Coming Out 2 von Shunya (Anders als du denkst) ================================================================================ Kapitel 5: Wer begreift, was er fühlt, kann für sich handeln. ------------------------------------------------------------- Nach einer halben Ewigkeit, wie es mir erscheint, stehe ich wieder vor meinem Zimmer. Ich schiele zur verschlossenen Tür von Nicholas und senke meinen Blick. Unschlüssig liegt meine Hand auf dem Türknauf und nur widerwillig stecke ich meine Karte in den Schlitz, so dass die Tür sich mit einem Klicken öffnet. Ich betrete den Raum und Connor sieht zu mir auf. Er ist bereits verarztet, sieht aber noch ziemlich mitgenommen aus. Ich schließe die Tür hinter mir und lege die Karte auf den kleinen Nachttisch neben meinem Bett. Langsam ziehe ich mich aus und spüre seinen Blick auf mir, ignoriere es diesmal jedoch. Ich bin völlig fertig mit meinen Nerven und will einfach nur noch schlafen und an gar nichts mehr denken müssen. Lediglich mit Boxershorts bekleidet, verkrieche ich mich unter der Decke und ziehe sie mir über den Kopf. „Willst du nicht reden?“, fragt Connor mich mit ruhiger Stimme. Ich gehe nicht darauf ein. Ich kann seine Matratze leise quietschen hören und wie er zur Tür geht. „Ich gehe runter ins Restaurant. Ich bringe dir nachher was zum Essen mit.“ Er schaltet das Licht aus und verlässt den Raum. Erst als es mucksmäuschenstill im Zimmer ist, entspanne ich mich ein wenig, kuschele mich in meine Decke und schließe ermattet meine, vom vielen Weinen, brennenden Augen. Als ich wieder aufwache ist es bereits Mittag. Von Connor keine Spur, aber auf dem Tisch steht eine Packung mit Keksen. Mir fällt der Zettel auf und neugierig klettere ich aus dem Bett und gehe zum Tisch. Ich beuge mich über den Zettel und stelle fest, dass Connor eine saumiese Schrift hat. Nur mit Mühe kann ich den Inhalt entschlüsseln. Wie es scheint sind die anderen schon unterwegs und machen die Stadt unsicher. Zum Glück verpasse ich nur das Shoppen. Wäre echt schade, wenn ich die Sehenswürdigkeiten nicht mitansehen könnte. Weiter unten steht noch etwas, was mich stutzen lässt. „Nicholas ist von allen Aktivitäten ausgeschlossen und bleibt bis zur Abreise im Hotel...“, lese ich leise und mein Herz macht einen Hüpfer. Er ist also jetzt im Moment auch hier? Dann kommt mir allerdings alles wieder in den Sinn und meine Miene wird düster. Er will mich ja sowieso nicht mehr sehen, immerhin hat er mich aus dem Zimmer gejagt. Ich setze mich deprimiert auf einen der beiden Stühle und öffne die Tüte mit den Keksen. Ich fische nach einem Schokoladenkeks und stecke ihn mir abwesend in den Mund. Irgendwie habe ich mir den Trip nach London schöner ausgemalt. Ich wollte doch so viel machen und jetzt bin ich nur am Heulen und stecke zwischen zwei Jungs, die mir beide gefallen, aber der Zwiespalt, in dem ich mich befinde, bringt mir auch nur Schuldgefühle ein. Ich sehe aus dem Fenster. Das Wetter ist immer noch nicht besser. Geregnet hat es zwar nicht, aber es ist stark bewölkt und düster. Ich stehe mit meiner Tüte in der Hand auf und gehe zum Lichtschalter, denn ich habe keine Lust noch länger in der Dunkelheit zu sitzen. Ich schalte den Fernseher ein und zappe gelangweilt durch die Kanäle, nachdem ich es mir in meinem Bett gemütlich gemacht habe. Meine Gedanken driften ab zu Nicholas, der nur ein paar Zimmer weiter wahrscheinlich genauso abhängt und nichts mit sich anzufangen weiß. Ich kenne ihn ziemlich gut und kann mir vorstellen, dass es ihn in dem Zimmer nur einengt und er wie ein Tiger gefangen in einem Käfig unruhig hin und her läuft. Ein leichtes Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht bei dem Vergleich. Mir macht so etwas eher wenig aus, ich mache selbst in meiner Freizeit nicht sehr viel. Meistens hänge ich streberhaft über meinen Schulbüchern oder ich hänge eben mit Monty im Garten herum. Seufzend denke ich an meinen Hund. Hoffentlich kommt er auch ohne mich in der Tierpension klar und verträgt sich mit den anderen Hunden? Er ist ja ein friedlicher Hund, eigentlich sollte ich mir da eher weniger Sorgen machen. Was würde ich dafür geben, wenn mir jetzt mein Wischmop Gesellschaft leisten würde. Dann wäre ich hier nicht so alleine im Zimmer, denn auf irgendjemand anderen habe ich jetzt einfach keine Lust. Ich ziehe meine Beine an und schlinge meine Arme darum herum. Zwischen meinem Bauch und meinen Beinen befindet sich die Kekstüte und hin und wieder landet ein Keks in meinem Mund. Im Fernsehen läuft ein alter Krimi auf Englisch. Leider sprechen die Leute viel zu schnell, so dass ich nur die Hälfte aufschnappen und der Handlung kaum folgen kann. Soll ich jetzt bis heute Abend hier im Zimmer versauern? Ich meine, ich bin hier in London! Ich bin mein erstes Mal im Ausland! Wieso sollte ich das nicht mal ausnutzen und mir die Stadt ansehen? Nur weil die anderen unterwegs sind, heißt das doch nicht, dass ich hier bleiben muss. Den Weg zurück finde ich auch schon, zur Not frage ich einfach jemanden nach dem Weg. Gesagt, getan. Ich stehe vom Bett auf, ziehe mir frische Klamotten an und ziehe mich warm an. Ich schnappe mir meinen Rucksack und stecke die Kekse hinein. Meine leere Getränkeflasche fülle ich im Badezimmer mit Wasser auf und abenteuerlustig verlasse ich mein Zimmer. Ich laufe den Gang entlang und bleibe vor Nicholas Tür stehen. Kopfschüttelnd gehe ich daran vorbei und verlasse das Hotel. Draußen empfängt mich die frische und kühle Luft. Na, da haben wir uns ja einen tollen Zeitpunkt für die Klassenfahrt ausgesucht. Fröstelnd stecke ich meine Hände in die Jackentaschen und sehe mich um. Ich schlendere einfach los, ohne vorher auf den Umgebungsplan zu sehen, den ich mir im Hotel mitgenommen habe. Die Passanten laufen hastig an mir vorbei und scheinen es hingegen eher eilig zu haben. Klar, wer will schon bei dem schlechten Wetter lange draußen bleiben? Ich gehe an einigen Geschäften vorbei und blicke durch die großen Fenster in die Auslagen. Schmuck, Kleidung und allerlei andere Dinge lenken ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ständig lasse ich mich ablenken und laufe von einem Schaufenster zum nächsten. Nach einiger Zeit stehe ich vor einer kleinen unscheinbaren Buchhandlung. Ein Blick auf die Bücher sagt mir, dass es wohl eher ältere Bücher und Raritäten gibt. Neugierig betrete ich den Laden und seufze wohlig auf, als mich die warme Luft umgibt. Es riecht nach Büchern und überall wohin ich auch sehe, sind Bücherstapel, weil die Regale schon überfüllt sind. „Welcome, feel free to look around!“, ruft mir ein älterer Mann in unauffälliger, dunkler Kleidung mit weißem Bart entgegen. Er steht auf einer Leiter und sortiert Bücher in ein Regal ein. Dabei wirbelt er eine Menge Staub auf und muss husten. Die Leiter wackelt gefährlich und ich kriege schon das bange Gefühl, dass er jeden Moment herunter stürzt. Zum Glück passiert dem Greis nichts und seelenruhig geht er seiner Tätigkeit nach, als gäbe es nichts Wichtigeres zu tun. „Thanks...“, murmele ich und sehe mich um. Etwas erschlagen, weiß ich gar nicht womit ich zuerst anfangen soll und greife spontan nach dem erstbesten Buch. Der Einband sieht sehr alt und mitgenommen aus, als wäre das Buch bereits durch viele Hände gegangen. Bestürzt bemerke ich, dass einige Seiten lose sind. Will der Mann das Buch in dem Zustand verkaufen? Das wird er doch niemals los! Ich blättere ein wenig darin herum und bekomme kaum mit wie die Zeit vergeht, weil mich das Buch mit der Zeit immer mehr in seiner Geschichte gefangen nimmt. Ich schrecke auf, als plötzlich eine Hand neben mir auftaucht und eine Tasse dampfenden Tees auf den kleinen Tisch neben mir hinstellt. „There is a chair.“ Der Greis deutet auf einen Schaukelstuhl, der nicht sehr einladend aussieht, trotzdem setze ich mich darauf und stelle fest, dass es gemütlicher ist, als es aussieht. „Heute muss ich ziemlich oft hinter die Fassade blicken...“, murmele ich lächelnd und greife nach der Teetasse. Es duftet nach Orange. Die Tasse zum Mund führend, halte ich inne. Hat das irgendwie etwas zu bedeuten? Hinter die Fassade blicken? Hinter wessen Fassade soll ich blicken? Ich trinke langsam den heißen Tee und zucke mit den Schultern. Hat wohl doch nichts zu bedeuten. Der alte Mann lässt sich nicht mehr blicken, aber ich kann einige Geräusche im hinteren Teil der kleinen Buchhandlung hören. Ich mache es mir gemütlich und lese weiter in dem Buch. Dass es so fesselnd ist, damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Die Lampe flackert leicht und ich sehe nach oben an die Decke. Eine Fliege schwirrt um die Glühbirne herum. Mir kommt ein Gedanke, der sich immer breiter in meinem Kopf macht. Hastig sehe ich auf die Uhr und zu meinem Schrecken ist es schon Nachmittag. Ob die anderen noch unterwegs sind? Ich habe ja überhaupt keine Nachricht dagelassen. Nicht, dass sie noch nach mir suchen. Ich stehe auf und arbeite mich zum hinteren Teil durch, was gar nicht so einfach ist, denn überall sind Bücherstapel im Weg und lauter kleine Beistelltische, die ebenfalls voller Bücher sind. Der alte Mann wischt munter Staub und feudelt damit eine ganze Menge Staub auf. Es kribbelt in meiner Nase und der Staub kriecht in meinen Hals, so dass ich husten muss. „Excuse me! I want to buy this book!“, rufe ich ihm zu, als er mich noch immer nicht wahrgenommen hat. Der alte Mann, lässt den Staubwedel in seiner linken Hand sinken und sieht mich freundlich lächelnd an. „Of course! Wait a moment, please.“ Er wendet sich von mir ab und geht zu dem Tresen mit der altmodischen Kasse darauf. Ich lege ihm das Buch hin und er sucht nach dem Preisschild. „Hm... there is no price tag...“, stellt er verwundert fest und überlegt kurz. Er reibt seinen Bart zwischen Daumen und Zeigefinger und runzelt die Stirn. „5£!“, meint er dann. „What? But the book is in such a bad condition!“, erwidere ich aufgebracht. Umgerechnet sind das etwa 5-6€, die ich dafür ausgeben müsste. Da kann ich mir auch gleich ein neues Buch kaufen. „3£!“, versuche ich den Preis herunterzuhandeln. Der Mann überlegt kurz. „4£!“, meint er dann und streckt mir vier Finger entgegen. Grummelnd tippe ich auf den Tisch. „The pages are loose and the book is old!“, versuche ich ihm klar zu machen. „Ah, maybe I should go to another store...“ „Okay, 3£!“, meint er alte Mann und gibt sich geschlagen. Zufrieden lächele ich ihn an und drücke ihm meine 3,50€ in die Hand. Erst sieht er mich stirnrunzelnd an. „I'm sorry, but I'm not accepting Euros. You have to pay in Pounds.“, meint er dann kopfschüttelnd. Verlegen starre ich auf meine Hand. Daran habe ich jetzt nicht gedacht, dass ich mein Geld auch noch umtauschen muss. Ich stecke das Geld wieder in meine Geldbörse und sehe auf meiner Unterlippe knabbernd auf das Buch. „You can work here. Two hours and you can keep the book.“, schlägt der alte Mann mir vor. Hoffnungsvoll sehe ich zu ihm auf. Ich habe die Chance das Buch kostenlos zu bekommen und was sind schon zwei Stunden? Ich nicke hastig und er kommt hinter dem Tresen hervor. „What's your name?“, fragt er mich neugierig. „Alan. I'm visiting London with my class. We're staying here for three days.“, erzähle ich ihm und lasse mir einen Stapel Bücher in die Hand drücken. „It's good to travel to other countries. I travelled a lot with my beloved wife, before she died. Now my children are grown up and living their own lives, but I really like this old bookstore.“, erzählt mir der alte Mann und ich folge ihm so gut es eben geht. Mit den Büchern auf den Armen, bahne ich mir mühsam einen Weg durch den engen Gang und spüre ein bekanntes Kribbeln in der Nase. „Yes, it's a great bookstore!“, erwidere ich lächelnd und halte ihm die Bücher entgegen, so dass er sie mir abnehmen und in die Regale legen kann. „So, what is it, that's worrying you?“, fragt der alte Mann mich auf einmal. Erstaunt und auch ein wenig ertappt sehe ich ihn an. „Is it that obvious?“, frage ich betrübt. Er nickt und nimmt mir die letzten Bücher ab. „I had a fight with my friend. I made a mistake and now he hates me.“, erzähle ich und lasse absichtlich einige Details außen vor. Der Greis nickt und wiegt den Kopf nachdenklich hin und her. „You should apologize to him.“ „I did that already...“, erwidere ich kopfschüttelnd. Es hilft ja alles nichts, wenn ich es schon versucht habe, wenn auch nicht so hartnäckig, wie ich es mir gewünscht hätte. „Don't give up! Maybe you'll get the chance to make up for it? You're friends, so you shouldn't hate each other. That's really not good. Hate is never good...“, meint er abwesend und rückt ein paar Bücher im Regal zusammen. Ich nicke und würde es ja auch gerne wiedergutmachen, aber mir fällt einfach nichts ein. Kann man so einen Fehler überhaupt wiedergutmachen? Kann Nicholas mir dafür vergeben? Ich wollte die ganze Zeit nur weg von ihm, zumindest habe ich das gedacht. Momentan bin ich mir da nicht mehr so sicher. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schmerzhaft sein kann, von jemandem verjagt zu werden, mit dem man bisher so viel Zeit verbracht hat. Wie kann es denn so schmerzhaft sein, wenn ich ihn nicht einmal liebe? „Alan?“ „Ah, it's nothing!“, meine ich hastig, aufgeschreckt aus meinen Gedanken. Ich sehe den alten Mann lächelnd an, während er mir nur grinsend den Staubwedel in die Hand drückt. Ich seufze und mache mich notgedrungen an die Arbeit. Mit viel niesen und husten komme ich nur langsam voran und wahrscheinlich bin ich dem Mann keine allzu große Hilfe, aber was tut man nicht alles um ein kostenloses Buch zu kriegen? Es ist ja nicht so, dass ich unbedingt wieder zurück ins Hotel will. Auf Nicholas und Connor kann ich jetzt gut verzichten und auf den Rest meiner Klasse. Die stellen bestimmt nur dumme Fragen, auf die ich jetzt überhaupt keine Lust habe. Ich wedele den Staub von den Regalen und sehe hinterher nicht gerade besser aus als die Regale und Bücher. Seufzend sehe ich auf meine dunklen Klamotten an denen der Staub nun gut sichtbar ist. Mein Blick fällt auf die alte Standuhr neben der Tür und auf das große Pendel. Die Zeit will irgendwie gar nicht verstreichen und ein Blick nach draußen macht die Freude auf den Rückweg auch nicht gerade besser. Es regnet in Strömen. Aus dem hinteren Bereich kann ich plötzlich Stimmen hören und horche angestrengt. Scheinbar hört sich der Mann Nachrichten im Radio an. Ich kümmere mich nicht weiter darum und gehe meiner neuen Beschäftigung nach. Nach mehreren Tassen Tee, einem dreckigen Äußeren, dafür aber einer einwandfrei sauberen Buchhandlung, gehe ich zufrieden mit meinem Buch in einer Tüte, zurück zum Hotel. Es nieselt nur noch leicht und die Wolken lichten sich endlich ein wenig. Als das Hotel in Sicht kommt, werde ich langsamer und ein nervöses Kribbeln macht sich in meinem Bauch breit. Was mich wohl erwarten wird? Ob die Lehrer schon mitbekommen haben, dass ich einen Alleingang gemacht habe? Ich betrete das Hotel und bin froh, niemandem zu begegnen. Ich biege um die Ecke, in den nächsten Gang ein und kriege beinahe einen Herzinfarkt. „Da ist er ja!“, meint ein Mädchen aus meiner Klasse und die versammelte Mannschaft dreht sich zu mir um. Das schien ja doch für einen ziemlichen Aufruhr gesorgt zu haben. „Äh, hi...“, erwidere ich beschämt und halte die Tüte mit dem Buch eng an mich gepresst, als würde sie mir jemand wegnehmen wollen. „Wir haben uns schon Sorgen gemacht!“, meint Connor aufgebracht und kommt auf mich zu. Er umarmt mich und unfähig mich in seinem Klammergriff zu bewegen, bleibe ich stehen und lasse es über mich ergehen. „Tut mir Leid...“, erwidere ich leise. Ich wollte ihnen ja keine Sorgen bereiten, wobei meine Mitschüler nicht sonderlich besorgt aussehen, sondern eher neugierig und nach einer Meute, die einfach gerade nichts besseres zu tun hatte und nun eben hier nach Abwechslung sucht. „Nun gut, einer ist schon mal wieder da. Fehlt nur noch der andere.“, meint unser Lehrer und verwirrt sehe ich zu Connor, der mich endlich mal wieder loslässt. „Wer fehlt denn?“, frage ich ihn. „Nicholas.“ Verwirrt sehe ich ihn an. Nicholas ist doch auf seinem Zimmer. Connor seufzt. „Unser Lehrer wollte nach unserer Rückkehr direkt nach ihm sehen und noch mal mit ihm reden, aber da war er schon weg. Keiner weiß wo er ist.“ Entsetzt sehe ich ihn an. Heißt das etwa, dass Nicholas ganz allein irgendwo in London herumläuft? Was hat er sich nur dabei gedacht? Was ist, wenn er sich verläuft oder sich noch verletzt? Besorgt schwirren mir allerlei Bilder im Kopf herum, was ihm passiert sein könnte und die meisten sehen ziemlich blutig aus. Wieso ist er eigentlich abgehauen? Hatte er den selben Einfall wie ich? Oder wollte er mit mir reden und weil ich nicht dagewesen bin, sucht er mich jetzt? Besorgt drehe ich mich um und will das Hotel verlassen, doch Connor hält mich am Arm fest. Ich sehe zu ihm zurück. Skeptisch sieht er mich an. „Wieso willst du nach ihm suchen? Hat er dir nicht schon genug Ärger gemacht?“, fragt er verständnislos. „Aber er kennt sich hier doch gar nicht aus! Was ist, wenn er den Weg nicht mehr zurück findet?“, erwidere ich hartnäckig und sehe Connor herausfordernd an. Er lässt meinen Arm los und schüttelt den Kopf. „In Wirklichkeit weißt du nicht mal selbst was du eigentlich willst! Du hängst einfach nur an eurer Beziehung, obwohl du ihn nicht mal liebst! Eure Beziehung hat doch keine Zukunft!“, meint er aufgebracht. Ich sehe Connor überrascht an. „Und wer gibt dir das Recht das zu beurteilen? Wie willst du es wissen?“ „Falls ich dich daran erinnern darf, wir hatten Sex miteinander!“, raunt Connor mir nun etwas leiser zu, damit es nicht alle mitkriegen. „Ja und es war ein Fehler!“ Connor sieht mich ausdruckslos an. „Also hast du mich nur benutzt?“, fragt er lauernd. Ich zucke zusammen und sehe ihn erschrocken an. Ich habe ihn nicht benutzt. Der Gedanke ist mir anfangs zwar schon gekommen, aber für einen kurzen Moment war ich bereit mich auf ihn einzulassen. Ich habe einfach keinen anderen Ausweg mehr gesehen und dann war Connor plötzlich da. „Hast du mich nicht auch benutzt?“, frage ich ihn. Connor lacht höhnisch auf. „Ich habe dich nicht benutzt, es war mir ernst mit dir!“ „Ich dachte, ich kann mich auf dich einlassen, aber es geht einfach nicht. Ich brauche Nicholas. Ich weiß, dass ich vielleicht nicht unbedingt mit ihm glücklich werden kann, zumindest so wie ich es mir vorgestellt habe, aber da ist irgendetwas das mich davon abhält, mich von ihm trennen zu wollen.“, versuche ich Connor zu erklären. „Es klingt komisch und ich verstehe es selbst nicht so richtig, aber ich will einfach nur bei ihm sein. Ich will ihn finden, verstehst du?“ „Nein, ich verstehe gar nichts!“, murrt Connor wütend. Ich sehe ihn hilflos an. „Es tut mir Leid, dass ich dir Hoffnungen gemacht habe. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich wollte mich wirklich auf dich einlassen. Ich hatte gedacht, dass ich dich lieben kann, aber das habe ich auch bei Nicholas gedacht. Ich bin einfach so verwirrt, ich weiß nur, dass ich jetzt zu ihm will und ich muss wissen, ob es ihm gut geht. Ich mache mir Sorgen um ihn...“ Den Tränen nahe, sehe ich Connor in die Augen. Er ist enttäuscht von mir, dass kann ich ihm ansehen. Ändern kann ich es jedoch nicht. „Alan, ich bin kein Spielball und ich bin auch nicht bereit, dich einfach so aufzugeben!“, meint er plötzlich stur. Ich lächele ihn matt an. „Du bist ein toller Kerl und du hast jemanden verdient, der dich wirklich liebt, Connor.“, erwidere ich, drehe mich um und laufe den Gang entlang, heraus aus dem Hotel und auf die Straße. Kühle Luft schlägt mir entgegen und hastig sehe ich mich um. Wie soll ich nur wissen, in welche Richtung Nicholas gelaufen ist? Da ich keine Ahnung habe, renne ich einfach los, sehe mich überall um und lasse keine Straße und Gasse aus. Ich mache mir wirklich Sorgen um ihn. Wo steckt Nicholas bloß? Ziellos laufe ich durch die Gegend und bleibe vor den Treppen einer U-Bahn stehen. Hilflos sehe ich mich um und habe einfach keine Ahnung, wo er sein könnte. Ob Nicholas längst wieder im Hotel ist? Ich hätte doch dort warten sollen. Ich will mich gerade umdrehen, als jemand mich unsanft anrempelt. Ich verliere mein Gleichgewicht und taumele überrascht zurück. Mein Fuß rutscht über den Rand der Stufe, die zur Treppe nach unten führt und plötzlich falle ich. Mein erschrockener Schrei, weckt die Aufmerksamkeit der Passanten, doch noch bevor mir auch nur irgendjemand helfen kann, stürze ich die Treppe herunter. Mir gelingt es nicht den Fall aufzuhalten und mühsam versuche ich meinen Kopf zu schützen. Es geht alles so schnell und ich bekomme kaum etwas um mich herum mit. Unten angekommen liege ich zitternd und schwer atmend auf dem kalten Boden. Die Schmerzen sind unerträglich und ich bin kaum in der Lage mich zu bewegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)