Requiem von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Flügellahm. ---------------------- Mit schnellen Schritten durchmaß Raphael die sonnendurchflutete Eingangshalle der Zuflucht. Vor wenigen Stunden hatte ihn die Nachricht von Aodhans Rückkehr erreicht und der Erzengel von New York war unverzüglich aufgebrochen. Keir, der Mediziner der Engel, erwartete ihn bereits am Zugang zu den Krankenlagern. Unter seinen erstaunlichen Augen lag ein leichter Schatten und die haselnussbraunen Haare lagen ungeordnet um das scheinbar zeitlos schöne Gesicht. „Wie geht es ihm?“, fragte Raphael unverzüglich und neigte zur Begrüßung sein rabenschwarzes Haupt. „Den Umständen entsprechend. Sein linker Arm ist nahezu bewegungsunfähig und die vielen oberflächlichen Verletzungen werden den Heilungsprozess deutlich verlangsamen.“ „Seine Flügel?“, fragte Der Erzengel voll böser Vorahnung. „Sieh selbst.“, antwortete Keir ernst und trat als Erster durch die hohe Tür zum Krankenzimmer. Nassir und Aodhan hatten, in Raphaels Auftrag, die Feierlichkeiten eines weiblichen Erzengels im Uralgebirge besucht und einige Nachforschungen bezüglich in New York stattgefundener Attentate auf slawische Vampire und Engel angestellt. Die junge Valeria galt als äußerst rachsüchtig und nachtragend und Aodhan hatte sich angeboten, den seltsamen Vorgängen innerhalb ihrer Grenzen nachzugehen. Scharf sog Raphael die Luft ein als er Aodhan in den weißen Kissen erblickte. Die Haut, sonst weiß und rein wie frisch gefallener Schnee, war mit unzähligen Kratzern und Blutergüssen übersät. Die langen, nahezu durchsichtigen Haare waren verfilzt und unter den dunklen Lidern bewegten sich die Augen des Engels unruhig hin und her. „Verdammt.“, fluchte Raphael leise als er sich die Flügel seines Untergebenen anschaute. Die großen, blendendweißen Schwingen waren an vielen Stellen gebrochen und wirkten unnatürlich verrenkt und bizarr. Die feinen, weichen Federn schienen unter der Wucht des Angriffs abgeknickt und ließen den Engel heruntergekommen und zerlumpt wirken. „Wie lange?“, fragte der Erzengel knapp und riss seinen Blick mit großer Mühe von dem verletzten Mitglied seiner Sieben ab. „Fünf bis sechs Monate mindestens.“, antwortete Keir und prüfte einige Werte des schlafenden Engels. Mitleid lag in seinem Blick und er wirkte angespannt. „Er wird alle Zeit bekommen, die er braucht sich wieder zu erholen.“ Raphaels Ton war streng und duldete keinerlei Widerspruch. „Wenn es nötig ist, lass ihn in dein Refugium transportieren, andernfalls wünsche ich, dass du Aodhan bis auf Weiteres täglich besuchst.“ Raphaels Lippen waren zu einem schmalen Strich geworden und er schien ernsthaft um den schweigsamen, scheuen Aodhan besorgt. Ein begütigendes Lächeln trat auf Keirs Gesicht und er überging den herrischen Tonfall des Erzengels. „Er wird die beste Behandlung bekommen Raphael.“, antwortete er und legte seinem Freund die Hand auf die breite Schulter. „Ruhe und Zeit, das ist es was Aodhan jetzt braucht, alles andere kommt von ganz allein. Er kann hier in der Zuflucht bleiben und ich rechne spätestens in einer Woche mit seinem Erwachen.“ Mit einem Stirnrunzeln nickte der Erzengel und seufzte auf. Er wusste, dass Keir alles für die Genesung seiner Patienten tat und er selbst hatte mit Aodhans Ausfall alle Hände voll zu tun. „Ist Nassir schon hier?“, fragte Raphael und schaute prüfend in das gleißende Sonnenlicht vor dem Fenster. „Er erwartet dich im Salon.“, nickte Keir und überprüfte routiniert den Puls des Schlafenden. Er legte dafür die Hand an die Schläfenader des Engels und lauschte in dessen ruhenden Körper hinein. Fasziniert betrachtete Raphael den Vorgang, dann wandte er sich mit einer angedeuteten Verbeugung ab. „Bitte informiere mich sofort, sollte sich an Aodhans Zustand etwas verändern Keir.“ Der Heiler lächelte. „Ich werde es nicht vergessen.“ Rapahel durchquerte den langen Flur zum Salon mit ausgreifenden Schritten. Nassir, ein weiteres Mitglied seiner Sieben und Aodhans Begleiter in der zurückliegenden Mission, wurde bei dem offenbar stattgefundenen Kampf nicht annähernd so schwer verletzt wie der Engel und würde sicherlich ein wenig Klarheit bezüglich der Ereignisse schaffen können. Der Erzengel war eben an der reichverzierten Salontür angelangt, als er eine wohlvertraute Stimme aus den Gärten heraufwehen hörte. Neugierig beugte sich Raphael über die Brüstung, stützte sich tief über den sonnenwarmen Stein und entdeckte Illium, von lärmenden Engelskindern umgeben, auf einem der vielen Springbrunnen thronend. Seine Flügel, noch vor wenigen Monaten blutend und ihrer Federn beraubt, schimmerten nun blau und geheimnisvoll im in der strahlenden Sonne. Indigo, aquamarin und mitternachtsblau wechselten sich in fließender Schönheit ab und jede Feder war ein kleines Kunstwerk, von silbernen Spitzen gekrönt. Der um so vieles jüngere Engel spielte lachend mit einem kleinen Mädchen, ließ sie auf seinem Rücken reiten und warf sie so hoch, dass sie den Wind unter ihren kleinen Schwingen spüren konnte. Ein paar undeutlich Gedichtverse drangen an Raphaels Ohr und mit einer geschmeidigen Bewegung öffnete Illium seine erstaunlichen Flügel zu voller Größe. „Nicht schlecht.“, murmelte der Erzengel anerkennend, als er feststellen musste, dass nur noch vereinzelte Stellen kahl und ohne den schützenden Flaum der schillernden Federn waren. Schon in ein, zwei Wochen würde der junge Engel erste Flugversuche wagen und wieder in die Dienste seines Herren zurückkehren können. Mit leisem Bedauern wandte sich Raphael ab und folgte dem Weg in den schlichten Salon. Nassir stand mit einer geschmeidige Bewegung auf und empfing seinen Herren mit einer angemessenen Verbeugung. „Wie geht es dir?“, fragte der Erzengel ohne auf Formalitäten zu achten und maß sein Gegenüber mit einem prüfenden Blick. „Gut.“ Nassir nickte und setzte sich ohne Anzeichen von Schmerz oder Verletzung auf einen der weichen Stühle. „Aodhan hat fast alles abgefangen, er hat mir gar keine Chance gelassen, mich zu verteidigen.“ Raphael runzelte die Stirn und bedeutete seinem Untergebenen fortzufahren. „Wir waren schon wieder auf dem Rückweg, als uns eine dieser grobschlächtigen Wachen aufgehalten hat. Dieser Nichtsnutz meinte, wir sollen warten, es wären wohl Dinge im Schloss verschwunden und ehe der Diebstahl geklärt sei könne niemand die Räumlichkeiten verlassen.“ Nassir schnaubte unwillig und seine hellen Augen sprühten vor Zorn. „Trotz der offensichtlichen Falle und der unverschämten Demütigung, die davon ausging, leisteten Aodhan und ich der Aufforderung Folge und mischten uns wieder unter die restlichen Gäste.“ „War irgendjemand dabei, den du kanntest?“, warf Raphael ein und lief unruhig auf und ab. „Nein, niemand. Aodhan kannte wohl einen der jüngeren Engel, dessen Name war ihm allerdings entfallen.“ Nassir zuckte die Schultern. „Nachdem wir ein gute Stunde gewartet hatten ließ sich Valeria endlich wieder blicken, einen toten Vampir hinter sich herziehend. Sie meinte, sie hätte den Dieb gefunden und nun müsse sie nur noch herausfinden, wer mit ihm unter einer Decke stecke.“ „Und daraufhin gab es Unruhen.“, stellte Rapahel fest. „Richtig. Wir beschlossen im Gedränge unterzutauchen, unsere Mission war erfolgreich zu Ende gebracht und wir wollten noch in dieser Nacht nach Europa zurückkehren. Im Hof allerdings, erwarteten uns Scharen von Engeln und Vampiren. Die meisten von ihnen trugen Waffen und Fackeln und sie griffen unverzüglich an.“ Nassir sank ein Stück in sich zusammen ehe er weitererzählte und seine Stimme wurde dunkel vor Zorn und Bitterkeit. „Aodhan schaffte es nicht in die Luft, von wo aus er alle Chancen gehabt hätte. Sie zerrten ihn mit Netzen zu Boden und zwei der Vampire stürzten sich auf ihn. Hinter uns drängten nun auch die anderen Gäste aus dem Portal und im Nu war die Luft von Schreien und Kampfgebrüll erfüllt.“ „Wie viele fielen?“, durchschnitt Rapahels Stimme messerscharf die Erzählung und in seinen Augen loderte blanke Wut. „Etwa zehn Engel und unzählige Vampire.“, antwortete Nassir wahrheitsgemäß und schauderte. „Valerias Truppen fielen wie Tiere über uns her und nur durch ihre mangelnde Disziplin und Koordination konnten wir fliehen.“ Raphael nickte und er schien einen Moment zu überlegen. Dann wandte er sich wieder an seinen Untergebenen. „Das reicht für's Erste. Ich muss noch heute nach New York zurückkehren, bist du reisetüchtig?“ Der Engel nickte und stand wie zur Bekräftigung schwungvoll auf. „Meine wenigen Verletzungen hat Keir bereits versorgt.“ „Dann bitte ich dich mich spätestens morgen im Turm aufzusuchen, ich habe dann sicherlich noch einige Fragen an dich.“, antwortete Raphael in geschäftsmäßigem Ton und er legte dem Mitglied seiner Sieben die Hand auf die Schulter. „Ich werde da sein.“, antwortete Nassir entschlossen und ohne ein weiteres Wort zu verlieren verließen die beiden Verbündeten den Salon. Bereits vier Tage später schlug Aodhan die Augen auf. Mit einem leisen Stöhnen erwachte er, prüfte die Umgebung und lauschte tief in seinen schmerzenden Körper hinein. Die Erinnerungen an den Hinterhalt und den Kampf waren noch immer lebendig, hatte ihn im Traum verfolgt und fast in den Wahnsinn getrieben. Gefesselt an den Boden, die Flügel von so vielen schmutzigen Fingern in den Dreck gedrückt, hatte er sich fast übergeben müssen. Unzählige Füße und Hände hatten auf ihn eingetreten, eingeprügelt und es hatte nicht lange gedauert, ehe er den rechten seiner Flügel hatte brechen hören. Erst mit Nassirs Hilfe hatte er sich aufrappeln und fliehen können, war seinem Gefährten stolpernd und stöhnend gefolgt und schließlich in das tiefe, schwarze Reich der Bewusstlosigkeit gesunken. „Willkommen zurück.“, begrüßte ihn Keir leise und trat durch die hohe Tür in das dämmrige Krankenzimmer. Die Sonne verschwand eben hinter den gezackten Felsklüften des Gebirges und lange Schatten zuckten unruhig über die weißgetünchten Wände. Aodhan nickte dem Heiler schweigend zu und beobachtete, wie sich Keir mit flinken Fingern an seinen Verbänden zu schaffen machte. Übelkeit, zäh und lähmend, überkam den weißen Engel, als er die Hände des Heilers auf seiner bloßen Haut spürte und er musste sich zwingen, nicht aufzuspringen. Nähe und Berührungen, niemals würde er sich an diese überflüssigen, menschlichen Dinge gewöhnen können. „Deine Werte sind soweit stabil, die Wunden sehen gut aus.“, sagte Keir in ruhigem Ton und trat nach der kurzen Untersuchung einen Schritt zurück. Verständnis und Wissen lagen in seinem Blick und er lächelte kurz. „Du bist zäh, Aodhan.“ Angesprochener nickte und betrachtete seine bandagierten Finger und Arme, die mit Mull umwickelte Brust und die unzähligen Kratzer auf der darunterliegenden Haut. Dicke Schichten von hellgrauen Bandagen stützten seine ramponierten Flügel und bei dem Gedanken, dass er dort angefasst worden war, drehte sich Aodhan erneut der Magen um. „Wie geht es Nassir?“, fragte er, wohl eher um sich selbst abzulenken als aus Sorge um seinen Partner. Er wusste, dass der dunkelhäutige Mann weitestgehend unverletzt geblieben war. „Er ist bereits wieder in New York und arbeitet für Raphael.“, antwortete Keir und trug die Ergebnisse seiner Untersuchung in Aodhans Akte ein. „Wie lange muss ich noch hier bleiben?“, fragte der weiße Engel nach einem Moment der Stille und für einen winzigen Augenblick wirkte er gerade zu trotzig. „Vier bis fünf Wochen mindestens noch.“, antwortete Keir verblüfft und hätte schwören können Ärger in Aodhans feinem Gesicht zu lesen. Doch der erwartete Protest blieb aus und der verletzte Mann fügte sich klaglos seinem auferlegten Schicksal. „Darf ich in meine Gemächer?“, begehrte er lediglich auf und seine Stimme klang leidenschaftslos. „Bleib bitte noch bis morgen früh, damit ich die Werte dann noch einmal überprüfen kann.“, sagte Keir und die Art wie er es sagte, machte deutlich, dass es keine Bitte war. Der Heiler war ein sanfter, aber strenger Erzengel, der eifrig über jene wachte, die ihm anvertraut waren. Nie und nimmer würde er das Leben eines seiner Patienten riskieren und die Angewohnheit, immer wieder auf Nummer sicher zu gehen, hatte ihn zum besten Arzt unter den Engeln und Erzengeln werden lassen. „Calinca kommt in einer halben Stunde und bringt dir etwas zu Essen, wir sehen uns dann morgen wieder.“, verabschiedete sich Keir lächelnd und dann war Aodhan wieder allein. Einen Moment noch blieb er regungslos in dem weichen Bett liegen, dann schlug er die Decke zurück und betrachtete seinen zerschlagenen Körper einen Moment. Kratzer, Schnitte und Blessuren zeugten von Berührungen, die er nicht gewollt, nicht zugelassen hatte und für einen Moment loderte weißglühender Hass in ihm hoch. Dann atmete der weiße Engel tief ein, schloss seine Augen einen Moment und beruhigte die tobende Wut in sich. Schwungvoll richtete er sich auf und berührte mit den nackten Füßen den kalten Marmorboden. Ein Schauder fuhr ihm über den Rücken als er an das ausladende Fenster trat und sein Blick über die mittlerweile nahezu pechschwarzen Felsabhänge gleiten ließ. Dies hier war sein Zuhause, die Zuflucht, der Rückzugsort aller Engel – und doch fühlte er sich seit Wochen nicht mehr wohl. Das Gefühl, fortzustreben, Neues zu sehen und zu suchen, was das leere Gefühl in seiner Brust besänftigen könnte, war so übermächtig, dass es ihn fast überwältigte. In den letzten Monaten war er immer wieder nachts erwacht, ruhelos in seinem Zimmer auf und abgegangen und hatte versucht die schweren Gedanken, die ihn so rastlos machten, zu vertreiben. Selbst im tiefen Schlaf der Genesung, ja selbst in der Ohnmacht, war er unruhig und voller Zweifel gewesen. Ein leises Geräusch ließ Aodhan auffahren und er wandte sich um. „Euer Essen.“, flüsterte die junge Frau heiser und stolperte fast auf dem Weg zum Nachttisch. Der Blick ihrer silbernen Augen hing ununterbrochen an Aodhans muskulöser Brust, ihre Unterlippe zitterte vor Aufregung. „Danke Calinca.“, antwortete der weiße Engel höflich und versuchte, nicht allzu desinteressiert zu klingen. Er hatte nie verstanden, wieso das Zusammensein mit anderen Engeln, Menschen oder Vampiren erstrebenswert sein sollte, wo doch alle Antworten auch in der Stille der Einsamkeit zu finden gewesen waren. Oder? „Keine Ursache.“, hauchte die junge Frau, die unter der Nennung ihres Namens erschauderte. Ihre Augen schwammen vor Ehrfurcht und sie wartete einen Moment auf eine erneute Erwiderung des Verletzten. Peinliches Schweigen entstand, erinnerte Aodhan daran, warum er es so schätzte allein zu sein, ehe sich die junge Frau mit einem Kopfnicken verabschiedete. Das Essen war lecker und reichlich und während der große Engel den ersten Bissen schluckte wurde ihm bewusst, wie hungrig er war. Genüsslich griff er zu, biss herzhaft in Brot und Obst, aß Gemüse und gönnte sich zum Abschluss einen Schluck Rosenwein. Doch kaum war die Beschäftigung vorüber, stellte sich die Unruhe wieder ein. Rastlosigkeit kehrte in Aodhans nunmehr schmerzenden Körper zurück und er fluchte leise. Wieder trat er an das Fenster, betrachtete die kalte, glänzende Mondoberfläche und versuchte seine trudelnden Gedanken in den Griff zu bekommen. Seit er für Raphael arbeitete und Teil seiner Sieben geworden war, hatte sich die Unruhe in ihm stets gesteigert. Ungezähmt und voll wilder Macht war sie manche Nacht durch Aodhans sonst so gefühllosen Körper gerast und hatte ihn um Schlaf und Verstand gebracht. Jedes Zusammentreffen mit anderen Engeln oder Vampiren hatte stets dasselbe Ergebnis gebracht: Seine sonst sorgsam unter Eis versteckten Gefühlen waren hervorgebrochen und hatten ihr Recht auf Existenz und Anerkennung eingefordert. Die darauffolgenden Nächte und Wochen in der Zuflucht hatte Aodhan gebraucht um seine sorgsam gepflegte Fassade aufrecht zu erhalten. Lautlos öffnete der große Engel einen der Fensterflügel und ließ einen Stoß der kalten Nachtluft in das kleine Krankenzimmer fließen. Mit einem tiefen Seufzer sog er den klaren Wind in seine Lungen und genoss die Gänsehaut, die ihm über den Körper lief. Leise flüsternd bewegte sich Aodhans langes Haar und kitzelte auf dessen nackten Schultern. „Schöner Vollmond, nicht wahr?“ Der weiße Engel zuckte zusammen. Niemals. Unmöglich. Niemand konnte sich an ihn heranschleichen. Mit einer herrischen Bewegung drehte er sich um und ging instinktiv in Kampfhaltung. Seine Muskeln protestierten schmerzhaft gegen die plötzliche Anspannung, aber Aodhan wich keinen Millimeter zurück. Einen Moment war er wie erstarrt, dann erkannte er den später Besucher und er zog eine Augenbraue nach oben: „Illium?“, fragte er ungläubig und ein weiterer Schauer jagte über seinen Körper. „Ich dachte ich komme dich mal besuchen und frage wie du dich fühlst. Keir hat mit erzählt, dass du endlich wach bist.“, sagte Illium lächelnd und lehnte sich betont lässig gegen Türrahmen. Mit einem tiefen Seufzer zwang sich Aodhan, seine Muskeln wieder zu entkrampfen und er richtete sich wieder auf. „Es geht mir gut, danke.“, erwiderte der weiße Engel höflich und fühlte sich plötzlich seltsam entblößt und unwohl in seiner Haut. Seine nackte Brust, nur notdürftig von Bandagen verdeckt, hob und senkte sich regelmäßig und es kam ihm seltsam falsch vor, sie derartig zur Schau zu stellen. Nicht so Illium. Wann immer der Blaugeflügelte die Möglichkeit hatte, ging er ohne Oberteil und stellte seine beeindruckend breite Brust zur Schau. Aodhan hatte schon mehr als einmal einen bewunderndern Blick über die honigfarbene Haut gleiten lassen und auch an diesem Abend fiel es ihm unerhört schwer, sich von den geschmeidigen Muskeln loszureißen. „Stimmt es was Keir gesagt hat – ihr wurdet angegriffen?“, fragte Illium und trat ohne Umschweife ein. Er ließ sich mit unterschlagenen Beinen auf den weißen Laken des Krankenbettes nieder und sah sich aufmerksam in dem schmucklosen Raum um. Sein goldenen Augen waren animalisch und glänzten im Mondlicht wie zwei lebendige Fackeln. „Ja. In Valerias Palast. Es war eine Falle.“, antwortete Aodhan und war für einen Moment über seine eigene Offenheit erstaunt. Normalerweise hätte er jeden Neugierigen an Raphael verwiesen, mit dem Hinweis, dass es nur ihn und seine Sieben etwas anginge – nicht so bei Illium. Der junge Engel schien das suchende, alles erstickende Tier in Aodhan zu besänftigen und die so verzweifelt aufrecht erhaltene Fassade zu zerbröseln. Aodhan holte zitternd Luft. „Diese falsche Schlange.“, fauchte Illium und fuhr sich durch das dichte, blauschwarze Haar. Die widerspenstigen Strähnen fanden ihren Weg zurück in sein schönes, männliches Gesicht und legten sich verspielt in auf Stirn und Wangen. „Wie geht es deinen Flügeln?“, hörte sich Aodhan fragen noch ehe er seinen Mund unter Kontrolle gebracht hatte und er verfluchte sich lautlos für seine unerhörte Nachfrage. Ein Anflug von Scham und Schmerz flackerte über Illiums Züge, dann lächelte er verschmitzt und seine Goldaugen sprühten vor Tatendrang: „Besser als erwartet, ich kann bald schon wieder fliegen. Sieh nur.“ Und mit einer überschwänglichen Geste breitete er seine beeindruckenden Flügel aus. Die Spitzen berührten links und rechts die Wände des engen Zimmers und jede Feder schillerte wie ein Stück lebendiger Tiefsee. Azurblau und verheißungsvoll lockte der weiche Flaum und Aodhan betrachtete die einzigartigen Kunstwerke mit wachsendem Interesse. „Ihre Farbe hat sich verändert.“, murmelte er ehrfürchtig und kämpfte gegen den Drang, die Hände nach dieser saphirblauen Versuchung auszustrecken. „Ja, überraschenderweise.“, stimmte Illium zu, betrachtete voller Stolz seine außergewöhnlichen Flügel und dann die Aodhans. „Tut es sehr weh?“ Der weiße Engel zuckte abwesend die Schultern, was sofort mit einem stechenden Schmerz quittiert wurde und riss sich mit aller Macht von dem betörenden Anblick des Jüngeren los. „Es wird heilen.“, sagte er dann abwehrend und wich bis zur Fensterbank zurück. Er wollte nicht fasziniert sein, wollte nicht reden und sich verraten, wollte nicht Gefahr laufen Illium oder irgendjemanden sonst auf der Welt zu mögen. Wollte nicht wieder vertrauen und daran zerbrechen. „Ja, ich weiß.“, seufzte Illium, faltete seine Flügel wieder dicht an den Körper und strich sich erneut die Haare aus dem Gesicht. „Ich werde mal wieder gehen, du solltest sicherlich längst schlafen.“, lachte er dann und stand auf. Er machte ein höfliche Geste und ließ seine goldenen Augen noch einen Moment auf Aodhan ruhen, ehe er mit einem vergnügten Winken genauso schnell verschwand, wie er gekommen war. „Jungspund.“, murmelte Aodhan verwirrt, starrte noch eine Weile in die gähnend leere Türöffnung, schloss dann das Fenster und legte sich mit einem tiefen Seufzer wieder auf das weiche Bett. Kapitel 2: Illium. ------------------ Mit großen Schritten hetzte Illium durch die verzweigten Gänge der Zuflucht und versuchte verzweifelt Aodhans traurige Augen aus seinem Gedächtnis zu löschen. Diese hellen Sterne, funkelnd wie zersplittertes Glas – noch nie in seinem bisherigen Leben hatte der blaue Engel etwas Derartiges gesehen. Aodhans Augen vereinten absolute Leere und das wohl innigste Bitten, dass Illium jemals gespürt hatte. Und seine Flügel – Himmel waren die schön. Weiß wie die Unschuld, wie frischer Schnee am Morgen und glänzend wie das edelste Perlmutt. „Reiß dich zusammen Illium.“, murmelte sich der blaugeflügelte Engel zu und war froh, endlich seine einstweilige Unterkunft in der Zuflucht zu erreichen. Was er brauchte war jetzt Ruhe um seine trudelnden Gedanken zu ordnen und ein paar Übungen um die Verspannungen sämtlicher Muskeln in seinem Körper zu lösen. Als Aodhan am nächsten Morgen erwachte kroch gerade die Sonne über die gezackten Bergspitzen des Gebirges. Nur wenige Wolken waren am Himmel zu sehen und es schien ein heißer Tag zu werden. Mit einem leisen Stöhnen erhob sich der weiße Engel und wartete einen Moment, ehe sich der Schwindel gelegt hatte. Ein üppiges Frühstück erwartete ihn bereits auf dem niedrigen Tischchen und nur wenige Minuten nach Aodhans Erwachen betrat Keir das Krankenzimmer. „Guten Morgen.“, grüßte er mit einem Lächeln und sein offener Blick strich prüfend über den Körper des weißen Engels. Aodhan nickte zur Begrüßung und setzte sich vollständig auf. Mit koordinierten Bewegungen schwang er die Beine aus dem Bett und ließ seine nackten Zehen über den kühlen Fußboden streichen. „Wie fühlst du dich?“, fragte der Erzengel seinen Patienten und näherte sich dem Bett. Das Klemmbrett in seiner Hand war dicht beschrieben und Aodhan konnte nur wenig entziffern. „Gut.“, antwortete der Verletzte einsilbig und bewegte seine schmerzende Schulter. „Ich nehme nicht an, dass ich dazu überreden kann noch ein paar Nächte hier zu verbringen?“, fragte Keir und seine geübten Finger strichen federleicht über Bandagen und Wundverbände. „Oder mich zumindest nicht anzulügen?“ Aodhan hob die Augenbrauen und seufzte innerlich. Er wurde schwach, wurde durchschaubarer. „Ich fühle mich gut.“, wiederholte er und eine Spur Ungeduld lag in seiner tiefen Stimme. Keir nickte beschwichtigend und notierte sich weitere Zahlen auf dem Klemmbrett. „Du darfst gehen Aodhan, aber vorher musst du mir gestatten dich noch einmal gründlich zu untersuchen.“ Keirs Stimme war schneidender Stahl und Aodhan war klar, dass er den Heiler nicht davon abbringen würde können. Ergeben senkte er den Kopf, biss die Zähne zusammen und erwartete die unvermeidliche Berührung mit geschlossenen Augen. Auch noch Stunden nach der Entlassung rebellierte Aodhans Magen gegen die Untersuchung. Lähmende, ätzende Übelkeit schmeckte bitter in seiner Kehle und er fühlte sich so unendlich bloßgestellt. Vorsichtig waren Keirs Gedanken in seinen Kopf eingedrungen, hatten Hirnströme analysiert, Morphologie und Funktionalität überprüft und waren dann durch sein Nervensystem gerast. Blitzschnell ritten sie auf Aktionspotenzialen durch Muskeln, Knochen und Fleisch, funkten wie Echos durch Aodhans Inneres und verbanden sich mit Herz und Nieren. Wie kleine Stromstöße hatten sie minimale Reaktionen ausgelöst, jedes noch so winzige Axon, jeden lebenden Dendriten überprüft und sich schließlich, endlich, zurückgezogen. Aodhans Seele, dass einzige unangetastete das ihm noch blieb, war völlig überlastet zurückgeblieben. Nun, im Licht der blendenden Mittagssonne versuchte er die Erinnerung abzuschütteln, schluckte ein paar Mal schwer und langsam kehrten Ruhe und Disziplin zu ihm zurück. Mit großer Anstrengung kämpfte er die Übelkeit nieder, spülte den kupfernen Geschmack in seinem Mund mit einem Glas Wasser hinunter und ließ seinen Blick durch den lichtdurchfluteten Raum gleiten. Der weiße Engel war mehr als froh wieder in seinen Räumlichkeiten sein zu können, da wo er sich auskannte, wo ihm die Dinge vertraut waren. Es stand ihm nicht gut unsicher zu sein. Oder begehrend. Unwillkürlich dachte er an den nächtlichen Besuch Illiums und ein leises Schaudern rieselte seinen Nacken hinab. Der blaugeflügelte Engel hatte für einen Moment die Sehnsucht in seiner Brust gestillt und das immerwährende Chaos in seinem Kopf geordnet. Beim Anblick von Illiums ausgebreiteten Flügeln war das Wispern im Kopf des weißen Engels verschwunden und für den Bruchteil einer Sekunde hatte er Frieden gefühlt. „Reiß dich zusammen.“, schnaubte Aodhan dann laut und unterbrach seine Überlegungen ruckartig. Das hier, das konnte er nicht steuern. Er hatte keine Erfahrung darin, was passieren konnte wenn man sich treiben ließ und, zum Teufel, er würde es nicht rausfinden. Er konnte nicht. Um sich weitere Reisen in sein Unterbewusstsein zu ersparen beschloss Aodhan zu duschen und dann die Bibliothek zu besuchen. Keir hatte ihm beim Abschied mitgeteilt, dass er noch mindestens für einen Monat hier gefangen sein würde und Bücher waren die beste Waffe gegen lange Weile. Er ging ins Bad. Illium versuchte die Enttäuschung, die sich beim Anblick des leeren Bettes aufkam, niederzuringen und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Wann wurde er entlassen?“, fragte er eine der vorbei eilenden Helferinnen und erntete nur ein Schulterzucken. Der blaue Engel machte unwillkürlich einen Schmollmund und versuchte zu ergründen, warum ihm Aodhans Anblick plötzlich so fehlte. Er hatte in dem verschlossenen Mann immer nur den unbeugsamen Willen und die eiserne Disziplin gesehen, doch ihre gestrige Begegnung hatte ihm einen anderen, verletzlichen Aodhan gezeigt. Einen, der sich bei Weitem nicht so gut im Griff hatte wie er selbst zu glauben schien. „Ich hab es gesehen.“, murmelte Illium leise und erinnerte sich nur allzu lebhaft an Aodhans Blick, den Ausdruck in seinen zerbrochenen Augen. „Kann ich Euch helfen?“, unterbrach ihn eine piepsige Stimme und Illium wurde einer schlanken Frau zu seiner Rechten gewahr. Sie trug, wie alle Mitarbeiter der Krankenstation, eine weiße Uniform ihre dunkelbraunen Flügel lagen anmutig gefaltet an dem schmalen Rücken. Illium blinzelte ein paar Mal, vertrieb seine Gedanken mit einer lässigen Handbewegung und lächelte dann herzlich. „Nein Danke, ich habe mich nur verlaufen.“, log er ohne rot zu werden und schenkte seinem Gegenüber einen charmanten Blick. „Ich bitte das zu entschuldigen.“ Und mit einem Augenzwinkern verschwand er nach draußen. Gleißende Mittagssonne empfing Aodhan in den meterhohen Räumlichkeiten der Bibliothek. Feiner Staub badete in dem goldenen Licht und der unverkennbare Duft Jahrhunderte alten Wissens lag in der Luft. Djesseri, die Bibliothekarin mit den sturmgrauen Augen, lächelte beim Anblick ihres Gastes und neigte den Kopf nahezu unmerklich. „Aodhan, wie schön Euch wieder einmal begrüßen zu dürfen.“, sagte sie leise und ihre Stimme rieselte angenehm warm über die Haut des weißen Engels. „Wie geht es Euch?“ Aodhan nickte zur Begrüßung und ließ seinen Blick durch den großen Raum schweifen. Stille, wohlbekannt und tröstlich empfing ihn und nur ab und zu war das hölzerne Knacken der völlig überladenen Regale zu hören. „Gut, danke der Nachfrage.“, antwortete er abwesend und in gewohnt höflicher Form und runzelte die Stirn. „Ich werde heute nach oben gehen.“, fügte er hinzu und ohne einen weiteren Blick auf die junge Frau stieg er mit langsamen Schritten die breite Treppe empor. Leise knarzte das polierte Eichenholz unter seinem Gewicht und die Schatten zwischen den Regalen lockten verheißungsvoll. Umgeben von Papier und Leder, Tinte und uraltem Wissen fühlte sich Aodhan zuhause und sein angespannter Geist kam für einen Moment zur Ruhe. All seine Sinne konzentrierten sich auf die unzähligen Bücher und Pergamente, Schriftrollen, Hefte und losen Seiten in den Regalfächern. Im Kopf ging er diejenigen Stücke durch, die er schon ausgelesen hatte, strich die unwichtigen oder uninteressanten und traf erst dann eine sorgfältige Auswahl. Jedes Buch war für ihn ein Tor zu einer anderen Welt, eröffnete neue Möglichkeiten und Schlüssel zu Erkenntnissen und Wissen. Bücher gaben bedingungslos ohne je eine Gegenreaktion zu erwarten. Sie redeten nicht dazwischen, wollten nicht berührt werden oder forderten ihr Recht im Herzen seines Besitzers. Sie drangen nicht in Aodhans Privatsphäre ein, nahmen ihm Luft und Raum zum Atmen und niemals hatten sie ihn betrogen. Oder zurückgelassen. Oder vergessen. Als der weiße Engel die Bibliothek verließ, einen Stapel in Leder gebundener Bücher in den Armen, waren die Schatten des hohen Säulenganges bereits lang geworden und eine kühle Brise strich durch die Zuflucht. Der Himmel war ein Meer aus feuerrot und orange, von feinen goldenen Linien durchzogen und flirrendes Licht tanzte auf Aodhans weißem Haar. Die Stunden zwischen knisterndem Papier hatten, wie immer, eine beruhigende Wirkung auf ihn gehabt und nach dem übelkeiterregenden Erlebnissen des Morgens fühlte er sich nun wesentlich besser. Er war schon auf halbem Weg zu seinen Gemächern als er erneut Illium begegnete. Der blaue Engel bog eben um die Ecke, ein kleines Mädchen auf dem Arm. Es hatte die winzigen Flügel vertrauensvoll um die breiten Schultern ihres Beschützers geschoben und vergrub ihre rechte Hand in Illiums blauschwarzer Mähne. „Aodhan, schön dich zu sehen.“, grüßte der Blaugeflügelte lächelnd und schenkte seinem Gegenüber einen langen Blick. Fast zärtlich strichen seine goldenen Augen über den weißen Engel, betrachteten prüfend die bandagierten Flügel und zwinkerten schließlich schalkhaft. „Keir hat dich schon gehen lassen?“ Aodhan versuchte der offensichtlichen Musterung durch Illium zu entgehen und konzentrierte seinen Blick auf das Engelskind. Blondes Haar lag wie ein goldener Helm um dessen Kopf und auch die Federn zeigten einen ersten, goldenen Schimmer. „Wer ist das Illium?“, fragte sie mit nahezu flüsternder Stimme und ihre Augen hafteten in schamloser Offenheit an Aodhans schneeweißen Flügeln. Ihre Finger spielten gedankenverloren mit einer seidigen Haarsträhne des blauen Engels und sie wirkte verschüchtert und fasziniert zugleich. „Frag ihn doch, Malin.“, antwortete Illium und in seinen erstaunlichen Augen blitzte der Schalk auf. Mit großer Mühe riss sich das Mädchen von Aodhans Anblick los und sie drückte ihr Gesicht in die warme Halsbeuge des blauen Engels. Sie flüsterte ein paar Worte, dann lächelte Illium. „Ich fürchte sie traut sich nicht.“, erklärte er dem Weißgeflügelten und legte seiner kleinen Last eine Hand auf den Rücken. Aodhan, der weder wusste was er sagen, noch wie er sich verhalten sollte, ließ seinen Blick auf Illiums schönem, hartem Gesicht ruhen und wartete ab. „Vielleicht ein anderes Mal.“, fuhr der Blaugeflügelte dann fort und er neigte den Kopf ein wenig.“Malin sollte auch schon längst im Bett sein.“ „Aber ich bin noch gar nicht müde, Illium.“, protestierte das Mädchen und schlug energisch mit ihren winzigen Flügeln. Goldener Staub, fein und nahezu unsichtbar, rieselte aus den Federn und legte sich auf Illiums honigfarbene Haut. Er lachte. „Ich weiß, ich weiß - das bist du nie.“ „Aber diesmal wirklich.“, versuchte Malin es erneut und gähnte herzhaft. Ihr Beschützer lachte nur noch lauter und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Gegenüber. „Bis zum nächsten Mal.“, sagte er leise und in seinen goldenen Augen erhob sich ein feuriger Tanz. Die langen Wimpern, samtschwarz und von blauen Spitzen gekrönt, glänzten im Abendlicht und die Haut über seine sehnigen Schultermuskeln schimmerte verführerisch. Aodhan musste sich in Gedanken mehrere Male zur Ordnung rufen ehe er Luft holen und zu einer Antwort ansetzen konnte. Seine Hände, fest um die ledernen Einbände der Bücher gelegt, zitterten leicht und es kostete so unendlich viel Kraft das Gesicht nicht in einem Anflug von Ärger zu verziehen. „Ich wünsche noch einen schönen Abend.“, antwortete er steif und machte mit einem Ruck auf dem Absatz kehrt. Große Schritte trugen Aodhan durch die Gänge der Zuflucht, entfernten ihn von Illium und dem verdammten Kind und erst, als seine Räumlichkeiten in Sicht kamen, verlangsamte der weiße Engel seinen schnellen Lauf. Schweiß stand auf seiner Stirn als er mit einer herrischen Geste die Bücher auf sein Bett warf und tiefe Falten erschienen über seine Nase. Die trügerische erhaltene Fassade, all die eiskalte Beherrschung fiel mit einem Mal von ihm ab und er fühlte Zorn in sich aufwallen. Dieses Kind, in all seiner lieblichen Unschuld, hatte in einer unbewussten Geste von Illium Besitz ergriffen und ihn ohne es zu ahnen für sich vereinnahmt. Die Angewohnheit der Engel, potenzielle Partner zu bestäuben, war dem Nachwuchs nur unzureichend bekannt, dass wusste Aodhan, und trotzdem knirschten seine Zähne laut in der abendlichen Stille. Es war einfach unmöglich nicht an Illiums goldene Haut, seine lodernden Augen und die glänzenden Haare zu denken. Immer wieder flackerte sein schönes Gesicht mit dem offenen Lächeln durch Aodhans Geist, da half auch ein wütendes Knurren nicht. „Reiß dich zusammen.“, versuchte der weiße Engel sich selbst zur Ordnung zu rufen. Vergebens. Weder verflog die Wut noch das seltsame Gefühl in seinem Magen. Keine Erklärung für all die unbekannten Emotionen in seinem Inneren tat sich auf und auch sein Körper schien sich nicht beruhigen zu wollen. Seine schmerzenden Flügel zogen an den engen Bandagen und die zu Fäusten geballten Hände zitterten. Er musste sich ablenken. Und das schnell. Aodhan atmete ein paar mal tief ein und aus, ging dann zum Fenster und lehnte seine erhitzte Stirn gegen das kühle Glas. Ein Schauer rann seinen Nacken herab und er starrte auf die abendliche Landschaft. Die Sonne war schon fast vollständig hinter dem rauen Gebirge verschwunden und das feurige Orangerot vermischte sich mehr und mehr mit einem samtenen Schwarz. Vielfarbige Wolken, azurblau und schlohweiß, trieben am Horizont und formten eine dichte Wand in der Ferne. Nur langsam kehrte die gewohnte Ruhe in Aodhans Körper zurück und obwohl sein Geist noch immer unruhig wie ein eingesperrtes Raubtier in einem Käfig hin- und her strich, ließ das Zittern seiner Hände nach und sein Atem normalisierte sich. Erschöpft wie nach einem langen Flug sanken seine Flügel zu Boden und blieben dort, waren plötzlich zu schwer um an Aodhans Rücken zu liegen. Als nach schier endlosen Minuten der blendende Zorn in dem weißen Engel langsam verblasste, blieben nur die Fragen zurück. Warum reagierte er derartig heftig auf Illiums Anwesenheit? Was war das in ihm, dass ihn fühlen ließ? Warum brachte ihn dieses Engelskind derart aus der Fassung? Und die Wichtigste von allen: Was musste er tun um wieder zum Urzustand zurückzukehren? Blank wie ein Silberteller stand der Mond am nachtschwarzen Himmel. Es war windstill, als hole die Welt noch einmal tief Atem vor dem großen Sturm, und durch die geöffneten Türen auf Aodhans Terrasse drangen nur die Geräusche der Nacht herein. Das leise Flügelschlagen der Fledermäuse auf der Jagd, wenigen Grillen die ihr zirpendes Lied sangen und das verschlafene Gluckern des Flusses tief unten im Tal. Der weiße Engel saß mit einem der geliehen Bücher auf der Balustrade und versuchte sich auf die geschriebenen Worte zu konzentrieren. Er hatte die letzten Stunden lediglich damit verbracht, seinen Geist zu beruhigen und sich einzureden, dass seine plötzliche Empfindsamkeit mit den Erlebnissen der vergangenen Tage, mit dem Hinterhalt und nicht zuletzt der allzu unwillkommenen Untersuchung durch Keir zu tun hatte. Als es Mitternacht schlug hatte er seinem seltsam schweren und kraftlosen Körper ein langes Bad gegönnt und war dann ohne weitere Fragen aufkommen zu lassen zum Lesen übergegangen. Doch entgegen aller Hoffnung, Ablenkung und Müßiggang zu finden, verschwammen die Buchstaben vor seinen Augen, tanzten in abstrusen Formen über die ausgeblichenen Seiten und wollten sich so gar nicht zu Worten und Sätzen formen. Resigniert atmete Aodhan aus, ließ das Buch sinken und starrte mit leerem Blick in die Nacht. Sein Haar und die Flügel waren noch feucht und er fröstelte ein wenig in der aufkommenden Kälte. Trotzdem wagte er es nicht, sich in die lockende Wärme des Schlafzimmers zurückzuziehen. Er fürchtete die Macht der Gedanken, die der quälenden Fragen, und das Verharren in lautloser Dunkelheit. Eine Eule, weiß wie der Schnee und mit großen gelben Augen, flog dicht an Aodhan vorbei. Sie schuhute leise, schlug lautlos mit ihren Schwingen und erinnerte den Engel an seine eigene, erbärmliche Flugunfähigkeit. Er wollte nicht an den Boden gefesselt sein, hier wo er ständig zugänglich und den Banalitäten des Lebens ausgeliefert war. Aber er war kein Dummkopf und bildete sich nicht ein, dass seine Verletzungen nur kleine Kratzer waren. Er würde wohl oder übel den Anweisungen des Heilers Folge leisten müssen. Aodhan seufzte, erhob sich von der steinernen Balustrade und besah sich die grauen Bandagen an seinen Flügeln. Fest lagen sie an den weißen Federn, spannten leicht und machten jede Bewegung zur Unannehmlichkeit. Wie Schandflecken verunzierten sie seine Flügel, beschmutzten ihn mit ihrer Vergänglichkeit und brandmarkten ihn als verletzlich. Als angreifbar. Als schwach. Aodhan widerstand dem Impuls die grauen Verbände mit Macht hinunter zu reißen, strich sich stattdessen das Haar aus der Stirn und hielt dann inne. Es klopfte. Leise aber vernehmlich schlug jemand gegen die große Flügeltür, die die Grenze zu Aodhans Räumlichkeiten darstellte. Es war ohnehin schon höchst ungewöhnlich, dass sich jemand in den entlegen Flügel der Zuflucht verlief um ihn aufzusuchen. Das es bereits weit nach Mitternacht war schien den Besucher keineswegs zu stören. Aodhan runzelte die Stirn und kniff angestrengt die Augen zusammen, dann durchquerte er das Zimmer mit großen Schritten und öffnete die Tür. „Guten Abend.“, sagte eine leise Stimme und eine schwarzblaue Silhouette löste sich aus den Schatten. Illium. Seine goldenen Augen glommen hell in der herrschenden Dunkelheit und er fixierte Aodhan mit unerhörter Intensität. „Was gibt es?“, fragte der weiße Engel und versuchte seine Stimme gefasst und unbewegt klingen zu lassen. Es gelang mehr schlecht als recht und die steile Falte zwischen seinen Augen vertiefte sich. Mit dem Auftauchen des Blaugeflügten war all die vorgespielte Ruhe, die eingeredete Normalität, mit einem mal wieder zunichte und Aodhan argwöhnte zu recht, dass er in dieser Nacht wohl keinen Schlaf mehr finden würde. „Ich hoffe ich habe dich nicht geweckt.“, überging Illium die Frage des weißen Engels und er ließ seinen Blick auf Aodhans breiter Brust ruhen. Selbst unter dem dünnen Stoff des Sweatshirts konnte man die geschmeidigen Muskeln erahnen. Als Aodhan den Kopf schüttelte fuhr Illium fort: „Ich habe etwas für dich.“, sagte er und wieder versenkte er seinen hypnotischen Blick in dem des Weißgeflügelten. Wilde, ungezähmte Neugier brannte in den erstaunlichen Iriden und ließ sie in vielfachen Facetten erglühen. Bernstein und Karamell verschmolzen in einer feurigen Glut zu dunklem Gold und einem winzigen kupferfarbenen Ring um die Pupille, jeder Millimeter ein Kunstwerk. „Ein Geschenk.“, setzte Illium fort und er konnte den übermächtigen Impuls, die feinen weißen Haare seines Gegenüber zu berühren, nur mit Macht unterdrücken. „Von wem?“, fragte Aodhan argwöhnisch und er räusperte sich ob seiner versagenden Stimme. „Malin.“, antwortete der Blaugeflügelte schlicht und zog ein winziges Etwas hinter seinem Ohr hervor. Neugierde beschlich Aodhan und er versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Keine Chance, das Geschenk war einfach zu klein. „Hand auf, Aodhan.“, dirigierte Illium leise und Angesprochener erschauderte. Die Stimme des blauen Engels kroch wie ein sanfter Hauch über seinen Körper und er wusste nicht, ob er je so eine Zuneigung bei der Nennung seines Namens verspürt hatte. Wie hypnotisiert, all seine Prinzipien außer Acht lassend, streckte er den Arm aus und bot Illium seine nackte Handfläche dar. Der blaue Engel lächelte ein wenig als er eine winzige Feder, weiß mit einem Hauch von Gold, hinein sinken ließ und er hätte zu gerne die ebenmäßige Haut an den schmalen Fingern des Weißgeflügelten berührt. Aber er wusste um Aodhans Scheu und zwang sich zum Rückzug. „Sie ist aus ihrem linken Flügel.“, kommentierte er leise und sein Herz hüpfte als Aodhans Lippen von einem unterdrückten Lächeln zuckten. „Warum schenkt sie mir etwas so Wertvolles? Sie kennt mich doch gar nicht.“, murmelte der weiße Engel leise und strich sanft über den weichen Flaum. Aller Ärger, all die Wut über das Mädchen waren verflogen – sie war doch nur ein Kind. „Weil du so traurig bist.“, wiederholte Illium wahrheitsgetreu Malins Worte und erschauderte. Mit einem Ruck hob Aodhan den Kopf, alle Alarmglocken in seinem Kopf begannen zu klingeln. „Was hast du ihr denn über mich erzählt?“, sagte er lauter als beabsichtigt und seine Stimme hallte weithin durch die verzweigten Gänge der Zuflucht. Illium hob seine Augenbrauen und straffte die Schultern unwillkürlich. Seine beeindruckenden Flügel stellten sich auf und die hellen Federspitzen schimmerten wie flüssiges Quecksilber. „Nichts.“ War seine schlichte Antwort und er wandte sich dem Gehen zu. Das plötzliche Umschlagen der Stimmung missfiel ihm und er kam sich plötzlich unglaublich dumm und überflüssig vor. Was hatte er sich eigentlich gedacht, hier mitten in der Nacht aufzukreuzen? Enttäuschung schwappte über seinem Kopf wie eine unheilvolle Welle zusammen und er schalt sich selbst lautlos einen Tölpel. Nach einigen Schritten wandte er sich um und betrachtete den weißen Engel in der Tür. Er stand noch immer so da wie er ihn zurückgelassen hatte: die zerbrochenen Schwingen in den hässlichen Bandagen, mit der ausgestreckten Handfläche nach oben, die schneeweißen Haare, die leise im Wind flüsterten. Seine Mimik war völlig leer und nur in seinen zerbrochenen Augen konnte Illium die Aodhan innewohnende Verwirrung lesen. Kapitel 3: Endlich. ------------------- Als der nächste Morgen nach einer quälenden Nacht endlich über der Zuflucht hereinbrach stöhnte Aodhan erleichtert auf. Stunde um Stunde hatte er sich in seinem großen Bett umher geworfen, sich von einer Seite auf die andere gewälzt und weder Schlaf noch Ruhe gefunden. Schwer hatten Stille und Einsamkeit auf dem weißen Engel gelegen und nach Illiums Fortgang waren Fragen um Fragen zurückgeblieben. Nun kämpfte sich die Sonne durch die dichte Wolkendecke und vertrieb die düsteren Gedanken des Mannes. Entschlossen schob er Zweifel und Einsamkeit beiseite, ließ sich auf der Balustrade seines Balkons nieder und vertiefte sich endlich in das am Abend zuvor begonnene Buch. Der Tag verging wie im Flug. Aodhan verließ seinen Platz in der warmen Sonne nur selten und nahm kaum etwas zu sich. Die alten Schriften fesselten seine gesamte Aufmerksamkeit und er war froh darum. Hin und wieder sank das Buch in seinen Schoß und der weiße Engel ließ seinen Blick über das Gebirge streichen. Grübelnd rekapitulierte er Gelesenes, kombinierte es in Gedanken mit bereits Erforschtem und kämpfte tapfer gegen das aufkommende Fernweh. Seine Flügel, gebändigt und nutzlos, lagen eng an seinem Rücken und schmerzten heute mehr denn je. Als sich die Sonne bereits dem Horizont entgegen neigte und ihr goldenes Licht zunehmend rot erstrahlte war Aodhan am Ende der letzten Seite angekommen und legte das Buch behutsam zur Seite. Mit einem Seufzer streckte er sich, strich sich das lange Haar aus dem Gesicht und atmete tief ein. Die klare Luft war angenehm erfrischend und obwohl seine unterschlagenen Beine schmerzten und seine Glieder steif waren vom Sitzen, fühlte der Engel einen innerlichen Triumph ob des vergangenen Tages. Er hatte nicht nur sein Arbeitspensum erfolgreich gemeistert, sondern auch keinen einzigen unnützen Gedanken an die vergangene Nacht verschwendet. Die Leere, die der blaugeflügelte Engel nach seinem Fortgang hinterlassen hatte, war angefüllt mit Wissen und kein Zweifel, keine ziellosen Fragen quälten Aodhan. Gut gelaunt und hungrig beschloss er, statt sich das Essen bringen zu lassen, einen kleinen Spaziergang einzulegen um das Gelesene zu sortieren. Ein kleiner Abstecher in den Speisesaal würde seine körperlichen Gelüste befriedigen und er würde sich noch heute Abend dem nächsten Buch widmen können. Ein Gefühl der Erleichterung durchströmte den weißen Engel bei dem Gedanken und er verließ seine Räumlichkeiten mit schnellem Schritt. Ruhig und verlassen lag die Zuflucht vor Aodhan und er war froh, dass die meisten Engel das schöne Wetter für berauschende Flüge nutzten. Der Kinderhort war weit entfernt und nur vereinzelt drangen helle Stimmen in das feine Gehör des Engels. Mit einem Stirnrunzeln erinnerte sich Aodhan an das Geschenk, die winzige Feder von Malin, und für einen Moment drohte seine sorgsam gefestigte Fassade rissig zu werden. Illiums Augen, die feurige Glut, die ihnen innewohnte, fesselte den Engel über alle Maßen und die Erinnerung daran war wie ein Schock. „Reiß dich zusammen.“, murmelte Aodhan leise und ballte seine Hände unwillkürlich zu harten Fäusten. Er bog um die Ecke und betrat den hohen Freikorridor der an die Gemeinschaftsräume angrenzte. Die hohen, ionischen Säulen waren aus schimmerndem Marmor und eine leichte Brise flüsterte durch den luftigen Gang. Aodhans Blick strich über die angrenzenden Gärten, die kleinen grünen Inseln inmitten der steinernen Zuflucht und blieb an einer einzelnen Gestalt inmitten der blühenden Pracht hängen. Illium. Der Engel stand mit dem Rücken zu ihm, die großen blauen Flügel weit ausgestreckt und balancierte auf einem Bein. Sein Oberkörper lag, wie zumeist, frei und Abermillionen winziger Schweißtropfen glitzerten auf der karamellfarbenen Haut. Jeder Muskel an Armen und Beinen, Rücken und Bauch schien gespannt und die langsamen Bewegungen waren konzentriert und zeugten von großer Kraft. Anders als sonst wirkte Illium sehr ernsthaft in seinem Training, folgte mit jedem Schritt, jedem Atemzug einer strengen Abfolge und bewies sowohl Durchhaltevermögen als auch Disziplin. Die Flügel, majestätisch und wunderschön, schimmerten im Licht der untergehenden Sonne mitternachtsblau und indigo, jede Feder einzigartig und von perlendem Silber gekrönt. Es war Aodhan, als könne er sich am Farbenspiel nicht sattsehen, als würde ihn das dunkle Blau, von Sternensplittern durchsetzt, magisch anziehen. In sich spürte er den unstillbaren Wunsch diese weiche Pracht berühren zu dürfen und seine Fingerspitzen kribbelten beim Gedanken das Gesicht in den weichen Flaum zu drücken. Illium streckte seine Arme aus, machte einige fließende Bewegungen und dehnte seinen breiten Rücken durch. Die leichte Brise zerzauste das blauschwarze Haar, lief wie eine Welle durch das dunkle Federmeer und brachte den Duft von Erde, Sonne und Schweiß zu Aodhan. Schwer und männlich roch Illium, nach den Anstrengungen des Trainings und der kindlichen Leichtfüßigkeit seines fröhlichen Gemüts. Aodhan zitterte unmerklich und zog sich tiefer in den Schatten der Säulen zurück, wollte nicht entdeckt werden, sondern mehr, soviel mehr noch von der goldenen Haut sehen. Mehr von Mitternachtsflügeln, von glitzerndem Schweiß auf perfekter Haut, von glühenden, hypnotisch schönen Augen. Nach einigen weiteren Dehnungsübungen senkte Illium mit einem tiefen Atemzug die Flügel, legte seine Hände auf die breite Brust und verharrte eine ganze Weile so. Er brachte sich mit dem Wind in Einklang und riss dann mit einem dunklen Rauschen die Flügel in die Höhe. Je fuhr die Abendluft unter die Tragflächen, wirbelte an den Schwungfedern entlang, gewann an Schnelligkeit und drückte den Engel nach oben. Für einen Augenblick schien die Erde stillzustehen und Illium schwebte. Seine nackten Füße verließen den weichen Rasen, die Muskeln am Rücken waren zum Zerreißen gespannt und die Welt hielt den Atem an. Dann zerriss ein leiser Schrei die Stille und er Blaugeflügelte stürzte zu Boden. Seine Knie knickten unter der Wucht ein und die schönen, einzigartigen Flügel fielen kraftlos nach unten. Einen winzigen Moment war Aodhan versucht hervorzuspringen, dann besann er sich. In ihm tobte das ungezügelte Verlangen dem anderen Mann ins Gesicht zu sehen, den Schmerz, die Enttäuschung in seinen erstaunlichen Augen zu lesen und von der goldenen Glut in die Tiefe gezogen zu werden. Er wollte sich in Illium verlieren, auf den Grund seiner Seele tauchen und den Mann hinter der fröhlichen Fassade kennenlernen. Als das Leben in Illium zurückkehrte wurde sich der weiße Engel seiner Gedanken bewusst und keuchte. Mit einem Ruck wandte er sich ab und presste seinen Körper gegen den kalten Marmor. Übelkeit kroch seine Speiseröhre hinauf und einen Moment glaubte er, dass seine Beine ihren Dienst versagen würden. Dann fing sich Aodhan wieder, brachte mit einigen Atemzügen sein rasendes Herz unter Kontrolle und biss sich auf die Lippen bis Blut hervorquoll. Der Schmerz, bekannt und rational, half ihm sich zu erden und nach einer Minute hatte er sich wieder soweit unter Kontrolle, dass er den Weg, auf dem er hergefunden hatte, wieder zurück verfolgen konnte. Kurz vor seinem Quartier bog er nach rechts in einen der abgehenden Nebengänge und nach wenigen großen Schritten trat er aus dem riesigen Gebäude. Hier auf der Nordseite wehte ein scharfer Wind und die Schatten waren schon lang. Der Abendhauch hatte hier schon eine deutlichere Schärfe als im milden Sonnenuntergang und ein Schauder rieselte Aodhans Rücken hinab. Schweiß, ölig und ungewohnt schwer, stand auf der weißen Haut des Engels, überzog seinen gesamten Körper und sickerte durch das dünne Sweatshirt. Wut und Verwirrung rang in dem weißen Engel um die Oberhand und er wusste, dass er raus musste. Raus. Einfach woanders hin. Da, wo er allein sein konnte. Allein sein hatte ihn immer beschützt. Nur dann konnte er er selbst sein. Niemand verstand ihn. Raphael akzeptierte ihn. Dmitri mied ihn. Jason respektierte ihn. Aber niemand verstand ihn. Niemand konnte die Last tragen, die er mit sich trug. Niemand. Schon gar nicht Illium. Die Sonne war schon längst hinter dem Horizont verschwunden und schwarze Wolken türmten sich am Nachthimmel auf. Kein Mond war zu sehen und auch die Sterne waren verhangen. Seit nunmehr Stunden strich Aodhan ziellos umher, wanderte unter dem donnernden Himmel und versuchte sein Innerstes zu beruhigen. Wie oft war er schon an dieser Weggabelung gewesen? Wie lange hatte er grübelnd auf diesem Felsen gesessen? Hatten seine Finger die tiefen Spuren in das weiche Moos gegraben? Er wusste es nicht. Wollte es nicht wissen. Noch immer wirbelten Gefühle und Gedanken in dem weißen Engel durcheinander, rangen miteinander und zerbrachen ihn fast. Die schwarze Wut darüber, dass er der Lage nicht Herr wurde war ebenso schlimm, wie das Rasen seines Herzens, die Unsicherheit, das Verlangen, der Zweifel, die Lust. Niemals zu vor war Aodhan so empfänglich, so verletzlich gewesen. Er fühlte sich wehrlos gegen all die Emotionen und war ihnen schutzlos ausgeliefert. In all den Jahren, all den Jahrhunderten hatte er verlernt Gefühle zu händeln, vergessen wie man mit der Flut in seinem Herzen klarkam. So viele Menschenleben lang war er taub gewesen, abgestumpft gegenüber all dem Erlebten und nun, da seine Fassade nach und nach zerbrach, die sorgsam gepflegte Mauer zwischen sich und der Außenwelt bröckelte, konnte er sich den heranbrandenden Emotionen nicht erwehren. Regen vermischte sich mit dem Schweiß auf Aodhans Körper, durchnässte Kleidung und Flügel. Schwer strömten die großen Tropfen auf den Engel nieder, schwemmten das Erdreich um ihn herum auf und ließen die kleinen Rinnsale aus seinen Augen zu Sturzbächen werden. Im Nu war die Welt schwarz und man konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Mit einem unheilvollen Rauschen peitschte der Wind durch die dichten Baumkronen und zog unbarmherzig an Haar und Flügeln. Kein Tier war mehr zu sehen und selbst die Nachtigall im weit entfernten Tal sang nicht mehr. Es war, als würde die Welt ausatmen und nur noch Sturm und Regen hervorbringen. Und noch immer rührte sich Aodhan nicht. Es schien, als wollten ihn seine Beine plötzlich nicht mehr tragen, als wären sie, nach Stunden des Herumirrens, nun müde. Regungslos saß er zu Füßen einer uralten Eiche, lauschte dem tiefen Knarzen ihrer rissigen Borke und wünschte sich die Leere in seinem Inneren zurück. Nein, er wollte nicht mehr kämpfen, hatte keine Kraft mehr. Wer konnte sich schon ewig gegen einen solchen Ansturm wehren, wer konnte schon sein ganzes, ewiges Leben tapfer sein? Sein Blick irrte zwischen den dunklen Stämmen umher, suchte nach Worten, nach Hilfe, nach einem Moment der Ruhe in all dem herrschenden Chaos. Tosend rollte nun Donner über das regennasse Land und immer wieder erhellten gleißende Blitze den finsteren Horizont. Wolkenmassen türmten sich auf und schlugen krachend aufeinander, wurden vom Sturm zerrissen und davon getrieben. Aodhans Glieder waren schwer, so unendlich schwer und jeder Muskel schmerzte. Selbst seine sonst so strahlendweißen Flügel lagen am Boden, wurden von Schlamm und Waldboden überspült und die grauen Bandagen sogen sich mit Regen voll. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, ehe er sich erhoben hatte und auf unsicheren Beinen zwei, drei Schritte nach vorn machte. Wütend peitschte ihm der Sturm den Regen entgegen und wollte ihn zur Umkehr zwingen. Aber die Vernunft, eine kleine Flamme, war in Aodhan zurückgekehrt und er wusste, dass er hier nicht bleiben konnte. Nach vorn gebeugt, die Arme um den Körper geschlungen und die Flügel so fest es eben ging an den schmalen Rücken gepresst, stemmte er sich gegen die Naturgewalten, kämpfte sich tapfer nach vorn und erreichte nach einigen Minuten den Waldausgang. Hatte er das Unwetter im Schutz der Bäume bereits als unbarmherzig bezeichnet, tobte es hier nahezu unerträglich. Donnernd fegte der Sturm über den vor ihm liegenden Pfad, brach sich heulend an den vielgezackten Berggraden und gewann dadurch zusätzlich an Stärke. Blätter, Wurzelgehölz, Erdklumpen und herausgerissene Grasbüschel wirbelten in einem wilden Durcheinander durch die Luft und immer wieder züngelten vielgegabelte Blitze über den finsteren Horizont. Regenschleier, dicht und undurchdringlich, vernebelten die Sicht und erschwerten das Vorankommen zusätzlich. Als Aodhan die ersten unsicheren Schritte aus dem Windschatten der mächtigen Laubbäume getan hatte, bekam er sogleich die volle Wucht des Unwetters zu spüren. Wie ein Orkan fuhr der Sturm unter die empfindlichen Flügel, zog an den Bandagen und bescherte dem weißen Engel unsägliche Schmerzen. Feder rissen aus, wurden in die Tiefen des Gebirges getragen und Aodhan strauchelte. In diesem Sturm boten Flügel eine große Angriffsfläche und wurden den Engeln zum Verhängnis, dass hatte er schon als kleiner Junge gelernt. Mit einem Keuchen zog er die schmerzenden Flügel noch näher an sich, ignorierte die weißen Federn, die voller Hohn um seinen Kopf tanzten, und drückte sich so gut es eben ging gegen die schroffe Felswand linker Hand. Der schmale Pfad vor ihm war völlig überflutet und immer wieder glitt er aus, rappelte sich wieder auf und kämpfte sich weiter voran. Das Tosen des Windes war mittlerweile zu einer schier unerträglichen Geräuschkulisse angeschwollen und donnerte in den empfindsamen Ohren des Engels. Hilfe. Er braucht Hilfe. Mit einem ohrenbetäubenden Knall schlug der Blitz irgendwo im Gebirge ein, brachte Erdmassen und Geröll ins Rutschen und nach wenigen Sekunden ging donnernd eine Lawine zu Tal. Der Boden unter Aodhans Füßen vibrierte und noch während er sich darauf konzentrierte, den kleinen Rinnsalen aus Regen, Schlamm und Eisbrocken auszuweichen, jagte eine weitere Sturmböe heulend heran. Mit der Wucht von hundert Fäusten erfasste sie den weißen Engel, riss ihn zu Boden und schleuderte ihn meterweit durch die Luft. Regen prasselte auf Aodhans Gesicht und er schloss die hellen Augen. Er hatte keine Chance dem eisernen Griff der Natur zu entkommen, war flügellahm wie ein junges Küken und in seinem Körper war kein Funken Kraft mehr. Wie eine Stoffpuppe wirbelte er durch den Sturm, sank schließlich hinab und landete mit einem schmerzhaften Krachen auf einem steinernen Vorsprung. Geröll bohrte sich in Rücken und Flügel und ein rotes Rinnsal schoss unter seinem Körper hervor. Noch immer hielt der weiße Engel seine Augen geschlossen und lauschte in die Nacht. Regen. Wind. Das Donnern der Wolken und irgendwo, ganz in der Nähe, eine Stimme die ihn rief. Mit einem Ruck versuchte Aodhan sich aufzusetzen, zischte schmerzvoll auf und ließ sich wieder zurückfallen. „Hier.“, schrie er so laut er konnte und kämpfte den falschen Stolz nieder. Dies war nicht der richtige Moment um heldenhaft zu sein. „Hier!“, schrie er noch einmal gegen das Tosen, zog die Beine an und drückte sich ein wenig nach oben, der Stimme entgegen. Sein nächster Ruf ging in einem weiteren Krachen unter und der Geruch von verbrannter Erde stieg in Aodhans Nase. Erneut hatte der Blitz eingeschlagen, ganz in der Nähe, über ihm. Erdbrocken und kleine Steine prasselten auf ihn herab, trafen schmerzlich Gesicht, Hände und Brust. Endlich riss Aodhan die Augen auf, starrte in den Regen, sah das heraubsausende Geröll auf sich zufliegen und mit dem grauen Granit auch mitternachtsblau und indigo. Eine Sekunde später war Illium über ihm. Er presste seinen heißen Körper an Aodhans, breitete die dunkelblauen Flügel wie ein schützendes Tuch über ihrer beider Leiber aus und fing Geröll, Steinsplitter und Erdbrocken ab. Seine goldenen, flammenden Augen bohrten sich in Aodhans und ein Ausdruck unendlicher Erleichterung lag in ihnen. „Hab ich dich.“, flüsterte er über das Tosen des Sturms hinweg und für einen kurzen Augenblick drückte er sein erhitztes Gesicht gegen den Hals des weißen Engels. „Endlich.“, formten Aodhans Lippen und er lächelte leise. Endlich. Kapitel 4: Perfekt. ------------------- Schier endlos war dem weißen Engel der Rückweg erschienen. Schwer auf Illium gestützt hatte er unter Sturm und Regen geächzt und jeder Schritt war ihm wie eine ganze Meile erschienen. Die schmalen Bergpfade waren überschwemmt und rutschig, Felsbrocken und steinernes Geröll versperrten ihnen den ohnehin schon beschwerlichen Weg und immer wieder trafen herumfliegende Erdklumpen und Grasbüschel sie in Gesicht und Körper, in Kniekehlen und auf die empfindsamen Flügel. Als endlich das Portal der Zuflucht in Sicht kam seufzten beide Engel auf und Aodhan spürte, wie ihn Erleichterung durchströmte. „Ich bringe dich gleich zu Keir.“, rief Illium über das Tosen des Sturms hinweg und war versucht, sich von dem weißen Engel zu lösen. „Nein.“, entgegnete Aodhan energisch und für einen Moment spürte er das wohlbekannte Knäuel aus Panik und Übelkeit in seinen Eingeweiden rumoren. Der Gedanke, wieder angefasst und verbunden zu werden, gefangen und gezähmt zu sein, riss an seinem ohnehin sehr dünnen Nervenkostüm und ein Schauder rann über seinen schmerzenden Körper. Nein. Auf keinen Fall. Nie wieder. „Aber du bist verletzt, Aodhan.“, widersprach Illium energisch und versuchte den großen Mann an seiner Seite mit sich zu ziehen. „Bring mich einfach in mein Zimmer.“, überschrie Aodhan einen tosenden Donnerschlag. „Bitte.“ Das letzte Wort, geflüstert nur und nahezu lautlos, drang wie ein Hilferuf an Illiums Ohr und entgegen seines Vorhabens, Aodhan auf jeden Fall dem Heiler vorzustellen, machte er auf der Stelle kehrt und strebte den Nordeingang der Zuflucht an. Die beiden Männer stöhnten voll Erleichterung als sie endlich in den erlösenden Schutz der Innenräume traten. Laut jaulten Sturm und Donner um die Zuflucht, trieben schwarze Wolken und Blitze wie bei einer Treibjagd vor sich her und rüttelten erfolglos an den Fenstern. Eine Spur aus Schlamm, Regenwasser und hellrotem Blut hinter sich herziehend durchquerten die Windgepeitschten die still daliegenden Korridore. Kein Engel kreuzte ihren Weg, keine Seele verirrte sich um diese späte Stunde so weit in den Außenflügel des Gebäudes und als sie endlich die hohe Eichentür, die die Grenze zu Aodhans Gemächern markierte, passierten, schlug die große Uhr am Turm Mitternacht. „Wohin?“, fragte Illium atemlos und sah sich rasch im Salon um. Seine Stimme klang gepresst und seine goldene Haut war grau vor Anstrengung. „Bad.“, antwortete Aodhan knapp und die Welt verschwamm vor seinen Augen. Sein Körper ächzte bei jedem Schritt und jegliche Kraftreserven schienen aufgebraucht. Das Blut in seinen Adern brannte wie Feuer und seine Kehle war trocken wie Wüstensand. In dem großzügigen Badezimmer angekommen ließ Illium seine Last auf einem der reichverzierten Hocker nieder und sah sich hektisch um. „Bleib sitzen, ich hole Verbandsmaterial.“, wies er Aodhan an und verließ mit schnellen Schritten den großen Raum. Schweiß stand auf seiner Stirn, rann seine Flanken hinab und bildete kleine kitzelnde Rinnsale mit dem Regenwasser aus seinem Haar. Illiums Körper zitterte vor Anstrengung und seine Beine schienen ihm jeden Moment den Dienst versagen zu wollen. Sich selbst und Aodhan vor dem Regen, dem Sturm und der unmenschlichen Urkraft des Wetters zu beschützen, hatte ihm alles abverlangt und nun fühlte er sich ausgebrannt und schwach. Bloß nicht aufgeben jetzt. Weitermachen. Im Nu fand er Bandagen, Mullbinden, Gewebekleber und Schmerzmittel in Aodhans Medizinschrank, lud sich alles auf die Arme und kehrte ins Badezimmer zurück. Der weiße Engel, über und über mit Schlamm und Blut bespritzt, saß noch wie er ihn zurückgelassen hatte und hielt die Augen geschlossen. Seine Kiefer waren hart aufeinander gepresst, die Muskeln an Hals, Rücken und Flügeln verkrampft und zum Zerreißen gespannt. Das weiße Haar, sonst weich und schimmernd wie feinste Seide, war mit Blattwerk, kleinen Ästen und verkrustetem Blut geschmückt und lag in unordentlichen Strähnen um seinen Kopf. Verzweiflung machte sich in Illium breit und für einen Moment fühlte er sich hilflos wie ein Kind. Aodhan, den stolzesten Engel der Sieben, so zu sehen schnürte ihm Kehle und Herz zu – aber er durfte nicht straucheln. Nicht jetzt. Nicht hier. Er wurde gebraucht. Endlich gebraucht. Mit einem entschlossenen Ruck öffnete er den Wasserhahn und ließ frisches, heißes Wasser in das tiefe Becken am Boden laufen. Aus einer Vielzahl von kleinen Töpfen auf dem Regal an der Wand wählte er sorgsam verschiedene Kräuter aus und kombiniert die Gerüche solange, bis er Aodhans Duft wiedererkannte: Harz und wildes Wasser, ein Hauch von Schnee und orientalischen Gewürzen. Großzügig ließ er seine Auswahl in das Badebecken gleiten, kehrte dann zu seinem Patienten zurück und fiel vor ihm auf die Knie. „Aodhan, ich werde jetzt deine Verletzungen untersuchen.“, sagte er leise und versuchte in den unerträglich weißen Augen des Engels zu lesen. Nichts. Völlige Ausdruckslosigkeit. „Danach solltest du baden, denn es ist wichtig, dass der Schmutz aus deinen Flügeln verschwindet.“ Keine Reaktion. „Aodhan? Hörst du mir überhaupt zu?“ Stille. Lange Zeit kein Wort. Dann ein leises Flüstern. Endlich. Ein Schluchzen. Weinte Aodhan? Mit bangem Herzen drehte Illium das Gesicht des weißen Engels ins Licht, strich zärtlich über die weiche, zerkratzte Haut an Wange und Kinn und seufzte dann leise. „Nicht doch.“, murmelte er, der Indigoengel, leise und strich die salzige Tränenspur aus Aodhans Augenwinkeln. „Kein Grund zu weinen.“ Aodhan schniefte, schmiegte sich wie ein Kind in Illiums raue Handfläche und versuchte seine Flügel vom Boden zu erheben. Vergeblich. Immer mehr Tränen schossen in die Augen des weißen Engels, rannen über seine Wangen und die Finger des Blaugeflügelten, benetzten Boden und Fliesen. Haltlos schluchzend, von stummer Qual geschüttelt, kauerte Aodhan auf dem Hocker und spürte wie Illium ihn hielt. Wie sich starke Hände um sein Gesicht schlossen, eine kühle Stirn die seinige berührte und sich große, mitternachtsblaue Schwingen um seine Schultern legten. Einen Himmel schufen. Einen Ort, an dem Aodhan sicher war. Ihm einen Platz in dieser Welt gaben. Illium wusste nicht wie lange sie so verharrten und sich aneinander festhielten. Der Sturm begann langsam sich zu legen und große, dicke Wassertropfen prasselten nun in beruhigender Gleichförmigkeit gegen die hohen Fenster. Längst war das Heulen in den Gängen verschwunden und nur noch selten zuckten grelle Blitze über den pechschwarzen Himmel. Irgendwann verstummten die Schluchzer des weißen Engels und der Strom heißer Tränen versiegte. Stille legte sich wie ein sanftes Tuch um die beiden Männer und als Illium sicher war, dass Aodhan wieder zu sich fand, machte er sich, wie angekündigt, an die fachkundige Untersuchung der zahlreichen kleinen Verletzungen auf Aodhans Körper. Wie vermutet hatten herabfallende Äste und Steine einige tiefe Risse in den Rücken des weißen Engels gegraben und hoben sich stark von der hellen Haut ab. Blessuren und Wunden von dem letzten Kampf verunzierten Schultern, Brust und Flügel und Illium schluckte hart den aufkommenden Zorn herunter. Mit umsichtigen Bewegungen säuberte er die zerkratzte Haut des weißen Engels, sorgsam darauf achtend die empfindlichen Flügel nicht zu berühren, und befreite Zentimeter um Zentimeter von Schlamm, Blut und Regen. Nach nahezu einer vollen Stunde erhob sich Illium stöhnend und betrachtete zufrieden sein Werk: Alle Risse, Wunden und Verletzungen waren gesäubert und desinfiziert. In die größeren Schnitte hatte er sorgsam kleine Mengen des hellroten Gewebeklebers injiziert und die Ränder begannen bereits sich zu schließen. Mit viel Ruhe und ein wenig Geduld würde man schon in einigen Tagen nichts mehr von den jüngsten Verletzungen sehen können. Aodhan hatte während der gesamten Wundversorgung bewegungslos dagesessen, jede Berührung klaglos hingenommen und nur hier und da schmerzlich aufgestöhnt. Nun regte sich der weiße Engel, erhob sich auf unsicheren Beinen und hob bedächtig seine Flügel an den zerschlagenen Rücken. Noch immer waren seine Augenlider rot vom Weinen und in den zersplitterten Iriden tanzten Ratlosigkeit und Verwirrung. „Alles okay?“, gurrte Illium leise und trat einen Schritt zurück. Wie in Trance nickte Aodhan, fuhr sich mit den Fingern über die schmerzende Brust und neigte seinen schönen Kopf. „Ich würde mich gern säubern.“, sagte er tonlos und seine Stimme klang rau und kehlig. Erleichterung durchströmte Illium und er nickte ergeben. Es war kein gutes Gefühl fortgeschickt zu werden, aber er verstand den weißen Engel und respektierte dessen Privatsphäre. „Ich gehe dann.“, sagte er, obwohl alles in ihm dagegen protestierte und verließ, mit einem letzten Blick auf den weißen Engel, dessen Räumlichkeiten. Als Aodhans Körper das saubere Wasser berührte, ging ein Schauer über seine bleiche Haut. Hitze und Kräuterduft schlugen über dem Engel wie eine Woge zusammen und zogen ihn hinab in ihre lockende Tiefe. Hände, Füße, Arme, Brust und Federn tauchten in die heißen Fluten und gaben sich dem erlösenden Gefühl der Schwerelosigkeit hin. Schmutz, Blut und Tränen wurden hinweg gespült und für einen winzigen Moment fühlte Aodhan so etwas wie Zufriedenheit in sich. Rastlosigkeit und Trauer, Schmerz und Zweifel waren für den Bruchteil einer Sekunde wie weggewaschen und zurück blieb nur tiefer Frieden. Und Illiums Duft an seiner Haut. Der Morgen graute bereits am stürmischen Himmel und der Regen war gerade im Begriff ein wenig nachzulassen als Illium, erfrischt und todmüde, seinerseits aus dem Badezimmer seiner Suite trat. Nachdem er Aodhan verlassen hatte, war er noch stundenlang durch die Zuflucht geirrt. Mit schmerzendem Körper und zitternd vor Kälte hatte er voll Unruhe Gänge und Korridore, Säle und Versammlungshallen durchstreift und gegen den unbedingten Impuls, zu dem weißen Engel zurückzukehren, angekämpft. Erst als die ersten Geräusche der erwachenden Zuflucht an sein Ohr drangen, hatte er den Weg zu seinen Räumlichkeiten gefunden und war, erschöpft und mit dröhnendem Kopf, in der geräumigen Dusche seines Badezimmers zusammengesunken. Eine ganze Stunde lang hatte er heißes Wasser und weißen Dampf auf sich niederregnen lassen und versucht sein Inneres zu zähmen. Begehren, Leidenschaft und Gier kämpften erbittert gegen Vernunft und Verständnis in Illiums Brust und wehrten sich erbittert gegen alle logischen Argumente. Als der Sturm in Illium endlich nach ließ und Erschöpfung und Müdigkeit Platz machte, hatte sich der Engel erhoben, seinen Körper gründlich von den Spuren der letzten Nacht befreit und das Bad in bequemen Hosen verlassen. Nun stand er, unschlüssig und verwirrt an seinem Fenster und verfolgte die Spur der feinen Regentropfen auf der großen Scheibe. Wie sie kleine Rinnsale bildeten, sich mit weiteren Tröpfchen verbanden, an Größe und Stärke zunahmen und sich vereinten. Illium musste unwillkürlich lächeln und dachte an Aodhans seidenweiche Haut. An den harzigen, exotischen Duft des weißen Engels. An seine heißen Tränen. An die stahlharten Muskeln und das nasse, vom Sturm zerzauste Haar. Alles an Aodhan war... perfekt. Perfekt für Illium. Wunderschön und stark zugleich, eine anbetungswürdige Einheit aus geschmeidigen Muskeln und weichen Bewegungen. „Komm schon Illium.“, knurrte der blaugeflügelte Engel leise und versuchte seine verräterischen Gedanken abzulenken. „Du bist doch sonst nicht so leicht zu beeindrucken.“ Vergebens. Immer wieder schob sich Aodhans Bild, der Anblick seiner schneeweißen Flügel in den schmutzigen Bandagen, vor Illiums inneres Auge und schließlich resignierte dieser mit einem lauten Seufzen. Zum Teufel mit seiner Selbstbeherrschung. Mit wenigen schnellen Schritten durchquerte der junge Engel sein Schlafzimmer, ließ den Salon hinter sich und trat an die hohe Tür aus dunklem Holz. Er würde nur kurz bei Aodhan vorbeischauen, prüfen ob alles in Ordnung mit ihm war. Wahrscheinlich nicht mal reingehen. Nur an der Tür lauschen. Sichergehen, dass der verletzte Engel schlief. Oder wenigstens zur Ruhe gekommen war. Mit Schwung öffnete Illium die Flügeltür und wäre beinahe mit einem plötzlichen Hindernis zusammengeprallt. Der Duft von Schnee, wildem Wasser und orientalischen Gewürzen kroch in die Nase des Blaugeflügelten und für den Bruchteil einer Sekunde schwindelte ihm. Dann trat er einen Schritt zurück und bat seinen ungewohnten Besucher mit einer stummen Geste herein. Mit unsicheren Schritten, die Flügel viel zu nah am Boden, trat Aodhan ein und sah sich einen Moment um. Die Aufteilung der Zimmer entsprach nahezu völlig seinen, nur der Balkon war größer und mit hellgrünem Rasen überzogen. Überall lagen Kissen und weiche Decken, dicke Teppiche dämpften jeden Schritt und man bekam sofort Lust, seine Zehen in die flauschigen Fasern zu vergraben. Die Möbel waren ein wildes Durcheinander aus Stilrichtungen vergangener Jahrhunderte und eine beeindruckende Sammlung alter Bücher und Waffen schmückte die umstehenden Regale. Etwas unschlüssig strich sich Aodhan die noch immer feuchten und strähnigen Haare aus dem Gesicht, folgte Illium mit den Augen und kam sich unglaublich dumm vor. Warum war er nochmal hier? „Ist alles in Ordnung?“, brach der blaue Engel die Stille und lehnte sich gegen die gläserne Flügeltür zur Terrasse. Der Himmel in seinem Rücken hatte in der Morgendämmerung eine bleigraue Farbe angenommen und tauchte das Zimmer in schummriges Licht. Aodhan zuckte die Schultern und leckte sich nervös über die Oberlippe. Schweiß, wohl von der Anstrengung des Weges, stand auf seiner Stirn und glänzte leicht. „Ich... ich wollte...“, murmelte er leise, schüttelte dann den Kopf und brach ab. Illium stieß sich mit einer geschmeidigen Geste vom Fenster ab und ging auf seinen Gast zu. „Ja?“, schnurrte er leise und blieb nur einen Schritt vor Aodhan stehen. Flammen tanzten in seinen goldenen Augen und er verströmte einen köstlichen Geruch nach Sonne und persischem Honig. „Ich wollte nur... wo wolltest du eigentlich hin? Ich will dich nicht aufhalten.“, unterbrach sich Aodhan erneut und seine Augen, in der Farbe gesplitterten Glases, suchten für einen Moment die Illiums. Der blaugeflügelte Engel schüttelte den Kopf und hob wie in Trance seine Hand. Langsam griff er in das Haar seines Besuchers und fischte ein einzelnes Blatt heraus. Zärtlich strichen seine Finger über die zerzauste Mähne des weißen Engels und beide Männer erschauderten. „Wie geht es deinem Rücken?“, fragte Illium leise und ließ das winzige Blatt leise knisternd zu Boden fallen. Aodhan registrierte die Nähe des anderen Mannes mit faszinierender Deutlichkeit. Hitzewellen, rein und erholsam, pulsierten von Illiums Körper aus und krochen wie zärtliche Liebkosungen über die Haut des Weißgeflügelten. Der Duft von warmen Sommertagen und verglimmenden Lagerfeuern umgab ihn und die Sinne des weißen Engels badeten schnurrend in der betörenden Berührung. „Gut, danke.“, antwortete Aodhan gewohnt höflich und versuchte seine Kehle durch heftiges Schlucken zu befeuchten. „Soll ich dir mit den Bandagen helfen?“, gurrte Illium und strich sich mit einer sinnlichen Geste das Haar aus der Stirn. Sein Blick heftete sich an die schmutzigen und noch immer nassen Verbände an den schneeweißen Flügeln seines Gegenübers. Unordentlich klebten sie an den feinen Federn und verunzierten die prachtvollen Kunstwerke. Aodhan stockte. Sein Inneres zog sich für einen Moment zu einem harten Ball zusammen und Schwärze vernebelte sein Sichtfeld. Sauer und schmerzhaft stieg die Übelkeit in ihm hoch und er konnte sich nur mühsam beherrschen. Dann schüttelte er den Kopf. „Bitte nicht berühren.“, entrang sich seiner Kehle und er wusste, dass er Illium damit enttäuschen würde. „Nicht dort.“, fügte er deshalb hinzu. Der blaue Engel nickte und der glühende Bernstein in seinen Augen wurde eine Spur dunkler. „Dann lass mich wenigstens die restlichen Blätter und Äste aus deinen Haaren kämmen.“, entgegnete er und verschwand im Bad, ehe Aodhan protestieren konnte. Als er mit einer Bürste bewaffnet zurückkehrte stand sein Besucher noch immer an derselben Stelle, bewegungslos und mit zitternden Händen. „Setz dich.“, forderte Illium ihn auf und deutete auf eines der niedrigen Sofas. Flauschige Kissen und eine samtweiche Decke luden zum Dösen und Entspannen ein, die Sitzfläche war breit genug einem Engel in all seiner Herrlichkeit Platz zu bieten. Aodhan tat wie ihm geheißen und ließ sich mit unterschlagenen Beinen nieder, sorgsam darauf achtend, dass seine schmerzenden Flügel nirgendwo anstießen. Wie ein Kind, dass noch in der Lernphase war, ließ er sie links und rechts des Möbelstücks hängen und versuchte so, eine einigermaßen bequeme Position zu finden. Lautlos ließ sich Illium hinter seinem ungewöhnlichen Gast nieder und atmete tief ein. „Sag Bescheid, wenn es wehtut.“, murmelte er leise und begann dann mit spitzen Fingern die Reste des Sturmes aus Aodhans Haar zu klauben. Sanft entfernte er Blätter und Tannennadeln, befreite das sonst so makellose Haar von kleinen Ästchen und Baumrinde und entwirrte die weißen Strähnen mit zärtlicher Hand. Immer wieder rieselten Schauer durch Illiums Körper und ließen ihn, von den Fingerspitzen ausgehend, erzittern. Hitze tobte in seinem Inneren und Aodhans Duft vernebelte ihm die Sinne. Begehren strich wie ein Raubtier im Käfig durch seine Brust und verlangte nach so viel mehr. Er stöhnte lautlos und biss sich auf die Lippe. Das hier würde ihn noch in Teufels Küche bringen. Nachdem er zufriedenstellend alle groben Verunreinigungen entfernt hatte griff Illium nach der Haarbürste und begann langsam, Strähne für Strähne, den weißen Schopf des Engels vor ihm zu kämmen. Kühl und weich wie flüssiges Silber rannen die einzelnen Haare durch die Finger des Blaugeflügelten, schlangen sich um Handgelenk und Arm und kitzelten erregend auf der honiggoldenen Haut. Umsichtig und aufmerksam darauf achtend die gebrochenen Flügel Aodhans nicht zu berühren, arbeitete sich Illium gewissenhaft vor und bürstete jede Strähne so lange, bis sie wie ein Fluss aus Perlmutt und reiner Seide in den Rücken seines Gastes fiel. Er seufzte leise als er ein letztes Mal durch die weiße Pracht strich, dann war er fertig und lehnte sich zurück. „So ist es schon viel besser.“, murmelte er leise und betrachtete sein Werk im Licht der aufgehenden Sonne, mit einem zufriedenen Lächeln. So wunderbar duftend und frisch gesäubert zeugten nur noch die schmutzigen Bandagen von den Strapazen der vergangenen Nacht. Aodhan schwieg. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig, sein Herzschlag ebenso. Gänsehaut lag auf dem schlanken Hals und er hielt die Augen geschlossen. Lautlos erhob sich Illium, legte Bürste und einige Kissen beiseite und kniete sich vor Aodhans schlafenden Körper. Erschöpfung und Müdigkeit hatten ihren Tribut gefordert und den weißen Engel hinab ins Reich der Träume gezogen. Seine matten Glieder waren schwer und schwerer geworden und schließlich war selbst der Schmerz verschwunden. Nur noch die samtweichen Berührungen des Blaugeflügelten, seine liebevolle Umsicht und der betörende Duft seines Körpers waren geblieben und hatten Aodhan in den Schlaf gestreichelt. Illium lächelte und strich mit einer zärtlichen Geste die weißen Perlmutthaare aus dem Gesicht des weißen Engels. „Aodhan.“, flüsterte er leise und schob seine Arme unter den trägen Körper des Schlafenden. Wärme und der Duft nach exotischen Märkten schwappten in Illiums Sinne und für einen Sekundenbruchteil schwindelte ihm. Dann erhob er sich, presste den schweren Körper an sich und trug ihn zu dem ausladenden Bett im Schlafzimmer. Sanft glitt Aodhan in die weichen Kissen, atmete tief ein und wühlte seine Nase in eines der weichen Kissen. Wie ein Kind rollte er sich zusammen und seufzte leise als Illium eine warme Decke über den großen Engel in seinem Bett legte. „Schlaf gut.“, flüsterte der Blaugeflügelte und verließ den schlafenden Mann mit einem Lächeln. Kapitel 5: Fallen. ------------------ Tiefe allumfassende Stille umfing Aodhan als er erwachte. Das Donnern und Tosen des Sturms war einem gleichmäßigen Prasseln feiner Regentropfen gewichen und noch immer lag Dunkelheit über der Welt. Vorsichtig versuchte der weiße Engel sich zu bewegen und stellte zu seiner Verblüffung fest, dass sich außer dem üblichen Reißen in den Flügeln die Schmerzen in Grenzen hielten. Seine Muskeln, noch steif vom Schlaf und träge von der gemütlichen Wärme unter der Decke, protestierten nicht, wie mittlerweile fast gewohnt, gegen jede Bewegung und sein Körper fühlte sich wunderbar erholt und ausgeruht an. Einen Moment war Aodhan versucht aufzustehen. Er lag schon viel zu lange hier und instinktiv wusste er, dass er mehr als nur einen Tag verschlafen hatte. Aber dann besann er sich. Vorsichtig glitt er zurück in die Kissen und richtete seinen Blick an die Decke. Er konnte nicht leugnen, dass er seit Jahrzehnten nicht mehr so tief und sicher geschlafen hatte wie in Illiums Bett und sein körperlicher Zustand bestätigte diese Gewissheit. Er erinnerte sich in die Kissen gesunken zu sein wie in eine Wolkendecke. Weich und duftend hatten sich Laken und Decke an ihn geschmiegt und alles in ihm hatte plötzlich losgelassen. Wut, Trauer, Zorn, Schmerz und Zweifel waren wie weggeblasen und er hatte sich sicher gefühlt. Behütet im Bett des blauen Engels, eifrig bewacht von dessen scharfen Sinnen. Der Regen und das trübe Licht der Morgensonne hatten sich mit dem Duft nach Feuer und Harz vermischt und Aodhan war in einen tiefen, traumlosen Schlaf der Erholung geglitten – ohne Alpträume, ohne gehetztes Erwachen. Mit einem leisen Seufzer hüllte sich Aodhan noch einmal in die weichen Laken, drückte seine feine Nase in eines der vielen Kissen und sogen dessen Duft ein. Sonne. Erde. Goldener Honig. Verlöschendes Feuer. Illium war bereits mit der untergehenden Sonne erwacht und hatte sich zu Keir begeben. Der Heiler erwartete bereits mit mühsam beherrschter Ungeduld eine Nachricht über den Verbleib des weißen Engels und ließ sich nur mit großer Mühe davon abbringen, Aodhans Gemächer zu stürmen. Die Sorge um seinen Patienten stand Keir ins Gesicht geschrieben und er ließ Illium nicht ziehen, ehe der nicht einen Besuch des Weißgeflügelten am nächsten Tag versprach. Mit einigen Ausreden, die Tatsache, dass Aodhan in Illiums Bett statt in seinem eigenen schlief sorgsam vertuschend, gelang es dem blauen Engel den Mediziner zu beruhigen und er verließ den Krankenflügel mit leichtem Herzen. Ein anschließender kurzer Abstecher in die große Küche im Untergeschoss versorgte den jungen Engel mit allem, was das Genießerherz begehrte. Frisches Brot, gegartes Gemüse, Obstspießchen, Schokoladenpudding, Karamelleis, kalter Rosenwein und noch einiges mehr balancierten auf dem vollbeladenen Tablett und Illium war froh, als er all das unfallfrei in seiner Suite verstauen konnte. Anschließend vertrieb er sich die Zeit auf dem Balkon und machte einige Entspannungsübungen im letzten Licht der Sonne. Voller Faszination warf er immer wieder bewundernde Blicke durch das große Fenster auf den schlafenden Gast in seinem Bett und sein Herz wurde leicht. Aodhan hier zu haben, in seinem Reich, seinem persönlichen Rückzugsort, war mehr als erregend und beruhigte seine aufgewühlte Seele. Nachdem mit der aufkommenden Kühle der Nacht auch der Regen wieder eingesetzt hatte beendete Illium schweren Herzens das Training und verzog sich nach drinnen. Unschlüssig, ob er die Räumlichkeiten verlassen sollte oder nicht, versuchte er sich auf eines der zahlreichen Bücher zu konzentrieren. Vergebens. Der Gedanke an Aodhans großen Körper, warm und verlangend, in seinen Laken war willkommen und verstörend zugleich und verhinderte jegliche vertiefende Tätigkeit. Nach einem kargen Mahl und einem kurzen Telefonat mit Raphael bezüglich Illiums Wiedereinsatz, beschloss Illium das zu tun, was er am Besten konnte: er übte sich in verschiedenen Kampftechniken. So leise wie möglich rückte er zwei der niedrigen Sofas beiseite, stapelte die Kissen in einer Ecke des Salons auf und wählte dann einen Krummsäbel und zwei Dolche aus seinem Repertoire. Schweigend wärmte er sich auf, griff nach der einhändigen Waffe am Boden und legte los. Dunkle Regenwolken trieben am Himmel und schoben sich immer wieder vor den silbernen Mond. Aodhan sah aus dem Fenster und betrachtete das nachtschwarze Firmament, sich noch immer vor dem Verlassen des Schlafzimmers drückend. Eine geschlagene Stunde hatte er in den weichen Kissen gelegen, deren Duft und wohlige Wärme genossen und sich sicher gefühlt. Sich endlich Zuhause gefühlt. Doch das Wissen dass er nicht ewig davonlaufen konnte, Hunger und Neugierde trieben ihn aus der lockenden Wärme und er erhob sich umständlich. Er warf einen prüfenden Blick auf seine Kleidung, zupfte Sweatshirt und Hose leicht zurecht und öffnete dann die Flügeltür zum Salon. In der Mitte des Raumes, ganz von gedämpften Licht umgeben, stand Illium, in den Händen jeweils einen spitzen Metalldolch. Hochkonzentriert und den Körper gespannt wie eine Bogensehne führte er einen schnellen Rückwärtsdreher aus, stach blitzschnell mit dem Dolch zu und war im nächsten Moment schon wieder außer Reichweite des potenziellen Gegners. Seine mitternachtsblauen Flügel waren dicht an seinen muskulösen Rücken geschmiegt und boten keinerlei Angriffsfläche, die silbernen Federkronen schimmerten verheißungsvoll. Illium lächelte als sein Blick auf seinen Gast fiel und er führte eine letzte blitzschnelle Bewegung aus ehe er die messerscharfen Klingen an ihren Platz im Regal zurücklegte. Dann angelte er sich ein Handtuch vom Stuhl, wischte sich den glänzenden Schweiß von Gesicht und Brust und spreizte für einen wunderbaren Moment seine Flügel zu voller Größe auf. Aodhan stockte der Atem und für einen Augenblick schien alles andere außerhalb dieser wunderschönen Kunstwerke nicht mehr zu existieren. Die Welt stand für einen berauschenden Bruchteil einer Sekunde still und der weiße Engel verlor sich in azurblau, mitternachtsblau, meerblau, lichtblau und Schatten von aquamarin. Wie betäubt war er von den Farbverläufen, betört von dem weichen Flaum an den Schulteransätzen und den silbergekrönten Spitzen in der Farbe flüssigen Quecksilbers. Illiums Duft, nach Honig und Sonne, wehte wie eine seichte Brise über Aodhan hinweg und machte ihn trunken. Machte ihn süchtig. Machte ihn gierig auf mehr. Dann faltete Illium seine Flügel wieder zusammen und Aodhan hatte Mühe seiner Enttäuschung nicht durch einen wütenden Aufschrei Ausdruck zu verleihen. Stattdessen räusperte er sich umständlich und ließ seinen Blick durch den Salon gleiten. „Gut geschlafen?“, fragte Illium mit einem Augenzwinkern und rückte mit einer lässigen Geste die Sofas wieder an Ort und Stelle. Gegen seinen Willen erwiderte Aodhan das Lächeln seines Gegenübers und nickte bestätigend. „Sehr gut.“, antwortete er ehrlich und beobachtete Illium wie er die Kissen und Decken wieder auf den Sofas verteilte, kuschlige Rückzugsorte daraus machte. „Hunger?“, fragte der Blaugeflügelte weiter und band sich die feuchten Haarsträhnen zu einem lockeren Zopf. Für einen Augenblick kehrte die Panik in Aodhan zurück und er war versucht den Kopf zu schütteln. Wollte Illium mit einer knappen, harschen Geste abwürgen und einfach gehen. Wollte sich verkriechen und die Risse in seiner Fassade kitten. Doch dann besann er sich. Er fühlte sich frisch und ausgeruht, sein Körper war entspannt und ganz offensichtlich genoss ein Teil von ihm Illiums Anwesenheit. Warum sich also nicht noch ein bisschen gehen lassen, noch ein bisschen träumen, ehe der unvermeidliche Zusammenbruch kam? „Ja, sehr.“, antwortete er also nickend und sah sich um. „Kann ich kurz dein Badezimmer benutzen?“ Illium lächelte und seine goldenen Augen flammten auf. „Natürlich.“, antwortete er, deutete auf eine der umliegenden Türen und begann dann verschiedene Gerichte auf ein Tablett zu stapeln. Als Aodhan aus dem Bad kam, erfrischt mit kaltem Wasser, die Haare ebenfalls zu einem Zopf gebunden, barst der niedrige Tisch zwischen den Sofas beinahe unter der Masse an Essbarem, die sich darauf tummelte. Eine geschmackvolle und zweifelsohne gewagte Auswahl verschiedener Gerichte, Vorspeisen, Desserts und Kuchen wartete auf den hungrigen Aodhan und er ließ sich nur allzu gerne in die bequemen Polster rutschen. „Bedien dich.“, lud ihn Illium ein und Aodhan ließ sich nicht zweimal bitten. Normalerweise aß er nicht in Gesellschaft, hatte er noch nie getan, aber sein Magen knurrte und er hatte das Gefühl seit Tagen nichts mehr gegessen zu haben. Die Anstrengungen und der lange Schlaf der Genesung hatten all seine Fettreserven restlos aufgezehrt und nun brannte er darauf Gemüse, Brot, Obst, Kuchen und Schokolade zu verschlingen. Illium musste sich beherrschen nicht lauthals loszulachen als er seinen Gast begann, sich bergeweise Essen auf den Teller zu laden. So zurückhaltend und scheu Aodhan sich immer gezeigt hatte schien er beim Essen keine Gnade zu kennen. Langsam und genüsslich wanderten Weißbrot und ein Stück Feige in seinen Mund, hinterher ein großer Schluck Tee. Reis, Gemüse und gebratener Fisch folgten, wurden sorgsam auf Konsistenz und Geschmack geprüft, immer wieder neu mit Soßen und Dips variiert und mit feinen Gewürzen bestreut. Baiser in Erdbeersoße gewälzt, ein Schluck Rosenwein hinter, löffelweise Karamellpudding und Sahneeis bildeten den Abschluss. Illium, der nur ein Stück Limettenkuchen aß, beobachtete seinen Gast mit wachsender Begeisterung, schmolz dahin als sich Aodhan Puderzucker und süßes Karamell von den Lippen leckte und spürte eine leidenschaftliche Hitze in sich brennen und toben. Mit einem breiten Lächeln goss er eiskalten Rosenwein in ihrer beider Gläser nach, schob dann seinen Teller beiseite und stützte sich auf die Tischplatte. Seine flammenden Augen, lodernd und voll ungestümer Begierde, betrachteten Aodhans Gesicht. Sein Haar. Die langen geschwungenen Wimpern. Das gedämpfte Licht auf der feinen perlmuttfarbenen Haut. Die vollen Lippen. Die hohen Wangenknochen und die Augen von der Farbe gesplitterten Glases. Es dauerte eine ganze Weile, ehe der weiße Engel sich der eingehenden Musterung bewusst wurde und er blickte auf. Er hatte gerade den letzten Bissen des Baisers genommen und ließ sich das süße Gebäck im wahrsten Sinne des Wortes auf der Zunge zergehen. Ein fragender Ausdruck trat in seine Augen und eine steile Falte erschien auf seiner Stirn. „Stimmt was nicht?“, fragte er und seine Stimme klang alarmiert. Illiums Lächeln vertiefte sich und das Feuer in seinen Augen schmolz zu goldener Glut. Bernsteinaugen. Raubtieraugen. „Die Leidenschaft mit der du isst hat mich nur ein wenig erstaunt.“, entgegnete er und nahm einen Schluck des sündhaft teuren Weines. Aodhans Miene blieb unverändert und er wich einige Zentimeter zurück. „Ja ich...“, er stockte und blickte auf seinen leeren Teller. „Ich sollte gehen.“ , entschied er dann und erhob sich. Illium blieb noch einen Moment sitzen, versuchte seine Enttäuschung niederzukämpfen und folgte seinem Gast dann zur Tür. „Du hast morgen einen Termin bei Keir.“, sagte er so beiläufig wie möglich. Seine Stimme klang brüchig. Aodhans Blick wurde kalt und seine Flügel stellten sich auf. „Warst du bei ihm? War er hier? Was hast du ihm erzählt?“, fragte er in harschem Tonfall und ballte seine Hände zu Fäusten. „Nichts.“, antwortete Illium wahrheitsgemäß. „Das du schläfst. Das ich es von deiner Angestellten erfahren habe. Nichts weiter.“ „Dann...danke.“, sagte Aodhan und eine Spur Bedauern lag in seiner Stimme. Als er sich umwand konnte Illium die vielen Blessuren auf den schneeweißen Flügeln sehen und noch immer standen sie ungesund und seltsam falsch zum Körper. Illium wusste nicht, was er hätte erwidern können ohne seinen Gefühlen auf stürmische und unverzeihliche Art Luft zu machen – deshalb schwieg er und entließ seinen Gast wortlos. Der nächste Tag verlief ereignislos. Aodhan befolgte die Anweisung und suchte in den Mittagsstunden Keir auf. Nach einigen routinemäßigen Untersuchungen entfernte er die unnützen und schmutzigen Bandagen, versuchte erfolglos herauszufinden was zur Hölle vorgefallen war, und legte anschließend neue an. Straff und eng zwangen sie Aodhans Flügel in eine aufrechte Position und ließen den weißen Engel bei jeder Bewegung schmerzvoll aufstöhnen. „Nimm die Tropfen wenn es nicht geht und belaste deinen Körper so wenig wie möglich.“, bläute ihm der besorgte Mediziner noch einmal ein und überprüfte dann ein zweites Mal alle Vitalfunktionen. Aodhan biss sich auf die Lippen bis er blutete, konzentrierte sich auf den stechenden Schmerz in Rücken und Schultern und starrte an die gegenüberliegende Hand. Finger auf seinem Körper, Berührungen die nicht erwünscht, nicht erlaubt waren. Mühsam hielt er seinen Leib ruhig und wartete geduldig bis die Qual endlich vorbei war. „Kann ich gehen?“, fragte er schließlich und unterdrückte das Zittern seiner Stimme. „Ja.“, antwortete Keir knapp, hielt ihn dann aber nochmal zurück. „Raphael hat nach dir gefragt und wünscht einen Rückruf – du kannst das Stationstelefon benutzen.“ Und mit einem letzten Lächeln verschwand der Heiler. Das Angebot ausschlagend folgte Aodhan im Laufschritt den Korridoren in Richtung seiner Räumlichkeiten. Er brauchte Ruhe und einen klaren Kopf wenn er mit seinem Herr und Freund redete, ein lärmiger Krankenhausflur war da nicht der richtige Ort. Im Salon nahm er den Hörer ab, wählte die vertraute Nummer und hörte kurz darauf Dmitris samtweiche Stimme am anderen Ende. Wie ein Kater schnurrte er ins Telefon und wechselte erst als Aodhan sich zu erkennen gab in seinen gewohnt geschäftsmäßigen Tonfall. „Hallo Engelchen.“, grüßte er launig und kicherte leise. „Du bist etwas zu spät dran, Raphael ist vor wenigen Minuten zu einem Treffen mit Jason aufgebrochen.“ Aodhan überging die nahezu beleidigende Begrüßung und überlegte einen Moment. „Ist irgendetwas Wichtiges passiert?“ „Etwas, wichtig genug das Raphael dich in deinem Zustand damit behelligen würde meinst du? Nein.“, antwortete der Vampir am anderen Ende der Leitung und blätterte hektisch in einigen Akten. Zorn loderte wie eine Flamme in Aodhan hoch und er knirschte hörbar mit den Zähnen. „Was meinst du mit „in meinem Zustand“? Denkst du ich bin ein Krüppel?“, zischte er gereizt und hörte selbst, wie albern es klang. „Wow, jetzt halt mal schön die Bälle flach Engelchen – ich hab gehört du bist im Kampf schwer verletzt worden und es erging die Order an alle, dich in deinem Heilungsprozess in der Zuflucht nicht zu stören. Kein Grund gleich auszuflippen.“ Dmitris Stimme war ruhig und gefasst doch Aodhan konnte den Panther dahinter hören. Das tödliche Raubtier. Den Jäger. Den Killer. Seine Wut herunterschluckend wechselte er das Thema. „Dann erreiche ich Raphael auf seinem Handy.“, lenkte er und versuchte so beherrscht wie möglich zu klingen. „Sicher.“, antwortete Dmitri knapp und schien seine Aufmerksamkeit schon auf etwas, oder Jemand, anderen zu richten. Mit einem Knall ließ Aodhan den Hörer in die Gabel krachen und fuhr wütend herum. Das war es also, wofür ihn alle hielten: einen kranken, unnützen Krüppel. Eine Last für alle. Nicht mal eine winzige Information wert. Ein Engel ohne Flügel, gezähmt und an den Boden gefesselt. Niemand brauchte einen flügellahmen Agenten. Niemand. Aodhan beschloss das Telefonat mit Raphael zu verschieben und ließ sich stattdessen in einen der hohen Lehnstühle fallen. Unbequem rutschte er eine Weile darauf herum, verlagerte sein Gewicht von links nach rechts, lehnte sich an, beugte sich vor und stand schließlich, voller Frustration, wieder auf. Bis vor wenigen Tagen hatte er seine Zimmer noch als wohnlich bezeichnet. Gemütlichkeit hatte sich auf sein Bett mit Kissen und Decke beschränkt und es hatte ihm nichts ausgemacht stundenlang auf Holzstühlen oder der Steinbank auf dem Balkon zu sitzen. Doch seitdem er Illiums verdammte Räumlichkeiten kannte, die flauschigen Kissen und dicken Teppiche auf dem Fußboden genossen hatte, war ihm alles hier zu hart. Zu kantig. Zu fremd. Unruhig ging er in seinem Zimmer auf und ab, nahm Bücher zur Hand und warf sie zurück auf den Stapel, ging ins Bad und kam zurück, kniete sich hin zur Meditation und erhob sich unverrichteter Dinge wieder. Nachdenklich trat er ans Fenster, schirmte seine Augen gegen die plötzlich aufleuchtende Sonne ab und betrachtete die regennasse Landschaft. Frisch und grün wirkte sie, hatte sich sattgetrunken und zeigte noch einmal ihr schönstes Gesicht. „Ich muss hier raus.“, murmelte Aodhan und war nur wenige Augenblicke später auf dem Weg zu den weitläufigen Gärten der Zuflucht. Bereits auf halbem Weg bemerkte er den Tumult, der auf den unteren Ebenen der Grünanlagen herrschte und er runzelte die Stirn. Es war selten, dass solch ein Lärm in der Zuflucht geduldet wurde, noch dazu so nahe des Krankenflügels. Trotzdem waren Kinderstimmen und Gelächter zu vernehmen und entgegen seiner sonstigen Gewohnheit folgte Aodhan den überschwänglichen Rufen. Er hatte gerade die ersten Stufen der sanft abfallenden Gartenwege erreicht, als ein kollektiver Aufschrei ertönte und wenige Sekunden später ein blauer Pfeil kerzengerade in den Himmel schoss. Azur und Mitternacht mischten sich mit der Farbe des Himmels und tausend silberne Federspitzen reflektierten das helle Sonnenlicht. Illium. Ruckartig öffnete der junge Engel seine Flügel, fing sich so gegen die Fallwinde ab und taumelte einen kurzen Moment in der aufkommenden Brise. Dann strauchelte er, seine rechte Schwinge knickte unter eine unsichtbaren Last zusammen und mit einem ängstlichen Raunen der Kinder ging Illium zu Boden. Aodhans Herz krampfte zusammen und er legte die restliche Strecke im Laufschritt zurück. Immer mehrere Stufen auf einmal nehmend hatte er das Ende der Treppen schnell erreicht und schon nach wenigen Metern kam die große Lichtung in Sicht. Eine Schar Engelskinder stand mit großen Augen um eine Person am Boden und ein jedes Gesicht zeigte ungläubiges Staunen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern ehe Aodhan endlich den Ort des Geschehens erreichte und er rechnete innerlich mit dem Schlimmsten. Illium war ins Leere gefallen. Ohne abzubremsen war er dem harten Boden entgegengetrudelt und dort wahrscheinlich mit einem dumpfen Krachen aufgeschlagen. „Lasst mich durch.“, murmelte er als er sich durch die Menge kaum hüftgroßer Kinder schob und dann mitten in der Bewegung erstarrte. Da lag Illium. Ein rothaariges Mädchen saß auf seiner Brust und kicherte lauthals ob der Finger, die sie neckend kitzelten. Auch Illium lachte mit blitzenden Zähnen und seine Honighaut schimmerte in der warmen Sonne. Ein erstaunter Ausdruck schlich sich in sein Gesicht als er Aodhans ansichtig wurde und nach einem kurzen Wortwechsel schob er das kleine Mädchen von seiner Brust. „Aodhan?“, fragte er ungläubig und wehrte die aufdringlichen kleinen Bälger mit spielerischer Leichtigkeit ab. „Was zur Hölle machst du hier?“, fauchte Aodhan übertrieben gereizt und nahm aus den Augenwinkeln die ängstlich zurückweichenden Kinder wahr. „Ich bringe den Kleinen bei, wie man sich bei eine Absturz abfängt.“, erklärte Illium und richtete sich ein wenig auf. „Was machst du denn hier?“ „Ich... ich wollte spazieren gehen... und hab dich gesehen – ich dachte du wärest...“, murmelte Aodhan halblaut, schenkte seinem Gegenüber einen verwirrten Blick und machte dann ohne ein weiteres Wort zu verlieren auf dem Absatz kehrt. Hitze schoss in die Wangen des weißen Engels und er kam sich so unglaublich dumm vor. Er war es nicht gewohnt sich zu sorgen. Anteil zu nehmen. Angst zu empfinden. Und doch war ihm bei dem Gedanken, Illium würde etwas zustoßen, vor wenigen Sekunden heiß und kalt geworden. Sein Herz jagte noch immer wie nach einen Marathon und hämmerte gegen seine Brust, seine Hände waren feucht und krampften schmerzhaft zusammen. „Hey Aodhan.“, hörte der Weißgeflügelte Illium hinter sich rufen und er beschleunigte seine Schritte. Schlimm genug, dass er sich eben wie ein kompletter Vollidiot aufgeführt hatte – Illium sollte sich nicht auch noch an seiner Scham ergötzen können. Mit weitausgreifenden Schritten ging Aodhan den Weg zurück den er gekommen war, erklomm die Stufen und bog dann auf halber Strecke links ab. Mit einem Seufzer tauchte er in das lindgrüne Dickicht uralter Bäume und Grünpflanzen ein und drosselte sein Tempo ein wenig. „Nun bleib doch mal stehen.“, hörte der weiße Engel Illium rufen und wenige Sekunden später berührte ihn Jemand an der Schulter. „Was willst du?“, fragte Aodhan und hoffte inständig, dass sie verräterische Röte auf seinen Wangen mittlerweile verblasst war. „Bei dir sein.“, antwortete Illium schlicht und versenkte seinen irritierend intensiven Blick in Aodhans. Der weiße Engel stockte ob der aufrichtigen Antwort seines Gegenübers und jegliche rationale Argumentation fiel in sich zusammen. Es hatte keinen Zweck zu leugnen, dass er die Gesellschaft des so viel jüngeren Engels genoss. Dass er seinen Duft und seine Gesten mochte. Dass ihm sein Lächeln gut tat. Dass er ihn schätzte. Also nickte er und gemeinsam folgten sie dem knirschenden Kiesweg in die schattige Stille des Gartens. Eine ganze Weile schwiegen die beiden Engel, genossen das Rauschen der mächtigen Bäume und das flirrende Sonnenlicht unter dem dichten grünen Blattwerk. Dann war es Aodhan, der die Stille brach: „Du fliegst gut.“, stellte er fest und ließ seinen Blick durch die raschelnden Baumkronen streifen. Illium lachte leise und nickte dann. „Ich versuche es zumindest.“, antwortete er und zwinkerte seiner Begleitung charmant zu. Ein erstaunter Ausdruck erschien auf Aodhans Gesicht und er legte die Stirn in Falten. „Nun schau mich nicht so an, Aodhan.“, lachte der Blaugeflügelte und machte einen spielerischen Satz nach vorn. „Das mit den Flugstunden war eben nur die halbe Wahrheit. Aber sollte ich mich vor den ganzen jungen Mädchen blamieren und gestehen, dass ich mich nicht mal mehr in der Luft halten kann?“ Der weiße Engel schüttelte missbilligend den Kopf und fuhr in der Betrachtung der Baumspitzen fort. „Das war sehr leichtsinnig, du hättest dich ernsthaft verletzen können.“ Illium schnaubte abwehrend und hob wie zur Bekräftigung seine mitternachtsblauen Flügel ein Stückchen weiter an. Er wollte schon zu einer energischen Antwort ansetzen, als ihn warme Sonnenstrahlen auf der Nase kitzelten. Der Weg vor ihnen lichtete sich ein wenig an der nächsten Biegung und einer der glitzernden kleinen Pools tauchte vor ihnen auf. Sonnenstrahlen fluteten durch das klare Wasser und brachen sich schimmerten in den kleinen Wellen. Es roch nach Moos, nach Sommer und trockenem Gras. Mit einem Seufzer, alle patzigen Antworten dieser Welt vergessend, beschleunigte Illium seine Schritte und landete wenige Augenblicke später mit einem lauten Klatschen in den tanzenden Wellen. Glitzernd stoben Tropfen über die Wasseroberfläche, malten spielerische Muster auf Flügel, Brust und Rücken des blauen Engels und perlten schimmernd von ihm ab. Anders als die meisten seiner Art, die Wasser und Regen verabscheuten, genoss Illium das kühle Element um seinen Körper und ließ sich eine ganze Weile rücklings treiben. Die Sonne stand schon tief am Himmel und war eben dabei die bereits zart verfärbten Baumspitzen zu küssen. Wolkenlos und unendlich erstreckte sich das Firmament über der Welt und schenkte ihr und ihren Bewohnern einen letzten, warmen Tag im Spätsommer. Ein Seufzer entrang sich Illiums Brust und er fühlte eine melancholische Schwere in sich aufsteigen. Dann besann er sich seines Begleiters und sah sich neugierig auf er Lichtung um. Aodhans Anblick traf ihn wie ein Faustschlag und einen Moment hatte der blaue Engel das Gefühl in bodenlose Tiefen zu fallen. Der weiße Engel, wunderschön und größer als die meisten unter ihnen, stand inmitten der gleißenden Sonne. Seine Flügel, obgleich bandagiert und eng an den Körper geschnürt, strahlten weiß wie der Schnee und glitzerten wie reines Perlmutt. Das lange Haar umspielte die aufrechte Silhouette des Engels im leichten Wind und die seidige Haut wirkte wie aus Glas, zerbrechlich und nahezu durchsichtig. Aodhan hielt seine Augen geschlossen, das Gesicht der warmen Sommersonne entgegengestreckt und verharrte völlig bewegungslos in all seiner herrlichen Pracht. Mit wenigen Schwimmzügen war Illium am Ufer des kleinen gemauerten Pools angelangt, erklomm das Ufer ohne auch nur einmal den Blick von seinem Begleiter zu wenden und ließ sich dann, nass wie er war, neben Aodhan in das Gras fallen. Der weiße Engel zuckte fast unmerklich zusammen als er die Anwesenheit des Blaugeflügelten wahrnahm und folgte dessen Beispiel dann mit einem leisem Gurren. „Stört es dich gar nicht, wenn deine Flügel nass werden?“, fragte er mit ruhiger Stimme und seine bemerkenswerten Augen glitten mit unerhörter Intensität über Illiums Honighaut. „Nein – im Gegenteil.“, gestand der blaue Engel und wälzte sich genüsslich auf den Rücken. Er schob die Arme hinter den Kopf, schlug die Beine lässig übereinander und breitete seine Schwingen sorgsam zum Trocknen aus. Die äußerste Spitze, weich und angenehm kühl, strich über Aodhans bloßen Arm und ein Schauer rann dessen Rücken herab. Es war eine intime Geste mit der Illium ihn bedachte und zum ersten Mal, seit er zurückdenken konnte, schrak Aodhan nicht vor der Vertrautheit zwischen ihnen zurück. Eine Weile verharrte der weiße Engel in der stillen Betrachtung des Jüngeren, registrierte jedes noch so kleine Detail und genoss die Möglichkeit, völlig ungehinderten Blick auf Illium zu haben. Auf die kleinen glitzernden Wassertröpfchen in Haar und Wimpern. Die schönen Lippen mit dem harten Zug. Die glatte Brust, von karamellfarbener Haut überzogen. Auf den sich sanft wölbenden Bauch. Den kleinen Pfad gekräuselter Haare Richtung Hosenbund. Die langen, muskulösen Beine und die Flügel. Himmel diese Flügel. Immer wieder zogen sie Aodhan in ihren Bann und er wurde nicht müde, sich an ihrer prachtvollen Schönheit zu berauschen. Träge tanzte die Sonne über Illiums Körper und der Duft nach Sonne, nach goldenem Honig und Feuer stiegt in Aodhans Nase. Er seufzte leise und richtete seine Aufmerksamkeit anschließend auf den umliegenden Wald. „Als Raphael damals veranlasste mir die Federn ausreißen zu lassen dachte ich, der Schmerz würde niemals wieder aufhören.“, murmelte der blaue Engel plötzlich in die flirrende Stille der weitläufigen Gärten. Seine Stimme war rau und schien wie von Ferne an Aodhans Ohr zu dringen. Der leere Blick des blauen Engels klebte an den zerbrochenen Flügeln des weißen Engels und die Erinnerung malte ein schmerzvolles Lächeln auf seine Lippen. „Nicht nur das Wissen, diejenigen verraten zu haben, die mir gleichen, sondern auch die Isolation, die Einsamkeit und die Erkenntnis, dass ich als Engel versagt hatte, haben mich beinahe getötet. Mein Flügel waren kahl wie meine Seele und ich war mir sicher, nie wieder...lachen zu können. Raphaels Gesetze hatten mich verkrüppelt und mir die verboten, die einzige Person auf der Welt, die ich zu lieben glaubte, wiederzusehen.“ Ein bitteres Seufzen. „Und nun weiß ich nicht mal mehr, wie ihre Stimme klingt. Ich habe ihren Duft vergessen. Die Farbe ihrer Augen. Wie ihre Haare schimmern und wie sie lacht.“ Schweigend lauschte Aodhan diesem schmerzvollen Geständnis und wartete auf eine Fortsetzung. Illium, der fröhliche und aufgeschlossene Engel, hatte bisher mit Niemandem über sein Schicksal gesprochen – warum nun mit ihm? „Und obwohl ich sicher war, dass ich nie wieder glücklich sein könnte, sind meine Federn nachgewachsen. Schöner als zuvor sprossen sie aus meinem Körper, verrieten meine Seele mit ihrer unerträglichen Pracht und ließen mich vergessen, was ich einst so liebte. Ich habe mich selbst verraten Aodhan.“ Ein leises Schluchzen sagte dem weißen Engel, dass sein Begleiter weinte. Eine einzelne Träne rann Illiums Wange hinab und versickerte lautlos in dem weichen Gras. Die salzige Spur, die sie hinterließ, glitzerte verräterisch im Sonnenlicht und machte den blauen Engel so unglaublich schön. Unglaublich menschlich. „Das hast du nicht.“, hörte Aodhan sich sagen und seine Stimme klang fest und bestimmt. „Du hast die Gebote, denen wir alle unterstehen, mit Füßen getreten und das in dich gesetzte Vertrauen enttäuscht – aber manchmal gibt es wichtigere Dinge, als Regeln und deren Folgen.“ Ein Seufzer ertönte, dann richtete sich der blaue Engel auf und öffnete die Augen, schob seinen Flügel ein klein wenig mehr um Aodhans Körper. „Für einen Engel, der sich sonst sehr wortkarg gibt, bist du ganz schön weise.“, murmelte Illium und wischte sich über das Gesicht. Glut und flüssiges Gold schwammen in seinen Augen und ließen Aodhan erschaudern. Eine leichte Brise kündigte den herannahenden Abend an und die Sonne verschwand mit einem letzten feurigen Glühen hinter den rauschenden Baumkronen. Die Miene des weißen Engels war undurchdringlich, seine Körperhaltung entspannt. Die großen Flügel lschmiegten sich eng an dem sehnigen Rücken und jede einzelne Feder war in schimmerndes Weiß getaucht. Sein Blick, sonst so fern und unergründlich tief, lag auf Illiums Leib und Sehnsucht lag darin. „Nur, weil man nicht ständig redet bedeutet es nicht, dass man nichts zu sagen hat.“, lachte der große Engel und Illium traute seinen Ohren kaum. Hatte Aodhan ihn gerade geneckt? Hatte er gelacht und einen Scherz gemacht? Hatte er ihn angesehen, angesehen wie ein Mann einen anderen ansieht? Hatte er...gelacht? „Und nur weil man sich stets in geheimnisvolles Schweigen hüllt heißt das nicht, dass man jedes seiner Worte genau überdenkt.“, gab Illium augenzwinkernd zurück und erhob sich mit einer geschmeidigen, katzenhaften Bewegung. Gähnend streckte er seine steifen Glieder, reckte Arme und Flügel in die Höhe und drehte sich dann zu seinem Begleiter um. „Hunger?“, fragte er wie schon in der Nacht zuvor und ein amüsiertes Funkeln lag in seinen erstaunlichen Augen. Aodhan, noch immer ein wenig benommen von Wärme und plötzlicher Nähe, nickte langsam und verabschiedete sich mit einem schmerzvollen Stöhnen aus seiner sitzenden Position. „Werd bloß nicht frech.“, warnte er Illium und mit einem zufriedenen Lächeln machten sich die beiden Männer auf den Rückweg. Nachdem Aodhan den Anruf nach New York getätigt hatte legte er den Hörer zurück in die Gabel und rieb sich die Schläfen. Er war müde und sein Körper schmerzte trotz der Medikamente von Keir. Er hatte den Abend mit Illium auf den Freiterrassen der Zuflucht verbracht und nun stand der Mond schon hoch am Himmel. Lachend und essend hatte der blaue Engel eine Geschichte nach der anderen zum Besten gegeben und damit Aodhan, und auch alle Personen an den umliegenden Tischen, erheitert. Voller Leidenschaft, mit glühenden Augen und stolzgeschwellter Brust, hatte er sich seiner Heldentaten gebrüstet und mit seinem bestechenden Charme alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Erst der wieder einsetzende Regen hatte die Engel nach drinnen vertrieben und Aodhan hatte sich höflich verabschiedet. Nun schwindelte ihm ob der Erschöpfung und er suchte ohne weitere Umwege sein Schlafzimmer auf. Missmutig warf er sich in die viel zu harten Kissen, wälzte sich von der Seite auf den Rücken, vom Bauch auch die Seite und wieder auf den Rücken. „Gottverdammter Illium.“, fluchte er halblaut und schob sich eines der brettharten Kissen zwischen seine Beine, das Gesicht in den kalten Laken vergraben. Müdigkeit und Erschöpfung ließen den weißen Engel schließlich einschlafen, aber erinnerte sich an wirre Träume, an gehetztes Erwachen und die ungemütlichste Nacht, die er jemals erlebt hatte. Der nächste Morgen brach ungewohnt sonnig und warm über der Zuflucht herein. An dem unbewegten Himmel dümpelten einzelne weiße Wolken vor sich hin und nur hier und da fiel ein gnädiger Schatten auf die erwachende Landschaft. Aodhan war bereits früh aus seinem unbefriedigenden Schlaf erwacht und hatte sich, missmutig und verstimmt, seiner Morgentoilette gewidmet. Als das kühle Wasser aus dem Duschkopf über seinen Körper rann erwachten seine Lebensgeister und trotz der ziehenden Schmerzen in den Flügeln und der angrenzenden Körperpartie hob sich seine Laune beträchtlich. Mit noch feuchtem Haar und lockerer Kleidung betrat er den Balkon, platzierte einen wackligen Bücherstapel auf der steinernen Bank an der Hauswand und lehnte sich selbst weit über die Brüstung. Sanft streichelte der Wind sein Gesicht und trug das verschlafene Gurgeln des Flusses weit unten im Tal zu ihm herauf. Einige Bienen summten durch die Luft und sammelten letzte Vorräte für den unvermeidlich kommenden Winter. Träge gaukelte ein Schmetterling an Aodhans Nase vorbei und ließ sich von der sanften Brise bald hier, bald dorthin tragen. Es versprach ein schöner Tag zu werden und Aodhan ließ sich mit einem leisen Seufzen auf der sonnigen Bank nieder. Neugierig griff er das oberste Buch vom Stapel, schlug das zweite Kapitel auf und war binnen weniger Sekunden tief versunken. Ja, es war ein guter Tag. Es war wohl um die Mittagszeit als ein lautes Rufen den weißen Engel in seiner Lektüre unterbrach. Eine Stimme drang von unten zu ihm herauf, rief seinen Namen in so vertrauter Weise und wenige Augenblicke später war ein raues Flügelschlagen zu hören. Das konnte doch nicht...? Mit einem Satz war Aodhan an der Brüstung, beugte sich vornüber und erblickte Illium einige Meter unter sich. Er schwebte, wacklig und unstet, in der kalten Luft über dem Tal und die Anstrengung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Schweiß glänzte auf seiner goldenen Haut und die glühenden Augen fixierten Aodhan. „Was zur Hölle soll das werden?“, rief der weiße Engel und beugte sich noch weiter nach vorn. Er klang erschrocken und auf seinem Gesicht wechselten Sorge und Wut einander ab. „Ich komme zu dir.“, wehte Illiums Stimme zu ihm herauf und wie zur Bestätigung schlug er mit seinen wunderschönen Flügeln. „Bist du wahnsinnig? Das ist noch viel zu weit.“, hörte Aodhan sich rufen und er registrierte wie Illium in der leichten Brise taumelte. Hier an der Außenwand der Zuflucht herrschten seitlich abfallende Zugwinde – selbst für einen gesunden Engel war der Flug gefährlich und barg viele Risiken. Panik begann sich in Aodhan breit zu machen als er sah wie Illiums rechte Schulter absackte und einige der weichen Flaumfedern vom Wind davongetragen wurden. „Wie wäre es... wenn... wenn du ein bisschen... an mich glauben würdest.“, keuchte Illium und brachte seinen Körper unter größter Anstrengung wieder in ein empfindliches Gleichgewicht. Schweiß lief ihm an Stirn und Wangen hinab, rann über seine Brust und die bebenden Flanken und er atmete schwer. Aodhans Herz krampfte sich zusammen, dann schloss er für einen winzigen Moment die Augen. Das Wispern in seinem Kopf, das unruhige, rastlose Raubtier, wurde mit einem Mal ganz still und seine Sehnsucht verkroch sich in den hintersten Winkel seines Bewusstseins. „Nun komm schon her.“, hörte er sich rufen und wie in Trance streckte er dem strauchelnden Engel die Hand entgegen. Fest fixierte er Illium mit dem Blick, beugte sich vor so weit es eben ging und flehte lautlos, dass der junge Engel es schaffen würde. Illiums Augen glühten als er lächelte, dann legte er den Kopf zur Seite, lauschte tief in seinen Körper hinein und schlug dann mit seinen großen Schwingen. Ein leises Rauschen erklang und der Wind zauste die zarten Schwung- und Flugfedern. Silbern blitzten die empfindsamen Spitzen als sich Illium keuchend und taumelnd aus dem Schatten erhob und die Grenze zur Sonne passierte. „Komm schon.“, rief Aodhan noch einmal rau und seine Finger krümmten sich lockend dem Fliegenden entgegen. Illiums Lächeln wurde tiefer und er wiederholte die machtvolle Bewegung seiner Flügel. Der Duft nach Sonne, Schweiß und süßem Honig drang an Aodhans Nase und er erwiderte das Lächeln des blauen Engels. „Nur...noch... ein Stückchen...“, keuchte Illium und ächzte unter der Anstrengung. Seine rechter Flügel klappte ein wenig zur Seite und er hatte Mühe sich aufrecht zu halten – doch er schaffte es. Mit einem Stöhnen stellte er die Federn seiner Schwingen schräg, ließ den Wind unter die breiten Tragflächen gleiten und gewann erneut an Höhe. Erleichtert seufzend streckte Illium seine Hand nach Aodhans aus, fast schon berührten sich ihre Finger, da ging ein Rauschen durch die Baumkronen am Steilhang und ein tückischer Windstoß erreichte die beiden Männer. Während Aodhans Haar nur ein wenig durcheinandergebracht wurde hatte die Luftverwirbelung für Illium fatale Folgen. Augenblicklich verlor er seine stabile Position und taumelte Richtung Betonwand. Seine Flügel knickten unter der plötzlichen Thermikveränderung ein und er sackte ein ganzes Stück nach unten ab. Überraschung und Panik vermischten sich auf seinen Gesichtszügen und ein ersticktes Keuchen verließ seinen Mund. „Illium.“ Ein gellender Schrei aus Aodhans Kehle und der weiße Engel streckte sich noch weiter über die Brüstung. Seine Füße verloren ihren Halt auf dem sicheren Boden und nur noch seine bandagierten Flügel hielten das empfindliche Gleichgewicht. Kraftvoll umschlossen Aodhans Finger den Oberarm des Stürzenden und bremsten seinen Fall. Schmerz, blendend weiß und schreiend, schoss durch den Körper des Älteren und er schrie auf – doch er ließ nicht los. Illiums Augen weiteten sich und krampfhaft versuchte er das Gleichgewicht wieder zu finden. Seine Flügel schlugen schmerzhaft gegen die betonierte Außenwand der Zuflucht und er wimmerte leise. „Hör auf.. dich zu.. bewegen.“, keuchte Aodhan und stöhnte erstickt auf, als ein neuerlicher Schmerz seine Schultern fast entzwei riss. Einen Augenblick drohten ihn Anstrengung und Qual zu überwältigen, Schwärze wirbelte vor seinen geschlossenen Lidern auf und er wollte aufgeben. Nur loslassen. Sich fallen lassen. Dann regte sich der Kämpfer in ihm und er begann sein Gewicht Stück für Stück auf Beine und Hintern zu verlagern. Er seufzte auf als seine Füße endlich wieder den kalten Marmor fühlen konnten und der schreiende Schmerz in der Schulter ließ ein wenig nach. Trotzdem verlor sich Aodhan nicht im Triumph, sondern atmete tief ein. „Nicht bewegen.“, ermahnte er Illlium noch einmal, dann hielt er die Luft an und mit einem einzigen Ruck beförderte er den blauen Engel über die Brüstung. Er stöhnte laut und taumelte einige Schritte nach hinten, völlig erschöpft und erleichtert. Noch immer hielt er Illiums Arm krampfhaft umklammert, zog den keuchenden Engel mit sich und an seine Brust. Als sein Rücken Halt an der rauen Außenmauer der Zuflucht fand ging auch der Schmerz langsam zurück. Das Brennen und Tosen verschwand aus Aodhans Adern und nur ein dumpfes Hämmern in Schulter und Rücken blieb zurück. Es dauerte eine ganze Weile ehe sich der Atem der beiden Engel von einem Keuchen in ein flaches Seufzen verwandelte, so lange verharrten sie bewegungslos. Aneinander gedrückt, mit weichen Knie und klopfenden Herzen. Illiums Körper, feucht vom Schweiß und heiß von der Anstrengung des Fluges, lehnte träge an Aodhans Brust und ihrer beider Düfte, rauchig und exotisch, vermischten sich miteinander. Die Flügel des blauen Engels schliffen kraftlos über den Boden und seine weiches Haar, kühl und seidig, kitzelte Aodhans Hals. Und er mochte es. Mochte die erdrückende Schwere des bebenden Körpers. Die weichen Federn auf seinen nackten Füßen. Den heißen Atem, der erregend intensiv durch sein dünnes Sweatshirt drang. Mochte Illiums Nähe. Kapitel 6: Sonnentage. ---------------------- Es war Illium der den intensiven Körperkontakt unterbrach und sich mit zwei unsicheren Schritten zurückzog. Noch bebte sein Körper unter den Anstrengungen des zurückliegenden Fluges und dünne Rinnsale aus Schweiß rannen über seine Flanken. Sein feuchtes Haar schimmerte im Licht der Mittagssonne in sanften Schwarz- und Blautönen und klebte an einigen Stellen an der honigfarbenen Haut. „Das war knapp.“, murmelte der blaue Engel mit einem unsicheren Lächeln und versuchte seine Flügel ein wenig von dem kühlen Boden zu erheben. Es schmerzte, aber es gelang. Aodhan nickte stumm und kämpfte gegen das brennende Verlangen in seinem Körper an. Der Verlust von Illiums erhitzter Haut auf der Seinen wog schwer und er ballte seine Hände zu Fäusten um sie nicht im seidigen Schopf des Jüngeren zu vergraben. Mit einem breiten Lächeln, als wüsste er welche Mächte in Aodhans Körper miteinander rangen, beugte sich Illium über die Brüstung und riskierte einen kurzen Blick in die Tiefe. „Ganz schön tief.“, kommentierte er und in seiner Stimme schwang noch immer die Aufregung der zurückliegenden Minuten. Dann schlug er die Augen nieder und wandte sich wieder dem weißen Engel zu. „Danke.“, murmelte er leise und ein herzzerreißend betroffener Ausdruck machte sich auf seinen Zügen breit. „Ich wollte dich nicht auch noch in Gefahr bringen.“ Aodhan stutzte ob des leisen Geständnisses und runzelte dann die Stirn. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, dass er sein eigenes Leben für das des blauen Engels riskiert hatte. Der unbedingte Wunsch zu helfen, dem Jüngeren die Hand zu reichen und ihn vor dem sicheren Tod zu bewahren, war stärker gewesen, als jeglicher Selbsterhaltungstrieb und kein Abgrund der Welt hätte ihn von Illiums hitziger Körperwärme trennen können. Ohne sich seine heftigen Gefühlsregungen anmerken zu lassen nickte der weiße Engel und strich mit einem erleichterten Seufzer die wirren Strähnen aus dem Gesicht. Langsam verschwand das dumpfe Hämmern in Schultern und Flügeln und er stieß sich von der rauen Außenwand der Zuflucht ab. Illiums Gesicht zeigte noch immer Scham und er hielt den Blick zu Boden gesenkt. Die Sonne tanzte auf seinen einzigartigen Wimpern und ließ die blauen Haarspitzen glänzen, seine azurblauen Flügel schimmerten himmel- und meerfarben im gleißenden Licht. Schöne, stolze Traurigkeit lag in den goldenen Augen, die Aodhan so mochte, und es reizte den weißen Engel, dass die feurige Glut in ihnen selbst jetzt noch wie geschmolzenes Gold und Bernstein strahlte. „Du bist zu leichtsinnig und bringst damit dich und andere in Gefahr.“, sagte Aodhan betont und ordnete seine Kleider mit geschickter Hand. „Das hätte ich nicht von dir erwartet.“ Illiums Gesichtsausdruck wandelte sich von betroffen zu verletzt und er wirkte mehr denn je wie ein Schuljunge unter den strengen Augen seines Lehrmeisters. Mitleid wallte in der Brust des weißen Engels auf und er bereute seine harten Worte. Reue. Etwas bereuen. Aodhan erinnerte sich nicht, wann ihm diese Gefühle zuletzt untergekommen waren. Es war so lange her, dass er über so tiefe Empfindungen nachgedacht hatte, dass sie ihm nun alt und unendlich tief verschüttet vorkamen. „Lass mich dir einen Trick zeigen.“, hörte er sich selbst wie durch dichten Nebel sagen und er ging einen Schritt auf den blauen Engel zu. Illiums Erleichterung und das zarte Lächeln, dass sich auf seine vollen Lippen malte, rieselten wie ein warmer Schauer durch den Körper des weißen Engels und er schauderte lautlos. „Wenn du deine Flügel aufgestellt hast – etwa so-“, begann Aodhan und richtete seine eigenen bandagierten Flügel so gut es eben ging hinter seinem Rücken auf. „solltest du den Winkel zum Körper so klein wie möglich halten.“ Er zog sie ran. „So kannst du auch in schwierigen Situationen optimal auf Fallwinde und Thermikveränderungen reagieren. Deine Schultern sind dabei immer leicht herangezogen.“ Aodhan bog seinen Rücken durch und spürte die Anspannung in Sehnen und Muskeln wie kleine elektrische Schläge. „Werde ich dadurch nicht eingeschränkt?“, entgegnete Illium und versuchte ungelenk das Gesagte umzusetzen. Voller Bewunderung glitt sein Blick über die aufgestellten Flügel des Älteren und er konnte ein leises Seufzen nicht unterdrücken. Tiefe, brennende Sehnsucht lauerte in seinem Körper und hieß ihn die schimmernden Perlmuttfedern zu berühren. Zärtlich wollte die starken Schwungfedern streicheln, sie durch seine Finger gleiten lassen und den weichen Flaum am Schulteransatz auf seiner Haut spüren. „Nicht, wenn du es richtig machst.“, antwortete Aodhan ruhig und war mit wenigen Schritten hinter Illium. Groß und wunderschön ragten die Mitternachtsflügel vor ihm auf und seine Hände bebten vor Verlangen. „Stell deine Flügel auf.“, befahl er rau und genoss das leise Flüstern der azurfarbenen Federn. „Und jetzt versuch sie so nah wie möglich an deinen Körper zu legen, ohne das die Tragflächen an Größe einbüßen.“ Illium gehorchte ohne Widerworte und faltete seine Flügel anmutig an den breiten Rücken. Ein Ächzen erklang und wenige Sekunden später sackte die verfluchte rechte Schwinge nach unten. Aodhan schüttelte den Kopf. „Du bist nicht bei der Sache.“, tadelte er und versuchte den betörenden Duft nach Feuer und exotischem Honig aus seiner Nase zu vertreiben. Heiß schoss sein Blut durch Adern und Venen und rauschte unnatürlich laut in seinen Ohren. „Du solltest...du musst...wenn ich...“ Dann wurde es für einen Moment ganz still. Eine leichte Brise kam auf und zauste weißes und schwarzes Haar. Zwei Spatzen schimpften am Steilhang und das leise Glucksen des Flusses tief unten im Tal drang herauf. Beide Engel hielten die Luft an und es vergingen einige atemlose, zeitlose Sekunden ehe Illiums raue, schwere Stimme erklang. „Tu es.“ Zwei Worte in denen die gesamte Verletzlichkeit des blauen Engels lag. Erregung und Verlangen. Angst und Trauer. Die noch immer verwundete Seele des jungen Mannes. Schweiß brach auf Aodhans Stirn aus und er ballte seine Hände zu harten, kantigen Fäusten. Das gefangene Raubtier in ihm, dass nimmermüde, rastlose Ungeheuer, entließ seinen Verstand und kauerte sich wie eine harmlose Hauskatze zusammen. Endlich herrschte Stille und die endlose Leere in ihm füllte sich in rasender Geschwindigkeit mit der alles verzehrenden Sehnsucht nach Berührung. „Bist du dir sicher?“, murmelte Aodhan dennoch und verharrte, die Augen geschlossen, hinter dem blauen Engel. Ohne zu zögern nickte Illium. Tief durchatmend löste der Ältere seine verkrampften Fäuste, hielt noch einmal inne und legte dann seine rechte Hand auf die azurblauen Federn. Er keuchte. Unendlich weich und nachgiebig schmiegten sie sich an Aodhans Finger, rannen wie Wasser über seine Haut und streichelten jeden empfindsamen Zentimeter. Kühl und glatt wie Seide waren die Schwungfedern, von silbernen Spitzen gekrönt. Ihre Beschaffenheit war einzigartig und die Sanftheit einer jeder einzelnen Feder unter Aodhans Fingern war wie eine zärtliche Liebkosung. Illium seufzte. Er hatte die Augen geschlossen und lauschte tief in seinen bebenden Körper. Eine Welle aus Verlangen schlug über seinem Kopf zusammen und er drohte darin zu ertrinken. Lust und Gier rangen in ihm, gespeist durch die herrlichen Empfindungen die von der Berührung seiner Flügel durch Aodhan ausging. Die Zärtlichkeit mit der der weiße Engel Illiums Flügel erkundete war von atemloser Sinnlichkeit, neu und doch so unendlich vertraut. „Hier siehst du.“, murmelte Aodhan und sein heißer Atem fegte über die empfindliche Haut in Illiums Nacken. Seine Hände schoben sich unter die Flügel des blauen Engels, eine legte sich auf die feuchte Haut, die andere unter die bebenden Federn der rechten Schwinge. Mit einer leichten Hebelbewegung brachte Aodhan Illiums Flügel in die richtige Position, fand dann den sensiblen Nerv am Schulteransatz und übte ein wenig Druck aus. Der Jüngere seufzte leise und lehnte sich gegen die erholsame Berührung. Die Welt verschwamm vor Illiums Augen und er spürte Aodhans Nähe überdeutlich. Der Duft nach Schnee und wildem Wasser umgab ihn und er hielt sich daran fest wie ein Ertrinkender. „Nicht aufhören.“, gurrte er leise, als er spürte wie die Hände des weißen Engels erneut auf Wanderschaft gingen und sich über die nachgiebigen Federn schoben. Die Stille in Aodhan war vollkommen und es fiel ihm nicht schwer, der Bitte des Jüngeren Folge zu leisten. Vorsichtig strich er über den unerträglich weichen Flaum an den Flügelansätzen, ließ Azurblau und Mitternacht durch seine Finger gleiten und verlor sich in der Betrachtung silberner Federspitzen. Eingehüllt von der warmen Mittagssonne und dem Duft von verglimmenden Lagerfeuern, Sommernächten und süßem Honig genoss der weiße Engel den vollendeten Moment und stillte seine Sehnsucht nach Berührung. Kitzelnd glitten Illiums Haare über den Handrücken des Älteren und er schob seine Finger noch etwas höher, tauchte tiefer in den seidigen Schopf und dessen feuchte Schwere. Der blaugeflügelte Engel seufzte und bog seinen Kopf weit nach hinten, bot Aodhan wie automatisch mehr Platz zum Erforschen und Liebkosen. Schauer jagten seinen Rücken hinab und er spreizte seine Flügel mit einem leisem Rascheln zu voller Größe auf. Ohne auf eine Aufforderung zu warten schloss Aodhan die entstehende Lücke, drückte seinen großen, schweren Körper gegen den Rücken des jüngeren Engels und genoss die reine Hitze, die von Illium auf ihn überschwappte. „Du bestäubst mich.“, flüsterte er am Ohr des Blaugeflügelten und betrachtete interessiert den feinen, glitzernden Staub in seinem eigenen Haar. Dunkelblau wie Gewitterwolken war er und hob sich deutlich von den weißen Strähnen ab. „Ach ja?“, murmelte Illium und rieb seinen schwarzen Schopf an Aodhans Kinn. Er fühlte sich so wohl wie nie und es war nur natürlich, dass seine Flügel an der Erregung, die durch seinen Körper jagte, beteiligt waren. Heiß und schwer fühlten sie sich an, waren hochsensibel und jede Berührung Aodhans kribbelte wie ein feuriger Kuss. „Ich werde mich tagelang Niemandem zeigen können.“, fuhr Aodhan fort und seine Stimme klang rau und verlangend. Er schien wie ausgewechselt und doch mehr denn je er selbst zu sein. „Dann werden wir...“ Ein schrilles Piepsen unterbrach Illiums forsche Antwort und beide Männer stöhnten auf. Das Handy auf dem Tisch schrillte noch einmal und vertrieb die sinnliche Stimmung, die enge Vertrautheit, auf dem Balkon mit unbarmherziger Härte. „Ich muss da rangehen.“, erklärte Aodhan und es klang nach einer Entschuldigung. Illium nickte verstehend und versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Wehmütig brach Aodhan den Körperkontakt, ging voll Widerwillen zum Tisch und nahm unwirsch ab. „Ja?“ Es war Raphael. Ein kurzes Gespräch entspann sich, dann legte der weiße Engel auf. Illium war währenddessen zur Brüstung gegangen, lehnte sich auf die steinerne Balustrade und ließ sich von den aufsteigenden Talwinden die Haare zausen. Seine Flügel lagen wieder anmutig gefaltet an seinem Rücken und schimmerten in hundert Blaunuancen in der Mittagssonne. „Hast du Lust morgen mich morgen auf einem Ausflug mit den Kindern zu begleiten?“, fragte er leise und spielte mit einer glänzenden Strähne seines Haares. Sorgfältig Abstand wahrend stellte sich Aodhan neben ihn und ließ seinen Blick durch das Gebirge streifen. „Hältst du das für eine gute Idee?“, entgegnete er und in seiner Stimme lagen deutliche Zweifel. Illium nickte und schenkte dem Älteren ein strahlendes Lächeln. „Aber ja.“, antwortete er schlicht und richtete sich auf. Er war nahezu einen ganzen Kopf kleiner als Aodhan und musste sich strecken, als er dem weißen Engel mit dem Daumen über die Wange rieb. „Sonst hätte ich nicht gefragt.“ Aodhan wollte widersprechen und sich entziehen, aber die intime Berührung beruhigte seinen aufgewühlten Geist und er schlug die Augen nieder. „Dann komme ich mit.“, beschloss er und ihm wurde leicht ums Herz. Ein Tag mit den Engelskindern, dem größten Schatz der Engel, würde ihn erfreuen und von der Tatsache, dass er noch immer an den Boden gefesselt war, ablenken. Früh am nächsten Morgen brachen Illium, Aodhan und eine Schar aufgeregter Engelskinder auf. Es war noch kühl und eine Gänsehaut eroberte die Haut des weißen Engels als er aus dem großen Portal der Zuflucht trat. Der Herbst kündigte sich in seiner ganzen prachtvollen Schönheit an und brachte neben bunten Blättern und dem Duft von Schnee auch stetig kälter werdende Nächte mit sich. Aodhan genoss den sanften Wind um die Nase und während er die schwatzenden Nachzügler antrieb blieb sein Blick an Illium kleben. Er trug heute ein Sweatshirt über der Honighaut und wehrte gerade lachend zwei der kleineren Jungs ab, die versuchten seine Schultern im Sturm zu erobern. Sein Haar lag wie ein Helm aus tiefschwarzem Saphir um sein schönes Gesicht und seine erstaunlichen Augen sprühten vor Vorfreude. „Sind alle da?“, rief er und seine Stimme wurde vielfach von dem noch schlafenden Gebirge zurückgeworfen. Die Kinderschar antwortete im Kollektiv und ohne weitere Verzögerungen machte sich die Wandergruppe auf den langen Anstieg. Sie würden die Wasserfälle besuchen – jenes atemberaubend schöne Fleckchen Erde inmitten der schroffen Berglandschaft. Dort gab es ein kleines Sommerhaus, von Raphaels Vorfahren vor vielen Jahrhunderten erbaut, und die Engel zogen sich dorthin zurück, um zu meditieren, zu studieren oder um zur Ruhe zu kommen. Einmal im Jahr jedoch, war es das Ziel der Engelskinder, die dort nach Herzens Lust spielen und toben konnten. Die Sonne stand hoch und brannte mit unerhörter Stärke auf die Wandernden hinab als sie endlich den Rand des Talkessels erreichten und der Blick auf die tosenden Wasserfälle frei wurde. Wie riesige Ungeheuer stürzten sie brüllend von den steilen Felswänden zu Tal, ergossen sich in tiefgrüne Bergseen und speisten eine Landschaft aus aberhundert verzweigte Bächlein und Strömen. Glitzernd wie silberne Schlangen wanden sie sich durch das dunkelgrüne Gras und vereinten sich hier und da zu kleineren Teichen. Das Rauschen der umstehenden Bäumen ging im Lied der Fälle unter und auch Illium musste seine Stimme deutlich heben, als er Anweisungen für den gefährlichen Abstieg gab. Trotz der aufgedrehten Stimmung und dem sich bietenden Bild hörten alle Kinder aufmerksam zu und nickten anschließend zur Bestätigung. Langsam und mit vorsichtigen Schritten setzte die kleine Gruppe ihren Weg fort und als sie den Talkessel erreicht hatten und alle sicher festen Boden unter den Füßen hatten, erklomm die Sonne eben den Zenit. Gleißend ergossen sich ihre goldenen Strahlen auf das schimmernde und gurgelnde Nass und Regenbögen tanzten auf den millionenfach entstehenden Wassertröpfchen. Es war noch ein Fußmarsch von einer guten halben Stunde, den sie zurücklegen mussten, ehe sie den Kessel durchquert hatten und das Sommerhaus in Sicht kam. Uralt, gebeugt und unerschütterlich empfing es die erschöpfte Wandergruppe und noch einmal legten die kleinen Kinderfüße an Tempo zu. Das Lachen der Kleinen schwoll an und sie begannen, wie junge Hunde, ausgelassen durch das hüfthohe Gras zu tollen. Djesseri und ihre Helferin Anní erwarteten sie bereits mit einem Lächeln und begrüßten Illium mit überschwänglicher Freude. Sie hatten Decken im Schatten der Bäume ausgebreitet und ein üppiges Mahl vorbereitet. Salate, Fisch, Fleisch, Gemüse und Obstspieße stapelten sich auf Teller und Platten. Schüsselweise Pudding und Fruchtsorbets, köstliche Torten und süße Zuckerspeisen warteten auf die hungrigen Kinder und dufteten verführerisch. Aodhan suchte sich ein ruhiges Plätzchen am Rand der kleinsten Decke, ließ sich in eine bequeme Position fallen und lehnte seinen Rücken an einen der uralten Bäume. Er schloss die Augen und seufzte. Es schien Jahrhunderte her, dass er mit seinem Bruder hier gesessen und gespielt hatte. Welche Farbe hatten seine Augen nochmal gehabt? Ein leises Kichern ließ Aodhan zusammenfahren und er sah sich um. Malin, das blonde Mädchen mit den zartgoldenen Schwingen, saß ihm gegenüber und musterte ihn eingehend. „Was ist mit deinen Flügeln passiert?“, fragte sie ihn direkt und in ihrem offenen Gesichtchen stand pure Neugierde. Aodhan lächelte schmerzlich und seufzte leise. „Ich hatte einen Unfall.“, log er und zog die Beine unter seinen Körper. „War es deine Schuld?“ Eine weitere quälende Frage. Der weiße Engel versuchte sich zu erinnern, schüttelte dann schaudernd den Kopf und hoffte inständig, dass das hier bald vorbei wäre. „Dann war es jemand anders Schuld?“, bohrte Malin weiter und biss herzhaft in eine Scheibe weißen Milchbrotes. „Nein...ich...das ist nicht so einfach.“, stammelte Aodhan und fluchte innerlich. Gerade wollte er zu einer aberwitzigen Lüge ausholen, als Illium nach der jungen Dame rief und den weißen Engel damit erlöste. Malins Aufmerksamkeit wandte sich dem Rufenden zu und sie entfernte sich winkend von Aodhan, sprang mit wippendem Zopf über ihre Freunde hinweg und flog mit einem Juchzer in Illiums Arme. Der Atem des weißen Engels stockte für einen Moment und Eifersucht, hässlich und blendend, rann wie bittere Galle durch seine Brust. Goldener Staub flirrte um den blauen Engel, schimmerte im Sonnenschein und ließ Aodhan rot sehen. Dann lächelte Illium und sein glühender Blick richtete sich auf den Engel im Schatten – Begehren und Sehnsucht lauerten in den feurigen Tiefen aus Gold und sahnigem Karamell und Aodhans Körper fand zu der gewohnten Gelassenheit zurück. Den Nachmittag verbrachte die Wandergruppe im wärmenden Licht der Sonne. Träge lagen einige der Kinder im Gras und hielten sich die vollen, satten Bäuchlein, während der Rest ausgelassen mit Anní und Illium herumtollte. Der blaue Engel lachte immerfort und war abwechselnd Kletterburg, Flugzeug oder Pferdchen. Mädchen wie Jungen eroberten ihn gleichermaßen, hingen an seinen Lippen und bedankten sich mit glitzerndem Engelsstaub auf Arme, Brust und Flügel. Aodhan hatte sich auf einen der herumliegenden Findlinge verzogen und vergrub seine Zehen in dem dichten Moos, das den den rauen Fels umgab. Die großen Schwingen lagen schlaff auf dem harten Gestein genossen dessen Kühle. Mit gerunzelter Stirn beobachtete er die Spielenden, stellte fest, wie wenig er Anní doch eigentlich mochte und zuckte zusammen, als sie Illium voll glühender Leidenschaft mit dem Flügel berührte. Rostbrauner Staub landete in dem glänzendem Schopf des Blaugeflügelten und blieb daran haften. Aodhan knurrte. Mit der aufkommenden Dunkelheit begannen Djesseri und Aodhan die letzten Überreste des Picknicks zusammenzuräumen. Schüsseln, Teller und Becher wurden in Körben verstaut, was an Essbaren übrig war landete in einer Kühlbox. Es war kühl geworden und der Großteil der Engelskinder saß, müde und erschöpft vom Toben, auf der Veranda. Kleine Flügel, die keine Kraft mehr hatten, schliffen auf dem Holzboden und blieben auch nach der Ermahnung durch die Bibliothekarin wo sie waren. Illium war eben dabei die letzten Übermütigen aus dem nunmehr plattgedrückten Gras zu klauben, als unter dem Tosen der Wasserfälle ein neues, vertrautes Geräusch auftauchte. „Mami!“, rief einer der Jüngsten und einem Aufschrei stürzte er in die Arme der eben landenden Frau. Liebevoll barg sie den kleinen Körper ihres Sohnes an ihrer Brust und kam dann näher. Sie hatte taubengraue Flügel und lockiges Haar in derselben Farbe. „Hallo allerseits.“, grüßte sie mit angenehm tiefer Stimme und lächelte ob der vielstimmigen Antwort. Ihre nächsten Worte gingen in einem lauteren Rauschen unter und weitere Engel landeten sanft auf dem weichen Rasen. Nach und nach fand ein jedes Kind zu seinen Eltern, erkletterte Papas Rücken oder ließ sich von Mamas sanften Armen wiegen. Illium war herangekommen und unterhielt sich mit einigen Engeln angeregt und auch Djesseri und Anní waren gänzlich abgelenkt, als Aodhan sich lautlos abwandte. Der Tag war schön gewesen, zu schön, und das beklemmende Gefühl, dass die Anwesenheit der vielen Engel mit sich brachte, erinnerte ihn daran, wie wenig er hier zuhause war. Er hatte sich etwas vorgelogen. Er konnte das hier nicht: plaudern, umarmen, scherzen und ausgelassen sein. Nicht mit so vielen. Nicht mal, wenn Illium dabei war. Aodhan seufzte, ging um das Haus herum und kämpfte sich durch das hüfthohe Gestrüpp an der Außenmauer. Dornen und kleine Ranken zerrissen sein Shirt an einigen Stellen und er war erleichtert, als er die Terrasse an der Hinterseite der Hütte erreichte. Hier war es ruhig und nur das Rauschen der Bäume und des Wassers drang an das Ohr des weißen Engels. Es roch nach Wald und feuchter Erde, nach den Pilzen die hier und da aus dem Boden sprossen, und Tannennadeln. Der Engel stieg die knarzenden Stufen zur Veranda hoch, fuhr mit dem Finger über das rissige Holz der Balken, und ließ sich dann auf der Schaukel nieder. Die rauen Seile ächzten unheilvoll, aber sie hielten, und wie in Trance begann Aodhan sich langsam vor und zurück zu wiegen. Sacht strich der Abendwind über ihn hinweg, löste einzelne Strähnen aus dem geflochtenen Zopf und ließ sie kitzelnd über seinen Nacken tanzen. Ganz in der Nähe rief ein Käuzchen, läutete die Nacht ein und das erneute Rauschen vieler Flügel kündigte die Abreise der Engel an. Langsam beruhigte sie Aodhans aufgewühlter Geist und er lehnte seine Stirn mit einem Seufzer gegen das kratzende Seil der Schaukel. Die Fasern hatten sich im Laufe der Jahre dunkel gefärbt und rochen nach Staub und abgestandenem Wasser. Was Illium wohl gerade machte? Hatte er sich mit den Anderen auf den Rückweg begeben? Sich beim Start helfen lassen und glitt jetzt über die Felsklüfte hinweg? Beim Gedanken, dass Anní dem blauen Engel beim Fliegen stützend unter die Arme griff, wurde Aodhan schlecht und er versuchte seine Gedanken auf etwas anderes zu lenken. Erfolglos. „Dachtest du, ich lasse dich hier allein?“, ertönte eine Stimme hinter dem weißen Engel und ließ ihn aufschrecken. Ohne sich zu erheben drehte er sich halb um und sein Herz hüpfte, als er Illium, lässig im Türrahmen stehend, erkannte. Aodhan zuckte mit den Schultern und wandte seinen Blick wieder dem dunkler werdenden Wald zu. „Dummkopf.“, tadelte ihn der Jüngere und seine Stimme klang weich und leidenschaftlich. Lautlos trat er hinter Aodhan und ließ seine Finger zärtlich über dessen lockeren Zopf gleiten. „Warum sollte ich denn ohne dich gehen?“, murmelte er und atmete tief Aodhans Duft nach Schnee und exotischen Gewürzen ein. „Weil du schon sehr bald wieder fliegen kannst, es jetzt schon versuchst, und ich...“, antwortete der Ältere tonlos und legte seinen Kopf in den Nacken. Die Blicke der beiden Männer trafen sich und Illium sah den Schmerz in Augen, die gesplittertem Glas glichen. Wie hypnotisiert beugte er sich herab, ließ sein Haar wie einen Vorhang um ihrer beider Gesichter fallen und rieb sanft seine Nasenspitze an Aodhans. Hitze und der süße Duft nach Honig schwappten über dem weißen Engel zusammen und ließen ihn in stummer Erwartung verharren. „Du willst fliegen?“, murmelte Illium rau und seine Stimme war atemlos. „Dann komm mit, ich zeig dir wo man auch ohne Flügel durch die Lüfte tanzen kann.“ Und ohne ein weiteres Wort zu verlieren packte er Aodhans Hand und zog ihn mit sich. Kapitel 7: Aodhan. ------------------ Von Illium gezogen, seinem erregend hitzigen Körper folgend, stolperte Aodhan durch die nahezu vollkommene Dunkelheit des Waldes. Immer wieder schlugen ihm kleine Äste ins Gesicht und er musste Wurzeln und niedrigen Sträuchern durch geschickte Sprünge ausweichen – aber er ließ nicht los. Seine Finger waren fest mit denen des blauen Engels verwoben und er konnte den Puls des anderen Mannes tief in seinem Inneren spüren. Anfangs hatte er noch Fragen gestellt, hatte versucht rauszubekommen, wohin ihr Weg sie führte. Aber stets hatte er als Antwort nur Illiums Lachen gehört und sich irgendwann damit zufriedengegeben. Nun waren sie schon fast eine Viertelstunde unterwegs, hatten kleine Bäche und Lichtungen passiert, waren an moosbewachsenen Findlingen und einer Gruppe erschrocken fliehender Rehe vorbeigerannt und so langsam begann Aodhan zu straucheln. Die kalte Nachtluft strömte wie Feuer in seine Lungen und seine Beine wurden mit jedem Schritt, mit jedem langen Satz über einen heruntergestürzten Ast, schwerer. Mit einem leisen Stöhnen fasste er fester nach der Hand des Blaugeflügelten, atmete dessen wilden Duft, vermischt mit der würzigen Note des Waldes, ein und lauschte auf das plötzlich auftauchende Rauschen in der Ferne. Erst leise, dann rasch näher kommend, konnte er das Tosen von aberhunderter Wassermassen ausmachen, die sich brüllend in die Tiefe ergossen. Schon wurde das leise Flüstern der Blätter und das knackende Unterholz davon überlagert und wenige Schritte weiter war es Aodhan unmöglich, seine eigenen Stimme zu hören. Dafür bebte die Erde unter seinen Füßen und der Wald lichtete sich. Immer mehr traten Bäume, Gestrüpp und Moosteppiche zurück und nach wenigen Metern liefen die Engel auf nacktem Fels. Ein scharfer Wind zauste Haar und Kleidung der Rennenden und dann... trat Aodhan ins Leere. Abrupt und ohne jegliche Vorwarnung hatte er den Boden unter den Füßen verloren und stürzte haltlos in die Tiefe. Noch immer hielt er Illiums Hand und suchte Halt bei ihm. „Festhalten.“, schrie dieser über das Tosen des Wasserfalls hinweg, in dessen Strudel sie hinabgerissen wurden, und Aodhan tat wie ihm geheißen. Blitzschnell legte er die bandagierten Flügel an, ließ sich von Illium heranziehen und schmiegte sich wie ein Kind an dessen Seite. Heiß presste Haut auf Haut und als der weiße Engel einen Blick auf das Gesicht des Jüngeren erhaschte, konnte er dort weder Angst,noch Überraschung oder Panik entdecken, sondern nur den Ausdruck tiefer Befriedigung und unbändiger Freude. „Du bist verrückt.“, schrie Aodhan und spürte wie Wind und Abermillionen kleiner Wassertropfen unter seinen Flügeln rauschten. Hart schlug ihm der kalte Nachtwind ins Gesicht, roch frisch und harzig wie der Wald selbst und zerzauste ihm Haar und Federn. Illiums Antwort ging in dem Tosen der herabstürzenden Wassermassen und dem Rauschen seiner mitternachtsblauen Flügel unter, als er diese weit öffnete und den peitschenden Zugwind darunterließ. Je wurden die beiden Engel in ihrem Fall gebremst und segelten ein Stück weit in die Tiefe. Anstrengung stand auf Illiums Gesicht und er ächzte unter der Spannung, die in Schultern und Schwingen rumorte. Dann veränderte er seine Haltung, neigte sich ein wenig nach unten und die beiden Männer schossen pfeilschnell in die Tiefe. Kopfüber rauschten sie an Felsgestein, immergrünen Kletterpflanzen und brodelndem Nass vorbei und genossen das luftige Element um ihrer beider Körper. Heiß drängte sich Illium an Aodhan, schlang seine Arme um dessen schmale Hüften und weißes Haar vermischte sich mit pechschwarzem zu einer züngelnden Flamme in der kalten Nachtluft. Aodhan schloss die Augen als der dunkle Grund in Sicht kam, jubilierte dem alles überstrahlendem Hochgefühl in seinem Körper entgegen und lauschte Illiums ausgelassenem Schrei. Dann schlugen sie auf und er hörte nichts mehr. Stille umfing ihn als die Wellen des Sees über ihm zusammenschlugen und für einen Moment verlor der weiße Engel beinahe das Bewusstsein. Das kalte Wasser um seinen, vom Rennen erhitzten Körper, war wie ein Schock und jeder Zentimeter seiner Haut schien wie von tausend Nadeln durchstochen. Schwärze wirbelte vor seinen geschlossenen Lidern auf und Übelkeit machte sich in seinem Magen breit. Dann spürte er einen vertrauten Körper neben sich. Hitzig und in Bewegung. Das eiskalte Wasser mit mächtigen Flügeln verdrängend. Illium. Mit einem Ruck riss Aodhan die Augen auf, kämpfte sich mit einigen kräftigen Schwimmzügen gen Oberfläche und tauchte schließlich prustend auf. Noch immer war das Tosen des Wasserfalls so laut, dass man kaum sein eigenes Wort verstand, trotzdem konnte er auf Illiums lächelndem Gesicht dieselben Gefühle lesen, die auch ihn durchströmten. Glück. Erleichterung. Pure Freiheit. Gemeinsam und in ruhigen Zügen schwammen die beiden Engel gen Ufer und waren froh, als sie endlich die harten Kiesel der Bucht unter ihren Füßen spürten. Das letzte Stück wateten sie und als ihm das Wasser nur noch bis zu den Knien reichte, blieb Aodhan keuchend und mit bebendem Körper in den kalten Fluten stehen. Er fühlte sich erschöpft wie nach einem langen Kampf und jetzt, da das Adrenalin langsam aus seinem Körper wich, wurden seine Beine schwer und schwerer. Unaufhörlich floss Wasser aus seinem Haar und der Kleidung, strömte aus seinen Schwingen und den vollgesogenen Bandagen daran. Illium war noch einige Schritte weitergegangen, blieb nun stehen und wandte sich um. Das feuchte Sweatshirt klebte eng an seiner Brust und deutlich zeichneten sich die Muskeln darunter ab. Das nasse Haar, pechschwarz und glänzend, schmiegte sich eng an den weichen Hals des Mannes und die Spitzen seiner Federn schimmerten wie flüssiges Quecksilber im Mondlicht. Er war rundherum perfekt – ein schöner, wilder und und unbezähmbarer Mann. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er und in seinen feurigen Augen tanzte eine goldene Glut. Aodhan nickte langsam und seine Füße hoben sich wie von selbst, als er auf den Blaugeflügelten zuging. Zielstrebig führten sie Aodhans Leib ganz nah an Illiums und er zitterte, als sich ihre Oberkörper berührten. Erregung züngelte wie eine Flamme durch den Körper des weißen Engels und kitzelnde Schauer rannen seinen Rücken hinab. „Es geht mir gut.“, murmelte er wahrheitsgemäß und mit einem Lächeln beugte er sich herab. Sanft fanden seine Lippen Illiums, verschlossen sie mit einem zärtlichen Kuss und kühle Beherrschtheit traf auf feurige Leidenschaft. Weich war die Berührung und der blaue Engel schmolz unter der zögerlichen Zartheit des Moments. Verlangen kribbelte in jedem Zentimeter seines Körpers und er umfing das Gesicht des schönen, stolzen Engels vor sich mit beiden Händen. Kühl und seidig schlangen sich weiße Strähnen um seine Finger und er spürte Aodhans leises Zittern. Illium keuchte als sich ihre Lippen wieder trennten und für einen Moment lehnte Aodhan seine Stirn gegen die des blauen Engels. Dann zwangen sie Kälte und aufkommender Regen auseinander und ihre erhitzten Körper trennten sich voneinander. „Wir sollten zurückgehen.“, murmelte Aodhan und seine Stimme klang rau und kehlig. Ein leichter Hauch von Röte lag auf Wangen und Stirn des weißen Engels und machte ihn lebendig und wunderschön. Illium stimmte mit einem Kopfnicken zu und gemeinsam machten sie sich durch den einsetzenden Nieselregen auf den Rückweg. Als nach einer guten Stunde das Haus in Sicht kam, hatte der Himmel all seine Pforten geöffnet und es goss wie aus Eimern. Geduckt, den Windböen so gut wie möglich ausweichend, nahmen die beiden Engel die letzten hundert Meter im Laufschritt und atmeten erleichtert auf, als sie in die schützende Wärme des Holzhauses traten. Mit einem angewiderten Schnauben schüttelte sich Illium und wandte sich zu seinem Begleiter um. „Alles noch dran?“, fragte er und beäugte die Flügel des weißen Engels argwöhnisch. Die nassen Bandagen klebten eng an den perlmuttfarbenen Federn und zogen mit unerbittlicher Stärke nach unten. Blätter und kleine Ranken hatten sich in dem schmutzigen Grau verfangen und verunstalteten die unsterbliche Pracht. Aodhan nickte und seine Zähne schlugen klappernd aufeinander. Er bot einen mitleiderregenden Anblick und Illium lächelte schräg. „Du solltest dir eine warme Dusche gönnen.“, stellte er fest und stappelte Holz, das neben der Tür lagerte, auf seine Arme. „Ich mache es uns derweil gemütlich.“ Der weiße Engel folgte dem Jüngeren mit den Augen, als dieser den Wohnraum betrat und dort vor dem Kamin niederkniete. Er machte sich in der längst verglühten Asche zu schaffen, fluchte halblaut und legte schließlich frisches Holz auf die Brennfläche. Mit großer Umsicht entfachte er eine kleine Flamme, zog sie geduldig auf und wenige Minuten später erhellte ein prasselndes Feuer den großzügigen Raum. „Du bist ja immer noch hier.“, lachte Illium als er sich erhob und die angelehnten Glastüren zur Veranda schloss. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick auf den gesamten Talkessel. Grüne Wiesen so weit das Auge reichte, Bäume die sich im Nachtwind bogen, Findlinge, uralt und mit weichem Moos bewachsen, vor der malerischen Kulisse der gigantischen Wasserfälle. Regenschauer jagten durch die Nacht und der silberne Mond wurde immer wieder von dunklen Wolken verdeckt. Aodhan spürte die aufkommende Wärme des Kaminfeuers auf seiner Haut prickeln und ging einen Schritt näher. Gierig leckte die Hitze der Flammen über seine feuchten Arme, sog Wasser und Kälte wie ein Schwamm in sich auf und hinterließ das wohlige Gefühl von Geborgenheit. Der weiße Engel schloss die Augen und verharrte vor dem Kamin, bis sich eine Hand um seine Hüfte schob. Illiums Hitze war eine andere, verlockendere, und Aodhan wand sich um. „Du zitterst.“, murmelte der weiße Engel und legte seine Stirn gegen Illiums. Der Duft von Sommer und würzigem Honig stieg ihm in die Nase und er seufzte leise. „Dagegen gibt es nur ein Mittel.“, entgegnete der Blaugeflügelte rau und er löste sich aus der intimen Berührung mit einem enttäuschten Stöhnen. „Ab unter die Dusche.“, dirigierte er dann und verließ die betörende Wärme des flackernden Feuers Richtung Badezimmer. Der verhältnismäßig kleine Raum war geschmackvoll eingerichtet und auch von hier hatte man einen fantastischen Blick auf die umgebende Landschaft. Durch bodentiefe Fenster konnte man dunkle Tannen und wildes Gestrüpp sehen. Eine Lichtung lag in direkter Verlängerung des Hauses und auch hier wanden sich glitzernde Bäche durch den duftenden Waldboden. Im Badezimmer selbst gab es ein in den Boden eingelassenes Becken, mehrere Sitzgelegenheiten und eine geräumige Dusche die durchaus Platz für drei Engel und deren raumgreifende Flügel bot. Flauschige Handtücher, nach Lavendel und Minze duftend, lagen in Regalen aufgestapelt und die Wärme des Kaminfeuers im Nebenraum drang durch einige Schlitze in der Wand herein. „Wow.“, murmelte Illium und entledigte sich hektisch seines Sweatshirts. Mit einem dumpfen Klatschen landete das Kleidungsstück auf dem marmornen Boden und er wand sich Aodhan zu. Der lehnte im Türrahmen und betrachtete mit errötenden Wangen den jüngeren Engel in all seiner Herrlichkeit. Weiche, geschmeidige Muskeln an Brust und Rücken, ein flacher Bauch. Goldene Haut die zum Streicheln einlud und die betörend schönen Azurflügel. „Du zuerst?“, murmelte Aodhan mit rauer Stimme und verschränkte mit zitternden Fingern die Arme vor der Brust. Illium lächelte und das Feuer in seinen erstaunlichen Augen loderte auf. Bernstein verschmolz mit Gold und hitziger Lava zu einem glühenden Kern der sich ausschließlich auf den weißen Engel richtete und ihn zum Erschaudern brachte. „Komm her.“, lockte der Blaugeflügelte und er streckte seine Hand nach dem Älteren aus. Ohne zu wissen warum, folgte Aodhan der Aufforderung und schob seine Finger in die des Jüngeren, ließ seinen Blick über die atemberaubenden Flügel gleiten und stellte fest, dass es sich richtig anfühlte. Hier zu sein. Mit Illium zu sein. Es tat gut. Zärtlich schob der blaue Engel seine Hände auf Aodhans Hüften und strich sanft über den rauen Stoff des Shirts. Geschickt wanderten seine Finger die schmalen Flanken hinauf, erkundeten und streichelten die noch verhüllte Haut mit langsamen Bewegungen und entlockten dem Älteren ein Seufzen. „Was...hast du vor?“, murmelte Aodhan und schloss seine unglaublichen Augen. Leidenschaft huschte wie ein Schatten über sein sonst so ausdrucksloses Gesicht und Illium genoss den Anblick. „Dich von deiner kalten Kleidung befreien.“, antwortete er mit erstickter Stimme und wartete auf Gegenwehr. Sie blieb aus und Triumph glomm in den feurigen Tiefen seines Blickes auf. Vorsichtig und mit all der Selbstbeherrschung, die er aufbringen konnte, lüftete er den Rand des Shirts auf Aodhans Hüfte und schlüpfte darunter. Kühle, weiche Haut empfing seine hitzige Hand und Illiums Körper überzog sich mit Gänsehaut. Perfekt und nachgiebig schmiegten sich Muskeln und Sehnen an seine suchenden Finger und keine Unebenheit, nicht die kleinste Narbe, störte die vollkommene Glätte. Mit langsamen, kreisenden Bewegungen schob Illium den störenden Stoff nach oben, entblößte Zentimeter um Zentimeter der duftenden Haut und schluckte tapfer sein Stöhnen herunter. Er wollte Aodhan nicht überfordern. Ihn nicht verunsichern mit der Lust, die in ihm tobte. „Arme hoch.“, kommandierte er dennoch und war erstaunt, als der weiße Engel klaglos Folge leistete. Mit einer geschmeidigen Bewegung zog Illium das nasse Shirt über den Kopf des Älteren. Der sich nun bietende Anblick brachte den jungen Engel ins Straucheln und er musste sich für einen Moment an Aodhans beruhigend großen Körper lehnen. Kühl presste sich die makellose Haut gegen Illiums Stirn und er fand wieder zu sich, hob die Hand und legte sie mit gespreizten Fingern auf den leicht gewölbten Brustmuskel. „Wunderschön.“, murmelte er leise und sie verharrten eine ganze Weile in dieser Position. Goldene Karamellhaut gegen weißes Perlmutt gedrückt. Schwarzes Haar mit lichtweißen Strähnen verwoben. Dann regte sich Aodhan, schob seine Hände in Illiums Schopf und er ließ die schwere, feuchte Seide durch seine Finger gleiten. Wie ein Wasserfall rann das feine Haar mit den blauen Spitzen über seine Haut und hinterließ ein sanftes Kribbeln. Illium hielt vollkommen still, wagte kaum zu atmen und hielt den Blick gesenkt. Aodhans Berührungen lösten einen so mächtigen Orkan aus Erregung, Lust und Gier in ihm hervor, dass er fürchtete nicht mehr lange an sich halten zu können. Feuer schoss wie ein glühender Pfeil durch seine Adern und bereitete ihm nahezu unerträglich lustvolle Qualen. „Jetzt zitterst du.“, kommentierte Illium und genoss das Gefühl von Aodhans kräftigen Fingern in seinem Nacken. „Mir ist kalt.“, antwortete der weiße Engel schlicht und ein Lächeln zog durch seine zersplitterten Iriden. „Dann solltest du dich ein wenig aufwärmen.“ Und mit einem sanften Stupser beförderte Illium den um einiges größeren Engel in die großzügige Duschkabine. Als er den Hahn aufdrehte und mit einem leisen Rauschen warmes Wasser herabregnete, seufzten beide Engel erleichtert auf. Heiß und duftend rann das Nass durch Haare und Federn, suchte sich seinen Weg auf honig- und perlmuttfarbener Haut und versickerte dann in rauem Hosenstoff. Schmutz, Kälte und Anstrengung wurden hinweggespült und verschwanden gurgelnd im Abfluss, hinterließen nur feurige Hitze und tiefe, tiefe Erschöpfung. „Was ist mit... deinen Flügeln?“, fragte Illium stockend und betrachtete die schmutzigen und mittlerweile an vielen Stellen gerissenen Bandagen mit gerunzelter Stirn. Aodhan schaute ihn eine Weile nachdenklich an, schien in seinem Gesicht nach etwas zu forschen, und seufzte dann. „Sei vorsichtig.“, mahnte er und gab damit, widerwillig zwar, seine empfindsamste Stelle frei. „Was sonst erwartest du von mir?“, gurrte Illium und lächelte breit. Sein schönes, wildes Gesicht strahlte und Aodhan kam nicht umhin das Lächeln zu erwidern. „Angeber.“, murmelte er und wandte sich mit leichtem Unbehagen um. Seit Jahrhunderten hatte niemand mehr seine Flügel berührt, von den Vampiren im Kampf mal abgesehen, und Aodhan fürchtete sich insgeheim davor. Er war vor langer Zeit so tief verletzt worden und hatte jegliches Vertrauen in die Welt und ihre Bewohner verloren – noch einmal würde er das nicht ertragen. „Sag Bescheid, wenn es weh tut.“, murmelte Illium hinter ihm und legte dann eine Hand auf die empfindliche Haut zwischen den beiden Flügelansätzen. Aodhan zuckte in Erwartung des Schmerzes und der Übelkeit zusammen, aber nichts von beidem stellte sich ein. Beruhigende Wärme ging von den geschickten Fingern des blauen Engels aus und er verharrte genau solange, bis sich Aodhans rasendes Herz beruhigt hatte. Dann fuhr Illium am äußeren Flügelbogen nach oben, passierte die erste Bandage und lockerte sie mit gekonntem Griff. Erleichterung durchströmte den großen Engel, als der Druck auf den sensiblen Federn endlich nachließ und er seufzte tief. „Alles in Ordnung?“, fragte Illium besorgt und hielt inne, die Hand noch immer auf den samtweichen Schwungfedern. Aodhan nickte wie in Trance und genoss den Moment in seiner perfekten Vollkommenheit. Illiums Hand auf seinen Schwingen, die ihn endlich von der Last der Bandagen befreien würde, das heiße Wasser auf Gesicht, Schultern und Brust und die tiefe Vertrautheit zwischen zwei Unsterblichen. Nachdem sich Illium sicher war, dass der weiße Engel sich entspannte, fuhr er in seinem Tun fort. Vorsichtig schob er seine flache Hand an den glatten Federn entlang, lockerte umsichtig die nächste Verbandsschlinge und glitt dann an dem empfindsamen Flügelbogen nach unten. Aodhan erstarrte für einen Moment zu einer perfekten Statue aus Marmor und Perlmutt. Jeder Muskel in seinem Körper spannte sich bis zum Äußersten und der blaue Engel löste schweren Herzens die Berührung zu dem überwältigend schönen Flügel. Dann war ein Stöhnen zu hören, ein leises, aber deutliches Keuchen von Aodhans Lippen und er drückte Illium seine Schwingen entgegen. Verblüfft wiederholte der blaue Engel die zuvor erprobte Bewegung, ließ seine Hände über den empfindsamen Flügelbogen gleiten und Aodhan stöhnte erneut. Illium lächelte, nahm die zweite Hand zu Hilfe und öffnete einen der festen Knoten am Flügelansatz. Mit einem Klatschen fiel die schmutzige Bandage zu Boden und Aodhan seufzte erleichtert auf. „Endlich.“, murmelte er und probierte, wie weit er seine Schwinge strecken konnte. Schmerz mischte sich unter die süße Lust. „Tut es sehr weh?“, fragte Illium und legte seine warme Hand um den sensiblen Flügelansatz. „Nein.“, antwortete Aodhan schlicht und war erstaunt, wie rau und kratzig seine Stimme klang. Sehnsucht floss zäh wie Wachs durch seinen Körper und verlangte nach so viel mehr Berührung. Nach suchenden Händen auf seinen Flügeln. Nach heißen Küssen auf Nacken und Rücken. Nach wissenden Lippen auf feuchter Haut und geschickten Fingern in weißem Haar. „Weiter.“, bat er deshalb und bog seinen Rücken durch wie ein Tier, das sich nach Streicheleinheiten streckt. Illium lächelte und nur zu gerne kam er der rauen Bitte nach. Mit nunmehr geübten Griffen lockerte er eine Schlinge nach der anderen, löste den schmutzigen Stoff von den strahlend weißen Flügeln und entknotete zu guter Letzt ihre Enden. Die zweite Bandage fiel in das warme Wasser zu Füßen der beiden Engel und endlich war Aodhan frei. Mit einem Keuchen öffnete er seine Schwingen soweit die Duschkabine es erlaubte, ignorierte den bohrenden Schmerz in Schultern und Rücken und faltete sie dann anmutig an seinen Körper. Bewundernd strich Illiums Blick über die schimmernden Federn. Folgte dem perlenden Wasser mit den Augen und konnte sich nicht sattsehen an diesen vollkommenen Kunstwerken. Als Aodhan sich umwandte lag ein Lächeln auf seinen weichen Lippen. „Danke.“, murmelte er und zog den hitzigen Körper des jungen Engels mit spielender Leichtigkeit zu sich heran. Erneut traf Haut auf Haut und ihre Münder einten sich zu einem zärtlichen Kuss. Sanft lagen Illiums Lippen auf Aodhans, kosteten, übten leichten Druck aus und lösten sich wieder. Aber der weiße Engel wollte mehr. Und er nahm sich mehr. Die Hand im Nacken des Jüngeren presste er seinen Mund auf Illiums und bat mit kitzelnder Zunge um Einlass. Zärtlich knabberte er an der vollen Unterlippe des blauen Engels, eroberte dessen Mund wie ein Husar und rang mit ihm bis die Atemnot sie auseinander trieb. Keuchend, Stirn an Stirn und die Hände in den langen Strähnen des jeweils Anderen vergraben, verharrten die beiden Engel in stummem Genuss und badeten in der feurigen Hitze ihrer beider Körper. Süß und exotisch war der Kuss gewesen, hatte nach Schnee, nach Honig und Sommertagen geschmeckt und ihnen Verstand und Atem geraubt. Lächelnd rieb Illium seine Nase an Aodhans und legte seine Hände auf dessen Hosenbund. „Wir sollten nicht vergessen, wofür wir eigentlich hier sind.“, murmelte er und griff nach dem der cremigen Seife. Aodhan nickte und folgte der stummen Aufforderung des blauen Engels mit einem Lächeln. Es verging noch eine weitere halbe Stunde, ehe die beiden Engel sauber und trocken, in warme Decken gewickelt, vor dem Kamin zu sitzen kamen. Das großzügige Sofa bot mehr Platz als nötig und war weich und gemütlich. Aodhan ließ den Blick über die nachtdunkle Landschaft gleiten und strich dabei gedankenverloren durch Illiums schwarzes Haar. Dieser lag, eingerollt wie ein junger Hund und mit dem Kopf auf Aodhans breiter Brust, zur Rechten des weißen Engels und genoss die Liebkosungen. Seine Augen waren bereits halb geschlossen und er gähnte dann und wann herzhaft. Der Tag mit den Kindern und ihr nächtlicher Ausflug hatten ihm alles abverlangt und nun fühlte er sich herrlich erschöpft und zufrieden. Auch Aodhans Körper war müde und sehnte sich nach ein paar Stunden erholsamen Schlafes. Träge ließ er seine Finger über Illiums Nacken tanzen, glitt die mitternachtsblauen Flügel hinauf und vergrub seine Hand in den weichen Federn. Dunkelblauer Staub rieselt glitzernd herab und verfing sich in Aodhans Haar. „Hör auf mich zu bestäuben.“, warnte er lächelnd. „Gestern habe ich Stunden gebraucht, ehe ich alles entfernt hatte.“ Illium zuckte schläfrig die Schultern und schenkte ihm einen kecken Blick aus glühenden Augen dunklen Bernsteins. „Selber Schuld.“, murmelte er und schlang seine Beine fester um Aodhans. Das Lächeln des weißen Engels vertiefte sich und er vergrub seine Nase in dem pechschwarzen Schopf des Jüngeren. Sommertage und verglühendes Lagerfeuer. Sonne. Exotischer Honig. „Du bist ganz schön frech.“, murmelte Aodhan und schloss die Augen mit einem Seufzen. „Selber Schuld.“, wiederholte Illium und nach wenigen Minuten wurden beide Engel vom Schlaf übermannt. Kapitel 8: Hitze. ----------------- Aodhan wurde von dem stetigen Trommeln feiner Regentropfen gegen das Fenster geweckt. Widerwillig, von wohliger Wärme umgeben, öffnete er die einzigartigen Augen und sah sich verschlafen um. Noch lagen tiefe Schatten schummrigen Dämmerlichts in den Zimmerecken und der Himmel war von dichten, grauen Wolken bedeckt. Leise und kontinuierlich klopfte Regen auf das Dach und das bleckende Feuer war zu einem glimmenden Aschehäufchen zusammengeschmolzen. Illiums Flügel, azur und meerfarben, lagen wie eine schützenden Decke auf Aodhans Brust und die weichen Federn kitzelten auf der bloßen Haut. Beruhigende Wärme ging von ihnen aus und der weiße Engel drückte sich noch etwas tiefer in die weichen Kissen des großzügigen Sofas. Er wollte noch nicht aufstehen. Wollte den Mann neben sich nicht wecken. Wollte nicht zur Zuflucht zurückkehren. „Schon wach?“, murmelte eine verschlafene Stimme nah an seinem Ohr und Illium hob den Kopf ein Stück. Ein trüber Schleier lag auf den goldenen Augen und das schwelende Feuer darin erwachte träge zu neuem Leben. „Nein.“, log Aodhan und streckte seine Arme mit einem Knacken. „Ich schlafe noch.“ Lachend strich sich Illium die Haare aus dem schönen Gesicht und er betrachtete sein Gegenüber aufmerksam. „Ich wusste gar nicht, dass du Humor besitzt.“, sagte er und der Schalk blitzte in seinen Augen auf. Aofhan knurrte wie ein großes Raubtier, zeigte seine makellos weißen Zähne und strich mit einer kräftigen Bewegung über den Flügelbogen des Jüngeren. „Du weißt so einiges von mir noch nicht.“, antwortete er mit einem geheimnisvollen Lächeln und zog das Gesicht des blauen Engels zu sich heran. „Zum Beispiel, dass ich ein wahnsinnig guter Küsser bin.“ Und wie zur Bestätigung drängte er seine Lippen gegen Illiums. Hitze erwuchs aus der leidenschaftlichen Berührung, ebbte in trägen Wellen über ihrer beider Körper und schürte die Lust. Einen Moment fochten ihre Zungen, rangen und tanzten miteinander in stummer Gier und trennten sich dann mit einem Seufzer. Leichte Röte malte sich auf die goldene Haut des Blaugeflügelten. „Jetzt weiß ich es ja.“, murmelte er rau und sog noch einmal an der weichen Lippe des weißen Engels. Zärtlich bearbeitete er das nachgiebige Fleisch mit Zähnen und Zunge, entlockte dem Älteren ein zaghaftes Stöhnen und ließ dann zufrieden von ihm ab. „Was weiß ich noch nicht, was ich unbedingt kennenlernen sollte?“, fragte er dann lächelnd und stützte sein Kinn auf Aodhans bleiche Brust. Der große Engel schien einen Moment zu überlegen, fuhr sich dabei gedankenverloren über die leicht geschwollene Lippe und zuckte dann die Schultern. „Finde es doch heraus.“, lockte er und in seinen erstaunlichen Augen tanzte ein ganz und gar neuer Ausdruck spielerischen Verlangens. Illium lachte heiser und wälzte sich träge auf den Rücken. „Aber erst muss ich etwas essen.“, sagte er und rieb sich die verbliebenen Reste vom Schlaf aus den Augen. „Ohne Frühstück bin ich zu nichts zu gebrauchen.“ Die Enttäuschung in Aodhan, der Verlust der intensiven Berührung durch Körper und Flügel des blauen Engels, jagte wie ein brüllendes Tier durch seine Brust und bäumte sich schmerzhaft auf. Er seufzte. „Wenn wir hier oben überhaupt etwas finden.“, fügte er nachdenklich hinzu und sah sich ratlos um. „Soweit ich weiß war monatelang niemand im Haus.“ Illiums Augen blitzten belustigt auf und er machte ein spitzbübisches Gesicht. Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob er sich, streckte seinen steifen Körper in köstlicher Manier und wand sich dann dem weißen Engel zu. „Du bleibst hier und wartest – ich bin gleich wieder da.“, befahl er, rieb sich fröstelnd über die honigfarbene Brust und verließ das Zimmer dann ohne ein weiteres Wort. Wenige Augenblicke später klapperte und klirrte es in der Küche und in Aodhans Magen erwachte der Hunger. Mit einiger Überwindung verließ er die warmen Kissen, schlang das knappe Handtuch vom Vorabend um seine Hüften und erhob sich mit einem Seufzen. Seine Flügel, endlich von der Schande der schmutzigen Bandagen befreit, schliffen schmerzhaft über den rauen Holzboden und der weiße Engel zwang sich, sie an den Rücken zu legen. Er stöhnte leise und blinzelte das dumpfe Hämmern weg ehe er sich vor dem Kamin niederließ und Holz in das heiße Glutbett legte. Augenblicklich leckten züngelnde Flammen über die trockenen Scheite und fraßen sich hungrig hinein. Gierig vernichteten sie Rinde und kleine Äste und im Nu breitete sich eine angenehme Wärme aus. Eine Weile verharrte der weiße Engel vor dem auflebenden Feuer, starrte gedankenverloren in das orangefarbene Flackern und versuchte sich zu konzentrieren. Erfolglos – Illiums Duft, seine Anwesenheit und die Berührung seiner atemberaubenden Flügel schien jegliches rationales Denken auszuschalten und alle Zweifel hinwegzufegen. Er seufzte. Als sich Aodhan erhob, seinen Rücken vorsichtig durchbog und damit die Belastungsgrenze seines Körpers erprobte, kehrte Illium mit einem völlig überladenen Tablett zurück. Der Geruch von Rührei, heißen Brötchen und süßen Kuchen stieg in die Nase des weißen Engels und Speichel sammelte sich in seinem Mund. Knurrend meldete sich sein Magen zu Wort und Illium lachte herzhaft auf. „Meine Güte, und ich dachte ich wäre hungrig.“, kicherte er und balancierte die Köstlichkeiten auf den niedrigen Tisch vor dem Sofa. Knackiges Gemüse in bunten Streifen, getrocknetes Obst und frischer Fisch. Honig mit dem würzigen Duft von Lavendel und Rosmarin, Fruchtaufstriche und weiße Schokolade in kleinen Schüsseln. Karamellpudding und Sahneeis. Duftendes Gebäck und dutzende Scheiben saftigen Milchbrotes. Süße Feigen und überreife Melone in mundgerechten Stücken. Rosenwein dazu, eiskalt und in schmalen Flaschen. Aodhan war sprachlos. Es war schon das zweite Mal innerhalb kurzer zeit, dass der Blaufgeflügelte ihm Essen servierte – und wieder war er über seine exquisite Auswahl und seinen erlesenen Geschmack erstaunt. „Ich hoffe es ist etwas für dich dabei.“, sagte Illium, goss Wein in ihrer beider Gläser und lehnte sich dann mit einem zufriedenen Lächeln zurück. Er trug eine leichte Stoffhose und Aodhan sah deutlich die muskulösen Beine unter dem fließenden Material. „Woher wusstest du, dass wir die Nacht hier verbringen würden?“, fragte der Ältere und versuchte das Grummeln in seinem hungernden Magen zu ignorieren. „Es war viel eher hoffen als wissen.“, antwortete Illium wahrheitsgemäß und griff nach einem süßen Schokoladenküchlein. „Und jetzt Mund auf.“ Nur zu gerne leistete Aodhan Folge, öffnete seine Lippen ein Stück und biss herzhaft in den luftigen Teig. Sofort fluteten süße Aromen seine Zunge und ein wenig flüssiges Karamell, dass das Herz des Gebäcks bildete, lief seinen Mundwinkel herab. Weich und unendlich köstlich war die Schokolade, zerschmolz auf der feuchten Hitze seiner Zunge und hinterließ höchsten Genuss. Mit einem weiteren Biss verschwand der Rest des Küchleins in Aodhans Mund und er stöhnte noch einmal ob des vortrefflichen Geschmackes. Noch während er schluckte kam Illium näher, leckte hingebungsvoll das flüssige Karamell von Aodhans Lippen und griff dann nach einem Stück Melone. „Sag ah.“, lächelte er und war erstaunt, wie bereitwillig der weiße Engel seiner Aufforderung folgte. Vorsichtig schob er das kühle Fruchtfleisch in den wartenden Mund und beobachtete erfreut die Regungen auf Aodhans Gesicht. Genuss zog wie ein Schatten durch die zersplitterten Iriden und gierig sog der Engel an den vom Fruchtsaft feuchten Fingern des Blaugeflügelten. „Nicht so gierig.“, mahnte Illium mit einem leisen Stöhnen und reichte seinem Gegenüber das gefüllte Glas. Vorsichtig nahm Aodhan einen Schluck des köstlichen Weines, erwärmte ihn einen Moment in seinem Mund und schmeckte jede noch so kleine Note heraus. Würze. Rosen. Milde Süße von Mondzucker. Kühles Eiswasser. „Das ist ein Besonderer.“, kommentierte er und schenkte dem Blaugeflügelten einen fragenden Blick. „Aus Nauru?“ Illium nickte erfreut. „Ich musste eine ganze Menge unangenehmer Leute dafür bestechen.“ Aodhan war verblüfft und warf einen nachdenklichen Blick auf den reich gedeckten Tisch. „Jetzt du.“, sagte er dann und nahm eine Scheibe saftigen Milchbrotes. Vorsichtig tunkte er eine Ecke in den würzig duftenden Honig und hielt sie Illium vor den Mund. Ohne zu protestieren ließ der sich füttern, biss in den schneeweißen Teig und leckte sich anschließend den aromatischen Aufstrich von den sinnlichen Lippen. „Woher wusstest du, dass ich Honig am liebsten mag?“, fragte er dann neugierig und lehnte sich mit einem Seufzer zurück. Seine Brust war golden und vollkommen und Aodhan zuckte es in den Fingern sie zu berühren. „Du riechst danach.“, antwortete er schlicht und angelte gedankenverloren nach dem kleinen Honigglas. Illium verschluckte sich fast. „Ich rieche danach?“, fragte er belustigt und ein schiefes Grinsen erschien auf seinem schönen Gesicht. „Wo?“ Ohne auf die Reaktion des blauen Engels zu achten tauchte Aodhan seinen Zeigefinger in den zähen Honig, sog den würzigen Duft ein und ließ die klebrige Masse dann auf die warme Haut des Jüngeren tropfen. „Einfach überall.“, murmelte er, in sein Tun vertieft, und beugte sich herab. Heiß strich Aodhans Zunge über die goldene Glätte, nahm den Duft nach Lagerfeuer und Sonne wahr und schmeckte den süßen Honig auf seinen Lippen. „Sogar deine Flügel.“ Illium stöhnte auf und seine Stimme war heiser vor Verlangen. Gierig hob er seine Brust, hob seinen Körper dieser wunderbar streichelnden Zunge entgegen und verging fast vor Lust. Aodhans geschickte Lippen küssten und liebkosten seine empfindsame Haut, sogen hier und da an dem weichen Fleisch seiner Brustmuskulatur und beseitigten alle Spuren zähen Honigs. „Sogar...meine...Flügel?“, flüsterte Illium und sein ganzes Wesen schien sich nur noch auf das lustvolle Tun des weißen Engels an seiner Brust zu konzentrieren. „Sogar die.“, bestätigte Aodhan, hob dann seinen Kopf und schenkte seinem Gegenüber ein hinreißendes Lächeln. „Das war lecker.“ Illium brauchte eine ganze Weile, eher seine Fassung zurückerlangt und seinen Körper soweit beruhigt hatte, dass er wieder sprechen konnte. „Nein, das war verdammt sexy.“, entgegnete er murmelnd und nahm einen großen Schluck des prickelnden Weines. Die Wärme des Feuers vermischte sich mit der von Aodhans großem Körper und ließ den blauen Engel schwitzen. Das hier war so gut, so unendlich köstlich. „Was als nächstes?“, fragte er, ehe der Ältere auf seinen Kommentar eingehen konnte und griff dann nach einem Teller mit duftendem Rührei. Salziger Käse und eine bunte Gewürzmischung schmolzen auf dem heißen Gericht und gaben ihm eine einzigartige Note. „Magst du Ei?“, fragte Illium und reichte seinem Gegenüber eine Gabel. Aodhan nickte, riss sich vom Anblick des erhitzten blauen Engels los und gemeinsam machten sie sich über den dampfenden Teller her. Anschließend kosteten sie sich durch die Auswahl von Fruchtsorbets, Gemüsestückchen und süßem Gebäck – bis nur noch das langsam schmelzende Sahneeis und der Karamellpudding übrig waren. „Kannst du noch?“, fragte Illium mit einem verschmitzten Grinsen und griff nach beiden Schalen. Aodhans Magen, mit köstlichen Gerichten gefüllt, protestierte leise, aber der Engel ignorierte es. Er liebte Süßspeisen, die einzige Sünde die er sich dann und wann gönnte, und diese zwei Sorten ganz besonders. Illium schien ihn besser zu kennen, als er es zugab und eigentlich hätte ihn dieser Umstand abschrecken müssen. Aber er musste feststellen, dass er es, ganz im Gegenteil, genoss so umsorgt und umworben zu werden und er beschloss, sich noch eine Weile dieses tiefen Friedens zu gönnen. „Immer.“, antwortete er deshalb, rutschte etwas tiefer in die Kissen und schlüpfte wieder unter die wollene Decke zu seinen Füßen. Illium folgte seinem Beispiel und ließ sich neben ihn fallen, ihre Schultern in intimer Vertrautheit aneinandergedrückt. Geschickt trennte er ein Stück Pudding vom Rest der Masse, tauchte den Löffel dann in das süße Eis und balancierte beides in Aodhans wartenden Mund. Kalt und köstlich verschmolzen die beiden Komponenten auf der Zunge des weißen Engels zu einer perfekten Einheit und er seufzte herzhaft. Angenehme Schwere hatte all seine Glieder erfasst und er fühlte sich so geborgen wie nie. Illiums Haut rieb warm und weich über die seine und sein Duft nach Sonne und Lagerfeuer war allgegenwärtig. „Nochmal.“, bat Aodhan sehnsüchtig und schnappte spielerisch nach dem nunmehr leeren Löffel. Illium lachte. „Dafür musst du erstmal etwas tun.“, entgegnete er und brachte die vollen Schüsseln außer Reichweite des Älteren. „Dachte ich mir.“, antwortete Aodhan tonlos und schnitt eine Grimasse. Illium verschluckte sich fast an seinem anschwellenden Gelächter und brauchte einige Augenblicke, ehe er wieder zu Atem und Sprache fand. „Welche Stelle an meinem Körper magst du am liebsten?“, fragte er dann und die schwelende Glut in seinen goldenen Augen wurde zu einem reißenden Strom aus Lava und Bernstein. Aodhan verstummte für einen Moment und machte ein nachdenkliches Gesicht. Die Frage war verteufelt schwer, denn er mochte alles an Illium. Seinen schönen, muskulösen Körper, das männliche Gesicht. Die atemberaubend schönen Flügel, die betörend honigfarbene Haut und sein wildes, unbezähmbares Wesen. Den pechschwarzen Schopf mit den seidigen Strähnen, die dichten Wimpern, von blauen Spitzen gekrönt. Seine vollen Lippen. Aber er musste sich entscheiden, also wog er noch eine Weile ab und antwortete dann. „Deine Flügel.“, sagte er und ließ bestätigend seinen hungernden Blick über die azurblaue Pracht streichen. Alles an ihnen war perfekt. Illium errötete deutlich und er schlug die Augen in einer dramatischen Geste nieder. Aodhan lachte. „In dem Fall musst du sie berühren – dann bekommst du mehr Eis und Pudding.“, flüsterte er dann und klang dabei sehr unsicher und jungenhaft. Aodhans Inneres zog sich vor Freude zusammen und seine Finger zuckten beim Gedanken, erneut über die mitternachtsblauen Schwingen streichen zu dürfen. Mit bebendem Körper beugte er sich vor, legte seine Hand flach auf den weichen Flaum am Flügelansatz und drückte behutsam zu. Illium seufzte leise auf und Aodhan wurde forscher, glitt nach oben und genoss das Gefühl der warmen, glatten Federn unter seinen zitternden Fingern. Perfekt schmiegten sie sich an seine sensible Haut, bereiteten ihm unerhörtes Vergnügen und nur schweren Herzens löste er sich wieder von der azurfarbenen Schwinge. Illium blinzelte und schob seinem Gegenüber dann die sahnige Belohnung in den Mund. Eis und Pudding flossen über Aodhans Zunge und trotz des kulinarischen Hochgenusses, breitete sich Sehnsucht in seiner Brust aus. Also kehrten seine suchenden Hände zurück zu den empfindlichen Flügeln, rannen durch das Meer aus Himmel und Mitternacht und setzten ihren Weg dann auf den Schultern des blauen Engels fort. „Was müsste ich tun, um noch einen Löffel zu bekommen?“, fragte er sinnlich und strich mit Nachdruck über die goldene Haut an Illiums Rücken. Heiß bewegten sich Muskeln und Sehnen darunter und spielten mit den Fingern des weißen Engels. „Was würdest du denn tun?“, setzte der Blaugeflügelte entgegen und konnte seinen Körper kaum mehr ruhig halten. Aodhans Hände vollführten so kunstvolle Kniffe, berührten ihn mit so unerträglicher Zärtlichkeit, dass es ihn fast zerriss. „Ich würde dich zum Beispiel küssen.“, murmelte der Ältere und ließ sich nur allzu gerne auf das Spielchen ein. „Gut.“, hauchte Illium, umfing Aodhans Gesicht mit seinen starken Händen und presste ihre Münder aufeinander. Wie ein Orkan nahm er die Lippen des weißen Engels in Beschlag, sog und leckte an ihnen bis sie sich öffneten und den Weg in den feuchten Mund freigaben. Flink und voll dunklem Begehren umschlang Illiums Zunge Aodhans, spielte und rang einen Moment mir ihr und setzte seine Erkundung dann fort. Sanft strich er über Gaumen und Zähne des großen Engels, stupste und neckte seine Zunge dann erneut und sie umtanzten einander, bis Atemnot die Männer auseinandertrieb. Keuchend trennten sich ihre Münder, trafen sich dann erneut und gönnten dem hitzigen Verlangen in ihrer beider Körper einen weiteren innigen Kuss. Als Illium wieder zu Atem fand musste er sich leise räuspern, ehe er mit belegte Stimme sprach. „Dafür ist definitiv mehr als ein Löffel drin.“, murmelte er, stapelte Eis und Pudding auf dem Besteck und bot es Aodhan an. Dieser lächelte und schob die Hand des Blaugeflügelten zur Seite. „Ich brauche keine Belohnung für das hier.“, gurrte er leise und machte eine umfassende Geste. Der Blick seiner einzigartigen Augen war verschleiert und Sehnsucht lag auf seinem Gesicht. Klirrend traf der Löffel auf den rauen Holzboden und unbeachtet schmolz das Eis dahin – keiner der beiden Engel hatte mehr Augen dafür. Goldene Haut traf auf schneeweiße. Münder einten sich zu atemlosen Küssen und heisere Worte flüsterten in der vollkommen Stille. Perfekt schmiegte sich Illium in Aodhans Umarmung, drückte heiße Muskeln und zitternde Flügel gegen den großen Körper des weißen Engels und erbebte unter jeder neuerlichen Berührung. Das Lied des Regens vor den bodentiefen Fenster wurde lauter als sich die Wolken verdichteten und prasselnd stoben Funken aus dem lodernden Feuer. Illium stöhnte als sich Aodhans Mund auf seinen Hals presste, an der goldenen Haut sog und ein dunkles Mal darauf hinterließ. Einem Lauffeuer gleich wüteten Lust und unendliches Begehren in dem blauen Engel und er spürte wie sich Selbstbeherrschung und Zurückhaltung langsam zurückzogen. Hier, in diesem brennenden Moment, war kein Platz für Zweifel und Zukunftsängste, allein das Gefühl von sinnlichen Lippen auf williger Haut zählte und so gaben sich die beiden Männer hin. Badeten in der herrlichen Begierde, die sie beide gleichermaßen erfasste und vergaßen die Welt um sich herum. Vorsichtig bettete Aodhan den blauen Engel auf den Rücken, drückte eine Reihe kitzelnder Küsse auf seinen Hals und ließ dann seinen Blick über die mitternachtsblauen Flügel streicheln. Entspannt ruhten sie auf den weichen Polstern des Sofas und schimmerten im Licht des flackernden Feuers wie von abertausend Diamanten übersät. Engelsstaub. Einige der seidigen, schwarzen Strähnen fielen in Illiums Gesicht und gaben ihm ein verwegenes Aussehen, die dichten Wimpern glänzten als er die Augen niederschlug. Aodhan war überwältigt von der Schönheit des Mannes vor ihm, betört von der goldenen Haut an auf jedem Zentimeter und wie benebelt von seinem süßen, exotischen und so liebgewonnen Duft. Zärtlich ließ er seine Finger über die bebenden Flanken des blauen Engels gleiten, fühlte die makellose Glätte, von einem leichten Schweißfilm bedeckt, unter seinen Händen und lächelte. Illiums Nähe war berauschend. „Du bist so empfindlich.“, murmelte Aodhan leise und senkte seine Lippen auf die hochgereckten Brustwarzen des Mannes vor sich. Erst sanft, dann immer nachdrücklicher sog er an der empfindsamen Haut, zupfte daran bis Illium fast schrie und entließ sie dann aus seinem süßen Tun. Ein tiefroter Schleier lag auf den Wangen des Blaugeflügelten und er schnappte keuchend nach Luft. Einen Arm auf seine geschlossenen Augen gepresst, den Körper Aodhans forschender Zunge entgegengereckt verharrte er atemlos. Wie elektrisiert war er an jeder Stelle, die der weiße Engel mit Fingern und Lippen verwöhnte und zersprang beinahe unter der brachialen Gewalt, mit der die Lust in ihm tobte. Als Aodhan seinen Mund erneut auf Illiums Brust senkte, küssend und leckend eine feuchte Spur darauf hinterließ, stöhnte der blaue Engel wild und seine Lenden bäumten sich zuckend auf. Immer tiefer tanzte die Zunge des Älteren, erforschte die weiche Haut auf Illiums Bauch, umkreiste seinen Nabel und tauchte dann ganz hinein. Süß und würzig, wie exotischer Honig und der Kuss der Sonne schmeckte die goldene Haut und Aodhan konnte nicht genug davon bekommen. Immer wieder kostete er die nachgiebige Glätte, ließ sein Zähne darüberkratzen und atmete ihren erregenden Duft. Hart und hitzig presste Aodhans Erektion gegen das knappe Handtuch und sehnte sich schmerzlich nach Berührung. Seine Lenden schienen in Flammen zu stehen und heißes Blut schoss rauschend durch seine Ohren. Alles an ihm war hochsensibel und erregt und Illiums sich windender Körper rieb unerhört aufreizend an dem seinen. „Lass mich deine Augen sehen.“, forderte Aodhan rau und ließ für einen Moment von dem weichen Bauch des blauen Engels ab. Feuchtigkeit schimmerte auf den geschmeidigen Brustmuskeln und Illium hob seinen Kopf ein Stück. Den Arm fortnehmend schenkte er seinem Gegenüber einen Blick aus glühenden Augen. Flüssiges Feuer brodelte in den goldenen Tiefen, von einem Ring aus dunklen Bernstein bekränzt. Aodhan erschauderte, senkte seine Lippen auf den kleinen Pfad aus pechschwarzen Härchen unter Illiums Nabel und zog prüfend daran. Ein kleiner, scharfer Schmerz durchfuhr den blauen Engel und sein Körper bog sich der köstlichen Empfindung entgegen. Schweiß rann seine Flanken herab, sickerte lautlos in die weichen Polster unter ihm und jeder Zentimeter seiner Haut schien in Flammen zu stehen. Nie zuvor hatte er eine solche Erregung, ein solch übermächtiges Verlangen, in sich gespürt und er wagte nicht sich auszumalen, wohin das hier führen würde. Zufrieden über die heftige Reaktion des jungen Engels wiederholte Aodhan den kleinen Kniff, schmiegte dann sein Gesicht an die warme Haut und schob sich seufzend daran nach oben. Ihre Lippen fanden den Weg zueinander, Finger verwoben miteinander und in das sahnige Weiß glänzender Strähnen mischte sich mit tiefem Nachtschwarz. Vorsichtig hob Illium die Hand, legte sie behutsam auf den weichen Flügelansatz des weißen Engels und wartete dessen Reaktion ab. Aodhan stöhnte kehlig und der Jüngere konnte seinen Weg fortsetzen. Erst zärtlich, dann immer fester glitten seine Finger durch die perlmuttfarbenen Federn, zupften hier und dann an den nachgiebigen Kielen und spreizten sich dann unter die unfassbar weichen Schwungfedern. Fest und in langsamen Kreisen massierte Illium Aodhans Schwinge, nahm die zweite Hand zur Hilfe und brachte den weißen Engel zum Schmelzen. Seufzer um Seufzer verließ Aodhans Mund, floss wie zähflüssiger Honig von seinen vollen Lippen und spornte Illium an. Fest und mit wissenden Fingern liebkoste er die Muskeln unter den schimmernden Federn, strich sanft über den empfindsamen Flügelbogen und brachte Aodhan beinahe um den Verstand. Heiß und heißer wurde ihm, sein Körper wand sich auf dem des blauen Engels und seine Lenden zogen sich in lustvollen Wellen zusammen. Seine Erektion rieb rhythmisch über das Bein des jungen Engels, presste sich gegen die harten Muskeln und als Aodhan die Augen schloss, sah er bunte Sterne vor seinen Lidern flimmern. „Illium...nicht...warte...“, warnte er, aber es war schon zu spät. Mit einem Brüllen explodierte der Körper des weißen Engels. Seine Lenden bäumten sich in wilder Lust auf und er kam wie nie zuvor. Die empfindsamen Flügel steil aufgerichtet, das Gesicht tief in Illiums Schopf vergraben tobte der Orgasmus wie eine Flutwelle über ihn hinweg, riss ihn mit sich und ließ seinen Leib zitternd zurück. Hitze wallte unkontrolliert über ihn hinweg, nahm ihm die Luft zum Atmen und riss ihn beinahe entzwei. Für den Bruchteil einer Sekunde schien sich jeder Muskel in ihm in süßer Qual zusammenzuziehen – dann ebbte das Gefühl ab und Aodhan blieb erschöpft und befriedigt zurück. Heiß fielen seine Flügel auf seinen feuchten Rücken und jede einzelne Feder war unerhört sensibel. Sie bebten als Illium seine Hand zurückzog und sie stattdessen auf Aodhans Wange legte. „Jetzt hast du mich bestäubt.“, murmelte er rau und betrachtete das feine, weiße Glitzern auf seinem gesamten Körper. Aodhan suchte in den Trümmern seines Verstandes nach einer passenden Antwort, gab nach einer Weile erschöpft auf und schnurrte stattdessen wie eine große Raubkatze. Seine Glieder waren schwer wie Blei und er fühlte sich außer Stande, seinen noch immer brennenden Körper von Illiums herunterzubewegen. Das schien den blauen Engel nicht im Geringsten zu stören und er küsste liebevoll den schlohweißen Schopf neben seinem Gesicht. „Du wirst doch jetzt nicht einschlafen.“, mahnte er und lächelte breit als er das unwillige Brummen aus der Kehle des Weißgeflügelten vernahm. Träge rieb Aodhan seine Nase an der goldenen Haut an Illiums Hals und schnaubte leise. „Schon gut.“, lachte der junge Engel und zog friedfertig die wollene Decke über ihre schwitzenden Körper. „Ein bisschen Schlaf wird uns gut tun.“ Und während die Flammen im Kamin wieder kleiner wurden und der Regen sein einsames Lied fortsetzte, fielen beide Engel in die erholsame Dunkelheit der Traumwelt. Kapitel 9: Regennächte. ----------------------- Als der weiße Engel das zweite Mal an diesem Tag erwachte, zuckten vielgegabelte Blitze über den finsteren Horizont. Grell und von tosendem Donner gefolgt jagten sie über die bleigrauen Wolken und erhellten die regennasse Landschaft nahezu sekündlich. Illiums ruhige Atemzüge verrieten das tiefe Stadium seines Schlafes und Aodhan ließ größte Vorsicht walten, als er seinen Körper mit einem leisen Seufzen erhob. Bedauern machte sich in seiner Brust breit und er verließ den großzügigen Wohnraum, ehe er es sich anders überlegen würde. Neugierig sah er sich im restlichen Untergeschoss um, entdeckte einen Schrank mit verschiedenen Kleidungsstücken. Mit dem Handtuch vom Vorabend befreite er seinen Körper von den Spuren ihrer hitzigen Vereinigung vor wenigen Stunden, schlüpfte dann in eine weiche Stoffhose und angelte ein Sweatshirt aus dem Schrank. Aodhan genoss das Gefühl des weichen, fließenden Materials, als er in die Ärmel kroch und mit geschickten Fingern die Schnallen auf dem Rücken verknotete. Alles hier roch frisch und luftig, selbst die uralten Teppiche überall auf dem rauen Holzboden schienen gerade eben gereinigt und verströmten einen angenehmen Duft nach Lavendel und Regen. Unschlüssig sah Aodhan sich um, lauschte in den Wohnbereich, und nachdem er sicher war, dass Illium noch immer schlief, griff er eine der wollenen Decken aus dem Schrank und verließ das Haus durch den Vordereingang. Feuchtigkeit drang augenblicklich auf seine Haut und obwohl das Verandadach den Regen nahezu vollständig abhielt, hatte sich eine kleine Pfütze klaren Wassers vor der Tür gebildet. Vorsichtig umging der weiße Engel das Rinnsal, wickelte sich dann fröstelnd in die Decke und ließ sich in einem der Lehnstühle nieder. Das duftende Holz knarrte erschreckend laut, hielt aber stand und Aodhan ließ den Blick schweifen. Schemenhaft erhob sich das riesige Gebirge in der Ferne und wurde nur dann und wann von einem gleißenden Blitz erhellt. Regenschauer trieben dicht über der atemberaubenden Landschaft und weichten den duftenden Waldboden auf, unterstrichen seinen harzigen Geruch. Wiesen, Findlinge und die rauschenden Fichten glänzten in der Nässe und Nebel lag in den Niederungen. Nur wenige Vögel sangen ihr einsames Lied in dem dampfenden Wald und Aodhan lauschte ihnen eine Weile. Alles war so idyllisch hier. So still. So einsam. Es war, als hätte Jemand dieses Tal geformt um allein die Bedürfnisse des weißen Engels zu befriedigen – um ihn zu erfreuen. Um ihm einen Platz in dieser Welt zu geben. An der Seite eines Mannes, der sich so wesentlich von ihm unterschied. Ein Seufzer verließ Aodhans Lippen beim Gedanken an Illium und in der Stille brachen Bedenken an die Oberfläche. So wunderbar ihre gemeinsame Zeit an diesem friedlichen Ort war, würden sie schon bald wieder zur Zuflucht aufbrechen müssen. Illiums Genesung war fast abgeschlossen und würde, sollten sich Raphaels Pläne bestätigen, in den Dienst des Erzengels treten. So wie er selbst. Die gesamte Aufmerksamkeit, Loyalität und bedingungsloser Gehorsam des blauen Engels würde dann dem Beschützer von New York gelten – und es würde keinen Platz mehr für Intimitäten geben. Jeder gemeinsame Auftrag würde eine Qual sein und sie beide an ihre Grenzen bringen. Wie ein Damoklesschwert würden Gefühle und ungesagte Worte über ihnen hängen, sie mit jedem Atemzug daran erinnern, was hätte sein können. Was sie verpasst hatten. Was sie verloren hatten. Aodhans Brust zog sich zusammen und sein Herz stolperte bei dem Gedanken, zurückgelassen zu werden. Er wollte nicht mehr ohne den blauen Engel sein. Ohne seine glühenden Augen. Seine schönen weichen Lippen. Sein unbedarftes Wesen. Seine geschmeidigen Muskeln. Seine einnehmende Persönlichkeit. Sein Lächeln. Aber er selbst, der Unnahbare, hatte sich in diese Situation verstrickt, sich erlaubt zu fühlen. Er hatte seinen Jahrhunderte alten Schwur gebrochen, sich geöffnet wie ein sorgsam verschlossenes Buch und er würde die Konsequenzen tragen. Gleich morgen. Wann immer es nötig wurde. Ein Geräusch entließ Aodhan aus seinen düsteren Gedanken und er wandte sich um. „Was machst du hier?“, murmelte Illium und rieb sich den Schlaf aus den goldenen Augen. Träge und matt funkelte die schwelende Glut darin. Eilig hatte der Engel eine kurze Hose aus schneeweißem Stoff übergezogen und die honigfarbene Haut hob sich erregend stark dagegen ab. Dem blauen Engel eine Antwort schuldig bleibend lüftete der Sitzende die Decke ein wenig, gab seinen Schoß frei und seufzte erleichtert, als Illium der stummen Aufforderung Folge leistete. Gähnend nahm er auf Aodhans Oberschenkeln Platz, zog die Beine dicht heran und drückte seinen, vom Schlaf noch warmen Körper, an den des Älteren. Er gurrte wohlig und streckte die blauen Flügel mit einem Seufzen, dann kehrte Ruhe ein. Aodhans Kehle schnürte sich ob des vollkommenen Vertrauens, das Illium ihm schenkte, zu und er rieb seine Nase über dessen schwarzen Schopf. Hier fand er Trost, und so verharrten sie Minute um Minute schweigend im anhaltenden Regen. Erst der kalte, zugige Abendwind vertrieb die beiden Engel von der knarrenden Veranda in die trockene Wärme des Hauses. Noch immer wortlos verspeisten sie die Reste der morgendlichen Mahlzeit und während Aodhan Tablett und Geschirr zurück in die Küche brachte, ließ Illium das Feuer noch einmal aufflackern. Scheit für Scheit fraßen sich die prasselnden Flammen durch den Stapel frischen Holzes und loderten hoch auf. „Du machst dir Sorgen.“, stellte der blaue Engel dann fest und sein Blick glitt forschend über Aodhans Gesicht. Das Feuer in den goldenen Augen glühte verhalten und der Bernstein in dessen Herz schien eine Spur dunkler. Der weiße Engel suchte nach einer Antwort, wollte verneinen und zuckte dann die Schultern. „Du nicht?“, fragte er leise und ein herzzerreißend resignierter Ausdruck glitt über sein schönes Gesicht. Er sah so mutlos aus. „Nein.“, antwortete Illium schlicht und strich sich durch das lange Haar. „Nicht im Geringsten.“ Sein Blick war fest und wankte auch nicht, als Aodhan zu einer Antwort ansetzte. „Dann machst du dir etwas vor, Kleiner.“, murmelte er und seine Stimme versagte beinahe. Die Wahrheit tat weh. Und sie riss all das Schöne zwischen ihnen erbarmungslos mit sich. „Bist du dir da sicher?“, antwortete der junge Engel mit den blauen Flügeln heftig und rang nach Fassung. „Wovor hast du denn Angst?“ Eine ganze Weile herrschte Stille und nur das stetige Klopfen der Regentropfen auf dem Holzdach war zu hören. Leise raschelten Aodhans Flügel als er sie an den Rücken legte. Dann schüttelte er den Kopf. „Du würdest es ja doch nicht verstehen.“, entgegnete er und seine unerträglich schönen Augen wurden dunkel vor Schmerz. „Nein, du verstehst nicht.“, knurrte Illium und er klang verletzt. „Deine Zweifel machen dich blind für die Realität und anstatt deine Bedenken, die ja offensichtlich das betreffen, was zwischen uns ist, mit mir zu teilen, ziehst du dich zurück.“ Seine Augen sprühten vor Zorn. „Du bist nicht allein auf dieser Welt, Aodhan, und ich dulde nicht, dass du das dich deiner Gefühle schämst. Oder sie bereust – wag es ja nicht das zu tun.“ Tief holte Illium Luft und ballte seine zitternden Hände zu Fäusten. „Niemand auf der Welt verbietet dir, die Sache hier und jetzt zu beenden, aber dann tu es verdammt nochmal wie ein Mann und gib mir nicht das Gefühl, das alles wäre bedeutungslos für dich. Dann hättest du mich ebenso gut vor zwei Tagen abstürzen lassen können.“ Seine Stimme war während seines Ausbruchs immer leiser geworden, bis sie zum Schluss nur noch ein raues Flüstern war und Aodhan sich anstrengen musste, sie durch das Knistern des Feuers zu verstehen. Ein kalter Schauer eroberte ihn während der letzten Worte und sein Herz krampfte schmerzhaft zusammen. Herb schmeckten Verlust und Schuldbewusstsein auf seiner Zunge und überwand den Abstand zwischen sich und dem blauen Engel mit zwei langen Schritten. „Es tut mir leid, Illium.“, murmelte er und ging vor dem bewegungslosen Körper des Jüngeren auf die Knie. „Bitte verzeih mir.“ Überrascht weiteten sich die glühenden Augen des Blaugeflügelten und ein loderndes Feuer entsprang in ihrer Mitte. „Ich liebe es, wenn du meinen Namen sagst.“, murmelte Illium versöhnlich und seine Hände fanden den Weg in Aodhans langes, schneeweißes Haar. „Illium.“, wiederholte der große Engel mit einem Lächeln und lehnte sich gegen die willkommene Berührung. Sein Herz, noch immer stolpernd, beruhigte sich nur langsam und er atmete tief ein. „Ich werde dich nicht verlassen.“, flüsterte Illium dann, beugte sich herab und versenkte seinen lodernden Blick in Aodhans zersplitterten Iriden. „Ich verspreche es.“ Ein Schwur. Strotzend vor Selbstbewusstsein und Ehrlichkeit. Mit fester Stimme besiegelt, im Brustton voller Überzeugung. Tränen in perlmuttfarbenen Augen und ein erleichtertes Schluchzen. Dann ein Kuss voll scheuer Zärtlichkeit. „Steh auf.“, murmelte Illium, als ihre hungernden Lippen sich trennten und er reichte dem Knieenden seine Hand. Mit einem starken Ruck zog er den Älteren nach oben und in seine Arme, verwob ihrer beider Finger zu einer festen Einheit und stillte so sein eigenes Bedürfnis nach Nähe und Berührung. „Wie kannst du dir so sicher sein?“, fragte Aodhan mit erstickter Stimme und seine Wange schmiegte sich voll Begehren an Illiums goldene Haut. „Wie könnte ich nicht?“, entgegnete der blaue Engel lächelnd und rieb seinen linken Flügel kräftig an Aodhans. Ein wohliger Schauer erfasste beide Männer und sie stöhnten leise auf. „Wohin führt eigentlich die Leiter?“, murmelte Aodhan dann und deutete auf die wackelige Konstruktion in der Ecke des Raumes. Er folgte den Sprossen mit dem Blick nach oben und zum ersten Mal nahm er den eingezogenen Zwischenboden wahr, der offensichtlich als zweites Stockwerk diente. „Finde es doch heraus.“, gurrte Illium und entließ sein Gegenüber aus der innigen Umarmung. Neugierde packte Aodhan und er durchmaß den großen Raum mit schnellen Schritten. Erregung floss zäh und köstlich durch seinen Körper und er erklomm rasch die knarrende Leiter. Deutlich konnte er Illiums Anwesenheit fühlen als er das obere Ende erreichte und eines kleinen Raumes gewahr wurde. Mit rechts und links abfallenden Schrägen konnte keiner der beiden Männer aufrecht darin stehen und sie duckten sich unter den harzigen Balken hinweg. Regen trommelte sacht auf die Panoramafenster, die in das Dach eingelassen waren und unter deren Mitte sich eine weiche Liegewiese erstreckte. Breit genug für vier Engel, von einem hölzernen Rahmen umgeben, lud sie mit duftenden Laken in der Farbe dunkler Tannen zu ungeheuerlichen Taten in verschwiegenen Nächten ein. Weich und nachgiebig war die Matratze als Aodhan seinen Fuß darauf setzte und er schnurrte wohlig. Der Stoff an seiner Haut war kühl und wunderbar leicht. „Überrascht?“, fragte Illium und konnte seinen Blick nicht von dem weißen Engel abwenden. Wie hypnotisiert betrachtete er Körper und Flügel. „Ja.“, antwortete Aodhan wahrheitsgemäß und gönnte auch seinem zweiten Fuß den Genuss der weichen Laken zwischen den Zehen. „Sehr.“ Illium lachte und folgte dem großen Engel in seinem Tun. „Raphael hat das eines Tages hier einbauen lassen.“, erklärte er und ging zufrieden seufzend auf die Knie. Lautlos gab die Matratze nach und der kühle, fließende Stoff schmiegte sich an die blanke Haut seiner muskulösen Beine. „Bist du sicher?“, fragte Aodhan zweifelnd und warf seinem Gegenüber einen fragenden Blick zu. Raphael war ein harter und unnachgiebiger Erzengel – es schien nahezu unmöglich, dass er einen solch sinnlichen Ort erdachte. Illium zuckte ratlos die Schultern. „Dmitri hat es mir erzählt.“ Ein finsterer Blick aus goldenen Augen. „Gut möglich, dass er mich an der Nase rumgeführt hat.“ Angesichts des schmollenden Engels lachte Aodhan auf und ließ sich dann glucksend neben dem Blaugeflügelten nieder. „Du lässt dich von einem Vampir anflunkern?“, stichelte er und wirkte plötzlich um so viele Jahrhunderte jünger. „Na und?“, erwiderte Illium, schob seine Unterlippe nach vorn und jubilierte innerlich. Aodhan wollte spielen. Endlich. „Ich sag ja nur, dass es reichlich töricht ist, sich derart überrumpeln zu lassen.“ Ein weiteres tiefes Lachen und Gänsehaut auf Illiums nacktem Rücken. „Passiert mir nicht.“ „Hah.“, grinste nun auch der blaue Engel und warf sich mit einem wilden Schrei auf sein Gegenüber. Lautlos gingen beide zu Boden, sanken in die nachgebende Kühle der Matratze und rangen dort eine Weile miteinander. Mit einem jugendlichen Kichern auf den Lippen versuchte Aodhan sich des Jüngeren zu erwehren, schob ein ums andere Mal halbherzig dessen Arme beiseite und seine Hüften bäumten sich protestierend gegen das ungnädige Gewicht auf. Feurig schlugen die Flammen in Illiums Augen höher, fraßen sich durch den dunklen Bernsteinring bis nur noch goldene Hitze in ihnen schwelte. „Na, wer ist nun überrumpelt worden?“, keuchte der blaue Engel und fixierte die Arme seines Sparringpartners mit festem Griff über dessen Kopf. Zersplitterte Iriden weiteten sich erstaunt und große, perlmuttfarbene Flügel schlugen lautlos gegen die weiche Matratze. „Schach matt.“, antwortete Aodhan und eine unerträgliche Sinnlichkeit schlich sich in seine Stimme. „Was verlangst du als Siegesbeute?“ Illium stöhnte allein bei der Vorstellung an all die unerhörten Dinge, die auf ihn warteten, und er brauchte einen Moment um sich zu sammeln. „Alles.“, murmelte er dann mit rauer Stimme und senkte seinen hungernden Mund auf Aodhans Kehle. Herzhaft sog er an der bleichen Haut, bearbeitete sie mit Zähnen und Zunge und entlockte dem Älteren ein tiefes Stöhnen. „Dachte ich mir.“, keuchte Aodhan und sein Körper reagierte mit irritierender Heftigkeit auf Illiums Liebkosung. Hitze schlug wie eine Woge über seinem Kopf zusammen und er tauchte voller Begehren in lodernde Tiefen. Illium knurrte zufrieden und sein Mund bewegte sich küssend abwärts. Ungeduldig zog er an dem störenden Stoff auf Aodhans Brust bis dieser mit einem Reißen nachgab und kurz darauf in traurigen Fetzen zu Boden segelte. Voller Genuss betrachtete der Blaugeflügelte sein Werk, runzelte dann die Stirn und ließ einen Finger unter Aodhans Hosenbund gleiten, ein verboten sündiges Lächeln auf den geschwollenen Lippen. Der weiße Engel stöhnte laut, seine Lenden bogen sich ungeduldig der tastenden Berührung entgegen und Lust zog durch die zersplitterten Iriden. „So hungrig?“, säuselte Illium und sein muskulöser Körper ragte groß und sexy über Aodhan auf. Ein Knurren war die einzige Antwort, dann ein neuerliches Drängen mit bebenden Lenden und der blaue Engel gab gnädig nach. Quälend langsam schob er, jeden freigelegten Zentimeter genießend, den Stoff der leichten Hose hinab, küsste dabei Bauch und Hüften des Älteren mit hitzigen Lippen und atmete den berauschenden Duft der perlmuttweißen Haut ein. Schnee. Wildes Wasser und ein Hauch orientalischer Gewürze. Achtlos landete die Hose auf dem Boden und endlich konnte Illium seinen Blick frei über den entblößten Körper vor sich streichen lassen. Schwindel erfasste den blauen Engel und angesichts so vollendeter Schönheit fühlte er sich erschreckend jung. Aodhans Brust war schmal, von sehnigen Muskeln umspannt. Kein Haar krümmte sich auf der makellos weißen Haut. Die perlmuttfarbenen Flügel lagen schillernd, zu voller Größe ausgebreitet, neben das zeitlos schöne Gesicht gebettet. Weißes, hüftlanges Haar in glänzenden Strähnen. Schwer und glatt wie Seide. Hungrige Blicke aus einzigartigen Augen und perfekte Zähne, die voll gieriger Erwartung auf eine volle Unterlippe bissen. Flach war Aodhans Bauch, schmiegte sich weich gegen Illiums suchende Finger, und hob und senkte sich schnell unter der beschleunigten Atmung. Erstaunlich schmale Hüften, die spitzen Knochen ein wenig zu weit hervortretend um als gut genährt zu gelten und schimmerndes Haar auf muskulösen Oberschenkeln. Als Illiums Blick auf die Scham des weißen Engels fiel sog er scharf die Luft ein und mit einem Seufzer biss er sich auf die Zunge. Speichel sammelte sich in seinem Mund und bevor er etwas hoffnungslos Dummes sagen konnte, beugte er sich bebend herab. Sanft strichen Illiums Lippen über die feinen Härchen, liebkosten die Haut darunter mit unerträglicher Zärtlichkeit und fanden dann endlich ihren Weg zu Aodhans schmerzlich pochender Erektion. Hungrig pressten sie sich auf die seidige Haut, genossen Härte und pulsierende Hitze darunter und schlossen sich dann um die feuchte Spitze. Als Aodhan die Zunge des blauen Engels auf seiner Eichel spürte ging ein so heftiges Zucken durch seinen Körper, dass er tief in Illiums Mund stieß. Er schrie fast vor Lust, stand in Flammen und all seine Sinne konzentrierten sich nur noch auf diesen einen, empfindlichen Punkt an seinem bebenden Leib. Schweiß glänzte nach wenigen Sekunden auf seiner Stirn und bunte Blitze zuckten vor seinen geschlossenen Lidern. Der kurz darauf folgende Orgasmus war überwältigend und übertraf alles zuvor Erlebte. Willenlos ließ sich Aodhan davon treiben, ritt auf dem Strom aus Hitze und Erleichterung und versuchte gar nicht erst, seinen sich aufbäumenden Körper unter Kontrolle zu bekommen. Minutenlang wand er sich unter höchsten Lustgefühlen, dann ebbte der Sturm ab und der weiße Engel fand wieder zu Atem. Verschleiert war sein Blick als er den Kopf hob und Illium dabei beobachtete, wie dieser sorgfältig und mit glühenden Augen die Spuren dessen beseitige, was er voll Verlangen heraufbeschworen hatte. Gründlich leckte er das zähe Sperma des weißen Engels von der schneeweißen Haut, richtete sich dann auf und fuhr sich voller Genuss über die Lippen. Das Gold seiner Augen flammte mit nahezu unerträglicher Intensität über Aodhans feuchten Körper und mit einer unanständigen Geste strich sich Illium über seine eigene, fordernde Erektion. Es hatte ihn über alle Maßen erregt den weißen Engel derart zu reizen, seinen Körper zu Höchstleistungen anzuspornen, und nun sehnte er sich nach hitziger Erlösung. Als Aodhan gekommen war und sein Sperma sich auf Illiums Zunge verteilte, musste der sich bereits beherrschen, es dem Älteren nicht gleichzutun und nun bettelte sein Schwanz nach gnädiger Aufmerksamkeit. „Komm zu mir.“, forderte Aodhan mit zitternder Stimme und Arme streckten sich träge nach dem blauen Engel. Lächelnd und mit Freuden kam dieser der Bitte nach, presste seine heißen Muskeln gegen Aodhans Körper und spürte mit einem wohligen Schauer kräftige Finger in Haar und Federn. Gierig trafen Münder aufeinander und beide Männer stöhnten tief, als Zungen und Lippen in einem feurigen Tanz verschmolzen. Wildes Wasser vereinte sich mit süßem Honig, Sommernächte und verglimmendes Lagerfeuer mischten sich unter Schnee und exotische Gewürze. Leise gurrend, die schwarzen Strähnen des jungen Engels keine Sekunde loslassend, veränderte Aodhan ihre Position, drängte Illium mit Nachdruck in die weichen Kissen und schob seinen eigenen Körper dann stöhnend obenauf. Illium genoss es, von der feuchten Schwere des großen Engels nahezu erdrückt zu werden und räkelte sich behaglich auf den kühlen Laken. Die Oberhand endlich errungen, bog Aodhan seinen Rücken durch, spreizte seine mächtigen Flügel soweit die Enge des Raumes es zuließ und schimmernder Staub flirrte durch die windstille Luft. „Mach den Mund auf.“, befahl der weiße Engel rau und beobachtete, wie sich die winzigen Partikel auf schwarzes Haar, azurblaue Schwingen und goldene Haut legten. Illium tat wie ihm geheißen und leckte mit suchender Zunge über seine vollen Lippen. Reine Lust füllte seinen Mund, rann seine Kehle hinab und brannte sich in seine Brust. Süß und unendlich exotisch schmeckte der glitzernde Staub, verführte all seine Sinne und steigerte sein Verlangen ins Unermessliche. Mit einem Schrei zog er Aodhan zu sich herab, fiel über seinen sündigen Mund her und presste ihrer beider Körper gegeneinander. Alle Zurückhaltung löste sich in dem lustvollen Strudel in seinem Inneren auf, wurde von Leidenschaft und Begehren davon gerissen und verschwand ohne Bedauern in schwarzen Tiefen. Nein, er hielt es nicht mehr aus. Er musste Aodhan spüren. Jetzt. „Ich kann nicht mehr.“, keuchte er atemlos, drückte die hitzige Schwere auf seiner Brust wieder nach oben und zerrte voll wilder Ungeduld an seinen kurzen Shorts. Noch bevor der leichte Stoff den Boden berührte, hatte Illium sich umgewandt und bot dem weißen Engel seine entzückende Kehrseite dar. Den Rücken gestreckt, die schimmernden, azurfarbenen Mitternachtsflügel steil aufgestellt verharrte er und sein Körper bebte unter immer neuen Wellen tobender Lust. Aodhans Hände fanden ihren Weg in die sanften Federn des blauen Engels, strichen kräftig über die empfindlichen Schwingen während sich sein Mund auf die goldene Haut auf Illiums Rücken senkte. Mit Zunge und Lippen bearbeitete er die vollkommene Glätte, biss hinein und glitt in immer tiefere Regionen. Weich und nachgiebig war das Fleisch an Illiums Hintern, schmiegte sich köstlich gegen Aodhans scharfe Zähne und der junge Engel keuchte überrascht auf, als der lustvolle Schmerz durch seinen Körper funkte. „Bitte...nicht mehr...warten...“, bat er leise und seine Stimme war dunkel vor ungestilltem Verlangen. Aodhans Lächeln war fast überheblich als er von seinem Tun abließ und seine, längst wieder zu voller Größe aufgerichtete, Erektion mit heißem Speichel benetzte. Es war, als schien sein Körper zu wissen, was Illium von ihm verlangte. Was er brauchte. „Bereit?“, schnurrte er über das rauschende Blut in seinen Ohren hinweg und leckte sich über die Lippen. Illium nickte wortlos und drückte sich voll hungernder Ungeduld Aodhans Erektion entgegen. Er war bereit. Und wie er das war. Sein ganzer Körper schrie nach der süßen Erlösung, die nur Aodhan ihm geben konnte. Durch den Geschmack des Engelsstaubes noch verstärkt tobte die Lust durch seine Blutbahnen und machte ihn fast rasend vor Gier. Er brauchte Aodhan. Brauchte seinen Schwanz. Und er bekam ihn. Quälend langsam glitt Aodhan in Illiums hungernde Enge und der blaue Engel verging beinahe vor Verlangen. Mit einem bestimmten Ruck beschleunigte er den Vorgang, presste seinen Hintern gegen Aodhans schmale Hüfte und nahm seinen großen, feuchten Schwanz ganz in sich auf. Beide Engel brüllten ungezügelt und ihrer beider Körper bäumten sich auf. Flügel, azurblau und schneeweiß, wurden in die Höhe gerissen und wenige Sekunden später flirrte die Luft vor glitzerndem Staub. Weiß und dunkelblau legte er sich auf die schwitzenden Körper, fand seinen Weg in feuchte Münder und steigerte die Lust der Männer in nie gekannte Höhen. Die nächsten Stöße waren wuchtig und voll gierigen Verlangens. Hart krachte Aodhans Hüfte gegen die goldene Haut an Illiums Hintern und hinterließ rote Spuren darauf. Seine Erektion tief in das feuchte Innere stoßend dehnte der weiße Engel Muskeln und Fleisch des Jüngeren, befriedigte die tobende Lust in dessen Körper und trieb ihn in immer schneller werdendem Rhythmus vor sich her. Bald war die Luft von kehligen Schreien erfüllt und beide Männer taumelten mit rasender Geschwindigkeit auf die erlösende Klippe zu. Speichel, Schweiß und Engelsstaub vermischten sich auf goldener Haut zu einem süßen Rinnsal, liefen an bebenden Flanken und zitternden Schenkeln hinab in die tiefgrünen Laken. Leidenschaft jagte durch die völlig überreizten Nervenbahnen empfindsamer Flügel und von unaufhaltsamer Gier getrieben riss Aodhan an den pechschwarzen Strähnen in seinen Händen. Ohne zu zögern leistete Illium Folge, bäumte seinen schwitzenden Körper bereitwillig auf und presste Rücken und Flügel gegen Aodhans Brust. Die Erektion tief in Illiums Enge versenkt, seidiges Haar in seinen Händen und die unfassbar blauen Flügel auf seiner schneeweißen Haut spürend kam Aodhan im selben Augenblick wie sein Gefährte. Heiß ergoss sich sein Sperma in den Hintern des Blaugeflügelten und ein zweistimmiges Brüllen ließ die Vögel im näheren Umkreis erschrocken auffliegen. Von Lust geschüttelt, auf tosenden Wogen purer Befriedigung reitend, fielen die Engel nach vorn, gruben ihre Körper in die erfrischend kühlen Laken und warteten, bis sie wieder Herr ihrer Sinne wurden. Noch lange jagten Schauer und Wellen zuckender Lust über Aodhan und Illium hinweg und es vergingen einige Minuten, ehe sie zu Sprache und Atem zurückfanden. Mit einem zufriedenen Gurren war Illium der Erste, der die Tragfähigkeit seiner zitternden Arme testete und sich zu Aodhan umwandte. Liebevoll strich er eine schneeweiße Strähne aus dem Gesicht des Älteren und genoss den Anblick leichter Röte auf sonst so bleichen Wangen. „Das sollten wir bei Gelegenheit wiederholen.“, murmelte er leise und drückte sich bettelnd gegen den großen Körper des Engels. „Das ist nicht dein Ernst.“, entgegnete Aodhan knurrend und legte träge einen der perlmuttfarbenen Flügel um den blauen Engel. „Nicht sofort, alter Mann.“, beschwichtigte Illium ihn und lachte frech. „Aber bald.“ „Damit kann ich leben.“, stimmte Aodhan friedlich zu und versuchte seine überreizten Sinne zu zügeln. „Jungspund.“, fügte er mit einem Lächeln hinzu und dann trat lange Zeit Stille ein. Hosted by Animexx e.V. 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