Don't die in front of the Idiots von Bleeding_Rose ================================================================================ Kapitel 6: Wie konnte mir das nur passieren ------------------------------------------- „Es ist ärgerlich! Wirklich ärgerlich!“ Jetzt rede ich schon mit mir selbst, wegen diesem Vorfall. Er geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Dieses Mädchen geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Irgendwoher kenne ich sie… Ach, das ist doch zum Haare aus reißen! Und es hält mich von meiner Arbeit ab. Wie konnte ich sie nur aus den Augen verlieren! Was mir aber wirklich zu schaffen macht ist dieser Kerl. Er wurde offenbar von ihr mit einer Waffe bedroht und half ihr dann zu entkommen. Verwirrend ist auch die Leiche. Hat einer von denen sie umgebracht? Warum hat derjenige ihr das Gesicht weggeschossen? Diese und noch mehr Fragen jagen in meinen Gedanken umher. Ich habe heute noch nicht mal eine Akte aufgemacht. Ich sitze hier seit sechs Stunden und denke nur nach. Ich bräuchte eine Beschäftigung, etwas das mich ablenkt. Da klopft es an der Tür. Ich bitte die Person herein. Es ist wie sooft Reiko. „Herr Inspektor, wir haben eben einen Auftrag herein bekommen. Es geht um den Schauspieler Ryoichi Matsumoto. Er ersucht Geleitschutz wegen einem Drohbrief, in dem steht, dass der Absender ihn umbringen will.“ Sie ist sichtlich aufgebracht. Es ist wohl ihr erster Fall dieser Art. Für mich ist es die ersehnte Ablenkung. „Ich übernehme das. Sie stellen ein Team zusammen. Wir treffen uns in Fünf Minuten unten an der Bushaltestelle. Wo befindet dieser Ryoichi Matsumoto sich derzeit?“ „Im Sei-Izuyama-Theater.“ „Das ist nicht weit von hier.“ Na dann mal los. Ich schnappe mir alles was ich brauche und warte unten an der Haltestelle. Da kommen sie schon. Reiko ist auch mit dabei. Das Theater ist bald erreicht. Ein leicht zu überwachendes Gebäude. „Sie, sie und sie bewachen die Saaleingänge. Sie und Sie die Hintereingänge. Zwei von den Übrigen werden sich im Publikum platzieren. Der Rest kommt mit mir in die Garderobe. Wir werden den Schauspieler direkt bewachen.“ Alle nicken. Ich liebe es herumzukommandieren! (Reiko kommt natürlich mit mir mit.) Nun aber genug, es geht hier schließlich um das Leben eines Menschen. Da fällt mir ein, während wir in alle Richtungen davon stürmen, dass es in den letzten Tagen gar keine Todesopfer gegeben hat. Sehr merkwürdig… Wir treffen bereits im Flur auf den Schauspieler. Von nun an folgen wir ihm auf Schritt und Tritt. Ach, da hab ich mir was eingebrockt! Dieser ´Superstar` schwafelt die ganze Zeit über sein ach so dramatisches Leben. Wie anstrengend es doch sei auf der Bühne zu stehen, und das nur als Nebenpart des Hauptdarstellers. Und rund um die Welt zu reisen (und dabei Geld zu scheffeln.) Ja, wirklich anstrengend denke ich mir. Er sollte mal als Kellner in einem Drogenviertel arbeiten. Das ist sogar noch schlimmer als ein Polizist zu sein. Man muss damit rechnen jeden Tag abgemurkst zu werden. Ja, ja, die guten alten Zeiten. Damit hab ich mir mein Studium finanziert. Ob es die Bar wohl noch gibt? „Was meinen sie, weshalb ihn jemand umbringen will?“, fragt mich Reiko leise. „Ich schätze mal es geht um eine Familienangelegenheit.“ „So, wie kommen sie darauf?“ Man konnte es sich eigentlich sofort zusammen reimen. Neben dem üppigen Blumenstrauß (von einem Fan) stehen liebevoll eingerahmte Bilder. Auf ihnen erkennt man immer die gleiche Frau. Ein paar andere Leute sind zwar auch darauf, aber sie steht im Mittelpunkt. „Die Bilder dort. Ich denke mal es gab da so einen Vorfall.“ Das ist bei den meisten Schauspielern so. Entweder Mutter tot, oder Vater tot, oder Bruder tot… Irgendwer ist immer tot. In diesem Fall wahrscheinlich die Mutter oder Schwester. „Vermutlich konnte seine Familie noch dazu nicht akzeptieren, dass er diesen Job gewählt hat. Vielleicht, nur mal so in den Raum gestellt, ist seinem Vater eine Sicherung durchgebrannt.“ Ich kann das nachfühlen. Ich wurde auch verstoßen, weil ich mit Vierzehn nicht mehr der Folgsame war, der zu allem Amen gesagt hatte. Zu der Zeit hat mich keiner verstanden, weshalb ich dann auch abgehauen bin. „Aber das sind nur Vermutungen. Es könnte auch ganz anders sein…“ Das heißt: weitersuchen und alles in Betracht ziehen. „Ich würde mich gerne für die Generalprobe fertigmachen. Wenn sie so freundlich wären und mich alleine lassen würden.“, sagt Matsumoto. „Ich bin sicher nicht darauf aus sie in Unterwäsche zu sehen. Sie hoffentlich auch nicht Frau Polizistin?“, wende ich mich an Reiko. Sie macht ein entgeistertes Gesicht und ist peinlich berührt. (Glaubst du ich hätte das nicht bemerkt?) Ich lass das jetzt einfach so im Raum stehen und entferne mich schmunzelnd, mit einer Kippe im Mund. Jetzt hat mich die Erinnerung an mein früheres Leben ein wenig zum Zyniker gemacht. Ich gehe in den Saal, wo bereits Kulissen aufgebaut werden und Proben stattfinden. Dieser Raum gefällt mir. Obwohl er nicht viel anders als anderer Theatersäle ist: Wände und Boden sind mit rotem Samt ausgekleidet. Dieser schluckt nicht gewünschte Hintergrundgeräusche. Außerdem wenn das Licht aus ist, wird die rote Farbe zu einem einheitlichen, tiefen Schwarz. Wenn ich so was zu Hause hätte, würde ich wahrscheinlich nie wieder aus meinem Bett kommen. Ich schmunzle. Dornröschen, mal ganz anders. Bis zur Aufführung habe ich ein halbes Päckchen Zigaretten verbraucht. Ich sollte sparsamer damit um gehen. Ich stehe jetzt hinter der Bühne und rauche, ganz heimlich, die vorsätzlich Letzte für heute. Komplett damit aufhören (womit mich Reiko immer nervt) könnte ich gar nicht mehr. Wenn man früh damit anfängt ist es fast unmöglich. Man schafft es nur dann, wenn man einen starken Willen hat. Ich will damit nicht sagen, ich hätte diesen nicht! Es ist einfach eine Marotte von mir, die ich mir zugelegt habe um meinem Vater eins auszuwischen. Dieser Kontrollfreak… Der Ansager verkündet den Beginn der Show. Jetzt aber schnell. Am Seiteneingang steht nämlich Reiko. Nachdem ich die Kippe unauffällig verschwinden lasse, geselle ich mich zu ihr. „Hallo, Herr Inspektor“, sagt sie und schaut dann den Leuten auf der Bühne zu. Ihr ist wohl die Sache von vorhin noch immer peinlich. Jetzt komme ich mir dumm vor, aber ich finde es irgendwie amüsierend. „Sie wissen, dass das vorher nicht ernst gemeint war?“ „Hm?“ Sie lacht. „Das weiß ich doch. Machen sie sich darum keinen Kopf.“ Sie sieht wieder auf die Bühne „Wie finden sie das Stück?“ „Was? Ich…ähm…“ „Ich verstehe. Hach. Kulturbanause.“, murmelt sie neben mir. Nun bin ich an der Reihe zu lachen. „Meinen sie? Ich würde sagen diese Neufassung des Stücks ist gut gelungen. Mal sehen wie es weiter geht.“ Es geht weiter. Ich glaube wir sind jetzt bei dem dritten Akt. Für mich ist es schon der Zehnte. „Und?“, fragt mich Reiko schon wieder. „Diese Sache mit dem Engel ist ein wenig übertrieben, meinen sie nicht?“ Als ob es nicht schon reicht, dass der blonde Hauptdarsteller als Geist herumläuft. „Nein, das macht alles irgendwie abgerundet.“ Sie schmunzelt mich an. Nach ein paar unerträglich langen Minuten findet dieses Stück ein Ende. Die Leute klatschen, sind begeistert. Nichts ist passiert. Kein Überfall, kein Mord, keine Toten. So könnte ich mir meinen Job gut vorstellen… Aber um auf Nummer sicher zu gehen werde ich Matsumoto für heute noch beschatten lassen. Die Schauspieler verlassen die Bühne. Ich beschließe mir von dort noch einmal die sich davon machende Menge anzusehen. Vielleicht finde ich doch einen Verdächtigen. Ich stehe ganz außen an der Seite, gerade so dass ich was sehen kann. Mein Blick schweift umher. Alles sieht normal aus. Keine Auffälligkeiten. Dann bleibt mein Blick an jemanden haften. Das kann doch nicht… Ist das nicht… dieser Typ von letztens. Ich könnte schwören, er ist es. Ich bin mir nur nicht ganz sicher. Er geht aus dem Saaleingang. Jetzt verliere ich ihn. ´Nicht denken, machen! ´, hallt das Motto meines alten Partners in meinem Kopf. Also mache ich. Ich springe von der Bühne und dränge mich durch die Menschenmasse. Im Foyer blicke ich mich um. Ich habe ihn verloren, wieder. Das lasse ich nicht auf mir sitzen! Ich spurte nach draußen. Doch auch dort finde ich ihn nach langem Umsehen nicht. Schritte nähern sich. „Was ist los? Haben sie einen Verdächtigen entdeckt?“ Die meisten der Truppe sind mir nach gelaufen. (Wie kleine Hunde…) „Nein, es war nur eine Bekanntschaft von mir. Aber sie ist schon weg.“ Ich sehe die Enttäuschung in ihren Gesichtern. Wir gehen wieder rein und machen unsere Arbeit, wie sonst auch. (Knochenjob…) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)