Geschäft ist Geschäft von Verath (für WB) ================================================================================ Kapitel 2: ...unter Umständen sehr weit. ---------------------------------------- Sein Vater stand mit völlig entgleisten Gesichtszügen im Türrahmen, in der Hand einen Wäschekorb. Doch dieser schien ihm im ersten Moment fast aus der Hand zu fallen, so entsetzt wie er war. Dann festigte sich sein Griff und sein Gesicht zeigte deutlich Wut. »Raus hier! Sofort!«, brüllte er Matthieu mit einem Ausdruck tiefsten Zornes an. Der Manager hatte bereits aufgehört, in ihn zu stoßen und entzog sich nun völlig. Er lehnte sich noch kurz zu Titus vor, flüsterte ihm leise ins Ohr. »Ich gehe wohl besser. Komm morgen zu mir ins Büro.« Dann stand er auf und zog sich unter den wutentbrannten Augen seines Vaters an und gab Titus noch einen Kuss auf die Wange. Mistkerl! Als wäre sein Vater nicht schon außer sich genug! Dann ging er mit einem dreisten Grinsen an dem älteren Mann vorbei, aufrecht und beinahe stolz wie es schien. Titus hingegen hatte sich die Bettdecke über seinen Unterkörper geworfen und saß nun unsicher und über das plötzliche Auftauchen seines Vaters erschrocken da, starrte auf den Fleck, wo Matthieu gerade verschwunden war und traute sich nicht, dem Mann in die Augen zu sehen. Wieso hatte er auch gerade heute, gerade jetzt, die saubere Wäsche hochbringen müssen? Sonst ließ er sie doch auch unten stehen, bis Titus sie selbst holte! Er hörte, wie der Wäschekorb auf dem Boden abgestellt wurde und schielte vorsichtig zu seinem Vater hoch. »Was war das?«, man merkte noch immer deutlich die Wut in der Stimme, die nur mit Gewalt unterdrückt wurde und drohte, jeden Moment wieder heraus zu brechen. Titus schluckte. So sauer hatte er seinen Vater schon sehr, sehr lange nicht mehr gesehen… »Sag schon! Was lässt du dich auf einen Mann ein?!« Die Hand des Blonden krallte sich ins Laken. »Ich…«, er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Sein Vater kannte seinen Manager glücklicherweise nicht vom Sehen, nur vom Hören, da er kaum Interesse an der musikalischen Laufbahn seines 'missratenen' Sohnes hatte. Sonst würde das hier vielleicht sogar noch schlimmer werden. Wenn sein Vater wüsste, dass er hier eine Sexbeziehung mit seinem Manager hatte, um gute Aufträge sicher zu haben… »Ich habe mich schon gewundert, warum du als Musiker noch nicht irgendein dummes Fangirl angeschleppt hast, doch dass so etwas der Grund dafür sein könnte, das habe ich mir nicht träumen lassen! Mein Sohn, ein Homosexueller?!« Bei dem Wort zuckte Titus zusammen. Er war doch nicht schwul! Er stand auf Mädchen! Er wollte nichts von Männern. Das hier war rein geschäftlich… Gut, vielleicht war da tatsächlich ein wenig mehr, als nur das Geschäft, aber das stand im Vordergrund. Und wenn überhaupt, wäre er sicherlich mindestens bisexuell, weil er eigentlich auf Frauen stand. Sein Vater fuchtelte wild gestikulierend mit den Armen umher, das Gesicht noch immer wütend, aber nun auch ungläubig. Er ging zu seinem Sohn, griff nach dessen Schultern, rüttelte ihn. »Sag mir, dass ich grade alles falsch verstanden habe oder träume! Ich kann es einfach nicht glauben!« Nun schien sogar leichte Verzweiflung seinen Blick zu tränken, als der Musiker ihn aus dem Augenwinkel ansah. Noch immer wagte er es nicht, dem anderen in die Augen zu sehen. »Es… es ist nur er«, kam ihm über die Lippen. Mit einem anderen Mann würde er niemals ins Bett gehen. Nur Matthieu schaffte es, ihn vergessen zu lassen, dass er ursprünglich Frauen anziehend fand. Er war der Einzige, den er an sich ran ließ. Nein, deshalb liebte er ihn noch lange nicht, aber die Vorstellung eines anderen Mannes, der ihn so anfasste, brachte ihn unangenehm zum Erschaudern. »Was?« Ob der andere ihn nun akustisch nicht verstanden hatte oder nicht glauben konnte, was er da hörte, wusste Titus nicht. Er wiederholte seine Worte. »Ich mag Frauen… nur er springt aus der Rolle…« »Unsinn, so etwas gibt es nicht!« Seine Schultern wurden losgelassen, sein Vater richtete sich wieder auf. »Ich wusste ja, dass es nicht gut ist, dich machen zu lassen. Aber Mary zuliebe habe ich dich Musiker werden lassen. Ich bin dir nicht im Weg gestanden und habe mich zurückgehalten. Aber Annabell hat Recht: du brauchst eine strenge Hand. Du bist viel zu rebellisch und kannst nicht unterscheiden, was gut für dich ist und was nicht. Ich wollte Mary glauben, dass du erwachsen genug bist, aber anscheinend lag sie doch im Irrtum.« Zitternd biss sich Titus auf die Unterlippe. Jetzt brachte er auch noch seine Mutter ins Spiel. Sie war immer auf Titus' Seite gewesen, hatte ihn mehr geliebt als sein Vater es wohl jemals schaffen würde. Sie hatte seine Musik geliebt, wollte ihn gerne vor Tausenden Menschen hören. Sie war überzeugt, dass er es schaffen konnte, dass er eines Tages gut genug sein würde, um Mengen zu bewegen. Dass er irgendwann zu den ganz Großen gehören würde. Er liebte sie. Auch nun, wo sie gestorben war und niemals miterleben würde, wie er vor Tausenden spielte. Er würde nie mehr ihr zärtliches Lächeln sehen, wenn er ihr etwas vorspielte. Sie war bei jeder Probe gewesen. Sein Vater bei keiner einzigen. Oft haben sie deswegen gestritten, weil seine Mutter nicht verstehen konnte, wie ihr Mann nicht ebenso hinter Titus stand wie sie. Und dann war sie gestorben. Sie war ertrunken. Und nun brachte sein Vater sie wieder ins Spiel. Wut stieg in ihm auf. Er hatte kein Recht, ihre Worte Lügen zu strafen. Sie hatte immer an ihn geglaubt und das sicher nicht ohne Grund. Er war erwachsen! Er ging seinen eigenen Weg und brauchte keinen Vater, der nicht dasselbe Vertrauen in ihn setzen konnte wie er es selbst tat. »Mary wäre sicher ebenso erschrocken darüber, dass ihr Sohn mit einem Mann ins Bett steigt!« Titus Augen weiteten sich einen Moment. Wie konnte sein Vater es sich herausnehmen, zu entscheiden, wie seine Mutter darauf reagiert hätte? Mal ganz davon abgesehen, dass Titus es vor ihr sicher nicht hätte lange verstecken können. Wie hätte gemerkt, dass etwas nicht stimmte, dass er ihr etwas verheimlichte. Doch ihr hätte er vielleicht sogar die ganze Wahrheit gesagt. Sein Vater hingegen hätte es in hundert Jahren nicht bemerkt, hätte er sie nicht auf frischer Tat ertappt. »Ich will nichts mehr von deiner 'Karriere' als Musiker hören! Du lernst gefälligst einen anständigen Beruf und triffst dich nie wieder mit diesem Kerl, hast du verstanden?!«, fuhr ihn sein Vater an und verlangte Dinge der Unmöglichkeit von ihm. Niemals würde Titus seine Musik aufgeben. Nie im Leben! Sie war alles, was ihm von seinem Traum geblieben war. Alles, was ihn wirklich noch an seine Mutter erinnerte. Die Musik gab ihm Kraft und stellte die unsichtbare Verbindung zu seiner Mum dar. Wie könnte er so etwas von sich schieben, nur um seinem Vater etwas mehr zu gefallen? Einem Vater, der nicht hinter ihm stand. Der ihm nichts zutraute und der ihn nicht halb so sehr liebte, wie er könnte. Titus bemerkte kaum, wie eben jener ihn ungeduldig auf eine Antwort wartend anstierte, doch als sein Vater dann fluchend seine Wohnung verließ und die letzten Worte noch im Raum standen, biss der Blonde seine Zähne wütend zusammen. »Warte nur, ich treib' dir deine Flausen schon noch aus dem Kopf!« »Idiot!«, rief sein Sohn ihm hinterher, auch wenn der Mann ihn wohl kaum noch hören würde. Zornig ballte Titus seine Hände zu Fäusten. Einen Augenblick blieb er noch so sitzen, dann ließ er sich mit einem schweren Seufzen zur Seite fallen. Was sollte sein Vater ihm schon antun, um ihn dazu zu bewegen, die Musik-Karriere aufzugeben? Er konnte nicht rausgeworfen werden, weil er bereits eine eigene Wohnung besaß. Er finanzierte sich beinahe vollständig selbst und hatte dank seiner Mutter noch einige Rücklagen, auf die er im Notfall zurückgreifen könnte. "Musiker-Anlage" wie seine Mutter es immer mit einem Lächeln genannt hatte. Titus war in keinster Weise mehr von seinem Vater abhängig. Auch war er bereits volljährig, sodass er nicht einmal da dranzukriegen war. Und dass der alte Mann versucht hatte, mit der Erwähnung seiner Mutter, zu bezwecken, dass er aufgab, zog auch nicht, denn wenn es eines gab, das Titus wusste, dann war es, dass seine Mutter ihn niemals hassen würde, nur weil er anders war. Und selbst wenn er nun wirklich nur auf Männer stände, selbst das hätte sie wohl kaum davon abgehalten, ihn weiterhin so uneingeschränkt zu lieben. Verkrampft krallte sich die Hand des jungen Mannes in das Bettlaken. Leises Schniefen war zu hören. Er vermisste sie so schrecklich… Auch der Sonntag war vorübergegangen, irgendwie. Titus war zum Mittagessen nicht hinuntergegangen, doch es war auch niemand zu ihm hochgekommen, um nachzusehen. Sein Vater hatte sicher irgendeine Ausrede erfunden, vor seiner Schwester. Mit Annabell hatte er sich sicher das Maul zerrissen und ihr die Ohren vollgejammert, was für einen Taugenichts er doch als Sohn hatte. Er hatte sich verändert, seit er mit ihr zusammen war. Sie hatte ihn verändert. Zwar hatte er früher auch noch nicht viel für Titus' Hobby und Berufung übrig, aber nun empfand er lediglich Verachtung dem gegenüber und versuchte nicht einmal, einen Hehl daraus zu machen. Nun war es Montag und der junge Musiker stand vor dem großen Gebäudekomplex, in dem sich unter anderem auch das Büro seines Managers, Matthieu, befand. Sein Vater konnte ihm nichts anhaben. Er würde ihn nicht davon abhalten, seinen Traum - den Traum seiner Mutter - zu verwirklichen. Einmal noch atmete Titus tief durch, dann wurde sein Blick entschlossen. Festen Schrittes betrat der das Gebäude. Viele Leute wuselten um ihn herum, aufgeregtes Treiben herrschte in den großen Hallen. Titus ging in Richtung der Aufzüge. In einem davon stand Emily und entdeckte ihn in der Menge, lächelte ihm zu und hielt für ihn die Aufzugtür offen. Er würde mit seiner Band 'Dramatic Pause' groß rauskommen. Ihr erster Gig war ein Erfolg gewesen, nun musste es nur noch so weitergehen. Er würde mit ihr berühmt, würde irgendwann vor Tausenden jubelnden Zuschauern auftreten und die Menge ins Taumeln bringen. Seine Mutter sollte Recht behalten, sollte nicht enttäuscht werden, weil sie ihr Vertrauen und ihre Zuversicht in ihren Sohn gelegt hatte. Und wenn all dies nur dadurch zu erreichen war, dass Titus vor seinem Manager auf die Knie ging, dann sollte es so sein. Diesen Preis konnte er mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen bezahlen, denn auf den Knien kam man unter Umständen sehr weit. ______________________________________ So, nun auch das Ende meines zweiteiligen One-Shots. Ich hoffe doch, es hat euch gefallen und ihr schaut mal auch bei einem meiner anderen Werke vorbei ;) Über Feedback würde ich mich sehr freuen :3 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)