disease von Aijou ================================================================================ Kapitel IV ---------- Feuer. Sein Körper stand in Flammen. Rasselnder Atem, ein gequältes Aufstöhnen. Seine Arme wurden taub, die Muskeln verkrampften sich und seine Kehle schnürte sich zu. Blut. Überall Blut. „Verfluchte Scheiße“, kam es gepresst über seine Lippen, obwohl er viel lieber Schreien und den Schmerz heraus lassen wollte. Nur am Rande registrierte er, wie man ihn in eine der Hütten verfrachtete. Er spürte eine weiche Matratze unter sich, dann war da das Reißen von Stoff, als man ihm mit einem Messer Pullover und T-Shirt aufschnitt. „Kipp mir hier nicht weg, ne? Ist alles halb so schlimm!“ Er konnte schon am Tonfall seines Kumpels erkennen, dass er belogen wurde. Allein die Tatsache, dass Virus unbewusst in ihre gemeinsame Muttersprache verfallen war, sagte schon alles. Japanisch. Sie unterhielten sich nur selten auf japanisch. Benommen versuchte Ban die Augen zu öffnen. Er blinzelte mehrmals, um ihn herum drehte sich alles. Er spürte wie Virus sich an ihm zu schaffen machte und versuchte die Blutung zu stoppen. Die Geräusche um ihn herum klangen immer gedämpfter, er hörte alles wie durch Watte hindurch. Der Schmerz war einfach zu übermächtig. Es war zerreißend. Es fühlte sich an, als steckte die Klaue des mutierten Wesens noch immer tief in der Wunde. Hektik. Verbände. Desinfektionsmittel. Er hatte nicht mal gewusst, dass sie so etwas inzwischen hatten. Schmerz. Unbändiger, zerreißender, wuchtiger Schmerz. Ein Aufschrei. Und er brauchte tatsächlich einen Moment um zu begreifen, dass er selbst es war, der geschrieen hatte. Seine Stimme klang ganz anders. Ungewohnt. Virus sprach zu ihm. Jedenfalls glaubte er, dass es Virus war. Doch da war noch eine weibliche Stimme. Ban blinzelte. Nur verschwommen erkannte er Raikon, die sich über ihn gebeugt hatte. Direkt hinter ihr stand Virus. Die junge Frau war es aber, welche die Wunde nun versorgte. Er stöhnte wieder. Leise, heiser und gequält. Es war nicht die erste schwerwiegendere Verletzung in den letzten fünf Jahren, doch das letzte Mal lag auch schon ein Weilchen zurück. Er hatte einfach schon vergessen, wie peinigend solche Verletzungen sein konnten… Er behielt die Augen geschlossen. Sein Gesicht war deutlich von Schmerzen verzerrt. Er kaute sich auf der Unterlippe herum, so dass diese schon ganz aufgesprungen war. Der hohe Blutverlust gab ihm einfach den Rest, auch wenn die Blutung inzwischen gestillt war. Es genügte. Ihm war schwindlig. Der Raum drehte sich um ihn herum. „Virus…“, war das Einzige was ihm noch über die Lippen kam, ehe es um ihn herum schwarz wurde. „Wir können nichts weiter tun, um ihm zu helfen Virus.“ „Aber er ist jetzt schon fünf Stunden weggetreten!“ Gedämpfte Stimmen drangen an sein Ohr. Eine leise Unterhaltung. Es klang mal lauter, mal leiser. Als würde jemand an der Lautstärke eines Fernsehers drehen. Ihm war schwindlig. „Es gibt Schmerzmittel, aber ich halte es nicht für klug ihm welche zu geben.“ Nur mit Mühe erkannte er Raikons Stimme. War sie immer noch immer bei ihm? Oder schon wieder? Mit wem redete sie da? „Ich weiß nicht, ob die Medikamente wirklich vertrauensselig sind. Davon mal abgesehen will ich nicht, dass Bans Körper völlig ertaubt.“ Doch! Um Himmels Willen doch! Taub klingt super! Das Ziehen in seiner Brust war noch immer mehr, als er ertragen konnte. Es brannte, kribbelte und quälte ihn. Die Matratze senkte sich neben ihm ab. Die leichte Bewegung genügte, um neue Wellen des Schmerzes durch seinen Körper zu jagen, obwohl er sich immer noch benommen fühlte. Trotzdem registrierte er halbwegs, dass sich jemand neben ihn gelegt hatte. Er konnte die Wärme spüren, die von diesem anderen Körper ausging. Eine Hand fuhr ihm über die Haare. „Virus…“ „Ich bin hier…“ Virus. Das war Virus’ Stimme. „Es geht mir gut. Du hast mich gerettet.“ Hätte er gekonnt, hätte er aufgeatmet. Virus war in Ordnung. Er war nicht von diesen Monstern zerfleischt worden. Ban hatte schon befürchtet, es hätte sie beide erwischt. „Du musst dich jetzt ausruhen, hörst du? Schlaf wieder. Du warst großartig. Ohne dich hätten wir es nicht geschafft, den Angriff heute zurück zu schlagen.“ Natürlich war er großartig! Das war er immer. Hätte er die Kraft dazu gehabt, würde er das Virus auch direkt ins Gesicht sagen. So aber verzog er nur einmal mehr das Gesicht. Es tat gut die Stimme seines Kumpels zu hören. Zu wissen, dass der Ältere bei ihm war. Irgendwo in seinem Hinterkopf war auch das erleichternde Wissen, dass sie frisches Wasser, Medikamente und saubere Verbände hatten. Noch bis vor ein paar Tagen hatte es da ganz anders ausgesehen. Es kam ihm so vor, als wäre der Überfall auf diesen LKW schon eine Ewigkeit her. Er und Virus hatten nur zu zweit dieses ganz Ding durchgezogen. Es war Ban vorgekommen wie ein Spaziergang. Alles war so einfach gewesen. Vom Ausschalten der Soldaten, zur Übernahme des Jeeps bis zur sicheren Heimkehr mit dem LKW. Einfach…so einfach. Nichts, gegen die jetzigen Schmerzen. Er wollte etwas sagen. Sich bei Virus bedanken. Normalerweise hasste es Ban so geschwächt zu sein. Dabei auch noch gesehen zu werden war Folter für ihn. Heute war er froh darum, dass Virus bei ihm war, sich um ihn kümmerte und sich Zeit für ihn nahm. Aber alles was ihm über die Lippen kam, war ein tiefes, gequältes Stöhnen. „Schlaf jetzt…“ Ein verlockender Gedanke. Einfach schlafen… Die Wunde pochte unangenehm. Sie pulsierte und zog noch immer schrecklich. Aber der Schmerz fühlte sich nur noch gedämpft an. Ban murrte leise. „Ssch…“ Jemand strich ihm über die Haare. Er mochte das eigentlich nicht. „Wir haben dir was gegen die Schmerzen gegeben. Geht’s besser?“ Daher dieses leichte Taubheitsgefühl. Das war ein wahrer Segen. Ban brachte ein Nicken zu Stande. Ihm war schlecht. Er hatte Angst sich übergeben zu müssen, wenn er jetzt den Mund aufmachte. „Raikon…ich hab ein seltsames Gefühl.“ War das echt Virus? Seine Stimme klang so unglaublich besorgt. Verunsichert. Die sonstige Festigkeit fehlte. Das Selbstbewusstsein war weg. Und was hieß hier eigentlich seltsam?! „Kann ich verstehen. Das hab ich auch.“ Na ganz toll… Wie beruhigend! „Es ist zu einfach von diesen Viechern infiziert zu werden. Aber wir können nicht viel mehr für ihn tun. Er hat Schmerzmittel bekommen und ein Medikament, dass das Immunsystem unterstützt.“ Moment…. Zwei Medikamente? Aber doch hoffentlich nicht in Form von Spritzen! Oh Gott… Er hasste Spritzen! Ban wurde noch schlechter. „Virus… Es ist jetzt über zwölf Stunden her, dass er verletzt wurde. Hast du gesehen, wie die Wunde inzwischen aussieht?“ Schweigen. Warum schwieg Virus bitte denn jetzt!? Wie zum Henker sah die Wunde denn aus!? „Wie…schlimm….ist es?“ Es fühlte sich an, als wäre Bans Kehle ein einziges Reibeisen. Es schmerzte richtig zu sprechen. Und Ban war dankbar, als man ihm ein Glas an die Lippen hielt. Sein bester Freund half ihm dabei etwas zu trinken und Ban seufzte erleichtert auf, ehe er wieder zurück sank. Die kurze Bewegung hatte gereicht, um dieses unsägliche Brennen wieder hervor zu rufen. „Mach dir keinen Kopf Ban. Okay? Du musst dich einfach nur ausruhen.“ Virus’ Worte klangen nicht so zuversichtlich, wie er es wahrscheinlich gern gehabt hätte. „Die Verletzung hat sich verfärbt“, mischte Raikon sich jetzt ein. Virus murrte. Scheinbar wollte er nicht, dass man ihm, Ban, die Wahrheit sagte. Aber Raikon schien das egal zu sein. Ausnahmsweise mochte Ban sie. Jedenfalls ein bisschen. „Sie sieht ungesund aus. Wir müssen sie weiter beobachten und dafür sorgen, dass sie sich nicht entzündet.“ Eine Entzündung war jetzt seine kleinste Sorge. Was, wenn dieses verdammte Vieh ihn infiziert hatte!? Was dann!? „Ban, du bist stark. Du packst das.“ Im Halbschlaf versuchte Ban sich auf die Seite zu drehen. Schmerz jagte dabei durch seinen Körper. Er stöhnte gequält auf und öffnete die Augen. Irgendwas war seltsam. Ihm war, als bewegte sich etwas unter seiner Haut. Die Wunde pochte noch immer. Es war widerlich. „Du musst aufpassen, Ban.“ Eine warme Hand legte sich auf seine Wange und strich darüber. Virus’ Hand. Sein bester Freund war immer noch bei ihm. „Wie fühlst du dich?“ Sollte er ihm die Wahrheit sagen? Ihm von dem Kribbeln unter seiner Haut erzählen? Von dem furchtbaren Brennen, dem ziehenden Schmerz? Ban seufzte leise. „Als wäre ich als Frühstücksbuffet geendet…“ Vorsichtig drehte er etwas den Kopf und bekam Virus ins Blickfeld. Der Ältere saß neben ihm am Bett, dunkle Schatten unter seinen Augen und irgendwie blass. Als er Bans Blick auffing lächelte er schwach, aber das machte es auch nicht viel besser. Virus war hundemüde und Ban sah es ihm deutlich an. „Wie spät ist es?“ Seine Stimme war immer noch kratzig und leiser als sonst. Es kostete ihn Mühe zu sprechen. „Spät. Du liegst jetzt schon fast 36 Stunden hier.“ 36 Stunden!? Das erklärte warum ihm alles wehtat. Er war es nicht gewohnt, so lange zu liegen. Und die Matratze war auch nicht der pure Luxus. Aber apropos Matratze… Das war nicht seine eigene. Das war immer noch die von Virus. Ban blinzelte und sah sich um. Tatsächlich, er lag immer noch in der Hütte seines besten Kumpels. Da konnte er sich wohl glücklich schätzen. Das Bett des Chefs war viel bequemer. Und wärmer war es hier auch. „Wie läuft’s da draußen?“ Reden. Sich ablenken von diesem seltsamen Gefühl. „Der Zaun ist wieder repariert. Ich hab Raikon eine Schlafstelle zugewiesen. Es gab ein paar kleinere Angriffe. Nichts großartiges. Die meisten schlafen.“ Das sollte Virus wohl auch besser. Ban verzog leicht das Gesicht. „Sitzt du schon die ganze Zeit hier?“ „Ich war immer mal kurz draußen um ein paar Anweisungen zu geben. Wenn du das nicht mitzählst, sitze ich schon die ganze Zeit hier.“ Das war ungewöhnlich. Normalerweise nahm Virus sich nicht so viel Zeit. Er hatte einfach irgendwie immer zu tun. Das er jetzt 36 Stunden hier hockte, war kein gutes Zeichen. „Die Wunde brennt und zieht…“ Bans Stimme klang immer noch ganz rau, aber langsam fiel ihm das Sprechen nicht mehr ganz so schwer. „Es ist, als würde die Wunde weiter aufreißen, oder als wenn….sich etwas durch mein Fleisch bohrt…“ Seine eigenen Worte beunruhigten ihn. Er hoffte inständig, dass er sich nichts eingefangen hatte. Am Ende würde er noch genauso mutieren wie diese Monster. Daran wollte er gar nicht denken. „Ruh dich aus okay? Werd mir schnell wieder fit, sonst gibt’s Ärger!“ Virus versuchte zu scherzen, aber es klang nicht wirklich lustig. Ban konnte ihm seine Sorge viel zu deutlich ansehen. Die Unruhe, die in dem Älteren herrschte. In Virus’ Kopf ratterte es die ganze Zeit. Es war offensichtlich, dass er nach einer Lösung suchte. Eine Lösung für was? Den Ernstfall? … Falls er infiziert war? Virus Worte waren nicht gerade motivierend für Ban. Doch es brachte wahrscheinlich auch nichts, die ganze Sache schön zu reden. „Wir haben für den Ernstfall nichts da, oder?“, fragte er auf Japanisch in einem ernsten Ton, der nicht oft bei ihm vorkam. Er kannte die Antwort. Trotzdem musste er es einfach fragen. Er sah wie Virus den Kopf schüttelte und hörte ihn seufzen. „Wir haben Desinfektionsmittel und Verbandszeug und Schmerzmittel und keine Ahnung was noch alles. Aber wenn da wirklich…irgendwas komisches mit der Wunde ist…“ Seine Stimme hatte kurz gezittert. Nur flüchtig, aber Ban hatte es bemerkt. „…dann nein, dann haben wir nichts.“ Das war doch wirklich zum Kotzen. Gerade jetzt! Hätte es nicht irgendwen anders treffen können!? Der Gedanke mochte nicht edel sein, doch im Moment wünschte Ban sich einfach nur, diese dämliche Verletzung nicht erlitten zu haben. Bei den Verhältnissen die hier herrschten war es nicht unwahrscheinlich, dass sich Verletzungen entzündeten und noch viel schlimmer wurden. Das war schon oft genug vorgekommen. Die Möglichkeit, dass sich bereits etwas in Bans Körper befand, das dort überhaupt nichts zu suchen hatte, machte es auch nicht besser. „Wenn irgendwas ist…,“ sagte er dann leise aber entschlossen, „besorg ich mir etwas, das mir helfen kann.“ Für den Fall, dass tatsächlich irgendwelche Abnormalitäten auftreten sollten. Und das war schon beinahe eine implizite Ankündigung dafür, dass er im Fall der Fälle in New Heaven eindringen würde, wenn es nötig war. „Wenn irgendwas ist, werde ich dir etwas besorgen.“ Virus Stimme klang ernst. Es klang wie ein Versprechen. Sein Blick war durchdringend und Ban schluckte. Da waren wieder diese Rädchen in Virus’ Kopf. Er wusste einfach, dass sein Freund da irgendetwas ausheckte. Ban konnte nicht anders, als matt zu lächeln. Einmal mehr wusste er, warum ausgerechnet Virus sein bester Freund war. „Allein gehst du aber nicht. Ich werde hier nicht rumliegen, während du dich amüsieren gehst…,“ Ban klang noch immer ungewohnt geschwächt, doch er meinte es so, wie er es sagte. Er würde sich irgendwie voran schleppen, egal was es kostete. Er würde nicht zulassen, dass Virus sich seinetwegen solch einer Gefahr aussetzte. „Und ob ich mich da allein amüsieren werde!“ Virus klang streng. Ban konnte ihm seine Sturheit ansehen und wusste, dass der Ältere keinen weiteren Widerspruch zulassen würde. Er war außerdem einfach zu müde, um jetzt eine Diskussion anzufangen… „Noch ist ja nicht so schlimm…,“ meinte Ban also simpel und schloss die Augen wieder. „Lügner…“ Virus Stimme klang wieder milder, aber die Sorge hörte man trotzdem noch heraus. Ban konnte nichts mehr antworten. Er wurde abgelenkt, als ihn ein fieser Stich in der Brust plagte und ihn zu einem nicht gerade dezenten Keuchen zwang. Es fühlte sich an, als hätte ihn etwas kleines, winziges ins Fleisch gebissen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)