EisFeuer von LordLucy ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Plötzlich rempelte mich jemand von hinten an, ich verlor das Gleichgewicht, stolperte und landete unbeholfen auf meinem Allerwertesten. Vor Schreck kniff ich meine Augen fest zusammen. Obwohl der Aufprall nicht schmerzhaft war schrie ich leicht auf. Selbst durch meinen dicken Mantel spürte ich die eisige Kälte, die der mit Frost bedeckte Boden unter meinem Körper abgab. „Alles in Ordnung?“ fragte mich eine warme, männliche Stimme. Versuchsweise blinzelte ich durch meine Wimpern hindurch, um zu erkennen wer mich umgerannt hatte. Ich hob meinen Blick und sah in die Augen der unbekannten Person. Seine Augen waren eisblau, als wenn ein ewiger Schneesturm in ihnen wütete und doch war sein Blick mit einer wohligen Wärme erfüllt, warm und geborgen, wie Feuer. Wie... „Eisfeuer...“ murmelte ich abwesend. Mit leicht geöffnetem Mund starrte ich ihn an. „Wie bitte?“ der unbekannte Junge zog eine Augenbraue hoch und schaute mich fragend an. Ich schüttelte meinen Kopf leicht hin und her, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Abermals hob ich meinen Blick und betrachtete den unbekannten Jungen genauer. Er war vielleicht 18 oder 19 Jahre alt, großgewachsen und schlank. Seine kurzen schwarzen Haare, die ihm strähnenweise ins Gesicht hingen, schimmerten im morgendlichen Dämmerlicht. Zwei Reihen strahlend weißer Zähne, umrahmt von schmalen Lippen, lächelten mich an. Auf der rechten Seite seiner Unterlippe schaute ein schwarzes Piercing hervor. Mein Blick wanderte weiter nach unten. Er trug ein schwarzes Sweatshirt, das etwas abgenutzt aussah. Dazu passend hatte er eine enge, an den Knien durchlöcherte schwarze Jeans an, die an der Seite mit zahlreichen Ketten behängt war und, zum Glück, nicht bis zu seinen Kniekehlen runter hing. Er sah aus wie ein Model, zwar nicht grade wie ein gut gekleidetes, aber dennoch atemberaubend. Alles im allen war er, rein äußerlich betrachtet, ein absoluter Hauptgewinn. Seine geöffnete Hand war zu mir herunter gestreckt. „Komm, ich helf dir hoch.“ er lächelte sanft. Mir wurde ganz warm, jegliche Kälte die der Boden vorher an mich abgegeben hatte schien in Windeseile meinen Körper zu verlassen, bis nur noch die wohlige Wärme seines Blickes übrig war. Langsam streckte ich meine Hand nach seiner aus und ergriff sie schließlich. Sie war groß und warm, ich spürte wie ich rot wurde und senkte schnell meinen Blick. Mit Leichtigkeit zog er mich sanft aber schnell zu sich hoch. So schnell, dass mir leicht schwummrig wurde und ich taumelte. „Hey, hast du dir den Kopf gestoßen?“ Er stützte mich mit einem Arm und schaute mich besorgt an. „Nein, nein alles ok... mir ist nur etwas schwindelig, halb so wild“ ich versuchte zu lächeln, was allerdings wahrscheinlich sehr gequält aussah. Er schaute weiter besorgt drein, nun mischte sich aber auch Schuldgefühl in seinen Gesichtsausdruck. „Tut mir echt leid, dass ich dich umgerannt hab. Ich hab grad woanders hingeguckt und da hab ich dich einfach übersehen.“ Seine Augen sahen traurig aus, der Schneesturm in ihnen wurde größer. Es tat ihm wohl wirklich Leid. „Ach, halb so schlimm. Mach dir keine Sorgen.“ Abermals versuchte ich zu lächeln, diesmal glaubwürdiger. Er erwiderte das Lächeln. „Dann ist ja gut. Ich möchte es aber trotzdem wieder gutmachen! Kann ich dich vielleicht heute Nachmittag zu nem’ Kaffee einladen?“ Ich runzelte die Stirn. „Aber wir kennen uns doch gar nicht, ich weiß ja noch nicht mal deinen Namen.“ Sein Grinsen wurde breiter „Ach so, na wenn das so ist. Ich heiße Nico, schön dich kennen zu lernen.“ er streckte mir seine Hand entgegen. „Ähmmm...,“ stotterte ich, überrascht von seiner Offenheit „Ich bin Liliana... ähhmm.. ich mein Lilly... nen mich Lilly!“ stotterte ich weiter und erwiderte immer noch leicht verdattert den Händedruck. „So Lilly, da wir uns nun kennen, können wir doch was zusammen trinken gehen!“ wieder lächelte er, diesmal aber scherzhafter. Ich seufzte. Zu so einem Lächeln konnte man einfach nicht Nein sagen. „Na gut. Wann und wo?“ „Heute Nachmittag um halb drei, unten in der Stadt im Starbucks! Und sei pünktlich!“ er zwinkerte. „Zuspätkommer werden bestraft.“ mit diesen Worten hob er eine Hand zum Abschied, drehte sich um und verschwand ohne ein weiteres Wort in der Menschenmasse. Stillschweigend sah ich ihm nach. Ein echt merkwürdiger Typ, worauf hatte ich mich da bloß wieder eingelassen?! Der eintönige Schultag wollte einfach nicht vergehen, besonders die letzte Stunde dehnte sich wie Kaugummi in die Länge und mir kam es vor, als wenn selbst die Zeit bei diesem langweiligen Unterricht eingeschlafen wäre. Die ganze Zeit musste ich an Nicos Eis-Feuer-Augen denken. An sein unwiderstehliches Lächeln. Bildlich sah ich es vor mir. Ich spürte wieder die Wärme hochsteigen, die ich auch bei unserer ersten Berührung gespürt hatte. Wild schüttelte ich meinen Kopf hin und her, um die Gedanken zu vertreiben. Was hatte ich überhaupt? Ich kannte ihn doch nicht einmal und doch faszinierte er mich irgendwie. Seine komische optimistische, freundliche Art. Ich lächelte abwesend. Seine unergründlichen eisigen Augen, die alles was sie erfassten mit freudiger Wärme erfüllte. Schon merkwürdig, wie konnte Eis warm sein? Meine Stirn legte sich in Falten. Ich versuchte nicht mehr daran zu denken und mich auf den Unterricht zu konzentrieren, doch dies gelang mir nicht wirklich. Ich passte kein bisschen auf, starrte verträumt in die Leere oder auf die Uhr, nur um zu sehen, dass es immer noch nicht viel später geworden war. Mein Lehrer musste mich mehrmals ermahnen, weil ich endlich aufpassen und keine Löcher in die Luft starren sollte. Doch ich ließ mich immer wieder von meinen „Nico-Gedanken“ ablenken. Die Zeit verstrich wie im Schneckentempo. Endlich klingelte es zum Schulschluss. Ich hatte meine Tasche schon vorm Klingeln gepackt und schnappte mir schnell meine Sachen, um als erstes aus der Klasse zu rennen. „Liliana!“ ertönte die schroffe Stimme meines Lehrers, kurz bevor ich aus der Tür war. “Ich beende hier den Unterricht!“ Ich erstarrte. „Und da Sie meinen Unterricht ja so todlangweilig fanden, haben Sie doch jetzt sicher noch Zeit, mir bei meiner Arbeit zu helfen!“ bellte er, mit seiner unangenehmen lauten Stimme. Ich seufzte und schnitt eine Grimasse, natürlich mit dem Rücken zu ihm, damit er sie nicht sehen konnte. Die anderen Schüler waren schon längst aus dem Klassenzimmer gegangen, nach Hause, ihren mal mehr, mal weniger verdienten Feierabend ausleben. Wie gerne wäre ich ihnen gefolgt, doch da war auch noch Herr Schlinger, der alles daran setzte mir meinen Tag zu versauen. „Eigentlich ist das heute ganz schlecht. Ich hab nämlich noch was wichtiges vor.“ sagte ich versuchsweise. Doch Herr Schlinger ging gar nicht erst darauf ein. „Komm mit! Du musst was für mich kopieren.“ Missmutig stöhnend trotte ich ihm hinterher in Richtung Lehrerzimmer. Er holte einen großen Schlüsselbund aus seiner Jackentasche, suchte kurz und wählte dann einen etwas kleineren, eckigen Schlüssel aus, den er ohne zu zögern in das Schlüsselloch der Lehrerzimmertür steckte. Eine halbe Drehung genügte, um die Tür zu öffnen. „Warte hier!“ sagte Herr Schlinger, während er durch die Tür in das Lehrerzimmer schlüpfte. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich vielleicht nicht doch einen Fluchtversuch unternehmen sollte, verwarf diesen Gedanken aber gleich wieder. So lebensmüde, mir Herr Schlingers Zorn aufzuhalsen, war ich nun auch wieder nicht. Kurze Zeit später kam Herr Schlinger, schwer bepackt mit einem großen Stapel Blätter in der Hand, wieder aus dem Lehrerzimmer. Mit gleichgültiger Miene drückte er mir die Blätter in die Hand und deutete mit seinen klobigen Fingen auf eine Tür, die sich auf der anderen Seite des Flurs befand. „Du gehst jetzt in den Kopierraum und kopierst diese Unterlagen...“ er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Stapel in meiner Hand. „ ...zehn Mal für mich. Wenn du fertig bist bringst du sie mir ins Lehrerzimmer. Hast du verstanden?“ er musterte mich zweifelnd. „Ganze zehn Mal?“ entgegnete ich leicht entsetzt in Anbetracht des riesigen Papierhaufens in meinen Armen. „Ja, natürlich zehn Mal! Oder bist du etwa auch noch schwerhörig?“ er schüttelte genervt den Kopf und machte eine abwertende Handbewegung, während er sich von mir abwendete. Missmutig begab ich mich mit meinem Blätterstapel zum Kopierraum. Der kleine Raum war leer, bis auf zwei überdimensionale Kopierer und einen weißen Schrank, der wohl als Lager für das Druckerpapier genutzt wurde. Ich legte den Stapel in einen der beiden Drucker, drückte ein paar Knöpfe und sah dem Drucker zu, wie er anfing zu rattern und schließlich die kopierten Blätter im unterem Fach ausspuckte. Genervt von meiner Aufgabe kramte ich mein Handy aus meiner Hosentasche und schaute auf die Uhr. „Mist! Es ist schon zehn nach zwei! Wenn ich mich nicht beeile komm ich noch zu spät!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)