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Sorry, I'm Late!

...Seven Years...
von

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I missed you so bad!

Erleichtert seufze ich auf. Endlich sind wir da. Der Flug ist aber auch anstrengend gewesen. Ich habe ungefähr acht Stunden im Flugzeug fest gesessen und bin wirklich froh, meine Beine wieder bewegen zu dürfen. Als das Flugzeug zum Stehen kommt, schnalle ich mich ab und stehe auf. Ich strecke mich ausgiebig, öffne die Gepäckablage und hole mein Handgepäck heraus. Nichts wie raus, bevor die anderen Passagiere einem den Weg versperren.

Da ich das Schuljahr beenden wollte, bin ich länger in Amerika geblieben als meine Eltern, die schon seit einigen Monaten wieder in Deutschland leben. Wäre alles gar nicht nötig gewesen, wenn mein Vater nicht versetzt worden wäre und darauf bestanden hätte, dass die ganze Familie mitkommen muss.

Ich gehe durch den langen Gang und gelange in die große weiträumige Wartehalle. Menschenansammlungen überall wohin man sieht. Man verabschiedet sich tränenreich oder fällt sich voller Wiedersehensfreude in die Arme.

Alles schön und gut, aber was ist mit mir?

Ich sehe mich um, aber es ist niemand da. Keiner der mich abholt oder in die Arme schließt, weil man mich vermisst hat. Wie auch? Ich bin immerhin seit sieben Jahren nicht mehr in Deutschland gewesen. Ich fange ganz von vorne an und muss mir alles aufbauen. Ein schwieriger Start, aber nicht unmöglich.

Ich verlasse die Wartehalle, nachdem ich mein Gepäck vom Laufband geholt habe und summe leise eine Melodie vor mich hin. Draußen angekommen gehe ich schwer bepackt mit meinen Reisetaschen zu den Taxiständen. Ich klopfe an ein Fenster und der Fahrer schaut von seiner Zeitung auf, er nickt und steigt aus. Der Mann ist kleiner als ich, aber trotzdem wuchtet er meine Taschen mit Leichtigkeit in den Kofferraum. Ich nenne ihm meine zukünftige Adresse und nachdem wir im Auto eingestiegen sind, fährt er mit laufendem und rauschendem Radio los.

Für mich beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Ich habe das Gefühl noch gar nicht richtig angekommen zu sein. Ich bin zweisprachig aufgewachsen und doch hört es sich für mich merkwürdig an, wenn ich mit anderen Menschen in meiner Heimatsprache rede.

Fragt sich nur, wo meine Heimat wirklich liegt? Vielleicht ist Heimat nur ein imaginärer Traum? Die wahre Heimat findet man nur bei sich selbst, hat mal jemand gesagt.

Meine Heimat ist dort, wo meine Familie und meine Freunde sind und genau dorthin kehre ich nun nach sieben Jahren zurück.

Back to you.

Der erste Schultag ist der Schlimmste. Ich bin allem ausgesetzt und wenn ich irgendetwas falsch mache, bin ich bei den Anderen unten durch. Man kommt sich vor, wie ein wildes Tier im Käfig eines Zoos. Ich kann ihren Blicken nicht entfliehen. Sind sie mir wohlgesonnen oder haben sie mich schon in der ersten Pause auf dem Kieker?

Mich stört es nicht wirklich. Ich bin ruhig und gelassen. Wahrscheinlich komme ich deswegen immer so gut mit meinen Mitmenschen aus und finde schnell neue Freunde. Wenn man versucht sich krampfhaft bei den Anderen beliebt zu machen, ist das sowieso nur ein Schuss nach hinten.

So auch in meiner neuen Klasse. Durch meinen Aufenthalt im Ausland, bin ich Frischfleisch für sie.

Amerika. Wer von dort kommt, scheint in ihren Augen angesagt oder wenigstens ein interessanter Mensch zu sein.

Ich bin eigentlich eher der normale Durchschnitt. Potthässlich sehe ich nicht aus, denke ich mal. Normaler Haarschnitt, dunkelblonde Haare und das einzige, was mich wohl als Amerikaner auszeichnet sind meine Armbänder an den Handgelenken, insbesondere das Schweißarmband mit der amerikanischen Flagge.

Mir fällt auf, dass die meisten Jungs in meiner Klasse scheinbar nicht so viel Accessoires tragen. Scheint wohl bei denen nicht so angesagt zu sein, wie es bei meiner Klasse im letzten Jahr gewesen ist. Die Mädchen sind sofort davon begeistert, dass ich so sportlich bin, denn kaum erzähle ich, dass ich gerne Skateboard fahre und Inlineskate, sind sie alle Feuer und Flamme. Überhaupt sind die Mädchen mir gleich sympathisch. Sie stellen Fragen und zeigen Interesse. Die Jungs hingegen sitzen gelangweilt auf ihren Plätzen oder mustern mich, als könnte ich ihnen gefährlich werden.

Ich bin eigentlich eher das Gegenteil.

Als Kind war ich sogar sehr schüchtern. Ich habe kaum einen Ton heraus bekommen und wenn Fremde mich angesprochen hatten, habe ich mich immer sofort hinter meiner Mutter versteckt. Nicht unbedingt ein Sohn, den sich mein Vater gewünscht hatte. Ich war ihm immer viel zu ruhig und daher konnte er nicht so viel mit mir anfangen. Trotzdem sind meine Eltern ganz in Ordnung. Zumindest in den letzten sieben Jahren sind sie ziemlich locker geworden.

Ich sehe nach meiner kurzen Vorstellung zu meiner neuen Lehrerin und sie schaut sich sofort in der Klasse um, wo sie mich hinsetzen kann. Die Frau hat etwas von einer Bibliothekarin. Die typische Hochsteckfrisur und eine Brille mit dicken Gläsern. Sie schiebt sich die Brille auf der Nase zurecht und deutet dann auf einen Platz am Fenster.

„Setze dich dorthin. Das ist zurzeit der einzige freie Platz!“, weist sie mich an und ich folge der Aufforderung. Scheinbar ist der Platz nicht umsonst frei geblieben. Der Junge neben den ich mich setzen muss, trägt einen ziemlich starken Männerduft. Zum Glück sitze ich direkt am Fenster. Ich bin sowieso kein Freund von Parfum und der Junge hat es damit eindeutig übertrieben. Den riecht man ja noch Kilometer weit entfernt!

Ich sehe mich kurz in der Klasse um. Die meisten konzentrieren sich schon wieder auf den Unterricht. Einige sind mit ihren Handys beschäftigt oder schreiben sich Briefe. Zumindest bekommt die Lehrerin nicht allzu viel davon mit.

Ich wende meinen Blick ab und sehe aus dem Fenster. Von hier aus hat man einen ziemlich guten Blick auf den Sportplatz. Eine Klasse übt gerade den Staffellauf. Dann wird mir wenigstens nicht zu langweilig. Ich habe nämlich spitz gekriegt, dass ich in den meisten Fächern viel weiter bin, als die Schüler in meiner neuen Klasse, also werde ich mich in diesem Schuljahr nicht sonderlich anstrengen müssen, um gute Noten zu bekommen. Was für ein Glück, da ich leider nicht zu den besten Schülern gehöre und nebenbei auch nicht sehr fleißig bin, was das Lernen betrifft.

Das Einzige was mir in der Schule wirklich Spaß macht, ist der Sportunterricht.

Der erste Schultag geht an mir vorbei. Im Schneckentempo. Ich kann es wirklich kaum erwarten wieder nach draußen zu können. Ich bin sowieso eher jemand, der viel draußen unterwegs ist. Drinnen hält mich einfach nichts.

Es gibt auch einen bestimmten Grund, warum mich heute nichts sonderlich lange in der Schule hält. Ich muss unbedingt an einen Ort, den ich früher immer aufgesucht habe und irgendwie drängt es mich immer wieder dorthin, seit ich wieder in meiner Heimat bin.

Ich sehe ständig auf die Uhr an der Tafel und beobachte, wie sich die Zeiger in Zeitlupe vorwärts bewegen. Irgendwie habe ich das Gefühl, als würden die Zeiger sich nicht vom Fleck bewegen. Wenn ich ständig auf die Uhr sehe, scheint nichts zu passieren.

Seufzend werfe ich wieder einen Blick aus dem Fenster. Da haben wir schon so tolles Wetter und müssen trotzdem in dem stickigen Klassenzimmer ausharren. Der Junge neben mir schwitzt wie sonst was und ich befürchte, wenn er noch länger hier sitzen muss, löst er sich noch in eine Wasserpfütze auf.

Ich sehe mich noch einmal in meiner Klasse um. Hier sind ein paar hübsche Mädchen. Vielleicht habe ich ja das Glück, dass ich endlich mal eine Freundin finde? Ich bin immerhin 17 Jahre alt. Da wird es doch so langsam mal Zeit? Leider bin ich eher so ein Kummerkasten für die Mädchen. Das ist schon manchmal blöd, wenn sie mich gar nicht richtig als Junge wahr nehmen.

Eine große Auswahl gibt es leider nicht. Auf den ersten Blick gibt es gerade mal eine handvoll Mädels, die mich interessieren würden. Wie soll man sich da bitte entscheiden?

Eine sieht auf und lächelt mir zu. Sie sieht eigentlich gar nicht mal so schlecht aus. Vielleicht sollte ich es mal bei ihr versuchen?

Ich lächele zurück und nehme mir vor, sie bei der nächsten Gelegenheit anzusprechen. Auch wenn es mir schwer fällt, da ich nicht gerade der Draufgänger bin, der locker mit jedem Mädchen reden kann.

Als es endlich zur Pause klingelt, strecke ich mich aufatmend und erleichtert. Sind ja nur noch einige Stunden, bis ich heimgehen kann. Und ich habe heute nicht mal Sportunterricht. Das wird also ein extrem langweiliger Tag!

Ich sehe zu meiner Auserkorenen. Grinsend stehe ich auf und beschließe einfach mal mein Glück zu versuchen. Aber vorher muss ich mich irgendwie etwas ungelenk an dem Dickerchen neben mir vorbeizwängen. Manieren hat der Typ auch nicht, denn er macht mir nicht mal Platz.

Ich gehe zu dem Mädchen, die ziemlich weit hinten sitzt und nun zu mir aufsieht. Sie lächelt und hoffnungsvoll lege ich mir in Gedanken schon mal ein paar Worte zurecht.

Plötzlich werde ich zur Seite gedrängt und stolpere gegen einen Tisch. Das Mädchen sieht zu mir und ich lächele sie entschuldigend an. Dann sehe ich wieder zu dem anderen Mädchen und muss enttäuscht feststellen, dass sie bereits mit dem Idioten am herum turteln ist, der mich gerade gerammt hat. Was für eine Pleite!

„Das war wohl nichts!“, meint das Mädchen neben mir und grinst amüsiert. Ich nicke geknickt und drehe dann ab. Ich gehe zurück zu meinem Platz und komme mir echt wie ein Trottel vor. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Als ob so ein Mädchen sich mit mir abgeben würde.

Nur langsam schleicht der Vormittag voran und ich langweile mich die ganze Zeit. In den Pausen ist es zum Glück nicht ganz so schlimm. Es haben sich regelrechte Ansammlungen von Schülern um mich gesammelt und alle wollen etwas über mich oder das Leben in Amerika wissen.

Ich mag ihre Offenheit und mit einigen kann ich mich ganz gut unterhalten. So vergeht der Vormittag dann doch noch einigermaßen erträglich und ich bin froh, als die letzte Stunde endlich vorbei ist. Ich packe meinen Rucksack, verabschiede mich gut gelaunt und verlasse das Schulgebäude.

Draußen erwartet mich die warme Sommerluft und da ich es jetzt nicht mehr so eilig habe, gehe ich gemütlich die Straße entlang. Das Schlimmste habe ich immerhin überstanden.

Ich gehe zu einer Bushaltestelle in der Nähe meiner Schule. Es stehen nicht viele Leute dort, nur eine alte Frau sitzt auf einer Bank und zwei Schüler stehen vor dem Haltestellenschild. Ob sie von meiner Schule sind, kann ich nicht sagen. Einer der Jungs läuft sogar im Sommer mit einem Pullover durch die Gegend und dann auch noch komplett in schwarz. Ich ziehe verwundert meine Augenbraue in die Höhe. Ist ihm das nicht zu heiß? Der Junge neben ihm ist wohl ein Freund und trägt eine ziemlich auffällige Brille. Sie tuscheln angeregt miteinander. Der Schwarzhaarige sieht mich kurz an und spricht dann wieder mit der Brillenschlange. Habe ich etwas im Gesicht?

Ich sehe schnell zur Seite und hole mein Handy aus meiner Hosentasche, um mich zu beschäftigen, aber irgendwie kann ich mich nicht darauf konzentrieren.

Ich sehe erneut zu ihnen. Es gefällt mir, dass sie so vertraut miteinander umgehen. Das erinnert mich irgendwie an meine Kindheit. Da habe ich auch ständig am Rockzipfel meines besten Freundes gehangen.

Ich beobachte, wie der Schwarzhaarige dem blonden Jungen einen Arm über die Schultern legt. Interessiert sehe ich zu ihnen. Doch schon im nächsten Moment weiten sich meine Augen. Der Größere der Beiden küsst den Jungen mit der Brille!

Überrascht kann ich meinen Blick kaum von ihnen abwenden. Wie können die sich einfach so mitten auf der Straße küssen und das vor allen Leuten? Verlegen sehe ich auf meine Schuhe und warte ungeduldig auf den Bus. Ich werfe noch einmal zögerlich einen Blick auf die Jungs und schaue dann schnell wieder weg. Ich spiele auf meinem Handy herum, um sie nicht dauernd anstarren zu müssen.

Überrascht blicke ich auf, als der Bus an mir vorbeifährt und dann hält. Ich habe es gar nicht mitbekommen, weil ich mich krampfhaft auf mein Handy konzentriert habe. Ich gehe zum Einstieg und stelle mich hinter den beiden Jungen an. Ich gebe mir Mühe sie nicht immer anzustarren, aber so richtig gelingt es mir dann doch nicht.

Sie setzen sich ganz hinten in den Bus, also beschließe ich weiter vorne zu sitzen. Meine Gedanken drehen sich immer noch um die beiden. Sie müssen ungefähr in meinem Alter sein, aber es erstaunt mich immer noch, wie offen die beiden zu ihrer Homosexualität stehen. Das habe ich bisher noch nicht erlebt. Es ist ungewohnt, aber irgendwie auch aufregend.

Ich beneide sie, immerhin sind die beiden Jungs ein festes Paar und ich stehe mit meinen 17 Jahren immer noch als Single in der Weltgeschichte herum. Das ist ziemlich deprimierend.

Zwei Haltestellen vor mir steigen sie aus und ich schaue ihnen heimlich hinterher. Dann muss auch ich aussteigen. Leichte Vorfreude macht sich in mir breit und es kribbelt ein wenig in meinem Bauch. Nervös verlasse ich den Bus und bleibe einen Moment auf dem Bürgersteig stehen. Die Gegend sieht immer noch so aus wie vor sieben Jahren. Jedenfalls hat sich auf den ersten Blick nicht viel verändert. Ich gehe einen schmalen Weg entlang, der schon beinahe etwas von einem winzigen Wald hat. Der Weg führt auf ein offenes Gelände. Zufrieden bemerke ich, dass das Gebäude noch immer steht. Früher befand sich eine Produktionsfirma für Sportschuhe auf dem Gelände.

Inzwischen sind aber nur noch einsturzgefährdete und leerstehende Gebäude darauf zu finden. Alles ist mit Gras überwuchert und wie es aussieht, hat sich bisher noch niemand dafür interessiert das Gelände zu kaufen und zu sanieren. Ich gehe den Asphaltweg entlang und fühle mich beobachtet, obwohl überall Bäume am Rand stehen und die Sicht versperren. Der Anblick ähnelt einer Lichtung im Wald. Ich höre die Vögel zwitschern und gehe zu einem kleinen Holzschuppen, der etwas abseits steht. Es ist unglaublich, dass der immer noch an Ort und Stelle steht.

Viel Platz hat man kaum. Ich weiß bis heute nicht, wofür der Schuppen überhaupt auf dem Gelände steht. Auf jeden Fall habe ich ihn damals mit meinen Freunden als Geheimversteck benutzt und zwar immer dann, wenn die Arbeiter Feierabend hatten. Zusätzlich gab es dann noch ziemlichen Ärger, weil ich mich abends nicht alleine herumtreiben sollte. Trotzdem habe ich es immer wieder getan.

Ich versuche die morsche Tür zu öffnen. Das Holz knarzt so laut, dass ich schon Angst bekomme, dass man es noch kilometerweit hören kann. Ich stemme mich dagegen und kann mich nicht erinnern, dass sie schon damals so schwer zu öffnen war. Mit einem Ruck gibt sie plötzlich nach und ich fliege der Tür beinahe hinterher, kann mein Gleichgewicht jedoch im letzten Moment wiederfinden und stehe etwas wackelig auf den Füßen. Die erste Hürde habe ich schon mal gemeistert. Ab zur Nächsten.

Ich betrete neugierig den Schuppen und sehe mich darin um. Überall sind Spinnenweben und Staub. Hier ist schon lange niemand mehr gewesen. Mir fällt etwas ins Auge und ich knie mich vor eine Kiste. Ich schiebe sie vor und greife nach einer halboffenen Tüte. Okay, hier kommt doch noch ab und an jemand her. Nur wer?

Ich befördere Süßigkeiten, Getränke, einige Comics und Pornohefte hervor. Bei Letzterem laufen meine Wangen rot an. Ich blättere in dem Pornomagazin herum und sehe mir die nackten Frauen darin an. Ich muss gestehen, einige davon turnen mich wirklich an.

„Was machst du hier?“

Ich drehe mich erschrocken um und lasse das Magazin aus meiner Hand fallen. Vor mir steht ein Schwarzhaariger Junge. Piercings an Nase und Mund. Seine Klamotten sehen nicht so stylish aus. Ein schwarzes Shirt, ein rotes Karohemd zum zuknöpfen und eine schwarze Jeans.

Ertappt lächele ich ihn an und greife blind nach dem Heft, weil ich meinen Blick kaum von ihm abwenden kann. Er erinnert mich an jemanden, aber ich weiß partout nicht an wen.

„Ich habe dich was gefragt!“, meint der Junge nachdrücklich und sieht von oben zu mir herunter. Ich weiß gar nicht, was ich ihm antworten soll. Mein Grund ist ihm bestimmt zu kitschig. Der glaubt mir kein Wort!

„Also, ich war schon mal hier...“, stammele ich und bin noch immer leicht aus dem Konzept gebracht. Der Junge hat mir einen tierischen Schrecken eingejagt.

Er kniet sich neben mich und nimmt mir das Heft aus der Hand. Dann steckt er es zurück in die Tüte. Meine Augen weiten sich. Vorsichtig hebe ich meine Hand und streiche ihm ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er zuckt zusammen und sieht mich erschrocken an.

„Was machst du da?“, will er skeptisch wissen.

„Die kleine Narbe...“, meine ich Gedanken versunken und starre noch immer auf die verblasste Narbe unter seinem Ohr am Halsansatz. Er greift mit seiner Hand nach meiner und schiebt sie sich aus dem Gesicht. Mürrisch sieht der Junge mich an.

„Das war nur ein kleiner Unfall. Nichts weiter und jetzt sieh zu, dass du Land gewinnst!“, meckert er. Ich muss grinsen und kann mich einfach nicht mehr zurückhalten.

Ich falle ihm um den Hals und zusammen kippen wir zur Seite. Ich lande auf ihm und schlinge meine Arme fest um den Schwarzhaarigen. Mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht, halte ich ihn fest. Der Junge sieht mich überrumpelt an und versucht mich abzuwehren.

„Was soll das? Lass mich los? Bist du verrückt?“, fragt er mich verständnislos mit aufkeimender Panik in seiner Stimme.

„Ich habe dich so vermisst!“, erwidere ich lachend und schmiege mich an ihn. Er hat sich wirklich verändert. Ich habe ihn ja kaum wieder erkannt.

„Lass mich endlich los!“, keift er und drückt mich mit seinen Händen von sich, was aber gar nicht so einfach ist, denn ich habe nicht vor ihn loszulassen.

„Was soll der Mist? Lass mich los! Wer bist du überhaupt?“, schreit er mich wütend an. Ich nehme es ihm nicht wirklich übel. Okay, doch ein bisschen schon. Ich sehe ihm in sein Gesicht, das nur wenige Zentimeter von meinem entfernt ist.

„Was ist mit Elena, ist sie auch hier?“, frage ich ihn und fühle mich gerade wie im siebten Himmel.

„Elena?“ Verständnislos sieht er mich an. „Du kennst Elena?“

Ich seufze. Kann er sich denn gar nicht mehr an mich erinnern? Meine leichte Enttäuschung kann ich nur schwer verbergen. Ich richte mich ein wenig auf und mustere ihn.

„Ich bin's, Oliver.“, erkläre ich ihm.

„Oliver wer?“ Er versteht noch immer nicht und ich bin nun doch irgendwie verstimmt.

„Oliver Rados!“, wiederhole ich mich. „Calvin, tu nicht so! Du kennst mich doch!“

Er zieht seine Stirn kraus und sieht mich prüfend an. Seine Augen ziehen sich zusammen und er versucht sich zu erinnern, aber mir scheint, er kennt mich nicht mehr.

„Calvin...“ Ich sehe eindringlich zu ihm herab und spüre leichte Verzweiflung in mir aufsteigen. „Weißt du nicht mehr? Wir waren unzertrennlich und haben alles zusammen gemacht. Wir waren zehn Jahre alt, als ich nach Amerika gezogen bin.“ Ich versuche ihm hartnäckig auf die Sprünge zu helfen. Er sieht mich noch immer unnahbar an und so langsam gebe ich doch die Hoffnung auf. Habe ich mich etwa geirrt? Aber die Narbe! Das ist eindeutig die Narbe, die er sich damals zugezogen hatte. Ist irgendetwas passiert, dass er sich jetzt nicht mehr an mich erinnern kann? Aber er ist doch hierher gekommen? Dann dürfte er sich doch auch nicht mehr an den Schuppen erinnern. Glaube ich zumindest.

„Du hast mich im Stich gelassen...“, meint er und sieht stumpf zu mir auf.

Ich lächele, hat er sich endlich erinnert, doch es gefriert mir im Gesicht. Was meint er damit? Ich habe ihn im Stich gelassen? Was habe ich denn gemacht?

„Was meinst du damit?“, frage ich ihn und komme einfach nicht darauf, worauf er hinaus will.

„Du bist gegangen und hast mich alleine hier zurückgelassen!“, brüllt er mich wütend an. Ich sehe Calvin mit großen Augen an.

„Da kann ich doch nichts für. Ich konnte doch nicht alleine hier bleiben. Meine Eltern hätten mich niemals hier gelassen!“, versuche ich es ihm zu erklären. Calvin schaut mich gereizt an.

„Du hast es ja nicht mal versucht! Du bist ohne zu murren mit ihnen ins Ausland geflogen! Du hast dich nicht mal mehr gemeldet! Ich habe auf dich gewartet, ein Brief oder eine Mail, aber du hast überhaupt nichts von dir hören lassen! Du hast mich komplett vergessen, als hätte es mich nie gegeben!“

Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Er hat Recht. Ich habe ihn ja nicht mal angerufen. Hilflos sehe ich Calvin an.

„Na ja, die neuen Eindrücke, das Haus, meine neue Schule...“, murmele ich und suche nach den richtigen Worten.

„Alles nur Ausreden. Dumme Ausreden!“ Calvin sieht mich verletzt an und drückt mich von sich herunter. Diesmal lasse ich es zu. „Du weißt gar nicht, was ich durch gemacht habe! Du weißt gar nichts!“, keift er mich an und rappelt sich auf.

Ich knabbere auf meiner Unterlippe. Ich fühle mich schlecht. „Aber...“, setze ich an, doch er lässt mich gar nicht erst zu Wort kommen.

„Hör auf damit! Ich will nichts mehr hören. Ich will dich auch nicht mehr sehen! Verschwinde!“, kommt es aufgebracht von Calvin. Ich sitze stumm auf dem Boden. Was solle ich jetzt machen?

„Was ist denn passiert?“, frage ich ihn unwissend und weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll. Er wirkt gerade so gar nicht redselig. Wie kann ich ihn denn nur beruhigen? Wir haben uns gerade erst wiedergesehen und ich will nicht im Streit mit ihm auseinander gehen.

„Verschwinde endlich!“, brüllt Calvin so laut, dass ich zusammen zucke. Ich sehe ihn verletzt an. Ich stehe auf und kann einfach nicht anders. Ich schlinge meine Arme um ihn und drücke Calvin fest an mich. Ich spüre, wie er sich augenblicklich verspannt und anfängt sich in meiner Umarmung zu winden. Er ist ordentlich am Ächzen, aber ich bin stärker als er und lasse nicht los. Ich bekomme von seinem Atem an meinem Hals eine Gänsehaut.

Nach einigen Sekunden gibt Calvin auf. Zufrieden lächelnd lockere ich meinen Griff. Hätte ich lieber lassen sollen, denn er nutzt diesen kurzen Moment aus und windet sich aus meiner Umarmung. Er schubst mich und dreht sich um. Ich falle nach hinten und pralle unsanft gegen die große Kiste. Ich keuche auf und greife stöhnend mit meiner Hand nach meinem schmerzenden Rücken. Ich höre Calvins Schritte auf dem Asphalt und rappele mich hastig auf. Wieso rennt er jetzt vor mir weg?

So schnell ich kann, laufe ich ihm hinterher. „Calvin, warte! Bleib stehen!“, rufe ich ihm zu und bin mir nicht sicher, ob er mich auch hört. Ich hätte nicht gedacht, dass er so schnell laufen kann. Er hat nur ein Problem, ich bin der Sportlichere von uns beiden und so kann ich schnell aufholen. Nur noch einige Meter trennen uns voneinander.

„Hey, hör mir doch mal zu!“, versuche ich es erneut, aber es ist vergebens. Er hört mir nicht zu und wird auch nicht langsamer. Das ist doch echt zum Verzweifeln!

Ich hole noch mal alles aus mir heraus und wetze ihm hinterher. Wir rennen durch enge Gassen, vorbei an den Vorgärten einiger Einfamilienhäuser und so langsam verliere ich den Überblick. Ich finde mich kaum noch zurecht, weil ich eigentlich nur auf Calvin achte. Wo führt er mich hin? Weiß er, wo er hinrennt? Ich war zwar früher oft hier, aber ich habe mich immer nur in der Nähe des Schuppens aufgehalten. Diese Gegend kenne ich gar nicht.

„Calvin! Bleib doch mal stehen!“ rufe ich erneut, leicht verzweifelt. Ich greife mit meiner Hand nach ihm, als ich endlich wieder ein Stück aufgeholt habe, aber es reicht noch nicht und so rennt er noch immer vor mir her. Ich bin drauf und dran aufzugeben.

Dann sehe ich meine Chance gekommen. Er schwächelt etwas und das nutze ich zu meinen Gunsten aus. Schnell greife ich nach seiner Hand und reiße ihn grob nach hinten. Calvin schreit schmerzhaft auf. Er prallt gegen mich und zusammen fallen wir ein zweites Mal an diesem Tag zu Boden. Nur diesmal auf den harten Asphalt. Ich schürfe mir meine Ellenbogen auf, ignoriere es jedoch.

Wir sind beide schwer am Atmen.

Noch immer halte ich Calvin am Handgelenk fest. Völlig außer Puste sieht er zu mir herunter, wobei er sich dabei etwas drehen muss, da er mit dem Rücken auf mir liegt.

Er ringt nach Luft und ich merke, dass es mir nicht anders ergeht. Wie weit sind wir überhaupt gelaufen? Ich habe keine Ahnung. Ich lecke mir über meine trockenen Lippen, meine Lungen schmerzen beim Luftholen und mir tut der Rücken weh.

„Lass mich los...“, meint Calvin schwer atmend und zerrt mit seiner freien Hand an meinem Handgelenk herum.

„Sag mir erst, wieso du nach all den Jahren noch sauer auf mich bist!“, fordere ich ihn auf. Calvin rümpft die Nase und geht gar nicht darauf ein. Er dreht sich auf mir und drückt mir sein Bein unsanft gegen den Schritt. Augenblicklich laufe ich knallrot an.

„Ca-Calvin...nicht da...nicht bewegen...“, stammele ich und presse meine Lippen aufeinander, um nicht stöhnen zu müssen. Calvin sieht mich verständnislos an. Ich versuche es zu ignorieren, was mir nicht gerade leicht fällt, wenn sein Bein an meinem Penis reibt. Kann er sich nicht ruhig verhalten?

Da ich abgelenkt bin, kann Calvin sich nun endlich von mir befreien. „Du bist doch krank! Das ist pervers!“, schnauzt er mich gereizt an. Eingeschnappt sehe ich zu ihm auf. Was kann ich denn dafür, wenn mein Körper ein Eigenleben führt? Das kann ich doch nicht kontrollieren?

„Das wäre gar nicht passiert, wenn du dich ruhiger verhalten würdest!“, kontere ich verstimmt. Calvin erhebt sich und sieht mich ärgerlich an. „Du nimmst das alles hier nicht ernst! Hältst du das für einen Witz?“

Verwirrt sehe ich ihn an. Wie kommt er denn darauf, dass ich es nicht ernst nehmen würde? Ich schüttele mit dem Kopf und lächele leicht. „Aber wir sind doch Freunde. Wieso kann nicht alles so sein wie früher?“

Calvin sieht mich verächtlich an. Fassungslos sehe ich zu ihm auf. Er sieht auf mich herab, dreht sich um und rennt davon. Ich stehe auf und laufe ihm, so schnell ich kann, nach. Ich greife nach Calvins Handgelenk und zwinge ihm zum Stehenbleiben, doch da dreht er sich auch schon um und schlägt mir seine Faust ins Gesicht.

Erschüttert bleibe ich stehen und lockere meinen Griff. Ich schmecke Blut in meinem Mund. Es schmeckt metallisch und mir wird leicht übel. Erschrocken sehe ich zu Calvin, dem es nicht anders geht.

„Du kommst hierher und tust als wäre nichts gewesen, aber du bist nicht der Einzige, der sich verändert hat!“, meint er mit zitternder Stimme. Er wendet sich von mir ab und rennt davon. Entgeistert sehe ich ihm nach. Diesmal folge ich Calvin nicht.

Erledigt wische ich mir über den Mund und als ich auf meinen Handrücken starre, bemerke ich das Blut. Ich sehe auf und erkenne Calvin nur noch schemenhaft. Seine Schritte auf dem Asphalt höre ich noch genau, auch wenn sie leiser werden.

Wie konnte er sich so sehr verändern? Sieben Jahre sind doch gar nicht so lang, oder? Mir kam es nie so vor. Habe ich mich auch so stark verändert?

Friends for Life!

„Oliver! Wach auf! Wie lange willst du denn noch schlafen?“, höre ich die Stimme meiner Mutter und gebe nur einen kurzen ungnädigen Laut von mir, ehe ich mir die Decke über den Kopf ziehe. Ich brumme nur und versuche weiter zu schlafen.

Leider gibt meine Mutter nicht so leicht auf und beginnt konsequent an meiner Bettdecke zu ziehen. Mit Mühe halte ich mich daran fest und nehme auch meine Beine zur Hilfe.

„Nicht die Decke...“, stöhne ich gequält, weil mir die Sonne jetzt mitten ins Gesicht scheint. Wieso hat sie nur die Vorhänge zurückgezogen? Wie kann sie mir das nur so früh am Morgen antun?

„Oliver, du musst dich fertig machen! Du bist viel zu spät dran! Wenn du nicht gleich aufstehst, kippe ich dir einen Eimer Wasser übers Gesicht!“, warnt meine Mutter mich.

Ich stöhne nur genervt und setze mich dann im Bett auf. Die Decke rutscht mir über dem Rücken herunter und müde reibe ich mir über meine Augen.

„Ich brauche was zu essen...“, murmele ich verschlafen und sehe zu meiner Mutter. Sie grinst breit und legt mir meine Kleidung zurecht. Wieso sie das immer noch tut ist mir schleierhaft. Ich werde nachher sowieso andere Klamotten aus dem Schrank holen. Meine Mutter hat nämlich einen merkwürdigen Geschmack was das angeht.

„Ich habe gestern Calvin getroffen, an unserem alten Geheimversteck!“, erzähle ich ihr und sie sieht auf, nachdem sie sich meinen Mülleimer geschnappt hat.

„Calvin Janke?“, fragt sie mich überrascht. Ich nicke und sehe sie bedrückt an.

„Er ist wütend auf mich...“ Meine Mutter lächelt mich milde an und geht mit dem völlig überfülltem Mülleimer auf die Zimmertür zu.

„Das wird schon wieder. Jetzt mach dich fertig und komm zum Frühstücken!“, meint sie nur und schon ist sie aus dem Zimmer gegangen.

Seufzend schäle ich mich aus meiner Bettdecke und stehe auf. Ich gehe zu meinem Kleiderschrank und sehe lustlos hinein. Was soll ich anziehen? Wahllos nehme ich mir alles heraus, was ich benötige und gehe damit ins Badezimmer. Dazu muss ich an dem angrenzenden Schlafzimmer meiner Eltern vorbei gehen, weil bei mir lediglich das Gästebad ist.

Ich lege die Klamotten auf einer kleinen weißen Kommode ab und ziehe mich langsam aus. Als ich endlich unter der Dusche stehe, drehe ich den Wasserhahn auf und schon prasselt das warme Wasser entspannend auf mich herab. Mein Blick fällt auf meine Körpermitte und augenblicklich bin ich knallrot, als ich mich an den Vortag erinnere, immerhin hat Calvin mich dort berührt.

Ich überlege einen Moment. Soll ich oder soll ich nicht?

Probehalber lasse ich meine Hand über meinen Bauch gleiten. Immer tiefer, bis ich mit den Fingerspitzen über meinen Penis streiche. Mit meiner linken Hand stemme ich mich an den Badezimmerkacheln ab, während ich mit der anderen Hand eine Faust um meinen Penis schließe. Ich seufze leise auf und beginne langsam mein Glied zu massieren.

Meine Gedanken wandern wieder zu Calvin. Ich weiß nicht wieso, aber immer wieder schleichen sich Bilder von dem schwulen Pärchen in meine Gedanken und ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn ich und Calvin an ihrer Stelle wären. Ich laufe knallrot an und muss stöhnen.

Verlegen sehe ich an mir herunter. Was mache ich hier eigentlich? Ich bin hier am wichsen und denke an meinen Kindheitsfreund!

Schwul bin ich ja eigentlich auch nicht. Jedenfalls nicht richtig. Vielleicht bin ich ja bi? Ich habe mich noch nie richtig mit dem Thema auseinander gesetzt. Die beiden Jungs aus dem Bus haben mich schon irgendwie ein wenig durcheinander gebracht, dann noch die Sache mit Calvin, ich weiß gar nicht, was ich von all dem halten soll? Ich habe mich nie für Calvin noch für einen anderen Jungen interessiert. Vielleicht interpretiere ich auch einfach viel zu viel hinein? Nur, wieso hole ich mir dann hier einen runter und denke an einen Jungen? Sollte ich nicht lieber an ein Mädchen denken?

Schon wieder sehe ich Calvin vor mir, wie er auf mir liegt und versehentlich an mir reibt. Das Ereignis hat sich regelrecht in meine Gedanken eingebrannt und ich werde es einfach nicht mehr los. Sogar in der Nacht habe ich ständig daran denken müssen. Es wäre besser, wenn ich es einfach vergesse und so tue, als wäre es nie passiert!

Dumm nur, dass ich nicht aufhören kann. Erregt stimuliere ich die Eichel meines Penis und erschrecke mich zu Tode, als meine Mutter an der Tür klopft.

„Oliver! Mach nicht so lange!“, ruft sie mir hinter der verschlossenen Tür zu. Entsetzt sehe ich zur Tür. „Ich bin ja gleich fertig!“, schnauze ich sie an.

Deprimiert sehe ich auf mein Glied und bin irgendwie nicht mehr richtig in Stimmung. Aber aufhören will ich jetzt auch nicht, also versuche ich mich zu beeilen. Was mir relativ leicht fällt, als ich schon wieder ein Bild von Calvin vor Augen habe. Ich presse meine Lippen aufeinander und sehe zu, wie mein Sperma sich mit dem Wasser auf dem Boden vermischt.

Hastig wasche ich mich und steige aus der Dusche. Ich trockne mich fahrig ab und ziehe mir dann die Klamotten an, während ich mir nebenbei etwas ungelenk die Zähne putze und gleichzeitig versuche meine Haare trocken zu rubbeln.

Ich gehe in unsere große offene Küche am Ende des langen Flurs und setze mich gegenüber meines Vaters an den Tisch. Zum Glück ist der Tisch bereits gedeckt und so stapele ich mir alles mögliche auf den Teller und klatsche es als Sandwich zusammen. Meine Mutter schüttelt nur mit dem Kopf. Meinen Vater sieht man kaum über die große Zeitung hinweg und da wir morgens sowieso nicht allzu viel zu erzählen haben, lausche ich der Musik im Radio.

„Was hast du da eigentlich am Mund? Ist das Blut?“, fragt mich meine Mutter besorgt und prompt greift sie nach meinem Gesicht und zieht es zu sich herum. „Sag mal, du prügelst dich doch nicht etwa? Du bist gerade mal einen Tag an der Schule und schon machst du Blödsinn!“

„Lass den Jungen! Solange es bei ein paar Raufereien bleibt, ist doch nichts dabei!“, wirft mein Vater ein und greift tastend nach der Kaffeetasse, ohne von seiner Zeitung aufzusehen.

Dankbar lächele ich meinen Vater an. Wie sie wohl reagieren würden, wenn ich ihnen erzähle, dass die Wunde von Calvin stammt?

Ich spüre ein Gewicht auf meinem Schoss und sehe herunter. „War ja klar, dass du dich erst meldest, wenn es Essen gibt, Vojan! Du bist echt viel zu verfressen!“, meckere ich und sehe zu dem afghanischen Windhund, der seinen Kopf auf meinen Beinen gebettet hat und bettelnd zu mir aufsieht.

Ich versuche Vojan zu ignorieren, aber so richtig will es mir dann doch nicht gelingen und so lasse ich heimlich, damit meine Eltern es nicht bemerken, ab und an mal ein Stück Aufschnitt unter dem Tisch verschwinden. Vojan macht sich darüber her und ich kann gar nicht so schnell sehen, da hängt er auch schon halb auf meinem Schoss und bettelt um mehr.

„Ich fahre dich heute zur Schule.“ Ich sehe zu meinem Vater, genauer gesagt zur Zeitung, hinter der er sich versteckt und nicke, auch wenn er das nicht sehen kann. Meine Mutter ist schon dabei den Tisch abzuräumen und so stehe ich auf, um ihr zur Hand zu gehen. Vojan tapst hinter mir her, in der Hoffnung, dass noch etwas für ihn abfällt, aber jetzt muss er sich mit seinem Hundefutter zufrieden geben.

Ich renne noch einmal über den Flur zurück in mein Zimmer, gefolgt von Vojan, der das alles als Spiel sieht, schnappe mir meinen Rucksack, der neben meinem Schreibtischstuhl liegt und gehe dann gemächlich zum Hauseingang, um mir meine Turnschuhe überzustreifen. Mein Vater ist bereits nach draußen gegangen und ich höre, wie er den Motor des Wagens startet.

Ich beeile mich, denn mein Vater ist bekannt dafür, dass er nicht gerne wartet. Schon beim Einsteigen fährt er an und ich sehe ihn missbilligend an. Nicht mal die paar Sekunden kann er warten. Er fährt mal wieder viel zu schnell auf der Straße und ich hoffe, wir bauen nicht noch einen Unfall.

Was hat mich nur geritten, zu ihm ins Auto zu steigen? Diesem Mann müsste man eigentlich den Führerschein entreißen, um die Passanten und Insassen zu schützen! Nichts gegen meinen Vater, aber mir scheint, er wäre bei der Formel 1 besser aufgehoben, als im Straßenverkehr.

Ich bin mehr als froh, noch zu leben, als der Wagen vor dem Schultor hält und ich mit leicht wackeligen Beinen aussteigen kann. „Bis heute Abend...“, murmele ich ihm zu und schau kurz hinter dem Auto her, ehe ich das Schultor passiere und einige meiner neuen Klassenkameraden begrüße.

Meine Augen weiten sich, als ich plötzlich Calvin auf dem Schulhof entdecke. Wie angewurzelt bleibe ich stehen und starre auf den schwarzhaarigen Jungen, der etwas weiter entfernt von mir an einer Wand steht und gelangweilt die eintreffenden Schüler beobachtet. Mich hat er noch nicht entdeckt. Hastig wende ich mich ab und weiß gar nicht was ich tun soll. Ich schiele zu ihm herüber und weiß nicht woran es liegt, aber irgendetwas drängt mich zu ihm.

Stehe ich vielleicht doch auf ihn? Ich betrachte den Jungen und mustere ihn. Er ist schlank, hat eine sportliche Figur, soweit ich das erkennen kann. Sein Gesicht schaut auch gar nicht so übel aus, aber das kann ich schlecht beurteilen. Bei einem Mädchen fällt mir so etwas irgendwie leichter. Seine Piercings im Gesicht gefallen mir. Und ich muss schlucken, als meine Gedanken wieder in die falsche Richtung gehen. Wieso habe ich bei Calvin neuerdings solche Gedanken? Ich habe ihn doch gestern das erste Mal wiedergesehen, wie können sich meine Gedanken dann so schnell um solche Dinge drehen? Liegt das daran, dass ich in der Pubertät stecke oder dass meine Triebe derzeit die Oberhand haben und sie nicht sonderlich wählerisch sind?

„Oliver?“, höre ich auf einmal eine Stimme hinter mir.

Ich drehe mich um und das Erste was ich sehe, sind ein Haufen schwarzer Haare. Ich ziehe skeptisch eine Augenbraue in die Höhe. Das Mädchen mit der blassen Haut lächelt mich an und zieht ihre Sonnenbrille mit den dunklen Gläsern von der Nase.

„Du bist es also wirklich! Ich dachte gestern, ich hör nicht richtig, als mir eine Freundin erzählt hat, dass du auf unserer Schule bist.“, erklärt sie und grinst mich breit an.

„Elena!“, rufe ich erfreut und falle ihr sofort um den Hals. Sie umarmt mich zu meiner großen Freude ebenfalls. Nur widerwillig löse ich mich von ihr und mustere sie. Die kleine Elena von früher sieht jetzt gar nicht mal so übel aus. Dabei ist sie damals so eine Nervensäge gewesen und hat mich und Calvin keine Sekunde in Ruhe gelassen. Sie trägt enge Klamotten und mein Blick bleibt auf ihren Brüsten hängen. Na ja, also dafür, dass sie recht klein ist, gibt’s bei ihren Maßen nicht viel zu meckern, auch wenn ihr ein paar Kurven nicht schaden würden.

„Calvin geht auch auf diese Schule! Das wusste ich gar nicht!“, erzähle ich ihr freudig. Elenas Blick verdunkelt sich ein wenig, oder bilde ich mir das nur ein?

„Ja, schon, aber erzähl mal von dir!“, fordert sie mich auf und zieht mich etwas von der Schülermasse weg. In einer Ecke sind wir unter uns und so beginnt sie mich gleich auszufragen und will alles über die letzten sieben Jahre wissen.

„Na ja, so viel gibt es nicht zu erzählen.“ Meine Gedanken gleiten zurück zu den letzten Jahren und dem was ich in der Zeit alles erlebt habe. „Allzu viel habe ich ja nicht angestellt. Okay, ich musste mich erst mal an das Leben dort gewöhnen. Immerhin konnte ich mit zehn Jahren noch kein Wort Englisch sprechen. Meine Eltern haben mich anfangs noch neben der Schule für Privatunterricht angemeldet, damit ich die Sprache lerne. Es ist mir ziemlich schwer gefallen.“

Elena nickt, hört mir aufmerksam zu und es gefällt mir, dass sie so ein reges Interesse an meinen Erzählungen zeigt.

„Hattest du eine Freundin?“, fragt sie mich breit grinsend. Sie klatscht die Hände zusammen und schließt träumerisch ihre Augen. „Das wäre dramatisch! Eine junge Liebe, für nur kurze Zeit. Sie werden gegen ihren Willen voneinander getrennt. Er muss in ein ihm fremdes unbekanntes Land, welches damals seine Heimat war und sie trauert ihm hinterher. Ihre Gefühle sind aber stärker und so reist er zurück und sie ihm entgegen, sie treffen sich und es gibt ein tränenreiches Happy End!“

Ich muss laut lachen. „Wie kommst du nur immer auf so einen Quatsch! Statt ständig zu träumen, solltest du dich lieber mal nach einem Freund umsehen! Und nein, ich habe keine Freundin, die in Amerika auf mich wartet.“

Elena lächelt und drückt sich mit ihrer Schulter gegen mich. „Zurzeit habe ich keinen Freund. Wie wäre es denn mit uns beiden?“, fragt sie mich lächelnd. Ich grinse und wuschele ihr durch die Haare. Ob sie es ernst meint, kann ich nicht sagen, jedenfalls nehme ich sie irgendwie nicht richtig für voll. Sie scheint es mir aber schon ein wenig übel zu nehmen. Vielleicht liegt es daran, dass sie für mich eher eine Schwester ist. Ich kenne Elena seit meiner Kindheit und schon damals hingen wir ständig zusammen. Auch mit Calvin und als ich an ihn denke, gleitet mein Blick zu dem Jungen.

Ich sehe erschrocken weg, als er in meine Richtung schaut. Ob er mich jetzt bemerkt hat? Meine Hand fährt an meinen Mundwinkel, an dem ich immer noch ein wenig ramponiert aussehe.

„Was hast du da?“, fragt Elena mich und zieht meine Hand zur Seite. „Hat dich jemand geschlagen?“ Ich lächele und wehre ihre Hand ab. „Ich habe Calvin gestern getroffen und irgendwie lief es nicht so gut.“ Elena sieht mich skeptisch an.

„Ich denke, es wäre besser, wenn du dich von ihm fern hältst...“, meint sie und sieht mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten kann. Was ist nur mit den beiden los? Wieso gehen sie sich aus dem Weg?

„Wieso sollte ich das machen? Wir waren früher die besten Freunde und es wäre doch toll, wenn wir drei wieder so befreundet wären, wie damals!“, meine ich zuversichtlich und in Gedanken male ich mir schon aus, was wir diesen Sommer alles zusammen unternehmen werden.

„Oliver! Es ist wirklich besser, wenn du von ihm weg bleibst!“, redet Elena eindringlich auf mich ein. Ich sehe sie betrübt an. Muss sie mir so schnell die Gute Laune nehmen? Ich werfe einen Blick zurück und schaue noch einmal kurz zu Calvin rüber. Ich würde nur zu gerne zu ihm gehen und mit ihm reden. Ich habe ihn nämlich wirklich vermisst, auch wenn er denkt, ich hätte ihn komplett vergessen.

Elena schafft es irgendwie mich abzulenken und so verwickelt sie mich in ein Gespräch und ich schaffe es kaum noch zu Calvin zu sehen. Mir fällt aber auf, dass er alleine herumsteht und scheinbar mit niemandem redet. Irgendwie tut er mir Leid und ich würde mich am liebsten sofort zu ihm gesellen.

Elenas Themen können mich allerdings nicht lange bei der Stange halten, weil es eher oberflächlicher Mädchenkram ist, der mich einfach nicht interessiert. Was habe ich schon davon?

Ich lasse meinen Blick schweifen und sehe, dass eine Gruppe von Jungs auf Calvin zugeht. Ich lächele. Er hat also doch ein paar Freunde.

Ich beobachte sie und schaue ihnen dann verwundert hinterher, als sie alle in die Jungentoilette gehen. Was wollen sie denn da drin? Ich habe irgendwie kein gutes Gefühl und werde etwas unruhig. Klar, Calvin will mich nicht mehr sehen, aber trotzdem mache ich mir Sorgen um ihn. Ich schaue zu Elena, die ebenfalls dorthin sieht.

„Was machen sie?“, frage ich meine Kindheitsfreundin und sehe zu ihr. Elena schüttelt mit dem Kopf. „Keine Ahnung. Interessiert mich auch nicht!“, erwidert sie kurz angebunden und schaut weg. So langsam mache ich mir aber doch Sorgen.

„Elena...“, jammere ich und sehe immer wieder zu den Toiletten. Das Mädchen rümpft nur die Nase und setzt sich ihre Sonnenbrille auf.

„Wenn es dich so sehr interessiert, dann geh doch hin und schau nach! Ich will damit jedenfalls nichts zu tun haben!“, wehrt sie ab und schaut zur Seite. Ich sehe sie verständnislos an und drehe mich dann um. Nervös knabbere ich an meiner Unterlippe, bis sich der leichte Schmerz in meinem Mundwinkel meldet und ich sofort davon ablasse. Ich hole tief Luft und gehe dann langsam auf die Toiletten zu. Was soll schon dabei sein? Ich meine, die sind doch nur auf die Toilette gegangen?

Vor der Tür bleibe ich unsicher stehen. Der Mutigste war ich leider noch nie. Innerlich kämpfe ich mit mir und schaue noch einmal zu Elena zurück, die aber nur so tut, als ginge sie das alles nichts an. Wie kann man nur so ignorant sein?

Zaghaft greife ich nach der Türklinke und nehme all meinen Mut zusammen. Ich reiße die Tür auf und sofort kommen mir Geräusche aus dem hinteren Teil der Toiletten entgegen. Sie lachen über irgendetwas und dann sind da noch andere Geräusche, die ich aber nicht so richtig ausmachen kann. Ich gehe näher heran und schaue um die Ecke. Ertappt drehen sich einige Jungs zu mir um und zerren sich gegenseitig an ihren Armen. Als mich alle erblickt haben, merke ich erst, wie stark mein Herz klopft. Aufgeregt gehe ich einen Schritt zurück und hoffe, sie tun mir nichts. Einige sehen mich nur ärgerlich an und dann gehen sie einfach an mir vorbei und verschwinden. Ich sehe ihnen noch kurz hinterher, ehe ich mich umdrehe und entsetzt zur Toilette schaue.

Calvin hängt hustend über der Schüssel und zieht seinen Kopf zurück, er atmet schwer und sackt in sich zusammen. Hastig betrete ich die Kabine und gehe neben ihm in die Hocke. Sein Kopf ist klatschnass und so wie ich das sehe, haben sie ihn in die Toilette gedrückt und immer wieder den Hebel betätigt.

„Calvin?“, frage ich besorgt und weiß gar nicht, was ich jetzt mit ihm machen soll. Hilflos sehe ich zu, wie er sich erschöpft und außer Atem an mich lehnt. Er schließt kurz seine Augen und wischt sich mit der Hand über sein Gesicht. Ich nehme ihn in die Arme, merke wie er leicht zittert und wische ihm einige nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Wieso bist du mit ihnen gegangen?“

Er sieht zu mir auf und einen Moment lang habe ich das Gefühl, als würde er in Tränen ausbrechen, stattdessen schubst er mich grob von sich, so dass ich zu Boden falle und unsanft auf meinem Hintern lande.

„Ich brauche deine Hilfe nicht...“, murrt er und wischt sich sein Gesicht mithilfe des karierten Hemdes ab. Unschlüssig verharre ich an Ort und Stelle und stelle fest, dass Calvin mich schon wieder abgewiesen hat.

„Wie lange geht das schon?“, frage ich ihn. Er sieht zu mir und es fällt mir schwer seinen Blick zu deuten. „Na ja, du hast dich nicht gewehrt, als sie mit dir zu den Toiletten gegangen sind, also passiert es schon länger, oder? Wieso wehrst du dich nicht dagegen?“

„Lass mich in Frieden! Wie oft soll ich es denn noch sagen? Lass mich einfach nur in Ruhe!“, brüllt er mich an und erhebt sich ungelenk. Dann sieht er mich noch einmal wütend an und will gehen, aber so leicht gebe ich mich noch nicht geschlagen. Ich greife nach seiner Hand und halte ihn zurück. Calvin bleibt stehen und versucht seine Hand zu befreien. Er hebt langsam seine geballte Faust und vor Schreck lasse ich ihn los. Noch mal möchte ich nicht mit seiner Hand Bekanntschaft machen. Calvin verschwindet aus der Toilette und so bleibe ich verwirrt zurück.

Langsam stehe ich auf und gehe ebenfalls nach draußen, als ich mich umsehe, kann ich Calvin nirgendwo entdecken, aber Elena und zu ihr gehe ich jetzt. Sie sieht zu mir und schaut mich ausdruckslos an.

„Wieso hast du mir nichts davon erzählt?“, will ich wissen und spüre die aufkeimende Wut in mir. Elena blickt zu mir auf und zuckt mit den Schultern. Ihr Blick wandert an mir vorbei. Sie kann mir nicht mal in die Augen sehen. Was soll der ganze Mist?

„Ich habe schon gesagt, dass ich damit nichts zu tun haben will...“, erwidert sie ruhig und fährt sich mit den Fingern unwirsch durch ihre zotteligen schwarzen Haare.

„Aber wir sind Freunde, zumindest waren wir das noch, bevor ich weggezogen bin! Was ist mit euch beiden passiert? Habt ihr euch gestritten?“, hake ich nach und sehe sie eindringlich an. Elena schnaubt verächtlich und lässt ihren Blick über den Schulhof gleiten.

Es klingelt und sie stützt sich von dem Zaun ab, an dem sie noch bis eben gelehnt hatte. „Der Unterricht fängt gleich an.“, weicht sie mir aus und will an mir vorbeigehen. Ich halte sie unsanft an der Schulter zurück und sehe sie scharf an.

„Erzähl mir was los ist!“, fordere ich sie wütend auf.

Elena bleibt stehen und sieht den anderen Schülern nach, wie sie alle auf das Schulgebäude zugehen. Es werden immer weniger und irgendwann stehen nur noch wir beide auf dem Schulhof. Ich lasse Elena los und warte noch immer darauf, dass sie endlich mal ihren Mund aufkriegt. Wieso will sie mir nicht sagen was los ist?

Elena seufzt und lehnt sich wieder mit dem Rücken an den Zaun. „Calvin ist schwul!“, meint sie nach einer Weile abfällig.

Ich sehe Elena an. „Ist das etwa alles? Was ist so schlimm daran, dass er schwul ist?“, frage ich sie. Elena rümpft die Nase und sieht zu mir, verschränkt ihre Arme vor der Brust und presst ihre Lippen fest aufeinander.

„Das ist einfach nur abartig!“, keift sie mich an.

Ich zucke zusammen. Wieso findet sie es so schlimm, dass Calvin schwul ist? Sie würde bestimmt ausflippen, wenn ich ihr erzählen würde, dass ich mich heute morgen befriedigt und dabei an Calvin gedacht habe, aber das würde ich sowieso niemandem erzählen und dann sind da ja auch immer noch meine Gefühle für ihn, die ich einfach nicht einordnen kann.

„Das ist aber noch nicht alles.“ Elena seufzt und abwartend sehe ich auf sie herunter. Was kommt denn jetzt noch?

„Er hat sich an einen Jungen rangemacht, der ihm wohl gefiel, aber der war schon mit Maria aus deiner Klasse zusammen. Jedenfalls hat Calvin nichts anbrennen lassen und der Typ hasst Schwule. Am Anfang war es nicht so schlimm, er hat nur versucht Calvin aus dem Weg zu gehen, aber als das nichts gebracht hatte, hat er seine Freunde auf ihn gehetzt und irgendwann ist es eben eskaliert.“ Elena verzieht ihren Mund und fährt mit ihren langen lackierten Nägeln durch die Haare. „Deswegen will ich nichts damit zu tun haben!“

Fassungslos sehe ich Elena an. „Du bist auch nicht besser als diese Jungs!“ Elena sieht mich verständnislos an. „Du bist seine beste Freundin! Gerade du hättest zu ihm halten müssen! Er hat niemanden und du hast es nicht mal der Schule gemeldet! Du stehst nur daneben und siehst ihnen dabei zu! Wieso hast du nichts gemacht? Wieso hast du nicht gehandelt, wo es noch nicht so schlimm war? Du hättest es verhindern können!“, brülle ich sie an. Elena zuckt zusammen und reißt ihre Augen auf. Mit meinem Wutanfall hat sie wohl nicht gerechnet. Ich balle meine Hände zu Fäusten und bohre meine Fingernägel in meine Handinnenflächen. Mein ganzer Körper ist angespannt.

„Du hättest es verhindern können!“, zische ich ihr zu und drehe mich dann um. Ich lasse sie einfach stehen und gehe in das Schulgebäude zu meiner Klasse. Ich bin immer noch stinksauer und würde meine Wut am liebsten an diesem Idioten auslassen, der Calvin so erniedrigt hat. Und dieses Arschloch geht auch noch in meine Klasse! Maria ist das Mädchen, von der ich mir eine Abfuhr eingehandelt habe. Ihr Freund ist der Vollhonk, der mich geschubst hatte. Eine unbändige Wut steigt langsam aber sicher in mir auf. Da ich kein Ventil dafür finde, muss ein Mülleimer auf dem Flur herhalten. Heftig trete ich dagegen und befördere den Eimer erst mal ein paar Meter durch den leeren Gang vor mir. Das Echo hallt nach und es hört sich ohrenbetäubend laut an.

Ich lasse mich gegen eine Wand sinken und rutsche daran herunter. Wieso kann nicht alles wieder so sein wie früher?

F... you too!

Wandern. Der ganze Jahrgang. Was haben die Lehrer sich dabei nur gedacht?

Wir stehen vor unserem Bus, in dem zwei Klassen Platz gefunden haben und warten auf die Nachzügler. Es herrscht jetzt schon Chaos und ich habe keine Ahnung, wie unsere Lehrer da noch die Übersicht behalten wollen. Elena und Calvin sind auch schon da. Ich habe noch nicht mit ihnen geredet. Ich bin immer noch wütend auf Elena und Calvin leider auf mich.

„Also gut, da wir eine gerade Anzahl haben, könnt ihr euch schon mal in vierer Gruppen aufteilen!“, ruft meine Klassenlehrerin uns zu und nur zögerlich bilden sich die ersten Gruppen. Sehnsüchtig sehe ich zu ihnen und habe keine Ahnung zu wessen Gruppe ich mich gesellen soll. Jemand zieht leicht an meinem Ärmel und so drehe ich mich überrascht um. Es ist das Mädchen, das ich schon an meinem ersten Schultag mehr oder weniger kennengelernt habe, immerhin habe ich ihren Tisch gerammt, als mich dieser Idiot geschubst hat.

„Bist du schon in einer Gruppe?“, fragt sie mich lächelnd. Ich schüttele nur mit dem Kopf und betrachte sie nun eingehender. Vorher ist sie mir ja gar nicht richtig aufgefallen. Sie ist beinahe so groß wie ich und hat dunkle braune Haare, braune Augen und ihre Figur kann sich auch sehen lassen. Vielleicht hätte ich mich an sie ranschmeißen sollen, statt an Maria?

„Wie heißt du eigentlich?“, frage ich sie interessiert. Vielleicht habe ich ja Glück und finde in ihr meine erste Freundin? Sie scheint ja recht bodenständig zu sein und ist auch ganz nett, obwohl wir noch nicht allzu viel miteinander gesprochen haben.

„Alea Böhm. Versuch es gar nicht erst!“, meint sie und sieht mich wissend an. Erschrocken gehe ich einen Schritt zurück. Habe ich etwa laut gedacht? Nein, das nicht, aber woher weiß sie es dann?

„Tu nicht so, du hast mich eben genau gemustert. Und nur zu deiner Info, ich stehe nicht auf Jungs!“, erklärt sie mir lächelnd und klopft mir auf die Schulter. „Jetzt schau doch nicht so deprimiert. Es gibt sicher noch das ein oder andere hübsche Mädchen, dass dir hier über den Weg läuft.“

Deprimiert bin ich wirklich. Immerhin scheint sie eines der wenigen Mädchen in meiner Klasse zu sein, die derzeit Single ist und dann muss sie auch noch lesbisch sein. Wie soll ich denn da noch jemanden finden, wenn ich noch nicht mal den Ansatz einer Chance habe, ein nettes Mädchen kennen zu lernen?

„Oliver! Bist du schon in einer Gruppe?“, fragt mich jemand und als ich mich umdrehe steht Elena vor mir. Sie sieht mich ein wenig schuldbewusst an und irgendwie kann ich ihr nicht mehr lange böse sein. Okay, ich bin noch ein wenig wütend auf sie, aber im Grunde genommen scheint sie ihren Fehler ja eingesehen zu haben, glaube ich zumindest.

„Ja, das ist Alea!“, stelle ich die beiden Mädchen kurz einander vor. „Meine Sandkastenfreundin Elena.“ Die beiden Mädchen mustern sich und irgendwie komme ich mir dabei vor, als wäre ich ein Ringrichter und gleich würden sie sich aufeinander stürzen.

Um mich abzulenken suche ich nach unserem letzten Glied in der Gruppe und ein leichtes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Ich gehe zum Bus und greife einfach nach Calvins Hand, der noch immer am Bus gelehnt steht und scheinbar nicht vor hat, irgendeiner Gruppe beizutreten. Calvin sieht auf und noch ehe er etwas einwenden kann, schleife ich ihn hinter mir her.

„Mädels! Unser Trupp ist vollständig!“, rufe ich ihnen zufrieden zu und umfasse Calvins Hand etwas fester, damit er mir nicht abhauen kann. Ich sehe kurz zu ihm und werde von seinen Blicken erdolcht. Na ja, wenigstens von vorne als von hinten.

Elena und Alea scheinen darüber ebenfalls nicht sonderlich froh zu sein. Bei Elena kann ich es verstehen, sie hat immer noch einen regelrechten Hass auf Calvin, auch wenn ich es kindisch finde, wie sie sich benimmt. Bei Alea weiß ich es nicht so recht. Sie scheint Elena nicht zu mögen, aber warum wohl?

„Okay, ihr könnt jetzt losgehen und euch umsehen, in zwei Stunden treffen wir uns wieder hier!“, meint meine Lehrerin, nachdem alle Gruppen eine Karte bekommen haben.

Schnitzeljagd für Looser, Hallelujah...

Alea und Elena gehen in einigem Abstand hinter uns her, während ich Calvin mit mir schleife. Schleifen ist auch das richtige Wort, denn er weigert sich mit uns zu gehen und so bleibt mir nun mal nichts anderes übrig als ihn mit roher Gewalt zu seinem Glück zu zwingen. Außerdem will ich ihn in meiner Näher haben, falls er noch mal in das Visier dieser Trottel gerät und gemobbt wird. Im Gegensatz zu Elena würde ich ihn nämlich beschützen.

Na und? Was ist so schlimm daran, wenn er schwul ist? Das macht ihn auch nicht zu einem anderen Menschen! Er ist immer noch derselbe, auch wenn sein Charakter sich in den letzten Jahren geändert hat. Das macht ihn noch lange nicht zu einem Aussätzigen, auch wenn Elena ihn so behandelt. Wieso kann sie ihn nicht so akzeptieren wie er ist?

Mir liegt die Frage schon einige Zeit auf der Zunge, aber ich wage es nicht, sie mal danach zu fragen. Ehrlich gesagt, habe ich auch keine Lust darauf eine pampige Antwort zu bekommen. Vielleicht will sie es mir ja auch gar nicht sagen?

Wir gehen also alle ziemlich schweigsam durch einen Wald voller Bäume und Insekten. Da wäre mir normaler Unterricht wesentlich lieber. Okay, auch nicht unbedingt, aber ich sehe einfach keinen Sinn durch die Botanik zu laufen, um wie ein Idiot nach irgendwelchen Hinweisen zu suchen! Wenn ich etwas lernen will, kann ich mir auch ein Buch kaufen und etwas darüber lesen. Stattdessen müssen wir jetzt Ausschau nach irgendwelchen Blättern halten, die für mich alle gleich aussehen!

Dafür habe ich weniger Schwierigkeiten durch den Wald zu laufen. Ich bin ständig an der frischen Luft und dementsprechend durch meine Hobbies ziemlich gut in Kondition. Meine Gruppenkameraden haben da zurzeit eher ihre Probleme mit mir mitzuhalten, weil sie ständig über irgendetwas stolpern oder anfangen zu jammern, dass sie nicht mehr laufen können. Hallo? Wir sind gerade mal ein paar Minuten unterwegs!

Ich sehe zu Calvin, den ich noch immer am Handgelenk hinter mir herzerre. Er ist ziemlich außer Puste, aber er scheint es sich nicht anmerken lassen zu wollen. Er stolpert und nur mit Mühe kann ich ihm helfen, so dass er nicht hinfällt. Calvin sieht mich schmollend an, sagt aber kein Wort. Wenigstens zerrt er nicht mehr so und kommt beinahe schon von sich aus mit mir mit.

Lustlos sehe ich auf den Zettel in meiner Hand auf dem allerlei Blätter abgebildet sind. Was für ein Schwachsinn! So etwas kann man ja vielleicht noch mit Grundschülern machen, aber wir sind schon fast volljährig, da ist es schon irgendwie peinlich.

Ich sehe mich gelangweilt um, während hinter mir die beiden Mädchen ständig aufschreien, sobald ihnen ein Insekt auch nur zu nahe kommt. Es beginnt langsam zu nerven.

„Hm, ich glaube wir laufen im Kreis?“, stelle ich entgeistert fest. Diese Stelle kommt mir sehr bekannt vor, allerdings sieht irgendwie alles gleich aus. Es könnte also sein das wir uns längst verlaufen haben. Denn außer mir hat wohl niemand von den anderen wirklich auf den Weg geachtet und ich leider auch nicht richtig.

Ich seufze und bleibe stehen. „Und jetzt? Kann von euch jemand zufällig Fährten lesen?“, frage ich in die Runde und alle sehen mich nur gereizt an. Bin ich jetzt etwa der Schuldige?

„Wir hätten von Anfang an beim Bus bleiben sollen...!“, murrt Calvin nur, sieht dabei jedoch zu Boden. Ich sehe zu ihm und verziehe meinen Mund. Unschlüssig sehe ich zu den Mädchen, die aber auch nur lustlos herumstehen und scheinbar auch keine Lust mehr haben auch nur einen Schritt weiter zu laufen.

„Es ist nur eine Liste! Wir sammeln alles zusammen, was hier drauf steht und dann versuchen wir den Weg zurück zu finden. Wenn wir nicht wieder auftauchen, werden die sowieso nach uns suchen!“, meine ich aufmunternd, da mir einfach nichts anderes einfällt.

Elena rümpft die Nase und sieht mich höhnisch an. „Und was ist, wenn es ihnen erst auffällt, wenn sie wieder daheim sind? Sollen wir die Nacht über hier draußen verbringen? Ohne mich!“, keift sie mich an. „Ich will zurück! Jetzt!“ Alea nickt zustimmend.

„Tust du nur so, oder bist du so blöd?“, fragt Calvin Elena auf einmal. Ich sehe überrascht zu ihm. „Wir haben uns verlaufen und keine Ahnung wo wir sind. Wenn wir in die falsche Richtung gehen, entfernen wir uns wahrscheinlich noch weiter von unserem Treffpunkt.“

Vielleicht aber auch nicht!“, widerspricht Elena ihm und sieht ihn wütend an.

Alea und ich werfen uns nur hilflose Blicke zu. So langsam eskaliert die Situation. Jeder will machen was er oder sie für richtig hält. Ich lasse Calvins Hand los und sehe mich um. Ich betrachte unsere Umgebung und versuche irgendetwas wieder zu erkennen. Es hilft alles nichts.

„Und was ist, wenn wir den Weg zurückgehen, den wir gekommen sind?“, wirft Alea ein. „Ich meine, wenn wir unsere Spuren nicht mehr wiederfinden, dann können wir zumindest nach abgebrochenen Zweigen oder so Ausschau halten?“

Elena lacht laut auf. „Wer bist du? Unsere neue Anführerin? Vergiss es! Das klappt doch nie! Hast du dir schon mal den Weg angesehen? Alles ist total überwuchert oder steht komplett unter Wasser! Wo willst du da noch irgendwelche Spuren finden?“, erwidert sie höhnisch.

„Mädels, bleibt ruhig!“, mische ich mich ein. Nicht, dass es hier gleich noch einen Zickenkrieg gibt! Ich weiß nicht wirklich, wie ich zwischen den beiden Mädchen schlichten soll und Calvin scheint gar nicht vorzuhaben mir zu helfen.

Unschlüssig stehe ich mit meiner Gruppe mitten im Wald und irgendwie weiß keiner was wir machen sollen. Plötzlich kommt Elena zu mir, greift nach meinem Arm und klammert sich an mich. Verwirrt sehe ich zu ihr.

„Ihr zwei geht zurück! Ich gehe mit Oliver die Pflanzen suchen. Wir finden schon noch zurück!“, meint sie und wirft Alea und Calvin einen auffordernden Blick zu. Alea schaut sie nur schief an und zuckt mit ihren Schultern. „Soll mir nur recht sein!“

Calvin lacht auf. „War ja sowas von klar, dass du mit ihm alleine sein willst! Damit ihrs hinter den Büschen treiben könnt, was? Du scheinst es ja echt nötig zu haben!“, meckert er höhnisch und sieht Elena verachtend an. Ich laufe knallrot an. Solche Worte bin ich gar nicht von Calvin gewohnt. Früher war er überaus niedlich und konnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Ich schüttele leicht den Kopf und schiebe den Gedanken beiseite, damit kommen wir jetzt nämlich auch nicht weiter. Wir brauchen eine Lösung und die Gruppe aufzuteilen, nur damit die Hälfte sich verirrt, können wir jetzt wirklich nicht gebrauchen!

„Hört auf euch zu streiten! Wir brauchen eine Lösung!“, werfe ich ein und sehe in die Runde. Elena schmiegt sich an meinen Arm und drückt sich mit ihren Brüsten an mich. Irritiert sehe ich zu ihr. Was soll das werden, wenn es fertig ist? Alea seufzt nur und schaut zur Seite.

„Ich habe keinen Bock mehr! Ich gehe zurück!“, murrt Calvin und als ich zu ihm sehe, blickt er Elena wütend an. Habe ich jetzt alles schlimmer gemacht?

Alea greift nach seinem Arm. „Wenn du jetzt alleine losgehst und dich verläufst, finden wir dich nicht wieder!“, meint sie eindringlich. Calvin sieht sie missmutig an, bleibt aber.

„Ich komme mit dir Oliver!“, meint Elena und sieht zu mir auf. Ich nicke und lächele schief.

„Klar, sie folgt dir sogar ins Bett!“, meint Calvin daraufhin höhnisch und lacht. Elena streckt ihm die Zunge heraus.

„Oliver ist nun mal nicht so wie du!“, meint sie und versucht mich in Schutz zu nehmen, warum auch immer, da ich eigentlich nicht angegriffen wurde? Calvin sieht sie wütend an. „Ach und wie bin ich?“, fragt er gereizt.

„Nicht jeder steht drauf, dass man ihn von hinten vögelt!“, erwidert sie und dabei läuft mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Daran habe ich auch noch gar nicht gedacht. Beim Sex mit Männern läuft es ja ein wenig anders. Ich schlucke nervös und sehe zu Calvin. Also, wenn ich ehrlich bin, würde es mich bei ihm ja nicht sonderlich stören, oder doch? Ich schaue ihm in die Augen, was er allerdings nicht bemerkt und muss hart schlucken. Müssen die beiden Zankhähne sich jetzt ausgerechnet über so ein Thema aufregen?

„Lutsch doch von einem anderen Kerl den Schwanz!“, meckert Elena, während nun Alea versucht zu schlichten. „Jetzt hört endlich auf, euch wie Kinder zu benehmen!“

„Ach ja? Ich wette Oliver könnte ich es wesentlich besser besorgen als du! Ich bin ein Mann, ich weiß, was ihn anturnt!“, kontert er und daraufhin spüre ich eine leichte Hitze in meinem Gesicht. Ob er das ernst meint? Und wieso zum Teufel nimmt das Gespräch jetzt so eine Wendung?

„Ja, klar! Du bist ja auch schon so lange in ihn verknallt! Da lässt er sich bestimmt jederzeit von dir einen blasen!“, keift Elena.

Ich sehe überrascht zu Calvin, der anläuft wie eine Tomate. Habe ich gerade richtig gehört? Er ist in mich verliebt? Schon lange? Wie lange denn? Ich war doch weg?!

Mit einem Mal dreht Calvin sich um, nachdem sich kurz unsere Blicke gekreuzt haben und rennt weg. „Calvin! Bleib hier!“, brüllt Alea ihm zu, doch er hört nicht auf sie. „Ich hole ihn zurück!“, meine ich und schüttele Elena von mir ab, ehe ich Calvin hinterherrenne. Dass Elena sich lauthals beschwert, ignoriere ich gekonnt und versuche Calvin zu finden, der längst aus meinem Sichtfeld verschwunden ist.

Ich laufe durch das unwegsame Gelände, vorbei an Sträuchern, Bäumen und auf dem Boden liegenden Ästen. Ich komme nur langsam voran und ich habe keine Ahnung ob Calvin irgendwo doch noch abgebogen ist. Ich kann ihn nicht hören.

„Calvin! Wo bist du?“, schreie ich, erhalte jedoch keine Antwort. Immer wieder rufe ich nach ihm und laufe tiefer in den Wald hinein. Wie kann der Junge so schnell sein? Ich bin doch viel sportlicher als er?

Besorgt laufe ich noch immer den Weg entlang, stolpere und lege mich beinahe der Länge nach auf die Nase. So laut ich kann rufe ich immer wieder seinen Namen und so langsam wächst meine Sorge um ihn.

Ob er sich irgendwo versteckt hat und ich längst an ihm vorbeigelaufen bin? Ich werde langsamer und bleibe irritiert stehen. Was soll ich machen? Soll ich noch weiter laufen? Was soll ich machen, wenn ich mich selbst verlaufe? Wobei ich das ja sowieso schon getan habe.

Deprimiert sehe ich mich im Wald um, aber außer dem Gezwitscher der Vögel und den Lauten der Insekten kann ich nichts anderes hören. Ich atme tief durch und entschließe mich dann doch noch schweren Herzens zurück zu gehen. Wir müssen den Bus finden und einen Suchtrupp zusammen stellen. In meinem Kopf gehe ich lauter Ideen durch, die ich aus dem Fernsehen kenne. Bestimmt kommt dann auch die Polizei mit Hunden.

Plötzlich bleibe ich stehen und mich überkommt eine Gänsehaut. Was ist, wenn Calvin irgendwo hier bewusstlos im Wald liegt? Wenn er schwer verletzt ist? Allein bei dem Gedanken gefriert mir das Blut in den Adern. Ich schüttele heftig mit dem Kopf. Nein, daran will ich gar nicht erst denken! Calvin geht es gut! Da bin ich mir sicher! Es muss ihm einfach gut gehen!

Langsam gehe ich zurück und lausche immer mal wieder angestrengt. Ab und an rufe ich noch einmal nach ihm, aber als ich nichts mehr höre, gebe ich es auf. So langsam fühle ich mich in diesem Wald auch nicht mehr wohl. Gibt es hier eigentlich gefährliche Tiere? So etwas wie Bären muss es doch geben, oder? Ich verschränke meine fröstelnden Arme vor der Brust und laufe nun etwas zügiger.

Ab und an bleibe ich dann doch stehen, schaue nervös zurück und bin mir nicht sicher ob es eine gute Idee ist, jetzt schon wieder zurück zu laufen. Dann entschließe ich mich doch noch mal umzukehren. Die Anderen wissen ja in welche Richtung ich gelaufen bin und ich kann Calvin jetzt einfach nicht im Stich lassen!

Also drehe ich mich um und renne so schnell ich kann und es der Weg vor mir zulässt in die Richtung, die hoffentlich auch Calvin eingeschlagen hat. Hastig renne ich über den geschwundenen Pfad und stolpere immer mal wieder, kann mich aber zum Glück jedes Mal wieder fangen und weiter laufen. Das mir die Äste manchmal ins Gesicht peitschen ignoriere ich, aber den Schmerz spüre ich trotzdem. Irgendwie ist es mir aber auch egal, ich bin einfach nur darauf fixiert Calvin zu finden.

Nach einiger Zeit kann ich etwas hören, bin mir aber im ersten Moment nicht wirklich sicher, doch dann je näher ich dem Laut komme, bin ich mir sicher es ist Calvin. Mein Herz hämmert in meiner Brust und mein Puls rast. Ich komme der Stimme immer näher und fange wieder an seinen Namen zu rufen.

„Calvin! Wo bist du? Rede weiter, damit ich dich finden kann!“, brülle ich in den Wald hinein, so laut ich kann. Immer wieder rufe ich nach ihm, bis er anfängt mir zu antworten. Erleichtert folge ich seiner Stimme und eine gewisse Unruhe nimmt mich gefangen. Hat er sich doch verletzt?

Beunruhigt laufe ich in die Richtung aus der seine Stimme kommt und mit einem Mal lande ich auf einem Weg. Irritiert bleibe ich dort stehen und sehe mich zu beiden Seiten um. Ich rufe nach Calvin und kann ihn nun wesentlich deutlicher hören. Ich biege nach links ab und laufe den Weg entlang, folge seiner Stimme, welche nun immer lauter wird. Bis ich sie auf einmal ganz deutlich neben mir vernehme. Überrascht bleibe ich stehen und gehe vorsichtig näher an den Abgrund heran. Scheinbar befinde ich mich auf einem Wanderweg und der endet hier steil nach unten in ein Tal. Einzig die Bäume und vereinzelte Sträucher könnten einen Fall noch abbremsen. Ich will nicht wissen wie tief man hier herunterfallen kann.

Ich schlucke und bleibe am Rand stehen. Vorsichtig beuge ich mich vor und muss schon im nächsten Moment schallend lachen. „Calvin! Wie hast du das denn fertig gebracht?“, frage ich ihn lachend und sehe zu ihm herunter. Es ist zwar nicht der geeignete Moment dafür, aber irgendwie kann ich nicht anders. Zum Teil bin ich auch erleichtert, dass es ihm noch gut geht.

„Halt die Klappe und hilf mir lieber!“, brummt Calvin griesgrämig, der das alles gar nicht lustig findet. Er hängt mit dem Kopf Richtung Tal, sein Bein hat sich in der Schlaufe seiner Kamera verheddert und die hängt widerum an einem Strauch fest. Es ist erstaunlich wie viel so ein kleiner Strauch aushalten kann, stelle ich fest.

Ich sehe zu Calvin herunter und überlege wie ich ihm am besten helfen kann, ohne dass er noch tiefer fällt. Ich stütze mich auf der Erde ab, lege mich auf den Boden und krieche näher an den Abgrund heran. Vorsichtig beuge ich mich herunter und merke enttäuscht, dass ich seine Hände nicht erreichen kann. Selbst wenn er sich hochbeugt, kann es immer noch passieren, dass der Strauch nachgibt. Ich weiß sowieso nicht, wie lange der noch mitmachen wird.

„Ich ziehe dich an den Beinen hoch!“, rufe ich ihm zu, da ich keine andere Idee habe. Ich will ihn jetzt auch nicht hier alleine lassen, um Hilfe zu holen. Einen tiefen Atemzug später packe ich Calvins Bein und halte es so fest ich kann umklammert. Calvin versucht sich zum Glück ruhig zu verhalten. Wäre er nun am Zappeln, hätte ich es mit meiner waghalsigen Aktion wohl noch schlimmer gemacht. Sein Atem rast, dass sehe ich an seinem Brustkorb, der sich schnell hebt und senkt.

Mit meiner freien Hand versuche ich mühsam die Schnur der Kamera vom Strauch zu lösen, was aber gar nicht so einfach ist. Ich brauche ein wenig Zeit, denn mit nur einer Hand ist das gar nicht so easy. Mit einem heftigen Ruck bekomme ich es dann doch noch ab. Die Kamera baumelt an Calvins Fußgelenk, welches ich nun ebenfalls ergreife und ihn mit aller Kraft versuche hochzuziehen.

Das Ganze erweist sich als schwieriger, als ich vermutet habe und so dauert es eine ganze Weile, bis ich es endlich schaffe ihn auf festen Grund zu ziehen. Ich bin außer Puste und völlig entkräftet, aber auch Calvin geht es nicht gerade besser. Nach Atem ringend lasse ich mich auf ihn fallen und bin fix und fertig mit meinen Nerven.

„Mach das nie wieder...“, murmele ich gegen seinen Hals und spüre wie er sich an meiner Jacke festkrallt. Unfähig auch nur ein Wort zu sagen, klammert er sich an mir fest. Ich bin unendlich froh, dass es ihm gut geht. Ich lächele leicht und atme mit geschlossenen Augen tief ein.

„Oliver, mein Fuß...“, flüstert Calvin mir ins Ohr und so schrecke ich auf. Ich hebe meinen Kopf an und sehe auf ihn herunter. „Was ist mit deinem Fuß?“, frage ich ihn. Er sieht mich erst genervt und dann mit einem leichten Schmerz im Gesicht an. „Ich glaube, er ist verstaucht oder so!“, meint Calvin und so erhebe ich mich von ihm und betrachte den Fuß, den er mir zeigt. Ich ziehe Calvin behutsam seine Sneaker aus und auch die Socke ziehe ich ihm vom Fuß. Tastend fahre ich mit meinen Fingern über das Gelenk und spüre wie warm es ist. Mein Blick gleitet hoch und Calvin scheint immer noch Schmerzen zu haben, denn er verzieht sein Gesicht.

„Scheint aber nicht gebrochen zu sein, oder so!“, stelle ich erleichtert fest. Calvin rümpft nur die Nase. „Klar, wenns weiter nichts ist...“, murrt er und wendet den Blick ab. Ist er jetzt wütend auf mich? Was habe ich ihm denn getan, außer mal eben kurz sein Leben zu retten?

Ich ziehe ihm Socke und Schuh wieder über und drehe mich mit meinem Rücken zu ihm. „Was soll das werden?“, fragt Calvin mich und aus den Augenwinkeln kann ich sehen, wie er sich mit den Ellenbogen auf dem Boden abstützt. „Nach was wohl? Ich werde dich zurück tragen!“, stelle ich klar und warte darauf, dass er auf meinen Rücken klettert. Seufzend drehe ich mich zu ihm um. „Jetzt mach schon!“, fordere ich ihn auf. Braucht er etwa noch eine extra Einladung?

Calvin greift nach meinen Schultern und stützt sich schwerfällig ab. Ich spüre sein Gewicht auf meinem Rücken und wie es mich nach vorne drückt. Er schlingt seine Arme um meinen Hals und sofort zerre ich daran. „Willst du mich umbringen? Nicht so fest!“, fauche ich ihn an. Sofort lockert er seinen Griff um meinen Hals und so greife ich nach seinen Oberschenkeln. Mit einem kräftigen Ruck erhebe ich mich und taumele ein wenig, bis ich es schaffe mein Gleichgewicht wieder zu erlangen. Ich räuspere mich und gehe dann langsam den Weg zurück, den ich gekommen bin.

Calvin legt mir seinen Kopf auf die Schulter und sofort bekomme ich eine Gänsehaut von seinem warmen Atem an meinem Hals. Ich muss zugeben, dass es sich durchaus gut anfühlt.

„Danke für deine Hilfe!“, murmelt Calvin mir leise zu und ich muss feststellen, dass es sich anhört, als würde er es nicht gerne zugeben. Ist er mir etwa immer noch böse? Worauf eigentlich? Liegt es wirklich daran, dass ich nun sieben Jahre lang nicht da war oder das ich mich nicht bei ihm gemeldet hatte?

„Keine Ursache, hab ich gern gemacht...“, erwidere ich und knabbere leicht an meiner Unterlippe. Ich bemerke, dass er seinen Griff um mich ein wenig verstärkt und lächele.

Es ist anstrengender, als ich dachte, ihn zurück zur Gruppe zu tragen. Alea kommt sofort zu uns gelaufen, nur Elena sieht eingeschnappt zu uns. „Das hat er doch absichtlich gemacht!“, murrt sie, wird aber von uns Dreien ignoriert. Sehr hilfreich war sie uns ja heute leider nicht.

Wir beschließen nach einiger Zeit und ständigem Hin und Her, umzudrehen und suchen uns den Weg zurück zu den Bussen. Es dauert eine Weile, aber als wir endlich ein paar Stimmen hören, atmen wir alle erleichtert auf.

„Das nächste Mal nehme ich ein Navi mit...“, flüstert Calvin mir ironisch ins Ohr und ich muss lachen. Wir gehen auf den Platz, wo die Busse stehen und sofort kommen unser Fahrer und die Lehrerin auf uns zu. Besorgt wollen sie wissen, was passiert ist und so erklärt Alea ihnen alles. Elena zieht sich noch immer genervt von uns zurück und so trage ich Calvin zum Bus. Ich helfe ihm beim Einsteigen und sehe zu wie er den engen Gang entlang humpelt, seine Kamera in der Hand und dann dreht er sich noch einmal kurz zu mir um. „Danke!“, meint er verlegen.

Ich sehe ihn aufmerksam an und lächele leicht. „Immer wieder gern!“, erwidere ich unbekümmert.

„Was heißt das denn? Ich komme auch gut alleine klar!“, meckert er aufbrausend und so laufe ich nur lachend aus dem Bus.

„Mach dir nur was vor, du brauchst mich...“, murmele ich zufrieden vor mich hin und gehe rüber zu meinem Bus.

Me, my Karma and him.

Es ist Wochenende und nach einem kurzen Blick auf meinen Wecker könnte ich noch gut drei Stunden schlafen. Tue ich aber nicht. Ich hebe meine Hand und ziehe den Vorhang ein kleines Stück zurück, so dass ich in den Himmel sehen kann. Er sieht wunderschön aus und so langsam geht die Sonne auf, aber das interessiert mich herzlich wenig.

Meine Gedanken drehen sich um Calvin und unseren Ausflug die letzte Woche. Ich muss immer wieder an Elenas Worte denken.

Ist er wirklich in mich verliebt?

Vielleicht hat sie es ja auch nur im Affekt gesagt? Ich seufze und weiß nicht was ich davon halten soll. Eigentlich sollte ich mich doch freuen oder? Ich mag ihn ja, aber das Problem ist, er ist immer noch ein Junge. So langsam merke ich aber, dass ich mich zu ihm hingezogen fühle. Allerdings stehe ich auch auf Frauen. Eine wie Alea würde ich ganz sicher nicht abweisen. Wirklich schade, dass sie vom anderen Ufer ist.

Ich seufze und lache leicht ironisch auf. Bin ich nicht selber schon so gut wie auf der anderen Seite angekommen? Ich meine, ich habe beim Wichsen an Calvin gedacht! Und das war bei weitem nicht das einzige Mal gewesen!

Und dann ist da noch Elena. Was soll ich mit ihr machen? Ich meine, sie scheint mich ja zu mögen, aber ich kriege jedes Mal eine tierische Wut, wenn sie schlecht über Calvin spricht. Ich habe sie ganz anders in Erinnerung. Früher war sie immer eine ganz Liebe und leider auch sehr anhänglich, aber irgendwie war das auch wieder niedlich, wenn sie versucht hatte mit mir und Calvin Streifzüge durch anderer Leute Gärten zu machen.

Seufzend fahre ich mir mit den Händen durch die Haare und schließe meine Augen. Und jetzt ist Calvin auch noch verletzt. Das alles wäre gar nicht nötig gewesen, wenn die beiden sich nicht wie Kleinkinder verhalten hätten. Wieso können sie sich nicht aussprechen und wieder miteinander vertragen? Ist das denn so schwer?

Irgendwie habe ich jetzt so gar keine Lust aufzustehen, dabei ist Samstag. Ich kann endlich mal ausschlafen, nach dieser ereignisreichen Woche. Trotzdem tue ich es nicht. Ich bin einfach nicht in der Lage dazu. Viel zu viele Gedanken schwirren in meinem Kopf herum und lassen mich nicht in Ruhe. So langsam macht es mich verrückt. Ich muss irgendetwas tun und ich habe auch schon eine Idee.

Ich hoffe, dass Calvin in der Zwischenzeit nicht umgezogen ist und noch immer in dem Haus lebt, in dem ich ihn früher oft besuchen gegangen bin.

Träge setze ich mich in meinem Bett auf und ziehe die Decke zur Seite. Ich schwinge meine Beine aus dem Bett und stehe auf. In meinem Kleiderschrank wühle ich nach Klamotten. Wenigstens am Wochenende kommt meine Mutter nicht in mein Zimmer, um mir meine Kleidung zurecht zu legen. Entsprechend ziehe ich mir ein einfaches Shirt von den Giants und eine sandfarbene 3/4 Hose an. Ich steige in meine Turnschuhe und lasse das Duschen ausnahmsweise mal ausfallen. Ich sprühe mich ordentlich mit Deo ein und schon nach kurzer Zeit befindet sich mein Zimmer komplett in einem dichten Nebel. Hastig öffne ich mein Fenster, damit meine Mutter nicht erstickt, wenn sie das nächste Mal hinein kommt.

Ich gehe zum Schlafzimmer meiner Eltern und öffne leise die Tür. Beide schlafen noch. Auch gut, dann werde ich mir nur kurz etwas Kleines in den Mund schieben und ihnen eine Notiz dalassen, beschließe ich.

Ich gehe durch den Flur in die Küche und werfe zwei Toasts in den Toaster. Nebenbei trinke ich solange Orangensaft und warte. Als die Toasts endlich fertig sind, schiebe ich sie mir einfach so in den Mund und schreibe kurz einen Zettel, den ich auf dem Küchentisch sichtbar liegen lasse. Dann gehe ich aus dem Haus und genieße erst mal die frische Luft an meinem Gesicht.

Ich schlendere gemütlich los und stecke meine Hände in die Hosentaschen. Es ist ruhig, viel zu ruhig. Wo bin ich hier nur gelandet? Es ist Wochenende, wieso ist niemand auf den Straßen unterwegs? Hier scheint ja nicht so viel los zu sein, wie ich gedacht habe oder es liegt da dran, dass alle ihren Rausch vom Feiern ausschlafen? Da ich aber diese Woche so viel mit der Schule zu tun gehabt habe, ist mir meine neue Umgebung kaum richtig aufgefallen. Vielleicht sollte man sich doch mal öfter umsehen und innehalten. Wäre ja komisch, wenn man an einem Ort lebt und ihn nicht mal beschreiben kann. Ohnehin bin ich hier noch nicht viel unterwegs gewesen und so muss ich mir erst mal wieder alles in Erinnerung rufen. Einiges hat sich ja schon geändert. Es gibt viele Neubauwohnungen, dass gab es damals noch nicht, wie ich feststelle.

Ich brauche nicht lange um zu Calvins Haus zu gelangen. Er wohnt nicht weit von meiner neuen Wohnung entfernt. Ein Pluspunkt, wir wohnen jetzt näher beieinander. Pfeifend, was sich bei mir wohl eher wie ein Krächzen anhört, gehe ich den Weg entlang und bleibe nach einiger Zeit vor einem großen Haus stehen. Calvins Eltern scheinen zu Hause zu sein, denn ihre Autos stehen vor dem Haus. Hoffentlich wecke ich sie jetzt nicht? Ich habe sie noch nie wirklich leiden können. Sie sind mir gegenüber zwar höflich gewesen und duldeten mich, aber ich habe schon früh gemerkt, dass sie mich nicht mochten. Ich schien damals nicht der Umgang für ihren Sohn gewesen zu sein, den sie gerne gehabt hätten.

Ich hole tief Luft und drücke auf die Klingel. Mal sehen, wen ich jetzt aus dem Bett werfe. Es dauert eine Weile, bis mir jemand die Tür öffnet.

„Guten Morgen, Frau Janke!“, begrüße ich hastig Calvins Mutter, welche im Morgenmantel vor mir steht und mich missbilligend ansieht.

„Und du bist?“, fragt sie mich. Scheinbar erkennt sie mich nicht. Habe ich mich etwa so sehr verändert?

„Ich bin Oliver Rados, ein Freund von Calvin!“, stelle ich mich ihr vor. Erst scheint sie damit nicht allzu viel anfangen zu können, doch dann geht ihr ein Licht auf.

„Der kleine Oliver! Du bist doch damals mit deiner Familie weggezogen?“, stellt sie erstaunt fest. Ich nicke. „Ja, nach Amerika. Wir sind wieder hierher gezogen. Ich besuche die gleiche Schule wie Calvin.“ Sie sieht mich prüfend an. „Sehr amerikanisch wirkst du auf mich ja nicht!“ Ich lächele unbeholfen. Was soll ich darauf denn sagen? Sehen Deutsche und Amerikaner etwa unterschiedlich aus? Ich habe da noch nie einen großen Unterschied gesehen.

„Ähm, wie geht es Calvin?“, frage ich sie und sofort macht Frau Janke einen Schritt zur Seite. „Er ist schon wach, geh in sein Zimmer. Ich bringe euch gleich das Frühstück hoch!“, meint sie. Ich lächele und bedanke mich bei ihr. Wieso ist sie auf einmal so freundlich? Ich verstehe es nicht. Zögerlich gehe ich an ihr vorbei und laufe die Treppe hoch. Mich überkommt ein eigenartiges Gefühl, alte Erinnerungen schießen in meine Gedanken und ich erinnere mich wieder an die Wohnung, in der ich damals ein- und ausgegangen bin. Ich laufe über den Flur und höre das Laminat unter meinen Füßen knarzen. Ich bleibe vor der Tür stehen und halte kurz inne. Was würde Calvin für ein Gesicht machen, wenn ich jetzt in sein Zimmer komme?

Ehe ich mich umentscheide und Reißaus nehme, greife ich nach der Türklinke und drücke sie herunter. Ich öffne die Tür und sehe mich im Zimmer um. Es ist nicht mehr das Kinderzimmer, wie ich es kenne, sondern ein Jugendzimmer. Für einen Jungen sogar sehr ordentlich. Scheinbar räumt Calvins Mutter ihm auch ständig hinterher, so wie es meine Mutter tut.

„Oliver?“, höre ich eine leise Stimme. Ich drehe mich um und stehe direkt vor Calvin. Er liegt im Bett und sein verstauchter Knöchel lugt bandagiert unter der Bettdecke hervor. Ich lächele schief und hebe etwas unbehaglich die Hand.

„Hey! Wie geht’s dir?“, frage ich ihn, nur um überhaupt etwas zu sagen. Er sieht mich an und schüttelt den Kopf. „Geht so, ich kann ein paar Wochen nicht laufen.“

Ich nicke und sehe auf seinen Fuß. Es tut mir irgendwie leid, dabei ist es nicht mal meine Schuld gewesen, dass es passiert ist. Schweigend stehe ich im Zimmer herum und erst als Frau Janke mit einem beladenen Tablett ins Zimmer kommt, regen wir uns wieder. Sie stellt das Tablett auf einem kleinen Beistelltisch ab und geht aus dem Zimmer.

Ich gehe langsam auf Calvins Bett zu und setze mich auf die Matratze, er rückt leicht ab, um mir Platz zu machen. Calvin setzt sich etwas im Bett auf und betrachtet mich, was mich schon leicht verlegen macht. Hastig schnappe ich mir eine Tasse mit Kaffee und kippe ordentlich Milch dazu.

„Du magst immer noch keine bitteren Getränke?“, fragt Calvin mich und ich bekomme gerade mal ein Nicken zustande. „Wieso bist du hergekommen?“

Ich schiele zu ihm und brumme dann in meine Tasse. „Wollte nur mal sehen wie es dir geht, weil du den Rest der Woche nicht in der Schule warst.“

„Ach so...“, meint Calvin und starrt auf seine Hände, die er in seinen Schoß gebettet hat. Wieder schweigen wir. Krampfhaft suche ich nach einem Thema, aber mir fällt einfach nichts ein. Ich sehe zu Calvin und betrachte ihn, während er nachdenklich sein belegtes Brot isst. Als er aufsieht, treffen sich unsere Blicke. Ich schlucke und sehe hastig wieder in meine Tasse.

„Wie ist es so in Amerika?“, fragt Calvin mich und geht nicht weiter darauf ein, dass ich seinem Blick ausweiche.

Ich drehe meine Tasse in der Hand und betrachte die hellbraune Brühe, welche leicht hin- und herschwappt. „Ganz okay...“, erwidere ich wage. Calvin sieht mich an. „Sehr gesprächig bist du ja nicht gerade.“

Ich sehe auf und direkt in seine Augen. Er hat sich etwas vorgebeugt und ist mir mit einem Mal so nahe, dass ich rot anlaufe und hoffe, er würde es nicht merken. „Na ja, also...“ Was soll ich ihm denn erzählen? Ich habe keine Ahnung und seine Nähe macht es auch nicht unbedingt besser, eher schlimmer, denn ich kann keinen klaren Gedanken fassen, wenn er mich so direkt anstarrt. Ich lecke mir über meine trockenen Lippen und bemerke, dass er mir dabei zusieht. Mit klopfendem Herzen drehe ich meinen Kopf zur Seite und sehe wieder stur in meine Tasse. „Wa-was willst du denn wissen?“, stammele ich und spüre die aufwallende Hitze in meinem Gesicht.

„Na ja, es kommt so plötzlich, dass du wieder hier in Deutschland lebst. Wieso seid ihr zurückgezogen?“, fragt Calvin mich und sieht mich an.

Ich verziehe meinen Mund. „Mein Vater hatte einen Siebenjahresvertrag bekommen und den konnte er unmöglich abschlagen. Ich wollte damals nicht mitgehen, aber wir haben hier niemanden von der Verwandtschaft, der mich genommen hätte. Das hätten meine Eltern auch nicht zugelassen. Mir blieb also nichts anderes übrig, als mitzugehen.“, erkläre ich ihm und trinke einen Schluck von dem Kaffee. „Danach sind wir zurückgezogen. Der Vertrag ist abgelaufen und Dad hat hier eine Stelle bekommen. Klar, er hätte auch in Amerika arbeiten können, aber wir sind nun mal fest davon ausgegangen, dass wir danach zurück nach Deutschland ziehen. Amerika ist schon toll, aber ich hab halt auch meine Heimat vermisst.“ Ich trinke wieder einen Schluck, weil ich nichts mehr zu sagen habe.

„Du hast mir gefehlt...“, kommt es von Calvin. Prompt verschlucke ich mich und muss stark husten. Tränen treten mir in die Augen und ich würde am liebsten im Erdboden versinken. Calvin versucht mir beruhigend auf den Rücken zu klopfen, macht es damit allerdings nur noch schlimmer. Ich schiebe seine Hand weg. Mag ja eine gutgemeinte Geste sein, aber es bringt nun mal nichts. Ich sehe ihn an und hole tief Luft. „Geht schon wieder!“, krächze ich hastig, damit er es nicht missversteht.

Calvin sieht mich prüfend an und lächelt leicht. Er sieht umwerfend aus, mein Herz klopft unruhig in meiner Brust und am liebsten würde ich ihn jetzt fest an mich drücken. Ich kann mich nur nicht dazu überwinden, weil ich nicht genau weiß, ob das was Elena gesagt hat, auch wirklich stimmt. Ich will nichts Falsches tun, ihn nicht schon wieder verlieren.

Während ich so in meinen Gedanken verweile, leert Calvin das Tablett Stück für Stück und betrachtet mich. Ich drehe wieder meinen Kopf zu ihm und lächele ihn an. Er erwidert es und ertappt sehe ich ihn an. Schon allein so eine kleine Geste bringt mich heute völlig aus dem Konzept. Was ist nur los mit mir?

„Sag mal...“, ich halte inne und weiß nicht wie ich es richtig angehen soll. Ich will Calvin nicht vor den Kopf stoßen, aber ich mache mir eben Sorgen um ihn. „Seit wann wirst du schon in der Schule gemobbt?“ Ich halte die Luft an und wage es kaum, ihn anzusehen.

Er antwortet mir nicht und als ich mich doch noch dazu durchringe, Calvin ins Gesicht zu sehen, kann ich den Schmerz in seinen Augen sehen. Er schluckt und dreht seinen Kopf zur Wand. „Was soll das? Wieso fragst du mich das?“

„Weil es wichtig ist und ich will, dass sie damit aufhören!“, meine ich eindringlich und ziehe sein Gesicht zu mir. Ich weiß genau, was passiert ist. Elena hat es mir ja bereits erzählt, aber ich will es eben noch einmal genau von Calvin wissen. Ich muss wissen, was da passiert ist, damit ich ihm überhaupt helfen kann. Ich will für ihn da sein und ihn trösten. Ich will, dass er nicht mehr so verletzt wird!

„Calvin, erzähl mir davon. Bitte!“, fordere ich ihn auf und Calvin hebt seinen Blick und sieht mir nun direkt in die Augen. Seinen Blick kann ich nicht deuten, ich weiß nicht, was er gerade empfindet. Trotzdem habe ich den Drang ihn jetzt in meine Arme zu schließen, ihn zu küssen und ihm einfach nur zu sagen, wie gern ich ihn habe. Ich bringe es nicht über mich.

Calvins Lippen öffnen sich ein wenig, er sucht nach Worten und sein Blick senkt sich zur Bettdecke. Ich lasse sein Kinn los und rücke etwas näher heran. Ich lausche angestrengt, habe Angst, ich könnte ein wichtiges Detail nicht mitbekommen, dabei hat er noch gar nichts gesagt.

„I-ich...“, fängt Calvin stammelnd an und weiß nicht was er sagen solle. Seine Stimme klingt so unsicher. Wird er es mir überhaupt erzählen?

Nervös leckt er sich über seine Lippen, so dass sie glänzen und ich komme nicht umhin darauf zu starren. „Ich bin schon seit Ewigkeiten in dich verliebt...“, meint er unsicher und sieht mich nicht an. Ich starre zu ihm, sehe ihn aber nicht wirklich. Habe ich mich gerade verhört? Wunschdenken? Das kann er gerade unmöglich gesagt haben. Bilde ich mir das etwa ein?

„Äh, also, ich...“, was soll ich ihm denn nun sagen? Mein Kopf ist mit einem Mal komplett leer gefegt und ich habe keine Ahnung, wie ich ihm nun darauf antworten soll. Wieso fühle ich mich auf einmal so durcheinander? Sollte ich mich denn nicht darüber freuen? Ich habe es doch die ganze Zeit so sehr gehofft. Wieso bin ich denn dann jetzt nicht glücklich?

Calvin beißt sich auf die Unterlippe und schüttelt leicht seinen Kopf. „Als du weggezogen bist, habe ich mich verlassen gefühlt. Ich hatte das Gefühl, dass du mich im Stich gelassen hast. Blöd, ich weiß. Ich hab dich halt vermisst und außer dir hatte ich nicht gerade viele Freunde...“, mit einem gequälten Gesichtsausdruck fährt er sich mit seinen Fingern durch seine rabenschwarzen Haare. Angespannt sitze ich neben ihm und habe keine Ahnung, ob ich jetzt etwas sagen muss oder besser meine Klappe halte.

„Ich hatte keine Lust mehr, mir neue Freunde zu suchen. Ich wollte eben nicht schon wieder im Stich gelassen werden. Mir hat ja keiner gesagt, wieso du weggezogen bist. Ich bin davon ausgegangen, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben wolltest.“, gesteht Calvin mir und ich sehe ihm deutlich an, wie schwer es ihm fällt, darüber zu reden.

„Ich habe es irgendwie geschafft, meine Gefühle im Zaun zu halten. Ich habe auch niemandem erzählt, dass ich dich mag. Ich habe es immer für mich behalten. Irgendwann wollte ich sehen, ob ich nur auf dich stehe oder ob ich mich auch wieder neu verlieben könnte. Ich habe mich mit einem Jungen aus deiner Klasse angefreundet. Ich mochte ihn irgendwie. Anfangs lief ja auch alles ganz gut zwischen uns. Wir haben uns prima verstanden, aber mit der Zeit, als ich anfing mich ihm zu nähern, wurde es ihm wohl zu viel. Er hat mir gesagt er ist nicht schwul und dass er auf Frauen steht. Ich habe das ja auch verstanden und ihn in Ruhe gelassen, aber irgendwann hat er es wohl seiner Freundin erzählt...“ Calvin bricht ab und ich greife nach seiner Hand, streiche ihm über den Handrücken und fühle mich so hilflos. Wie kann ich ihn nur aufmuntern?

„Sie hat ihm erzählt, dass ich mich an sie rangemacht hätte. Sie wollte ihn wohl wütend machen. Er weiß, dass ich schwul bin, aber seitdem hasst er mich regelrecht.“ Calvin nimmt meine Hand zwischen seine Hände und betrachtet meine Handinnenfläche. „Er ist ausgerastet... “ Er lacht kurz auf und sieht mir ins Gesicht. „Ich bin so dumm gewesen. Ich habe ihn in Ruhe gelassen und dann hetzt er auch noch seine Freunde auf mich.“

„Er hat nicht mehr aufgehört...“, stelle ich wütend fest und balle meine Hände zu Fäusten. Beruhigend streicht Calvin mit seinen Fingern darüber, aber es hilft nicht. Ich würde diesen Typen am liebsten verprügeln und ich habe seine dämliche Freundin auch noch angesprochen! Würde sie dasselbe auch mit mir machen, wenn ich nicht locker gelassen hätte?

Ich sehe Calvin an und versuche mich zu beruhigen. Ich setze mich im Schneidersitz auf das Bett, nachdem ich mir meine Turnschuhe abgestreift habe und sitze nun etwas dichter vor Calvin. Die leichte Röte in seinem Gesicht, kann er nicht verbergen.

„Was ist das mit dir und Elena? Wieso hasst ihr euch so?“, frage ich ihn noch. Calvin verzieht sein Gesicht und grummelt leicht. „Komm schon, sag's mir!“

Ein verdächtiges Glitzern macht sich in seinen Augen bemerkbar. „Ich habe ihr gesagt, dass ich schwul bin. Sie fand es gar nicht so schlimm und hatte auch kein Problem damit, aber als ich ihr erzählte, dass ich in dich verliebt bin, hat sie angefangen mich zu meiden und wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich habe es anfangs nicht verstanden. Ich dachte, es liegt an meiner Neigung zu Männern, aber das ist es nicht. Sie war nur eifersüchtig. Sie ist in dich verliebt und sie gönnt mir meine Gefühle nicht.“ Calvin sieht mich an und schluckt. „Ich wollte mich ja wieder mit ihr anfreunden, aber sie blockt immer wieder ab. Sie redet mich bei allen schlecht...“ Calvins Stimme wird brüchig. Ich seufze. Er hat Elena schon immer gemocht, kein Wunder, dass er jetzt so fertig ist.

„Calvin, ich mag dich auch!“, meine ich und sehe ihn ernst an. Er erwidert meinen Blick, lächelt und wischt sich dann mit dem Ärmel über die Augen.

„Das musst du nicht sagen, damit es mir besser geht.“ Er scheint es nicht zu verstehen. Noch immer schaue ich ihn an und weiß nicht, wie ich es ihm klar machen soll, dass seine Gefühle erwidert werden. Zwar bin ich noch nicht so weit, dass ich ihm meine Liebe gestehen kann, aber ich fühle mich doch ziemlich zu ihm hingezogen. Ich meine, dass ist doch schon mal ein Anfang, oder nicht?

Calvin weicht meinem Blick aus und scheint mich wirklich nicht ernst nehmen zu wollen. Mein Blick fällt auf seine Lippen. Soll ich ihn küssen? Vielleicht versteht er dann was ich meine?

Ich beuge mich zögerlich vor und Calvin dreht sein Gesicht zu mir, verwirrt schaut er mich an und ich nutze diese Gelegenheit zu meinem Vorteil. Mein erster Kuss überhaupt und dann auch noch mit einem Jungen. Ich habe keine Ahnung, was ich jetzt tun soll, aber ich mache es einfach, überlege nicht lange, sondern presse meine Lippen auf seinen Mund. Etwas unsanft stoßen sie auf seine Lippen und ich komme mir schon ein wenig linkisch vor. Ich spüre wie ich knallrot werde und kneife meine Augen zusammen. Von Calvin spüre ich keine Regung. Habe ich etwas falsch gemacht? Zaghaft öffne ich meine Augen leicht und kann ihm nun direkt in sein fassungsloses Gesicht sehen. Unsicher ziehe ich mich etwas von ihm zurück. Sehr erfreut wirkt Calvin ja nicht auf mich. Was soll ich denn jetzt machen?

„Was soll das?“, fragt Calvin mich ungläubig und sieht mich noch immer an. Jetzt bin ich es, der seinem Blick ausweicht. Ja, was war das eben eigentlich?

„Na ja, ich wollte dir zeigen...“, weiter komme ich gar nicht, da spüre ich auch schon seine Lippen auf meinem Mund. Er zieht mich näher an sich und überrumpelt starre ich ihn an.

Seine Lippen bewegen sich gegen meine und es fühlt sich gut an, wenn auch ungewohnt. Ich schließe meine Augen und lasse mich von ihm küssen. Calvins Hände machen sich auf eine Rundreise und gleiten fahrig über meinen Körper, krallen sich in mein Shirt und zerren daran. Seine Hände finden ihren Weg zu meinem Hintern und bleiben dort, wie ich errötend feststelle. Mit einem Ruck zieht er mich auf seinen Schoß. Ich schlinge meine Arme um seine Schultern und öffne vor Schreck meinen Mund einen Spalt. Calvins Zunge dringt unsanft in meine Mundhöhle und erschrocken ziehe ich meinen Kopf zurück, was Calvin's Hand an meinem Hinterkopf aber unterbindet, mich sogar noch näher an ihn heran drückt. Ich kneife meine Augen zu und rutsche auf seinem Schoß hin und her, was Calvin aufstöhnen lässt. Eine Gänsehaut überkommt mich dabei. Calvin lässt sich nach hinten sinken und zieht mich einfach mit sich mit. Wir kommen zum Liegen und ich kann seine Hände fühlen, die sich unter mein Shirt schleichen und meine Haut berühren. Seine rechte Hand gleitet über meinen Hintern und unter den Stoff. Er greift fest in meine Pobacke und massiert sie. Ich muss zugeben, dass es sich ziemlich gut anfühlt. Seine andere Hand, die noch eben meinen Rücken entlanggefahren ist, gesellt sich hinzu und so umgreift er meinen Po noch fester, drückt mich dabei gegen seine Hüfte und erregt kann ich seinen Penis an meinem spüren. Ich keuche und kann nicht anders, als mich an ihm zu reiben. Calvin geht es nicht anders und auch er findet schnell gefallen an der ganzen Sache.

Sein Kuss wird eindringlicher und intensiver, unser Keuchen hallt in meinen Ohren wider und so langsam verabschieden sich nach und nach meine Gehirnzellen. Unsere Körper reiben sich gierig aneinander. Calvin spreizt seine Beine und drückt mich noch fester an seine Erregung. Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll, überlasse ihm alles und erwidere lediglich den Kuss. Calvin stöhnt und greift mit seinen Händen nach dem Saum meines Shirts. Er zieht es immer höher und reißt es mir beinahe schon von meinem Körper. Das Shirt landet auf dem Boden neben dem Bett und sofort spüre ich Calvins Hände auf meinem Oberkörper, wie sie über meine Muskeln gleiten und meine Brustwarzen solange umkreisen, bis diese sich aufrichten. Ich stemme mich mit den Armen auf der Matratze ab und lasse seine Berührungen zu. Es fühlt sich gut an, seine Finger auf meiner erhitzten Haut zu spüren.

Calvin öffnet seine Lippen und ich tue ihm den Gefallen ihn zu küssen. Seine Arme umschlingen mich, drücken mich auf seinen Körper und berühren mich überall.

„Was macht ihr da?!“

Erschrocken reißen wir uns voneinander los und sehen ertappt zur Tür. Ich springe beinahe von Calvin herunter und sehe entsetzt in die Augen seiner Mutter. Wir haben gar nicht mitbekommen, dass sie das Zimmer betreten hat.

Betreten sitzen wir auf dem Bett und sehen sie an, als wären wir Schwerverbrecher. Die kurze Stille im Zimmer ist erdrückend und keiner von uns beiden wagt es auch nur ein Wort zu sagen.

„Ich habe schon immer gewusst, dass du kein guter Umgang für meinen Sohn bist! Sieh zu, dass du Land gewinnst! Verschwinde! Los! Raus hier!“, meckert Frau Janke wütend und mir klopft das Herz bis zum Hals. Sie ist also immer noch ganz die Alte.

Ich schnappe mir mein Shirt, ziehe es mir hastig über und schlüpfe in meine Turnschuhe. Ich wage es kaum Calvin anzusehen und verschwinde schleunigst aus seinem Zimmer. Noch im Flur kann ich hören, wie die beiden oben miteinander streiten. Die Haustür fällt hinter mir ins Schloss und so schnell ich kann renne ich nach Hause.

Ich fühle mich wie auf der Flucht und alle möglichen Gedanken drängen sich mir auf. Nach einiger Zeit werde ich langsamer, bis ich stehen bleibe, um wieder zu Atem zu kommen.

„Yes! Das war mein erster Kuss!“, rufe ich gut gelaunt und ein breites Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht. Was mir aber schnell vergeht, nachdem ich aufsehe und direkt in Elenas Augen blicke.

I just want to kiss.

In regelmäßigem Tempo laufe ich über den Sportplatz der Schule und spüre kaum die Ermüdung, die so langsam aber sicher bei meinen Klassenkameraden eintritt. Gemütlich jogge ich um den Platz, vorbei an meinen schnaufenden Kollegen.

Mein Blick wandert jedoch immer wieder zum Rasen außerhalb des Platzes. Dort steht eine kleine grüne Bank und darauf sitzt Calvin. Wir haben die erste Stunde und er ist später zur Schule gekommen, dabei sind unsere Klassen heute zusammen gelegt worden. Wir haben also seit seine Mutter mich aus dem Haus geworfen hat, keine Zeit gehabt miteinander zu reden.

Ich habe ja nicht mal seine Handynummer. Was wirklich schade ist, weil ich ihm gerne Nachrichten schicken oder mit ihm telefonieren würde.

Calvin sieht zu uns auf den Platz und ich bilde mir ein, dass er mich beobachtet. Wirklich sicher bin ich mir da aber nicht. Ich bin so schnell bei ihm Zuhause abgehauen, dass es gut möglich sein kann, dass er es mir übel genommen hat.

Neugierig, wie es zur Zeit um uns beide steht, beschließe ich zu ihm zu laufen und da ich meine Runden längst abgelaufen bin, kann ich es mir auch leisten, den Platz zu verlassen, während die anderen sich noch mit den letzten Metern abkämpfen.

Ich jogge zu Calvin, der mir bereits entgegen sieht und mir klopft das Herz heftig in der Brust, als mir der Kuss wieder in den Sinn kommt.

„Morgen!“, rufe ich ihm zu, werde langsamer und gehe zu ihm hin. Er nickt lediglich und so beschließe ich einfach, mich neben ihn zu setzen. Dichter als ich vorhatte, sitze ich auf der Bank und genieße den kurzen Augenblick als sich unsere Knie berühren, ehe er sein Bein wegzieht.

„Tut mir Leid, dass ich so schnell abgehauen bin. Ich wollte dich nicht im Stich lassen, aber als deine Mutter ins Zimmer kam, konnte ich irgendwie nicht mehr richtig klar denken.“

Calvin schielt mich von der Seite an und rümpft die Nase. „Sie hat mir einen Vortrag gehalten! Ich bin fast 18, ich kann tun und lassen was ich will! Na und? Dann stehe ich halt auf Männer! Was ist so schlimm daran? Ich bin immer noch ihr Sohn und sie tut es ab, als hätte ich irgendeine Krankheit, die man schon wieder gerade biegen kann. Sie denkt, du hättest mich dazu gebracht, immerhin kommst du aus Amerika und da können Schwule ja auch heiraten. Das ich schon vorher schwul war, daran will sie natürlich nicht glauben!“, meckert Calvin aufgebracht.

Ich höre ihm zu und weiß auch nicht so recht, was ich davon halten soll, immerhin konnte ich es mir bis vor Kurzem auch noch nicht vorstellen auch nur irgendetwas mit einem Jungen anzufangen. Kann ich auch nicht wirklich, denn bisher sind meine Gedanken immer nur zu Calvin gewandert und keinem anderen Jungen.

„Ich bin auf dem Heimweg Elena über den Weg gelaufen...“, merke ich an und Calvin sieht angesäuert zu mir.

„Was hat sie diesmal vom Stapel gelassen?“, fragt er lauernd.

Ich seufze und lehne mich ein wenig nach hinten. „Ich verstehe sie einfach nicht. Sie hat sich total verändert! Sie meinte, ich soll mich von dir fernhalten, sonst halten mich alle noch für schwul. Darf ich nicht mal meine Freunde aussuchen?“, frage ich ihn und sehe auf den Sportplatz. „Wieso machst sie nur alles so kompliziert?“

Calvin rümpft die Nase. „Magst du sie?“

Ich sehe zu ihm und lege meinen Kopf schief. Nachdenklich sehe ich zu meinen Mitschülern, die ersten sind schon fertig mit ihren Runden. „Ich mochte sie früher gerne, auch wenn sie eine Nervensäge war, aber so wie sie jetzt ist... Ich weiß nicht.“

„Sie ist in dich verliebt und sieht in mir einen Rivalen. Wir haben uns immer gut verstanden, aber mit meiner Sexualität kommt sie einfach nicht klar!“, murrt Calvin und fährt sich mit den Händen durch die Haare.

„Vielleicht ist sie ja auch in dich verliebt und will nicht wahrhaben, dass du auf Männer stehst?“, werfe ich meine Vermutung ein. Calvin lacht höhnisch auf.

„Dann wundere ich mich aber, dass sie all die Jahre vorher nie etwas gesagt hat! Wieso ist sie dann so verbiestert? Sie hat kein gutes Wort für mich übrig! Nein, sie ist ganz sicher nicht in mich verliebt! Dafür aber in dich! Das kann ich an ihrem Blick sehen, so wie sie dich ansieht...“

Ich schaue zu Calvin. „Wie sieht sie mich denn an?“, frage ich ihn neugierig.

„So, wie du mich immer ansiehst.“

Ich wende meinen Blick ab und werde rot im Gesicht. Verlegen raufe ich mir die Haare und muss schmunzeln. „Ich weiß auch nicht wie das passiert ist. Ich war mir immer so sicher, dass ich auf Frauen stehe, aber bei dir ist es irgendwie anders.“

„Hast du schon feuchte Träume von mir gehabt?“, fragt Calvin mich lachend.

„Wa-was denkst du denn von mir? Also...na ja, irgendwie...“ Mein Stammeln macht es nur noch ersichtlicher, dass ich sehr wohl von ihm geträumt und an ihn gedacht habe. Ich schlucke. „Ist das ein Problem für dich? Ich meine, der Kuss letztens, du warst ja krank...“

„Glaubst du ich habe dich im Fieberwahn geküsst? Du bist mir ja einer!“, meint Calvin grinsend, greift nach meinem Kinn und zieht meinen Kopf zu sich herum. „Ich würde dich jederzeit wieder küssen und was ich schon alles von dir geträumt habe, dass willst du gar nicht wissen!“

Ich ziehe skeptisch eine Augenbraue in die Höhe und sehe Calvin an. „Vielleicht bist du nicht schwul, aber du würdest es gerne mal mit mir treiben. Aus Neugier?“, vermutet Calvin. Ich schüttele heftig mit dem Kopf. Doch nicht aus reiner Neugier! Okay, vielleicht ein wenig, aber ich mag Calvin und ich habe schon immer sehr an ihm gehangen. Warum ich plötzlich so in ihn vernarrt bin und von ihm Träume oder andere Dinge mache, kann ich mir allerdings auch nicht so recht erklären. „Ich bin pervers, oder?“, frage ich ihn.

Calvin schüttelt den Kopf. „Nein, bist du nicht. Nur unheimlich verwirrt und voller aufgestauter Hormone!“

Ich muss laut lachen. Er hat ja Recht. Das ich noch Jungfrau bin und alle anderen um mich herum schon ach so viel Erfahrung haben, macht mich schon manchmal ziemlich fertig. Da kriege ich schon ziemliche Angst, dass ich noch mit 30 Jahren nicht zum Schuss gekommen bin.

„Du bist attraktiv. Bei den Mädchen in deiner Klasse kommst du doch gut an, wieso hast du es da noch nicht probiert?“, fragt Calvin mich.

„Ich habe es bei der Tusse von deinem Zielobjekt versucht. Bin ich froh, dass es nicht geklappt hat, sonst hätte er mich auch noch so fertig gemacht wie dich. Alea find ich ganz hübsch, aber sie ist lesbisch. Da habe ich bestimmt keine Chance...“, stelle ich fest.

Calvin haut mir seinen Ellenbogen in die Seite. „Aua! Was soll das?“, meckere ich und schnappe nach Luft. Calvin zieht einen Schmollmund. „Musst du das ausgerechnet mir sagen? Ich will nicht wissen auf wen du schon alles ein Auge geworfen hast, immerhin bin ich selber in dich verliebt!“

Ich sehe ihn schuldbewusst an und lächele schief. „Sorry, daran habe ich jetzt nicht gedacht.“

„Gib mir einen Kuss, dann verzeihe ich dir!“, fordert Calvin mich grinsend auf.

Einen Kuss? Auch noch vor allen Leuten? Ich sehe kurz zu meinen Mitschülern. Zur Zeit sieht zwar keiner zu uns, aber was ist, wenn es doch jemand sieht?

„Schon gut, du musst nicht...“ Calvin macht einen Rückzieher, was mir irgendwie nicht so recht gefallen will. „Ich mach's!“, erwidere ich und drehe mich zu ihm herum. Mir ist es egal, was die anderen dann von mir halten. Sollen die doch denken, was sie wollen!

Ich beuge mich leicht vor und spüre Calvins Atem auf meinem Gesicht. Ich lächele ihn an und schon im nächsten Moment drücke ich meine Lippen auf seinen Mund. Augenblicklich schließe ich meine Augen. Er erwidert den Kuss und drängt sich mir entgegen, umarmt mich und mit Genugtuung stelle ich fest, dass das alles gar nicht mal so übel ist.

Calvins Kuss lässt mich alle Sorgen vergessen und auch alles um mich herum. Es fühlt sich gut an und ich wünschte er würde gar nicht mehr damit aufhören.

Tut er auch nicht, denn schon im nächsten Moment steckt er mir seine Zunge in den Mund und verführt mich zu einem intensiverem Kuss. Nur zu gerne gehe ich darauf ein.

Erst der schrille Ton der Pfeife unseres Sportlehrers lässt uns den Kuss unterbrechen. Ich lecke Calvin noch einmal kurz frech über die Lippen und erhebe mich dann von der Bank.

„Kommst du mit in die Umkleide?“, frage ich ihn lächelnd. Calvin erhebt sich mühsam. „Glaubst du das lasse ich mir entgehen? Ich wollte dich schon immer nackt sehen!“

Ich blase meine Backen auf und tue so als wäre ich empört. „Wer hat denn hier von nackt geredet?“, meckere ich und muss doch noch lachen.

Es tut gut so locker mit Calvin reden zu können. Das hat mir doch sehr gefehlt. Immer noch besser, als ständig angemotzt zu werden, ist es auf jeden Fall!

Wir gehen zusammen zu den Umkleiden und lassen die anderen sich an uns vorbeidrängeln. Ich bleibe stehen und sehe kurz zu Calvin bevor wir zu den Jungs in die Umkleide gehen. „Hey, mir tut's Leid, dass ich dir keine Nachrichten geschickt habe.“, meine ich. Irgendwie muss das jetzt auch noch raus.

Calvin sieht mich an. „Wenn das noch mal passiert sind wir geschiedene Leute!“, erwidert er mürrisch. Ich grinse breit.

„Ich wusste gar nicht, dass wir schon verheiratet sind?“, frage ich keck. Calvin muss lachen und schiebt mich in die Umkleide.

Augenblicklich ist es still und alle sehen uns an. Ich ziehe skeptisch meine Augenbraue in die Höhe. Was ist denn nun los?

Ich bemerke, dass sie nicht mich anstarren, sondern Calvin. „Was ist?“, murre ich sie an und die Jungs widmen sich wieder ihen Klamotten und Gesprächen.

Ich sehe Calvin hinter mir an, der nur den Kopf schüttelt und darauf wartet, dass ich fertig werde, damit wir endlich wieder hier herausgehen können. Also tue ich ihm den Gefallen und gehe zu meiner Sporttasche. Ich ziehe mir mein Shirt über den Kopf und spüre deutlich seinen Blick auf mir. Mich überkommt eine Gänsehaut. Ich ziehe meine Shorts aus und drehe mich zu ihm. Calvin grinst mich kurz an. Ich ziehe mir meine Freizeitkleidung über und muss wohl mal auf eine Dusche verzichten. Wenn Calvin sich hier nicht wohl fühlt, will ich ihn nicht noch länger den dummen Blicken meiner Mitschüler aussetzen. In ihm sehen sie nur den Schwulen oder den Jungen der ständig gemobbt wird. Die kennen ihn ja nicht mal richtig. Sie sehen nur, was sie sehen wollen.

Ich drehe mich fertig angezogen zu Calvin um, schnappe mir meine Sporttasche und gehe mit ihm hinaus. Die Kommentare der Jungs übergehen wir gekonnt. Für Calvin scheint es sowieso nichts Neues zu sein, er hat sich wohl daran gewöhnt, auch wenn ich es mir schwer vorstellen kann.

„Gehen wir in den Park?“, frage ich ihn. Calvin schaut zu mir. „Was willst du denn im Park machen?“, fragt er mich neugierig.

„Ich habe mein Skateboard dabei!“, meine ich triumphierend und klopfe auf meine Sporttasche. Calvin lacht. „Ich kann doch gar nicht fahren!“, erwidert er lachend und deutet mit seinem Zeigefinger auf seinen Fuß.

„Das vielleicht nicht, aber du kannst mich anfeuern und anschmachten.“ Ich grinse ihn frech an und er zieht mich überraschend schnell zu sich, um mich zu küssen. Ich reiße überrascht meine Augen auf und lasse mich küssen.

„Hätte ich gewusst, dass dich das so anturnt, hätte ich es schon eher gemacht...“, murmele ich lächelnd gegen seine Lippen. Auch Calvin kann sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Er schlingt seine Arme um meinen Hals, stellt sich auf die Fußspitzen, weil ich doch etwas größer bin als er und küsst mich leidenschaftlich. Ich halte ihn an den Hüften fest und erwidere den Kuss. Die Blicke der Passanten stören mich erstaunlicherweise genauso wenig wie die meiner Klassenkameraden, von denen wohl eh keiner den Kuss gesehen hat.

Ich küsse hier einen Jungen und es stört mich nicht im Geringsten. Das muss doch wohl mal ein gutes Zeichen sein!

Wir lösen unsere Lippen voneinander und gut gelaunt greife ich nach Calvins Hand, ziehe ihn einfach hinter mir her. Wir gehen den Gehweg entlang und laufen vorbei an diversen kleineren Geschäften.

Wir bleiben vor einer Buchhandlung stehen. Eigentlich bleibt nur Calvin stehen und ich bin gezwungen es ebenfalls zu tun. „Was ist los?“, frage ich ihn und folge seinem Blick. In der Buchhandlung steht Elena. Sie stöbert in den Büchern und scheint beschäftigt zu sein. Völlig versunken in ihrer eigenen kleinen Welt. Ich starre sie an und weiß nicht, was ich jetzt tun soll. Ich sehe zu ihm, als Calvin einfach weitergeht und mich hinter sich herzieht. Obwohl sein Fuß sicherlich ziemlich schmerzen muss, geht er sehr schnell. Ich zerre an meinem Handgelenk, so dass er gezwungen ist, etwas langsamer zu laufen. „Was ist los mit dir? Wieso redest du nicht mit ihr, wenn euer Streit dir so nahe geht?“, frage ich ihn verständnislos. Ich verstehe ihn in dem Punkt sowieso nicht. Ich packe solche Sachen lieber gleich an und schaffe sie aus der Welt. Calvin scheint seine Probleme lieber vor sich herzuschieben.

„Bringt doch sowieso nichts...“, murrt er und geht weiter. „Sie lässt nicht mit sich reden! Als hätte ich es nicht schon versucht!“

Ich folge ihm und hole dann auf, um neben Calvin herzugehen. „Aber irgendwie müssen wir das doch mal klären. Das ist doch einfach nur kindisch. Wenn ihr Rivalen seid, solltet ihr es fair austragen und euch nicht gegenseitig fertig machen!“, werfe ich meine Bedenken ein.

„Hah! Sag das nicht mir, sondern Elena!“, empört sich Calvin und sieht genervt zu mir.

Ich zucke mit den Schultern. Was soll ich da großartig machen? Bin ich etwa jetzt so etwas wie ihr Streitschlichter? Wieso können die beiden es nicht selber regeln?

Wir kommen am Park an. Zum Glück ist noch nicht sehr viel los, aber bei dem schönen Wetter lassen die Besucher bestimmt nicht lange auf sich warten. Wir gehen zu der Anlage für Skateboardfahrer, die extra aufgebaut worden war und die ich schon damals gerne mit Calvin zusammen benutzt habe.

Calvin lässt sich vor dem Platz auf einer Bank nieder und ich lege neben ihm meine Sporttasche hin. Ich öffne den Reißverschluss und ruckle genervt daran, als der Haken sich im Stoff verhakt. Calvin schiebt meine Hände weg und versucht nun seinerseits die Tasche zu öffnen. Er schiebt den Haken zurück und zieht den Stoff glatt, zieht den Reißverschluss noch einmal auf und blickt mich dann lächelnd an.

Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen und beuge mich zu ihm herunter, gebe ihm einen kurzen Kuss auf den Mund, ehe ich mein Skateboard aus der großen Tasche herausnehme. Calvin greift nach meinem Arm und hält mich zurück. Er greift nach dem Skateboard und zieht es zu sich.

„Von wem sind all die Unterschriften da drauf?“, fragt er mich überrascht.

„Von meinen Freunden aus Amerika.“ Sein Blick hängt auf all den Namen und mit einem Mal bekomme ich ein schlechtes Gewissen. „Ist nicht so wichtig!“, weiche ich ihm aus und drehe mich um, um zum Platz zu gehen.

Wieso fühle ich mich jetzt schlecht, weil ich mehr Freunde als Calvin habe? Weil momentan nur ich sein Freund bin? Sofern er mich überhaupt schon als Freund betrachtet?

Ich werfe einen kurzen Blick zurück über meine Schulter und sehe zu Calvin. Er nickt mir zu und hebt kurz die Hand. Ich tue es ihm gleich und klettere die Rampe hoch. Etwa zwei Meter über dem Boden stelle ich mich mit dem Skateboard in Position.

Ohne Vorwarnung drücke ich das Skateboard herunter und komme schnell in Fahrt, fahre über den Boden und auf der anderen Seite wieder hoch. Das mache ich ein paar Mal, bis ich richtig in Schwung komme.

Nach einiger Zeit probiere ich ein paar Tricks aus, die mir Freunde aus Amerika gezeigt haben und werde etwas wagemutiger. Ich bin geübt, aber leider beherrsche ich noch nicht alle Tricks. Ich fahre über den ganzen Platz und benutze alles was sich in meiner Nähe befindet. Bänke bleiben davon auch nicht verschont.

Einen Patzer mache ich dann aber doch und falle mit einem erstaunten Aufschrei unsanft auf meinen Hintern. Ich stöhne und reibe mir mein schmerzendes Gesäß. „Oliver!“, ruft Calvin mir besorgt zu.

„Geht schon, keine Panik!“, rufe ich ihm zu, was ihn jedoch nicht wirklich interessiert. Er humpelt hastig zu mir und geht vor mir in die Knie. „Keine Sorge, mir geht’s gut.“, meine ich und versuche ihn zu beruhigen.

Calvin fällt mir um den Hals und klammert sich an mir fest, dabei falle ich überrumpelt nach hinten und lande auf dem Boden, mein Freund auf mir liegend. „Calvin mir geht’s gut!“, erkläre ich ihm lachend und streiche ihm über den Rücken.

Er sagt kein Wort und jetzt bin ich es der sich Sorgen macht. Ich drücke ihn von mir, so dass ich Calvin ins Gesicht sehen kann. Er sieht mich nur an und presst die Lippen aufeinander. „Manchmal bist du wirklich bezaubernd!“, säusele ich und beuge mich zu ihm hoch. Ich stütze mich mit einer Hand am Asphalt ab und mit der anderen ziehe ich Calvin am Nacken näher an mich heran.

Er öffnet seinen Mund und gierig lasse ich meine Zunge hinein gleiten. Wir küssen uns erneut, nur diesmal verlangender. Ich packe ihn an seinem Hintern und ziehe Calvin auf meinen Schoß. Er umarmt mich und zieht mich fester an sich.

„Also wirklich! Könnt ihr das nicht woanders machen?!“, hören wir auf einmal eine Stimme hinter uns. Calvin und ich lösen uns hastig voneinander und drehen uns zu der Person um, die uns so empört angemeckert hat. „Auch noch in der Öffentlichkeit! Habt ihr keine Manieren?“, pöbelt uns eine alte Dame mit ihrem Gehwagen entsetzt an.

Wir laufen rot an und stehen hastig auf. „Also wirklich diese Jugend heutzutage! Einfach unerhört!“, murmelt sie und geht an uns beiden vorbei. Ein paar Meter weiter können wir die Frau noch immer meckern hören.

Ich muss lachen und Calvin sieht mich an. „Was ist los?“, fragt er mich verwundert.

„Sie findet es furchtbar, dass wir uns in der Öffentlichkeit küssen, aber es stört sie nicht, dass wir Jungs sind. Find ich lustig!“, erkläre ich ihm und sehe Calvin an. Er sieht der alten Frau wieder hinterher. „Tja, einige Leute sind eben tolerant, auch wenn sie alt sind!“, meint er schmunzelnd.

„Wollen wir woanders hingehen?“, fragt Calvin mich. Interessiert sehe ich ihn an. „Wohin denn?“, frage ich ihn.

„Wie wäre es mit der alten Fabrik?“, schlägt er vor und sieht mich mit einem merkwürdigem Blick an. Die Fabrik? Was will er denn dort?

„Willst du wieder in dem alten Schuppen abhängen?“, frage ich belustigt. „Warum nicht?“

Ich zucke mit den Schultern. Soll mir nur recht sein.

Ich schnappe mir mein Skateboard vom Boden und gehe mit Calvin an der Hand zurück zu meiner Tasche, die noch auf der Bank liegt. Ich verstaue mein Skateboard und ziehe den Reißverschluss zu. Die Tasche hänge ich mir über die Schulter, halte den Riemen fest und greife mit meiner freien Hand wieder nach Calvins Hand. Selbst das stört mich nicht mehr.

Wir verlassen den Park gemütlich schlendernd, auch weil Calvin immer noch leichte Schmerzen am Fuß hat. Wir gehen zur nächsten Bushaltestelle und warten auf den Bus.

Ich schaue auf unsere ineinander verschlungenen Hände und muss schmunzeln. Das erinnert mich an das eine Paar, dass ich mal an der Bushaltestelle gesehen habe. Da hätte ich ganz sicher nie gedacht, dass ich mal an ihrer Stelle stehen würde. Mit meinem Freund an der Seite, Händchen haltend und scheinbar bis über beide Ohren verliebt.

Verliebt? Ich lege meinen Kopf schief und denke nach. Bin ich in ihn verliebt? Mir ist das gar nicht in den Sinn gekommen.

Ich betrachte Calvin von der Seite. In einen anderen Jungen würde ich mich bestimmt nicht verlieben. Ich stehe eindeutig auf Frauen. Wieso finde ich Calvin faszinierend? Etwa weil er gut aussieht? Weil er sensibel ist? Weil ich Mitleid mit ihm habe? Oder bin ich nur neugierig, weil ich wissen will wie es mit einem Jungen ist?

So viele Fragen, die mich nur noch verwirrter machen. Vielleicht sollte ich nicht so viel nachdenken und mich einfach nur meinen Gefühlen hingeben?

Was soll ich ihm sagen, wenn er mich irgendwann mal fragen wird, ob ich ihn liebe?

Ich bin ratlos. Zumindest habe ich keine Probleme damit mich mit ihm in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Ehe ich weiterdenken kann, hält auch schon der Bus vor uns. Die Türen öffnen sich und ehe ich mich versehe, zerrt Calvin mich auch schon ungeduldig in den Bus. Was hat er es denn auf einmal so eilig?

Er sucht uns freie Sitzplätze und schiebt mich auf den Fensterplatz. Calvin lässt sich neben mir auf dem Sitz nieder und greift sofort wieder nach meiner Hand. Ich platziere die Sporttasche auf unseren Beinen und sehe aus dem Fenster, wie die Passanten und Geschäfte schnell an uns vorbeiziehen. Der Busfahrer scheint es ebenfalls sehr eilig zu haben.

Nach einiger Zeit hält der Bus und wir steigen hastig aus, ehe sich die Türen hinter uns schließen und der Fahrer wieder davon braust. Calvin zieht mich hinter sich her, wir gelangen vom Fußweg auf den kleinen schmalen Pfad und laufen diesen entlang, bis der Weg auf das offene Fabrikgelände mündet.

Wir gehen den Asphaltweg entlang und steuern direkt auf den alten Schuppen zu. Calvin lässt meine Hand los und drückt gegen die morsche Tür. Wie beim ersten Mal, als ich versucht habe die Tür zu öffnen, knarzt es laut und schief. Ich verziehe meinen Mund bei dem Geräusch. Vielleicht sollten wir mal versuchen die Scharniere zu ölen?

Ich helfe Calvin beim Öffnen und betrete nach ihm den Schuppen. „Es sieht immer noch so furchtbar aus!“, stelle ich amüsiert fest.

Calvin geht sofort in die hintere Ecke des Raumes und sucht hinter einigen Kisten etwas. Ein bisschen Staub wirbelt auf und er muss niesen. Nach wenigen Sekunden holt er eine Tasche hervor.

„Ziehst du schon ein?“, frage ich ihn lachend und gehe neben ihm in die Hocke, nur um eine Decke in die Hand gedrückt zu bekommen. Ich breite sie aus und setze mich darauf, Calvin tut es mir gleich und entleert den Inhalt der Tasche darauf.

Meine Augen weiten sich, als ich Schwulenmagazine, Kondome, Gleitgel und diverse Sexspielzeuge finde.

„Bist du wirklich Calvin Janke?“, frage ich ihn verblüfft und weiß nichts mit den Sachen anzufangen. Irritiert hebe ich eine Schnur mit Kugeln hoch. Im ersten Moment habe ich tatsächlich gedacht, es sei eine Kette!

Ich laufe rot an und sehe zu Calvin. „Willst du etwa...?“, frage ich ihn und wage es kaum den Satz zu beenden. Calvin sieht mich an und krabbelt auf meinen Schoß, drückt mich an den Schultern nach unten und setzt sich auf mich.

„Wonach sieht's denn aus?“, fragt er mich und beugt sich zu mir herunter. Ich halte ihm hastig die Liebeskugeln vor die Nase. „Können wir die weg lassen?“

You can count on me!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

You can count on me! (zensiert)

Calvin beugt sich zu mir herunter, legt sich mit seinem ganzen Körper flach auf mich und hält meine Hände seitlich meines Kopfes auf den Boden gedrückt. Ich sehe zu ihm auf und spüre seinen warmen Atem auf meinem Gesicht. Ich schließe meine Augen langsam, als er sich mit seinen Lippen meinem Mund nähert, sie darauf drückt und mich küsst.

Es fühlt sich gut an. Ich erwidere den Kuss und öffne meinen Mund, um seine Zunge hineinzulassen. Augenblicklich sucht sie sich meine Zunge und massiert sie ausgiebig. Ich keuche und dränge mich Calvin entgegen.

Eigentlich ist es nicht anders als unsere bisherigen Küsse, bis er anfängt sich an mir zu reiben. Ich stöhne auf und spreize meine Beine ein wenig. Calvin lässt sich dazwischen gleiten und macht es sich bequemer.

Mit seinen Lippen verlässt er meinen Mund und küsst sich meine Wange entlang, hinunter zu meinem Hals und verteilt dort hauchzarte Küsse. Eine angenehme Gänsehaut überkommt mich und so ziehe ich meinen Kopf in den Nacken, biete ihm dadurch mehr Platz.

„Ha-hast du eigentlich schon mal...“, stammele ich und schiele zu Calvin herunter. Er sieht zu mir auf und unterbricht seine Tätigkeit. „Schon mal was?“, fragt er mich.

Ich laufe rot an und sehe zur Seite. Ganz toll, heißt das etwa, er hat schon Erfahrungen gesammelt?

Calvin beugt sich zu mir hoch und lässt meine Hände los, stemmt sich auf der Decke ab und sieht mich an. „Willst du wissen, ob ich schon mal Sex hatte? Was glaubst du wieso ich all die Hefte dabei habe?“

Ich sehe entgeistert zu ihm. „Du willst das mithilfe von Heften machen?“, frage ich ihn entgeistert. „Wie denn sonst?“ Calvin zuckt mit den Schultern und setzt sich zwischen meinen Beinen hin. Ich sehe ihn entsetzt an. Er hat also auch keinen Schimmer wie das bei einem Mann funktioniert?

Überrascht sehe ich zu ihm, als er nach dem Hemdsaum greift und einfach mein Shirt hochzieht. „Wow!“, stellt er beeindruckt fest, als er meinen Bauch sieht. Mit leicht zitternden Händen berührt er mich lediglich mit seinen Fingerkuppen, ehe er die ganze Hand auf meinen Bauch legt und damit über meine Haut gleitet. Eine angenehme Gänsehaut überkommt mich.

Ich sehe Calvin an und es scheint ihm wirklich zu gefallen, was er da sieht. Ich lächele und ziehe mir das Shirt selber über den Kopf, werfe es irgendwo hinter mir in eine Ecke und strecke meine Hand aus, um auch Calvins Hemd auszuziehen.

„Äh, lieber nicht...“, meint er und schiebt meine Hände weg. Ich sehe ihn verwundert an. „Wieso nicht?“, frage ich ihn. „Na ja, ich sehe nicht so toll aus wie du...“, meint er zögerlich.

„Ach was, du siehst toll aus!“, erwidere ich und drücke seine Hände weg, ziehe sein Shirt hoch, über seinen Kopf und lasse es neben ihm zu Boden gleiten. Ich beuge mich zu ihm und küsse seinen Bauchnabel. Mit geschlossenen Augen küsse ich mich seinen Bauch entlang nach oben. Calvin legt seine Hände auf meine Schultern und verkrampft sich ein wenig. Ich umschlinge ihn mit meinen Armen und ziehe Calvin auf meinen Schoß.

Er beugt sich zu mir herunter und küsst mich wieder. Scheinbar entspannt es ihn und wenn ich ihn so ablenken kann, ist es auch nicht schlecht.

Mit beiden Händen greife ich in seine Pobacken und drücke sie fest, was Calvin ein erschrockenes Keuchen entlockt. Ich grinse und sehe zu ihm auf. Ich greife in seinen Nacken und ziehe seinen Kopf zu mir herunter um ihn erneut zu küssen.
 

***
 

Calvin umarmt mich und ich tue es ihm gleich. „Alles okay bei dir?“, frage ich ihn. Er nickt müde. „Am Anfang hat es echt weh getan, aber nach einiger Zeit war es zum Aushalten. Fürs erste Mal, war es gar nicht so übel...“, meint er und lächelt. Ich grinse zufrieden. „Ja, es war sogar noch besser, als ich es mir immer vorgestellt habe!“

Calvin streckt mir die Zunge entgegen. Ich schnappe spielerisch mit meinen Zähnen danach und drücke ihm einen Kuss auf die Lippen.

„Oli, muss ich mich heute eigentlich noch mal bewegen? Ich glaube, das kriege ich nämlich nicht hin. Mir tut alles weh!“, jammert Calvin und muss trotzdem lachen. Ich sehe ihn an und schüttele den Kopf. „Du wirst von mir verwöhnt, bis es dir wieder besser geht.“

Calvin zieht eine Augenbraue in die Höhe. „Verwöhnt? Mit Sex?“, fragt er mich frech. „Pass auf was du sagst, es könnte wahr werden!“, erwidere ich gespielt ernst und lege mich neben ihm auf das Laken. Ich gähne und schmiege mich an den warmen Körper neben mir.

Calvin seufzt und streicht mir durch die Haare. „Nächstes Mal bin ich aber dran!“, meint er und sieht mich grinsend an. „Heißt das ich muss herhalten?“, frage ich ihn entsetzt.

Calvin verzieht seinen Mund und schmollt. „Du hast gesagt, es fühlt sich klasse an, ich will nicht immer dumm daliegen und Frauenersatz spielen!“

Ich richte mich etwas auf und sehe Calvin von der Seite an. „Okay, dann wechseln wir uns eben ab!“, schlage ich vor und erhalte ein freudiges Nicken. Mir selbst stellen sich derweil die Nackenhaare auf, allein bei dem Gedanken daran, die gleichen Schmerzen durchleben zu müssen wie Calvin eben.

„Glaubst du, du kannst nachher noch mal?“, frage ich Calvin grinsend. Der sieht mich entsetzt an und schüttelt den Kopf. „Vergiss es!“

„Wieso wolltest du es eigentlich ausgerechnet hier machen?“, frage ich ihn. „Im Bett ist es doch viel gemütlicher.“

Calvin schüttelt den Kopf. „Bei wem denn? Bei dir? Bei mir? Meine Eltern würden es nicht verstehen. Ich habe so viele Erinnerungen hier. Hier fühle ich mich wohl und es heißt doch immer man soll sein erstes Mal Sex da haben wo man sich am Wohlsten fühlt. Für mich ist es dieser Schuppen. Hier haben wir unsere Kindheit verbracht. Hier sind wir uns nach sieben Jahren wieder begegnet... Das hier ist meine Oase, Oli!“

Ich sehe ihn an und kann nur nicken. Er hat Recht. Das hier ist unser Versteck, unser Rückzugsort. Den kann uns keiner nehmen.

Ich sehe an die Decke des Schuppens. Wir haben hier wirklich schon viel erlebt und uns oft die Zeit in diesem kleinen Raum vertrieben.

„Sind wir jetzt ein Paar?“, frage ich Calvin zaghaft. „Schau morgen auf meiner Facebookseite nach.“, erwidert Calvin und grinst breit. Ich lache und sehe zu ihm. „Idiot!“

Ich setze mich auf und blättere in einigen der Magazine. „Du hast dir echt Mühe gegeben mit der Vorbereitung!“, meine ich anerkennend. Ich drehe mich um und sehe auf Calvin herunter. Er lächelt leicht.

„War ja auch für einen guten Zweck!“, meint er grinsend.

„Sagst du es mir noch mal?“, frage ich ihn lächelnd. „Was?“, fragt Calvin verwirrt. „Na, dass du mich liebst!“

Calvin schüttelt den Kopf. „Einmal reicht.“

„Du hast Recht, reicht vollkommen, wenn du es mir morgen wieder sagst!“, erwidere ich verschmitzt. Calvin grinst und zwickt mir mit seinen Fingern in die Haut. „Aua!“, meckere ich lachend. Seine Hand streicht über meine Haut und ich kann nicht verbergen, dass es mir gut gefällt, was er da macht.

„Du hast einen tollen Körper!“, schwärmt Calvin und ich muss lachen. „Ich mache eben viel Sport.“

„Ich könnte nie so aussehen. Schau doch mal wie blass und dünn ich bin!“, meint er und sieht mich auffordernd an. Ich schüttele mit dem Kopf. „Streng dich einfach an, dann schaffst du es auch.“

Calvin sieht mich zweifelnd an.

„Wie geht es eigentlich deinem Fuß?“, frage ich ihn, denn irgendwie scheinen wir beide es vergessen zu haben. Ich habe gar keine Rücksicht darauf genommen, dass Calvin noch verletzt ist.

„Ist nicht weiter schlimm. Es tut noch etwas weh, aber ganz so schmerzhaft ist es nicht.“, erklärt Calvin.

Ich nicke und bin froh, dass es ihm schon wieder besser geht. Ich mache mir immer gleich viel zu viele Sorgen um ihn. Das habe ich schon immer getan.

Damals als er noch so weinerlich war und sich oft verletzt hat, habe ich mich um ihn gekümmert und den starken Helden gespielt. Ich bin in der Rolle aufgegangen und tue es noch heute. Ich würde ihn vor jedem beschützen, sogar vor meiner besten Freundin.

Ich muss endlich dafür sorgen, dass sie es hinnimmt und sich nicht mehr so kindisch verhält. Das tut uns und auch ihr nicht gut.

„Kannst du aufstehen?“, frage ich Calvin. Er sieht zu mir auf und versucht es. Er kneift die Augen zusammen und setzt sich wieder hin.

„Es fühlt sich an, als wärst du noch immer in mir...“, stellt er fest und wird verlegen.

Ich reiche ihm seine Kleidung und helfe ihm beim Anziehen, ehe auch ich mir meine Kleidung überziehe.

„Wie sollen wir das eigentlich unseren Eltern klar machen?“, fragt Calvin mich.

„Ich will es ihnen nicht verheimlichen!“, sage ich ihm offen ins Gesicht. Calvin verzieht seinen Mund. „Das will ich ja auch nicht, aber sie werden es nicht verstehen. Zumindest meine...“

Ich merke ihm an, wie sehr es ihn belastet. Wie kann ich ihm dabei nur helfen?

Ich überlege eine Weile, aber mir will einfach nichts einfallen. „Sie müssen es einfach akzeptieren. Du bist bald volljährig! Sie können dir nicht ewig vorschreiben, was du zu tun hast. Von mir aus können sie mich ruhig hassen, aber wenn sie dich nicht so nehmen wie du bist, dann sollten sie sich auch mal klar werden, dass sie dadurch ihren Sohn verlieren können.“

Ich sehe Calvin an und er nickt leicht. „Ich will aber den Kontakt zu ihnen nicht verlieren. Ich liebe meine Familie, Oli!“, meint Calvin bedrückt.

„Das verlangt auch keiner von dir. Wir werden mit ihnen reden und versuchen es deinen Eltern klar zu machen. Egal wie viele Jahre wir brauchen werden, irgendwann werden sie es einsehen und uns so nehmen wie wir sind, da bin ich mir sicher!“, versuche ich ihm Mut zu machen.

Calvin lächelt. Er ist nicht ganz so zuversichtlich wie ich, aber er wird es versuchen. Das weiß ich.

„Und deine Eltern?“, fragt er mich.

Ich muss lächeln. „Sie werden bestimmt ziemlich überrascht sein, aber sie werden schon damit klar kommen.“

„Ich wünschte, meine Eltern wären wie deine. Dann hätte ich auch nicht so viel Stress mit ihnen...“

Ich streiche Calvin durch die zerzausten schwarzen Haare und gebe ihm einen Kuss auf den Mund. „Wir schaffen das schon!“

Vorher habe ich jedoch noch etwas anderes vor. Ich möchte es endlich mit Elena klären. Sie muss einsehen, dass es so nicht weitergehen kann. „Wir müssen mit Elena reden!“, erkläre ich also Calvin und schicke eine Nachricht mit dem Handy ab, damit wir uns in der Nähe treffen können. Kurze Zeit später kommt die Rückmeldung, dass sie einverstanden ist, allerdings ahnt sie nicht, warum ich mich mit ihr treffen will. Sie würde garantiert nicht kommen, wenn ich schreibe, dass Calvin dabei sein wird.

„Sie wird es nicht kapieren!“, murrt Calvin und sieht mich mit bösem Blick an. Ich grinse ihn an. „Wenn du es nicht tust, muss ich wohl für uns beide positiv denken!“, erwidere ich und lache.

„Lass uns losgehen.“ Wir packen unsere Sachen zusammen. Ich nehme beide Taschen und stütze Calvin ein wenig beim Gehen. Er versucht es sich wirklich nicht anmerken zu lassen, aber er wäre jetzt wohl lieber in seinem Bett am Schlafen, als direkt nach dem Sex durch die Weltgeschichte zu turnen.

Wir gehen zu einer Brücke, welche über einen kleinen Bach führt, ganz in der Nähe. Dort haben wir uns damals immer auf dem Heimweg von der Schule verabschiedet und sind zu unseren Wohnhäusern gegangen.

Elena wartet bereits und als sie uns beide erblickt verdüstert sich ihr Blick. Sie dreht sich um und will gehen.

„Elena! Warte!“, brülle ich ihr zu so laut ich kann. Sie bleibt stehen und dreht sich zu uns um. Ich überbrücke mit Calvin im Schlepptau die letzten Meter, der wesentlich langsamer geworden ist und sich den restlichen Weg ziert weiterzugehen. Auch ihm scheint es nicht anders zu gehen als Elena.

Ich habe ihr Verhalten langsam satt. Sie sollen sich endlich wieder zusammenraufen, oder sich wenigstens aussprechen und ihren Standpunkt klären. Aber dieses Halbes und nichts Ganzes Getue bringt uns alle nicht weiter.

„Was wollt ihr?“, fragt sie uns, wobei sie Calvin nicht einmal ansieht. Sie wendet ihren Blick von uns ab und schaut auf den Bach. Ihre Hände krallen sich in die Brüstung der Brücke und ich kann ihren weißen Fingerknöcheln ansehen, dass es sie nicht kalt lässt, dass ich mit Calvin zusammen zu ihr gekommen bin.

„Mit dir reden!“, erwidere ich ernst und sehe sie von der Seite an. „Elena, das bringt doch alles nichts.“

Sie schaut mich nicht an, presst lediglich ihre Lippen aufeinander und scheint nichts sagen zu wollen.

„Elena, ich habe mit Calvin geschlafen.“

Endlich bekomme ich ihre geballte Aufmerksamkeit und sehe alle möglichen Emotionen in ihrem Blick. Einen Moment lang tut sie mir wirklich Leid, aber ich kann ihre Gefühle nicht erwidern und ich wollte ihr nie falsche Hoffnungen machen.

„Ihr seid so gemein...“, meint sie nach einer Weile schwach. Ich sehe sie an, merke wie sie mit ihrer Fassung ringt, ehe ihr die ersten Tränen die Wangen herunter rollen.

„Wieso hasst du mich so?“, fragt Calvin sie unvermittelt.

„Ich hasse dich doch gar nicht!“, meckert sie heulend und wischt sich immer wieder die Tränen aus dem Gesicht. Ihre Mundwinkel ziehen sich herunter und sie wirkt mit einem Mal wie ein Häufchen Elend.

„Wir hatten nicht vor, dich auszugrenzen!“, meine ich, trete näher zu ihr und wische die Tränen aus ihrem Gesicht.

„Du hast nur Augen für Calvin, nie hast du mich richtig wahr genommen...“, meint sie weinend und schnieft. „Ich wollte immer deine Aufmerksamkeit haben, aber du hast immer nur Zeit mit Calvin verbracht. Ihr wart immer die besten Freunde und ich nur das fünfte Rad am Wagen. Ich wollte auch dazugehören...“ Elena bricht ab und wischt sich über ihre Augen. „Ich wollte meinen Frust nicht an euch auslassen. Ich weiß auch nicht wieso ich Calvin immer so schlecht gemacht habe. Ich wäre so gerne an seiner Stelle gewesen und hätte mehr mit dir unternommen.“

Sie sieht mich verletzt an und ich weiß nicht was ich tun soll. Ich streiche ihr durch die Haare und sehe zu Calvin. Er zuckt mit den Schultern und steht unbeholfen neben uns.

„Es tut mir Leid, aber ich kann deine Gefühle nicht erwidern.“ Ich sehe sie ernst an. „Weil du Calvin mehr liebst als mich!“, meint Elena mit zitternden Lippen.

„Tut mir Leid, Elena...“

Ich fühle mich wirklich ein wenig schlecht, als diese Worte meinen Mund verlassen. Trotzdem geht es mir besser, nachdem ich es ihr gesagt habe.

Sie sieht zu Calvin und wischt sich über die Augen. „Ich weiß, dass Schwule auch nur Menschen sind, aber mir fällt es einfach schwer es zu akzeptieren. Das ausgerechnet ein Freund von mir schwul ist... Ich habe mich nie richtig damit befasst. Ich wusste nicht wie ich richtig damit umgehen sollte. Ich habe es nicht verstanden. Wieso hat Oliver sich so für dich eingesetzt? Ich habe nur dagestanden und zugesehen, ich war unfähig etwas zu machen. Ich hatte Angst. Es tut mir wirklich so Leid, ich wollte ja nicht, dass dir jemand weh tut! Ich wollte... ich wollte...“ Tränen fließen ihr über die Wangen.

„Ich habe ihn nicht in Schutz genommen, weil er schwul ist, Elena!“, rede ich eindringlich auf sie ein. „Ich habe ihm geholfen, weil er mein Freund ist!“

Elena schluckt und schnieft.

„Er ist auch dein Freund und du hättest ihm beistehen sollen. Du hättest mit jemandem reden können, genau wie Calvin es hätte tun sollen!“, stelle ich klar. „Es ist passiert und wir können es nicht mehr rückgängig machen.“

„Und jetzt?“, fragt Elena leise und wischt sich über die Wangen. Ich zucke mit den Schultern. „Es liegt an euch, was ihr machen wollt.“

Elena und Calvin sehen sich an. Ich sehe es ihnen an, dass es ihnen schwer fällt jetzt über ihren Schatten zu springen.

„Ich will nicht wieder das fünfte Rad am Wagen sein...“, meint Elena nach einer Weile. Calvin zieht die Schultern hoch, sieht zu mir und wieder zu ihr.

„Es liegt an dir, was du jetzt machen willst!“, meint er nach kurzem Bedenken.

Sie verschränkt ihre Arme vor der Brust und sieht auf den Asphalt. „Ich denke es ist besser, wenn wir getrennte Wege gehen.“

„Bist du dir sicher?“, frage ich sie.

Elena hebt ihren Kopf und nickt. „Ja, bin ich. Ich würde es nicht ertragen, den Jungen, den ich liebe turtelnd mit einem anderen Jungen zu sehen.“

Ich muss lächeln und sehe kurz zu Calvin.

„Aber... ich will nicht, dass wir so tun, als wären wir Fremde, denn das sind wir nicht!“, fügt Elena noch hinzu. Ich nicke und Calvin tut es mir gleich.

Elena wischt sich noch einmal über ihre Augen. „Wir sehen uns dann morgen in der Schule.“

Sie dreht sich um und geht, entfernt sich mit jedem Meter weiter von uns. Ich spüre wie Calvin nach meiner Hand greift und schiele zu ihm. Er sieht Elena hinterher und wendet keine Sekunde seinen Blick ab.

Was in ihm vorgeht?

Ich weiß es nicht.

Ich drücke seine Hand ziehe ihn in meine Arme. Ich spüre wie sein Körper in meiner Umarmung beginnt zu zittern und für einen Moment, einen kleinen Moment ist er wieder der kleine Junge von damals, den ich so liebgewonnen habe und nie mehr missen möchte.

Sieben Jahre sind eine lange Zeit, aber noch einmal lasse ich seine Hand nicht los.

Ich lasse ihn nicht mehr zurück.

Nie wieder!

I belong to you.

Heute ist es soweit. Calvin und ich haben beschlossen uns vor seinen Eltern zu outen. Meine haben es bereits hinter sich und wie ich es mir schon gedacht habe, haben sie es erstaunlich gut aufgenommen. Sie sind da eben lockerer und stehen voll und ganz hinter mir. Im Gegensatz zu Calvins Eltern. Das wird noch ein Problem, denn sie denken schon seit jeher, dass ich ein schlechter Umgang für ihren Sohn bin.

Ich laufe durch die Gänge und bin mit Calvin draußen vor dem Schultor verabredet. Vorher habe ich allerdings noch etwas zu erledigen.

Ich gehe mit großen Schritten zu meiner Klasse und habe Glück, denn sie sind noch da. Zielstrebig gehe ich auf den Jungen zu. Seine Muskeln sind schon ein wenig einschüchternd, aber ich habe nicht vor mich davon beirren zu lassen.

„Ich will, dass du dich von meinem Freund fernhälst! Ach ja und nur weil deine Freundin es nicht erträgt, dass er sie nicht für attraktiv hält, weil Calvin nun mal auf Männer steht, gibt dir das noch lange nicht das Recht, ihn zu demütigen! Schon gar nicht mit all deinen Freunden zusammen! Das hat er nicht verdient und das weißt du genauso gut wie ich!“, meckere ich ihn direkt an und kann ihm die Verwirrung, welche ihm ins Gesicht geschrieben steht, nur allzu gut ansehen. Umso besser! Dann hat er mal etwas zum Nachdenken, das tut diesem hohlköpfigem Grobian bestimmt mal ganz gut, wenn er seinen Denkapparat nutzt.

Ich für meinen Teil mache mich schleunigst wieder aus dem Staub. Eine Streiterei habe ich nämlich nicht im Sinn. Ich kann nur hoffen, dass er es sich mal durch den Kopf gehen lässt, ansonsten hat er wohl demnächst ein weiteres Opfer das er terrorisieren kann. Nur hat er da einen hartnäckigen Gegner mit mir. Dann hat er nichts mehr zu lachen!

Ich gehe den Flur in der Schule entlang und begegne auf halber Strecke Alea. „Hey, wie geht’s? Du scheinst es ja eilig zu haben?“, fragt sie mich. Ich grinse. „Ich treffe mich mit Calvin!“ Sie nickt und lächelt wissend. „Viel Spaß!“

Na, ob wir den haben werden bleibt fragwürdig.

Ich erreiche die Glastür, die auf den Schulhof führt und halte inne. Ich sehe wie Calvin mit Elena spricht. Ich warte bis die beiden fertig sind und Elena das Schulgelände verlässt, erst dann öffne ich die Tür und gehe zu Calvin. Er sieht zu mir, als er meine Schritte auf dem Asphalt vernimmt.

„Alles okay? Was wollte Elena?“, frage ich ihn neugierig.

Calvin schürzt die Lippen. „Sie hat sich noch einmal bei mir entschuldigt. Ich wollte noch mal mit ihr reden, nur wir zwei, aber sie möchte nicht. Sie denkt, es gibt nichts mehr zu bereden... Sie hat uns viel Glück für heute gewünscht.“

„Woher weiß sie das wir uns outen wollen?“, frage ich Calvin. „Weil ich es ihr erzählt habe.“, erwidert er schulterzuckend.

Ich lächele, ergreife seine linke Hand und verschränke unsere Finger miteinander. „Lass uns gehen!“

Wir laufen langsam zu Calvins Elternhaus, zögern so noch etwas Zeit heraus. Ich merke wie aufgeregt Calvin ist. Er hat schwitzige Hände und wirkt nervös auf mich. Er sieht zu mir und versucht sich an einem Lächeln, was ihm jedoch misslingt.

„Sie werden es nicht gut aufnehmen, nicht wahr?“, fragt er mich. Leider hat er Recht damit. Wieso sollen sie das auch tun? Sie haben mich noch nie leiden können, wieso also sollen sie mich jetzt auf einmal akzeptieren?

„Wir schaffen das schon! Auseinanderbringen können sie uns auf jeden Fall nicht mehr!“, meine ich lächelnd und sehe ihn aufmunternd an. „Sie sollen ja auch nur wissen, dass du schwul und mit mir zusammen bist. Wenn sie das nicht akzeptieren können, ist das nicht unser Problem!“

„Doch ist es, denn wenn sie mich rauswerfen, dann weiß ich nicht wohin ich gehen soll.“ Calvin sah mich anklagend an.

„Dann wohnst du eben bei mir. Ich bin bald volljährig und sobald ich in der Ausbildung bin, suchen wir uns eine Wohnung!“, schlage ich vor.

Calvin lächelt zaghaft. „Bist du etwa schon am Pläne schmieden?“, fragt er mich. Ich zucke mit den Schultern. „Wieso nicht? Oder willst du mich wieder loswerden?“, erwidere ich belustigt. Calvin schüttelt den Kopf. „Auf keinen Fall!“

Er bleibt stehen und umarmt mich. „Ich bin endlich mit dir zusammen, wieso sollte ich dich da loswerden wollen?“, fragt er mich und drückt sich fest an mich. Ich erwidere seine Umarmung und kann mir ein breites Grinsen einfach nicht verkneifen.

Ich drücke ihn sanft von mir und schiebe ihn vor mir her. „Was wird das?“, fragt Calvin mich lachend. „Na ja, irgendwann müssen wir ja mal ankommen und es hinter uns bringen!“, erkläre ich und spüre einen leichten Widerstand. „Keine Sorge, ich bin ja bei dir.“

„Du wirkst viel zu gut gelaunt, hast du noch etwas im Sinn?“, will Calvin wissen und dreht seinen Kopf zu mir nach hinten.

„Ich hatte nur vor dein Zimmer einzuweihen.“ Calvin dreht sich um und hängt sich mit seinem vollen Gewicht an mich. Er nimmt mich in den Schwitzkasten und presst meinen Kopf gegen seinen Oberkörper. „War ja klar, dass du nur an Sex denkst! Falls du es vergessen hast, diesmal bin ich dran! Und ich wette, wenn meine Eltern im Haus sind, kriegst du ihn eh nicht hoch!“, meint er frech und lässt mich dann wieder los. Ich reibe mir den Hals und sehe zu ihm. „Klar komme ich nicht zum Schuß, wenn du mich schon vorher umbringst!“, erkläre ich amüsiert. Es gefällt mir, dass er langsam lockerer wird. Das kann er gleich gut gebrauchen. Seine Eltern werden uns noch genug Probleme bereiten, so konservativ wie sie sind.

„Lass dich zur Frau umoperieren, ich wette dann haben deine Eltern auch keine Probleme mit uns beiden als Paar!“, schlage ich grinsend vor.

Calvin rümpft die Nase. „Mach du das doch!“

Vehement schüttele ich mit dem Kopf. „Nie und nimmer!“

Lachend gehen wir den Weg zu seinem Haus und als es endlich in Sicht kommt, sind wir beide mehr als angespannt. Wir sehen uns an und gehen zur Haustür.

„Bist du sicher, dass sie auch beide da sind?“, frage ich Calvin nervös. Er nickt. „Sie haben sich heute beide früher frei genommen, als ich ihnen gesagt habe, dass ich etwas Wichtiges mit ihnen besprechen muss.“

Wow! So etwas würden meine Eltern niemals machen. Wir haben es ihnen einfach beim gemeinsamen Abendessen vor dem Fernseher erzählt und damit ist das Thema auch schon vorbei gewesen.

Ich bin schon mächtig gespannt, auf die Reaktionen von Calvins Eltern. Hoffentlich rasten sie nicht so heftig aus. Ich weiß gar nicht, was ich sonst machen soll?

Calvin schließt die Tür mit seinem Hausschlüssel auf und sieht mich noch einmal kurz an, ehe er sich umdreht und das Haus vor mir betritt. Ich folge ihm und sehe mich um. Es ist so furchtbar still in der Wohnung. Sind seine Eltern wirklich schon da?

Calvin und ich entledigen uns unserer Schuhe und Jacken und gehen den Flur entlang, ins Wohnzimmer. Ich bin schon lange nicht mehr hier drin gewesen. Es wirkt als wäre die Wohnung mit viel Liebe zum Detail eingerichtet.

Links vom Eingang befindet sich die Essecke, welche komplett in weiß gehalten ist. Direkt vor uns befinden sich die Sofas, Sessel und ein Glastisch, davor ein großer Flachbildschirm von dem man nur träumen kann. Würde mich nicht wundern, wenn die Jankes ihren eigenen Kinosaal hätten.

Rechts vom Eingang bemerke ich noch einen Sekretär, sehr stilvoll und scheinbar der Arbeitsplatz von Calvins Vater. Er ist bekannt dafür, dass er noch nach der Arbeit zuhause weiter macht. Ein richtiger Workaholic eben.

Leider sind beide Eltern da. Ich fühle, wie mein Körper sich leicht anspannt und ein unwohles Gefühl in mir aufsteigt. Ich habe keine Ahnung, wie wir es angehen sollen, vielleicht einfach raus damit und abwarten was uns erwarten wird?

Das wird wohl die beste Lösung sein.

„Da seid ihr ja endlich! Habt ihr etwa herum getrödelt?“, wirft uns Frau Janke vor. Sie sieht uns ernst an und irgendwie habe ich ja gedacht, dass wir das Gespräch anfangen. Tja, zu früh gefreut. Calvin sieht auch nicht sehr erfreut aus.

Dürfen wir uns jetzt etwa eine Predigt anhören?

Frau Janke sieht uns aufmerksam an, ihre Hände im Schoß übereinandergelegt und einen ernsten Blick, der keinen Widerspruch duldet. Ihr Mann ist da ein wenig lockerer, wirkt allerdings auch ziemlich angespannt. Ob der Gute schon weiß, dass sein Sohnemann auf Männer steht?

„Ihr habt uns etwas zu erzählen. Worum geht es?“, fragt Frau Janke uns und ich sehe ihr an, dass sie genau weiß worum es geht. Warum nur, werde ich das Gefühl nicht los mich in einem Verhör zu befinden?

Calvin setzt sich auf einen der Sessel und ich setze mich dreist auf die Lehne, auch wenn ich weiß, dass Frau Janke so etwas noch nie leiden konnte. Sie legt eben großen Wert auf Manieren, die ich laut ihrer Meinung ja sowieso nicht habe.

„Ich bin schwul!“, fällt Calvin mit der Tür ins Haus und sieht seine Eltern erwartungsvoll an.

„Na toll!“, ist das einzige was wir von seinem Vater zu hören bekommen, außer einem Seufzen. Frau Janke sieht uns an, als wäre sie zu einer Salzsäule erstarrt. „Wie bitte?!“

„Ich bin schwul, ich stehe auf Männer. Ich bin homosexuell, Mutter!“, meint Calvin nun etwas genervter.

„Das bildest du dir nur ein! Hat dir dieser Oliver schon wieder irgendwelche Flausen in den Kopf gesetzt?“, wirft sie ihm und auch mir vor.

Calvins Hände krampfen sich zusammen und ich lege ihm beruhigend meine Hand auf die Schulter, sehr zum Missfallen von Frau Janke, die das sehr wohl bemerkt hat.

Calvin holt tief Luft. „Oliver hat damit nichts zu tun! Ich stehe schon seit längerem auf Männer, Mutter. Ich habe mich in Oliver verliebt und als er dann weggezogen ist, habe ich erst richtig gemerkt, was er mir bedeutet hat. Ich habe versucht über ihn hinweg zu kommen, aber es ist mir nicht gelungen. Er ist wieder hier, Mutter! Ich brauche ihn und du kannst es mir nicht verbieten mit Oliver zusammen zu sein!“, erklärt er und sieht sie trotzdem mit einem leichten Flehen in den Augen an.

„Bist du dir wirklich sicher?“, fragt Herr Janke ihn. Calvin sieht ihn fest an und nickt. Herr Janke lehnt sich im Sofa zurück. „Dann gibt es wohl keine Enkelkinder, was?“

Calvin schüttelt den Kopf. „Homosexuelle können heutzutage auch Kinder adoptieren, aber ich denke wir sind noch nicht in dem Stadium uns darüber Gedanken zu machen, Vater!“

Herr Janke nickt. „Solange ihr die Schule nicht vernachlässigt ist es mir gleich. Ich habe damit kein Problem, aber ihr müsst damit rechnen, dass nicht jeder erfreut darüber sein wird.“

„Schatz!“, wirft Frau Janke entgeistert ein und sieht ihn an. „Was sollen wir denn machen? Die Jungs haben es sich so in den Kopf gesetzt und wenn es so ist, sollten wir sie auch unterstützen!“, meint ihr Mann und zuckt mit den Schultern. „Klar, ich habe mir auch immer eine Frau an seiner Seite gewünscht, aber Oliver hat gute Noten und wenn er mal einen sicheren Job hat und Calvin ebenso, sehe ich keinen Grund, was es dagegen einzusetzen gibt.“

„Für dich zählt doch nur die Arbeit!“, murrt Frau Janke und sieht ihn bitterböse an.

„Wenn sie etwas aus sich machen, kann es mir egal sein, ob sie lieber mit Männern oder Frauen verkehren!“, erwidert Herr Janke. Seine Frau schürzt die Lippen und sieht aus dem Fenster. Scheinbar hat sie mehr Unterstützung von ihrem Mann erwartet.

„Du hast es doch gewusst, Mutter! Du hast mich und Oliver erwischt, wieso also willst du es nicht wahr haben?“, fragt Calvin und beugt sich leicht vor.

„Das ist nicht normal! Ich finde das nicht gut!“, meint Frau Janke und schüttelt den Kopf.

„Ich weiß, dass es nicht leicht für dich ist, es zu akzeptieren, aber bitte versuch mich doch zu verstehen! Ich liebe Oliver! Dieses Gefühl, was ich habe, ist nicht großartig anders, wie bei einem Jungen der etwas für ein Mädchen empfindet. Ich weiß, dass du es missbilligst, dass ich mit einem Mann schlafe, aber in meinen Augen ist es das Richtige!“, versucht Calvin ihr zu erklären. „Ich kann deine Scham und deine Angst verstehen. Die Zeiten ändern sich und du kannst es nicht aufhalten. Schon damals in der Antike haben Männer miteinander Sex gehabt. Es war völlig normal für sie, wieso also machen es uns die Leute heutzutage so schwer, wenn es sie damals kaum gestört hat? Ich bin doch noch derselbe und immer noch dein Sohn! Ich habe mich dadurch nicht verändert, Mutter!“

Frau Janke erwidert nichts und sieht ihn stumm an. Ihre Lippen zittern, ihre Hände krampfen sich zusammen und man sieht ihr an, dass sie fieberhaft nach einem passendem Einwand sucht. „Schatz, sie sind doch sowieso bald volljährig, da können wir ihnen keine Vorschriften mehr machen. Sei doch froh, dass er jetzt noch zu uns kommt und sich uns anvertraut. Denkst du nicht, er musste sich dafür überwinden und all seinen Mut zusammen nehmen?“, meint Herr Janke gutmütig und greift nach den Händen seiner Frau.

Frau Janke steht auf und schüttelt die Hand ihres Mannes ab, sie geht aus dem Raum und wir sehen ihr enttäuscht hinterher.

„Sie braucht wohl noch etwas Zeit, um sich mit dem Gedanken anzufreunden.“, versucht Herr Janke die Situation noch zu retten. Calvin sieht ihn deprimiert an. „Sie ist enttäuscht von mir...“

„Sie kriegt sich schon wieder ein. Warte ab! Lass ihr ein wenig Zeit, damit sie es sacken lassen kann und irgendwann wird sie es akeptieren. Vielleicht nicht heute, auch nicht morgen, aber sie wird es irgendwann hinnehmen. Gib ihr Zeit!“

Calvin nickt und lässt den Kopf hängen. Ich sehe ihn an und lehne meinen Kopf gegen seine Schulter. Eine deprimierte Stimmung legt sich über das Wohzimmer und keiner von uns ist in der Lage auch nur ein Wort zu sagen.

„Ich werde mal nach ihr sehen.“ Herr Janke steht auf und geht zu seiner Frau, lässt uns im Wohnzimmer zurück.

Ich greife nach Calvins Hand und verschränke unsere Finger miteinander. „Ich bin stolz auf dich, du hast es geschafft und deine Mutter wird es auch noch tolerieren, dass wir zusammen sind. Sie ist stur und uneinsichtig, aber ich denke sie wird es schon noch kapieren, dass sie uns nicht so einfach trennen kann!“, erkläre ich ihm leise.

Calvin nickt. „Ich habe mir irgendwie mehr davon erhofft. Okay, ich kann verstehen, dass es sie nicht erfreut, aber das eben war wie ein Schlag ins Gesicht, als sie einfach gegangen ist. Wenn sie wenigstens geschrien hätte oder so, aber sie ist einfach weggegangen ohne mir ihre Meinung zu sagen...“

Ich schlinge meinen freien Arm um Calvins Bauch und drücke ihn an mich. „Wir können von Glück reden, dass es nur deine Mutter ist. Es hätte schlimmer kommen können und beide wären dagegen oder meine Eltern. Dann hätten wir ein viel größeres Problem.“

Calvin schüttelt den Kopf und seufzt. „Wie soll ich das machen? Wir leben unter einem Dach. Ich werde ihr tagtäglich begegnen und sie wird mir nicht mehr ins Gesicht sehen können. Ich würde das einfach nicht ertragen!“, meint er und seufzt erneut.

„Komm, lass uns in dein Zimmer gehen!“, schlage ich vor und stehe auf, ich ziehe ihn hinter mir her aus dem Wohnzimmer und führe ihn zu seinem Zimmer. Ich öffne die Tür und lasse ihn als erstes eintreten. Ich folge ihm und schließe die Tür hinter mir. Calvin wirft sich auf sein Bett und so geselle ich mich zu ihm. Ich schmiege mich an ihn und sehe ihm in die Augen.

„Weißt du eigentlich wie viel Glück wir haben? Du bist die ganze Zeit in mich verliebt gewesen und dann komme ich zurück. Ich habe mich sofort in dich verliebt und du erwiderst es. Das passiert nicht vielen.“, stelle ich fest.

Calvin lächelt leicht. „Ja, wir haben unverschämtes Glück.“

„Vielleicht bleibt uns das Glück ja auch bei deiner Mutter hold und sie nimmt es hin, wie es ist? Hoffen kann man doch, meinst du nicht?“, frage ich ihn. Calvin zuckt mit den Schultern.

„Ich bin nur froh, dass du zu mir stehst. Es wäre schlimm, wenn ich alleine dastehen müsste.“

Ich lächele leicht und streiche ihm über die Haare. Calvin rückt näher zu mir und legt seinen Arm um mich, sein Kopf lehnt an meinem Hals und ich kann seinen warmen Atem spüren. Seine Hand streicht langsam über meinen Rücken, kreisende Bewegungen, welche mir leichte Schauer über den Körper jagen.

Calvin liegt still neben mir und scheint in Gedanken weit weg zu sein. Ich weiß nicht, was ich tun kann um ihm zu helfen, mir bleibt nichts anderes übrig, als bei ihm zu sein und zu hoffen, dass die Situation nicht noch eskaliert. Wobei, was sollte jetzt noch schief gehen? Kann es wirklich noch schlimmer kommen?

„Calvin... Ich habe mit dem Jungen geredet, der dich in der Schule immer so fertig macht.“

Calvin sieht mich entgeistert an. „Wieso? Warum machst du das? Der macht mich jetzt erst recht fertig!“ Calvin setzt sich im Bett auf und sieht fassungslos auf mich herunter.

„Wird er nicht! Weil du jetzt mich an deiner Seite hast und wir auch noch zu den Lehrern gehen werden! Das muss endlich ein Ende haben!“, meine ich bestimmend. Calvin sieht mich zweifelnd an.

„Wie kannst du dir nur immer so sicher sein?“, fragt er mich leise, zweifelnd.

„Das liegt halt in meiner Natur!“, erwidere ich unbekümmert. Calvin schenkt mir ein leichtes Lächeln.

Er beugt sich zu mir herunter und küsst mich kurz, ehe er seine Stirn an meine lehnt und seine Augen schließt. „Ich hoffe nur, dass meine Pechsträhne irgendwann mal ein Ende nimmt...“

„Jetzt bin ich ja wieder da und passe auf dich auf, da kann es ja nur noch bergauf gehen!“

„Na, du bist ja ziemlich von dir überzeugt.“ Calvin sieht mich verächtlich an. Ich zucke mit den Schultern. „So bin ich eben.“

Calvin hebt seine Hand und streicht mir langsam durch die Haare. „Ich bin froh, dass es jetzt endlich raus ist. Ich habe das schon so lange mit mir herumtragen müssen. Es ist ein Wunder, dass es nicht schon aus der Schule zu meinen Eltern durchgesickert ist, dass ich schwul bin. Ich meine, sie kriegen doch immer alles mit, was um mich herum passiert, nur diesmal scheinbar nicht.“

Ich grinse. „Ist doch gut. Jetzt konntest du sie wenigstens mal überraschen!“

Calvin lacht und legt sich wieder zu mir. Er umarmt mich und zieht meinen Körper enger an seinen.

„Dir ist klar, dass wir hier nicht alleine sind?“, frage ich ihn schelmisch. Calvin seufzt genervt. „Wehe dir, wenn du es darauf ankommen lässt!“, droht er mir. „Es reicht mir schon, dass meine Mutter uns beim Fummeln erwischt hat, wenn sie uns beim Sex sieht, ist sie reif für die Klapse!“

Ich muss laut lachen und verstecke mein Gesicht in Calvins Kissen, welches mein Lachen etwas abdämpft. Er sieht amüsiert zu mir und gibt mir einen Klaps auf den Hintern. Ich drehe meinen Kopf zu ihm herum und sehe in sein Gesicht.

„Wofür war das?“, frage ich ihn grinsend. „Legst du es darauf an?“

„Nö, aber mir war mal danach.“ Clavin streckt mir die Zunge heraus. „So? Soll ich meine Hose ausziehen? Dann kannst du weiter machen.“, meine ich grinsend und zupfe leicht an meinem Hosenbund. „Nö! Wenn du es unbedingt nötig hast, machen wir es bei dir, damit deine Eltern uns diesmal erwischen dürfen.“ Calvin lässt es sich jedoch nicht nehmen, mir noch einen Klaps auf den Hintern zu geben.

„Du hast einen komischen Geschmack!“, stelle ich lachend fest. Calvin zuckt mit den Schultern und greift nach meiner Hand, zieht sie von meiner Hose weg und fährt mit seinen Fingern meine Handinnenflächen entlang. Es kitzelt ein wenig und ich versuche ihm meine Hand zu entreißen, was er jedoch nicht zulässt und mit stattdessen einen Kuss gibt. Ich sehe ihm dabei zu und ziehe Calvin zu mir, um seinen Mund in Beschlag zu nehmen und mich auf ihn zu setzen. Wir küssen uns und fahren mit unseren Händen unsere Körper entlang, erkunden sie als würden wir es zum ersten Mal tun und können kaum voneinander ablassen.

Trotzdem unterbricht Calvin nach einiger Zeit und legt sich einfach auf mich drauf. Dass ich ein wenig ramponiert aussehe, scheint ihn nicht zu stören. Mein Bauch liegt frei, meine Hose hängt nicht mehr an der richtigen Stelle und meine Haare sehen aus als hätte ich einen Stromschlag erlitten.

„Oli?“, fragt Calvin mich nach einiger Zeit. Ich sehe zu ihm und versuche einen Blick in sein Gesicht zu erhaschen, aber seine schwarzen Haare verhindern mir die Sicht.

„Was ist?“, frage ich ihn also. Calvin hebt den Kopf und scheint nachzudenken. „Na ja, in ein paar Monaten sind ja wieder Ferien. Ich habe mir überlegt, dass wir dann einen Trip machen könnten?“

Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe und sehe ihn erstaunt an. „Klar! Warum nicht? Und wohin?“, frage ich ihn. Ein Urlaub mit Calvin wäre gar nicht mal so übel, wenn ich es mir recht überlege.

„Amerika.“

Ich muss grinsen und sehe ihn an. „Was willst du denn in Amerika?“, frage ich und erhalte einen genervten Blick von Calvin. Er fährt sich mit der Hand über seinen Nacken und weicht meinem Blick aus. „Ich wollte nur mal wissen, wo du aufgewachsen bist und wo du gelebt hast...“

Ich lächele und wuschele ihm durch seine Haare. „Wäre toll, wenn wir das machen würden!“

Es freut mich, dass er Interesse zeigt und ich kann nicht umhin, ihn fest an mich zu drücken. „Das machen wir auf jeden Fall und dann zeige ich dir alles!“ In Gedanken schmiede ich schon wie wild Pläne, wo wir überall hingehen können und freue mich innerlich schon sehnsüchtig auf den Urlaub mit ihm.

„Ich hoffe, bis dahin hat sich deine Mutter wieder eingekriegt!“, überlege ich. Calvin verzieht sein Gesicht. „Was meinst du damit?“, fragt er mich argwöhnisch.

„Wir könnten ja mal nach Vegas rüber fahren und da heiraten.“

Calvin sieht mich verblüfft an und ich muss laut loslachen. Sein Anblick ist aber auch zu herrlich!

Ich beuge mich vor, greife mit beiden Händen nach seinem Gesicht und ziehe Calvin zu mir. Ich küsse ihn leidenschaftlich und stelle zufrieden fest, dass er den Kuss erwidert.

Wie heißt es so schön?

Manchmal ist Heimat eben doch nur bei der Person zu finden, die man am meisten braucht.

And you should know that.

„Wie können sie das einfach so machen?“, frage ich Calvin. Er zuckt mit den Schultern und sieht einfach nur starr auf das Fabrikgelände.

Große Bagger und Krähne stehen auf dem Platz und machen alles zunichte. Das riesige Gebäude ist nur noch ein Haufen Schrott. Nichts davon erinnert mehr an die Fabrik, die hier mal ihre Pforten für hunderte von Mitarbeitern geöffnet hatte.

Unser Schuppen steht nicht mehr. Er wurde dem Erdboden gleich gemacht.

„Was glaubst du, werden sie jetzt hier bauen?“, frage ich Calvin und erhalte erneut keine Antwort. Ich kralle mich mit meiner rechten Hand in den Maschendrahtzaun und blicke durch ihn hindurch.

„Bestimmt kommt hier irgendetwas hin, was sowieso kein Mensch braucht!“, murre ich und sehe zu den Arbeitern, die geschäftig ihrer Arbeit nachgehen.

Für sie sind wir nur Passanten, unsere Erinnerungen an diesen Platz sind ihnen nichts wert.

„Oli... uns wird das nicht passieren. Wir bleiben zusammen. Uns bringt niemand auseinander!“

Ich sehe zu Calvin und sehe herunter auf meine linke Hand, welche er fest mit seiner Hand umgriffen hält.

Ich lächele milde und sehe ihn an. „Sorry...“

Calvin sieht mich fragend an. „Was?“

„Sorry, dass du sieben Jahre auf mich warten musstest...“



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Kommentare zu dieser Fanfic (23)
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Von:  Ryuuen
2015-04-29T19:43:01+00:00 29.04.2015 21:43
So sweet! Die Geschichte ist echt herzerweichend, auch das Ende finde ich unheimlich schön.:-)
Antwort von:  Shunya
29.04.2015 21:53
Ui, danke. =)
Freut mich sehr, dass es dir gefallen hat.^^
Von:  Teukie-Chan
2013-09-14T00:21:36+00:00 14.09.2013 02:21
Ach verdammt! Ich sollte schon seit 2 Stunden schlafen aber deine FF hat mich
nicht schlafen lassen :P
Das ist eine wirklich tolle Geschichte, wirklich.
Ich liebe sie ^^

lg
Von:  Mikuna
2012-11-14T21:40:52+00:00 14.11.2012 22:40
Ein toller Epilog zu einer super FF. x3 Ich habe die FF sehr gerne gelesen die Geschichte war wirklich toll. Und ich bin froh das Calvin und Oliver ihr Glück gefunden haben. *-*

Vielen Dank für diese tolle FF. ^.^

LG :))
Von:  Midnight
2012-11-14T20:55:16+00:00 14.11.2012 21:55
Ja aber das Warten hat sich doch gelohnt :D
Sie sind zusammen und nur das zählt <3
Von:  Mikuna
2012-11-12T01:10:37+00:00 12.11.2012 02:10
Wieder ein so tolles Kapitel, die Seiten waren wie im Flug gelesen. x33

Hach, ich freue mich so für Calvin und Oliver. >///< Das die beiden zueinander gefunden haben und so glücklich miteinander sind. *-*
Ich war auch sehr überrascht, dass Calvins Vater das Geständnis so locker aufgefasst hat, hoffe dass es die Mutter auch irgendwann akzeptiert. >.<

Freu mich schon auf den Epilog. *o*

Liebe Grüße x3

Von:  Midnight
2012-11-12T00:26:45+00:00 12.11.2012 01:26
Jaaa, das war wirklich ein schönes Ende. :3
Es ist doch gut, dass die Eltern von beiden jetzt bescheid wissen und sie ihre Liebe freier ausleben können.
Rumzoffen bringt ja auch nichts, nur schlechtes Wetter und schlechte Laune XD
Wenn seine Mutter das nichts akzeptiert wird sie ihn wohl oder übel irgendwann verlieren. Wenn man sein Kind liebt, nimmt man es so wie es ist, egal ob es auf Männer oder Frauen steht!


LG Middy
Von:  Mikuna
2012-11-05T22:51:39+00:00 05.11.2012 23:51
Am Schluss wären mir fast die Tränen gekommen. >///< Ich war richtig ergriffen auch freue ich mich riesig für Oliver und Calvin. x333

Ein weiteres soooo tolles Kapitel *o* ich freue mich schon auf das nächste. :)))

Ganz liebe Grüße x3
Von:  Midnight
2012-11-04T20:45:20+00:00 04.11.2012 21:45
:3
Ich finde es gut, dass sie sich ausgesprochen haben, aber ich bin auch ganz ergriffen von der Abschlussszene °_____° das hast du so gut beschrieben, ich habe mich richtig reingefühlt.
Toll, toll, toll! *___*


Ich freue mich aufs nächste Kapiii

LG Middy<3
Von:  Razalas
2012-11-04T14:16:34+00:00 04.11.2012 15:16
Whay @.@ Elena weg >:D Freie bahn.. kein hindernis mehr >:D... go oli go oli ! XD Wehe jemand stört die jetz noch in irgendeiner weise :OO *elena wegsperr* bleib weg q.q!!! und jeder andere auch ;OO muaha
Von:  Razalas
2012-10-29T19:46:17+00:00 29.10.2012 20:46
Ich schmachte nach dem neuem kapitel q.q


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