disease von Aijou ================================================================================ Kapitel II ---------- Die Stunden vergingen, in welchen Ban einfach so dalag. Mittlerweile tat ihm schon alles weh, aber er merkte es kaum. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Mädchen neben sich. Sie war wirklich noch recht jung, ihr Alter war schwer zu schätzen. Ihre zerbrechliche Schönheit hatte ihn längst in ihren Bann geschlagen. Er lächelte, seine Fingerspitzen fuhren sacht über ihre Wange, strichen ihr einzelne, weiche Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er ringelte sich einzelne, samtige Strähnen um den Finger, fuhr anschließend ihre Gesichtsform nach, strich mit einem Daumen über ihre vollen Lippen. Er konnte es einfach nicht begreifen, wie man etwas so schönem, so etwas hatte antun können... Er lag nun schon eine halbe Ewigkeit in der zugigen Hütte. Virus hatte für zusätzliche Decken gesorgt, so dass er das Mädchen darin hatte einwickeln können. Ihre Haare waren inzwischen trocken und ringelten sich in leichten Wellen um ihr Gesicht. Sie hatte noch immer nichts an, war ja aber gut zugedeckt und lag auf der Matratze, die Ban als Schlafstätte diente. Er selbst lag dicht bei ihr, hatte die Arme um sie gelegt und an sich gezogen, um sie zusätzlich noch wärmen zu können. Sie war noch immer etwas kalt, aber ihre Körpertemperatur hatte sich schon gebessert. Eigentlich sah sie inzwischen fast so aus, als würde sie lediglich schlafen. Er selbst war in Gedanken versunken. Obwohl es selten genug war, dass er so ruhig war. Ein schwerer Atemzug durchbrach die Stille, der Brustkorb des Mädchens hob und senkte sich, ihre Augenlider flackerten. Nur eine Sekunde später fing sie an zu zittern und rutschte dichter an ihn heran, wahrscheinlich nach der Wärme suchend, die Ban ihr spendete. Ein gequälter Laut kam über ihre Lippen und es war offensichtlich, dass sie darum rang das Bewusstsein wieder zu erlangen. Ban sah sie gespannt an, wartete ab und drückte sie automatisch auch enger an sich, verstärkte seine Umarmung. Es war früh am Morgen, in der Hütte herrschte aber Dunkelheit. Das Feuer war erloschen, die Glut glimmte vor sich hin. Ban wagte nicht sich zu rühren. Er spürte wie der zierliche Körper in seinen Armen sich anspannte und nur einen Moment später schlug sie endlich ihre Augen auf und blinzelte ihn an. Es schien als würde sie einen Moment brauchen um überhaupt irgendetwas erkennen zu können, sie blinzelte immer wieder. Ihre Augen waren ausdrucksstark, in einem warmen dunkelbraun, groß und ganz leicht schräg stehend, was ihr irgendwas beinah exotisches gab. Ihr Blick wanderte unruhig hin und her, das Atmen schien sie anzustrengen und allgemein war sie scheinbar noch zu geschwächt, um sich großartig zu rühren. Ban machte gerade den Mund auf, wollte irgendeinen dummen Spruch sagen, einfach um diese Stille etwas zu durchbrechen und das Mädchen aufmerksam auf sich zu machen. Aber das war wohl nicht nötig. Eben in diesem Moment ging ein Ruck durch ihren Körper und mit einer raschen Bewegung hatte sie ihn gepackt und erstaunlich kraftvoll von sich geworfen. Ein Glück nur lag er in keinem richtigen Bett, so war der Fall von der Matratze auf den Fußboden nicht wirklich schmerzhaft. Ban schnappte nach Luft, er fluchte unterdrückt und setzte sich auf. Auch sie saß mittlerweile aufrecht im Bett, ihr Blick war panisch, sie presste eine der Decken an sich, ihre nackten Schultern zuckten, während sie sich hektisch nach einem Fluchtweg umsah. Mehr denn je wirkte sie einfach nur zerbrechlich und Bans längst verloren geglaubter Beschützerinstinkt wurde wachgerufen. Sie sah aus wie ein verletztes Reh, wie sie da mit großen Augen saß und nach einem Ausweg suchte, während sie dabei noch ein weiteres Stück vor ihm zurückwich. Er blieb sitzen wo er war, überlegte dabei angestrengt wie er ihr klarmachen konnte, dass es keinen Grund zur Panik gab. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er noch immer die Klamotten trug, die er bei dem Überfall auf den LKW angehabt hatte. Dreckig und über und über mit getrocknetem Blut. Wahrscheinlich machte diese Tatsache seinen Anblick nicht unbedingt Vertrauen erweckender... „....es ist alles in Ordnung.“ Ihm fiel einfach nichts besseres ein. Ban verhielt sich ruhig, wollte er das Mädchen doch nicht noch mehr verunsichern. „Ich will dir nichts tun und ich bin auch nicht dein Feind," fuhr er dann auch fort. Seine Stimme klang ungewohnt milde und hatte einen tiefen, angenehmen Ton. Er wollte einfach mit ihr sprechen, vielleicht würde sie das ja etwas beruhigen. Obwohl sie eher so aussah als würde sie im nächsten Moment davon rennen. Sie war schon wieder ein Stück mehr vor ihm zurück gewichen, hatte inzwischen das Ende der Matratze erreicht. „Wir sind hier in den Slums die an New Heaven grenzen. Wir haben dich aus dieser Truhe rausgeholt... Alles ist okay!“ So langsam bezweifelte Ban, dass diese Erklärungen sie auch nur in irgendeiner Weise beruhigen konnten. Sie sprang auf, kam aber direkt ins Schwanken. Ban wollte sie stützen, docj sie wich seinem Griff aus und sah ihn gehetzt an. Unwillkürlich fragte er sich erneut, was sie in ihrem Leben schon so alles hatte mitmachen müssen... Schön stellte er es sich jedenfalls nicht vor wenn man mal die Tatsache bedachte, dass sie am Ende als Gefrierware in einer Kühltruhe gelandet war. Und doch biss sie nun die Zähne zusammen und erhob sich erneut, brachte ihren angeschlagenen Körper zum Aufstehen. Noch immer hatte sie die Decke an sich gedrückt, als könne dieses Stückchen Stoff sie irgendwie schützen. Sie wich auch weiter vor ihm zurück, ihr Blick huschte hierhin und dorthin. Sie entdeckte eine Spiegelscherbe. Ehe Ban sichs versah, war sie die paar Schritte zur Seite gelaufen und griff mit einer Hand nach der Scherbe, während sie sich mit der anderen weiter die Decke an den Körper presste. Ban hob abwehrend die Hände, als sie die Scherbe wie eine Waffe in ihrer Hand erhob. Ihre Augen hatten ein warnendes Funkeln angenommen. „Ich will will dir echt nicht wehtun,“ sagte Ban ruhig. Aber es schien nicht wirklich so, als hätte sie auch nur eines seiner Worte verstanden. Nur eine Sekunde später stürzte sie sich auf ihn, schien ihm mit dieser elenden Scherbe den Hals aufschlitzen zu wollen. Ban fluchte, ihr Angriff war nicht wirklich gefährlich für ihn, aber er wollte ihr wirklich nicht wehtun. Sie war entkräftet, er brauchte nur eine Sekunde um sie zu packen und einen Moment festzuhalten. So langsam nervte ihn das dann doch etwas. Er nahm ihr die Scherbe aus der Hand und warf sie auf den Boden, wo sie im Sand landete und außer Reichweite war. „Hörst du mir überhaupt zu!?“, so langsam begann er daran zu zweifeln. Wahrscheinlich sprach sie nicht einmal seine Sprache. Das wäre dann mal wieder typisch! So viel Glück konnte auch nur er haben! Er hörte wie sie aufkeuchte und rasch lockerte er seinen Griff. Ihrem Funken sprühenden Blick nach zu urteilen wollte sie ihm am liebsten die Augen auskratzen oder beißen oder ihm sonst irgendwie wehtun.... „Lass mich los!“ Aha, immerhin sprach sie seine Sprache. Auch wenn ihre Stimme heiser war, als hätte sie sie lange nicht benutzt. Ban folgte ihrer Aufforderung, aber sie geriet ins Schwanken und nur eine Sekunde später fing er sie direkt wieder auf, als sie in sich zusammen sackte. Die Decke entglitt ihr und ging lautlos zu Boden. Sie fühlte sich noch immer etwas kalt an, sie war blass und ihre Lippen nach wie vor leicht bläulich. Ban verzog das Gesicht. Erst jetzt wurde ihm erneut so richtig bewusst, dass sie nackt war. Verflucht nackt! Normalerweise tat er ganz andere Dinge mit nackten Frauen... Innerlich mahnte er sich selbst zur Geduld, während er sie zurück zu der Matratze dirigierte, auf welche sie sofort nieder sank und wie ein Häuflein Elend sitzen blieb. Ban angelte sich die fallen gelassene Decke vom Fußboden und schlang sie ihr um die Schultern. Sie schien angestrengt nachzudenken, schließlich sah sie ihn flüchtig an. „Die Slums....?“ Gut! Scheinbar hatte sie doch irgendwas von dem mitgekriegt, was er so von sich gegeben hatte. War ja nicht so, dass er immer nur Unsinn laberte. Manchmal gab er auch durchaus nützliche Infos von sich. „Ja, die Slums... Oder auch die Dead Zone,“ versuchte er ihr also erneut auf die Sprünge zu helfen. Sie gab erneut einen gequälten Laut von sich. „Es ist so kalt...“ Ban seufzte auf und schlang eine zweite Decke um ihren zitternden Körper, ehe er zur Feuerstelle rüber ging und wärmende Flammen entfachte. Das Mädchen war eindeutig ziemlich durcheinander und so langsam bezweifelte er, dass er sich halbwegs mit ihr würde unterhalten können. Zumal sie ihm von der Seite her immer wieder böse Blicke zuwarf, ganz so als wäre es seine Schuld, dass sie in diesem Schlamassel steckte. Aber hey! Wenigstens war er hier bei ihr! Und nicht irgendein Perverser, der sie eisgekühlt bei sich im Schlafzimmer aufbewahrte oder sowas... Er versuchte gleichgültig zu tun, vielleicht würde das ihr die Angst etwas nehmen. Aber ihr Blick huschte schon wieder umher, suchte nach Fluchtmöglichkeiten und eventuellen Waffen. Dennoch erkannte Ban, dass sie jede kleinste Bewegung seinerseits sehr wohl registrierte. Als ob er jeden Moment über sie herfallen würde oder dergleichen... Sie sprühte nur so vor Misstrauen. Und so langsam überforderte ihn die ganze Situation irgendwie. Er wusste nicht wirklich was er nun mit ihr machen sollte, geschweige denn wie er es schaffen konnte sie zu beruhigen und ihm fürs erste zu vertrauen. Wobei sich das Wort "Vertrauen" wahrscheinlich nicht mal in ihrem Wortschatz befand. Ban runzelte leicht die Stirn als er sah, wie das Mädchen sich mit der linken Hand über den rechten Arm rieb. Selbst im flackernden Licht des Feuers erkannte er die Einstiche, die Spuren von Nadeln, die scheinbar grob in ihre weiche Haut gestochen worden waren. Sie schien seinen Blick gespürt zu haben, denn sie sah wieder zu ihm, musterte ihn ebenso wie er es bei ihr getan hatte. Wieder wurde er sich seiner blutüberströmten Klamotten bewusst und seiner ausgewaschenen Haare, die ihm ins Gesicht hingen. Allgemein schien sein Anblick nicht gerade überzeugend, denn sie wich erneut etwas vor ihm zurück und spannte sich noch mehr an. So langsam wurde ihm das hier echt zu bunt. Ban war noch nie ein Mensch mit sonderlich viel Geduld gewesen. Anders als Virus handelte er meistens, bevor er nachdachte. Ihm kam der Gedanke sie einfach allein zu lassen, aber wahrscheinlich wäre das nicht so gut. Wer wusste schon, was sie dann anstellen würde... Wo zum Henker war der Boss, wenn man ihn mal brauchte!?? „Wie bin ich hergekommen?“ fragte sie ihn dann aber doch endlich mal. "Und wir sind wirklich in den Slums!? In der Dead Zone!?" Das schien sie zu verwirren. Ihre Worte klangen ungläubig. Ganz so als wäre es etwas Besonderes in diesem verdammten Loch festzustecken. Ban nickte nur. „Hab ich dir doch schon gesagt", er klang etwas ungeduldig. Aber wer sollte es ihm auch übel nehmen!? „Und wer zum Henker bist du!?", ihre Stimme war schneidend, misstrauisch. „Was willst du von mir!? Ich kann dir nichts geben! Und wenn du mich anfässt, bring ich dich um!“ Von der Tür er erklang ein Lachen, was das Mädchen sofort wieder zusammen zucken ließ. „Oho! Wie ich sehe, habt ihr euch angefreundet!“ Virus betrat die kleine Hütte und grinste. „Kriegst du schon Morddrohungen von ihr Ban-chan!? Das ging ja schnell! Scheint ja ne richtige Wildkatze zu sein!“, seine Augen funkelten amüsiert, während er Ban neckend angrinste. „Halt die Klappe und mach was Nützliches, anstatt sie noch mehr einzuschüchtern!“, zischte Ban seinem Freund nur entgegen und konnte ihn dabei lediglich beleidigt ansehen. Manchmal wollte er Virus wirklich am liebsten einfach nur ohrfeigen. Er warf dem Chef einen vernichtenden Blick zu und wünschte ihm insgeheim einen Genickbruch. “Und nenn mich nicht Ban-chan...“, fügte er dann auch noch genuschelt hinzu. Er hasste es, wenn Virus das machte. „Ich wollte nur nach dem Rechten sehen“, erklärte dieser nun auch. „Aber wie ich sehe gehts unserer Eisprinzessin schon besser! Gut genug um dir zu drohen jedenfalls.“ Wollte dieser Kerl ihm nun helfen oder ihm nur auf die Nerven gehen verdammt!? Ban hoffte nur, dass diese ganze Situation sich langsam mal etwas wenden würde, denn so allmählich bekam er Kopfschmerzen von dem ganzen. Virus kam weiter in die Hütte hinein und ging direkt zu dem Mädchen rüber. Sie wollte sofort aufspringen und flüchten, aber er machte eine beschwichtigende Geste mit der Hand. „Ruhig Blut, niemand hier tut dir etwas“, seine Stimme klang ruhig, während er ihr eine Schale entgegen hielt, aus welcher es verführerisch dampfte. „Heiße Suppe. Du solltest etwas essen, das wird dich aufwärmen.“ Virus blieb ganz ruhig, als das Mädchen ihn von oben bis unten musterte. Sie zögerte sichtlich, kämpfte scheinbar mit ihrem Misstrauen. Ihr Hunger schien allerdings zu siegen, denn sie griff nach der Schale, zog die Hand allerdings doch wieder zurück. Virus seufzte auf. „Ich hab nichts reingemischt. Schau?“, er griff nach dem angeknacksten Plastiklöffel und schob sich von der Suppe etwas in den Mund. Das Mädchen betrachtete ihn skeptisch und schien ernsthaft darauf zu warten, dass er direkt tot umfiel. Als das nicht passierte, griff sie nach der Schale und begann sie mit großem Hunger zu leeren. Was war das denn bitte!? Ban starrte seinen Freund ungläubig an. Virus vertraute sie sofort, aber ihm wollte sie am liebsten die Augen auskratzen!? Irgendwas lief hier echt schief... „Das hier ist übrigens Ban“, wurde er dann aber von seinem Kollegen vorgestellt. „Und mich nennt man Virus. Du bist hier in unserem Lager.“ Ach nee, Blitzmerker. Das hätte er ihr auch noch sagen können... „Wir haben dich in einem Transporter der Regierung gefunden, in einer Kühltruhe.“ Konnte ein Mensch in eine Kühltruhe gestopft werden ohne das selbst zu merken!? Na ja okay, vielleicht hatte sie ja irgendwelche Drogen verabreicht bekommen, die sie schon vorher umgenietet hatten. Bevor ihr Körper schockgefroren worden war. Das Mädchen hatte die Schale bereits geleert - scheinbar hatte die Kleine echt Hunger gehabt - und stellte sie vor sich auf den Boden. „Mhm...“ Sie nickte matt, erinnerte sich scheinbar tatsächlich an das, was man ihr angetan hatte. Eigentlich bedauernswert. Wahrscheinlich wäre es einfacher gewesen, hätte sie sich nicht erinnert. Irgendwie tat sie Ban leid. „Man wollte mich in die Hauptstadt bringen und den Leuten von M-Gene vorführen....“, sie sprach leise, mehr zu sich selbst, während sie sich fahrig eine Haarsträhne aus der Stirn strich. Jetzt tat sie Ban nur noch mehr leid. Virus runzelte die Stirn. „Ich werd dir etwas zum Anziehen besorgen“, erklärte er dann auch. „Ban passt derweil auf dich auf.“ Super! Er durfte weiter den Babysitter spielen! Obwohl...momentan war das Mädchen ja sogar halbwegs umgänglich. Jedenfalls so lange sie nicht einen rostigen Nagel oder irgendwas in die Hand bekam, um es ihm in den Kopf zu rammen... Das war echt unfair. Bei Virus hatte sie nicht direkt versucht ihm an die Gurgel zu gehen... Was hatte er denn bitte verbrochen, dass sie ihn beinahe umbrachte, obwohl er nur hatte helfen wollen!? Und Virus blieb unversehrt!? Da gab er sich einmal Mühe und das war der Dank dafür! Ban sah seinem Kollegen nach, während dieser die Hütte verließ, anschließend richtete sein Blick sich aber wieder auf das Mädchen. Sie starrte ihn schon wieder an. Wahrscheinlich überlegte sie gerade, wie sie ihm am besten die Nase brechen konnte oder dergleichen... Aber es hatte ja alles keinen Sinn. Patzig zu sein brachte ihn hier ja nicht weiter. „Und du bist...?“, fragte er also nach einer Weile des Schweigens. Sie kannte ja nun seinen Namen, da war es nur gerecht, wenn sie sich auch vorstellte. Als er sah wie sie bei seiner Ansprache zusammen zuckte, konnte er nur seufzen. Allerdings wandelte ihr Blick sich von gehetzt mörderisch zu irritiert. „Ich?“ Na wer sonst!? Sie schien tatsächlich überlegen zu müssen, was Ban dazu brachte die Stirn zu runzeln. Völlig verwirrt saß sie da. „Uhm...“ Ban zog eine Augenbraue hoch. „0800...“, nuschelte sie nun endlich leise und fummelte an der Decke rum, die um ihre Schultern lag. „Ich....keine Ahnung....“, sie blinzelte und sah ihn an. „Ich wurde lange nicht mehr beim Namen genannt. 0800...das ist die Nummer, die sie mir gegeben haben.“, Sie legte den Kopf schief, während sie scheinbar weiter überlegte. Und Ban fand es irgendwie doch etwas schockierend. Sie konnte sich nicht mal an ihren eigenen Namen erinnern!? Was zum Teufel hatte man mit der kleinen gemacht!? „Also...soll ich dich jetzt 0800 nennen?“, fragte er ein wenig irritiert und versuchte sich dabei an einem schiefen Grinsen. Er hatte ja schon mächtig verrückte Frauen in seinem Bett gehabt, aber das heute toppte echt alles.... „Ich kann mir auch einen anderen Namen für dich ausdenken, wenn du dich nicht mehr erinnerst! Oder du denkst dir selbst einen aus. Immerhin musst du damit ja leben.“ Ban versuchte einfach mit ihr zu reden, wie er sonst auch mit anderen redete. Vielleicht würde diese Lockerheit ihr helfen. Nur schien sie dennoch total durcheinander. Da schien selbst sein angedeutetes Grinsen nichts zu helfen. Aber sie schien weiter nachzudenken, schwieg nun aber eine ganze Weile. Er dachte schon sie würde nun gar nicht mehr mit ihm reden, allerdings sah sie ihn dann doch an. „Raikon“, das war es, was ihr über die Lippen kam. „Früher hat man mich mal so genannt.“ Früher!? Das klang als wäre es schon Ewigkeiten her... Aber gut. Raikon. Das war immerhin schon mal ein Anfang. Und Ban bemerkte sehr wohl, dass sie zwar noch immer angespannt war, aber dennoch schon ruhiger wirkte als vorhin noch. Sie schaute sich nicht mehr ganz so hektisch um und suchte auch nicht mehr so panisch nach Fluchtmöglichkeiten. Und das wiederum besänftigte irgendwie seine Kopfschmerzen. „Das hier...ist euer Lager?“, sie kaute sich auf der Unterlippe rum, ihre Augen schauten fragend. „Ist es hier sicher?“, fragte sie dann auch noch. „Was ist...mit diesen....“, scheinbar suchte sie nach dem richtigen Wort, erschauderte dann aber lediglich heftig und zog unbewusst die Decke enger um sich. Ban konnte es ihr nicht verdenken. Er wusste genau was sie meinte. Einen Moment flackerte ein gehetzter, ängstlicher Ausdruck in ihren Augen auf, ehe sie den Blick wieder abwandte. „Um die Slums herum gibt es einen recht massiven Zaun. Wir bewachen ihn ständig,“ begann er zu erklären. „bisher hat es noch keiner dieser Zombies hier rein geschafft.“ Und das würde er auch niemals zulassen. Die Hüttentür öffnete sich und erneut kam Virus herein. „Hier, das hab ich für dich mitgebracht. Zieh dich am besten an, dann wirds bestimmt wärmer“, er legte dem Mädchen die Kleider hin, sah Ban dann aber wieder an. „Ich werde draußen gebraucht“, erklärte er dann auch nur. „Ruft mich, wenn irgendwas ist.“ Und schon war er wieder weg. Raikon sah ihm nach, stand dann aber auf. Und einmal mehr an diesem Abend ging die Decke lautlos zu Boden und einmal mehr stand sie einfach nackt da. Weiche, glatte Haut, mit Narben geziert. Perfekte Proportionen, zierlich, schlank. Fast unwirklich... Im Gegenzug zu all der Zierlichkeit dann aber das verschnörkelte Tattoo an ihrer Hüfte, welches einen Drachen darstellte. Und sie schien sich kein Stück daran zu stören nackt vor ihm zu stehen. Es war, als konnte sie damit auch gar nichts anfangen. Ban hatte sie angestarrt, senkte den Blick nun aber rasch zu Boden. Okay, schon wieder war da dieses Gefühl der Überforderung... Dabei ließ er sich sonst eigentlich nicht so schnell von Frauen verunsichern, die in seiner Gegenwart jegliche bedeckende Stoffe von sich warfen... Er räusperte sich. „Passt es?“, fragte er, versuchte dabei auch höflich zu klingen. Er hörte wie sie sich anzog, wie sie die Klamotten zurecht zupfte. Abgewetzte Schuhe und zerschlissene Jeans. Ban sah vorsichtig auf und beobachtete sie. In dem zu großen Hemd verschwand sie regelrecht, die Ärmel krempelte sie sich behelfsmäßig ein Stück nach oben. „Mhm, wird gehen“, antwortete sie ihm dann auch endlich und rieb sich erneut über die Armbeuge. "Ein Zaun hm? Und das hält diese Viecher wirklich auf?" Sie klang unsicher und Ban konnte es ihr nicht verdenken. „Ja, er hält seit guten fünf Jahren,“ antwortete er. Wenn man ihn so hörte konnte man fast meinen er sei gekränkt, weil jemand an seinem 'Lebenswerk' zweifelte oder so etwas in der Richtung. Sie zog nur skeptisch eine schmale Augenbraue in die Höhe, war aber klug genug nicht noch weitere Zweifel zu äußern. „Dieser andere Kerl hat gesagt, ihr habt mich aus einem Transporter der Regierung geholt... Habt ihr den noch? Den Transporter meine ich.“ Raikon strich sich eine wirre Haarsträhne aus dem Gesicht, sah sich dann auch erneut in der Hütte um. Sie erspähte einen Stoffstreifen, griff sich diesen und band sich damit die Haare zurück, so dass ihr nur noch einzelne Strähnen ins Gesicht fielen. „Klar, der steht sicher irgendwo hier rum,“ bestätigte Ban ihre Vermutung nun nur. „Ich könnte dich sofort hinbringen wenn du mir versicherst, nicht wieder auf den nächstbesten Menschen loszugehen wie eine Furie!“ Sie schien seine etwas unverschämten Worte einfach zu übergehen. „Ich braue etwas aus dem Transporter.“ Ja gut...darauf war er jetzt auch schon von alleine gekommen. Raikon erspähte ein Messer und hatte es sich schnell gegriffen. Ban spannte sich an und beäugte sie misstrauisch. Allerdings ging sie nicht direkt wieder auf ihn los, sondern befestigte sich die Waffe am Gürtel, um anschließend aufzuatmen. Das Messer schien ihr eine gewisse Sicherheit zugeben. „Ich muss dringend etwas aus diesen Kisten holen,“ sie sah ihn durchdringend an. Ban erwiderte darauf nichts mehr. Er erhob sich lediglich und ging zum Ausgang seiner jämmerlichen Hütte. Sie folgte ihm. „Der Zaun hält seit fünf Jahren!?“ Vielleicht waren ihre Hirnwindungen noch etwas eingeeist. Jedenfalls brauchte sie manchmal echt etwas lang um zu verstehen, was er so zu ihr sagte. Oder er drückte sich einfach unverständlich aus. Konnte ja auch sein... „So lang geht das erst? Es kommt mir viel länger vor“, sie lächelte traurig und steckte sich die zitternden Hände in die Hosentasche. Scheinbar war sie nach wie vor noch nicht in der besten Verfassung. Sie sah noch immer reichlich mitgenommen aus, geriet jetzt auch leicht ins Schwanken und legte rasch eine Hand auf seine Schulter, um sich bei ihm abzustützen. „Mir dreht sich alles....“, nuschelte sie dann auch matt. Ban runzelte fast schon besorgt die Stirn. Wenn die ihm jetzt umkippte, durfte er sie zurück ins Bett schleppen. Zu seiner Erleichterung riss sie sich dann aber zusammen. Sie straffte die Schultern, ihre Hand lag auf dem Messer an ihrem Gürtel, während sie sich draußen etwas umsah. Es dauerte keine Minute bis sie den Transporter entdeckt hatte. War ja aber auch nicht schwer, immerhin war das Ding nicht gerade klein. Ban konnte ihr nurnoch nachsehen als sie sich schon in Bewegung gesetzt hatte und zu dem Fahrzeug rüber ging. Irgendwie wusste er echt nicht so ganz, was er von dieser Raikon halten sollte... Da verstehe noch einer die Frauen. Und dann noch so eine! Er schüttelte den Kopf, folgte ihr nun aber. Am LKW waren Wachen postiert, Raikon hatte sich vor eben diesen aufgebaut, starrte die jungen Männer einfach nur an. Einen Moment passierte nichts, dann traten die Wachen zur Seite, Raikon ging an ihnen vorbei, öffnete die Türen zur Ladeklappe und kletterte in den LKW. Ban konnte nur dumm daneben stehen. Er warf den Wachen einen bösen Blick zu, folgte dem Mädchen dann aber auf die Ladefläche. Sie hatte nur einen kurzen Moment gebraucht um zu finden was sie suchte. Viele der Sachen waren auch schon ausgeladen und weggebracht worden. Sie zog nun aber eine Metallkiste zu sich heran, öffnete das Zahlenschloss und hob den Deckel. Ban reckte sich etwas und erspähte eine Menge medizinisches Zeug. Ein Haufen Medikamente, Pillen, Pulver, Spritzen, Verbände, Pflaster, Tape.... Da war von allem etwas dabei. Raikon durchsuchte es scheinbar nach etwas ganz Bestimmten. Schwache Neugier regte sich in Ban. Er beobachtete die Situation weiter und es schockierte ihn nicht wirklich, als sie sich in Sekunden eine Spritze präpariert und in den Arm gejagt hatte. Jetzt wusste er wenigstens woher diese ganzen Einstiche kamen. Ganz toll... Eisgekühlte Drogen Queen! Das sowas aber auch immer ihm passieren musste! Das war schon fast zu abgefahren. Selbst für seine Verhältnisse. Obwohl... Eigentlich hatte er in der Vergangenheit indirekt schon öfter mit Drogen Sachen zu tun gehabt. Das schockierte ihn wirklich nicht mehr. Also doch nicht abgefahren. Er selbst hatte die Finger von solchem Zeug gelassen. Er war mehr der gewalttätige Kleinkriminielle gewesen. „Na wenn's nur das war...“, einen trockenen Kommentar konnte er sich da einfach nicht verkneifen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete Raikon, wie sie da in den viel zu großen Klamotten hockte. Dabei fiel ihm ein, dass es vielleicht mal an der Zeit war, dass auch er sich irgendwas nicht ganz so blutbesudeltes anzog... War ja kein Wunder, dass er Raikon so erschreckt hatte! Nur konnte er sie ja nun auch schlecht alleine lassen. Immerhin schien Virus sich darauf zu verlassen, dass er auf sie aufpasste. Raikon schüttelte den Kopf. „Nur das ist gut,“ sie sah zu ihm auf, steckte sich dann aber sämtlichen Vorrat dieses bestimmten Medikaments ein und griff sich dazu auch sämtliche Spritzen. „Ich krepiere, wenn ich das Zeug einfach von heute auf morgen absetzte.“ Gut, das behaupteten alle Drogensüchtigen... „Das ist das Zeug, was all diese Zombies da draußen fabriziert hat.“ Okay, das war dann doch mal was neues. Bitte was!? Was hatte sie da gerade eben von sich gegeben!? Der Unglaube war ihm scheinbar anzusehen, denn Raikon setzte direkt zu einer Erklärung an: „Das ist das Zeug, was all diese Monster geschaffen hat, die tot sind und es doch nicht sind...“ Sie schüttelte das Fläschchen mit dem Medikament in ihrer Hand, ehe sie es in die Hosentasche gleiten ließ und aufseufzte. „Uh....aber....,“ stotterte Ban verwirrt zusammen, als Raikon auch schon an ihm vorbei lief und aus dem Transporter kletterte. Das kaufte er ihr nicht ab. Das war nun wirklich zu abgedreht. Also folgte er ihr und blieb neben ihr stehen. „Deine Geschichte kannst du wem anderen erzählen.“ „Glaub es oder glaub es nicht,“ schien ihr relativ egal zu sein. „Denkst du die karren mich zum Spaß durch die Gegend? Ich bin immun gegen das Zeug, obwohl ich es brauche. Ich bin nicht tot oder dergleichen. Nicht wie diese Viecher da draußen.“ Raikon warf ihm einen Blick zu. „M-Gene testet ihre Medikamente an Menschen. Das ist bekannt. Ich komme aus einem ihrer Labore,“ sie schüttelte den Kopf. „Aber was red ich eigentlich. Du glaubst mir sowieso nicht.“ Und damit hatte sie verdammt nochmal Recht! Was auch immer das Mädel sich so spritzte, es war definitiv zu viel davon! Raikon sah sich aufmerksam um, schien die Lage zu erfassen. Mehrere Wachen rund um den Zaun, ein paar wenige Leute zwischen den Hütten. Es war noch früh, das Lager erwachte erst allmählich. Langsam wurde es heller, aber noch herrschte Dämmerlicht. „Mh....scheint ein Kampf stattgefunden zu haben,“ Raikon nickte zu einer Ecke des Zaunes. Außerhalb des abgesperrten Bereiches lagen ein paar leblose Körper am Boden. Blut sickerte in die Erde. Diese schrecklichen Mutanten lagen mit verdrehten Körpern am Boden. Tot. „Sind nicht viele,“ Raikon zählte siebten Stück. Das waren wirklich nicht viele. „Sieht so aus als hätten sie keine Chance gehabt. Euer System scheint zu funktionieren.“ „Natürlich funktioniert es,“ erwiderte Ban darauf nur. So langsam begann er echt eine leichte Abneigung gegen diese Braut zu spüren... Dadurch das Virus in eben diesem Moment wieder auftauchte konnte er sich eine Diskussion mit ihr aber sparen. „Das nennst du aufpassen!? Ich glaube nicht, dass es so gut ist, wenn sie hier so rum stiefelt!“ Virus' Blick war streng. Er runzelte die Stirn als er sah, wie das Mädchen erneut leicht schwankte. Ban murrte. Nett, dass der Chef sich auch mal blicken ließ! Raikon hatte sich inzwischen abgewandt, wollte sich scheinbar noch etwas umsehen. Ban beachtete es nicht. „Ich glaube, die hat nen kleinen Schaden...,“ murrte er nur und sah Virus dabei finster an. „Zumindest ist sie ziemlich undankbar,“ fügte er hinzu und schnaubte abfällig. Da rettete man ihr praktisch das Leben und hörte kein einziges "Danke" von ihr! So langsam war sie bei ihm echt unten durch. Er fragte sich schon wie lange sie noch bleiben würde. Ob sie überhaupt bleiben wollte. Wahrscheinlich nicht, so wie die drauf war. Virus runzelte nur die Stirn. „Du magst sie nicht unbedingt eh?“ Nein verdammt! Aber eigentlich mochte Ban niemanden so schnell auf Anhieb... Der Bandenchef seufzte. „Lass sie. Gib ihr Zeit. Ich glaube sie weiß noch gar nicht wirklich was hier so abgegangen ist,“ Virus schüttelte den Kopf, fluchte dann aber auch leise und eilte zu dem Mädchen rüber, welches so eben gefährlich schwankte und einen Moment später tatsächlich in sich zusammen sackte. Virus fing sie auf. Sie war erstaunlich leicht. Er sah zu Ban rüber, ehe er Raikon hochhob. Sie sank in seinen Armen zusammen, ihr Kopf lehnte gegen seine Schulter. „Ban! Sie hat Fieber,“ wunderte Virus eigentlich nicht. Immerhin war sie ein lebender Eisklotz gewesen. „Sie muss unbedingt wieder ins Bett.“ „Dann trag sie doch hin,“ meinte Ban daraufhin nur. Denn eigentlich hatte er keine Lust sich noch weiter um sie zu kümmern. Er war schon dabei sich abzuwenden, seufzte dann aber auf. So schlecht er auch ab und zu gelaunt sein konnte - was er in letzter Zeit öfter war als gewöhnlich - er hatte Virus noch nie sitzen lassen. Verdammt aber auch! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)