zog er eine schwarze Spraydose hervor. "Aber warte, für dich mach ich etwas besonderes." Mit diesen Worten begann er eine schwarz vermummte Gestalt auf den Rücken des Drachens zu sprühen. Jess beobachtete ihn dabei aufmerksam und dann fragte sie: "Soll das etwa ich sein?"

Der Junge rückte seine Kappe zurecht und nickte anschließend: "Jep, du weißt doch noch, das erste mal hab ich dich so schwarz vermummt gesehen, gemeinsam mit Jason."

"Ach ja, tut mir leid, hab ich fast vergessen.", meinte Jess dann leise und sah die schwarze Gestalt eine Weile lang an, bevor ihr eine Spraydose hingehalten wurde: "Hey, zeig meiner Freundin doch mal, wie du sprayst.", meinte der Junge und grinste sie an. Als Jess dann zur zweiten Person sah, zog diese sich die Kapuze vom Kopf. Jess nahm leicht abwesend die Dose in die Hand: "Kann ich machen, Kev."

Hätte er seine Begleitung nicht als seine Freundin vorgestellt, wäre sie nicht darauf gekommen, das es sich beim zweiten Sprayer um ein Mädchen handelte. Ihre Haare waren grün und kurz geschnitten, zusammen mit den weiten Klamotten konnte man sie kaum von einem Jungen unterscheiden. Kev sah sie währenddessen aus seinen blauen Augen heraus gespannt an und schob sich den Schal zurecht, welchen er wieder über gezogen hatte. Auch die Blonde zog sich ihren Schal nun über Mund und Nase, schüttelte die Dose und begann zu sprühen. Wenn sie sich früher mit Kev und Jason getroffen hatte, waren sie sehr oft herum spaziert und hatten gesprayt. Jess mochte diese Art der Beschäftigung, aber neben ihren anderen Verpflichtungen blieb für dieses Hobby keine Zeit mehr.

Tara richtete ihren Blick gelangweilt in Richtung der Bande, welche noch immer mit einem Brecheisen zugange war und schüttelte den Kopf. Mit schnellen Schritten ging sie zu ihnen und beobachtete kurz das Geschehen, bevor die meinte: "So bekommt ihr das Ding doch in hundert Jahren nicht auf."

Die Jungen blickten zu ihr und einer meinte: "Na, dann mach du es doch besser." Die Anderen lachten und Tara kam es so vor, als ob sie nicht glauben konnten, das ein Mädchen etwas besser konnte als sie. Sie griff in ihre Tasche und zog ein rundes, käfergroßes Ding heraus, drückte auf einen kleinen, blauen Knopf und schmiss es in den Schacht, wo sonst die Süßigkeiten und Getränke landen würden: "Gerne."

Sie wartete ein paar Minuten, bevor sie einmal hart gegen das Glas trat, welches kurz darauf zerbrach. Daraufhin sprang die Elektronik an, die Süßigkeiten segelten zu Boden und der Automat fing an zu rauchen. Tara grinste, als sie die erstaunten Gesichter der Jungs sah: "So macht man das."

Viel lieber, hätte sie den Automaten zwar gesprengt, aber das hätte zu viel Aufmerksamkeit erregt und außerdem machte es auch Spaß mit der Elektronik zu spielen. Sie kicherte leise und drehte sich um, als sie Jess' Stimme hörte: "Tara, was machst du da?! Komm her!"

Die Blonde war inzwischen fertig mit ihrem Graffiti und betrachtete mit ihren dunkelblauen Augen die schwarze Rose im Maul eines Panthers.

"Das du dich noch an dieses Graffiti erinnerst, Jess.", meinte Kev erstaunt und strich sich durch sein braunes Haar mit den blonden Spitzen. Jess betrachtete ihr Werk noch eine Weile, bevor sie antwortete: "Ich habe eben ein gutes Gedächtnis."

Sie sah aus den Augenwinkeln wie Kev nickte und kurz darauf ertönte die Durchsage: "Zug 4 nach Moon Valley über Naidoko Hauptbahnhof, Gleis 1, Einfahrt." Jess hob den Kopf und sah am Gleis hinab, wo sich ein roter Zug dem Bahnhof näherte, dann sah sie zu Kev und seiner Freundin: "Na dann, ich muss los. Wir sehen uns, Kev."

"Yo, bis dann, Jess. Lass dich nicht unterkriegen.", antwortete Kev und sie schlugen ihre Fäuste aneinander, bevor er und seine Freundin die Kapuzen überzogen und kurz darauf die Treppen hinab verschwanden. Die Jugendbande sammelte noch fleißig die Süßigkeiten ein, bevor auch sie in Richtung der Treppen rannten. Neben ihr schob sich Tara ein paar Salzstangen in den Mund und beide beobachteten, wie der rote Zug in den Bahnhof einfuhr. Auch er war mit Graffiti versehen, teils aus dieser Stadt, aber auch die Tags von anderen Stadtbanden prangten auf dem roten Lack. Als sich die Türen öffneten betrat Jess eines der mittleren Abteile und ließ den Blick den Gang hinab schweifen. Gegen Ende des Abteils saß ein älteres Ehepaar, welches Händchen hielt und sich offenbar unterhielt. Ein Stück vor dem Ehepaar saßen ein paar Jugendliche und der Geruch nach Alkohol war nicht zu verkennen. Wahrscheinlich waren sie aus Oscure und suchten einen Ort zum Ärger machen.

Sie ließ sich auf einen Sitz im vorderen Abteil des Zuges fallen und streckte sich. Dann zog sie eine Liste aus ihrer Hosentasche und studierte sie, während sie abwesend den Rucksack auf den Platz neben sich stellte, sodass Tara sich vor ihr niederließ. Sie zog einen Rotstift und markierte ein paar Dinge auf der Liste - diese würden sie nur nachts holen können. Es waren erstaunlich viele - dafür würde sie bei den Tagesgeschäften ein wenig feilschen müssen.

Sie blickte auf und sah in Taras nachdenkliches Gesicht, welches aus dem Fenster starrte. Ihr war nicht klar weshalb, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass dieses Mädchen etwas zu verheimlichen hatte. Nur was?

Nun warf die Blonde ihrerseits einen kurzen Blick aus dem Fenster, an welchem gerade einige Büsche Bäume und Häuserdächer vorbei flogen. Der Zug war nicht gerade schnell unterwegs, weswegen man einen guten Überblick über den Nordteil der Stadt bekam. Die Berge lagen in nahezu greifbarer Nähe, dank dem klaren Wetter deutlich sichtbar, beendeten sie den Horizont. Im Frühling und Herbst waren die Spitzen meist von einem dichten Nebel eingehüllt, welcher sich auch in die nördlichsten Stadtteile vorwagte. Je näher sie dem Fluss kamen, desto spärlicher wurden die Häuser und desto mehr versperrten Bäume die Sicht auf die Umgebung. Die Sonne glitzerte auf den Wogen des Gewässers und ließ es strahlen, als bestünde es aus Millionen Diamanten.

Doch Jess' Aufmerksamkeit wurde abrupt von den Jugendlichen eingefordert, die ihr zuvor durch ihre Alkoholfahne aufgefallen waren. Anscheinend wollten sie nun ihrer Sucht nach Randale in diesem Abteil Ausdruck verleihen. Hätten die nicht warten können, bis ich ausgestiegen bin?, dachte sich die Blonde sauer und war im Begriff aufzustehen.

"Was ist los?", wollte nun ihre Begleiterin wissen, deren helle Augen von dunkelgrauen Schleiern durchzogen wurden. Jess antwortete, kaum das die Lilahaarige ausgesprochen hatte: "Nur ein paar Kleinkinder. Bleib ruhig sitzen, dass dauert nicht lange."

Mit diesen Worten ging Jess den Gang hinab und behielt die vier Jungs im Blick, die in regelmäßigen Abständen aus ihren Flaschen tranken. Das ältere Ehepaar war offensichtlich in den nächsten Wagon geflüchtet. Einer der Jungen hatte seinen dunkelbraunen Haaren einen grünen Streifen verpasst und hielt sich an einer der Haltestangen fest, was seine Haltung aber nicht begradigte - geschweige denn verfestigte. Auch seine Kollegen sahen nicht gerade standfest aus und von einem halbwegs nüchternem Zustand waren zwei von ihnen schon weit entfernt. Es war ein Wunder das sie es überhaupt noch fertig brachten sich zu verständigen.

Jess zog eine Augenbraue hoch und hätte sie nicht das Gefühl diese Idioten würden dafür sorgen, das sie länger als geplant in diesem Wagon festsaß, hätte sie sich nicht einmal mit Schutzausrüstung in deren Nähe gewagt.

Doch leider verlangte die Tatsache, dass diese betrunkenen Jugendlichen gefährlich nahe an der Tür standen, ihre Aufmerksamkeit. Wie sie es doch hasste den Babysitter für solche Hohlköpfe spielen zu müssen.

"Ich werde definitiv den Rückweg zu Fuß antreten.", dachte sich die Blondhaarige und trat auf die Jugendbande zu. Mit wenigen Schritten hatte sie die vier Jungen erreicht und schon etwa fünf Meter vor ihnen, war der Alkohol mehr als nur deutlich wahrzunehmen.

Hatten die etwa vier Kästen getrunken?!

Jess kannte sich zwar nicht in diesen Dingen aus, doch das die Jungen vor ihr nahe einer Alkoholvergiftung standen, stand außer Frage. Mit einer Hand wedelte sie die Fahne so gut es ging von sich und der Junge mit dem grünen Streifen sprach sie an: "Na, Süse?", er hickste und Jess stand kurz davor ihn mit seiner Flasche in die Welt der Träume zu befördern: "Bock, 'was Spase su ham'?"

Er klammerte sich mit einer Hand haltsuchend an der Stange fest, hing aber mehr schlecht als recht nach vorn gebeugt. Jess hatte den Wunsch ihm die Beine wegzutreten, nur um ihn dann am Boden liegen zu sehen - einen Lacher konnte sie gerade gut vertragen. Jedoch mischte sich nun ein zweiter Junge ein, dessen Haare Ähnlichkeit mit einem Kanarienvogel aufwiesen: "Gefäll' dis meen Freend niach'?" Er lachte und hatte anscheinend schon Schwierigkeiten dabei gerade aus zu sehen, dennoch ließ er sich nicht davon abbringen die leere Sitzreihe knapp einen Meter neben ihr weiter anzuflirten: "Wenu ma' da' komsu misch."

Sein Lächeln wirkte abartig und eher als ob man ihm ins Gesicht geschlagen hätte. Na hoffentlich war seine imaginäre Partnerin bereits geflüchtet. Sie drückte den Grünstreifen-Jungen zur Seite, welcher rücklings auf eine Sitzreihe fiel und anschließend verkündete: "Nisch verschüdded!"

Jess rollte genervt mit den Augen und trat auf den Anführer der Bande zu, welcher sich offenbar für die rote Notbremse interessierte. Sie ging zu ihm und schlug ihm auf den Handrücken, als er danach greifen wollte. Perplex drehte sich der etwa um einen Kopf größere Junge zu ihr um und sah zu ihr hinab. Seine Haare wurden von einer neonpinken Strähne geziert, die seinen männlichen Ausdruck kräftig untergrub. Sie verkniff sich ein Grinsen und stemmte eine Hand an ihre Hüfte, als er sie fragte: "Wasoll das?"

"Sag mal warst du ebenso betrunken als du dir die Strähne hast machen lassen, oder bist du einfach nur nicht im Besitz eines Gehirns?", auf seinen verwirrten Ausdruck hin, fügte sie hinzu: "Ich schätze beides."

"Won spris du?", murrte er und lehnte sich leicht gegen die Wand, um nicht umzufallen, als der Zug in eine Kurve ging. Aus den Augenwinkeln sah Jess jedoch, wie der Kanarienvogel vollends aus dem Gleichgewicht geriet und seine Visage hinter der Sitzreihe verschwand. War auch besser so und es bedeutete weniger Arbeit - zumindest für sie. Währenddessen blickte sie den Anführer weiterhin an und antwortete ihm, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob er in der Lage war ihren Worten zu Folgen: "Na, von deiner wundervollen Strähne. Hat die deine Schwester gemacht?"

Der Junge schien sauer zu sein, während sein verbliebener Kumpane einen Lachanfall bekam und zu Boden ging. Der Restinhalt seiner Flasche ergoss sich über den Boden und das leere Gefäß rollte unter einen der Sitze.

"Passuf, i hab meng' Gels dafu besahls.", ließ er Anführer genervt verlauten, doch der Angesprochene interessierte sich offenbar für nichts weiter, als seinen Lachanfall. "Duhas geahmet.", lachte er und hielt sich den Bauch. Betrunkene waren ja so peinlich, hoffentlich machten sie jetzt keinen Ärger mehr. Jess war im Begriff zu gehen, als sie der Anführer packte: "W'hin so snell, Süse? Willse ne' au' 'was Spas ham'?"

"Ich verzichte.", antwortete die Blonde und befreite sich aus dem Griff, doch nun war zumindest der Grünstreifen wieder auf den Beinen - mehr oder minder.

"Su has mik gesubst!", meckerte er und Jess seufzte genervt. Anscheinend hatte er die Auffassungsgabe von einer Fliege, nein - von einem Häufchen Dreck.

"Selbst wenn, dann standest du halt im Weg.", meinte sie ungerührt und sah ihn nur leicht aus den Augenwinkeln heraus an. Der Kanarienvogel lag seinem Schicksal ergeben bäuchlings im Gang zwischen den Sitzen und seine auslaufende Flasche benetzte seine Hose mit Bier. Das würde gewiss ein freudiges Erwachen geben, doch leider gab es gerade ganz andere Probleme. Ein kurzer Blick aus dem Fenster verriet Jess, dass der Hauptbahnhof nicht mehr weit entfernt lag, die ersten Bauten der Innenstadt zogen vorbei.

"Tja, ich muss jetzt gehen. Wenn ihr jedoch Ärger macht, werde ich euch ruhig stellen müssen.", die Antwort darauf war das Gelächter der drei übrig gebliebenen und der Anführer meinte: "Was will'sen du machen?"

"Das siehst du dann, denn offenbar bist du nicht schlau genug mich ernst zu nehmen.", der Junge taumelte und Jess fügte hinzu: "Ich korrigiere, ich bin sicher das du dumm genug bist."

"En Mädsen erns nehm? Hahaha!", lachte der Junge der sowieso schon am Boden lag. Seine Nackenhaare waren blau eingefärbt, während sein Pony von einer neongrünen Strähne geziert wurde. In Sachen Farben stand er seinen Freunden in nichts nach - leider.

Jess seufzte und da die drei Kumpane keine Anstalten machten sich in irgendeiner Form zu benehmen, musste sie wohl nachhelfen. Sie packte den Grünstreifen am Handgelenk, als dieser Anstalten machte sie anzufassen. Kurz darauf lag er am Boden und war offensichtlich mehr als nur perplex. Der Junge, welcher offenbar mehr als nur Alkohol im Blut hatte, brauchte nicht mehr als einen kurzen Stoß, um über seine eigenen Füße zu stolpern und mit dem Rücken gegen die Wand zu knallen.

Nun stand niemand mehr zwischen ihr und den Anführer, welcher nervös zu seinen beiden Freunden blickte, welche jedoch keine Anstalten machten sich zu erheben. Er wich zurück in eine Ecke und Jess trat auf ihn zu, doch plötzlich schien er sich an etwas zu erinnern und zog ein Butterfly-Messer aus seiner Hosentasche.

"Findest du nicht, das eine Hosentasche ein ungeeigneter Ort für so etwas ist?", fragte Jess ungerührt, während der Junge ihr zitternd die Klinge entgegenhielt. Aufgrund seiner Trunkenheit war er nicht in der Lage das Messer gerade zu halten und seine Treffsicherheit lag unter Null - wenn er überhaupt auf die Idee kam seine Waffe zu benutzen. Die leere Flasche rollte gegen ihren rechten Fuß, Jess hob sie auf und warf sie kurz hoch.

"Ich würde mir gut überlegen was du nun tust.", meinte sie kurz bevor der Anführer auf sie zugelaufen kam und versuchte sie mit seiner Klinge zu treffen. Jess warf die Flasche gegen seine Schulter, diese zerbarst am Boden, dann trat sie einen Schritt zur Seite, da der Angreifer über seinen am Boden liegenden Freund stolperte und direkt vor ihr auf die Nase fiel.

Sie trat auf seine Hand und hob das Messer auf und dabei fiel ihr auf, das die Klinge komplett abgestumpft war. Dann betrachtete sie den Jungen der jammernd aufheulte - was für ein Weichei. Sie trat einen schritt zurück und warf dem Jungen das Messer vor die Nase.

Anschließend winkte sie Tara zur Tür, da der Zug nun in den Bahnhof einfuhr, dann sah sie zu den Jungs, kurz bevor sich die Türen öffneten: "Zeit zum Aussteigen."

Wie auf Kommando klaubte der Anführer sein Messer vom Boden und gemeinsam mit seinen Kumpanen zogen sie den schlafenden mit sich. Jess beobachtete noch, wie sie in einen anderen Zug Richtung Oscure stiegen und ging zufrieden in Richtung der Treppen. Da es früh am Morgen war, waren einige Bahngleise fast überfüllt, während andere einer Wüste glichen. Zum Glück gehörte dieser Bahnsteig zur zweiten Sorte - sie hasste Menschen, besonders wenn sie dicht an dicht zusammenstanden. Kurz sah die zu Tara, packte sie kurzerhand am Handgelenk und zog sie mit sich die Treppen hinab.

"Ich kann aber alleine gehen…!", meckerte die Mitgezogene und stolperte mehr oder weniger hinter Jess her, aber diese ließ sie nicht los. Auch eine Antwort konnte man offensichtlich nicht erwarten.

Der Gang war in grau-stahlblau bis zur Hälfte gekachelt und der Boden wirkte immer schmutziger, je weiter sie ihn hinab schritten. Die Decke und der Rest der Wand färbte sich immer dunkler, bis einige schwarze Flecken auftauchten, die an Ruß erinnerten. Einige Fliesen waren aufgeplatzt und hier und dort lagen ein paar leere Dosen, Fliesensplitter oder sonst welcher Müll herum. Anscheinend machten es sich einige Obdachlose hier gerne gemütlich, auch wenn der größte Teil nur der Ablenkung diente - beziehungsweise der Beobachtung. Diese Schupo waren wie Insekten - einfach überall und immer dort, wo man sie am wenigsten gebrauchen konnte.

In der Ferne kamen ein paar Treppen in Sicht, doch schon zog die Blonde ihre Begleitung in einen komplett Rußgeschwärzten Gang, an deren Ende eine Stahltüre stand. Sie trat ohne ein Wort hindurch und betrat eine Art kleine Eingangshalle. Hier traf man sich zu einem kurzen Plausch, oder um mit unliebsamen Gästen zu ''verhandeln''. Wortlos und ohne weiter auf die Umgebung zu achten schritt Jess eine ausladende Treppe hinauf. Sie war überdacht und führte in eine Art großen Innenhof mit einem einladend hellen Brunnen. Auf den Pflastersteinen, aus denen das Unkraut wucherte, spielten einige Kinder mit einem Lederball, während andere ihren Eltern bei der Erledigung ihrer Arbeit halfen. Hier war eigentlich immer etwas los und es war außerdem um einiges angenehmer, als unten in der stickigen Luft.

Doch leider würde sie dort bald hinab müssen, schließlich lagen dort einige wichtige Geschäfte die sie besuchen musste. Zum Glück lag aber der Großteil des Basars hier im Innenhof, nur die Schwarzmarkthändler verzogen sich mit ihren Zelten in den Untergrund.

Deswegen nannte man ihr Verkaufsgebiet auch die Schwarze Gasse, jedoch war sie zu dieser frühen Stunde verwaist, ebenso der Innenhof. Hier würde der rege Betrieb erst gegen Abend eintreten.

"Hier ist also der Schwarzmarkt?", fragte Tara nun und blickte sich erstaunt um. Jess nickte und antwortete: "Ja, zumindest der größte Teil davon."

Ein Lederball rollte vor die Füße der beiden und Jess kickte ihn zurück zu den beiden Kindern, welche sie mit großen Augen anstarrten. Doch dann wandten sie sich wieder ihrem Spiel zu und ein leichtes Lächeln stahl sich auf Jess' Gesicht. Es war schön wieder hier zu sein - immerhin waren nun schon 4 Jahre vergangen.

Wenn die ersten Einkäufe erledigt waren, würde sie ein paar alten Freunden einen Besuch abstatten. Sie sah auf die Liste und musste grinsen. Bei ihnen musste sie sowieso etwas einkaufen - wie passend.
 

Jess: "Reiche mir deine Hand und ich werde sie umfassen. Wenn jedoch die des Todes deine Andere ergreift, so werde ich meine wieder lösen."

Kapitel 13

"Komm, wir sollten anfangen, bevor der Trubel losgeht.", meinte Jess nun, auch wenn sie wusste, dass bis dahin noch Stunden vergehen würden. Tara zog zwar eine Augenbraue hoch, aber verkniff sich ein Kommentar dazu, stattdessen fragte sie: "Wohin gehen wir zuerst?"

Nach einem kurzen Blick auf die 'Einkaufsliste' antwortete die Blonde: "In die Apotheke."

Dann ging sie auch schon los, am Brunnen vorbei, welcher fröhlich vor sich hinplätscherte. Seine Statuen stellten verschiedenste Wasserwesen da, unter anderem auch eine Meerjungfrau, sowieso einen Seestern, ein Hai und ganz oben prangte ein springender Fisch aus dessen Maul das Wasser in den ersten Kreis regnete. Insgesamt bestand der Brunnen also aus drei Schichten. Die unterste war zugleich die Größte und diente als Sitzplatz, sowieso im Sommer zum Abkühlen für die Kinder. An den Seiten waren verschiedene Meeresbewohner eingemeißelt worden und irgendwo versteckte sich eine verwitterte Tafel, dessen Schriftzug aber niemand bisher entschlüsseln konnte.

Die zweite Ebene hatte Seesterne eingemeißelt und wirkte im allgemeinen edler durch die Bordüre, welche diese Sterne umfasste. An den Seiten ragen zwei Fische heraus, während innerhalb zwei Vogelstatuen platziert wurden, welche das Gesamtbild offenbar beleben sollten. Der springende Fisch war ziemlich detailliert gehalten, so sah man im Sommer oft Wasserperlen an seinen ausgearbeitet Schuppen herab rinnen. Nun war der niedrige Wasserstand in den Becken vereist und die Morgensonne warf ihr schimmerndes Spiegelbild hinein. Unter der Eisschicht konnte man ein paar einsame Rubale erkennen, denn zu mehr waren diese rötlich schimmernden Münzen hier nicht zu gebrauchen. Aber zwischen ihnen versteckten sich auch einige Korale und Opale, was darauf hindeutete, das sich auch reichere Mächte Wunscherfüllung von diesem Brunnen erhofften. Oder es war einfach der Glaube an das Glück, was einige Assassinen dazu brachte mehrere tausend hineinzuwerfen.

Trotz allem waren diese Münzen an diesem Ort weniger wert, wie das Unkraut das zwischen den Pflastersteinen wucherte, denn hier galt die so genannte 'harte Geld' Währung nicht. An diesem Ort galt eine besondere, für alle sechs Länder Sacrospheres verpflichtende, Währung - Und zwar die des Blutes.

Jess wog das kleine Seidenbündel, welches sie eben aus der Manteltasche gezogen hatte, vorsichtig mit einer Hand ab und hörte den Inhalt darin klimpern. In keiner der beiden Welten waren sie arm, aber dennoch mussten sie auf ihr Geld achten. Unnötige Aufmerksamkeit musste sie vermeiden - um jeden Preis.

Sie umfasste das Bündel fest mit ihrer Hand und blieb vor einem dreistöckigem, weißen Gebäude stehen. Ein hängendes, fast verwittertes Schild zeigte eine Phiole über der schwarzen Eingangspforte. Der Eingang war unspektakulär und die Fenster im Erdgeschoss vergittert, sodass sich kein Unbefugter jemals hätte Zutritt verschaffen können. Ansonsten fiel das Gebäude nur durch seine makellos weiße Fassade aus dem Rahmen, welche sich leuchtend den anderen, dunkel gehaltenen Gebäuden gegenüberstellte.

Jess drückte die Klinke herab und betrat gemeinsam mit Tara den großen und einladend gestalteten Eingangs- und Verkaufsbereich der Apotheke. Neben einer langen Verkaufstheke und dahinter liegenden, voll gestellten Wandregalen, befanden sich auch gesonderte Dinge in diesem Gebäude. Eine Klingel kündigte ihr Betreten an und hinter Tara schloss sich die schwarze Tür wieder und nur spärlich drang das Licht durch die vergitterten Fenster. Die Luft lag schwer im Raum und es roch nach Chemie - ähnlich wie in Kenjis Labor. In der Ecke neben dem Zugang zur Treppe standen ein paar unbeschriftete Fässer herum.

Jess sah auf, als sie das Aufgehen der Schiebetür wahrnahm und blickte in das Gesicht einer jungen Frau, welche ihre Haare zu einem lockeren Zopf zusammengebunden hatte. Sie zog ihre weiße Kleidung zurecht, aber schien trotzdem nicht zu bemerken, wie schief ihr Namensschild an ihrer Brust herunterhing.

Dennoch entging Jess nicht, wie musternd und abschätzend der Blick des Mädchens auf ihr ruhte - aber was sollte sie das stören?

Sie zog den Zettel zu Rate und ging schließlich hinter die Theke und die junge Frau fragte: "Was willst du …?"

"Etwas einkaufen, was sonst. Reich mir mal einen Zettel.", Jess konnte dieses Mädchen noch nie leiden, sie war ebenso eitel, wie sie schlank war. Bestenfalls sollte man sich nur wenige Minuten in ihrer Gesellschaft befinden und länger wollte Jess gewiss nicht bleiben.

Auf den ihr gereichten Zettel schrieb sie einige Chemikalien und Arzneimittel die sie brauchten: "Sei so gut und hol deinen Vater, mit ihm kann man besser verhandeln."

Das der Blick der jungen Frau sich verfinsterte störte sie nicht, abwartend blickte sie in die Augen der Blondine, welche ihre geschminkten Wangen protestierend aufplusterte, aber schlussendlich doch wieder durch die Schiebetür trat. Durch diese trat kurz darauf ein älterer Mann mit grau meliertem Bart und rundlichem Gesicht. Seine Falten verleiten ihm etwas respekteinflößendes, aber seine Augen strahlten gleichzeitig eine unglaubliche Freundlichkeit aus - kurz gesagt war er das komplette Gegenteil zu seiner Tochter.

"Was verschlägt dich her?", fragte der ältere Mann und betrachtete Jess aufmerksam: "Es ist lange her, seid du das letzte mal hier warst."

"Vier Jahre.", meinte Jess und ein leichtes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen: "Natürlich bin ich für Besorgungen hier. Schick deine Tochter lieber nicht hierher - du könntest Kunden verlieren."

Der Mann lächelte amüsiert und meinte: "Als einzige Apotheke hier gehe ich mal nicht davon aus. Was brauchst du denn?"

Jess schob ihm den kleinen Zettel zu: "Das was hier steht und du weißt doch wie unbeständig diese Leute hier sind - sie beschaffen sich es dann woanders."

Aus den Augenwinkeln beobachtete sie Tara dabei, wie diese durch den Laden schlenderte und alles mit großen Augen betrachtete - hoffentlich würde sie nichts dummes anstellen.

"Du weißt doch, das du die meisten Sachen jetzt noch nicht bekommst oder?", fragte der Apotheker nachdem er den Zettel wieder auf den Tresen gelegt hatte. Jess nickte und sah ihn direkt an: "Aber du kannst doch bestimmt eine Ausnahme machen."

Sie lächelte sanft und wusste genau, dass der ältere Mann vor ihr, ihr keinen Wunsch abschlagen konnte - das war noch nie seine Stärke gewesen. Lange betrachtete sie das Gesicht des Mannes, welches sich von nachdenklich bis hin zu freundlich wandelte, bevor er schließlich lächelnd zugab: "Du weißt, ich kann dir keinen Wunsch abschlagen."

"Ja ich weiß.", meinte die Blonde daraufhin, trat zu den Treppen, welche in den Untergrund führten und wandte sich zu Tara: "Tara, jetzt komm schon. Und fass' ja nichts an."

"Wieso nicht?", fragte die Angesprochene und Jess überlegte für einen Moment sie draußen warten zu lassen, ob es jedoch was brachte war die andere Frage. Riskieren das dieses kleine Biest den Markt in den Luft sprengte wollte sie nicht riskieren - sollte sie sich lieber am Schupo-Viertel auslassen.

"Einfach, weil du dich nicht benehmen kannst.", antwortete Jess und beobachtete amüsiert wie Tara beleidigt die Arme verschränkte und eine Schnute zog: "Sei nicht so gemein zu mir."

Jess lächelte sanft und lehnte sich leicht an den Rahmen des Durchganges: "Ich sage nur die Wahrheit."

Doch gleichzeitig mochte sie das kleine Mädchen irgendwie, sie benahm sich wie eine kleine Schwester und dementsprechend schützenswert war sie. Außerdem war es amüsant zu sehen, wie sie versuchte erwachsen zu sein, aber gleichzeitig immer wieder ihre kindliche Seite stark hervortrat. Jess konnte nur den Kopf über dieses Mädchen schütteln und beobachtete den Mann dabei, wie er an ihnen vorbeiging. Sie packte die Schmollende am Handgelenk und zog sie mit sich die Treppen hinab.

Die Apotheke war in drei Teile gegliedert, zum einen der Verkaufsraum zum Schwarzmarkt hin, dann gab es noch den zweiten Verkaufsraum zur anderen Welt hin. Dort kamen die üblichen Menschen, um sich ihre verschriebenen Medikamente abzuholen.

Der dritte Teil lag im Untergrund, hier lagerten Gifte und Medikamente, welche starke Nebenwirkungen wie Halluzination oder sogar Blindheit oder den Tod hervorrufen konnten. Normalerweise öffnete dieser Teil der Apotheke erst in der Nacht und dementsprechend war es verboten diesen Teil ohne Befugnis tagsüber zu betreten. Doch was machte sie sich schon aus Verboten - wenn sie schon die Befugnis hatte?

"Wie ich sehe wieder nur die schmerzhaftesten Gifte.", meinte der Mann, während er anfing aus einzelnen Regalen und dunklen, alten Kommoden verschiedene Tabletten und Phiolen zu sammeln. Jess zuckte mit den Schultern und sagte: "Du kennst doch Kenji."

Schlussendlich stellte der Apotheker ein prall gefülltes Säckchen auf den Tisch und sah Jess an: "Nun, zusammengenommen kostet das alles fünfzig schwarze Tropfen."

"Aber am Preis lässt sich sicher noch was machen, da liege ich doch nicht so falsch, nicht wahr?", fragte Jess und ein freches Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Währenddessen wanderte Tara mit interessierten Blicken durch die unterirdische Apotheke, deren Wände nur aus Backsteinen bestand und dementsprechend eine düstere Atmosphäre verbreitete.

"Nun ja, ich könnte dir einen Freundschaftspreis anbieten. Doch hast du dafür auch einen guten Grund parat?", fragte der alte Mann und schob das Säckchen über den Tresen. Jess folgte kurz mit ihrem Blick dem Säckchen, ließ ihn dann zu Tara und anschließend über die Einrichtung schweifen, bevor sie wieder dem Apotheker in seine stahlgrauen Augen blickte.

"Natürlich habe ich einen - schließlich gebe ich hier eine Unmenge Tropfen aus. Wäre doch zu schade, wenn das versiegen würde, nicht wahr?"

Der Apotheker lächelte belustigt und sah die Blondine an: "Du bist genauso gewieft wie vor vier Jahren. Du solltest mich öfter besuchen kommen. Doch musst du gleich immer mit Erpressung kommen?"

"Damit komme ich doch immer am weitesten, das weißt du doch. Außerdem ist es schwer mit meinen Verpflichtungen hier oft aufzuschlagen.", antwortete Jess höflich und kramte in ihrem Blut-Beutel herum. "Also, wie lautet der Freundschaftspreis?"

"Fünfundzwanzig schwarze Tropfen."

"Fünfzig Prozent Rabatt, hm? Das gefällt mir."

Die Blonde sammelte die geforderte Menge Blutstropfen aus dem samtschwarzen Säckchen und legte sie auf den Tisch. Die schwarzen Tropfen schimmerten, jedoch konnte selbst das nicht den Wert aufzeigen, den sie besaßen.

"Dann auf ein baldiges Wiedersehen.", meinte der Mann, während er seinen Lohn einsammelte. Jess nickte und sah den Mann noch ein letztes Mal an: "Ich hoffe auf Neuigkeiten und neue Ware."

Sie packte Tara am Kragen, als diese gerade ein Regal anfassen wollte, was sowieso schon aussah, als könnte es jeden Moment unter seiner Last zusammenbrechen. Wortlos zog sie die meckernde hinter sich her und ließ sie erst los, als sie das weiße Gebäude wieder verlassen hatten. Dabei bekam sie kaum mit, wie die Lilahaarige sie anmeckerte, da sie in Gedanken versunken war. Sie blickte den bisherigen Einkauf nachdenklich an, aber ließ ihn dann doch in den Rucksack fallen, welchen Tara auf den Rücken trug.

„Wieso muss ich das eigentlich alles tragen?“

„Du wolltest doch unbedingt mit auf den Markt. Also kannst du auch etwas dafür tun. Denn ich schätze handeln kannst du nicht, oder?“

„Das vorhin war doch kein Handeln.“, murrte das Mädchen und verschränkte die Arme. Jess warf ihr nur einen kalten Blick zu und murmelte etwas unverständliches, bevor sie sich dem Innenhof zu wandte. Inzwischen war die Mittagssonne vorbeigezogen und ein paar einsame Seelen wanderten über den hell erleuchteten Hof. Einige wirkten, als wäre sie im Halbschlaf und andere schlichen herum wie Zombies, während sie den Kräuterladen, oder auch die Apotheke ansteuerten. Jess bemerkte die Blicke, welche ihr zugeworfen wurden und sie verengte ihre Augen, als ein Vorbeigehender sie finster anblickte. Als das einzige Mädchen unter den Top Zehn der Assassinen besaßen einige zwar Respekt vor ihr - fast schon Angst . dennoch war es nicht so, dass sie jemals beliebter dadurch wurde. Doch das war ihr herzlich egal - sollten sie denken was sie wollten.

„Ähm, Jess? Können wir jetzt weiter gehen?“

Ich sah kurz zu ihr, zuckte mit den Schultern und steckte die Hände in meine Manteltasche, bevor sich meine Beine in Bewegung setzten. Aus der Bar kamen schon jetzt einzelne Gestalten gelaufen und draußen unterhielten sich ein paar Assassinen, welche wohl auf der Durchreise waren. Tagsüber hatte man als solcher nicht viel zu befürchten, es war erst nachts erlaubt Morde innerhalb des Schwarzmarktes zu begehen. Außerdem war es Jägern verboten den Markt zu betreten - eigentlich.

Jess sah auf, als ein kleines Mädchen auf die zu trat, sie trug einen Bauchladen um ihren schlanken Körper geschnallt und der Pony war notdürftig mit einer Spange zur Seite geklemmt. Das Haar war blond und schimmerte im Sonnenlicht süß und unschuldig vor sich her, direkt vor ihnen blieb sie stehen und sah zu ihnen hoch.

„Wollt ihr ein paar Spangen oder Haarbänder kaufen? Fünf Stück kosten nur 2 Gelbe Tropfen.“, fragte sie und hielt den Bauchladen in die Höhe, sodass ihr fast die Träger von den schultern rutschten. Doch Jess kniete sich vor das Kind und besah sich die Auswahl, bevor die ein Fünferbündel Haarbänder und eine Packung Haarspangen heraus kramte und dem Mädchen einen Schwarzen Tropfen in die Handfläche drückte.

„Pass gut auf den Rest auf.“, lächelte sie und die braunen Augen des Mädchen begannen zu leuchten und aufgeregt betrachtete sie das schwarze Blut in ihrer Hand. Währenddessen erhob sich Jess langsam und strich sich eine Strähne aus dem Sichtfeld ihres linken Auges, bevor sie sich noch einmal streckte. Anschließend schlenderte sie an den Geschäften entlang und Tara bewunderte die Auslagen. In einzelnen 'Ausbuchtungen' zwischen den Häusern stapelten sich Kisten und Fässer, aber auch neben einigen Türen und unter Pforten türmten sie sich.

„Wow, ich wusste gar nicht, dass der Schwarzmarkt so riesig ist!“, merkte auf einmal Tara an, welche anscheinend gar nicht wusste, wohin sie zuerst blicken sollte. Jess entwich ein Seufzer, jedoch wusste sie genau, was in der Lilahaarigen vorging. Nur war sie fähig auszusprechen, was sie selbst damals nur in Gedanken von sich geben konnte, als sie den Markt das erste Mal betreten hatte.

„Tja, es gibt eben vieles, was man so für das Nachtleben braucht.“, meinte die Blonde und ließ ihre Handknochen knacken. Irgendwie war sie heute ganz verspannt, dass musste am Stress der letzten Tage liegen. Schließlich zerstörte man nicht jeden Tag ein ganzes Schupo-Karzer.

„Du siehst verspannt aus, Prinzesschen.“, hörte Jess plötzlich eine bekannte Stimme und blieb abrupt stehen. Sie knurrte und wandte sich zum Ursprung ihrer schlechten Laune um. Dort stand er und grinste sie breit an, der letzte, der ihr heute noch gefehlt hatte – Taile!

„Was willst du hier, Jäger?“, knurrte die Blonde und der Angesprochene trat einen Schritt auf sie zu, ehe er antwortete: „Ach, heute so förmlich?“

Jess ballte eine Hand zur Faust und spürte wie sich all ihre Muskeln mit einem mal anspannte. Wieso hatte sie diesen rothaarigen Bastard nicht schon längst zur Hölle geschickt?!

„Hat das Prinzesschen schlecht geschlafen?“, fragte er provozierend und kickte ein Steinchen in ihre Richtung. Jess knirschte hörbar mit den Zähnen und ihre Fingernägel begannen sich in ihre Handinnenfläche zu bohren.

„Wenn du mich noch einmal so nennst …“, knurrte sie vernehmlich, doch der Rothaarige lachte auf und unterbrach seine Rivalin nur zu gern: „Was dann? Du willst doch hoffentlich keinen Kampf riskieren.“

Jess knurrte noch einmal vernehmlich und sie spürte, wie ihr bereits das Blut an den Fingern hinab rann. Wenn Taile nicht augenblicklich seine Klappe hielt, würde es ein Massaker geben und das würde für den Jäger alles andere als positiv enden!

„Was zur Hölle machst du eigentlich schon hier, Jäger?“, fragte Jess nun wütend und ihre Augen verengten sich, während Taile locker eine Hand in die Seite stemmte und die Blonde amüsiert musterte.

„Ich bin nicht offiziell im Jägerclan, also darf ich mich hier frei bewegen. Das müsstest du doch wissen, Prinzesschen.“

Okay jetzt reicht es!

Sie drückte Tara den Beutel mit der Schwarzmarktwährung in die Arme und rannte auf Taile zu. Dieser schien für einen Moment überrascht zu sein, wich danach jedoch ihrem Schlag elegant aus.

„Du legst es also doch auf einen Kampf an?“

„Ich habe dich gewarnt!“, knurrte sie und trat Taile heftig gegen die Seite, sodass dieser ein paar Meter über die Steine schlitterte. Der Rothaarige richtete sich auf und strich sich leicht den Dreck von seiner grauen Jacke und musterte die Blonde kurz, bevor auch er schließlich angriff. Der erste Schlag verfehlte Jess' Schulter nur um wenige Millimeter, doch der zweite gegen ihre Magengegend saß dafür. Sie strauchelte ein paar Schritte zurück und lenkte seinen darauf folgenden Schlag an sich vorbei, während sie mit dem Unterarm seinen Tritt parierte. Daraufhin trat sie ihm mit einer schnellen Bewegung das Standbein weg, sodass er rücklings auf den Boden krachte.

„Bleib da bloß liegen!“, knurrte sie sauer und wollte von ihm ablassen, doch das sah ihr Gegner offenbar anders und packte sie am Handgelenk, ehe er sie beim Aufstehen zu sich zog. Daraufhin landete ein Schlag seines Ellenbogens gegen ihre Brust und er zog ihr die Beine weg, sodass sie nun am Bogen lag.

„Das hat man also davon, wenn man dich mal verschonen will.“

„Verschonen? Es hat noch nicht einmal angefangen, Prinzesschen!“ Jess sprang auf und trat Taile in den Magen, bevor dieser überhaupt reagieren konnte, anschließend packte sie in am Arm, um ihn nach vorn zu ziehen. Taile stolperte nach vorn und war somit nicht in der Lage Jess' darauf folgenden Tritt in sein Kreuz auszuweichen. Doch diesmal blieb er stehen und versuchte Jess mit einem Tritt aus der Drehung heraus zu erwischen, doch diese duckte sich rechtzeitig darunter hinweg.

Den zweiten Tritt hielt Jess abermals auf und umfasste den Knöchel ihres Angreifers mit beiden Händen, um ihn kurz darauf mit voller Wucht in einen Haufen Kisten zu werfen.

Das Holz barst unter der Wucht des Aufpralls und offenbar hatten die darin gelagerten Wassermelonen teilweise auch nicht mehr standhalten können und so lief deren Flüssigkeit über Tailes Haut und sog sich in seine KleidungI

„Viel Spaß beim waschen!“, rief Jess zu ihm, doch der Angesprochene brachte gerade einmal ein knurren zustande und war noch nicht fähig sich aus dem Trümmerhaufen zu ziehen. Seine Haare waren durchnässt und über sein Gesicht bahnte sich ein Wassertropfen seinen Weg, welchen er genervt wegwischte. Tara legte inzwischen Jess eine Hand auf die Schulter und meinte: „Gehen wir lieber, bevor wir Ärger bekommen.“

Jess nickte und rieb sich die schmerzende Stelle an ihrem Magen. Auch wenn Taile sie provoziert hatte, sie hätte nicht so ausrasten dürfen, aber dieser Mistkerl trieb sie einfach immer wieder zur Weißglut. In ihrem Kopf hörte sie das Kichern von Chess und verfluchte sich in diesem Moment nochmals. Diese kleine Nervensäge hatte bestimmt ihren Spaß gehabt – schließlich lebte sie von ihrer Wut und davon hatte sie leider nur zu Genüge etwas übrig. Langsam atmete Jess ein und schloss kurz die Augen während des Gehens. Langsam beruhigte sich ihr Puls wieder und auch ihr kochendes Blut kam langsam zur Ruhe, ebenso erlosch Chess Stimme langsam wieder.

Jedoch wurden ihre Nerven direkt wieder strapaziert, als sie ein paar Jugendliche vor dem Mädchen mit den Haarbändern stehen sah. Und das blondhaarige Mädchen schien Angst zu haben. Ein kurzer Blick zu Tara genügte und die beiden schritten direkt auf die Bande zu. Die konnten was erleben!

Der Wind trug den beiden jungen Frauen einzelne Gesprächsfetzen entgegen und Jess schüttelte ihre angespannte Hand aus, während sie die Jungs mit ihrem Blick fixierte. Wenn Blicke doch nur töten könnten.

„Na, Kleines? Was hast du denn da schönes?“, fragte einer der Jungen, welcher sich offenbar für den Anführer hielt und zugleich auch der größte der Jungen war. Seine Haare hatte er mit einem Bandana gebändigt, doch die Blonde war sich sicher, das er werde Ahnung von Rock und Metall, noch vom Biker-Leben hatte. Jess spürte das warme Blut an ihrer Handinnenfläche und sie war sich sicher, dass diese ungemütliche Angelegenheit in wenigen Minuten erledigt sein würde.

„Hey ihr halbstarken, habt ihr nichts besseres zu tun?“, fragte Jess provozierend, als sie nur noch wenige Schritte von den Jungen entfernt waren. Während sie stehen blieb, schritt Tara zu dem Mädchen und half ihr die verstreuten Spangen und Haargummis einzusammeln, welche die Jungen nur wenige Minuten zuvor zu Boden geworfen hatten.

Alle drei drehten sich wie auf Kommando zu der Blonden um und der Anführer grinste frech, bevor er meinte: „Wir haben doch gar nichts getan. Wir wollten mit der Kleinen nur etwas spielen.“ „Ach, spielen nennt ihr das also?“, Jess deutete auf die verstreuten Haarutensilien und den Bauchladen, welcher gerade von Tara aufgehoben wurde. Die Jungen grinsten breiter und Jess stemmte die Hände in die Hüften.

„Was willst du tun? Mit uns schimpfen?“, fragte der Bandana-Boy und ein anderer fügte an: „Uhhh, jetzt haben wir aber Angst.“, dabei tat er so, als wurde er schlottern. Der dritte lachte einfach nur schallend und Jess setzte ein kühles Lächeln auf.

„Nein, ich werde euch eine Lektion erteilen, die ihr nie wieder vergessen werdet.“, meinte sie kühl und blickte die Jungen unbeeindruckt an. Offenbar wussten die drei gar nicht, wen sie hier eigentlich vor sich stehen hatten.

„Und was willst du tun? Uns verprügeln?“, lachte der zweite wieder und Jess lächelte kühl, bevor sie antwortete: „Das wäre noch das beste, was euch passieren könnte.“

Nun sahen die drei sie verdutzt an und Jess deutete mit einer Hand auf die nahe gelegene Wand, an welcher elf Steckbriefe unter einem Wellblechdach befestigt waren.

„Schaut euch den oberen der Zwei an, vielleicht versteht ihr ja dann, mit wem ihr hier eigentlich sprecht.“, meinte Jess ruhig und wartete mit verschränkten Armen ab. Der Anführer schickte den Dritten mit einem Nicken zur Wand, von welcher der Geschickte kreidebleich zurückkehrte. Nachdem er ihnen flüsternd erzählte, wer da eigentlich vor ihnen stand, beobachtete die Blonde mit wachsendem vergnügen, wie auch den beiden anderen die Farbe aus dem Gesicht wich.

„Also, was gedenkt ihr als Entschuldigung zu tun?“, fragte die Blonde und als sie einen Schritt näher trat, zuckten alle drei zusammen. Der Anführer antwortete mit zitternder Stimme: „Ich, äh, wir tun alles! Hier, wir bezahlen sogar!“, daraufhin schmissen die drei Jungen ungefähr siebzehn gelbe und neun Orangene Bluttropfen auf den Pflasterboden.

„Ich denke nicht, das ihr den Boden mit einem Roten Tropfen bezahlen solltet.“, meinte Jess kühl, denn zusammengenommen hatten die Tropfen, welche hier am Boden lagen den Gesamtwert eines Roten Blutstropfens.

„Ja, ja, stimmt.“, stotterten die Jungen und sammelten so schnell sie konnten die Tropfen vom Boden und ließen sie in den Geldbeutel des Mädchens fallen. Als sie jedoch gehen wollten, wurden sie von Taras schneidender Stimme aufgehalten: „Habt ihr drei nicht etwas vergessen?“

Sie zuckten zusammen und brachten eine gestotterte Entschuldigung hervor, doch Jess stemmte eine Hand in die Hüfte und legte die andere an ihr Ohr.

„Ich habe euch nicht verstanden!“

„Es tut uns leid!“, die Jungen schrien fast und als Jess ein zufriedenes Nicken von sich gab, stolperten sie angsterfüllt davon. Wobei sie sich gegenseitig fast zu Fall brachten, doch das war Jess herzlich egal. Sie ging zu Tara und dem Mädchen, welchem sie sanft über die Haare strich.

„Komm, ich bringe dich nach Hause.“

„Du weißt wo ich wohne?“, fragte das Mädchen und ihre braunen Augen musterten Jess' dunkelblaue ganz überrascht. Jess nickte und antwortete: „Natürlich, immerhin kenne ich deine Schwester. Und da wollte ich gerade sowieso hin. Ich glaube die vier Jahre waren eine etwas lange Auszeit, Melly.“

Ein Lächeln stahl sich auf Jess' Lippen und sie richtete sich auf, während Tara nun neben dem Rucksack auch noch den Bauchladen trug, hatte sich die Blonde dazu breitschlagen lassen Melly auf ihren Schultern zu tragen.

„Wenigstens das Geld kannst du wieder an dich nehmen.“, murrte die Lilahaarige und Jess befestigte den Samtbeutel daraufhin auch wieder an ihrem Gürtel. Melly lachte und hielt sich mit beiden Armen so gut es ging fest, während die Assassine ihre Beine sanft mit ihren Händen umschloss. Das kleine Mädchen hatte sie vom ersten Tag an gemocht, als sie es gesehen hatte, doch nun waren zwischen ihrem letzten Besuch inzwischen vier Jahre vergangen und Melly war nun acht Jahre alt. Trotzdem stand sie ganz alleine auf dem Platz und versuchte Geld zu verdienen – sie kam eben ganz nach ihrer Schwester. Aber trotzdem – sie würde mit Charlett noch ein Wort reden müssen, so weit weg konnte selbst sie das nicht mehr verantworten.

„Schau, wie groß ich bin!“, rief das blonde Mädchen und Jess sah, wie selbst Tara lächelte und noch vor ihr antwortete: „Ja, du kannst fast den Himmel berühren.“

Vor einem Gebäude mit nach außen geöffnetem Schmiedebereich blieb Jess kurz stehen. Die angebrachte Jalousie war nur bis zur Hälfte hochgezogen und offenbar machten sich alle Anwesenden für den Abendbetrieb bereit. In ein paar Stunden würden erst die wirklich wichtigen Geschäfte losgehen, aber es würde auch umso gefährlicher werden. Langsam ließ Jess Melly runter, welche sofort durch die Tür stürmte und sie hinter sich offen ließ. So ein unachtsames Kind, dachte sich Jess und lächelte innerlich, während sie Tara mit einem Nicken Richtung Tür dazu aufforderte ihr zu Folgen.Drinnen wurden sie anscheinend bereits von den drei Bewohnern erwartet und Melly wurde von einer ebenfalls blonden, jungen Frau umarmt. Daneben stand ein schwarzhaariger, muskulöser, junger Mann, welcher dem Mädchen durch das Haar strubbelte, bevor sie alle ihren Blick auf die beiden Besucher richteten. „Es ist schön, dich wiederzusehen, Jess.“
 

Jess: Das Blut eines Kindes will ich nicht an meinen Händen kleben haben und jener, der auch nur einen Tropfen kostet, der soll durch mich sein Blutgeld zahlen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  -Waldnymphe-
2013-05-05T12:54:00+00:00 05.05.2013 14:54
Taile ist iwie klasse XD Ich mag ihn auf jeden Fall ^___^ Eben weil er so böse zu jess ist.
Von:  -Waldnymphe-
2013-02-21T15:13:03+00:00 21.02.2013 16:13
Uh O__O Ein Pentagramm also.
Du schreibst wirklich spannend und die Hinweise die man bekommt, machen es nur noch spannender D:
Ich frag mich nur, was das alles zu bedeuten hat. Und das "Top Secret" Macht mich neugierig XD Das muss was zu bedeuten haben! Hehe X'D
Antwort von:  JessMizukiro
21.02.2013 16:15
Ja das hat es auch, nur leider findet Jess erst später heraus, weshalb es genau auf diesem laptop steht ;)
Von:  -Waldnymphe-
2013-02-19T21:05:19+00:00 19.02.2013 22:05
Ich finde das erste Kapitel jetzt schon spannend *__* und hätte ich nicht so viel zu tun, würde ich sofort weiterlesen. Wie auch immer. Ich mag deinen Schreibstil. Er ist flüssig zu lesen und man kann sich alles sehr gut vorstellen, als würden sie direkt vor einem stehen! Du musst mir unbedingt mal im Schreiben Nachhilfe geben *___*
Auf jeden Fall: Mach weiter so!
Von:  19Rei-Sama
2013-02-17T14:15:26+00:00 17.02.2013 15:15
Hallöchen, meine Liebe!

Hier melde ich mich also mit einem Kommentar, ungewohnter Weise, da es ja sonst auf FF.de zu lesen ist!

Aber egal, lassen wir das!

Der Anfang für die Mission ist also getan, schöne Einleitung^^
Es ist auch ganz nett zu lesen, wie Kreuz-König *hust – bin immer in Versuchung, die richtigen Namen zu nennen* den doch recht jungen Kadett in den Tod schickt.
Mir erscheint es etwas merkwürdig, dass Nachtfalke die Kleidung des Wachposten anziehen soll, obwohl Black Rose ihm gar nicht vertraut, aber vielleicht folgt ja noch was im Laufe des Chaps ^^

Oh, hm, jetzt geht Black Rose also schwimmen. Aber Jess:
„Das Wasser war erstaunlich klar und bot ihr ein gutes Sichtfeld“ - ernsthaft? Es ist doch mitten in der Nacht und demnach stockduster, also auch im Wasser! Aber vielleicht sollte ich dieses Sehvermögen doch lieber auf eine … „Eigenschaft“ Black Roses zurückführen, die mit „D“ anfängt. Na mal sehen^^
„Um nicht zu weit abzudriften nahm sie einen schweren Stein in die Hände, der sie am Boden hielt. So ging sie auf das Arrestkarzer zu und hoffte nicht allzu bald wieder Luft holen zu müssen.“ - haha, du bist aber verdammt fies zu Black Rose XD Ich meine, man schwimmt ja nicht umsonst, das bietet weniger Angriffsfläche, weil der menschliche Körper so viel näher an die nötige Stromlinienform herankommt. Davon aber abgesehen *ich bemitleide Black Rose gerade mächtig XD* ist die Strömung wohl ziemlich stark, wenn sie sich nicht richtig halten kann. Noch ein Grund sie zu bemitleiden +___+
Was das „Summen“ angeht – ich weiß nicht, wann ich das letzte mal tauchen war, aber wenn ich mich recht entsinne, überträgt Wasser doch nur die Geräusche, die unter der Oberfläche … „stattfinden“, alles darüber wird eher zu einem dumpfen Brummen?
Aaaaah, ein U-Boot XD alles klar^^ Sry, voreiliger Schluss XD

„Die zwei Kerle wussten ja gar nicht, dass sie ihre Kameradin gerade in den Tod geschickt hatten.“
E.N.D.L.I.C.H. geht’s ordentlilch los *__*
„Sie konnte zwar nicht mit Schusswaffen umgehen, doch auf so kurze Entfernung würde selbst sie ihr Ziel treffen.“ - uuuuh, das kommt mir so verdammt bekannt vor XD *zu Soju schiel*

„Seine Lippen bewegten sich zwar, doch kein Wort drang aus seinem Munde, dennoch war sie sich sicher, das er das Wort 'Marie' geformt hatte. Ihr wurde bewusst, das es sich hierbei offenbar um ihren Freund gehandelt haben musste, doch das interessierte sie nicht. Sie wurden sich im Jenseits schon wieder finden.“
Ich liebe Black Rose einfach ♥ Sie is so verdammt Killer-like XD


Also, Jess – insgesamt ein sehr schönes Chap, zwar ein paar Ungereimtheiten und scheinbar doch keine strake Strömung, aber es is ein wundervoller Auftakt *___* Ich freue mich auf Taras Befreiung ♥


Zurück