Splash Paint von HellmotherEva ================================================================================ Kapitel 8: Adia --------------- Ihr Großvater staunte nicht schlecht als Audrey mit einem, über und über mit getrocknetem Matsch versehenem, Shetlandpony die Einfahrt hochlief und dieses erst mal in die Scheune sperrte, da ihr beim besten Willen nichts besseres einfiel. „Audrey…“ Ihr Großvater starrte ungläubig auf das völlig verdreckte Tier, welches augenblicklich anfing das Heu, welches in der Scheune lagerte, anzufressen „woher du das Pony hast.“ „Ich kann das erklären!“, begann sie verzweifelt und begann ihrem Großvater alles was er wissen musste zu erklären. Während sie so von dem Pony und vor allem von Splash Paint sprach, wechselte die Mimik ihres Großvaters immer wieder zwischen ungläubig und vorwurfsvoll. „Audrey, wir sagten doch dass du dich von dieser Farm fern halten sollst, du hast ja selbst gesehen wie empfindlich der Besitzer reagiert.“ „Ja, aber ich hätte nicht damit gerechnet dass er so aggressiv reagieren würde… Zudem hat er mir dieses Pony aufgezwungen.“ Ihr Großvater kratzte sich hilflos am Kopf und sah nochmals auf das Shetlandpony, das sich immer noch am Heu bediente. „Mich wundert’s ja dass der Kensington es überhaupt noch geschafft hat über den Zaun zu kommen, wie du sagtest, der Mann hat extreme Probleme mit seinem Rücken.“, meinte ihr Großvater verwundert. „Was? Grandpa, wie alt ist dieser Kensington?“, wollte Audrey nun wissen. „Um die fünfzig, warum?“ „Oh… Ne, der Typ der mich von der Weide verscheucht hat war nie im Leben so alt, wer also war das?“ Ihr Großvater zuckte ahnungslos die Schultern und wand sich dann dem verdreckten Pony zu. „Er könnte ein Hilfsarbeiter gewesen sein… Aber komm mal her Audrey, kümmern wir uns lieber erst mal um den hier, wir sollten schleunigst herausfinden wem dieses Pony gehört, vielleicht vermisst es jemand schon.“ Zur selben Zeit, in Kentucky, striegelte eine gewisse Adia, die, genau wie Audrey, gar nicht ahnte, in was für ein Desaster sie mitgezogen werden würde, das gräuliche Fell einer Vollblutstute, welche zufrieden ihr Heu mampfte. „Na Pretty“ Adia strich der Stute ein letztes Mal mit dem flachen Hand das Fell glatt „Du siehst toll aus… So, jetzt aber…“ Sie sah auf ihre Armbanduhr „Es ist Zeit, ich hab mir jetzt auch mal was zu Essen verdient.“ Adia verließ die Box und strich sich einige ihrer blonden Haare aus dem Gesicht. Sie sah sich im Stallgang des vornehm wirkenden Stalles jedoch erst mal nach jemandem um, der ihr noch mehr am Herzen lag als die Stute hinter ihr. „Chiquitita?“ Das Klingeln einer Hundemarke ertönte und ein zotteliger, langbeiniger, blonder Hund, mit einem außergewöhnlich langen, rammsnasigen Gesicht und mit der Eleganz einer Schlange, im positiven Sinne, erschien auf dem Gang. „Komm“ Adia klopfte sich auf ihre Oberschenkel und lief mit Chiquitita aus dem Stall, hinaus in die gekieste Einfahrt, während sie den Schlüssel für ihr Auto raussuchte. Wenn sie was essen wollte, musste sie erst mal in den Ort fahren, hier gab es nämlich nichts. „Emily“ ein alter Mann kam mit seinem Gehstock auf sie zugeeilt, als sie gerade ihren Land Rover aufschließen wollte „Emily, wohin gehst du?“ Die blonde schloss ihr Auto auf und gab ihrem Hund die Anweisung schon mal hinein zu springen, ehe sie ein langes Seufzen ausstieß. „Daddy… Ich muss was Essen, die Arbeit mit den Pferden kann ziemlich anstrengend sein, das weißt du doch.“ Der alte Mann nickte bestätigend „Ja, ja, die Pferde, die sind viel Arbeit, da hast du recht, die Pferde eben…“ Er starrte für einen Moment leer in die Luft „Aber du kommst doch heute wieder, oder?“ Hoffnungsvoll sah er ihr entgegen und Adia brach es das Herz. „Ja, ich muss ja noch mal nach Pretty schauen… Sie hat ja nächstes Wochenende ihr nächstes Rennen, von ihrer kleinen Zerrung sollte sie sich da schon erholt haben.“, erklärte sie. Der alte Mann schüttelte den Kopf ungläubig. „Das mir SO WAS passiert, nach gerade mal einer Woche hat sich dieses wertvolle Pferd schon eine Zerrung geholt, unglaublich ist das, unglaublich!“ „Mhm…“ Adia nickte und wollte einfach nur noch einsteigen. „Emily“, unterbrach der alte Mann sie nochmals „Du kannst aber auch hier essen, deine Schwester kann uns was kochen, du magst doch Pilzragout so sehr.“ „Oh… oh nein, danke Daddy, aber ich muss sowieso in die Stadt… Ich kauf dir diese Bonbons, die du so gerne magst, okay?“ Der Mann nickte zufrieden und wollte gerade mit seinem Gehstock umdrehen, als er nochmals inne hielt. Hoffnungsvoll sah Adia auf, vielleicht war das einer seiner klaren Momente? „Emily, wenn du Doktor Adams siehst, frag ihn doch bitte wie es dem guten, alten Bruce geht, er ist nun wirklich schon sehr lange in dieser Klinik.“, bat er. „Mach ich… Also bis später.“ Mit einem merklichen Kloß im Hals setzte Adia sich in ihr Auto und war so verdammt froh als sie endlich die Straße runter rattern konnte, Tita, wie sie ihre Afghanin gern nannte, auf dem Beifahrersitz, den Kopf aus dem Autofenster hebend. Nur um eins klar zu stellen: Bruce als auch Doktor Adams waren schon vor Jahren verstorben. Adia hatte nur den Tierarzt damals noch kennengelernt, ehe er seinen Herzinfarkt erlitten hatte. Bruce war jedoch schon seit mindestens zehn Jahren tot. Das schwarze Quarter Horse erlag im Alter von dreiunddreißig einer Lungenentzündung. Und Pretty war bereits zwei Jahre auf diesem Hof, nicht erst eine Woche. Und um es noch klarer zu machen: Der alte Mann, Mister Hoffman, war nicht ihr Vater. Und sie war nicht Emily. Emily, seine jüngste Tochter, war vor zwanzig Jahren bei einem Autounfall verstorben. Und Adia… Na ja, sie sah dieser Emily eben verdammt ähnlich. Mister Hofmann hatte Demenz. Verdammt ausgeprägte Demenz, doch an eine ganze Menge von früher konnte er sich noch so gut erinnern. An seine Frau zum Beispiel. Ebenfalls tot, doch das wusste er. Ach, der Mann erzählte ihr, seit sie hier arbeitete, ständig mal Geschichten, von denen er glaubte dass sie sich an sie erinnerte… Seine ältere Tochter, Mary, tat alles um ihn von Adia fern zu halten, denn sie wusste selbst am besten wie unangenehm es ihr war. Adia konnte damit einfach nur schlecht umgehen… und dann fühlte sie sich schlecht. Doch im Grunde… Na ja, Adia genoss manchmal die ruhige Aura des alten Mannes regelrecht… Er hatte so was unglaublich herzliches, väterliches, warmes. Es war ihm egal wie unangenehm es Adia war und um ehrlich zu sei gewöhnte sie sich langsam daran. Sie fand Gefallen daran. Dennoch. Er war nicht ihr Vater. Sie war eine Angestellte. Sie wollte einfach keine Beziehung zu dem Mann aufbauen, egal wie sehr er sie auch mochte. Sie wollte ihr Herz einfach nicht an Leute hängen, die nicht mal wussten wer sie war. Und mal ehrlich, wie viele Jahre hatte ein Achtzigjähriger schon noch? Adia gab einen langen Seufzen von sich, ehe das Ortsschild des nächsten Kaffs vor ihr auftauchte und sie etwas vom Gas ging. „Hey, Tita, wollen wir zu Onkel Fred?“, fragte sie, als sie von weitem das Bistro eines gewissen Freds sah, ein Kerl mit dem sie ganz gut klar kam und mit dem sie auch gerne die Abende verbrachte. Als von dem Afghanen keine Reaktion kam, entwich ein weiteres Seufzen Adias Lippen, ehe sie auf den Parkplatz des Restaurants zusteuerte. Als sie geparkt hatte und mit ihrem, zugegebener Maßen recht auffälligem, Hund das Bistro, Schrägstrich Kneipe, Schrägstrich Kaschemme, betrat, hafteten mal wieder alle Blicke auf ihr… woran ihr Hund natürlich immer eine gewisse Mitschuld trug. Als sie an den Tresen trat, stand Fred wie immer dort und sah ihr schon erwartungsvoll entgegen. „Heeeey“, begrüßte er sie überschwänglich „Wie geht’s dir?“ Adia grinste schief und fragte, während sie Titas Halsband zurechtlegte: „In welcher Hinsicht?“ „Familiär…“, meinte Fred, noch immer schief grinsend. „Oh Gott“ Vollkommen genervt verdrehte die Blonde die Augen und ließ den Kopf theatralisch auf den Tresen fallen „Bitte hör mir damit auf. Ich meine… Ich bin zweiundzwanzig, hab ‘nen Job als Pferdetrainer UND Jockey, ich bin nicht ungewollt schwanger, bin nicht vorbestraft, hab ‘ne eigene Wohnung, hab meinen Hund aus dem Tierheim und schlage keine Tiere und Kinder… Und trotzdem bin ich Luft.“ „Heeeey, seh das nicht so“, versuchte Fred sie aufzumuntern „Du übertreibst doch nur, hm?“ Vielsagend sah Adia ihm entgegen. „Ich hab dich gern… Aber du kennst meine Familie nicht. Ich fühl mich so viel besser seit ich weg von ihnen bin und dennoch…“ Sie seufzte schweren Herzens „Trotzdem reiß ich mir den Arsch auf, nur damit sie mich anerkennen, irgendwie…“ Fred sah sie einen Moment lang auf diese seltsame, mitleidige Art an, dann fragte er jedoch: „Das übliche?“ Adia, die plötzlich extrem niedergeschlagen wirkte, schüttelte den Kopf. „Nein… Ich muss bis nächstes Wochenende noch einen Kilo abnehmen… Heute nur den Gemüseauflauf.“, erklärte sie. „Ist das nich ein bisschen hart? Ich meine, du bist doch sowieso schon zu groß für einen Jocky, warum willst du das unbedingt machen?“ „Hey, ich wiege bei ein Meter siebenundsechzig momentan einundfünfzig Kilo, das geht noch!“, verteidigte Adia sich. „Aber das ist scheiße, du hast dadurch kaum Titten.“, beklagte Fred sich, als er ihre Bestellung in die Küche weiter gab. „Noch ein Wort und ich hetzt den Hund auf dich.“, knurrte Adia. Fred verzog jedoch keine Miene, sondern sah nur spottend auf Tita, die sich neben den Stuhl ihres Frauchens auf den Boden gelegt hatte. „Na ja… ganz wie du willst. Aber wenn du magersüchtig-“ „Ich bin NICHT magersüchtig“, zischte Adia ihn an „Im Gegenteil, ich hab Bulimie, nur ohne kotzen… ich nahm mal ab, dann wieder zu…“ Sie seufzte gequält „Selbst mein Hund darf mehr essen als ich.“ Fred sah besorgt auf seine Freundin herab, die den Kopf wieder auf den Tresen gelegt hatte und den Kopf umklammerte, als ob er ihr wegfallen würde. „Meine Schwester kotzt mich auch nur noch an. Ich war letztes Wochenende zu Hause und hab zum ersten Mal nach Ewigkeiten den hässlichen Mops meiner Schwester gesehen, Humphrey, dieses missratene, gegen die Wand gelaufene Etwas. Das letzte Mal hab ich ihn als ungezogenen, ständig kläffenden Welpen gesehen… Rate was aus ihm geworden ist.“ Fred seufzte, er wusste schon was bei solchen Fragen kam. „Ein ungezogener, ständig kläffender halbrattiger Hund?“ „Korrekt! Dieses scheiß Vieh hat in mir den Dringenden Drang dagegen zu treten ausgelöst“, erklärte Adia „Ich komm nach Hause, das Mistvieh beißt Tita ins Bein, so schnell konnte ich gar nich gucken! Und sie beißt zurück, wer bekommt den Ärger? NATÜRLICH der große Hund und-“ „Hey, ich will ja nicht so sein“ Fred unterbrach sie eilig „Aber hier sitzen noch einige andere Gäste… Wäre echt süß von dir wenn du denen nicht das Gefühl geben würdest, angeschrien zu werden, ja?“ Adia verdrehte genervt die Augen und fuhr ihre Erzählung jedoch einfach fort, wenn auch leiser. „Auch nicht? Kennst du zumindest jemanden, der ein Shetlandpony besitzt? Nein? Nun gut, danke Carl.“ Audreys Großvater legte nach diesem Fehlschlag wieder auf und sah aus dem Flur, durch die offene Eingangstür, hinaus zu seiner Enkelin, die das Pony inzwischen an dem Verandageländer festgebunden hatte und es mit Wasser und Bürsten sauber zu bekommen versuchte. Und tatsächlich war der Großteil des Schmutzes schon runter, doch die Entdeckung die Audrey gemacht hatte, hatte sie wirklich überrascht: Das Pony war gar nicht, so wie sie gedacht hatte, weiß, nein, es war braunweiß gescheckt. Dennoch, sie entdeckte nichts Hilfreiches an ihm… Keine Tätowierungen, Brandzeichen, Kaltbrände, nichts. „Und was machen wir nun mit dem Kleinen?“, fragte Audrey verzweifelt. Ihre Mutter und ihre Großmutter waren sich einig gewesen dass das Pony SOFORT wieder zu seinem Besitzer finden sollte, komme was wolle… Aber so schnell ging das natürlich nicht. „Das mag dämlich klingen, aber ich ruf im Tierheim an, vielleicht hat der Besitzer dort ja auch schon angerufen.“, meinte ihr Großvater, während Audrey noch immer ächzend das Pony, ein Wallach, von dem Dreck zu befreien versuchte. „Mach das… Ich arbeite mich hier weiter durch…“ Nach einem Anruf war jedoch auch klar, dass niemand im Tierheim wusste wem dieses Pony gehörte. Langsam kroch Hoffnungslosigkeit in Audrey hoch, doch sie konnte nichts mehr tun. Keine Ahnung woher dieses kleine Ding dahergelaufen war. Wenn sich innerhalb des nächsten Tages jedoch niemand melden würde, würde sie eine Anzeige in der Zeitung schalten. Während Audrey nun fast schon eine Stunde damit verbracht hatte dieses kleine Ding sauber zu machen, Cooper hatte den Wallach immer argwöhnisch aus den Augenwinkeln betrachtet, hatte sie festgestellt dass er zum einen unfassbar verfressen und hinterhältig war. Zudem hätte er sie einmal fast gebissen! Jedenfalls musste man den guten Herren mit Vorsicht genießen, so süß er auch seien mochte, mit seinen kleinen Nüstern, den großen Knopfaugen, der buschigen Mähne und dem ergrauenden Fell, welches in der Sonne langsam zu trocknen begann. Einige Stunden später, der Wallach war inzwischen blitzblank geputzt und von Audrey auf eine Wiese zum Grasen gebracht wurden, was recht ungemütlich war, da sie die ganze Zeit den Strick halten musste und immer ein Auge auf das, was das Pony fraß werfen musste. Jedenfalls war sie gerade zurückgekehrt, als sie ihr Handy in der Hosentasche vibrieren spürte. Doch sie reagierte nicht sofort, da sie das Shetlandpony, was sie vorrübergehend Flauschi Macflauschflausch genannt hatte, erst in die Scheune sperren wollte. Wenn sie Glück hatten, würde er über Nacht nicht ihre Heuvorräte leeren. Als Audrey sich völlig erschöpft im Wohnzimmer auf die alte Couch fallen ließ, erfüllte sofort der Geruch von Hühnchen ihre Nase und plötzlich bekam sie einen unbeschreiblichen Hunger. Essen… Oh ja, bitte! Sie hatte einem verfressenen Pony den ganzen Tag dabei zusehen müssen, jetzt wollte sie auch dran kommen! Wie spät war es eigentlich? Audrey kramte ihr Handy aus ihrer Tasche. Aha, kurz nach acht… Hm, Fluch der Karibik kam heute im Fernsehen… Doch da viel ihr Blick auf das Symbol in ihrer Nachrichtenleiste, das anzeigte, dass sie in der Klassengruppe, welcher sie auf Whatsapp angehörte, neue Nachrichten bekommen hatte. Sie war jetzt schon genervt, doch ging schließlich doch drauf, einfach um zu wissen um was es denn ging. Und was sie da laß, ließ ihr einerseits einen riesigen Stein vom Herzen fallen, andererseits wäre sie für ihre Dummheit gern gegen die nächste Wand gerannt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)