Ma Boy von Shunya (What he wants) ================================================================================ Kapitel 2: Waiting in vain -------------------------- Am nächsten Morgen warte ich am Schultor auf Andreas, was ich mir allerdings nicht anmerken lassen will, also rauche ich noch eine Kippe, immerhin stehe ich vor der Schule und nicht auf dem Grund und Boden davon. Dann kann ich auch eine Zigarette rauchen. Trotzdem halte ich wachsam die Augen offen, damit mich doch kein Lehrer erwischt. Scheinbar lässt Andreas sich Zeit. Also tue ich dasselbe und rauche genüsslich meine Zigarette und zeige allen den Mittelfinger, die Naserümpfend an mir vorbei laufen. Als es klingelt gehe ich schulterzuckend zu meinem Schulgebäude, werfe die Kippe auf den Boden zertrete sie und suche meine Klasse auf. Auch als die Lehrerin endlich eintrifft ist Andreas noch nicht erschienen. Verwundert sehe ich auf seinen leeren Platz neben mir, denke mir jedoch nichts weiter dabei. Vielleicht ist er nur einfach krank oder so? Ich widme mich dem Unterricht, der genauso langweilig ist wie gestern und sich endlos lange hinzieht. Ich starre mehr aus dem Fenster und betrachte die Umgebung, als dass ich mich auf die Lehrerin konzentriere. Die Tür wird auf einmal grob aufgerissen und alle schauen synchron zum Unruhestifter. Verlegen lächelnd steht Andreas im Türrahmen und entschuldigt sich bei der Lehrerin. Warum habe ich mir noch gleich Sorgen gemacht? Ist doch alles in Ordnung! Also ignoriere ich ihn wieder, auch wenn mir aufgefallen ist wie blass der Junge heute aussieht. Andreas läuft durch die Tischreihen und rückt seinen Stuhl zurück, lässt seinen Rucksack zu Boden fallen und setzt sich auf den Stuhl. Schulterzuckend sehe ich wieder aus dem Fenster, bis ich ein Scharren höre und zu Andreas sehe, der wieder aufgestanden ist. „Andreas? Was ist los?“, fragt unsere Lehrerin ihn. Andreas sieht wirklich blass um die Nase aus, stelle ich fest. „Mi-mir geht’s irgendwie nicht so gut...“, murmelte er leise und hält sich den Bauch. Er geht einen Schritt zur Seite, scheint den Raum verlassen zu wollen und sackt zu Boden. Ohne lange zu überlegen, stehe ich auf und hocke mich neben ihn, ehe die Lehrerin ihn erreicht. „Ist dir schlecht?“, frage ich ihn. Andreas sieht apathisch auf den Boden, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. „Mein Bauch tut weh...“, murmelt er etwas neben der Spur und verwundert sehe ich zu ihm. „Darf ich mal?“, fragt unsere Lehrerin und tastet vorsichtig seinen Bauch ab. „Wo genau tut es weh?“, fragt sie ihn, sieht zu Andreas auf, bis er zusammenzuckt und hebt sein Shirt an. Mit großen Augen starre ich auf seinen Körper. Wieso zum Teufel habe ich das gestern noch gar nicht bemerkt? Sein Körper ist mit blauen Flecken und Hämatomen übersät. Hat er es sich nur gestern nicht anmerken lassen? Ich habe ihn da doch berührt, wieso...? Verwirrt sehe ich in sein blasses Gesicht, während er noch immer auf den Boden zu den Füßen meiner Lehrerin starrt und sich plötzlich doch noch übergibt. Bei dem Anblick des Blutes krampft sich mein Magen zusammen. Was für eine Scheiße ist das denn? „Dein Handy!“, meint meine Lehrerin hastig und hält mir ihre Hand hin. Mit erschrockenem Gesicht sehe ich sie einen Moment einfach nur an. „Clemens! Gib mir dein Handy! Ich muss einen Krankenwagen rufen!“, brüllt sie mich auf einmal an und aus meiner Starre gerissen, greife ich in meine Hosentasche und reiche es ihr. Sie steht auf und wählt den Notruf, während alle unserer Mitschüler auf Andreas gucken, der noch immer benommen auf dem Boden neben mir sitzt. Hilflos sitze ich neben ihm und starre auf das Blut. Andreas hält sich den Magen und bricht noch einmal, doch zum Glück kommt nicht mehr so viel Blut. „Was ist passiert?“, frage ich ihn mit leiser zittriger Stimme. Andreas wischt sich mit den Handrücken über den Mund und atmet tief durch. Seine Hand zittert. Danach geht alles ganz schnell. Meine Mitschüler werden alle aus der Klasse geschickt, nur ich beharre darauf bei ihm zu bleiben. Kurz darauf hören wir die Sirene des Krankenwagens, Sanitäter kommen in die Klasse, untersuchen Andreas kurz und legen ihn anschließend auf eine Trage, um ihn im Krankenwagen zu verfrachten, der das Schulgelände verlässt. Noch immer völlig durch den Wind stehe ich mit meiner Schulklasse auf dem Schulhof und sehe dem Krankenwagen hinterher, während die anderen alle leise hinter meinem Rücken tuscheln. „Okay, die Stunde fällt aus! Ich werde die Klasse sauber machen, verhaltet euch bitte ruhig und stört die anderen Klassen nicht!“, meint unsere Lehrerin und verschwindet im Gebäude. Sie macht auf dem Absatz kehrt. „Ich muss ja noch die Eltern benachrichtigen...“, murmelt sie gedankenverloren und geht zum Hauptgebäude. Ich sehe ihr nach und gehe zu meiner heimlichen Raucherecke. Dort angekommen zünde ich mir eine Kippe an und nehme einen tiefen Zug, lehne mich an die Wand und schließe die Augen. „Waren das die Jungs? Nein, kann gar nicht sein. Die waren doch als erste in der Klasse...“, überlege ich. „Außerdem sieht das aus, als wären die schon länger da gewesen. Wer hat ihn so verletzt?“ Wütend balle ich meine Hände zu Fäusten und schnippe meine Kippe weg. Ruhig bleiben, ich muss ruhig bleiben! Ich gehe in die Hocke und vergrabe mein Gesicht in den Händen. Ich habe schon mal die Kontrolle über mich verloren, noch mal darf das nicht passieren! Ich meine, so gut kenne ich ihn ja auch gar nicht und von ein bisschen rumfummeln und küssen, sollte ich mich nicht so aufregen. In ein paar Tagen geht es ihm sicher wieder besser. Da bin ich mir sicher! Bestimmt! Es muss einfach so sein! Innerlich zerfrisst mich diese Unruhe, die Ungewissheit, dass ich nicht weiß, was mit ihm passiert ist und wie es ihm gerade geht. Was ist, wenn er innere Blutungen hat? So was kann nicht immer gestoppt werden? Was, wenn er längst tot im Krankenhaus liegt? Ist er verblutet, lebt er noch? Ich versuche tief ein- und auszuatmen. Ich darf mich da nicht reinsteigern. Wir sind nur normale Klassenkameraden, mehr nicht. Ich kann jetzt nicht zu dir kommen. Ist ein schlechter Zeitpunkt. Wir sehen uns morgen in der Schule. Ein schlechter Zeitpunkt. Wieso? Wieso? Wieso? „Scheiße, sag mir doch, was los ist!“, murmele ich und überlege krampfhaft. Wer tut denn so einem naiven Jungen was an? Es sei denn... „Seine Familie?“, entfährt es mir und eine Gänsehaut überkommt mich. „Behandelt seine Familie ihn etwa so?“ Ich fahre mir mit der Hand über den Nacken. Was kann ich da großartig machen? Häusliche Gewalt ist das Problem der Polizei, die müssen sich darum kümmern. Wie lange das wohl schon so geht? Leise lache ich auf. Was sind das für kranke Leute, die ihr eigenes Kind krankenhausreif prügeln? Was stimmt nur nicht mit solchen Leuten? Krankenhausreif prügeln. Ich habe gut reden. Ich bin doch auch nicht besser, immerhin habe ich dafür im Jugendknast gesessen. Zu meinem Leidwesen weiß das so gut wie jeder hier an der Schule, deswegen gehen mir auch alle aus dem Weg und keiner redet mit mir. Allerdings kann ich darauf auch gut und gerne verzichten. Ich nehme eine weitere Zigarette aus der Packung und zünde sie an. So langsam werde ich wieder ruhiger. Ich rauche die Zigarette in Ruhe fertig, drücke sie in den Boden und stehe wieder auf. Dann komme ich aus meinem Versteckt und suche meine Lehrerin, die im Lehrerzimmer telefoniert. Ich warte bis sie auflegt und mich bemerkt. Sie lächelt, zumindest versucht sie es und streicht sich eine braune Locke aus dem Gesicht. „Alles in Ordnung?“, fragt sie mich. Ich nicke. „Wissen Sie wie es ihm geht?“, frage ich sie, doch sie schüttelt nur den Kopf. „Ich habe eben mit den Eltern telefoniert, konnte aber niemanden erreichen. Ich hoffe, sie hören sich heute noch den Anrufbeantworter an...“ Ich lehne mich gegen den Türrahmen. „Wieso sollten sie das tun? Sind sie nicht schuld an seinem Zustand?“, frage ich meine Lehrerin, die mich erschrocken ansieht. „Was?“ „Na, ich denke, jemand aus der Familie verprügelt ihn.“ - „Bist du dir da sicher?“, fragt sie mich misstrauisch. „Hier in der Schule gibt es niemanden, der ihn so behandeln würde, also muss es im familiären Umkreis sein!“ Meine Lehrerin überlegt, presst die Lippen aufeinander und sieht angestrengt an mir vorbei. „Geh zurück auf den Schulhof. Ich werde ein paar Anrufe machen!“, fordert sie mich auf und scheucht mich aus dem Lehrerzimmer. Mit hochgezogenen Augenbrauen drehe ich mich um und verlasse das Gebäude. Angepisst stehe ich im Flur und sehe die Frau vor mir wütend an. „Können Sie das noch mal wiederholen, ich glaube, ich höre ganz schlecht!“ „Wie gesagt, zurzeit dürfen nur Familienangehörige zu dem Patienten!“, meint die Krankenpflegerin nicht weniger genervt und erwidert standhaft meinen Blick. „Können Sie nicht eine Ausnahme machen?“, bitte ich sie inständig, doch die Frau schaltet auf stur. „Verdammt!“, fluche ich, als sie ihres Weges zieht. Ich lege den Kopf schief und grinse. Als sie aus dem Flur verschwindet, gehe ich schnell zum Zimmer, öffne die Tür und schlüpfe durch den Spalt. Leise schließe ich sie hinter mir und vernehme nur die leisen steten Geräusche der Maschinen, an denen Andreas angeschlossen ist. Verarschen kann ich mich auch selber. Zur Hölle mit solchen dummen Regeln! Ich schleiche mich zum Bett, schiebe den Vorhang zurück und sehe Andreas im Bett liegen. Er ist immer noch blass und trägt eine Atemmaske. Ich greife nach einem Besucherstuhl und ziehe zum Bett, um mich zu ihm zu setzen. Ich ergreife seine Hand, die ganz kalt ist und reibe sie leicht zwischen meinen Händen. „Was machst du mir nur für Sachen?“, frage ich ihn leise. „Wieso sagst du niemandem was los ist?“ Ich beuge mich vor und streiche ihm eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Er sieht aus wie eine zerbrechliche Porzellanpuppe. Wie kann man so ein harmloses Geschöpf nur so verletzen? Er hat doch niemandem etwas getan? Ich knabbere nervös an meinem Fingernagel. Es ist ein Scheißgefühl, wenn man nichts tun kann! Man will helfen und kann nichts machen. Mir sind die Hände gebunden. Klar, ich kann zur Familie gehen, sie zur Rede stellen, ihnen drohen, handgreiflich werden. Was bringt mir all das? Letztendlich bin ich es der dann hinter Gittern sitzt und damit leben muss. Wahrscheinlich würde ich damit nur noch alles schlimmer machen, weil Andreas sich dann dadurch schlecht fühlen würde. Nein, das will ich nicht riskieren. Noch mal so einen Bockmist verzapfen will ich einfach nicht. Ich fahre mir mit den Händen über mein Gesicht. Ich hätte ihn gestern nicht an der Haltestelle stehen lassen sollen. Dann wäre all das gar nicht passiert. Jetzt ist es geschehen und rückgängig machen kann ich es auch nicht mehr. „Verdammt!“, fluche ich leise und sehe auf. Andreas regt sich leicht, liegt dann wieder ruhig da, nur um im nächsten Moment wieder die Augen aufzuschlagen. Er blinzelt ein paar Mal und dreht dann den Kopf in meine Richtung. Müde schaut er aus und erschöpft, obwohl er sicher einige Stunden geschlafen hat. „Hey...“, murmelt er. Ich lächele ihm zu und gebe ihm einen Kuss auf den Handrücken, behalte seine Hand fest in meiner. Andreas lässt den Blick umherschweifen, bis er schließlich mit seiner freien Hand die Decke anhebt und hinunter lugt. Er lässt sie wieder fallen und atmet tief durch. Er blinzelt ein paar Mal und ich merke wie er versucht die Tränen zurückzuhalten. „Ist schon okay. Lass es einfach raus...“, flüstere ich ihm zu. Andreas sieht zu mir und als die erste Träne über seine Wange rinnt, beuge ich mich zu ihm vor und streiche sie ihm aus dem Gesicht. Andreas lehnt seinen Kopf an meine Hand. Ich erhebe mich vom Stuhl und setze mich zu ihm aufs Bett. „Tut's weh?“, frage ich ihn. Er schüttelt den Kopf. „Ich habe Schmerztabletten bekommen, vorhin.“ „Sag, wenn es wieder weh tut.“ Andreas nickt und schließt für einen Moment die Augen. „Was ist passiert?“, frage ich ihn so taktvoll wie möglich, auch wenn ich vor Neugier schier zerplatze und am liebsten jeden verprügeln würde, der ihn auch nur noch einmal schief anguckt! Andreas' Mundwinkel ziehen sich herunter und ich kann ihm ansehen, dass es ihm schwer fällt und er nicht wirklich darüber reden möchte. Er schließt die Augen und kann die Tränen nun doch nicht mehr zurückhalten. Ich presse meine Lippen aufeinander, weil mich diese ganze Situation einfach nur wütend macht! „Rede mit mir, Andreas!“, rede ich eindringlich auf ihn ein und streichele ihm durch die Haare. Er beißt sich auf die Unterlippe und weint unterdrückt, so dass ich es aufgebe und meine Stirn an seine lege, beruhigend und leise mit ihm spreche und versuche ihn irgendwie zu trösten. Langsam lege ich mich auf die Seite und ziehe ihn vorsichtig in meine Arme. Andreas vergräbt sein Gesicht in meinem Shirt und nach und nach beruhigt er sich. Das Schluchzen klingt ab, er wird ruhiger und irgendwann ist er eingeschlafen. Als ich die Augen öffne, sehe ich in den strengen Blick der Krankenschwester. Verschlafen gähne ich und sehe aus dem Fenster. Es ist bereits helllichter Tag! „Wie spät ist es?“, frage ich müde und reibe mir über die Augen. „Spät!“, meint sie kurz angebunden und schüttelt den Kopf. „Ich bin eigentlich hier um den Patienten zu waschen. Sie hoffentlich nicht!“ Grinsend sehe ich zu der breiten wie stämmigen Frau hin, welche die Hände in die Hüften gestützt hat und aussieht als wäre sie einem Boot Camp entsprungen. Ich sehe neben mich. Andreas schläft noch, eng an mich gekuschelt und sieht richtig friedlich aus, wenn man mal absieht, wie blass er ist und das wir uns gerade in einem Krankenhaus befinden. „Schon gut, ich mache das!“, meine ich. Die Krankenschwester hebt eine Augenbraue an, sagt jedoch nichts weiter und legt uns ein paar Handtücher aufs Bettende. „Na dann viel Spaß!“ Den Satz kann sie sich nicht mehr verkneifen und verlässt das Zimmer. Ich widme mich wieder Andreas und küsse ihn auf die Wange. „Clemens?“, murmelt er leise ohne die Augen zu öffnen. „Ja, ich bin noch da. Ist schon morgens und in zwei Stunden muss ich in der Schule sein.“ Andreas öffnet verschlafen seine Augen. „Tja, unser erstes Mal habe ich mir irgendwie anders vorgestellt. So mit Sex, weißt du?“, witzele ich zwinkern und küsse ihn kurz auf den Mund. „Ich darf dich übrigens waschen!“ Andreas sieht mich entgeistert an, ehe er sein Gesicht ins Kissen drückt und bis zu den Ohren rot anläuft. „Das ist ja fast wie in den Flitterwochen!“, raune ich ihm ins Ohr und weil es ihm alles zu peinlich ist drückt er mir die Hand auf den Mund, damit ich endlich die Klappe halte. Grinsend setze ich mich im Bett auf und strecke mich ordentlich. Ich greife nach meinem Handy, aber es sind keine Nachrichten darauf. Wäre ja auch zu schön, wer schreibt jemandem wie mir schon. Ich kralle mir ein Handtuch und gehe damit ins Badezimmer, schalte das Licht ein und halte es unter den Wasserhahn, warte bis es wärmer wird und greife nach der Seife, die ich ebenfalls mitnehme. „Dann mach dich mal nackig, mein Hübscher!“, meine ich grinsend und halte beides in die Höhe. Andreas sieht mich verlegen an und beginnt in Zeitlupe sich auszuziehen. „Komm her, so sind wir ja nächste Woche nicht fertig!“, murre ich und ziehe ihm das Krankenhaushemd vom Körper. Andreas zieht die Beine beschämt an und weicht meinem Blick aus. „Dir ist schon klar, dass ich deinen Schwanz schon in der Hand hatte?“, frage ich ihn amüsiert und setze mich neben Andreas aufs Bett. Sieht man mal von all den Blessuren an seinem Körper ab, sieht er ziemlich heiß aus. Sanft fahre ich mit meiner Hand über seine Brust hoch zum Schlüsselbein. Andreas sieht mich an und krallt seine Finger in die Bettdecke. Ich greife nach dem nassen Handtuch und beginne damit seinen Körper abzureiben. Was gar nicht so einfach ist, wenn man einige Körperstellen nicht so stark berühren darf, sonst würde Andreas wohl das ganze Krankenhaus wach brüllen. Wenigstens gehe ich komplett in meiner neuen Aufgabe auf und kümmere mich hingebungsvoll um den Jungen, dem ich seit dem Wochenende ziemlich nahe gekommen bin, ohne es richtig zu merken. Das realisiere ich allerdings erst jetzt. Ich sehe in sein Gesicht und als er den Blick erwidert, runzelt er die Stirn. „Musst du mich da so lange waschen?“, fragt er mich und linst nach unten. Ich tue es ihm gleich und bemerke erst jetzt, dass meine Hand einfach zwischen seine Beine gewandert ist. Hastig lasse ich von seinem Penis ab und wasche artig seine Beine. „Du bist rot!“, stellt er kichernd fest. „Gar nicht wahr!“, erwidere ich ruppig und versuche meinen Blick von seinem besten Stück zu lösen, was mir echt schwer fällt. „Lass uns warten, bis es mir wieder besser geht...“, meint er und greift nach meiner rechten Hand. Ich sehe zu ihm und nicke. Klar, als ob ich einen kranken Patienten jetzt überfallen würde. Himmel, ich glaube, dass würde ich auch fertig bringen! Vorsichtig helfe ich ihm sich auf die Seite zu legen und wasche Andreas den Rücken. Nach dem Waschen helfe ich ihm wieder in dieses grässliche Krankenhaushemd und ziehe ihm die Decke über. Ich hänge die Tücher ins Badezimmer und gerade als ich es verlasse, öffnet sich die Tür. Meine Lehrerin sieht mich blass im Gesicht an, hinter ihr stehen zwei Polizisten. „Was ist los?“, frage ich sie verwirrt. „Komm kurz mit raus...“, meint sie leise. „Andreas, ich bin kurz draußen! Unsere Lehrerin ist da!“, rufe ich dem Junge zu und gehe mit ihr vor die Tür. „Also, was ist los?“ Abwartend sehe ich die drei Erwachsenen vor mir an. „Heute morgen wurden Andreas Eltern gefunden. Sie sind tot!“ Mit großen Augen sehe ich meine Lehrerin verständnislos an. „Wie... Aber ich dachte...?“ Verwirrt schüttele ich den Kopf. „An der Tatwaffe wurden die Fingerabdrücke von Andreas Eyck gefunden!“, meint einer der Polizisten und noch immer völlig durch den Wind sehe ich ihn an. „Das... Das ist ein Scherz oder? Haben wir schon April?!“, frage ich nervös lachend. Mit verzogenem Gesicht schaue ich in drei ernste Gesichter. „Auf keinen Fall! Er kann keiner Fliege etwas zuleide tun! Ich meine, seine Eltern haben ihn doch misshandelt! Vielleicht ist nur jemand eingebrochen und hat sie getötet!“ Meine Lehrerin legt mir eine Hand auf die Schulter. „Clemens!“ Ich sehe in ihre Augen und verstehe noch immer nicht, was hier passiert. „Nein, nein, nein! Andreas macht so was nicht!“ Ich kann jetzt nicht zu dir kommen. Ist ein schlechter Zeitpunkt. Wir sehen uns morgen in der Schule. „Nein...“, flüstere ich leise. Auf einmal ist mir kotzübel. Ich lehne mich an die Wand und rutsche daran herunter, vergrabe mein Gesicht in den Händen und unterdrücke ein Würgen. Wieso ausgerechnet Andreas? Er ist nicht zu so etwas imstande, dazu ist er doch viel zu naiv und nett! Oh Gott! Was ist, wenn er sie gestern schon getötet hat und mir dann seelenruhig die SMS geschickt hat? Hat er eine gespaltene Persönlichkeit, ist das sein wahres Gesicht?! Hat er mir die ganze Zeit nur etwas vorgespielt? Nein, das kann nicht sein! Die vielen Verletzungen an seinem Körper. Vielleicht hatte er es nur einfach satt so behandelt zu werden und hat sich gerächt? Ich stehe langsam auf und sehe auf den Boden. „Ich muss hier raus!“, murmele ich und renne den Gang entlang. Andreas ist ein Mörder! Der süße, kleine Andreas, der sonst keiner Fliege etwas zuleide tun kann! Der Andreas, der sich am Wochenende das Leben nehmen wollte. Mein Andreas, der seine Eltern kaltblütig ermordet hat! Ich rempele einige Besucher an und stürze zur Tür, reiße sie auf und sofort schlägt mir frische, kalte Luft entgegen. Ich atme tief durch, gehe einige Schritte und bleibe mit geschlossenen Augen mitten auf dem Weg stehen. Ich lache, aus irgendeinem Grund. Ich weiß es nicht. Die Nervosität? Die Enttäuschung? Weil mir gerade klar wird, dass ich für einen Mörder Gefühle habe? Mit dem Lachen kommen die ersten Tränen, die ich hastig weg wische. Ich greife in meine Hosentasche und zerre mit zitternden Fingern meine Zigaretten und das Zippo heraus. Ich stecke mit eine Kippe in den Mund und versuche das Zippo zu benutzen, aber es klappt irgendwie nicht. Immer und immer wieder versuche ich es, atme tief durch und versuche das Zittern in meinen Händen loszuwerden, bis ich es aufgebe und die Kippe zurück in die Hosentasche stopfe. Ich gehe zur Glasscheibe und lehne mich dagegen, sehe in die Cafeteria, wo Gäste, Patienten und Ärzte gemeinsam sitzen und sich arglos miteinander unterhalten. Die keine Ahnung haben, dass unter ihnen ein Mörder verweilt. Aber ist er wirklich ein Mörder? Was ist, wenn er nur aus Notwehr gehandelt hat? Was ist wirklich passiert? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)