Splash Paint von HellmotherEva ================================================================================ Kapitel 2: Von Langeweile, potenziellen Tanten und großen Brüdern ----------------------------------------------------------------- „Es wird sich schon einrenken, die gewöhnen sich an dich!“, äffte Audrey ihre Mutter nach. Sie ging jetzt schon seit einer geschlagenen Woche auf diese Schule und nichts hatte sich geändert. Keiner von denen gab sich auch nur ansatzweise Mühe zu ihr Kontakt zu suchen und anders herum. Aber heute war es wieder besonders beschissen gewesen: Als sie vom Klo gekommen war hatte jemand mit Edding „Fettes Schwein“ über den Spiegel geschmiert… So als ob derjenige genau gewusst hätte dass gerade sie nun jeden Moment vom Klo kommen würden. Es war ja nicht so dass nicht dauern jemand irgendwas auf’s Klo schmierte, aber das heute musste schon ein extrem großer Zufall sein. Nun ja… Zumindest hatte sie eine Familie die sie nicht nach ihrem BMI-Wert beurteilen würde. „Audrey, iss doch mal was.“ Ihre Großmutter hielt ihr bettelnd einen Suppenteller unter die Nase. „Aber Granny, ich hab wirklich schon gegessen, ich bin satt!“, flehte Audrey und sah sich hilfesuchend nach ihrem Großvater um, der sich aber nur teilnahmslos hinter seiner Zeitung verkroch. „Aber du musst doch was essen!“, widersprach ihre Großmutter entschieden. „Nein, bitte, ich kann nicht mehr, ich völlig voll! Und ich muss jetzt wirklich Hausaufgaben machen, tut mir leid!“ Fast schon fluchtartig verließ Audrey die Küche, wobei sie fast über Cooper gestolpert wäre. „Oh, tut mir leid Junge.“, meinte sie halbherzig, tätschelte flüchtig seinen Kopf und rannte die Treppen hoch. Sie schmiss ihren Rucksack lieblos auf ihr Bett und ließ sich seufzend in ihren Schreibtischstuhl fallen. Sie hatte um ehrlich zu sein nicht mal mehr Lust Hausaufgaben zu machen. Egal. Sie schaltete ihren Computer ein und holte anschließend ihr Mathebuch aus dem Rucksack, meldete sich dann auf Youtube an und ließ einfach irgendwelche Lieder, die sie in einer Playlist gespeichert hatte, ablaufen. Musik war eine wundervolle Möglichkeit abzuschalten und einfach mal die Welt zu vergessen… Zumindest kurzfristig. Denn das Mathebuch löste sich leider nicht von allein. Fertig. Nach einer halben Stunde Qualen und zehn verschiedenen Liedern war sie hiermit durch. Doch als sie gerade dabei war alles zusammenzupacken kratze es an ihrer Tür und zu ihrer Überraschung war es Cooper der in ihr Zimmer kam. „Hey, mein Süßer, was machst du denn hier?“ Es war untypisch für diesen alten Hund dass er in den ersten Stock lief, er hatte es nicht mehr so mit Treppen. Cooper beachtete sie nicht groß und legte sich auf ihre Füße, unter den Schreibtisch. Na ganz toll, aber egal… Audrey hatte sowieso nicht vor aufzustehen, fürs Abendessen war es zu früh, also blieb ihr nichts anderes übrig als weiter ihre Musik zu hören und leer aus dem Fenster zu starren. Es regnete schon den ganzen Nachmittag und so kam es dass es dunkler war als es eigentlich sollte. Es gab einfach nichts mit dem sie sich hätte beschäftigen können. Außer Cooper, der zu alt für alles war und drei Katzen, von denen zwei halbwild waren, gab es auf dieser Farm keine Tiere mit denen Audrey sich hätte beschäftigen können. Und auch generell gab es nichts was sie tun könnte. Ihre Mutter hatte ihr in den Sommerferien, als sie frisch hier hergezogen waren und sie gelangweilt auf dem Hof herumgelungert hatte, geraten doch vielleicht einen Verein oder etwas derartiges zu besuchen. Aber was sollte Audrey denn machen? Sport? Auf keinen Fall. Sie schämte sich für ihren Körper. Sie war ja nicht richtig dick, aber sie gefiel sich nicht. Und ansonsten? Um ehrlich zu sein hatte Audrey auch keine Lust auf irgendwelche Vereine. Die Schule ‚forderte‘ sie genug. Es war einfach nur diese Langweile, die so unerträglich war. Es gab hier nichts für sie zu machen, gar nichts. Freundinnen hatte sie keine, ihre Eltern waren entweder neue Möbel für’s Wohnzimmer kaufen, oder Arbeiten oder wie die Hölle was. Und ihre Großeltern… Nun ja, das war so: Ihre Großmutter traf sich, wenn sie nicht gerade irgendwas kochte, zwei Mal die Woche mit ihren Freundinnen und unterhielt sich über alles mögliche. So kam es jedenfalls dass alle drei Wochen sechs alte, redefreudige Damen zu Besuch kamen und Audrey mit Kuchen vollstopften, wenn sie auch nur in der Nähe des Wohnzimmers war. Und ihr Großvater fuhr fast jeden Tag mit Cooper in den Ort, kaufte ein was eben gebraucht war, kam wieder nach Hause, kümmerte sich um die Farm und traf sich abends mit seinem Kumpels in der nächsten Kneipe. Das fiel momentan aber aus, da die Felder geerntet werden mussten. Und ihr Onkel… hm… Da wusste Audrey auch nicht wirklich weiter. Er half momentan zwar auch bei der Ernte, aber sonst war er meistens nicht zu Hause. So viel sie wusste arbeitete er Nachmittags als Automechaniker, musste sich aber hauptsächlich um Erntemaschinen und Traktoren. Audrey glaubte zudem dass er eine Freundin hatte, aber so wirklich wusste das auch niemand, er war nicht sehr redselig was das anging. Aber zurück zum wesentlichen: Sie langweilte sich. Natürlich gab es da noch die wundervolle Alternative Internet, aber wirklich Lust darauf hatte sie auch keine. Jaaaaa, es war offiziell, sie starb hier oben und niemand schien es zu bemerken. Doch Cooper stand plötzlich auf, wedelte aufgeregt mit dem Schwanz und jaulte mitleidig. „Hey, was ist denn mein Süßer? Musst du mal raus? Hmmmm, musst du“, fragte Audrey ihn und sprang so schnell aus ihrem Schreibtischstuhl auf, dass sie beinahe hingefallen wäre „Na komm mein Süßer, vielleicht kannst du mir etwas Abwechslung geben.“ Sie riss die Tür auf und Cooper folgte ihr die Treppen herunter, doch sie schaffte es mal wieder nicht das Haus zu verlassen, ohne von ihrer Großmutter bemerkt zu werden. „Audrey, wo willst du denn hin?“, fragte sie mit einer Schüssel in der Hand, in der sie unablässig herumrührte. Aha, sie kochte… schon wieder. „Ich geh mit Cooper Gassi.“ „Ach so, ja, klar, gerne. Aber nimm dein Handy mit!“ „Mach ich!“ Nur noch ein paar Meter bis zur Tür, dann war zumindest dieser Nachmittag gerettet. Doch ihre Großmutter war noch nicht fertig. „Und wenn er auf das Grundstück der Harrisons läuft, ruf ihn sofort zurück! Diese Leute sind widerlich, halt dich bloß von ihnen fern.“ „Mach ich!“, antwortete Audrey nun merklich genervter als zu Anfang. „Diese Menschen mögen keine Menschen, keine Tiere, wundert mich dass die ihr Getreide nicht anschreien. Und die legen Giftköder aus, anscheinend für die Füchse, aber Cooper hätte so was fast einmal gefressen und er war sicher nicht der erste.“ „Ist gut Granny! Ich geh doch nur einmal in den Ort und wieder zurück, ich werd schon keine fremden Farmen untersuchen! Kann ich jetzt BITTE gehen?“, bettelte Audrey. Sogar Cooper schien ihrer Meinung zu sein, denn er scharrte mit der Pfote an der Tür. „Meinetwegen, dann geht eben. Aber vergesst den Regenschirm nicht.“ „Ja, Granny.“ „Cooper, komm her, was hast du denn da schon wieder gefangen“ Cooper kam hechelnd durch den Regen angetrabt und eine tote Maus hing ihm aus dem Mundwinkel „Pfui, gib das her.“ Audrey ging in die Knie und griff ihm ins Maul, woraufhin Cooper zu würgen begann und die Maus herausfiel. „Du Trottel, du sollst nicht ständig Tiere zum Spaß töten.“, schimpfte Audrey, richtete sich wieder auf und klopfte Cooper am Rücken. Kurz darauf hüpfte er wieder auf dem abgeernteten Feld neben ihr durch die Gegend. Es war schon seltsam. Zum Einem war Cooper geschätzte hundert Jahre alt und hatte beim Treppensteigen Probleme, zum Anderen sprang er hier neben ihr wie ein junger Welpe durch den Schlamm und erbeutete Mäuse. Doch sie würden bald die Ortseinfahrt erreichen und Audrey hatte ihn da lieber bei sich. Er hatte zwar keine Leine, aber ein Halsband, welches genau in der richtigen Höhe zum Greifen war, wenn sie den Arm hängen ließ. „Cooper, komm!“, rief sie und der schwarze Rüde kam hechelnd angelaufen. Eines musste Audrey ihrem Großvater dann doch lassen, nämlich dass er diesem Hund eine erstklassige Erziehung gegeben hatte. Er gehorchte wirklich aufs Wort. „Brav und jetzt bei Fuß.“, befahl sie, griff aber dennoch sicherheitshalber nach seinem Halsband. McNeil war kein wirklich großer Ort, im Gegenteil, es war ein Provinzstädtchen in dem nichts los war. Aber was Audrey hieran durchaus gefiel war, dass jeder jeden kannte. Sie wusste nicht warum, aber es gefiel ihr einfach. Jedoch hörte sie plötzlich eine vertraute Stimme die nach ihr rief und auch Cooper stellte wachsam die Ohren auf. „Audrey, hier hinten.“ Sie sah sich etwas verwirrt um, doch da erblickte sie ihren Onkel auf der überdachten Terrasse eines, bessergesagt des einzigen, Restaurants Schrägstrich Imbisses sitzen. Und er war nicht allein, bei ihm saß eine junge Frau, vielleicht Ende zwanzig, mit langem, schwarzem Haar. „Mike? Was machst du denn hier?“, fragte sie überrascht als sie mit Cooper den Tisch erreichte an dem ihr Onkel saß. „Ach, nich‘ so wichtig. Aber was machst du hier? Und warum hast du Cooper dabei, mein Vater lässt den doch nie aus den Augen.“ „Ach, dann ist das also der Cooper von dem du immer redest und das ist deine Nichte, hm? Aber Cooper ist ja süß“ Die Begleitung ihres Onkels sagte nun zum Ersten Mal auch etwas und klopfte sich dann auf die Oberschenkel „Der ist ja niedlich, komm mal her du süßes Ding, du!“ Doch Cooper reagierte gar nicht auf sie und rührte sich nicht von der Stelle. „Ich war nur mit Cooper Gassi, aber jetzt mal ehrlich was tust du hier?“, fragte Audrey und sah verwirrt zwischen ihrem Onkel und seiner Begleitung hin und her. „Ach Audrey, nicht so wichtig, das erklär ich dir später, aber soll ich dich gleich mit nach Hause nehmen? Wie bist du überhaupt hier hergekommen?“ „Gelaufen, den ganzen Weg. Aber jetzt sag mal was du hier tust und wer die Frau ist.“ „Audrey, ich erklär dir das alles im Auto, aber wenn du schon hier bist…“ Er zeigte auf die Frau „Victoria Perry, eine Freundin. Hier sind die Schlüssel, steig‘ schon mal ins Auto.“ Okay, das ging jetzt irgendwie doch etwas plötzlich. Gerade eben hatte er sie zu sich gerufen und jetzt schien er sie nur noch abwimmeln zu wollen. Aber wenn er es so wollte… Der würde eine verdammt gute Erklärung brauchen. Jedenfalls saß sie, Cooper im Fußraum, auf dem Beifahrersitz des Pick-ups ihres Onkels und wartete seit geschlagenen zehn Minuten auf ihn. Okay, wenn er in fünf Minuten nicht kam würde sie ihn rufen! Und wenn sie ihn vor allen Gästen lächerlich machen müsste! Aber wenn man vom Teufel spricht, da kam er. „Was hat da so lang gedauert? Du warst zehn Minuten lang weg und sag mir endlich wer diese Frau war und warum du so pampig wurdest.“ „Jetzt mal ruhig mit den jungen Pferden! Ich sagte bereits, ihr Name ist Victoria Perry, sie ist eine Freundin.“ „Aha, eine Freundin. Wo lernst du solche Leute kennen? Du arbeitest entweder in ‘ner Werkstadt oder machst sonst irgendwelche Dinge die nicht gerade behilflich sind um so einen heißen Feger wie die abzubekommen, ja?“ Mike sagte nichts, sondern startete einfach nur den Wagen und fuhr los. „Hey, ich rede mit dir!“, maulte Audrey. „Ich hab dich ja gehört! Aber gut, du musst mir aber versprechen es niemandem zu sagen, ja?“ „Okay.“ „Versprich es! Wirklich, ich mein das ernst, versprich es mir!“ „Okay! Ich, Audrey, verspreche dir dass ich, egal, was jetzt kommt, nichts darüber zu irgendwem sagen werde, außer es handelt sich um Mord.“ „Audrey… Du klingst mir nicht sehr ernst.“ Der Wind blies einen kräftigen Regenschauer auf die Frontscheibe und die Regentropfen prasselten noch lauter als zuvor dagegen. „Bitte! Ich schwöre auf Coopers imaginäre Leine, ich verrate nichts, Geheimnisse sind bei mir sicher, glaub mir.“ Mike sah sie noch einen Moment zweifelnd an, doch dann schien sie ihn doch überzeugt zu haben. „Audrey, ich sag’s dir, aber solltest du mich verpetzen bist geliefert. Also…“ Mike machte eine theatralische Pause „Victoria ist meine Freundin, seit zwei Jahren schon.“ „AHA!“ Triumph! Oh, du süßer Sieg! „Nun tu mal nicht so! Aber komm gar nicht erst mit deinen Anspielungen, denn die bringen mir herzlich wenig, okay?“ „Jaja, mach ich“, versprach sie und grinste noch immer in sich hinein „Aber sag mal... Wie ist die so? Und wie hast du sie kennengelernt?“ Mike seufzte nochmals. Toll, jetzt wusste sie es und jetzt würde sie auch garantiert nicht mehr locker lassen. „Ich hab sie vor zwei Jahren in Omaha kennengelernt, beim Einkaufen.“ „Ja, toll, interessiert mich nich, wie IST sie so?“ „Sie ist süß, ein bisschen naiv, aber total weltoffen und begeisterungsfähig. Einfach nur niedlich, sie ist–“ „… ‘ne Tussi.“, beendete Audrey den Satz. „Nein! Ach, hör doch auf, du kennst sie doch gar nicht.“ „Oh bitte! Naiv, dumm… TUSSI!“ „Audrey! Wenn sie eine wäre würde ich es keine zwei Jahre mit ihr aushalten.“ „Okay, aber wenn du das allen erzählst will ich dabei sein. Nein, noch besser, ich halte das auf Video fest!“ „Jetzt mal halblang! Hier wird nichts auf Video festgehalten.“, widersprach Mike ihr und bog nach links ab. „Ach wie schaaaaaade…“, Audrey seufzte gespielt gequält, doch sie würde sich schon an ihr Versprechen halten. Was das anging war sie äußerst zuverlässig. „Und dann hat dieser Volltrottel von Mac Leaggen doch wirklich gemeint Gary solle ihm doch ‚ein paar Kühe sponsern‘. Was für ein Trottel. Man kennt diesen Widerling seit fünf Minuten und da kommt er schon mit solchen Bitten.“ Audrey und ihre gesamte Familie saßen beim Abendessen und ihr Großvater regte sich gerade über einen Typen auf, der einen seiner Freunde, einen gewissen Gary, um ein paar Kühe für ein Rodeo gebeten hatte und Gary seit gerade mal ‚fünf Minuten‘ kannte. Okay, Audrey mischte sich bei so was ja normalerweise nicht ein, aber eine Frage hatte sie dann doch. „Was für Rodeos?“ „Ach, die Saison geht ja eigentlich zu Ende, aber der Typ bekommt den Hals wohl nicht voll. Manchmal gibt es auch Sachpreise, wie Kühe zu gewinnen. Doch Rodeos sind eher im Westen Nebraskas populär, hier im Osten gibt’s ein paar Rennbahnen.“, erklärte ihr Großvater. „Mum, was ist das?“ Mike zeigte, ohne auf seinen Vater groß einzugehen, auf etwas auf seinem Teller. „Sellerie.“, bekam er zur Antwort. „Ah, okay.“ Und schon landete der arme Sellerie am Tellerrand. „Wisst ihr was ich heute in der Stadt gesehen habe?“, begann Audrey nun großspurig, wobei Mike fast das Herz stehen blieb. „Was denn? Haben die etwa Toilettenpapier runtergesetzt?“, fragte ihre Mutter scherzend. „Neiiiin… Ich hab jemanden gesehen…“ „Aha, wen?“ Spätestens jetzt hätte Mikes Blick getötet. „Coopers Tierärztin.“, antwortete sie breit grinsend. Mike hätte ihr jetzt wohl sehr gerne den Hals umgedreht. „Na und?“ „Ich glaub sie hat sich die Haare gefärbt.“ „Ach, das tut sie doch ständig“, erwiderte ihr Großvater „Aber wie geht’s dir in deiner neuen Schule?“ „Gut.“ Uuuuh, sie böses Mädchen, hatte ihrem Großvater und allen Beteiligten eiskalt ins Gesicht gelogen. „Ach, das freut mich. Übrigens hat Henry vorhin angerufen, ruf ihn doch nach dem Essen zurück.“, bat ihre Mutter sie. „Was wollte er?“, hakte Audrey nach. „Weiß nicht, darum sollst du ihn doch zurückrufen.“ „Okay, aber erst seh ich noch nach den Katzen.“ „Miez, miez, wo sind meine Kätzchen?“ Audrey schüttelte eine Katzenfuttertüte umher. Bei diesem Rascheln kamen die drei eigentlich immer angelaufen. Das Futter für die drei stand auf einem Strohballen, aufgeteilt in drei Näpfe, die in einem gewissen ‚Sicherheitsabstand‘ zueinander aufgestellt waren. „Babu, Mittens, Cleo, wo seid ihr denn? Miez, meiz!“, rief Audrey durch die Scheune. Sie strich sich durch das vom Regen feuchte Haar, dann raschelte sie wieder mit der Futtertüte herum. Und tatsächlich sah sie drei Augenpaare im schwachen Licht aufleuchten. „Ach, da seid ihr ja.“, begrüßte sie die Katzen. Babu war ein fetter, fauler, rotgetigerter Kater und der zahmste der drei Katzen. Mittens und Cleo waren schwarz-weiß gescheckt und alle beide recht scheu. Streicheln konnte man sie wenn sie einen guten Tag hatten, aber hochnehmen ging gar nicht. Das hatte Audrey mindestens schon einige hundert Mal in Form von Kratzern am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Nachdem sie die Katze gefüttert hatte und geduscht in ihrem Zimmer saß hatte sie das Telefon in der Hand und wählte die Nummer ihres Bruders. Er lebte im Wohnheim seiner Universität und so viel sie wusste hatten er und drei andere Typen dort ein gemeinsames Telefon. Audrey konnte nur hoffen dass das Telefon nicht gerade von einem der Typen besetzt war. Doch bereits nach zwei Mal tuten hob jemand ab. „Parker?“, meldete sich jemand. „Äh, nein, ich bin Audrey, Henrys Schwester.“, stotterte sie nervös. „Oh, Sekunde…“ Audrey hörte Geraschel an der anderen Leitung „Hey, Tudor, deine Schwester ruft an!“ Dann war es kurz ruhig, ehe Audrey wieder ein Rascheln hörte und schließlich die Stimme ihres Bruder vernahm. „Audrey, ah, gut, du hast zurück gerufen.“, begrüßte er sie. „Jup, hab ich. Aber sag mal, warum hat der dich Tudor genannt?“, fragte sie. „Ach, das war Nathan, er studiert irgendwas mit Geschichte. Und ein Englischer König hieß Henry Tudor, der mit den sechs Ehefrauen, von denen zwei geköpft, zwei geschieden und eine bei der Geburt ihres Kindes gestorben ist.“ „Aha… Okay euer Majestät und was war mit der sechsten Ehefrau?“ „Oh, die hatte das Glück den guten Henry zu überleben, ist aber ironischer weise bei der Geburt ihres ersten Kindes am Kindbettfieber gestorben, genauso wie Ehefrau Nummer drei.“ „Aha… Äh… Sag mal, warum weißt du das?“ „Wenn du mit Nathan in einem Zimmer lebst kommst du da nicht drum rum.“ „Aha… Okay… Äh, sag mal, du hast vorhin aber nicht angerufen um mit mir über alte Könige zu reden, oder?“, hakte Audrey nun nach. „Oh, genau, richtig, also, ist wirklich wichtig und ich glaub du bist meine letzte Hoffnung. Mit Mum und Dad kann ich da nicht drüber reden, die würden sofort nein sagen, aber DU, ich glaub wenn DU mit denen angelaufen kommst ist das was völlig anderes.“ Irgendwie hatte Audrey jetzt doch ein mieses Gefühl in der Magengegend. „Äh, was redest du?“ „Also“, begann Henry „Einer meiner Zimmerkameraden hat ‘ne Schwester und diese Schwester hat Farbratten, die Junge bekommen haben. Zehn Stück. Zwei sind noch übrig und wenn die niemand innerhalb der nächsten Woche nimmt hat ihr Vater gedroht sie zu töten.“ „Was?! Ach komm, das muss ein Witz sein.“ „Glaub ich nicht, mein Kumpel hier meinte sein Vater meint das ernst.“ „Ja und was soll ich dann tun?! Soll ich etwa in der Schule rumfragen wer denn grade zwei Ratten haben will?“ In Audrey machte sich in dem Moment zwar eine Vorahnung breit, aber solange ihr Bruder die nicht bestätigen würde, wäre alles gut. „Ne, also schau mal… Die beiden Ratten sind gerade bei uns. Wir haben sie in einer Holzkiste, aber irgendwann wird das auffallen, wir können nicht auf ewig mit Heu und was weiß ich durch das Wohnheim laufen“, erklärte Henry „Verstehst du was ich meine?“ „Äh… Soll ich euch etwa Stroh von der Farm zu euch schicken?“ Immer schön dumm stellen, vielleicht half das. „Audrey! Komm schon! Ich wollte dich fragen ob du die Kleinen nehmen willst!“ Audrey schluckte. Jetzt wo ihr Bruder ihr ihre Vorahnung bestätigt hatte, war es doch eine ziemliche Last. Sie hatte ja nichts gegen Ratten, ach was, sie fand sie total süß, aber ihre Mutter fand Ratten ekelhaft und alle anderen aus ihrer Familie sahen in denen nur Ungeziefer. Und da sollte SIE zwei von denen einfach aufnehmen?! „Henry, bist du meschugge?!“, rief sie fassungslos ins Telefon und starrte ungläubig auf ihre Fußnägel. „Nein, bin ich nicht! Aber bei dir hätten sie es besser als bei uns! Komm schon, kannst du denn nicht…“ „Nein! Ich bitte dich, du kennst unsere Eltern! Da hab auch ich keine Chance, das kannst du vergessen!“, widersprach Audrey bestimmt. Stille. „Okay… Andere Idee, hör zu“, fuhr Henry nun fort „Ich und meine Kumpels suchen unter Hochdruck nach Abnehmern für die Kleinen und du nimmst sie nur vorrübergehen, ja?“ Stille. „Wie lange?“, fragte Audrey schließlich zögerlich. „Heißt das ja?!“ „Nein! Aber eine kurze Zeit lang würde ich es dann wohl doch schaffen die beiden versteckt zu halten, aber ich müsste wissen auf was für eine Zeit ich mich da einstellen müsste.“, erklärte Audrey genervt. Sie hoffte nur in ihrem Bruder keine falschen Hoffnungen geweckt zu haben. „Weiß nicht, so ein, zwei Wochen wäre durchaus möglich. Bitte Audrey, du bist echt unsere allerletzte Hoffnung, wir haben echt schon alles versucht.“ Oh nein, jetzt kam die Mitleidstour. Auf die gab Henry sich wirklich nur hinab wenn die Lage aussichtslos erschien. „Also gut… Wann soll ich die Ratten holen?“, fragte sie und musste sich geschlagen geben. „Diesen Samstag, okay? Ich kann dir per Facebook die genauen Bus- und Bahnverbindungen schicken, hab schon alles ausgeplant.“ Okay, das ließ Audrey stocken. Warum hatte ihr Bruder so was vorgeplant? „Aha… Warum hast du das schon alles geplant? Hast du etwa gedacht ich sag doch sowieso ja oder was? Ey, ich bin-“ „Ich lieb dich auch! Bis Samstag!“ Aufgelegt. „Ja, danke.“ Audrey legte das Telefon genervt zur Seite und seufzte gequält. Oh Himmel, auf was hatte sie sich da grade nur eingelassen? Und das schlimme war… Vor ihr lagen noch vier grausame Schultage bis Samstag. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)