Bloodcage - Teil 1 - Blutmond von DemonhounD (Vampir-Roman) ================================================================================ Kapitel 10: Blutmond (Siren) Ganz so, als seien mir die Spielregeln der Verletzlichkeit abhanden gekommen --------------------------------------------------------------------------------------------------------- Ganz so, als seien mir die Spielregeln der Verletzlichkeit abhanden gekommen fühlte ich mich unstet. Ganz so, als sei ich nicht mehr der kaltblütige Jäger, der ich noch vor wenigen Wochen zu sein geglaubt hatte. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich in den vergangenen Monaten so fühlte. Es war nur das erste Mal, dass sich nicht alles nach meinem Willen fügte. Je mehr er sich meinem Zugriff zu entwinden suchte, umso mehr wollte ich ihn. Ich machte ihm keine Vorwürfe, immerhin lebten wir beide in einer Zeit, die solche Gefühle zweier gleichgeschlechtlicher Personen nicht tolerieren konnte. Es bedurfte einigen Feingefühls seine innere Mauer zu durchbrechen, das wusste ich so genau, wie ich den beschleunigten Herzschlag zu deuten wusste und die Art, wie er sanft seine Lippe mit der Zunge berührte, wenn wir uns gegenüber standen. Ich wusste was es bedeutete, wenn er sich verlegen mit einer Hand durch die Haare fuhr, sobald er zu lange meine Augen, meine Brust, oder meine Oberarme fixiert hatte und wenn sein Blick dann meinen Körper hinab gewandert war. Hätte ich ihn darauf angesprochen hätte er jedoch genau so sicher alles abzustreiten gewusst. Ich habe jede Nacht Frauen verführt und getötet. Eigentlich hätte ich besser wissen sollen, wie man einen Menschen umgarnt. Eigentlich hätte ich meine Fähigkeiten zu einer höheren Kunst erheben sollen, um ihn zu umwerben, doch in seiner Gegenwart zählte das kaum, da ich das Gefühl bekam über meine eigenen Füße und vor ihm auf die Knie zu fallen. Er war ein Beutetier der vollkommen anderen Art und das nicht nur deswegen, weil er ein Mann war. Ich habe nicht mehr auf mich geachtet. Ohne Blut, ohne seine Nähe, fühlte ich mich vollkommen hilflos und kaum im Stande einen anderen Gedanken zu fassen, als der, wie er schmecken könnte und wie gut sich seine rosenweiche Haut anfühlen würde, wenn sie sich an mich schmiegen würde. Es war noch deutlich zu früh ihm direkt zu sagen, dass ich ihn liebte und dann eine Antwort von ihm zu fordern.. Oft habe ich Menschen meine Liebe erklärt. Ich war überrascht, dass es mir nicht leichter fiel, schöne Worte zu finden, wenn es der Wahrheit entsprach. Ich dachte an seine schneeweiße Haut unter der das kostbare Blut vor wenigen Nächten nur noch in unsteten Zügen zirkulierte. Ein Teil von mir war zu jenem Zeitpunkt bereits so ungeduldig, dass sogar sein ausgezehrter Körper für mich wie eine Verheißung erschien. Mir kam schon damals der Gedanke ihn mit zu nehmen und zu meinem Diener zu machen, wohl wissend, dass er es nicht verstanden hätte und dass es ihn zerstört hätte. Statt ihn also zu töten, habe ich ihn geküsst, obwohl er es in seiner Ohnmacht wohl nicht spüren konnte. Ich konnte ihn unter keinen Umständen gehen lassen, denn wäre er gestorben, hätte ich dieses Gefühl verloren und es war das Einzige, was ich besaß, von dem ich glaubte, dass es keine Vergänglichkeit haben könnte. Als mein Diener mich schließlich im Rosengarten fand, kreisten meine Gedanken eigentlich nur noch um dieses eine Thema. „Mein Meister, Ihr müsst trinken.“, bemerkte Priest etwas ungeduldig und legte einen Arm um meine Schultern. Ich zuckte vor der unvermuteten Berührung zusammen und konnte mich nur mit Mühe beherrschen, doch er fuhr unbeirrt fort: „Ich habe den Wagen vorbereitet. Ich bringe Euch ins Bordell, oder überall hin, wohin Ihr wollt, nur tut mir den Gefallen und wählt einen Ort an dem es Blut für Euch gibt.“ „Priest, ich denke, ich bin in einen Menschen verliebt.“, flüsterte ich ohne ihn wirklich zu beachten und griff seine tröstende Hand ungeachtet der Tatsache, dass eben diese Hand mich nur wenige Tage zuvor angegriffen hatte. „Was für ein sinnloses Gefühl…“ Was für ein sinnloses Gefühl, dessen Luxus man einmal gekostet nicht mehr hergeben will. Aus der Miene meines Dieners sprach für den Bruchteil einer Sekunde Bestürzung, doch genau so schnell, gewann er seine Fassung zurück. Seine Obsidianaugen verrieten nicht das Geringste über seine wahren Gedanken. Lediglich der Druck auf meiner Schulter wurde etwas stärker, als ich ihm nur für einen Moment gestattete, mich zu trösten. Es ist der Blutdurst, der mich gefühlsbetonter macht und menschlicher. Dabei wäre es weitaus effizienter für eine Kreatur meiner Rasse, wenn ich stattdessen gefühlskälter würde. Blutdurst macht mich schwächer. Ich bin ein Dämon und die Geißel der Menschheit. Aber mehr noch als das, war ich wohl in all den Jahren ein Wesen, das sich seiner eigenen Bestimmung gebeugt hat und dabei verzweifelt auf Verständnis gehofft hat. Vielleicht bin ich dadurch wahnsinnig geworden, doch das kann ich nicht beurteilen, denn Wahn und messerscharfer Verstand liegen oft so dicht beieinander, dass man zwischen Beidem auch als Außenstehender sehr schlecht trennen kann. Ich war einst nicht anders, als der Mensch, in den ich mich verliebt hatte. Ich war voller unsicherer Gefühle und voller Güte. Ich hatte einst eine Familie und Freunde, die zu Staub zerfallen sind, während ich mein Schicksal und die damit verbundene Unsterblichkeit hingenommen habe. Ich wurde einzig als Soldat für einen Krieg geschaffen, der unsere Rasse fast vollständig vernichtet hat. Ich frage mich bis heute, warum es mein Vergehen und mein Verrat an der Brut gewesen sein soll, dass ich diese Bestimmung erfüllt habe. Als Vampir kann man heute jahrelang unterwegs sein, ohne auch nur einen Einzigen seiner Art zu treffen. Umso überraschter war ich, gerade in dieser Stadt einen zu finden, dessen Schwäche für menschliche Frauen oft auch über den Blutdurst hinausging. Ich verachtete ihn für das Menschenweib an seiner Seite und das Glück, das er ausstrahlte. Dennoch betrat ich die Stadt zunächst nicht als Feind, sondern ganz offen, durch den Haupteingang, seines Hauses. Ich hatte meinen Priester zurück gelassen. Es war wohl nichts als Naivität anzunehmen, ich wäre hier willkommen und sei es auch nur für ein paar Nächte. „Ich kenne Euch!“, begrüßte mich der schlanke, dunkelhaarige Lord mit dem klingenden Namen Rydian, während seine Frau so nah in einem der angrenzenden Zimmer war, dass ihr Blutgeruch all meine dunklen Begierden wach rief. „Verräter und Abtrünnige wie Ihr sind hier nicht geduldet. Zieht weiter! Es gibt genug Städte für solche wie Euch.“ Klare Worte wie diese verlangen immerhin eine deutliche Antwort. Hatte er erwartet, dass ich ihn anbetteln würde? Die Zeiten meiner Sklaverei sind lange vorbei und es war an ihm zu erkennen, dass es so war, damit er allen Teufeln, Dämonen und Engeln der Hölle davon berichten konnte. Der Kampf war unbefriedigend schnell vorbei. Warum hätte er sich auch auf mein Kommen vorbereiten sollen, wo er doch zu den nobleren Vampiren gehören wollte, die Politik mit Stärke verwechseln? Ich selbst weiß immer noch, dass ich grausam sterben muss. Diese Weisung der Alten fällt langsam der Unendlichkeit zum Opfer, wie alles an uns. Doch ich werde niemals vergessen, was es heißt niemals zu Altern Es bedeutet, dass man niemals an Krankheit, oder Schwäche sterben darf, sondern nur durch die Hand eines Feindes. Deswegen halte ich mich aus den Angelegenheiten der Menschen fern und vergesse auch nicht, dass meine Krallen Waffen sind und ein versteckter Dolch in der Kleidung noch weitaus effizienter funktioniert. Das zumindest musste auch Rydian einsehen, als mein Messer in sekundenschnelle an seine Kehle fuhr. „Welch Verschwendung an Blut und Leben wird dies sein, Rydian.“, sprach ich ihn mit vor Wut bebender Stimme an. „Das hier hätte nicht so enden müssen, doch ihr hättet meine Ehre nicht in den Schmutz zu ziehen dürfen.“ Trotz der Waffe an seinem Hals lachte er hohl. „Und welche Ehre soll das sein, Siren? Welche Ehre könnte ein Mörder wie Ihr schon für sich beanspruchen.“ Mit einer Hand griff ich so fest in seinen Nacken, dass es weh getan haben musste. Er stöhnte gequält auf, während ich antwortete: „Die Ehre, die Ihr fortgeworfen habt, als Ihr Euch mit dieser Menschenfrau gepaart habt, wie der Schlachter es im Stall mit den Schweinen tut.“ Ein leises, verzweifeltes Lachen war die Antwort. „Ihr habt mich noch immer nicht getötet. Was wollt Ihr noch?“ „Ich brauche die Besitzurkunde für dieses Haus und Eure Unterschrift, dass es mein ist.“, erklärte ich. „Was für ein dreistes Verlangen!“, zischte Rydian. „Und was bietet Ihr mir dafür?“ Ich sog die Luft ein, als würde ich wittern und schmiegte mein Gesicht fast an sein Ohr, bevor ich ihm leise zuflüsterte: „Das Leben Eurer Tochter, so sie tatsächlich von Eurem Fleisch ist, was ich sehr bezweifle.“ Er seuftzte. „Und mein Leben? Steht es zum Verkauf?“ „Das habt Ihr verwirkt, als Ihr es vorgezogen habt mich zu beleidigen, statt meine Hand in Freundschaft zu ergreifen.“, war meine Antwort. „Magdalena?“, kam die kraftlose Antwort. „Wenn das der Name des nichtsnutzigen Weibes in Eurem Bett ist, dann wird sie sicherlich mit Freunden Eurem Schicksal folgen.“, versetzte ich. Es gab für mich eigentlich nicht viel zu verhandeln. Hätte er nicht eingewilligt, so wäre es mir bestenfalls gleichgültig gewesen. Er seufzte. „Ich werde Tinte und Feder benötigen.“, erklärte er. „In meinem Arbeitszimmer finden wir beides – und auch die Urkunde.“ Ich nahm das Messer vorsichtig von seinem Hals und folgte ihm die Treppe hinauf durch den Gang und in die Bibliothek. An einem großen Ebenholzschreibtisch machte er Halt und sah mich kurz mit einem fast unsicheren Ausdruck an. „Setzt Euch. Das wird eine Weile dauern.“, sagte er bevor er ein Tintenfass und eine stählerne Schreibfeder ergriff und hastig einige Worte auf einen Bogen Briefpapier schrieb. „Ich werde auch Eure Unterschrift benötigen.“, sagte er nach einer ganzen Weile fast gleichgültig, „Kommt her!“ Ich stand auf und besah das Papier neben ihm stehend. Alles schien soweit seine Richtigkeit zu haben. Er gab mir die Feder und schien gedankenverloren nach etwas zu suchen. „Die Besitzurkunde ist hier.“, sagte er während er eine Schublade öffnete und ich nur aus den Augenwinkeln sah, wie etwas Kleines, Silbernes in seine Handfläche glitt. „Ihr spracht von Ehre, Siren.“, flüsterte er. „Im Gegensatz zu Euch weiß ich immerhin noch wie es ist, sich als Mensch zu fühlen.“ „Das ist Euer Fehler.“, antwortete ich lauernd. „Denn mit den vielen Jahren bin ich deutlich versierter darin Menschen umzubringen, als ich es mit Vampiren je sein könnte.“ Beinahe bevor ich selbst begriffen hatte, wie ich reagieren musste, hatte ich die Spitze der Schreibfeder tief in seinen Hals gerammt. Der Brieföffner glitt aus seiner Hand und fiel scheppernd auf den Boden. Hätte er nicht gezögert zuzustoßen hätte er vielleicht eine Chance gehabt. Ich riss die Feder herum. Die Wunde, die diese Bewegung der Länge nach in seinem Fleisch hinterließ, war rissig und tief. Sie war es auch, die ihn innerhalb kürzester Zeit vor mir auf die Knie fallen ließ. Wie ich ihn jedoch letztendlich getötet habe ist leider etwas langwieriger und vollkommen unerheblich. Warum sollte ich damit prahlen einen Angehörigen meines sterbenden Volkes umgebracht zu haben? Warum sollte ich die Antwort auf die Frage nach dem „wie“ in alle Welt hinaus schreien? Man kann uns töten, ja! Das ist tragisch genug. Nach vollbrachter Tat allerdings wandte ich mich seiner Frau zu. Sie war nicht sonderlich schön in meinen Augen, doch ihre strenge Haltung verlieh ihr die Würde einer Königin, was durch einen prunkvollen Weinbecher in ihrer Hand noch verstärkt wurde, als sei sie das Gemälde einer Aristokratin in Öl. Magdalena Celest. - Sie musste Jahre an der Seite des Lords gelebt haben und diese Zeit hatte einige tiefe Falten um ihre Augen gemalt. Mir war klar, dass sie sehr viel mehr über mich wusste, als jeder Mensch, dem ich zuvor gegenüber stand. Sie wusste was ich war, hatte sie es doch nächtelang an Rydian zu erforschen gewusst. Sie versuchte nicht einmal sich zu wehren, als ich ohne Eile und ohne Worte auf sie zu ging. Es war beinahe so etwas wie Einverständnis in ihrer Haltung und so bewegte sie sich nicht, als ich ihren Kopf leicht anhob und meine blutigen Hände über die dünne Haut bewegte, die die Trennlinie zwischen Leben und Tod darstellt. Ihr Atem war ruhig. Ihr Puls seltsam unbewegt von meinen Berührungen. „Ihr wisst, wer ich bin, Frau? Was ich bin? Was ich mit Eurem Gatten getan habe?“, flüsterte ich. Es war mehr Feststellung als Frage, als ich mich langsam zu ihrem Hals herab beugte und sie noch immer keinerlei Reaktion von sich gab. Ihr Puls wurde wenn überhaupt nur noch entspannter. „Ich werde bald bei ihm sein.“, flüsterte sie mit belegter Stimme und der goldene Pokal fiel ihr aus den kraftlosen Händen und rollte scheppernd und eine dünne Weinlache hinter sich lassend über den weißen Marmorfußboden. Erst in diesem Moment erkannte ich das Gift, das in ihrem Körper mit jedem Herzschlag an Kraft gewann und in meiner Güte gewährte ich ihr dieses friedliche Ableben, bevor ich mich der im oberen Geschoss schlafenden Tochter zuwandte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)