Zum Inhalt der Seite

Blacklist

Auf der Liste des Todes ~ Re-upload
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Blacklist

Am 13. Juli 2008 wurde in Sankt Petersburg der junge Rechtsanwalt Dimitri Jakowa überfahren. Er starb noch am Unfallort. Zwei Wochen später spielten Kinder in den nördlichen Wäldern Baltimors und fanden die Leichen eines Ehepaars. Ihre Gesichter hatte der Täter unkenntlich gemacht. Zuvor grub man die verwesten Knochen eines alten Mannes in Gobó, nahe Osaka aus. Er starb im Februar an einer schweren Kopfverletzung, die ihm durch einen spitzen Gegenstand zugefügt worden war. Sein Sohn wird noch heute vermisst. Er feierte am 4. April seinen 17. Geburtstag.

In Sankt Petersburg fahndet die Polizei nach dem flüchtigen Fahrer, dessen Autokennzeichnen nirgends registriert ist. Die russischen Polizisten werden den Unfallverursacher nie finden.

Dr. Sally Rodrigez aus Baltimore, Maryland, stellt die Ursache der gefunden Leichen fest. Ein großes Tier fiel das Ehepaar Brown an.

Inspektor Nagoya aus Osaka erklärt den Sohn des Toten zum flüchtigen Mörder des eigenen Vaters. Er lieh sich von seinen Eltern eine hohe Summe Yen und hatte nicht vor, es ihnen wiederzugeben. Der Streit eskalierte und Furisan Jr. griff zur späteren Tatwaffe.

Vier Menschen, die auf unterschiedlichste Weise ums Leben kamen. Zwischen ihnen gibt es keine Verbindung, sie haben sich nicht gekannt. Keine Verbindung?

Das ist ein Irrtum, aber niemand wird ihn herausfinden.

Alle Vier wurden ermordet, von ein und derselben Person. Denn alle Vier hatten eines Gemeinsam: Sie standen auf der Blacklist.

Abschreiben sollte gekonnt sein!

„Aufpasser?“ Naruto sah Kakashi ungläubig an. „Wir sollen auf jemanden aufpassen?“

Der Anführer der Anbu-Einheit ‚Roter Fuchs’ nickte. „Genau.“

„Ja, und weiter? Man, erzählen sie mal mehr!“

„Viel mehr ist da nicht zu erzählen.“

„Wer ist denn die Zielperson?“, fragte Hinata. Sie war das einzig weibliche Mitglied des Teams.

„Sakura Haruno.“

„Ein Mädchen?“ Sasuke sah auf die Unterlagen. Kakashi hatte sie ihm eben gereicht. „Warum sollen wir auf ein Mädchen aufpassen? Wir haben bisher nie für jemanden den Babysitter gespielt!“

„Sie steht auf ihrer Liste. Akatsuki ist hinter ihr her.“

„Wie jetzt?“ Naruto griff sich das Foto, das bei den Dokumenten lag. „Warum sollten die Mistkerle hinter einer Schülerin her sein?“

Kakashi zuckte mit den Schultern. „Das wissen wir noch nicht. Aber sie wurde auf Rang 2 gestuft. Es hat also höchste Priorität. Die Akatsuki werden nicht lange fackeln und sie schon möglichst bald aus dem Verkehr ziehen wollen.“

„Sie geht auf die Tokioer High School“, bemerkte Hinata, deren Blick auf den Unterlagen haftete. „Sie ist in der 11. Klasse. Es wäre ein Leichtes, uns für neue Schüler auszugeben.“

„Schüler?“ Sasuke schnaubte verachtend. „Das ist doch Kinderkram! Können wir den Auftrag nicht ablehnen?“

„Das werden wir nicht“, sagte Kakashi. „Das Mädchen braucht unseren Schutz.“

„Aber warum eine Schülerin?“, fragte Hinata „Was hat sie mit den Akatsuki zu schaffen?“

„Es ist nichts über sie bekannt.“

Naruto gab das Foto weiter. Fragend sah er Kakashi an. „Wie nichts? Was ist mit ihrem Lebenslauf?“

„Etwas Derartiges existiert nicht. Über ihre Vergangenheit weiß niemand bescheid. Sie eingeschlossen.“

„Hä?“

„Sakura hatte vor zwei Jahren einen Unfall. Damals war sie vermutlich 14 oder 15. Als sie aus dem Koma erwachte, waren ihre Erinnerungen verschwunden. Die Ärzte diagnostizierten totale Amnesie.“

„Und was ist mit ihrer Familie? Verwandte, Angehörige?“, wollte Sasuke wissen. Es musste doch Daten geben!

„Nun“, sagte Kakashi und sah bedauernd auf das Bild des Mädchens. „Es erinnert sich niemand an sie.“

„Niemand erinnert sich an sie? Wer hat sie damals gefunden, und was war das für ein Unfall?“

Kakashi holte ein zweites Foto heraus, auf dem Sakura mit einer blonden Schülerin abgelichtet worden war. „Das ist Ino Yamanaka. Sie war es, die Sakura vor zwei Jahren fand. Jemand hatte sie scheinbar angefahren und war danach geflüchtet. Die Polizei hat nie jemanden verhaften können, und bis heute sind noch viele Dinge ungeklärt. Zum Beispiel trug sie nichts bei sich. Keine Brieftasche, kein Schülerausweis, nichts. Lediglich auf der Innenseite ihrer Jacke fand man den Namen Sakura Haruno. Das ist alles. Jeder Versuch, eine Familie oder Freunde ausfindig zu machen, blieb erfolglos, obwohl ganz Japan auf dem Kopf stand. Es gab zahlreiche Schlagzeilen.“

„Dann muss ihr Name nicht einmal stimmen“, bemerkte Sasuke, der seinen Blick etwas länger auf dem Bild des Mädchens ließ. „Und wie alt soll sie jetzt sein?“

„Sie feiert ihren Geburtstag am 24. August. Das ist der Tag, an dem sie aus dem Koma erwachte. Nach ihrem schulischen Wissen könnte sie viel Älter sein - ihre Noten sind beeindruckend - aber man schätzte sie damals auf 14, nicht älter als 15, also wird sie dieses Jahr wahrscheinlich 17.“

„Was ist aus ihrem jetzigen Leben bekannt?“, fragte Hinata.

Kakashi sah genauer in die Akte. „Sie lebt in Tokio, wohnt in der Nähe des Towers, besucht dort eine High School für Begabte und geht regelmäßig zum Turnen. Ihr Notendurchschnitt beträgt 1,1 und sie ist Klassensprecherin. Ino Yamanaka geht in die gleiche Klasse wie sie. Yamanaka ist ihre engste Freundin.“

„Oho“, grinste Naruto breit und sah höhnisch zu Sasuke. „Da hat unser Superhirn eine Konkurrentin! Neben ihr werden deine Noten wie die eines Looser dastehen!“

„Hn.“ Sasuke schloss mit einem bösartigen Lächeln die Augen. „Das werden wir ja sehen. Und an deiner Stelle würde ich mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen … Deine Bildung reicht gerade mal für die Grundschule. Sie werden sich weigern, dich aufzunehmen.“

„Wiiiieee biiitteeee?“ Der Gemeinte plusterte seine Backen auf. Kakashi klappte die Akte lautstark zu, damit es nicht zum Streit ausartete.

„Das heißt, ihr werdet euch an der Schule anmelden?“, fragte er.

„Tzz.“ Sasuke schüttelte missgelaunt den Kopf und wandte sich zum Gehen.

Hinata lächelte verlegen. „Das heißt ja, Kommandant.“
 

Mit ehrfürchtigem Blick sah Naruto auf das gewaltige Gebäude der High School. „Wahnsinn“, sagte er und ließ am Ende seines ‚Satzes’ den Mund offen stehen.

Hinata, die die Hand ihres Teammitgliedes und gleichzeitigem Freund hielt, nickte schmunzelnd. „Sie ist wirklich beeindruckend. Nur die Besten gehen hier zur Schule. Die Elite. Fühl dich geehrt, dass sie dich aufgenommen haben.“

Sasuke ließ einen abfälligen Ton von sich. „Mit gefälschten Zeugnissen war das keine Kunst. Wenn sie ihn im Unterricht erleben, werden sie ihn schon noch rauswerfen.“

„Halt die Klappe!“, sagte Naruto und verzog beleidigt das Gesicht. „Ich habe dafür andere Begabungen!“

Sasukes Augenbraue wanderte in die Höhe. „So? Und welche sollten das sein?“

„Schluss jetzt“, ging Hinata dazwischen. „Wir müssen uns benehmen. Unsere Tarnung darf nicht auffliegen, vergesst das nicht.“

„Narutos bestes Fach. Im Vergessen liegt seine Begabung“, grinste Sasuke gemein, doch verstummte er augenblicklich, als die Schulglocke zur Pause klingelte. „Jetzt fängt der Kindergarten an …“
 

„Ich hoffe, ihr werdet mit keinen Ärger machen“, sagte Tsunade, die Direktorin der

Tokioer High School. „Ich habe eurem Kommandanten zwar meine Hilfe zugesagt, aber ich dulde keine Widrigkeiten, verstanden?“

Die drei ‚Schüler’ nickten.

„Es wird keinen Ärger geben“, sagte Hinata. Trotz ihrer leisen Stimme klang sie überzeugend. „Wir erledigen unsere Arbeit und beteiligen uns am Schulalltag. Wir werden nicht auffallen.“

„Auf gar keinen Fall!“, fügte Naruto breit grinsend hinzu, sodass sich Tsunades Stirn in Falten legte. „Ähm, also, wirklich nicht, mein ich …“, murmelte der Blonde schon um einiges leiser.

Tsunade seufzte kopfschüttelnd, beließ es aber dabei und reichte den dreien ihre Stundenpläne. „Wir arbeiten hier im Klassenverband. Jede Klasse hat einen festen Raum. Der Fachlehrer kommt zu euch. Ich verbiete mir Gedränge in den Fluren. Kein Rennen, kein lautes Schreien. Ist das soweit verständlich?“ Die Direktorin erhielt ein einstimmiges Nicken und fuhr in ihren Ausführungen fort. „Sport findet auf dem Sportplatz oder in der Halle statt. Aufenthaltsräume sind die Cafeteria und die Bibliothek. Überall wird weder gerannt, noch geschrieen, verstanden?“ Wieder nickten die Drei und Tsunade atmete laut aus. „Es wird für euch keine Sonderregelungen geben. Solltet ihr Nachsitzen müssen, werdet ihr das tun. Solltet ihr euch daneben benehmen, andere Gefährden oder dem Ruf der Schule schaden, werdet ihr verwiesen. Im Unterricht wird nicht geschwatzt und es werden keine Briefe geschrieben. Sollten eure Noten unter Durchschnitt sein“, und dabei sah sie vor allem Naruto eindringlich an. „Ist im Normalfall eine Versetzung in eine andere Schule vorgesehen. In eurem Fall bedeutet das, ihr müsst meine Schule verlassen. Es sind strenge Regeln, aber dies ist keine Schlamper-High-School. Ich unterrichte nur die Besten, und nur die Besten haben hier das Recht auf Förderung. Habt ihr das Verstanden?“

„Natürlich.“ Hinata lächelte noch immer. Im Gegensatz zu ihrem Freund machten ihr die Regeln keine Angst.

„War’s das?“, fragte Sasuke, der zum ersten Mal die Stimme erhob. Gelangweilt sah er zur Direktorin, die ihn ihrerseits missbilligend beäugte.

„Ja, Mr. Uchiha. Das war’s“, sagte sie trocken und nickte kurz als Zeichen, dass sich die Drei entfernen durften.

Hoffentlich hatte sie sich keinen Ärger eingehandelt und fast bereute sie ihre Entscheidung, Kakashi diesen Gefallen zu tun. Aber welche Wahl hatte sie schon gehabt? Als sie selbst noch Lehrerin dieser Schule war, war Kakashi einer ihrer begabtesten Schüler gewesen. Und er war es auch, der ihr damals ziemlich aus der Patsche geholfen hatte …

Tsunade seufzte, als sie plötzlich laute Jubelschreie aus den Gängen hörte, die wie: „Yeah, hier gibt’s Ramen!“ klangen. Erschöpft stöhnte sie auf und ließ ihren Kopf auf den Tisch sinken. Hoffentlich würde es wenigstens nur bei dem Geschreie bleiben und keine größeren Ausmaße annehmen …
 

„7-0-1“, las Hinata und schnappte nach Luft. „Das ist der Raum.“ Die 17-jährige mochte öffentliches Auftreten überhaupt nicht, aber genau das stand den Dreien jetzt bevor. Als neue Schüler hatten sie sich ihrer Klasse vorzustellen. Noch waren die Gänge überfüllt mit schwatzenden Schülern, die sie nicht weiter beachteten, aber in weniger als fünf Minuten würde es schon zur nächsten Stunde klingeln und damit würden auch sie in ihre Klasse eingewiesen werden.

Naruto, der seine Freundin gut genug kannte, wusste wie sie sich im Moment fühlte. Hinata Hyuuga war eine zurückhaltende Persönlichkeit, die sich lieber im Hintergrund hielt. Für solche Auftritte war sie eindeutig nicht gemacht worden. Ihre Stärken lagen in der Ruhe und im systematischen Denken. Sie war überaus clever, aber nervös wie ein kleines Kind, wenn sie unter Beobachtung stand.

„Das wird schon“, lachte Naruto aufmunternd und warf einen verstohlenen Blick in das Klassenzimmer. Ein bunter Haufen Jugendlicher saß auf Tischen und Stühlen verteilt, manche unterhielten sich und andere schrieben fleißig in ihren Heften. „Hey, ich glaub, das da ist sie“, sagte er und zog Hinata zu sich, damit auch sie einen Blick auf ihre Zielperson erhaschen konnte.

„Stimmt.“ Hinata beobachtete das Rosahaarige Mädchen, das an ihrem Platz saß und aus dem Fenster schaute. „Sie sitz allein.“

„Und sie guckt total deprimiert“, fügte Naruto hinzu.

„Jetzt glotzt da nicht so offensichtlich hin!“, sagte Sasuke plötzlich. „Das fällt auf!“

„Ja, er hat Recht.“ Hinata nahm ihren Kopf zurück und lehnte sich gegen die Wand, als sie am anderen Ende des Ganges einen älteren Mann kommen sah. „Ich glaube, der Lehrer kommt.“ Sie schluckte kaum merklich und atmete tief ein.

„Das geht schnell vorüber“, sagte Naruto und nahm Hinatas Hand.

Der Lehrer näherte sich mit schnellen Schritten und machte vor den Dreien halt. „Ah, ihr seid die neuen Schüler?“, fragte er sogleich und sah auf seine Papiere. „Naruto Uzumaki, Hinata Hyuuga und Sasuke Uchiha?“

„Jawohl, Sir!“, übertrieb es Naruto einmal mehr, doch der Mann lächelte nur.

„Gleich drei auf einmal, das haben wir selten. Und alle aus Osaka?“

Hinata wollte schon zu einer Erklärung ansetzen, doch der Lehrer wehrte ab. „Kommt erst einmal rein und stellt euch den anderen vor. Der Unterricht beginnt in einer Minute.“

Und so folgten sie ihm in die Höhle der Löwen …
 

„Wir hätten den Auftrag ablehnen sollen“, knurrte Sasuke, als er drei Stunden später mit Naruto und Hinata an einem abgelegenen Tisch in der Cafeteria saß. „Oder zumindest anders operieren müssen. Das hier ist das Letzte!“

„Nun meckere doch nicht, die Schülerinnen haben dich doch begeistert aufgenommen“, lachte Naruto.

„Pah!“, kam es von dem Uchiha und genervt wandte er seinen Blick aus dem Fenster.

Hinata lächelte milde. Sasuke hatte wirklich allen Grund sich zu beschweren, denn scheinbar hatte die Klasse nur auf ihn gewartet. Ein neuer Schüler, der nicht wie ein Streber mit Brille und feinen Klamotten daher kam, sondern lässig wirkte und dennoch brillant schien. Wie Frischfleisch hatten sich die Mädchen auf ihn gestürzt, mit ihren Blicken verschlungen und sich gezankt, zu wem er sich zu setzen hatte. Gnädigerweise hatte der Lehrer ihm einen einzelnen Platz am Fenster zugewiesen, direkt vor Naruto und ihr. Dennoch war das Getuschel groß und mehr als einmal waren kleine Briefchen zu Sasuke geflogen, die er allesamt ignoriert hatte. Das jedoch schien ihn bei den weiblichen Schülern noch interessanter zu machen, und so hatte er mehr oder weniger drei anstrengende Stunden über sich ergehen lassen müssen.

Eines stand jedoch fest: Tsunades Regeln beachteten die Wenigstens. Auch in einer Elite-Schule blieben die Schüler eben Menschen.

„Wie soll es jetzt überhaupt weitergehen?“, fragte Naruto und nahm einen großen Schluck seines Schokoshakes. „Heften wir uns jetzt an sie?“

„Wir warten auf Kakashis Instruktionen“, antwortete Hinata, da Sasuke keine Anstalten machte, sich an dem Gespräch zu beteiligen. „Er ruft nach der Schule an.“

„Und wenn sie schon unterwegs sind?“, hakte Naruto nach. „Wenn sie ihr heute schon auflauern?“

„Mindestens einer von uns wird ab sofort immer in ihrer Nähe bleiben.“ Hinata senkte die Stimme. „Sasukes Wohnung liegt direkt neben ihrer. Wie zufällig können wir ihr nachher über den Weg laufen, wenn wir nach Hause gehen.“

„Aber ist das nicht etwas zu zufällig?“

Hinata schüttelte den Kopf. „Es ist eine preisgünstige Wohnung, das wird die Sache erklären, falls sie etwas sagen sollte. Und wir wohnen ja ein paar Straßen weiter. Sie wird keinen Verdacht schöpfen.“

Naruto nickte, wenn auch nicht ganz überzeugt. Er sah hinüber zu Sasuke, dessen Blick noch immer aus dem Fenster gerichtet war. „Was ist denn da so spannendes?“, fragte er neckend und beugte sich über den Tisch, um ebenfalls nach Draußen sehen zu können. „Oh, du beobachtest also die Frauen der Streber-Schule Nr. 1. Wie aufschlussreich!“

„Idiot“, sagte Sasuke nur und deutete auf eine Gruppe Mädchen. „Da ist sie. Sie steht bei Ino Yamanaka. Sie gehen überall zusammen hin, wie es aussieht.“

Naruto blinzelte und versuchte Sakura auszumachen. „Ah, da“, sagte er, als er ihre rosa Haare fand. „Das ist gut, oder? Wenn sie nicht alleine rumläuft, ist es schwieriger, sie zu …“ Naruto hielt abrupt Inne. Die Vorstellung, dass die Akatsuki das Mädchen töten wollten, erschien ihm von Minute zu Minute suspekter. Er kannte sie zwar nicht, und er hatte auch schon genug Menschen sterben sehen, aber dennoch wollte er nicht begreifen, wie man es auf eine Schülerin absehen konnte, die nichts von ihrer Vergangenheit wusste. Der Gedanke, dass sie ein Killer vielleicht hier auf dem Schulgelände einfach erschießen würde, ergriff ihn auf eine seltsame Weise. Manche Dinge konnten nicht verhindert werden, dass hatte er in seinem Beruf oft genug erleben müssen, aber aus irgendeinem Grund wollte er Sakura Haruno nicht sterben lassen.

Hinata nickte, als sie die nachdenkliche Miene des Blonden sah. „Das ist wahr. Die Akatsuki werden kein unnötiges Aufsehen erregen wollen. Vermutlich ist sie hier am Sichersten.“

„Wurde ihre Wohnung durchsucht?“, fragte Sasuke unerwartet, beobachtete aber weiterhin die Mädchengruppe auf dem Rasen. Es war ein warmer Sommertag und die meisten hatten sich auf die Erde gesetzt.

„Ja. Es wurden keine Abhörgeräte oder andere Fremdeinwirkungen gefunden“, sagte Hinata und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie sich ihrem Tisch eine brünette Schülerin näherte. Ein unmerkliches Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. „Da ist dein Typ gefragt, Sasuke.“

Der Uchiha sah auf und verzog gleichsam das Gesicht. „Das hat mir noch gefehlt, verdammte Weiber!“

„Sei nicht so unfreundlich“, lachte Naruto, verstummte aber, als die Schülerin bei ihnen ankam.

„Hallo“, sagte sie grinsend und schaute länger als nötig zu dem Schwarzhaarigen. „Ich bin Mikoto. Ich wollte euch nur begrüßen und euch das hier geben.“ Sie reichte Hinata, die ihr am nächsten saß, einen blauen Flyer. „Dieses Wochenende findet eine Party bei mir statt. Es wäre toll, wenn ihr kommen würdet.“ Wieder huschte ihr Blick zu Sasuke, der jedoch keine Miene verzog. „Es sind viele aus unserer Schule da. Wir könnten uns besser kennenlernen.“

„Ähm, ja danke“, sagte Hinata und studierte das Blatt genauer. „Das ist sehr nett.“

„Wir kommen bestimmt mal rum“, grinste Naruto und nahm seiner Freunden den Flyer ab. „Gleich am Freitag. Cool.“

„Das ist klasse, ich freu mich. Also dann, wir sehen uns im Unterricht.“ Mikoto verabschiedete sich, und kaum, dass sie verschwunden warf, gab Sasuke Naruto eine kräftige Kopfnuss.

„Aua!“

„Idiot! Was soll das heißen, wir kommen bestimmt mal rum?“, motzte Sasuke genervt. „Ich werde da bestimmt nicht hingehen!“

„Dann lässt du’s eben!“ Naruto rieb sich den Hinterkopf und zog eine beleidigte Schnute. „Es ist aber wirklich eine klasse Gelegenheit, alle etwas besser kennen zu lernen.“

„Tzz, von wegen!“

„Aber er hat Recht“, gab Hinata leise zu. „Zumindest könnte es gut möglich sein, dass Sakura hingehen wird. Falls sie das tut, könnten wir unbemerkt in ihrer Nähe bleiben. Zudem sollten wir uns mit ihr anfreunden, damit wir mehr über sie herausfinden können.“

„Ich freunde mich mit niemanden an“, stellte Sasuke klar, stand auf und schob lauthals seinen Stuhl an den Tisch. „Wir sehen uns nachher.“

Als Sasuke die Cafeteria verlassen hatte – und mit ihm einige schmachtende Mädchen – blickte Naruto seine Freundin irritiert an.

„Was haut der denn jetzt ab?“

Hinata schmunzelte und deutete aus dem Fenster. Naruto folgte ihrem Blick. Die Gruppe Mädchen, die dort vorhin noch stand, hatte sich aufgelöst.

„Geht er Sakura nach?“, erriet er, wirkte aber ungläubig.

„Sieht so aus. Wir sollten auch gehen, es klingelt in ein paar Minuten.“

Der Blonde erhob sich. „Was haben wir jetzt?“, fragte er, da er seinen Stundenplan längst verloren hatte.

„Eine Doppelstunde Mathe.“ Hinata grinste. Es war eines ihrer Lieblingsfächer gewesen, als sie selbst noch zur Schule gegangen war. Zu Narutos gehörte es jedoch nicht.

„Mathe?“ Sein Gesicht sprach Bände. Nein, Mathe gehörte ganz und gar nicht zu seinen Lieblingsfächern …
 

Dass Naruto mit Zahlen und mathematischen Formeln nichts anfangen konnte, war schon bald kein Geheimnis mehr. Seine sonst so ungetrübte gute Laune befand sich bereits nach dem Klingeln im Keller, als der Fachlehrer, ein dürrer, schleimiger Typ, mit düsterer Stimme verkündete, dass sie einen unangekündigten Test schreiben würden. Ein Raunen war durch die Klasse gezogen, währenddessen Naruto blasser und blasser wurde. Er hasste Mathematik, und die Mathematik hasste ihn! Er würde ihretwegen der Schule verwiesen, da war er sich sicher. Aber was konnte er tun?

Hinata hatte sich der Kontrolle wegen eine Bank nach hinten setzen müssen, abschreiben fiel damit ins Wasser. Und die Aufgaben selbst lösen? Seit Ewigkeiten hatte er keine Zahlen mehr angesehen und ihnen demonstrativ den Rücken gekehrt, falls sie sich ihm einmal hatten nähern wollen. Er würde versagen, noch am ersten Tag! Wie sollte er da seinen Auftrag erfüllen können?

Naruto schluckte, als Mr. Namakuya sagte, alle Hefte und Bücher haben jetzt vom Tisch zu verschwinden. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn und panisch sah er zu Sasuke, der vor ihm saß und lässig die Sachen in seiner Tasche verstaute. Langsam tat er es ihm nach, griff sich seinen Block und fingerte nach seinem Stift.

„Bleib ruhig, Naruto“, hörte er Hinata hinter sich sagen, doch seine Hand zitterte schon, als er nur seinen Namen auf das leere Blatt schrieb. Vermutlich würde er es genauso leer auch abgeben …
 

Eine halbe Stunde später saß der Blonde fiebernd vor seinem Test. Bisher hatte er nicht eine Rechnung lösen können, und dabei waren es nur noch fünf Minuten, ehe der Lehrer die Blätter wieder einsammeln würde. Er blickte kurz auf und beobachtete den aufmerksamen Mann, der seine kleinen Augen immerfort durch die Klasse wandern ließ. Als sich jemand in den hintersten Reihen meldete, stand er widerwillig auf und schlürfte durch den Gang.

Naruto drehte sich etwas nach hinten, kaum dass die Luft rein war, und warf Hinata einen hilfesuchenden Blick zu. Unschlüssig kaute sie auf ihrer Lippe, sah zu Mr. Namakuya, der beschäftigt schien, und reichte Naruto schnell ihre Notizen nach vorne, ehe sie sich wieder dicht über ihren Test beugte.

Das Herz fast in der Hose, schrieb Naruto so hastig er konnte Hinatas Antworten ab. Aus den Augenwinkeln schaute er zu dem Lehrer, der noch immer mit einem Schüler diskutierte. Drei Minuten lang kritzelte Naruto auf seinem Blatt herum, als Mr. Namakuya plötzlich in seine Richtung blickte.

Naruto blieb fast die Luft weg und so unauffällig wie möglich verstaute er Hinatas Notizen unter seinem Test, doch der Mann war gezielt auf dem Weg zu ihm. Hatte er ihn gesehen? Er würde fliegen! Er würde die Schule verlassen müssen und damit den Auftrag gefährden! Alles wäre seine Schuld! Wenn etwas …

„Mr. Uzumaki, ist ihnen nicht gut?“, sagte schon die Stimme des Lehrers, der nun neben seinem Tisch stand und ihn vielsagend anblickte. „Sie sehen blass aus.“

„Ich ähm …“, sagte Naruto und versuchte gequält zu lächeln. Er wusste, dass alle Augen längst auf ihm ruhten. Der Mathelehrer wusste, dass er abgeschrieben hatte, ohne Zweifel! Und die Schüler wussten es nun mit Sicherheit auch …

„Sind ihnen die Aufgaben nicht bekommen?“ Mr. Namakuya grinste gefährlich und seine Hand wollte schon nach Narutos Block greifen, als plötzlich jemand aufstand und den Lehrer ärgerlich ansah.

Nicht jemand …

„Mrs. Haruno, alles in Ordnung?“ Der Mann sah verwirrt auf und ließ kurzzeitig von Naruto ab. „Was ist? Setzen sie sich bitte wieder, der Test ist noch nicht zu ende.“

„Aber der Test enthält Fehler!“ Sakura blickte ihn an, als wäre sie darüber empört. „Wie kann das sein? Auf dieser Schule!“

„Was sagen sie da, Mrs. Haruno?“ Mr. Namakuya ging auf die Rosahaarige zu, die mit ihrem Finger auf eine der Aufgaben zeigte. „Da. Nummer 4. Man kann sie nicht lösen. Sie ist falsch!“

Mr. Namakuya glaubte sich verhört zu haben, als Sakura schon weiter sprach. „Und mit der vierzehnten Aufgabe ist es genau das gleiche. Beide sind keinesfalls machbar. Wie kann so etwas passieren?“

Der gesamten Klasse blieb fast der Atem aus, bis auf Naruto, der die Zeit nutzte und Hinata ihre Notizen zurückgab. Erst danach bemerkte er, wie der Lehrer Sakura zornig anstarrte. Scheinbar passierte es nicht oft, dass sich jemand mit dem schleimigen Mann anlegte. Warum tat es dann aber Sakura?

„Ich sage ihnen, wie so etwas passieren kann …“ Mr. Namakuya atmete laut ein. „Es ist ein von mir konstruierter Fehler, Mrs. Haruno. Sie haben ihn gefunden, bravo ...“ Er schien sich zusammenreißen zu müssen, ruhig zu bleiben. „Und eben haben sie der ganzen Klasse zwei Aufgaben gelöst. Das ist Betrug, wissen sie das? Ich müsste den Test jetzt eigentlich zurückziehen.“

„Oh“, Sakura blinzelte, sah scheinbar verlegen auf ihre Aufgaben und lächelt entschuldigend. „Daran habe ich nicht gedacht.“

„Daran haben sie nicht gedacht?“ Ein unbemerktes Beben ging durch den Körper des Lehrers. Er fühlte sich gerade mehr als nur aufs Korn genommen. „Ich denke, dann sollten sie in Zukunft an ihrem Denken arbeiten. Sie können gleich heute nach der Schule damit beginnen. Zwei Stunden Nachsitzen!“

„Was?“ Sakuras beste Freundin, Ino Yamanaka sah giftig von ihrem Blatt hoch. „Das ist aber unfair! Sakura hat doch nur geglaubt, dass sie einen Fehler gemacht haben!“, zeterte sie sofort.

„Ja, aber leider machte sie den Fehler, Mrs. Yamanaka! Und dafür muss sie nun geradestehen!“

„Aber wir haben heute Training!“, erwiderte Ino ohne Umschweife.

„Das ist mir reichlich egal!“, zürnte Mr. Namakuya. „Und wenn sie nicht auch hier bleiben möchten, dann seien sie jetzt gefälligst still! Der Test ist noch nicht vorbei! Und sie!“ Plötzlich ging der Mann zu Naruto und entriss ihm seinen Block, auf dem aber lediglich seine eigenen Antworten standen. „Aber …“ Er sah erst Naruto, dann Sakura voller Entrüstung an. Er brauchte nicht lange, um eins und eins zusammen zu zählen. Sakura hatte die Lösungen mit Absicht verraten, damit er von diesem blonden Trottel absah, den er beim Spicken erwischt hatte. Nun fehlte ihm der Beweis. Sie hatte ihn reingelegt …

„Sie werden bis zum Abend hier bleiben!“, rief er unbeherrscht, doch Sakura lächelte lediglich, als Mr. Namakuya zurück zum Lehrerpult ging.

„Aber was Sakura gesagt hat, stimmt doch gar nicht“, bemerkte plötzlich ein anderer Schüler. „Bei Nummer Vier ist die Antwort 22,4. Die Aufgabe ist also korrekt.“

„Jetzt reicht es! Sie sitzen auch nach!!“, brüllte der Lehrer, kaum das Sasuke seinen Satz beendet hatte …

Ein unbeliebter Praktikant

Schweigend aß Sakura ihr mitgebrachtes Frühstück, sah aus dem Fenster und hörte leise Musik. Zwischen den beiden Mathestunden war eine längere Pause, die viele für Plaudereien oder Hausaufgaben nutzten. Sie nutzte die Zeit lieber, um etwas für sich zu sein und gedankenverloren in die Landschaft zu starren, derweil Ino sich auf der Toilette frisch machen ging.

Als ihr jemand auf die Schulter tippte, zuckte sie leicht zusammen, stellte ihren Mp3-Player aus und drehte sich überrascht um. „Ja?“

„Ähm.“ Naruto setzte sich neben sie und grinste entschuldigend. „Ich wollte … naja mich bedanken. Du hast mir ganz schön aus der Patsche geholfen.“ Er senkte die Stimme, damit ihn Mr. Namakuya nicht hören konnte. Lediglich Sasuke, der direkt hinter Sakura saß, verstand, was er sagte.

„Hab ich das?“ Sakura schien verwirrt. „Wobei denn?“

Naruto blinzelte und legte den Kopf schief. „Na, als Namakuya meinen Test einziehen wollte. Wenn du das nicht mit der Aufgabe gesagt hättest, wäre ich ganz schön dran gewesen!“

Sakura sah aus, als verstünde sie kein Wort. „Ich weiß nicht, was du meinst“, sagte sie ahnungslos.

„Ich meine die Rechenaufgabe, die angeblich nicht korrekt war.“

„Aber das war sie auch nicht“, schmunzelte Sakura. „Sie ist nach wie vor nicht lösbar für uns.“

Naruto sah fragend zu Sasuke, der vor kaum einer viertel Stunde noch etwas anderes behauptet hatte. „Aber ich dachte, das Ergebnis …“

„Ist für uns nicht lösbar“, wiederholte Sakura und lächelte leicht. „Dein Freund hat sich das Nachsitzen umsonst eingehandelt.“

„Ehrlich?“ Die Miene des Blonden zeigte Überraschung. „Sasuke hat sich geirrt?“ Ungläubig starrte er zwischen Sakura und Sasuke hin und her, währenddessen der Uchiha lediglich schnaubte und sich wieder dem Fenster zuwandte.

Sakura kicherte, als sie Naruto dabei beobachtete. „Für uns ist es nicht lösbar“, erklärte sie schnell, damit es keine Missverständnisse gab. „Für eine 11. Klasse, mein ich. Das Lösen einer so komplexen Aufgabe lernt man frühstens im Studium.“

„Ach so?“ Narutos Augen wurden groß. „Dann hattet ihr sozusagen beide Recht?“

„Nicht ganz.“ Sakura lächelte noch immer, steckte sich aber schon wieder ihre Stöpsel in die Ohren. „Dein Freund hat sich um 0,2 verrechnet. Das richtig Ergebnis wäre 22,2 gewesen.“

Dann schaltete sie wieder ihre Musik ein. Offenbar hielt sie das Gespräch für beendet, da auch Naruto kein Wort mehr sagte. Ungläubig sah er zu Sasuke, der die Stirn gerunzelt hatte, obwohl sein Blick noch immer auf dem Schulhof lag.
 

„Wir könnten auch bleiben“, schlug Hinata vor, als sie zusammen mit Naruto bei Sasuke stand, der in einem fast leeren Klassenzimmer auf den Lehrer warten musste. Nur Sakura saß, ihre Musik hörend, in den vordersten Reihen und sah wie gewöhnlich aus dem Fenster. Um die drei neuen Schüler kümmerte sie sich nicht, sondern blieb geduldig auf ihrem Platz.

„Das ist quatsch. Kümmert ihr euch lieber um Kakashi.“ Sasuke sah flüchtig zu dem rosahaarigen Mädchen, das ihnen den Rücken zuwandte.

Hinata, die seinem Blick gefolgt war, sah auf die Uhr. „Dann bleibst du nachher an ihr dran? Es kann sein, dass sie noch zur Sport-AG geht“ Sie flüsterte so leise wie möglich. „Wenn das Nachsitzen vorbei ist, würde sie noch eine Stunde schaffen. Wie willst du das erklären?“

„Sie wird mich nicht sehen“, sagte Sasuke schlicht.

„Das ist alles meine Schuld.“ Naruto ließ den Kopf hängen. „Weil ich so eine dumme Nuss bin!“

„Das stimmt doch nicht“, sagte Hinata und nahm die Hand ihres Freundes. „Mach dir keinen Kopf. So etwas kann passieren und wir müssen jetzt einfach nur etwas umplanen. Sieh mal, Sasuke ist doch da. Also wird auch nichts passieren. Und wir gehen nach Hause und nehmen mit Kakashi Kontakt auf. Es ist nur eine kleine Planänderung.“

Naruto nickte trüb. „Wenn du meinst.“ Er blickte zu Sakura. „Ob sie wirklich nicht wusste, dass ich abgeschrieben habe?“, fragte er gedämpft.

„Ich weiß es nicht. Aber wir haben Glück gehabt. Wir müssen in Zukunft vorsichtiger sein.“

„Ich sollte vielleicht etwas lernen“, murrte Naruto.

„Eine gute Idee“, grinste Sasuke spöttisch. „Dein abgemagertes Gehirn wird uns sonst noch in echte Schwierigkeiten bringen.“

„Wie gemein!“ Naruto verzog das Gesicht. „Mathe war eben noch nie meine Stärke.“

„In anderen Fächern bist du auch kein Genie.“

„Ich hab auch gute Fächer!“

„Und die wären?“

Naruto stockte, als er schon antworten wollte. „Ähm, naja …“

„Tzz.“ Sasuke schüttelte den Kopf. „Haut jetzt ab, der dumme Sack wird jeden Moment auftauchen. Wir treffen uns nachher bei mir.“
 

Mr. Namakuya erschien jedoch nicht persönlich, sondern schickte eine Vertretung, die für ihn das Nachsitzen überwachen sollte.

Kabuto Yagushi war 23 Jahre alt, studierte Mathematik und machte derzeit ein Lehrerpraktikum an der Tokioer High School. Er war Namakuya zugeteilt worden, der ihm das Lehren etwas näher bringen sollte. Unter den Schülern war er genauso unbeliebt wie der alte Mathelehrer. Er war hinterhältig, verteilte gerne Strafen und spielte sich auf, als wäre er selbst längst im Lehrerkollegium.

„Da habt ihr euch aber eine ordentliche Nachsitzzeit eingehandelt“, grinste er, als er Sasuke seine Aufgaben auf den Tisch packte. „Habt wohl den Mund zu weit aufgerissen. Und das gleich am ersten Tag“, er sah Sasuke abfällig an, ehe er zu Sakura weiterging, die alles andere als positiv Überrascht von Namakuyas Stellvertreter war. Mit boshaftem Blick schaute sie Kabuto an, sodass Sasuke die beiden neugierig beobachtete. Ob sie sich näher kannten?

„Aber von Sakura ist man das ja gewöhnt“, sagte Kabuto lachend. „Nicht wahr?“, flüsterte er ihr dann zu, als er direkt vor ihr stand und sich zu ihr beugte. „Du hast gerne ein großes Mundwerk.“

„Hast du Namakuya angebettelt, das Nachsitzen für ihn zu übernehmen?“ Giftig schaute sie zu ihm hoch.

„Vielleicht. Das wird eine Weile dauern, schätz ich.“

Aus den Augenwinkeln sah Sakura kurz zu Sasuke, der schon am Arbeiten war. „Du hast ihm nur halb so viele gegeben“, stellte sie leise fest. „Was soll der Mist, Kabuto?“

„Wer wird denn gleich ausfällig?“ Kabuto rückte Sakura noch näher. „Dann haben wir endlich mal wieder etwas Zeit für uns.“

„Vergiss es!“

Kabuto grinste, richtete sich auf und ging zum Lehrertisch. „Mach deine Aufgaben, Sakura. Und beeil dich lieber …“
 

Gelangweilt saß Sasuke an seinen Aufgaben und tat, als würde er überlegen müssen. Eigentlich beobachtete er abwechselnd Sakura und Kabuto, die beide beschäftigt schienen. Er hatte bemerkt, dass Sakura einige Blätter mehr als er hatte, und Kabuto wohl nur darauf wartete, dass er fertig wurde und endlich ging. Für wie dumm hielt ihn dieser einfältige Trottel? Es war offensichtlich, dass er mit ihr alleine sein wollte, doch den Gefallen würde er ihm sicherlich nicht tun. Zum einen musste er zusammen mit der Rosahaarigen nach Hause, ohne dass es auffällig wirkte, und zum anderen passte ihn dieser arrogante Kerl nicht, dessen Augen öfter auf dem Mädchen hingen als es nötig war. Ob die beiden etwas miteinander verband? Sakura schien nichts von dem Praktikanten zu halten, andersrum verhielt es sich ganz anders. Und Kabuto machte keinen Hehl draus. Immer wieder sah er Sakura beim Arbeiten zu, ein dreckiges Grinsen im Gesicht.

Mistkerl, dachte Sasuke und löste im langsamen Tempo eine weitere Aufgabe. Könnte dieser Kabuto gar den Akatsuki angehören? Aus welchem Grund wollte er sonst mit Sakura alleine sein, außer um sie zu töten? Mochte er sie vielleicht? Er wirkte nicht wie jemand, der einen anderen mögen konnte. Oder begehrte er sie?

Sasuke schielte unbemerkt zu der Rosahaarige und versuchte sie etwas genauer in Augenschein zu nehmen. Er machte sich nicht viel aus anderen Menschen, als dass er sagen konnte, ob sie durchschnittlich aussah oder anziehend. Aber sie war nicht hässlich. Sie wirkte nicht so aufgetakelt wie ihre Freundin Ino Yamanaka, aber auch nicht wie eine Streberin, der es nur um ihre Noten ging. Klug schien sie aber dennoch zu sein. Konnte man das eine gute Mischung nennen?

Sasuke schüttelte sich innerlich, als er sich bei seinen Gedanken erwischte. Was interessierte ihn das Aussehen dieses Mädchen? Sie war sein Auftrag, ob sie begehrenswert war oder nicht. Er würde nur nicht zulassen, dass Kabuto mit ihr alleine blieb, nur für den Fall, dass er sie doch töten wollte.

Als Sasuke zur Uhr sah, bemerkte er Kabutos Blick auf sich ruhen. Er hob die Braue, sagte aber nichts und wandte sich der nächsten Rechnung zu.

„Brauchst du noch lange? Die waren doch nun wirklich nicht schwer, oder?“, hörte er keine Minute später die Stimme des Praktikanten neben sich.

„Ich brauch solange, bis ich fertig bin“, gab Sasuke im eisigen Ton zurück, so das sich sogar Sakura umdrehte und die beiden flüchtig musterte.

„Mach die Aufgaben meinetwegen zu Hause weiter“, sagte Kabuto nun. „Ist doch dein erster Tag, nicht wahr?“

Sasuke widmete sich wieder den Zahlen. „Nein, ich mach das hier“, sagte er, ohne Kabuto weitere Beachtung zu schenken.

Kabuto verzog die Miene, drehte sich aber um und ging einige Bänke weiter zu Sakura, die ihre Augen verengte und sich demonstrativ abwandte.

„Wie weit bist du?“, wollte er wissen und setzte sich dabei neben sie. „Ich könnte dir ja helfen“, lachte er vieldeutig.

„Ich verzichte auf deine Hilfe“, knurrte das Mädchen, schnappte sich ihren Taschenrechner und löste die Rechnung. Sie wollte so schnell wie möglich fertig sein, damit Kabuto keine Chance hatte, sie alleine zu erwischen. Es war ihr Glück, dass Sasuke so lange brauchte. Ob er aber wirklich so langsam im Rechnen sein konnte? Hätte er nicht längst fertig sein müssen?

„Lass das gefälligst!“, zischte sie leise, als sie Kabutos Hände auf ihrem Oberschenkel spürte.

„Du bist wirklich zickig geworden“, flüsterte der junge Mann und ließ seine Hand höher wandern. „Ich kann mich an ganz andere Zeiten erinnern.“

„Du weißt genau, dass es ein Ausrutscher war!“ Sakura versuchte so unbemerkt wie möglich zu bleiben. „Hör endlich auf!“

Kabuto drückte seine Finger in Sakuras Schenkel, so dass sie schmerzlich das Gesicht verzog. „Du wolltest es!“

„Ich wollte ein Scheißdreck! Hättest du mich nicht abgefüllt, dann …“, Sakura griff nach Kabutos Hand, in der Hoffnung seinen Griff zu lockern, doch eisern krallte er sich in ihrem Bein fest.

„Du solltest dir überlegen, was du sagst!“, grinste er fies, ehe er sie endlich losließ. „Es wäre besser für dich, das weiß du doch.“

Sakura, die schon Tränen in den Augen gehabt hatte, stand unerwartet auf. „Mistkerl!“, blaffte sie ihn, im gleichen Moment wie sie ihm eine Pfefferte. Eiligst packte sie ihre Sachen zusammen, warf sich die Tasche über und verließ so schnell sie konnte das Klassenzimmer.

Kabuto rieb sich die Wange und konnte ihr nur wütend hinterher sehen.

„Hier“, sagte plötzlich Sasukes Stimme. „Ich bin fertig.“ Er schmiss dem Praktikanten seine Blätter auf den Tisch. Kurz prüfte er, ob Sakura schon außer Hörweite war, dann beugte er sich mit einem boshaften Grinsen zu Kabuto. „Wenn du ihr das nächste Mal wehtust, wirst du dich nicht mit einer Ohrfeige begnügen dürfen.“

Dann verließ er ebenfalls das Klassenzimmer.

Die Sterne über Tokio

Sakura hatte es eilig, nach Hause zu kommen. Dass sie Kabuto eine gescheuert hatte, war unvermeidlich gewesen, aber sie hatte nicht gewollt, dass dieser Sasuke es mitbekam.

Doch genau das musste er getan haben, und zu allem Überfluss lief er ihr jetzt auch noch nach! Verfolgte er sie womöglich? War er ein Spinner wie Kabuto? Oder hatte er nur den gleichen Weg?

Sakura bog um eine Straßenecke und wartete, ob Sasuke ihr noch immer nachging. Sie drückte sich in eine Häusernische und sah auf die belebte Straße Tokios, doch als der neue Schüler auch nach fünf Minuten noch nicht vorbei kam, atmete sie erleichtert aus und verließ ihr Versteck. Erschrocken machte sie gleichfalls einen Schritt rückwärts, als er neben ihr an der Häuserwand gelehnt stand und sie kalt ansah.

„Verdammt“, stieß sie aus und griff nach ihrer Tasche, die ihr bald zu Boden gefallen wäre. „Du hast mich erschreckt!“

„Hab ich gemerkt“, sagte Sasuke monoton.

„Was machst du hier?“

„Die Frage ist eher, was du hier machst.“ Sasuke deutete in die dunkle Ecke.

„Nichts“, log Sakura rasch. „Ich … warum läufst du mir nach?“, wollte sie dann mit argwöhnischer Stimme wissen. „Schon seit der Schule!“

„Seit wann denn sonst?“ Sasuke schüttelte den Kopf, stieß sich lässig von der Wand ab und ging ohne ein Wort weiter. Ungläubig starrte Sakura ihm nach, ehe sie selbst ihren Weg fortsetzte.

Als sie die Straße und ihr Wohngebäude erreichte, lief Sasuke noch immer vor ihr.

„Warte mal!“, rief sie verärgert, als er schon die Treppe zu ihrem Stock hochlief. Sie beeilte sich ihn einzuholen, blieb aber abrupt stehen, als er einen Schlüssel hervorholte und in die Wohnungstür genau ihrer gegenüber steckte. „Ähm …“ Blinzelt starrte sie erst den Uchiha, dann das Namensschild an seiner Tür an. „Du wohnst hier?“

Sasuke nickte knapp, ehe er das Licht im Flur anschaltete und Sakura die Tür vor der Nase zuschmiss. Ein kleines Schmunzeln schlich sich auf sein Gesicht. Sie hatte wohl wirklich angst bekommen …

Und trotzdem ließ ihn ein Gedanke keine Ruhe. Als er ihr hinterher gegangen war, hatte er sich möglichst unauffällig verhalten. Sie aber hatte ihn von Anfang an bemerkt. Wieso?
 

„Du hast mit dieser Wohnung echt nicht den Hauptgewinn erzielt“, lachte Naruto, als er später zusammen mit Hinata bei Sasuke war. „Unsere ist viel hübscher. Das ist echt ein Loch!“

„So sind die Wohnungen hier nun mal“, meinte Hinata milde und sah auf den Monitorbildschirm. „Gut, die Kameras in Sakuras Wohnung funktionieren. Die Abhörgeräte auch. Wir können sie sowohl von hier als auch von uns die ganze Zeit überwachen, außer …“

„Außer?“, hakte Naruto gleich nach

„Im Badezimmer natürlich nicht!“, sagte Hinata streng. „Ich habe Kakashi die Kamera dort verboten.“

„Und wenn sie dort jemand überfällt?“

„Dann muss er vorher an zig Kameras vorbei“, knurrte Sasuke. „Spatzenhirn“, fügte er noch hinzu.

„Pah!“, machte Naruto eingeschnappt. „Und warum weihen wir sie eigentlich nicht ein? Wäre das nicht viel einfacher und sicherer als dieses Versteckspiel?“

„So einfach ist das nicht“, sagte Hinata, bevor Sasuke das Wort ergreifen konnte, das sicher nicht besonders galant ausgefallen wäre. „Sakura erinnert sich an nichts und sie mit der momentanen Gefahr zu konfrontieren wäre schon für jemanden mit Vergangenheit nicht leicht. Sie aber könnte sich die schrecklichsten Vorstellungen machen, warum die Akatsuki sie töten wollen. Als erstes müssen wir selbst den Grund herausfinden, ehe wir mit ihr sprechen können. Auf diese Weise wird es für sie leichter sein, es zu verstehen. Außerdem sollen die Akatsuki ebenfalls keinen Wind davon bekommen, dass wir Bescheid wissen. Sie würden herausfinden, dass wir Einblicke in ihre Dateien haben. In die Blacklist zum Beispiel. Wir würden niemanden mehr beschützen können, wenn es so käme.“

„Hmm“, machte der Blonde und ließ sich auf die kleine Couch fallen. „So ganz verstehe ich das nicht, aber naaaa gut“, schnaufte er aus. „Wenn es für Sakura sicherer ist. Was macht sie jetzt?“

„Sie scheint an den Hausaufgaben zu sitzen“, sagte Hinata. „Die solltest du auch lieber machen.“

„Ach, das hat Zeit. Ich würde jetzt lieber etwas essen gehen. Ich hab einen Bärenhunger!“

„Wir müssen sowieso noch einkaufen. Was ist mit dir Sasuke, sollen wir dir etwas mitbringen?“

Der Uchiha schüttelte den Kopf. „Ich gehe später selbst“, erklärte er knapp. „Wann werdet ihr zurück sein?“

„Wir übernehmen die Wache ab heute Abend um Acht. Übrigens wird Kakashi in den nächsten Tagen nach Tokio kommen und sich mit einem von uns treffen.“

Sasuke nickte. „Das machst du am Besten.“

„Wieso nicht ich?“, maulte Naruto.

„Weil sich Hinata merken kann, was er ihr erzählt!“, gab der Uchiha leichtfertig zurück. „Und nun verschwindet, damit ihr rechtzeitig wieder da seid.“
 

Ziemlich genervt saß Sakura an ihrem Geschichtsaufsatz und tippte dabei mit den Fingern auf dem Schreibtisch. Immer wieder schweiften ihre Gedanken von der eigentlichen Aufgabe ab und landeten bei keinem geringeren als dem neuem Schüler, der gleich zu Anfang mit ihr hatte Nachsitzen müssen. Sasuke Uchiha …

Lächelnd schüttelte sie den Kopf, als sie Inos begeisterte Worte hörte, wie toll er doch aussehe, und wie cool und schlau er doch sei. Sie war hellauf von ihm begeistert, genau wie der größte weibliche Teil ihrer Klasse.

Wenn man es genau nahm, sah er wirklich nicht schlecht aus, aber deswegen gleich auszuticken? Ein wenig übertrieben, wie Sakura fand. Und so cool er auch angeblich war, sein Charakter ließ zu wünschen übrig, und zwar ganz entschieden! Wie er ihr die Nase vor der Tür zugeworfen hatte! Eine Frechheit, wie sie es schon lange nicht mehr erlebt hatte! Er war arrogant, ohne Frage. Und ein Klugscheißer! Hatte er doch geglaubt, die Aufgabe richtig gelöst zu haben! Dass er hatte nachsitzen müssen, war ihm nur recht geschehen!

Allerdings verdankte sie ihm dadurch auch, dass sie nicht mit Kabuto hatte allein sein müssen. Eine gruselige Vorstellung! Dieser widerliche Kerl, der sich ständig an sie heran machen musste. Wenn sie könnte, hätte sie ihm längst den Hals umgedreht! Dass er sie damals abgefühlt hatte, würde sie ihm nie verzeihen! Freiwillig wäre sie niemals mit ihm …

Sakura schüttelte sich bei dem Gedanken und sah seufzend auf ihren Aufsatz. Sie hatte wahrlich keine Lust mehr, ihn heute noch zu beenden, aber was sollte sie sonst tun? Noch zum Turnen zu gehen viel aus, war es dafür auch längst zu spät. In einer halben Stunde würden Ino und die anderen Feierabend machen, sie würde also umsonst den weiten Weg fahren.

Das Mädchen sah zur Wanduhr. Es war kurz nach Sechs. Wenn sie sich beeilte, konnte sie noch ihren Einkauf erledigen, der eigentlich erst morgen anstand. Aber was erledigt war, war erledigt, nicht wahr?

Sakura nickte sich selbst zu, stand auf und schnappte sich ihre Tasche. Es war nicht viel was sie benötigte, zudem hatte sie für diesen Monat kaum noch Geld übrig. Es würde also schnell gehen …
 

Schlecht gelaunt warf sich Sasuke die Kapuze über, da es zu regnen begann. Seit einer Stunde folgte er Sakura nun schon durch eine lange Einkaufstraße, blieb mit reichlich Abstand hinter ihr und versuchte sie dabei nie aus den Augen zu verlieren. Warum hatte sie ausgerechnet während seiner Schicht einen Einkaufsdrang bekommen müssen? Und dann auch noch spät am Abend, kurz bevor die Läden schlossen. Morgen wäre doch auch noch Zeit gewesen!

Der Uchiha knurrte in sich hinein. Die Wolken verdunkelten sich im Sekundentakt, es regnete immer stärker und ein unangenehmer Wind kam auf. Wegen diesem dummen Mädchen würde er noch mit einer Erkältung im Bett liegen! Guckte sie keinen Wetterbericht?

Mit der Zeit wurde es leerer auf den Straßen und Sasukes Laune verfinsterte sich zunehmend. Er würde drei Kreuze machen, wenn er diesen Auftrag beenden konnte. Das war doch lächerlich! Warum sollten die Akatsuki hinter einer normalen Schülerin her sein? Sie mochte vielleicht schlau sein, aber was sonst hatte sie zu bieten außer einer leeren Vergangenheit? Lag dort der Schlüssel? Warum aber gab es in den Daten, die sie im geheimen von den Akatsuki bezogen, keine Informationen?

Sasuke schüttelte unmerklich den Kopf, derweil er darüber nachdachte. Es war sinnlos seine Zeit mit diesem gewöhnlichen Mädchen zu vergeuden. Genauso gut konnte er einen Hund bewachen! Vielleicht hatten sich seine Vorgesetzten auch einfach nur geirrt? Vielleicht waren die Daten fingiert oder fehlerhaft? Vielleicht gab es auch eine andere Sakura Haruno, die gemeint war …

Der Uchiha sah auf, doch gleichsam stieß er einen lautlosen Fluch aus. Sakura war verschwunden!

Sich umsehend beschleunigte er seinen Schritt, vernachlässigte die Deckung und versuchte das rosahaarige Mädchen zu erspähen. Vergebens …

Wie hatte sie ihm entwischen können? Er war höchstens einige Sekunden unaufmerksam gewesen, wie konnte sie so schnell verschwunden sein?

Fast eine Stunde lang rannte Sasuke durch die Läden, suchte die Einkaufstraße doppelt ab, doch fand er nirgends eine Spur. Er griff nach seinem Handy und wartete ungeduldig, dass Hinata abnahm. Kaum, dass sie sich meldete, erklärte er mit kurzen Worten, dass er Sakura verloren hatte, und glaubte sich verhört zu haben, als Hinata antwortete, dass sie längst zu Hause sei.

Wütend und verunsichert zugleich legte Sasuke auf. Ob Sakura ihn bemerkt hatte und deswegen heimlich abgehauen war? Doch wie hätte sie ihn bemerken können? Er war trainiert darin, unentdeckt zu bleiben!

Allerdings war er auch trainiert darin, Menschen zu beschatten und sie nicht zu verlieren. Sakura jedoch hatte er verloren. Er hatte einen Fehler gemacht. Ihr war zwar nichts passiert, aber genauso gut hätte sie auch tot sein können. Damit hätte er den Auftrag versaut. Er hätte versagt.

Noch einmal durfte ihm das nicht passieren …
 

Es war weit nach Mitternacht, als Sakura von einem undefinierbaren Laut geweckt wurde. Oder war es eher ein Gefühl?

Sie rappelte sich hoch und sah sich in ihrem Schlafzimmer um. Das Licht des Vollmondes strahlte durchs Fenster und nach einigen Sekunden konnte sie deutlicher sehen. Sie lauschte in die Dunkelheit, doch da sie nur die andauernde Stille vernahm, ließ sie sich gähnend zurück in die Kissen fallen. Vielleicht war sie auch ihres Traumes wegen wach geworden. Angenehm war er nicht gewesen. Kabuto war darin vorgekommen, und dieser Sasuke, von dem sie sich nach wie vor verfolgt fühlte. Sie konnte nicht einmal sagen warum, aber er war ihr unheimlich.

Eine ganze Weile warf sich Sakura hin und her, ehe sie genervt aufstand und in die Küche tapste. Es kam selten vor, dass sie sich so unruhig fühlte, zumindest in letzter Zeit. Früher war sie ständig nervös gewesen, hatte schon geglaubt ein Ding weg zu haben. Doch dieses Gefühl hatte sich gelegt, kaum dass sie auf die neue Schule gekommen war. Seitdem ging es bergauf mit ihr, auch wenn sie sich nach wie vor an nichts aus ihrer Vergangenheit erinnern konnte.

Und mittlerweile hatte sie aufgegeben, sich an irgendetwas erinnern zu wollen.

Sakura angelte eine Flasche aus ihrem Schrank und nahm einen kräftigen Schluck. Sie trank selten Alkohol, doch manchmal war ihr einfach danach. Sie schenkte sich ein Glas ein, ehe sie den Wodka zurückstellte, dann lief sie durchs Wohnzimmer und öffnete die Balkontür. Eine frische Briese kam ihr entgegen, die angenehm durch ihre kurzen Haare wehte, und so entschloss sie sich auf den ungeliebten Balkon zu gehen. So lang es dunkel war und sie die Tiefe unter sich nicht sehen musste, hielt sie es dort sogar eine Weile aus.

„So spät noch wach?“, fragte sie in die Dunkelheit. Sie hatte es irgendwie geahnt, dass Sasuke auf dem Balkon neben ihr saß. Die Wohnungen waren klein, und die Balkone kaum einen Meter voneinander entfernt.

Sasuke ließ sich seine Überraschung nicht anmerken und blickte weiterhin in den sternenklaren Himmel. Die Regenwolken hatten sich verzogen. Morgen würde es warm und angenehm werden.

„Hmm“, brummte er wortkarg.

Sakura lächelte leicht, dann zog sie sich einen Stuhl heran und setzte sich nah an die Hauswand. Soweit vom Geländer entfernt wie nur irgendwie möglich …

Etliche Minuten lang schwiegen beide vor sich hin und beobachteten die Sterne, die man selten so deutlich in Tokio sehen konnte. Ab und an nahm Sakura einen Schluck Wodka und vergaß fast, dass Sasuke nicht weit von ihr entfernt saß.

„Solltest du nicht langsam ins Bett?“, hörte sie ihn auf einmal fragen.

Ohne ihren Blick vom Himmel zu nehmen, schüttelte sie den Kopf. „Dafür hab ich noch genug Zeit. Jede Nacht. Aber so etwas“, sie deutete grinsend nach oben. „sieht man nicht oft.“

„Du meinst die Sterne?“ Sasuke zog die Braue hoch, und das Mädchen nickte.

„Tokio ist viel zu hell und beleuchtet. Voll mit Reklame, Werbung und Straßenlaternen.“ Sie seufzte und ihr Lächeln verschwand. „Ich glaube, irgendwann werden die Menschen hier vergessen haben, wie Sterne strahlen können. Dann gibt für sie nur noch die Lichter und den Mond. Und die Sterne sind Vergessen.“

Sasuke wandte seinen Kopf leicht nach links und sah zu Sakura. Etwas derart Tiefsinniges hatte er eigentlich nicht von ihr erwartet. Es war beinah, als hätte sie seine eigenen Gedanken ausgesprochen.

„Zieh doch aufs Land“, sagte er achselzuckend, bereute es im gleichen Moment aber schon. Sie war nicht Naruto, er hatte keinen Grund sie aufzuziehen.

„Irgendwann“, grinste Sakura jedoch, als hätte sie seinen Unterton nicht bemerkt. „Ja, irgendwann werde ich ans Meer ziehen“, meinte sie verträumt. „Weg von Tokio und den ganzen Menschen. Warst du schon mal am Meer? Ich meine außerhalb Tokios?“

Sasuke zuckte unmerklich zusammen. Warum fragte sie ihn das jetzt?

Doch schließlich nickte er langsam. „Ja, ein paar mal.“

„Dann beneide ich dich“, grinste Sakura, trank ihr Glas leer und stand auf. Mutig ging sie einen Schritt näher auf das Gelände zu. „Ich hasse es, hier oben zu wohnen, weißt du?“ Sie kicherte leise und griff nach dem Eisengitter, um sich festzuhalten. „Es ist viel zu hoch. Wenn ich einmal von hier wegziehe, dann dorthin, wo es keine Hochhäuser gibt.“

Nun musste sogar Sasuke etwas schmunzeln. Er wusste, was Sakura in ihrem Glas gehabt hatte, und schob ihre Lust zu reden auf den Wodka. Dennoch hatte es ihn nicht gestört. Er hatte das Gespräch mit ihr fast als angenehm empfunden.

Ein kratzendes Geräusch an der Mauer holte ihn aus den Gedanken, dann passierte alles rasend schnell. Er hatte zu dem Mädchen gesehen, die ihrerseits den Uchiha verwirrt angeblickt hatte, ehe auch sie begriff. Noch im gleichen Moment, wie sich die Halterung des Geländes löste, war Sasuke über den Balkon gesprungen und hatte sich Sakura gegriffen, die sonst ohne Zweifel mit in die Tiefe gestürzt wäre. Fast gleichzeitig hatte er sich mit ihr ins Wohnzimmer gedrückt, als sie das polternde Geräusch des aufkommenden Gerüsts im Vorgarten des Wohngebäudes hörten.

„Verdammt“, entfuhr es dem Uchiha, der schwer atmend mit Sakura in der Balkontür stand. „Alles okay?“, fragte er und sah zu ihr hinunter. Sakura nickte, doch wie versteinert starrte sie noch immer auf das fehlende Geländer. Sie war schneeweiß im Gesicht und schien kaum Luft zu holen. „Sicher?“, hakte er also nach, wobei er sie noch immer festhielt und langsam mit ihr zur Couch ging.

„Wie konnte …“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Wie …“ Sie schüttelte den Kopf.

Sasuke sah, wie sich die Tränen in ihren Augen sammelten. „Gott“, entfuhr es ihr schluchzend, als er sie auf die Couch setzte.

„Bleib hier!“ Sasuke hielt Sakura noch immer an den Schultern. „Du rührst dich nicht vom Fleck!.“

„Was?“ Die Rosahaarige sah verstört auf. „Wie meinst du das, ich …“

„Ich geh nachsehen, ob unten alles okay ist, klar? Du bleibst hier sitzen, und machst niemanden auf außer mir!“

„Aber …“

„Sakura, bleib hier sitzen! Ich bin gleich zurück!“

Als sie nickte, verließ er eilends die Wohnung, zückte sein Handy, auf dem schon einige Anrufe in Abwesenheit waren, und rief Hinata zurück.

„Was ist bei euch passiert?“, fragte sie sofort. Natürlich hatte sie es auf ihren Monitor gesehen. „Ist Sakura …“

„Sie ist in Ordnung“, sagte Sasuke rasch und sprach so leise wie möglich. Kurz und bündig erklärte er, was vorgefallen war. „Bleibt noch, wo ihr seid. Ich melde mich, falls ich Hilfe brauche. Alles andere wäre zu auffällig.“

„Gut“, meinte Hinata am anderen Ende. „Aber ruf in einer Stunde wieder an. Ansonsten kommen wir.“

Sasuke bejahte und legte auf. Er war in den Vorgarten gekommen und versuchte nun genug zu erkennen. Es schien niemand hier, weder einer der Feinde, noch Verletzte. Und trotzdem ließ ihn dieses bizarre Gefühl nicht in Ruhe, er wäre nicht allein.

Vorsichtig ging er zu dm Geländer und sah sich die Schrauben genauer an. Wie er es erwartet hatte, waren sie erst vor kurzen bearbeitet worden. Es war also kein Unfall gewesen, wie man es bei einem derart alten Gebäude glauben könnte.

Also hatte der Kampf begonnen. Die Akatsuki hatten die Jagd auf Sakura Haruno eröffnet …

„Sasuke?“ Sakuras Stimme riss den Schwarzhaarigen aus seinen Gedanken und kurz zuckte er zusammen, ehe er sich wütend zu ihr umdrehte.

„Du solltest doch warten!“, fauchte er sie an.

Sakura erschrak merklich. Warum war er so sauer? „Ich wollte … Es ist niemanden etwas passiert, oder?“

„Nein“, sagte Sasuke und versuchte etwas ruhiger zu werden. Sie wusste nicht, um was es ging, und er wollte ihr keine überflüssige Angst machen. „Es scheint nicht einmal jemand mitbekommen zu haben.“

„Hier sowieso nicht“, gab Sakura zurück. „Die Alte Frau unter uns ist fast taub und sonst wohnt ja keiner mehr in diesem Block.“

„Hmm.“ Sasuke sah wieder auf das Geländer.

„Ich hätte es wohl öfter kontrollieren müssen.“ Das Mädchen stellte sich neben ihn und folgte seinem Blick. „Aber ich geh so gut wie nie auf den Balkon. Nur Ino …“ Sakura biss sich auf die Lippen, als sie an ihre Freundin dachte.

„Was ist mit Ino?“, fragte Sasuke sofort.

„Sie mag den Balkon. Die Höhe stört sie nicht.“ Ein Zittern durchfuhr ihren Körper. „Sie ist ständig am Geländer, weil in der Wohnung nicht geraucht werden darf, und sieht auf die Straße. Wenn es bei ihr … Gott!“ Sakura wandte sich hastig ab und griff sich an den Kopf, als ihr klar wurde, dass es Ino auch längst hätte passieren können. Nur hätte Sakura sie vermutlich nicht rechtzeitig greifen können …

Sie wischte sich eiligst über die Augen, als sie die aufkommenden Tränen nicht verhindern konnte. „Danke“, sagte sie leise und drehte sich zu Sasuke. „Du hast wohl was gut bei mir. Wenn du nicht …“ Sie konnte den Satz nicht aussprechen, versuchte aber zu lächeln.

„Schon gut“, gab Sasuke zurück, als er plötzlich ein Knacksen in den Büschen hörte. Er verengte die Augen, griff im gleichen Moment aber schon Sakura und schob sie vor sich zurück ins Gebäude. „Lass uns hoch gehen“, sagte er schnell und drehte sich wachsam um. „Ich könnte jetzt einen Kaffee vertragen.“

Narben der Vergangenheit

„Das sie trotzdem zur Schule wollte …“ Naruto sah besorgt zu Sakura, die in der vordersten Reihe saß und sich mit ihrer besten Freundin unterhielt. „Sie hätte zu Hause bleiben sollen!“

„Wir können ihr nicht vorschreiben, was sie sich zu verhalten hat“, sagte Hinata leise und musterte das Mädchen. „Aber sie sieht okay aus. Sie scheint das Ganze leichter wegzustecken, als man es von ihr erwartet.“

„Sie sagte, sie sei nicht oft auf dem Balkon“, erklärte Sasuke, der zuvor aus dem Fenster gesehen hatte. Sie hatten gerade ihre zweite Stunde Japanisch hinter sich. „Ihre Freundin wäre dort viel öfter.“

„Ino Yamanaka?“ Hinata sah flüchtig zu der Blonden, die gerade herzhaft lachte. „Dann müssen wir noch vorsichtiger sein. Die Akatsuki scheinen vor niemanden halt zu machen. Sie wollen zum Ziel gelangen, und wer dabei stirbt, ist für sie nicht von Belang.“

Sasuke nickte. „Hat sich Kakashi gemeldet?“

„Er kommt am Freitag. Ich treffe mich abends mit ihm, am Tokio Tower.“

„Ey, und was ist mit der Party?“, fiel es Naruto plötzlich ein. „Die ist doch auch am Freitag!“

„Ihr könnt ohne mich gehen. Ich kann doch später nachkommen.“

Naruto zog eine Schnute. „Das ist ja doof.“

„Diese ganze Partysache ist doof!“, brummte Sasuke, verstummte aber, als er Sakura auf sich und seine Teammitglieder zukommen sah.

„Hey“, sagte das Mädchen.

„Hey!“, grinste Naruto gleich zurück. „Wie geht’s dir? Sasuke hat erzählt …“

„Gut“, sagte Sakura schnell. „Alles okay. Wie geht’s dir?“, fragte sie zurück und lächelte amüsiert, als Naruto ein ahnungsloses Gesicht machte.

„Äh, auch gut. Wieso?“

„Wir haben gleich Mathe“, schmunzelte Sakura. „Letztens schien es dir dabei nicht gut zugehen.“

Naruto blinzelte, dann sah er panisch zu Hinata. „Wir haben heute Mathe?“

Die Hyuuga nickte verwirrt. Sie hatte es ihm doch gestern Abend noch gesagt!

„Aber … Ich … aber …“, stotterte Naruto und sah sich hilfesuchend um. „Schon wieder? Wir hatten doch erst gestern …“

Sakura kicherte. „Ist nur eine Stunde und der alte Namakuya wird bestimmt den Test mit uns auswerten. Da musst du dir keine Sorgen machen. Hinata wird sicherlich eine gute Note haben …“, meinte sie vielsagend.

Sasuke, der nach wie vor aus dem Fenster blickte, schmunzelte unbemerkt. Hatte sie also doch gewusst, dass Naruto abgeschrieben hatte.

„Aber eigentlich wollte ich euch fragen, ob ihr heute Nachmittag mit zum Schwimmbad kommen wollt“, meinte Sakura nun.

Narutos Miene hellte sich schlagartig auf. „Schwimmen?“

Die Rosahaarige nickte. „Ins Kosamuri. Habt ihr Lust?“

„Na klaaar!“, rief der Blonde freudig aus. „Und wie! Wann geht’s los?“

„Um drei. Findet ihr hin oder wollen wir uns irgendwo treffen?“

„Wir finden …“, setzte Naruto an, doch Hinata stieß ihm schon in die Rippen. „Wir können uns ja bei Sasuke und dir treffen und zusammen gehen.“

„Alles klar“, grinste Sakura. „Dann freu ich mich auf nachher.“

Dann kehrte sie zu ihrem Platz zurück, wo Ino sogleich flüsternd auf sie einredete.

„Sie ist uns gegenüber jetzt viel aufgeschlossener“, sagte Hinata erleichtert. „Sie scheint dir wirklich sehr dankbar zu sein, Sasuke.“

Der Uchiha zuckte bloß mit den Achseln.

„Und sie ist die erste, die mit uns so richtig geredet hat, bis auf diese Mikoto“, stellte Hinata fest. „Die meisten machen um uns einen Bogen.“

„Der Bogen um Sasuke ist aber recht klein“, grinste Naruto, worauf er einen bitterbösen Blick erhielt.

„Der der weiblichen Schüler, ja. Aber trotzdem … man scheint hier nicht besonders gut auf Neulinge zu sprechen zu sein. Ino Yamanaka wirkte auch nicht angetan davon, dass Sakura uns eingeladen hat.“

„Alle Streber-Schüler sind komisch“, meinte Naruto altklug. „Guck dir Sasuke an. Der war auch mal ein Streber. Der hat das noch voll intus und deswegen wird er auch besser aufgenommen …“

„So stimmt das nicht“, sagte Hinata, ehe Sasuke auf ihren Freund einprügeln konnte. „Die Blicke, die er von den Schülern erhält, sind ziemlich feindlich. Er stellt für sie eine Konkurrenz dar. Darin sind sich die Schulen alle ähnlich.“

„Vielleicht wird ihn eine Streber-Gang ja schnappen und mal so richtig verdreschen!“ Naruto lachte belustigt, doch als Sasuke aufstand, verstummte er. „War nicht so gemeint“, sagte er schnell und versteckte sich hinter Hinata.

„Hn“, kam es nur, dann ging Sasuke zu seinem eigenen Platz zurück. Keine fünf Sekunden später klingelte es zum Pausenende …
 

Viertel vor Drei saß Sakura auf der Treppe zum Wohngebäude und sah gedankenlos auf die Straße. Sie war schon seit geraumer Zeit mit ihren Hausaufgaben fertig, und da sie ihren Einkauf gestern schon erledigt hatte, hatte sie nichts weiter zu tun.

„Naruto ist nie pünktlich“, hörte sie Sasuke sagen, der nun ebenfalls auftauchte und sich in den Schatten des Eingangs stellte. Die Sonne brannte unaufhörlich. Zum Schwimmbad zu gehen war keine schlechte Idee gewesen, auch wenn sie es nur dienstlich taten.

„Hinata ist das ganze Gegenteil, oder?“, fragte Sakura ohne ihren Blick von der Straße zu nehmen. „Aber sie sind zusammen, nicht?“

„Ja, das sind sie.“

„Sie passen gut zusammen.“

„Hinata ist ein Genie, Naruto ein Trottel. Sie ergänzen sich wohl …“

„Sie haben beide ein gutes Herz“, lächelte Sakura.

„So kann man es auch sehen“, gab Sasuke widerwillig zu. „Deine Freundin wollte nicht, dass wir mitkommen, stimmts?“

Sakura zuckte mit den Schultern. „Die kriegt sich schon ein. Sie ist ein wenig stur, wenn es um Neue geht. Wir haben selten Neue an der Schule. Viele gehen, aber wenige kommen. Und ihr kamt gleich zu dritt.“

„Die anderen mögen uns auch nicht.“

„Das hat weniger mit Mögen zu tun, glaub ich. Sie haben nur keinen Grund euch leiden zu können. Das legt sich mit der Zeit, wenn sie euch besser kennen.“

„Warum wolltest du, dass wir mitkommen?“, fragte Sasuke direkt.

Sakura grinste, dann stand sie auf und nahm sich ihre Badetasche. „Um euch besser kennen zu lernen.“

„Soooorryyyyy!“

Sasuke sah auf, als er Narutos quakende Stimme rufen hörte. „Kommt ihr auch mal?“

„Entschuldigt, wir haben uns ein wenig in der Zeit vertan“, sagte der Blonde atemlos.

Hinata, die gleich hinter ihm kam, runzelte die Stirn. Wir?

„Na dann, los geht’s!“
 

Das Kosamuri-Schwimmbad lag etwas abgelegen in einem der vielen Vororte Tokios und war nicht so überfüllt, wie die in der Stadt selbst. Zusammen mit Sakura kauften Naruto und die anderen ihre Karten und suchten sich einen schattigen Platz auf der breit angelegten Wiese.

„Aus welcher Gegend kommt ihr eigentlich?“, fragte Sakura, als sie sich das T-Shirt auszog und auf ihre Decke legte. Sie schob ihre Sonnenbrille ins Gesicht, als ihr Handy piepste und sie mürrisch danach kramen musste.

„Osaka“, antwortete Naruto derweil. „Und du hast schon immer in Tokio gelebt?“

Sakura las eilig ihre Sms, klappte knurrig das Handy zu und nickte knapp. „So in etwa. Ino kommt nicht. Sie sagt, sie sei krank. So eine Pute, als würde ich ihr das abkaufen!“

„Wegen uns, oder?“ Hinata klang deprimiert. „Vielleicht hätten wir doch nicht mitkommen sollen.“

„Ach was. Wenn sie sich wie ein kleines Kind aufführen will, ist das ihr Problem. Soll sie halt in ihrem Zimmer verdunsten!“

Naruto kicherte bei Sakuras Worten, als er schon seine Klamotten zu Boden schmiss und ruhelos zum Wasserbecken blickte. „Gehen wir gleich?“, fragte er seine Freundin.

„Später, Naruto“, antwortete Hinata, die noch in voller Bekleidung auf ihrem Handtuch saß. „Du kannst aber ruhig vorgehen, wenn du möchtest. Ich lass mir lieber etwas Zeit.“

„Mano“, murrte Naruto und sah zu Sasuke, der nur den Kopf schüttelte. „Und du?“, wandte er sich an Sakura, doch erwartete er die gleiche abfuhr.

„Na sicher“, lachte die Rosahaarige. „Wir sind ja zum Baden da.“ Schnell zog sie sich ihre Hose aus und schmiss ihre Klamotten achtlos neben Narutos. „Wer zuletzt im Wasser ist, ist eine Loser-Null!“, grinste sie und spurtete schon los.

„Waaasss?“ Naruto wetzte hinterher und überrannte dabei fast eine alte Frau am Krückstock, die ihm damit noch eine über hauen wollte, als er versuchte sich zu entschuldigen.

Hinata kicherte vor sich her, als sie ihren Freund und Sakura ins Wasser sprangen sah. „Wie die Kinder.“ Sie schüttelte amüsiert den Kopf.

Auch Sasuke schmunzelte flüchtig. „Da haben sich zwei Hitzköpfe gefunden.“

„Das stimmt. Sakura scheint wirklich genauso kindisch zu sein wie Naruto.“

Eine Weile herrschte zwischen den beiden eine einvernehmbare Stille. Sasuke hatte sich mittlerweile auch bis zur Badehose entkleidet, doch Hinata ließ nach wie vor ihre Sachen an.

„Sie wird es sowieso sehen“, sagte der Uchiha irgendwann. „Es zu verstecken bringt nichts.“

„Was soll ich ihr sagen?“, fragte Hinata traurig. „Sie wird wissen wollen, wie ich zu so einer Narbe gekommen bin. Die Wahrheit kann ich schlecht erzählen.“

„Sag einfach, es ist in deiner Kindheit passiert und du erinnerst dich nicht weiter daran. Sie wird nicht rumbohren.“

Hinata seufzte, dann zog sie sich aber doch langsam ihr Shirt aus. Darunter trug sie einen Badeanzug, der den Rücken weitestgehend verdeckte. Und trotzdem konnte man die lange Brandnarbe sehen. „Geh ruhig schon vor“, meinte sie dann. „Ich komme auch gleich nach.“

Sasuke nickte, als er plötzlich eine volle Ladung Wasser abbekam. „NARUTO!“, entfuhr es ihm wütend. Er drehte sich um, bereit den frechen Kerl zu erwürgen, als er ungläubig einer kichernden Sakura ins Gesicht sah.

„Das hat gesessen, Sakura!“, hörte man Naruto vom Wasserbecken aus rufen. „Du hast wirklich das Zeug zu einem echten Sasuke-Nerver! Du hast deine Aufnahmeprüfung bestanden!“

Sakura drehte sich zu Naruto um und streckte ihm den Daumen entgegen. „Das war echt einfach!“, lachte sie, doch schrie sie fast im selben Moment auf, wie sie plötzlich zwei Arme packten und hochhoben. „Hey!“ Kreischend und lachend zugleich versuchte sie sich aus Sasukes Armen zu befreien, doch dieser zeigte kein Erbarmen. Mit einem fiesen Grinsen ging er gemächlich zum Wasser, ehe er sie im hohen Bogen hinein schmiss.

Hinata lachte, derweil sie das ganze aus sicherer Entfernung beobachtete. Sakura war wirklich genau wie Naruto, und nun ließ sie sich auch noch von ihm anstiften! Die ‚Sasuke-Nerver’ war ein passender Name für die beiden.

Lächelnd erhob sie sich. Jetzt musste sie wohl dem ‚armen’ Sasuke helfen, der kaum, dass er im Wasser war, von zwei wildgewordenen Kindern unter Wasser gedrückt wurde.

Obwohl es am Ende doch Sakura und Naruto waren, die sich hustend ans Land retteten …
 

„Das war sooo klasse“, feixte Naruto und hielt sich den Bauch. Er saß zusammen mit den anderen auf der Wiese, eingewickelt ins Handtuch, und am mitgebrachten Kuchen nagend. „Sasuke hatte nichts mehr zu lachen! Endlich wurde seine Schreckensherrschaft gestürzt!“

Sakura grinste breit, währenddessen der Besagte nur die Braue hochziehen konnte. Eigentlich war es doch Naruto gewesen, der die meiste Zeit unter Wasser verbracht hatte. Und Sakuras Tauchgänge waren ebenfalls ordentlich gewesen.

Und was hieß eigentlich Schreckensherrschaft?

Sakuras Handy klingelte und unterbrach Naruto in seiner Machtübernahme.

„Entschuldigt mich kurz“, sagte das Mädchen, als sie aufs Display sah und sich erhob. Naruto nickte nur und schon war er wieder bei seinen Erzählungen über den Dingen, die Sasuke noch alle wiederbekommen würde.

Dieser jedoch beobachtete Sakura, wie sie sich immer weiter entfernte und deren Züge scheinbar ernster wurden. Seine Augen ruhten gleichfalls auf der Umgebung. Feinde konnten überall auftauchen und die Akatsuki machten vor niemanden halt. Er musste wachsam bleiben. Er durfte sich keinen weiteren Fehler erlauben. Erst als Sakura auflegte und wiederkam entspannte er sich etwas.

„Ino ist echt krank“, sagte sie schnaufend. „Hat sich den Magen verdorben.“ Sie setzte sich zu Hinata und packte ihr Handy weg. „So eine dumme Nuss, die stopft auch alles in sich rein! Jetzt ist sie eine ganze Woche krankgeschrieben. Bei ihren Noten kann das noch fatal enden!“

„Seid ihr schon lange befreundet?“, fragte Hinata und sah Sakura dabei neugierig an. Eigentlich kannte sie die Antwort, aber sie mussten Informationen sammeln, wo und wie es nur ging.

Sakura schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht. Seit zwei Jahren in etwa, also seid ich auf diese Schule gehe.“

„Dann habt ihr euch dort kennen gelernt?“

„An sich ja.“ Sakura seufzte und ließ sich nach hinten auf den Rasen fallen. Ihr Blick fiel auf Hinatas Rücken. „Oh, was hast du denn da gemacht?“, fragte sie, kaum dass sie die Narbe sah.

Hinata zuckte leicht zusammen. In der ganzen Zeit hatte sie daran gar nicht mehr denken müssen. „Ähm … ich …“, sagte sie zögernd und um Worten ringend. „Weiß ich gar nicht mehr, die ist schon alt. Da war ich noch sehr klein, weißt du?“

Sakura richtete sich wieder auf und nickte. „Wolltest du deswegen erst nicht ins Wasser?“, erriet sie.

Hinata nickte verlegen. „Schon. Man kann sie ja ziemlich sehen. Und sie ist ganz schön groß.“

„Verbrannt, nicht?“, Sakura lächelte Hinata aufmunternd an. „Aber schau dir meine an, dagegen ist deine echt klein!“ Sie grinste, zog ihren Badeanzug etwas zur Seite und zeigte der Hyuuga ihre rechte Seite. Eine lange schmale Narbe zog sich von der Hüfte aufwärts. „Die ist oll, dass sag ich dir. Und so was geht nicht weg, obwohl es etliche Cremes und so ein Quatsch geben soll.“

„Woher hast du die?“ Es war Naruto, der regelrecht erschrocken auf Sakuras Seite blickte, ehe sie sich das Handtuch rumwickelte.

„Kann ich dir auch nicht sagen“, lächelte sie verschmitzt. „Ich hatte mal einen Unfall. Und an alles, was davor passiert ist, kann ich mich nicht mehr erinnern. Die Ärzte sagen, es wäre nur vorübergehen.“ Sakura schüttelte den Kopf und nahm sich ein Stück Kuchen. „Aber das erzählen sie mir schon seit zwei Jahren.“

„Dann erinnerst du dich an nichts, was vor zwei Jahren passiert ist? Also vor dem Unfall? Was war das für ein Unfall?“ Naruto klang so, als hörte er jetzt zum ersten Mal davon, und Sasuke glaubte fast, dass Narutos Hirn wirklich ein Sieb war.

Und so erzählte ihnen Sakura, was vor zwei Jahren passiert war, von dem Autounfall und dass sie weder Familie noch Bekannte gehabt hatte, dafür aber Ino, die schließlich zu ihrer besten Freundin wurde.

„Hast du die Narbe von dem Unfall?“ Es war Sasuke, der das unerwartet wissen wollte.

Sakura schüttelte den Kopf. „Die Ärzte sagten, die war schon vorher da. Noch aus der Kindheit. Sie haben aber keine Ahnung, woher ich sie haben könnte.“

Mehr wollte Sasuke nicht wissen, doch scheinbar war er in eine andere Welt abgedriftet, denn nun starrte er gedankenverloren zum Wasser.

„Das ist doch voll schlimm, oder? Wenn man sich an nichts erinnern kann, mein ich.“ Naruto machte ein trauriges Gesicht.

„Ach iwo“, lächelte das Mädchen nur.

„Macht es dich nicht verrückt, so gar nichts über dich und deine Vergangenheit zu wissen?“

Sakura überlegte kurz, und für einen Moment sah man den trüben Blick in ihren Augen, ehe sie Naruto schon wieder angrinste. „Wieso denn? Es gab doch niemanden, der sich an mich erinnern konnte. Niemand hat sich damals gemeldet. Also hab ich mit meiner Vergangenheit auch nichts verloren, oder?“ Sakura seufzte leicht. „Ich habe niemanden verloren“, verbesserte sie sich. „Dafür habe ich Freunde in der Gegenwart. Ich habe Ino. Und jetzt habe ich ja auch den Sasuke-Nerver-Club …“

Wie im Fernsehen

Die nächsten Tage verliefen recht ereignislos. Da Ino die Woche über krank war, hielt sich Sakura oft bei Naruto und den anderen auf. In der großen Pause saßen sie entweder zusammen in der Cafeteria oder draußen auf dem Rasen. Sakura und Naruto heckten zusammen einen Streich nach dem nächsten aus, und obwohl es meistens gegen Sasuke ging, waren sie selbst letztlich immer die Leidtragenden der Geschichte.

„Gehst du morgen Abend eigentlich zu dieser Party?“, fragte Naruto, als er zusammen mit Sakura, Hinata und Sasuke nach Hause ging.

Sakura nickte leicht. „Du meinst bei Mikoto? Ich wollte vorbei schauen. Aber da Ino nicht mitkann, wollte ich erst gar nicht. Geht ihr denn?“

„Wir haben überlegt, ja“, sagte Hinata. „Naruto möchte ja unbedingt, und Mikoto sagte uns, es wäre eine gute Gelegenheit, die anderen Schüler etwas besser kennen zulernen.“

„Hört nicht auf das, was diese Kuh sagt“, meinte Sakura unerwartet heftig. „Sie ist ein Lügenmaul, wie es im Buche steht. Der würde ich so ziemlich jede Gemeinheit zutrauen.“ Sie nickte eifrig. „Aber es werden wirklich viele Leute da sein, in dem Punkt hat sie Recht. Es wäre keine schlechte Gelegenheit. Trotzdem würde ich mich von ihr fernhalten. Kurz Hallo sagen und Land gewinnen, so lange es noch geht. Wenn sie ihre Fäden um einen spinnt, ist es meistens zu spät, jawohl!“

„Du magst sie wohl nicht besonders?“, fragte Hinata in ihrer ruhigen Art.

„Nicht besonders ist gar kein Ausdruck! Sie hat mit Ino ne echt miese Nummer durchgezogen. Hat ihr den Freund ausgespannt und sie dabei total bloß gestellt. Du solltest Naruto hüten wie dein Augapfel!“

Hinata lächelte leicht. „Ich glaube, sie hat es eher auf Sasuke abgesehen.“

„Achso.“ Sakura winkte ab. „Dann ist ja gut.“

Nun war es Sasuke, der die Stirn in Falte legte. Das klang beinah so, als wäre er zum Abschuss freigegeben worden!

„Nun guck nicht so“, grinste Sakura, die seinen Blick sehen konnte. „Ich mein ja nur, dass wir uns wegen dir keine Sorgen machen müssen.“

Sasukes Stirn bekam noch einige Falten mehr, und sogar Hinata musste schon kichern. Im Erklären war Sakura nicht immer die Beste.

„Ich meine, weil du dich ja wehren kannst …“

Nun war es Naruto, der seinen Mund zu einer schmalen Linie verzog, und Sakura beleidigt ansah.

„Also nicht, dass du dich nicht wehren könntest“, sagte Sakura schnell. „Man, ihr wisst doch, wie ich es meine!“

„Nein, nicht wirklich“, sagte die beiden wie aus einem Mund und sahen Sakura nach wie vor pikiert an. Der Eine also war eine schlappe Nudel und der andere Vogelfrei, oder wie?

„Sakura meinte, dass Sasuke nur gucken braucht und Mikoto dadurch vermutlich schon weinend davonläuft“, versuchte es nun Hinata, doch auch sie traf nicht so ganz ins Schwarze.

Sasukes Stirn kräuselte sich zunehmends. Das hörte sich an, als wäre sein Gesicht so grausam, dass Frauen reihenweise wegliefen, wenn sie ihn nur ansahen!

„Sie meint deinen Blick“, korrigierte Sakura schnell.

„Aber nur deinen bösen, natürlich“, fügte Hinata noch hinzu, ehe alles zu spät war.

„Der ja recht häufig zusehen ist“, konnte sich Sakura nicht verkneifen.

„Öfter als häufig“, setzte Hinata noch eins drauf.

„Und …“

„Ich habs verstanden!“, knurrte Sasuke, ehe Sakura noch etwas sagen konnte und grinsend hielt sie in ihrem Satz inne.

„Es ist gut, wenn alle Klarheiten beseitigt sind.“ Kichernd lief sie weiter und hakte sich bei Hinata ein.

„Du solltest einen Mitgliedsbeitrag für deinen Club nehmen“, brummte Sasuke, der mit Naruto den Mädchen hinterherlaufen musste.

„Die haben mich doch längst rausgeworfen“, jammerte der Blonde nur. „Immerhin bin ich doch der, der sich gegen Mädchen nicht wehren kann …“
 

Als sich Sakura von Naruto und Hinata verabschiedete, setzte sie ihren Weg zusammen mit Sasuke fort. Sie hatten noch ein paar Straßen vor sich und sich Luft zuwedelt lief Sakura eiligen Schrittes voran.

„Wenn ich das Geld dafür hab, dann werde ich einen Führerschein machen und mir ein Auto mit Klimaanlage holen, das steht schon mal fest!“

Sasuke ließ sich zu einem kleinen Grinsen herab, sagte aber nichts.

„Kannst du denn fahren?“, fragte sie ihn und wartete, bis er auf gleicher Höhe war.

„Ich bin noch nicht 18“, gab er zurück.

„Ich frag ja auch nicht, ob du darfst, sondern ob du kannst.“

„Vielleicht.“ Sasuke grinste etwas mehr, da sich Sakura über seine vielleicht’s desöfteren aufregte.

„Das ist keine Antwort!“, sagte sie dann immer, sowie jetzt auch. „Nun sag schon. Bist du schon einmal gefahren?“

Sasuke seufzte genervt. „Ein-zwei mal, ja.“

„Aber du weißt, dass man das erst mit 18 darf!?“, tat sie entrüstet. Punkt für den Club …

„Tzz“, gab Sasuke bloß von sich. Manchmal wusste er wirklich keine Antwort auf Sakuras Worte.

Sie erreichten den Altbau und stiegen die Stufen in den fünften Stock hinauf. Obwohl für Tokio untypisch, gab es hier noch keine Klimaanlagen, und pustend erreichte Sakura ihre Wohnungstür.

„Wir haben heut ganz schön viele Aufgaben aufbekommen“, sagte sie, derweil sie nach ihrem Schlüssel kramte. Sie holte ihn raus und schloss auf, hielt aber abrupt inne. „Komisch.“

„Was ist?“, fragte Sasuke und war sofort neben ihr. „Ws meinst du?“

„Ich musste den Schlüssel zweimal umdrehen.“

Fragend sah der Schwarzhaarige sie an.

„Ich schließ zweieinhalb Mal rum. Das hab ich mir angewöhnt. Man weiß nie, wenn einer einbricht und einen drinnen erwartet, verstehst du? Hier in dieser Gegend kam das schon vor!“

„Und du meinst, es waren nur zwei Umdrehungen?“

Sakura grinste. „Doof, was? Manchmal glaub ich echt, ich bin früher paranoid gewesen.“ Sie schüttelte belustigt den Kopf, doch als sie nach ihrer Tür greifen wollte, wurde sie von Sasuke festgehalten.

„Lass mich vor gehen“, sagte er angespannt und schob sich schon vor das Mädchen.

„Das ist affig, ich hab mich sicher verzählt.“

„Wie lange schließt du so ab?“, fragte er leise und sah sie dabei ernst an.

„Ähm, ich wechsle meinen Rhythmus alle vier Tage. Und das seit ich diese Wohnung hab. Aber halt mich nicht für verrückt, ich hab das irgendwo mal aufgeschnappt, dass man das so machen soll. Im Fernsehen laufen öfter solche Sendungen.“

„Wie oft hast du dich bisher verzählt?“ Sasuke schien Sakura alles andere als für verrückt zu halten.

„Noch nie. Aber es gibt immer ein erstes Mal.“

„Warte hier“, sagte Sasuke und ließ Sakura im Flur stehen, währenddessen er vorsichtig weiterging. Alles sah unberührt aus, zumindest war nichts durcheinander geräumt worden. Er spähte in die anderen Zimmer und lauschte angestrengt, doch es hielt sich niemand weiter in der Wohnung auf. Ob sich das Mädchen doch einfach nur verzählt hatte?

„Und, hast du den Einbrecher geschnappt?“, fragte Sakura, da es ihr recht unheimlich im Flur geworden war.

„Keiner da.“ Sasuke grinste leicht, doch mehr vor Erleichterung.

„Hab ich doch gesagt! Und gewühlt hat auch niemand, alles steht noch an seinem Platz.“ Sakura sah sich um und nickte. Sie ging zum Balkon, der schon wieder ein neues Geländer hatte und sah durchs Fenster. Hinaus würde sie in nächster Zeit nicht mehr gehen, auch wenn der Hausmeister ihr versichert hatte, dass so etwas nie wieder passieren würde.

Sasuke ging noch einmal zurück zur Wohnungstür, um sich diese genauer anzusehen, als er jedoch Sakura rufen hörte.

„Was ist?“, fragte er, da sie noch immer am Fenster stand, sich aber nicht rührte.

„Ich …“ Das Mädchen erzitterte leicht, trotz der hohen Temperatur. „Hältst du mich für verrückt?“

„Nein, wieso?“ Sasuke ging zu ihr und folgte ihrem Blick, wusste aber nicht, auf was sie hinaus wollte.

„Siehst du das nicht?“, fragte sie und griff an die Fensterscheibe.

„Was meinst du, Sakura?“

„Vielleicht bilde ich mir das nur ein“, meinte sie zögernd, doch ihre Stimme vibrierte fast. „Aber der Handabdruck ist nicht von mir, und die Fenster habe ich noch heute Morgen geputzt …“

Sasuke verstand, und dann sah er auch die schwachen Umrisse der Fingerkuppen, die ans Fenster gefasst haben mussten. Sie waren undeutlich, und hätte Sakura es nicht erwähnt, währen sie ihm niemals aufgefallen.

„Was ist mit dem Hausmeister?“, wollte er wissen. „Kann er noch mal wegen dem Geländer gekommen sein?“ Seine Hand griff nach der Balkontür, doch es war Sakuras, die sie fest hielt.

„Lass sie bitte zu“, sagte sie wie erstarrt.

„Ich will nur gucken, Sakura. Ich geh nicht an das Gerüst“, meinte er ruhig, da sie äußerst verschreckt wirkte.

„Nein, mach sie erst gar nicht auf.“

„Ich muss nachsehen. Es geht ganz schnell.“

Sakura schluckte, nahm aber ihre zittrige Hand fort und hielt die Luft an. Sasuke lächelte ermutigend, griff nach der Klinke und kaum, dass er sie einen Spaltbreit aufzog, hörte er schon Sakuras Schrei und spürte gleichfalls, wie sie ihn von der Tür riss.

Einige Sekunden vergingen, in denen Sasuke fast eine Explosion erwartete, doch nichts dergleichen geschah. Ziemlich unsanft war er auf den Boden gerissen worden, von dem er sich nun erhob. „Hast du Angst gehabt, da geht jetzt eine Bombe hoch?“, fragte er Sakura, die scheinbar ebenfalls beruhigt ausatmete. Verlegen begann sie zu grinsen.

„Tut mir leid. Im Fernsehen war das immer so.“

Sasuke runzelte die Stirn. „Du solltest weniger Horrorfilme gucken.“

„Ich glaub, ich mach Tee. Du auch?“, fragte sie und schien einfach nur erleichtert zu sein. Sasuke nickte knapp, doch kaum, dass Sakura das Wohnzimmer verlassen hatte, ging er erneut zur Balkontür. Er öffnete sie, doch anstatt sich das Gerüst anzusehen, sah er auf die Hauswand zu seiner Linken. Dort war ein unmerkliches Loch, und mit seinem Taschenmesser holte er die kleine Kugel heraus, die dort vor kaum einer Minute hineingeschossen worden war.

Ob Sakura nur unbewusst ihrer Angst wegen gehandelt hatte, aus Reflex oder wieso auch immer …

So eben hatte sie ihm das Leben gerettet.

Paranoid

„Er ist in einer Stunde da“, sagte Hinata, kaum das sie das Handy zugeklappt hatte. „Dann entscheiden wir, ob wir sie einweihen und eventuell sogar von hier wegbringen.“

„Die finden sie doch überall“, meinte Naruto, der den Monitor keine Sekunde aus den Augen ließ. Sie hatten Sakuras Überwachung verstärkt.

„Das werden wir sehen. Wir müssen alles versuchen.“

„Wir sollten alle zu dem Treffen mit Kakashi gehen“, sagte Sasuke nun, der angespannter war als zuvor. „Hat er gesagt, ob es etwas Neues gibt?“

„Nichts neues“, antwortete Hinata bedrückt. „Dann müssten wir sie mitnehmen.“

„Das meinte ich damit. Ihre Wohnung ist mit der gefährlichste Ort.“

„Wenn sie draußen auf der Straße herumläuft, kann sie jeder Scharfschütze erschießen!“, erwiderte Naruto. „Das ist wohl kaum besser!“

„Dort erwartet man sie aber weniger als hier!“ Sasuke sah knurrig zum Bildschirm. „Das war schon der zweite Versuch. Wir müssen schnellstens etwas herausfinden, andernfalls …“

„Sag so was nicht!“, rief Naruto aufgebracht. „Wag es nicht, so etwas auch nur zu denken!“

„Naruto, beruhig dich.“ Hinata legte ihrem Freund eine Hand auf die Schulter. „Ihr wird nichts passieren. Und sobald Kakashi da ist, werden wir eine Entscheidung treffen.“

„Sie geht“, bemerkte Sasuke plötzlich, als er sah, wie Sakura sich ihre Tasche nahm und dabei eine Sms las. „Verdammt, wo will sie jetzt hin?“ Er stand auf und griff selbst nach seiner Tasche. „Trefft ihr euch mit Kakashi, ich bring sie nach …“, rief er und verschwand schon zur Tür.
 

„Blöde Kuh“, murmelte Sakura, als sie ihre Wohnung verließ und sich auf den Weg zu Ino machte. Sie tippte eine Sms und schickte sie ihrer besten Freundin. Vorher hatte Ino ihr geschrieben, dass sie auch nächste Woche noch zu Hause bleiben musste, Sakura ihr aber die Hausaufgaben und Notizen der Stunden nicht bringen brauchte, da sie dafür sowieso keinen Nerv hatte. Es hatte sie ganz schön nieder gerafft und den Stoff konnte sie genauso gut in den Ferien nachholen.

„Als wenn sie das machen würde“, grummelte die Rosahaarige, die Ino nur zu gut kannte. Vermutlich ging es ihr nur halb so schlecht wie sie tat und hatte bloß keine Lust auf die vielen Tests, die in der nächsten Woche noch kommen würden. Danach hatten sie zwei Wochen Ferien und Ino hätte einen ganzen Monat Ruhe gehabt.

Sakura bog in die nächste Straße ein, und wieder beschlich sie das Gefühl, dass sie in letzter Zeit öfter hatte. Jemand verfolgte sie …

Doch war das nicht Unsinn? Wer sollte sie verfolgen, und warum? Den Kopf schüttelnd holte Sakura ihre kleine Kosmetiktasche heraus und fingerte nach ihrem Handspiegel. Sie hatte es ziemlich eilig gehabt zu Ino zu kommen um ihr die Leviten zu lesen. Vermutlich sah sie aus wie kurz nach dem Aufstehen. Noch im Gehen strich sie sich ihre Haare zurecht und rückte den Spiegel so, dass sie hinter sich sehen konnte. Wie albern, dachte sie nur, als sie niemanden sah, der wie ein Verfolger wirkte. Zwei junge Frauen mit ihren Kindern und ein alter Mann mit grauen Haaren und Krückstock. Keiner von ihnen machte den Anschein, als würde er jeden Moment auf sie loshechten wollen.

Sakura seufzte und wollte schon ihren Spiegel wegstecken, als sie ihn noch einmal hob. Sie versuchte etwas mehr von dem Mann zu erkennen, der Recht schnell für sein Alter war. Auch wie er den Stock aufsetzte, irritierte sie. Hielt er ihn nicht falsch? Er humpelte doch mit dem anderen Bein …

Sakura senkte ihre Hand, ließ den Spiegel aber in ihrer Faust verschwinden und beschleunigte ihren Schritt. Ob sie nicht doch einmal zum Arzt sollte? Vielleicht war sie früher tatsächlich paranoid gewesen. Manchmal ärgerte sie sich wirklich darüber, nichts von ihrer Vergangenheit zu wissen. Noch einmal sah sie in den Spiegel. Der Alte war noch immer hinter ihr, und zudem hinkte nun sein anderes Bein.

Paranoid oder nicht, nun bekam Sakura doch Angst. Aber was sollte sie tun? Sie konnte nicht aus heiterem Himmel um Hilfe schreien, man würde sie ja für verrückt erklären! Und wenn sie zu rennen anfangen würde, dann würde der Alte Wind davon bekommen und vielleicht eher handeln. Was auch immer er überhaupt von ihr wollte, am Sichersten war es, wenn er glaubte, sie wüsste nichts von ihm. Sie schluckte ihren Kloß hinunter, dann ging sie etwas langsamer und wechselte die Straßenseite, als hätte sie das von Anfang an vorgehabt. Sie konnte ja so tun, als wäre sie am telefonieren? Das würde sicher lässig wirken, oder? Und warum rief sie nicht wirklich jemanden an? Gar die Polizei?

Mit zittriger Hand ging Sakura ihr Telefonbuch durch. Ino hatte sie vorhin schon weggedrückt, und was sollte sie ihr auch sagen? Was sollte sie überhaupt irgendjemanden sagen? Dass sie ein alter Greis mit Krücke verfolgte? Das klang ja nun richtig absurd!

Sakura stockte, als sie bei Sasukes Nummer ankam. Er hatte sie ihr erst gestern gegeben, als sie wegen ihrer Wohnungstür so ein Aufheben gemacht hatte. Er hatte gemeint, wenn sie sich mal wieder in einem Horrorfilm befände, solle sie ihn anrufen. Er hatte dabei gegrinst, aber ob er es vielleicht ernst gemeint hatte? Sicher nicht …

Trotzdem klickte Sakura auf wählen. Großartig viele andere Nummern hatte sie sowieso nicht in ihrem Telefonbuch, und genauso gut konnte sie ihm jetzt auch von dem schönen Wetter erzählen. Er musste sie doch sowieso schon für durchgeknallt halten. Oder sie tat einfach, als ginge es um die Party heute Abend. Eine gute Idee …

Es klingelte höchstens zweimal, als Sasuke schon abnahm. Erleichtert atmete Sakura aus, als sie seine Stimme hörte. Sie wollte gerade etwas sagen, als er ihr schon dazwischen fuhr und wissen sollte, wo sie sei.

„Otowariplatz“, meinte Sakura verwirrt. „Wieso?“

„Warum rufst du an, Sakura?“, hörte sie seine Stimme fragen, die viel zu ernst für ihren Geschmack klang.

„Nur so, ich wollte …“

„Weißt du noch, was ich dir gestern gesagt habe?“

Sakura fand, das Sasuke recht atemlos wirkte. Rannte er? „Ähm, ja, wegen dem Horrorfilm? Aber …“

„Sei ehrlich Sakura, hast du grad das Gefühl?“

Ein bisschen verärgert zog Sakura eine Schnute. „Du lachst auch nicht?“

Sie glaubte Sasuke scharf die Luft einziehen zu hören. „Nein“, sagte er dann und wirkte betont ruhig. „Glaubst du, dass dir jemand hinter her läuft? Ja oder nein reicht. Könnte er dich hören?“

„Ja“, murmelte Sakura und fühlte sich ein wenig veräppelt, obwohl gleichsam die Angst in ihr stieg. „Und noch mal ja.“

„Wie sieht er aus? Bist du noch immer auf dem Platz? In welche Richtung läufst du?“

Sakuras Herz schlug immer schneller, zudem musste sie an einer Fußgängerampel halten. Sie konnte die Kinder hinter sich hören, genauso wie den klackenden Krückstock, der unaufhörlich näher kam. „Nein, der alte Hamayasan wohnt noch immer in der Ishizustraße“, sagte sie und tat, als würde sie einer Freundin von einem Bekannten erzählen. Aus den Augenwinkeln erkannte sie den Alten, der seltsam vor sich hin lächelte und starr auf die andere Straßenseite blickte. „Dem müssen sie doch alles nach Hause bringen, seine Krücke ist er immer noch nicht los … ja ja, da hast du Recht“, lachte sie, obwohl sie innerlich kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Die Angst hatte sich in blanke Panik verwandelt, zumal sie nun direkt neben dem Alten die Straße überquerte. Sie versuchte im normalen Tempo zu laufen und dabei so natürlich wie möglich zu wirken. Sie hoffte nur, flehte schon, dass sie etwas Abstand zwischen sich und ihm bringen konnte.

„Gut“, hörte sie Sasukes Stimme wieder. „Ich bin nicht weit von dir entfernt. Lauf einfach nur die Straße entlang und bleib ruhig. Verhalte dich nicht auffällig.“

„Sicher nicht“, kicherte Sakura, doch glaubte sie, dass es schon hysterisch klingen musste.

„Findest du heraus, ob er noch hinter dir ist?“

„Klar“, sagte Sakura im freudigen Ton. „Ich hab mir die Haare erst vor kurzen machen lassen. Ein toller Friseur.“ Als wenn sie sich zum Beweis selbst ansehen musste, holte sie ihren Spiegel hervor und sah demonstrativ hinein. „Der ist wirklich erste Klasse. Genau so sollte die Frisur werden. Denn musst du auch mal besuchen.“ Sie schluckte unmerklich, als sie den Alten kaum zwei Meter hinter sich erblickte. „Jaaa genau, der ist es … Und er ist gar nicht weit weg.“

Hätte Sakura nicht solche Angst gehabt, hätte sie vermutlich angefangen zu lachen. Die ganze Situation kam ihr so fassungslos aberwitzig vor, und doch glaubte sie in ihrem Leben noch keine ähnliche Angst verspürt zu haben. Sie wollte Sasuke gerade etwas fragen, als sie etwas in ihrem Rücken spürte und abrupt inne hielt.

„Leg auf“, sagte die eisige Stimme hinter ihr und Sakura rutschte das Herz in die Hose. Sie drückte ohne ein weiteres Wort auf Auflegen und zwang sich weiter zu atmen. „So ist es brav, Sakura. Du machst jetzt schön, was ich dir sage. Und ich warne dich, ein Mucks und es werden einige hier dran glauben müssen …“

Sakura nickte leicht und biss sich auf die Unterlippe. „Wer sind sie?“, fragte sie flüsternd und ging langsam weiter, als sich der Druck in ihrem Rücken verstärkte. Sie versuchte so normal wie möglich auszusehen, obwohl sie die Tränen kaum zurückhalten konnte. Warum half ihr niemand? Sah niemand den Mann, der sie bedrohte?

„Wir können später reden, Sakura. Geh nach links durch die Gasse und mach nichts Dummes.“

Sakura gehorchte und hoffte inständig, dass ihre Beine nicht den Geist aufgaben. Sie durfte niemanden in Gefahr bringen. Aber warum war sie in Gefahr? Was hatte sie getan?

Sie durchquerten die Gasse und kamen auf eine weit weniger begangene Straße. Mit dem Alten in ihrem Rücken lief Sakura immer weiter nördlich, bis sie fast gänzlich alleine waren. Nur noch vereinzelt kamen Autos an ihnen vorbei, doch keines hielt an.

Keines rettete sie.

„Du kannst stehen bleiben …“, hörte sie die Stimme des Fremden und mit zittrigen Knien hielt Sakura an. Sie rührte sich keinen Zentimeter, sondern versuchte sich auf ihre Atmung zu konzentrieren. „Es war schwer, dich zu erwischen“, sagte der Mann nun und Sakura spürte, wie er den Druck von ihrem Rücken nahm. Er schlängelte um sie herum und grinste sie mit vergilbten Zähnen an, eine Waffe in der Hand. „Ständig war jemand um dich. Dreckige Bälger!“

Sakura versuchte die Nerven zu behalten, was angesichts der Pistole alles andere als einfach war. „Ich weiß nicht, was sie überhaupt …“

„Oh natürlich weißt du nichts“, lachte der Mann, der längst keinen Krückstock mehr brauchte und um etliche Jahre gejüngert war. Statt der grauen Perücke waren seine Haare nun dunkelbraun und standen strähnig von seinem Kopf ab.

„Dann kennen sie mich?“ Sakuras Angst musste der Neugierde platz machen, die sie nun beschlich. „Sie wissen, wer ich bin?“ Voller Unglauben starrte sie auf den Mann ihr gegenüber. Es gab jemanden, der von ihr wusste?

„Natürlich!“, lachte er, wurde aber sogleich ernst. „Wer kennt dich besser als ich? Du warst mein Werk, und nun werde ich dich zerstören müssen …

„Was …“ Sakura verstand kein Wort.

„Es ist zu gefährlich, das ist doch nicht schwer! Zuviel ist da irgendwo in deinem Kopf. Und wenn es jemand herausholt, dann würde uns das nicht passen, deswegen, hmm? Es ist die logische Konsequenz, obwohl es mir fast um dich Leid tut. Du warst gut, wirklich. Du gehörtest zu den besten. Warst die beste. Aber du hast dich falsch entschieden. Das ist schon alles. Und wir können nicht länger zusehen.“

„Aber …“, Sakura stockte, als der Mann seine Waffe an ihre Stirn setzte.

„Tränen bringen da auch nichts“, lachte er leise. „In der Hölle sehen wir uns bestimmt wieder“, sagte er dann und entsicherte seine Waffe.

„Darauf kannst du lange warten ...“

Ein gedämpfter Schuss ertönte und erschrocken schrie Sakura auf, ehe ihre Beine nachgaben.

Er ist böse

Sakura brauchte eine ganze Weile, bis sie sich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte und mit dem Weinen aufhörte. Sie hatte ihr Gesicht in Sasukes Shirt vergraben, den sie nach wie vor nicht los lassen wollte. Zu groß war ihre Angst, ihr Entsetzen vor dem, was neben ihr auf dem Boden lag …

Sasuke hatte den Mann erschossen, bevor dieser sie erschießen konnte. Aber warum? Warum wollte er sie erschießen? Was hatte er mit all dem gemeint? Und warum hatte Sasuke eine Waffe?

„Sakura?“ Seine leise Stimme holte sie aus ihren Gedanken, doch als er sie sanft von sich schieben wollte, krallte sie sich nur umso mehr fest. „Es ist vorbei, Sakura. Es tut mir leid. Lass uns ein Stück gehen, ja? Du musst nicht hinsehen …“

„Du hast ihn getötet“, wisperte sie nun, bewegte sich aber nicht. „Du hast ihn erschossen …“

„Ich weiß. Ich wollte nicht, dass es so kommt. Aber er hätte sonst dich erschossen.“

„Er kannte mich!“ Sakura sah mit verweinten Augen zu Sasuke hoch, dem es umso mehr Leid tat, als er ihren entsetzten Blick sah. „Er wusste etwas von mir!“

„Ich hatte nicht warten können, es wäre sonst zu spät gewesen. Lass uns gehen.“

„Wer war er?“ Das Mädchen, das sich noch immer an Sasuke festhielt, bewegte leicht ihren Kopf zur Seite und sah hinunter zu der Leiche. „Wenn er mich kannte …“

„Er gehörte zu den Feinden. Ich erklär dir alles, sobald wir hier weg sind.“

„Zu den Feinden ...“, wiederholte sie gedankenverloren, doch ließ sie sich nun mitziehen. „Kanntest du seinen Namen?“, wollte sie wissen, als Sasuke ihr über den steinigen Schotterplatz half, der menschenleer neben einer alten Lagerhalle lag.

„Nein“, sagte Sasuke ruhig und ohne anzuhalten. Er wusste, dass sie so schnell wie möglich hier weg mussten. „Er gehörte zu den Akatsuki.“

„Akatsuki?“

„Eine Organisation, hier in Japan. So wie die Mafia in Russland oder Amerika. Sie arbeiten im Untergrund.“

Sakura erzitterte wieder. „Wie die Mafia? Aber … was hab ich denen getan?“

„Das wissen wir auch nicht“, gab Sasuke zu und versuchte Sakura aufmunternd anzulächeln. „Aber wir finden es raus und passen auf, dass das nicht noch mal passiert.“

„Wir?“ Abrupt blieb Sakura stehen. „Meinst du damit auch Naruto? Und Hinata? Sind sie …“ Wieder begangen sich die Tränen in ihren Augen zu sammeln. Die neuen Schüler … ihre Freundschaft … der Sasuke-Nerver-Club … war das alles nur gelogen? Alles eine Lüge, um sie heimlich beschatten zu können? „Ihr habt nichts gesagt“, flüsterte sie und biss sich auf die Lippen. „Warum habt ihr es mir nicht erzählt? Warum habt ihr gelogen?“

„Wir haben nicht wirklich gelogen, Sakura!“ Sasuke hoffte inständig, dass sein Team bald auftauchen würde. Er wusste nicht, wie er mit dem verstörten Mädchen umgehen sollte, dass war eindeutig eher etwas für Hinata. „Komm bitte weiter. Wenn sie noch jemanden schicken, dann … Scheiße!“, fluchte er, als er ein heranfahrendes Auto hören konnte. Schnell griff er nach Sakuras Hand und zog sie mit sich bis zu den Hallen des alten Lagerhauses.

„Bleib still und rühr dich nicht“, flüsterte er und ließ Sakura alleine in einem kleineren Raum, um sich nach dem Auto umzusehen. Er schlich sich durch einen länglichen Gang und spähte aus dem kaputten Glasfenster. Erschrocken zog er den Kopf ein. Es waren zu viele!

Fünf Männer waren aus der schwarzen Limousine gestiegen, allesamt bewaffnet und auf dem Weg zu dieser Gebäudeanlage. Sie würden sie finden, und dann war ihre Chance so gering wie nur irgendwie möglich.

Sasuke holte sein Handy heraus und gab Hinata seine Koordinaten durch. Er musste hoffen, dass rechtzeitig Unterstützung käme, etwas anderes blieb ihm nicht übrig.

Er kroch zu Sakura zurück, die auf dem dreckigen Boden saß und die Knie dicht an ihren Körper gezogen hatte.

„Es kommt bald Hilfe“, sagte er leise. „Sakura?“ Besorgt musterte er die Rosahaarige, die abwesend vor sich her starrte. „Wir müssen uns woanders verstecken. Hier werden sie uns am ehesten finden.“

„Sie werden uns einfach erschießen, oder?“, gab sie leise zurück. „Ob wir wegrennen oder nicht. Sie werden uns erschießen …“

„Das werden sie nicht, Sakura!“ Sasuke zog das Mädchen auf die Beine. „Hinata und Naruto werden kommen. Und Kakashi. Sie werden uns helfen.“

„Kakashi?“ Sakura sah irritiert auf.

„Er gehört zu uns, er ist unser Kommandant. Er wird auch herausfinden, was sie von dir wollen.“

„Kakashi …“ Sakura schloss die Augen. „Hab ich ihn schon einmal gesehen?“, wollte sie plötzlich wissen.

Sasuke sah Sakura fragend an. „Nein, eigentlich nicht. Kommt dir sein Name bekannt vor?“

Nun schüttelte Sakura den Kopf. „Ich glaub nicht. Es war nur komisch. Ich …“ Sakura hielt inne, als irgendwo in dem Gebäude eine Tür aufgerissen wurde.

„Hier“, sagte Sasuke jäh, und als er Sakura eine zweite Pistole hinhielt, zuckte sie erschrocken zurück. „Nimm sie Sakura! Falls wir getrennt werden. Wenn ich nicht in deiner Nähe bin, musst du dich selbst verteidigen!“

„Nein!“ Die Rosahaarige schüttelte heftig ihren Kopf. „Ich kann niemanden … nimm sie weg, Sasuke, bitte!“

„Nur einmal, Sakura! Nimm sie nur jetzt. Wir sind nur zu Zweit, die Kerle sind in der Überzahl. Sie werden nicht zögern und uns erschießen!“

„Aber warum wollen sie auch dich erschießen?“ Sakura sah aus, als würde sie gleich erneut anfangen zu weinen.

Sasuke lächelte leicht und sachte wischte er ihr eine Träne weg. „Weil ich zwischen dir und ihnen stehen werde.“

Sakura kaute auf der Unterlippe, dann nahm sie Sasuke die Waffe ab und steckte sie sich in die Tasche.

Der Uchiha nickte zufrieden. „Jetzt komm.“
 

„Ich sehe nur drei, verdammt!“

Sasuke hockte unter einem Fenster und blickte in die große Halle. „Wo sind die anderen?“

„Bleibt einer nicht immer draußen?“, überlegte Sakura und förderte ihr Filmwissen zu Tage. Ino hatte sie oft zu Action - und Horrorfilmen gezwungen. Jetzt selbst in einem zu stecken, gefiel ihr jedoch weniger.

„Dann fehlt noch einer“, sagte Sasuke ohne den Blick von den drei Gestalten zu nehmen, die die Halle inspizierten.

Sakura schüttelte sich unmerklich. Im Film war der, den man nicht sah, auch der, der einen zuerst überraschte. Allerdings hielt sie es für unangebracht, dass jetzt zu sagen …

„Wo bleiben die nur?“, fluchte er und zog den Kopf ein, als einer der Drei in ihre Richtung sah.

„Du meinst Naruto und Hinata?“ Im Film kam die Hilfe nie rechtzeitig … „Würden sie auch Menschen …“ Sakura fand nicht die richtigen Worte. Zu unwirklich schien ihr die ganze Situation.

„Das da sind Mörder“, sagte Sasuke kalt. „Sie haben nicht viel Menschlichkeit in sich. Sie fragen nicht, wen sie umbringen.“

Das Mädchen erschauderte und wollte gar nicht darüber nachdenken, was sie für eine Verbindung zu solchen Leuten hatte. „Und wieso helft ihr mir?“, fragte sie nun.

Sasuke zögerte einige Sekunden, aber er hatte schon zu viel verraten, als das er jetzt noch etwas verheimlichen musste.

„Unsere Abteilung arbeitet sozusagen gegen sie, verstehst du? Wir bekommen Informationen und versuchen dann, die Akatsuki aufzuhalten. Man kann ihnen nur nicht viel entgegenbringen.“

„Dann beschützt ihr Menschen, die die Akatsuki töten wollen?“

„Du warst eigentlich unser erster Auftrag in die Richtung“, gestand Sasuke, derweil er die Männer nicht aus den Augen ließ. „Sie haben viel mit Drogen zu tun, Waffenhandel, Menschenschmuggel. Alles sowas. Aber sie führen eine Art Liste. Sie nennen sie die Blacklist.“

„Blacklist?“ Sakura blinzelte. „Und sie töten die Menschen, die auf dieser Liste stehen?“, erriet sie.

„Genau“, sagte Sasuke etwas überrascht, dass sie es so schnell erfasst hatte. „Sie Stufen die Menschen dort ein. Wer auf Rang eins steht, ist sozusagen in Bearbeitung. Er hat einen Killer zugeteilt bekommen, der ihn aus dem Weg räumt. Man kann es kaum noch verhindern. Rang zwei sind die, die kurz vor Rang eins stehen. Du warst auf Rang zwei, als wir den Auftrag bekamen. Und wir haben keine Ahnung, weswegen dich die Akatsuki auslöschen wollen. Sie selbst führen keine Akte über dich. Das ist seltsam, und für uns noch schwerer, etwas über dich herauszufinden.“ Sasuke lehnte sich angespannt gegen die Wand unter dem Fenster. „Aber wir kommen hier raus und dann wird sich alles klären. Vielleicht hat Kakashi auch längst etwas raus gefunden.“

„Der Kommandant?“, fragte Sakura und wirkte beinah misstrauisch.

Sasuke nickte und sah auf seine Uhr. Es waren bisher zehn Minuten vergangen und von seinem Team fehlte jede Spur. Ob bei ihnen etwas passiert war?

„Wir sollten versuchen hier rauszukommen“, meinte er gedämpft und sah hoch. „Scheiße!“, entfuhr es ihm und keine Sekunde später ging ein Schuss durch das Fenster. Das Glas zersplitterte in Tausend Stücke.

Sasuke, der sich über Sakura geworfen hatte, sprang auf die Beine, zog das Mädchen gleichfalls hoch und rannte mit ihr durch den schmalen Gang.

„Sie haben uns gefunden!“, rief er ihr unnötigerweise zu und riss sie mit sich in einen zweiten Durchgang. „Bleib hier!“, sagte er atemlos und drückte Sakura in eine kleine Nische. „Ich muss sie weglocken, sonst …“ Doch schon ertönte ein zweiter Schuss und die beiden mussten wieder losrennen, als hinter ihnen zwei Männer auftauchten und nach liefen.

„Hier lang!“ Sasuke zog Sakura in eine größere Halle, in der allerhand gestapelte Kisten und dicke Rohre lagen. „Versteck dich dort und lass den Kopf unten!“, fuhr er sie an und zeigte hinter einen großen, abgelegenen Haufen Metallkisten.

Sakura nickte voller Entsetzen, derweil Sasuke schon in die andere Ecke der Halle rannte. Es gab nur einen Ausgang. Sie saßen in der Falle …
 

Als Sasuke seine Waffe abfeuerte und sich dabei verdeckt hinter einer breiten Tonne hielt, kramte er beinah verzweifelt in seinen Taschen. Er hatte noch genau drei Schuss übrig, aber keine weiteren Magazine. Sollte nicht bald sein Team auftauchen, wäre es für ihn und Sakura gelaufen.

Drei Schuss …

Er warf die Hände über den Kopf, als es neben ihm heftig einschlug. Eine Kugel war durch etliche Kisten geschossen und überall flogen die Holzsplitter herum. Sasuke rollte sich nach links und schoss auf den Kerl, der Sakura am nächsten kommen könnte.

Noch zwei Schuss, doch ein Feind weniger …

Er musste sich etwas einfallen lassen, die ausweglose Situation irgendwie herumreißen.

Er sah zu den Eisenrohren, die durch Seile an der Decke befestigt waren. Es waren nicht viele, aber wenn sie von dort herunterfielen, konnten sie die Männer außer Gefecht setzen. Zwei Enden, zwei Schuss, zwei Männer. Beide mussten treffen, beide die Rohre abbekommen, sonst war es das gewesen …

Sasuke schielte um die Tonne. Die Kerle standen gut. Er brauchte nur eine gehörige Portion Glück, denn die Seile waren schmal und nicht besonders nah.

Dann drückte er zweimal ab …

„Verdammt!“, rief Sasuke, sprang auf und rollte sich weg, als auch über ihm Rohre herunterfielen. Ein Seil hatte er abschießen können, aber die andere Seite hatte er verfehlt. Der Mann auf der rechten Seite war zwar zu Boden gegangen, aber der andere war nun gewarnt und ließ ein Feuerwerk an Schüssen los.

Sasuke konnte sich gerade so hinter einem Stahlfass in Sicherheit bringen, doch so oft er noch in seinen Taschen wühlte, er fand keine Munition mehr.

„Das war’s, Junge“, hörte er den Killer sagen. „Gib sie uns freiwillig, dann verdienst du dir einen schnellen Tod. Mach es dir nicht sinnlos schwer.“

Sasuke konnte hören, wie der Kerl näher und näher kam. Seine Schritte hallten auf dem betonierten Boden wider, langsam und bedächtig ging er auf ihn zu.

Er zog sein Messer, das einzige was er noch zur Abwehr hatte. Doch er wusste, dass es das Ganze nur verzögern würde. Vielleicht schaffte er es wenigstens Zeit zu schinden, damit Sakura weglaufen konnte …

Sasuke zog sich hoch, bereit den Mann mit dem Messer anzugreifen, als ein weiterer Schuss ertönte. Er zuckte zusammen und sprang beiseite, als die restlichen Rohre zu Boden fielen und den Killer unter sich begraben.

„Sasuke!“ Naruto kam durch die Halle gerannt. „Bist du okay?“

Sasuke nickte und ließ sich von dem Blonden aufhelfen.

„Wo ist Sakura?“, rief Hinata, die gleich hinter Naruto erschien. „Ist sie auch okay?“

„Ja … mir geht’s gut“, sagte diese leise und kam hinter dem Stapel Metallkisten hervor. Schwach versuchte sie ein Lächeln zu Stande zu bringen, als Naruto schon über sie herfiel und fest an sich drückte.

„Oh ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist!“ Der Junge schien den Tränen nahe. „Wir sind viel zu spät gekommen, wir hätten eher da sein müssen …“

„Schon gut“, meinte Sakura, doch als Naruto sie wieder gehen ließ, musste sie sich zittrig an der Wand abstützen. Für einen Nachmittag war es doch zuviel gewesen.

„Alles klar?“ Naruto musterte das Mädchen besorgt. „Brauchst du Hilfe?“

„Nein, geht gleich wieder.“

„Sicher? Du bist ganz blass!“

„Tatsächlich?“ Sakura sah höhnisch auf. Was dachte er denn? Sie stand inmitten einer Leichensammlung, die zuvor aus ihr eine Leiche hatten machen wollen!

„Es tut uns schrecklich Leid, Sakura“, sagte Hinata bekümmert. „Wir wollten nicht, dass es so kommt. Wir haben gehofft, dass …“

„Es ist okay“, unterbrach sie die Rosahaarige mit Nachdruck in der Stimme, doch begangen ihre Knie schon wieder zu zittern, als sie einen der toten Männer erblickte. Es hatte sich eine Blutlache unter seinem Kopf gebildet, und Sakura spürte, wie sich ihr Magen zu drehen begann. Nicht mehr lange, und sie würde sich übergeben müssen …

„Wir sollten verschwinden“, sagte Sasuke, dem Sakuras Befinden wohl auffiel. „Wir haben sicher Aufsehen erregt.“

„Soll ich dich Huckepack nehmen?“, fragte Naruto das Mädchen, die nur den Kopf schüttelte, tief einatmete und sich langsam von der Wand abstieß. „Aber du siehst nicht so aus, als wenn du noch Kraft hättest“, bemerkte er.

„Es geht schon“, fauchte Sakura, doch klang es viel schwacher, als beabsichtigt. „Ich will einfach nur nach …“ Abrupt hielt Sakura inne und sah auf die Person, die genau in diesem Moment durch die Eingangstür kam.

„Es sind alle erledigt“, sagte Kakashi und lächelte erleichtert, als er zu seinem Team kam und Sakura bemerkte. „Ah, du musst Sakura sein, nicht wahr?“ Er wollte einen Schritt auf sie zu machen, doch im gleichen Moment schon zielte der Lauf einer Waffe auf ihn.

„Sakura! Was … was machst du denn!“ Naruto sah entgeistert zu dem Mädchen, das schlagartig nach hinten gegangen war. „Das ist Kakashi!“

„Er soll stehen bleiben!“, rief Sakura und starrte den Älteren hasserfüllt an. „Er soll nicht näher kommen!“

„Hey hey!“, Kakashi hob vorsichtig seine Hände. „Ich tu dir nichts. Ich gehöre zu ihnen.“

„Sakura, nimm die Waffe runter.“ Es war Sasukes Stimme, doch sie war nicht so kalt wie sonst. Eher wie eine Bitte. „Kakashi tut dir nichts. Er will dir helfen!“

„Lüge!“

„Das ist die Wahrheit, Sakura.“ Kakashi machte einen Schritt rückwärts. „Warum sollte ich dir etwas tun wollen?“

„Ich weiß es einfach!“ Sakura liefen längst wieder die Tränen über die Wangen. „Er ist böse“, sagte sie schon um einiges leiser. „Er ist …“

„Gib mir die Pistole, Sakura.“ Sasuke ging langsam auf das Mädchen zu, legte seinen Arm um ihre Taille und griff vorsichtig nach der Waffe. „Lass sie los“, flüsterte er ruhig. „Dann können wir nach Hause gehen …“

Sakuras Tränen wurde stärker, und schließlich ließ sie sich die Waffe abnehmen. Sasuke sicherte die Pistole und warf sie Naruto zu, ehe er Sakura gänzlich zu sich zog. „Geht vor“, sagte er leise. „Wir treffen uns bei mir.“

Kakashi nickte. Das war das Beste, so wie Sakura auf ihn reagiert hatte. Doch warum? Er sah sie heute zum ersten Mal. Sie aber schien ihn zu kennen, und wenn nur aus dem Unterbewusstsein.

Es wurde immer mysteriöser …

Verletzende Worte

Widerwillig hatte sich Sakura dazu überreden lassen, nicht in ihre Wohnung zu gehen, sondern bei Sasuke und den anderen zu bleiben. Der Uchiha hatte sie in sein Schlafzimmer gebracht, um vorerst eine Konfrontation mit Kakashi zu vermeiden. Es hatte keine Minute gedauert, da war Sakura auch schon eingeschlafen.

„Es wird immer verworrener“, sagte Hinata, die mit Tee aus der Küche kam. „Hat sie noch etwas über Kakashi gesagt? Weiß sie, woher sie ihn kennt?“

„Nein, sie hat keine Ahnung“, gab Sasuke zurück, der sich geschafft auf den Sessel fallen ließ. „Aber sie glaubt, dass er ein Feind ist.“

„Das ist doch total seltsam“, sagte Naruto und griff nach der Kekspackung. Er fühlte sich wie ausgehungert. „Kakashi hat Sakura bisher nie gesehen und Sakura weiß nichts von ihrer Vergangenheit und irgendwelchen Leuten, die darin vielleicht vorkommen, aber trotzdem scheint sie Kakashi nicht zu mögen …“

„Nicht mögen ist ein wenig untertrieben“, sagte dieser und schüttelte ahnungslos den Kopf. „Sie scheint mich regelrecht zu hassen. Und selbst dann richtet man nicht sofort eine Waffe auf jemanden. Sie muss also aus einem Gefühl heraus handeln.“

„Vielleicht hat ihr früher jemand eingeredet, du seiest der Feind. Vielleicht gehörte sie irgendwie zu den Akatsuki“, überlegte Hinata, obwohl ihr die Vorstellung sehr abwegig war. „Es muss tief in ihrem Bewusstsein stecken, dass dieses Gefühl dir gegenüber hervorruft. Und die Akatsuki wollen dich schon seit Jahren tot sehen!“

„Das wäre eine Möglichkeit“, gab Kakashi zu. „Aber was sollte sie bei den Akatsuki gemacht haben? Sie war damals keine 15!“

„Schmer, schmer“, schmatzte Naruto und schluckte den großen Bissen hinunter. „Aber die Akatsukis haben doch einige Abteilungen. Vielleicht hat sie in der Forschung gearbeitet.“ Unsicher sah er flüchtig zu Sasuke, der jedoch keine Miene verzog. Seine Erfahrungen mit der Forschungsabteilung gehörten nicht zu den Besten und der Uchiha vermied es, darüber zu reden. „Überlegt mal wie schlau sie ist! Oder sie hatte Angehörige dort“, meinte Naruto weiter.

„Auch möglich“, nickte Kakashi. „Es gibt viele Möglichkeiten, und keine können wir ohne Anhaltspunkte beweisen.“ Er fuhr sich seufzend durch die Haare. „Was wissen wir mittlerweile von ihr?“, versuchte er die Sache anders anzugehen.

„Sie ist seeehr schlau“, sagte Naruto grinsend. „Ihr IQ ist bestimmt größer als der von Sasuke!“

Sasuke warf dem Blonden einen vernichtenden Blick zu, behielt sein Kommentar aber für sich.

„Sie ist charakterlich wie Naruto. Hitzköpfig, kindisch“, zählte Hinata auf, woraufhin nun Naruto beleidigt drein blickte. „Aber auch sehr freundlich und gutherzig“, fügte sie ihren Freund anlächelnd hinzu.

„Sie reagiert anders“, meinte Sasuke unerwartet und erzählte noch einmal von der Wohnungstür, die nicht richtig abgeschlossen war und auch, wie sie ihn aus Reflex vor dem Schuss gerettet hatte. „Sie meint, diese Gedanken kämen daher, dass sie mit ihrer Freundin viele Videos gesehen hat.“ Er wirkte skeptisch. „Als sie mich anrief und mir von dem Mann erzählte, von dem sie sich verfolgt fühlte, wusste sie genau, wie sie es mir sagen konnte, ohne dass es ihrem Verfolger auffallen würde. Sie klang die ganze Zeit glaubwürdig. Und überhaupt, dass er ihr auffiel. Sie meinte, er hätte sich verkleidet gehabt.“

Kakashi nickte. „Das kann sie kaum aus Filmen gelernt haben.“

„Obwohl es echt lehrreiche Filme gibt“, sagte Naruto mit vollem Mund. „Achso“, fiel es ihm ein und er kramte aus seiner Tasche Sasukes Pistole. „Da, bevor ich sie verbummle. Wieso hatte Sakura sie überhaupt?“

Sasuke nahm Naruto seine Waffe ab. „Damit sie sie im Notfall benutzen konnte“, meinte er, als er kurz innehielt und plötzlich das Magazin löste.

„Was ist? Ich hab sie nicht angerührt!“, sagte Naruto gleich und versprühte dabei etliche Kekskrümel auf den Tisch. „Echt nicht!“

„Hast du vorhin geschossen?“, wollte Sasuke unerwartet wissen.

„Damit? Nein!“, sagte Naruto und tat entrüstet. Er wusste, wie eigen der Schwarzhaarige mit seinen Waffen war.

„Ich meine in der Halle. Hast du das Seil durchschossen, als du kamst?“

„Hä?“ Naruto blinzelte verwirrt. „Was meinst du?“

„Die Rohre“, sagte Sasuke und schien nachdenklich. „Die an der Decke hingen. Ich hab nur ein Ende durchgeschossen und hatte danach keinen Schuss mehr. Aber als der Killer zu mir herüberkam, fiel ein weiterer Schuss, der das andere Seil durchtrennte. Du warst es nicht?“

„Nein.“ Naruto schüttelte den Kopf und auch Hinata verneinte. „Aber was meinst du denn nun?“

„Mein Magazin war voll, als ich es Sakura gab.“ Er steckte die Waffe zurück in seine Tasche. „Jetzt fehlt ein Schuss.“

„So?“ Naruto machte große Augen. „Wow, dann hat sie dir schon zweimal das Leben gerettet!“ Der Blonde grinste breit. „Wer muss da wen beschützen, hä?“

„Das meinte ich nicht!“, knurrte Sasuke über diese Dreistigkeit. „Aber das Seil war kaum 3 Zentimeter dick und mindestens 15 Meter von ihr entfernt …“

„Dann hattest du auch noch Glück!“

„Naruto!“ Diesmal war es Hinata, die ihren Freund mahnend ansah. „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sakura das Seil aus Glück getroffen hat?“

„Unwahrscheinlich“, sagte Kakashi und klang besorgt. „Also wissen wir noch etwas über sie …“

Hinata lächelte ihren Freund, der nicht wirklich verstand, betrübt an. „Sie kann mit Waffen umgehen, Naruto. Und das scheinbar ziemlich gut …“
 

Es war bereits späte Nacht, als die Einheit ‚Roter Fuchs’ ihren jeweils dritten Tee trank, noch immer diskutierte und nach wie vor zu keinem Ergebnis gekommen war. Was Sakuras Vergangenheit betraf, so mussten sie sich vorerst damit abfinden, nichts darüber zu wissen. Momentan war wichtiger, wie es weitergehen sollte.

„Und wenn wir mit ihr untertauchen?“, überlegte Naruto.

„Für wie lange denn? Die Akatsuki geben nicht so schnell auf und der Laden wird nicht blitzartig dicht machen“, gab Sasuke mürrisch zurück. Es wurmte ihn, dass sie nicht vorankamen.

„Der Schlüssel bleibt ihre Vergangenheit“, sagte Hinata. „Nur wenn wir wissen, was vor ihrem Unfall passiert ist, können wir etwas Genaues unternehmen. Sie muss sich einfach erinnern. Und solange müssen wir dafür sorgen, dass ihr nichts zustößt.“

„Sie hat sich in den letzten zwei Jahren nicht erinnert. Das wird also nicht von heut auf morgen passieren“, bedachte Sasuke.

„Dann müssen wir ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen“, überlegte Kakashi.

„Und wie willst du das machen?“

Kakashi überlegte eine Weile, bis er schließlich aufseufzte. „Osaka“, sagte er abwesend. „Wir müssen nach Osaka.“

„Warum nach Osaka? Zum Hauptquartier?“

„Auch.“ Kakashi nickte langsam. „Sie muss irgendwas mit den Akatsuki zu tun, das steht außer Frage. Zu den Akatsuki können wir nicht, damit sie sich vielleicht an etwas Bekanntes erinnern kann. Aber hier in Tokio finden wir kein Milieu, dass dem der Akatsuki nahe kommt.“

„Milieu wie bei den Akatsuki?“ Naruto kratzte sich verwirrt am Kopf. „Das kapier ich nicht.“

Kakashi zuckte mit den Schultern. „Sie scheint mit Waffen umgehen zu können. Also zeigen wir ihr einen Schiessstand. Natürlich nur dort, wo es sicher ist. Und das ist es nur in Osaka.“

„Achso!“, grinste Naruto. „Sasuke hat ja einen bei sich im Keller. Oder im Hauptquartier selbst!“

„Genau“, sagte Kakashi. „So was in der Art, dachte ich.“

„Dann fahren wir also nach Hause?“, freute sich der Blonde. „Genial!“

„Nicht so schnell“, bremste ihn Kakashi. „Wir müssen zuerst mit Sakura reden. Ohne ihr Einverständnis können wir nichts unternehmen. Wenn wir sie zwingen und sie in Stress gerät, kann das alles nur verschlimmern.“

„Dann fragen wir sie!“

„Ja, aber erst morgen, Naruto“, meinte Hinata milde. „Lass sie jetzt erst einmal schlafen. Das war nicht ihr bester Tag.“

„Nein“, sagte Sakura plötzlich und die Vier sahen erschrocken zur Tür. „Ist schon okay“, lächelte sie leicht. „Ich will ja auch, dass … dass es aufhört.“ Ihr Blick wanderte voller Achtsamkeit zu Kakashi, der sie freundlich anlächelte.

„Wie fühlst du dich, Sakura?“, fragte er.

„Ganz gut“, sagte das Mädchen knapp.

„Möchtest du dich zu uns setzen?“

„Nein.“

Kakashi nickte. „Du kannst dir nicht erklären, warum ich solche Gefühle bei dir auslöse?“

Sakura schüttelte den Kopf.

„Darf ich es testen, Sakura?“ Kakashi stand behutsam auf. „Ich komme nur ganz langsam zu dir rüber. Ich verspreche dir, dass ich nicht zu nah kommen werde, okay? Ich möchte nur sehen, ob sich etwas verändert.“

Sakura zögerte und sah flüchtig zu Sasuke, als suchte sie seine Hilfe.

„Wenn es dir lieber ist, kann er sich zu dir stellen“, sagte Kakashi.

„Du brauchst echt keine Angst haben, Sakura. Kakashi würde dir nie etwas tun“, grinste Naruto, dem die Vorstellung komisch vorkam. Sakura jedoch rührte sich noch immer nicht.

„Das ist es nicht, nicht wahr, Sakura?“ Kakashis Stimme klang noch immer freundlich, fast fürsorglich. „Du hast Angst davor, mir etwas zu tun …“

„Sakura dir?“ Narutos Augen wanderten zwischen den Beiden hin und her.

„Ich weiß nicht“, meinte Sakura leise. „Jetzt nicht, aber es …“

„Es kommt einfach, nicht?“ Kakashi machte einen ersten Schritt und merkte gleich, wie sich Sakuras Augen verengten. Er setzte einen zweiten nach und hielt kurz inne. „Wird der Hass stärker?“, wollte er wissen und deutete Sasuke gleichzeitig, zu Sakura zu gehen.

„Ja“, gab sie starr zu. Als sich Kakashi wieder bewegte, sah man ihr die Feindseligkeit längst an. „Bleib stehen“, sagte sie und klang, als würde sie sich dazu zwingen müssen, ihn zu warnen. „Nicht weiter.“

„Nur noch ein Stück, Sakura. Was fühlst du?“

„Bleib stehen!“

Kakashi hielt an, ging aber nicht zurück. „Was würdest du jetzt am liebsten tun? Willst du mich angreifen? Du musst es mir sagen!“

Sakura schüttelte heftig den Kopf, als könnte sie es nicht aussprechen. „Geh einfach zurück!“ Angespannt hielt sie sich im Türrahmen fest und ließ den Älteren keine Sekunde aus den Augen. Sasuke stand dicht hinter und konnte ihre Feindseligkeit Kakashi gegenüber regelrecht spüren.

„Du musst es sagen, Sakura! Was willst du tun? Willst du mich schlagen?“, wieder setzte er einen Fuß nach vorne.

„Mehr“, flüsterte Sakura und zwang sich ruhig zu bleiben. Sie versuchte es zumindest. „Geh zurück, bitte …“

„Wenn du mir sagst, was du tun willst, dann gehe ich zurück, versprochen …“

Sakura zögerte, doch sie sagte keinen Ton. Mit schmalen Augen fixierte sie Kakashi, registrierte jede kleine Bewegung, die er machte. Sie konzentrierte sich nur auf ihn, schien nichts mehr um sich herum wahrzunehmen.

Dann sprang er mit einmal auf sie zu …
 

Hätte Sasuke nicht schnell genug reagiert, hätte Kakashi seinen Test nicht unbeschadet überstanden. Schon als er nur den Ansatz seiner Bewegung gemacht hatte, war Sakura ebenfalls nach vorne gegangen, hatte sich dabei etwas Spitzes von der Kommode zu ihrer rechten gegriffen und damit direkt auf Kakashi gezielt. Wäre Sasuke eine Sekunde langsamer gewesen, hätte der Hatake vermutlich sein Augenlicht eingebüsst.

Nun hockte er nachdenklich an dem kleinen Esstisch in der Ecke, während Sakura wie im Gewahrsam zwischen Naruto und Hinata saß und gedankenverloren zu Kakashi blickte.

„Es tut mir leid“, sagte sie irgendwann und schien es ehrlich zu meinen.

„Schon gut“, gab der Gemeinte zurück. „Ich glaube nicht, dass du etwas dafür kannst. Und ich habe auch übertrieben. Aber jetzt kann ich mir sicher sein, dass ich in deiner Gegenwart nicht sicher bin“, grinste er das Mädchen an. „Ich muss gestehen, dass mich der Brieföffner doch erschreckt hat.“

Sakura senkte betrübt den Kopf. Das hatte sie ganz und gar nicht gewollt, aber es war einfach über sie gekommen.

„Wieso nicht etwas Größeres?“, fragte Kakashi, als nehme er es auf die leichte Schulter. Obwohl das Mädchen ihn gerade eben noch in die Hölle schicken wollte, tat ihm Sakura dennoch Leid. Er glaubte ohnehin nicht daran, dass sie das von sich aus gemacht hatte. Aber gab es unter den Akatsuki so etwas wie Gehirnwäsche? Konnte das ein möglicher Grund sein?

Sakura biss sich auf die Lippen. Sie wollte eigentlich nicht darüber reden. Sie kam sich wie eine Bestie vor.

„Sag es nur, Sakura“, lächelte Kakashi, der das ahnte. „Ich nehme es dir ganz bestimmt nicht übel. Und nur wenn wir ehrlich zueinander sind, können wir das Problem überwinden.“ Er hoffte, dass es auch nur ein Problem war. „Und wieso ins Auge? Es hätte mich doch nicht getötet …“

Sakura zuckte zusammen, als sie das aus seinem Mund hörte. Sie holte tief Luft und versuchte die richtigen Worte zu finden. „Es sollte … nicht töten“, gab sie zögerlich zu. „Nicht gleich zumindest“, lächelte sie schwach. „Es ging … es ging mehr um die Schmerzen. Erst Schmerzen, dann … dann Tod.“

„Ah.“ Kakashi verstand und tippte sich gegen die Stirn. „Das ist es, ja. Wenn du es also könntest, würdest du es vorziehen, mich qualvoll sterben zu lassen?“

Sakuras Augen weiteten sich und wieder spürte sie die aufkommenden Tränen. Sie wollte niemanden qualvoll sterben lassen! Sie wollte das alles überhaupt nicht!

„Es reicht, Kakashi“, sagte plötzlich Sasuke und warf seinem Kommandanten einen strengen Blick zu. „Wir können morgen darüber reden. Es ist spät.“

„Stimmt, stimmt!“ Kakashi erhob sich jäh, und Naruto bekam regelrecht Panik, als er spürte, wie sich Sakura anspannte und wieder Kakashi fixierte.

„Ähm, Sasuke würdest du bitte …“, stotterte Naruto und sprang fast von der Couch. Er glaubte kaum, dass er wie Sasuke handeln könnte, wenn Sakura unerwartet ihre Foltergedanken gegen seinen Kommandanten bekam. Abgesehen davon, dass er das ganze beängstigend fand, hätte er auch Angst davor, ihr wehzutun.

„Wir gehen in die Küche“, meinte Hinata, die um einiges gefasster war und Naruto einen ‚Du-bist-unmöglich-Blick’ zuwarf. „Wenn ihr draußen seid, komme ich nach.“ Sie nahm Sakura ohne Furcht bei der Hand und zog sie mit sich ins nächste Zimmer.

Erleichtert atmete der Blonde aus, bekam aber im gleichen Moment noch eine Kopfnuss seitens Sasuke.

„Aua, wofür war das?!“

„Für deine Dummheit!“, knurrte Sasuke. „Das hat sie verletzt.“

Unerwarteter Besuch

Es war eine Art Knarren, dass Sasuke aus seinem leichten Schlaf weckte und hochschrecken ließ. Schnell griff er unter das Kopfkissen, wo er seine Pistole versteckt hielt, und lauschte in die Dunkelheit. Das schwache Mondlicht erhellte kaum das Wohnzimmer, in dem er sich befand. Sakura schlief in seinem Bett und er hatte sich mit der doch recht harten Couch arrangiert.

Langsam

gewöhnten sich seine Augen an die Finsternis und erleichtert atmete er aus, als er das rosahaarige Mädchen auf dem Balkon sah. Sie hatte sich auf den einzigen Stuhl gesetzt, die Beine dicht an den Körper gezogen und starrte gedankenverloren vor sich her.

Sasuke seufzte und ließ sich wieder aufs Sofa sinken. Er konnte sich gut vorstellen, dass es in ihr reichlich durchwirbelt aussehen musste. Der gestrige Tag war selbst ihm anstrengend gewesen, und dabei war er erfahren, wenn es um solche Dinge ging. Sakura aber schien zumindest in ihrem jetzigen Leben noch keine Leiche gesehen zu haben, und bestimmt auch nicht, wie Männer erschossen oder man durch alte Lagerhallen gejagt wurde.

Auch wenn es für ihn seltsam war, und er es sicherlich niemals offen zugeben würde, so empfand er doch Mitgefühl mit dem Mädchen. Sie war keine 17, jünger als er, ohne Vergangenheit und mit Killern auf den Fersen, die ihr nach dem Leben trachteten. Für ihn waren Waffen, Kämpfe und Anschläge Alltag, es war sein Job, damit umzugehen. Doch Sakura war nur eine Schülerin, die es so schon nicht leicht haben konnte, stand sie doch eigentlich immer alleine da.

Sasuke kannte dieses Gefühl. Er hatte zwar Freunde wie Naruto und Hinata und ein Team, dass ihm immer zur Seite stand, aber auch er hatte keine Familie mehr. Seine Eltern waren schon vor vielen Jahren von den Akatsuki umgebracht worden, und das war auch der ausschlaggebende Grund, wieso er der Einheit ‚Roter Fuchs’ beigetreten war.

Er sahnte nach Rache, nach wie vor. Und er wollte verhindern, das anderen das passierte, was ihm damals widerfahren war, als er noch im Kindesalter in die Hände der Organisation geriet.

Sasuke seufzte abermals, als er spürte, wie ihn alte Erinnerungen beschlichen. Er musste an seinen Bruder denken, den er zu jener Zeit, als sie beide bei den Akatsuki gefangen gehalten wurden, beinah verlor. Er dachte daran, wie sie ihn Itachi entrissen hatten, unter Folter versuchten ihm Informationen zu entlocken, die seine Eltern betrafen. Er erinnerte sich an die schweren Wunden, die der Ältere davon getragen hatte. Er dachte an die vielen Narben auf Itachis Körper, die zurückgeblieben waren.

An die eine. Die gleiche Narbe, die auch Sakura hatte …

Eine ganze Weile hing Sasuke seinen Gedanken nach, und als er einmal wieder auf die Uhr sah, stand er auf und ging zur Balkontür. Sakura saß schon seit über einer Stunde draußen und langsam machte er sich Sorgen. Leise zog er die Tür auf, ging ans Gerüst und blickte in den Himmel.

„Heute ist es bewölkt“, stellte er unnötigerweise fest. „Morgen soll es gewittern.“

„Wir hatten lange kein Gewitter mehr“, sagte Sakura, die noch immer genauso da saß, wie zu Anfang. Sie hatte ihr Handy in der Hand, scheinbar hatte sie es vor kurzen noch benutzt.

Sasuke setzte sich auf den Türrahmen. „Hat sich deine Freundin gemeldet?“

Sakura nickte leicht. „Sie fliegt morgen mit ihrer Familie nach London.“

„Ich dachte, sie wäre krank?“

„Hmm“, machte das Mädchen und legte ihren Kopf auf die Knie. „Aber ihre Mum hat einen neuen Auftrag bekommen und sie darf mit. Ich würde mir das auch nicht entgegen lassen, London zu sehen.“

„Was für einen Auftrag?“, fragte Sasuke.

„Von einer britischen Agentur. Ihre Mutter ist Model. Sie möchte später auch wie ihre Mum arbeiten, weißt du? Deswegen ist es für sie eine gute Chance, sagt sie.“

„Wenn du möchtest …“ Sasuke kostete es einige Überwindung, das zu sagen. „Dann begleite ich dich, falls du sie verabschieden willst. Alleine ist es …“

„Nein“, sagte Sakura gleich. „Ich will mich gar nicht verabschieden. Und in drei Wochen ist sie eh zurück. Das ist ja keine Zeit …“

„Ihr führt eine seltsame Freundschaft“, bemerkte Sasuke unerwartet.

Sakura lächelte leicht und legte ihr Handy beiseite, dass sie bis eben festgehalten hatte.

„Eigentlich nicht. Nur in letzter Zeit. Es erinnert mich an einen Film, ich weiß nur nicht, von was er genau handelte. Aber da war es ähnlich zwischen den Freundinnen.“

Sasuke sagte nichts, obwohl es ihn stutzig machte, was Sakura sagte. Es machte ihn immer stutzig, wenn Sakura etwas in einem Film gesehen haben wollte …
 

Der nächste morgen war ein verregneter Samstag, den Sakura am liebsten den ganzen Tag im Bett verbracht hätte. Sasuke erging es nicht anders, allerdings hätte er die Couch liebend gerne in den Sperrmüll getreten. Doch es war Hinata, die den beiden kein verschlafenes Wochenende gönnen wollte.

„Ihr seid wirklich ein paar Muffel“, sagte sie gutgelaunt, als sie in Sasukes Küche stand und Pfandkuchen briet. „Nur weil es regnet, heißt das noch lange nicht, dass man den ganzen Tag pennen kann!“

„Hn“, machte Sasuke und konnte kaum das Gähnen unterdrücken, derweil er an seinem Kaffee nippte. Sakura erging es ähnlich, nur das sie den Mund noch weniger aufbekam. Genau wie ihre Augen hielt er sich konsequent verschlossen.

„So, bitte schön!“ Hinata stellte den beiden die duftenden Teller vor die Nase. „Esst brav auf.“

„Hn“, kam es wieder von dem Uchiha, doch Sakura schien der Geruch etwas aufzurütteln.

„Die sehen lecker aus“, sagte sie recht leise, aber aufrecht. Auch wenn sie nicht besonders gut geschlafen hatte, so ging es ihr doch schon um einiges besser. Und die Pfandkuchen weckten auch ihre unsichtbarsten Lebensgeister.

„Wo ist der der blonde Tölpel?“, fragte Sasuke nach den ersten Happen. „Hat er sich ohnmächtig gefressen?“

„Nein.“ Hinata kicherte unmerklich. „Er ist mit Kakashi unterwegs. Wir dachten, es wäre das Beste, wenn wir noch heute abreisen.“

„Noch heute?“ Sakura sah erschrocken auf. „Aber … nächste Woche stehen doch die ganzen Tests an und die Direktorin wird …“

„Dich alle in vernünftigen Abständen nachholen lassen“, sagte Hinata beruhigend. „Kakashi hat einen Draht zu Tsunade und es wird keinen Ärger geben, du brauchst dir also keine Sorgen machen.“

„Keinen Ärger?“

„Nein.“ Hinata schüttelte den Kopf. „Du musst nachher nur noch deine Sachen packen, und heute Abend fliegen wir schon los.“

„Nach Osaka?“

„Ja. Und wenn wir in Osaka gelandet sind, trennen wir uns.“

„Wie?“ Sakura sah die Hyuuga verwirrt an. „Wieso trennen wir uns?“

Hinata lächelte aufmunternd. „Nur für zwei, drei Tage maximal. Naruto und ich müssen in Osaka bleiben und im Hauptquartier ein paar Dinge regeln. Du wirst mit Sasuke nach Gobó fahren.“

„Gobó? Wo ist das?“

„Etwas südlich von Osaka.“

„Und warum Gobò?“ Sakura verstand nicht ganz. Sie hatte gedacht, sie sollte nach Osaka!

„Dort hat Sasuke ein Haus“, sagte Hinata lächelnd, aber falls sie glaubte, Sasuke würde nun erzählen, lag sie falsch.

Seufzend sah sie den Uchiha an, ehe sie sich wieder an Sakura wandte. „Es ist dort sicherer als anderswo und niemand weiß, dass ihr dort sein werdet. Außerdem ist das Haus eine kleine Festung, verstehst du?“

„Eine Festung?“

„Ja, es ist … sagen wir, sehr schwierig, falls euch dort jemand überraschen wollte.“

„Hmm“, machte Sakura und sah wieder auf ihren sich permanent nachfüllenden Teller. Dann also Gobó …
 

Sakura hatte es geschafft, Sasuke und Hinata abzuwimmeln und alleine in ihrer Wohnung die Taschen zu packen. Sie hatte gemeint, dass sie gerne ein paar Minuten für sich wäre, und es war Hinata, die schließlich einverstanden nickte.

„Sie braucht etwas Zeit für sich“, hatte die Hyuuga gemeint, als sie mit Sasuke zurückblieb und sich von seinem strafenden Blick durchbohren lassen musste. „Sie ist doch gleich nebenan. Es passiert nichts.“

Sakura hingegen hatte ganz andere Sorgen. Sie wusste nicht, wie viel sie einpacken sollte. Wie lange würde sie fort bleiben? Eine Woche? Länger? Würde sie rechtzeitig zum Schulbeginn zurück sein?

Oder würde sie dann schon längst unter der Erde die Radieschen von unten betrachten? Sagte man doch so …

Der Blick der Rosahaarigen ging zu ihrer Kommode und sie nahm das Bild in die Hand, das dort stand. Es zeigte sie und Ino im Park. Vor einem Jahr war es aufgenommen wurden. Mikoto hatte es gemacht. Damals waren sie noch mit dem Mädchen befreundet gewesen.

Doch das war vorbei. Lange schon. Die Freundschaft war wegen einem Kerl zerbrochen. Und es war eine gute Freundschaft gewesen …

Ob die Freundschaft zwischen ihr und Ino auch gefährdet war? Wegen Hinata, Naruto und Sasuke? Seit die drei vor kaum einer Woche aufgetaucht waren, hatte sich Ino abweisend verhalten. Sie hatte keinen Hehl draus gemacht, dass sie die drei nicht mochte, auch wenn sie bei Sasuke anfangs anders gedacht hatte. Doch es hatte sich alles geändert, von einen Tag zum anderen. Warum? Sakura wusste es nicht. Doch als sich Mikoto damals von ihnen abwandte, wusste sie anfangs auch nicht, wieso sie es tat.

Es passierte einfach. Dinge passierten. Und manchmal viel zu schnell.

Das Klingeln an ihrer Wohnungstür, riss Sakura aus ihren Gedanken. Sie rappelte sich hoch, steckte das Bild in ihren Rucksack und ging in den Flur. Wer konnte das sein? Hinata vielleicht? Oder Sasuke? Er war nicht begeistert davon gewesen, dass sie alleine hatte sein wollen …

Sakura sah vorsichtig durch den Spion und erschrak merklich, als sie Kabuto erkannte. Warum war er hier?

„Was willst du?“, rief sie durch die Tür, öffnete ihm dann aber doch. So widerlich sie ihn fand, Angst hatte sie keine vor ihm. Er war ein Idiot, aber mehr auch nicht. Ein dreckiger Idiot vielleicht.

„Deine Aufgaben“, grinste der Mathematikpraktikant und betrat gleichfalls die Wohnung. „Du hast sie nicht fertig gemacht und dir damit eine 4 eingehandelt. Der Rest war übrigens richtig …“

„Verschwinde Kabuto, ich hab jetzt keinen Nerv für deinen Schwachsinn“, sagte Sakura und folgte ihm ins Wohnzimmer.

„Du packst?“, fragte er irritiert, als er die herumliegenden Klamotten und Taschen sah. „Verreist du?“

„Das geht dich nichts an!“

„Du hast noch eine Woche Schule. Fängste jetzt an wie die Yamanaka?“

„Ino ist krank!“, knurrte Sakura und schnappte sich ihren Rucksack, in den Kabuto neugierig schielte. „Jetzt hau ab, kapiert?“

„Wohin willst du?“, hakte er weiter nach und ließ sich auf die Couch fallen. „Ich hab den ganzen Tag Zeit. Ich kann warten“, grinste er breit.

„Ich aber nicht! Ich hab dich auch nicht hereingebeten, also verschwinde endlich!“

Kabuto schüttelte amüsiert den Kopf und stand wieder auf. Mit einem boshaften Lächeln ging er auf Sakura zu und blieb nah vor ihr stehen.

„Weißt du, dass ich extra wegen dir gekommen bin? Weil ich dir helfen wollte? Eine schlechte Note macht sich nicht gut. Ich wollte dir die Chance geben, es auszubügeln.“

„Was quatschst du da für einen Müll?“, fuhr Sakura Kabuto an. „Ein Scheißdreck werd ich!“

„Wieso bist du immer so zickig?“ Kabuto strich Sakura über die Wange, wandte sich aber noch im gleichen Moment zum Gehen.

Sie folgte ihm in den Flur, griff schon nach der Tür, um sie hinter ihm zu schließen, als er abrupt inne hielt, sich zu ihr umdrehte und gegen die Wand drückte.

„Wenn ich aber nicht gehen will?“, grinste er sie hämisch an und presste unerwartet seine Lippen auf ihre.

Sakura keuchte erschrocken auf und versuchte Kabutos Hand von sich zu schieben, die nach ihrem Shirt griff, derweil er sie zurück in die Wohnung schob.

„Lass mich los!“, schrie sie ihn an, kaum das er seine Lippen von ihren löste.

Kabuto lachte, derweil er Sakura immer weiter drängte. „Warum denn?“

„Weils gesünder für dich wäre“, hörte er die kalte Antwort, die ihm aber nicht Sakura gab …

Das Haus am Meer

„Das war absolut übertrieben!“, fluchte Sakura, als sie die Glasscherben der Blumenvase zusammen fegte. „Wie kann man nur … argh!“

„Sei ihm nicht böse“, versuchte Hinata zu schlichten, die die zerfetzten Blümchen einsammelte. „Er neigt zu solchen Ausbrüchen, er vergisst manchmal, dass …“

„Was vergisst er? Das der Krieg vorbei ist? Das wir in einem Altbau wohnen und Kabuto kein Auftragskiller, sondern nur ein dummer Student ist?“

„Auch das vergisst er manchmal …“, murmelte die Hyuuga, als sie das zerschossene Uhrwerk aus dem Schirmständer fischte.

„Ich vergesse gar nichts!“, gab Sasuke knurrend zurück. „Ich hab nur dafür gesorgt, dass er das nicht noch mal macht! Ein Danke wäre angebrachter!“

„Danke? Dafür, dass du meinen Flur in Schutt und Asche gelegt hast?“ Sakura kochte fast über.

Danke??

Gut, er hatte ihr Kabuto wahrlich vom Hals gejagt, und sicherlich würde sich der Kerl nicht noch mal in ihre Nähe wagen … Aber hätte man das nicht mit Worten regeln können? Sogar eine Prügelei wäre im Rahmen des Möglichen gewesen, aber warum in aller Welt hatte Sasuke gleich schießen müssen?

Auch wenn er ihn nur warnen wollte, wie er es gesagt hatte … ihre Vase, die antike Uhr aus dem Ramschladen, den sie für einen super Preis bekommen hatte … alles zertrümmert!

Eine klasse Warnung, ohne Zweifel!

„Danke vielleicht dafür, dass der Kerl dir nicht an die Wäsche konnte!“, sagte Sasuke und stieß sich genervt von der Wand ab. „Ich pack jetzt. Sie sind bald da. Ihr solltet euch auch beeilen.“

Dann verschwand er zur Tür, gegen die keine Sekunde später der Handfeger prallte.
 

Die Reise nach Osaka verlief reibungslos, abgesehen davon, das Naruto unentwegt quasselte, Sasuke noch genervter war als zuvor und Sakura mit ihm kein Wort wechselte.

„Ihr benehmt euch wie Kinder“, sagte Naruto irgendwann, nachdem Hinata ihn über den Grund aufgeklärt hatte. „Können wir uns nicht alle vertragen und uns die Hände reichen?“

„Halt die Klappe!“, fauchte Sakura nur und wandte sich ihrem Rucksack zu, den sie vom Gepäckband fingerte.

„Sei wenigstens du vernünftig, Sasuke!“, drehte er sich mit bettelndem Blick zu den Uchiha. „Sag, dass es dir Leid tut!“

„Halt die Klappe!“, kam es ebenso wie von Sakura zuvor. „Müsst ihr euch nicht beeilen?“, setzte er hinzu. „Kakashi wartet, oder nicht?“

„Ja ja“, brummte Naruto, griff nach seiner und Hinatas Tasche und warf sie sich über die Schulter. „Aber können wir euch wirklich alleine lassen?“

„Komm Naruto“, lächelte Hinata milde. „Gehen wir lieber.“ Sie ging zu Sakura und drückte sie leicht an sich. „Wir kommen so schnell nach wie möglich“, versprach sie. „Nimm es ihm bitte nicht übel, er hatte nur Angst“, flüsterte sie noch, ehe sie eine verwirrte Sakura zurückließ und Naruto folgte, der längst zum Imbiss auf der anderen Seite aufgebrochen war.

„Können wir?“, holte Sasuke sie aus ihren Gedanken und nach kurzem Zögern nickte sie. Ob er wirklich Angst um sie gehabt hatte? Aber musste man deswegen so überschnappen?

Sakura seufzte, schulterte ihre Tasche und lief eilenden Schrittes dem Schwarzhaarigen nach.
 

„Du fährst?“ Ungläubig starrte die Rosahaarige zwischen Sasuke und dem schwarzen Wagen hin und her. „Aber …“

„Nun steig endlich ein. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!“

„Aber … wieso fährst du?“

„Weil einer fahren muss!“, knurrte der Uchiha und ließ sich auf seinen Sitz fallen. „Und bei dir würde ich kaum einsteigen!“

„Kannst du denn fahren? Ich dachte …“

„Ich darf fahren, Sakura! Reg dich ab.“

„Du darfst?“

„Sicher.“ Nun musste der Uchiha doch grinsen, startete gleichzeitig den Wagen und fuhr vom Parkplatz des Flughafens. „Sondergenehmigung.“

„Sondergenehmigung?“ Sakura runzelte die Stirn. „Von eurem Verein, oder was?“

„Verein?“

Das Mädchen blickte aus dem Fenster und plötzlich wurde ihre gespielt empörte Miene trauriger. „Ich weiß doch nichts über euch. Eigentlich“, lächelte sie schwach. „könntet ihr mich genauso umbringen wollen, und ich würde mitten in die Falle tappen …“

Im ersten Moment wusste Sasuke nicht wirklich, was er darauf sagen sollte. Wie kam sie auf so einen Blödsinn? Allerdings, wenn er genauer darüber nachdachte, was wusste sie denn schon über ihn oder Naruto oder Hinata?

Nichts, da hatte sie wohl recht …

„Es ist kein Verein“, sagte er, derweil er seinen Blick aber nicht von der Straße nahm. „Wir gehören mehr einer Abteilung an. Eine Art Sonderabteilung des Militärs, die man Anbu nennt. Speziell gegen die Akatsuki, verstehst du? “

Sakura antwortete erst nicht. Sie sollten zum Militär gehören? Sie waren doch nicht älter als sie! Wie konnten sie da beim Militär sein?

„Hmm“, meinte sie dann. „Und die Akatsuki sind die Bösen … Dann seid ihr also die Guten?“

„So in etwa.“

„Ihr erschieß Menschen“, sagte Sakura und klang betrübt. „Warum erschießen die Guten Menschen?“

„Um andere Menschen zu schützen“, gab Sasuke zurück.

„Und euer Auftrag ist es, mich vor den Akastuki zu beschützen?“

Sasuke nickte. „Das ist unser Auftrag.“

Sakura fuhr innerlich zusammen. Ein Auftrag …

„Dann müssen also meinetwegen Menschen sterben“, meinte sie leise.

Sasuke stockte für einen Moment der Atem. „So hab ich das nicht gesagt!“

„Aber so ist es doch.“

„Das ist Blödsinn, hör mit dem Mist auf!“ Sasuke war dem Mädchen einen strafenden Blick zu. „Wir reagieren nur. Sie töten Unschuldige, und ihnen ist es egal, ob noch andere mit hinein gezogen werden!“

Sakura biss sich unmerklich auf die Lippen. „Aber wir wissen doch gar nicht, ob ich unschuldig bin …“

Sasuke zuckte, als sie das sagte. „Wie meinst du das?“

„Wir wissen nicht, was vor diesem Unfall passiert ist“, sagte Sakura und wirkte gereizter als vorher. „Vielleicht habe ich wirklich irgendwas mit ihnen zu tun. Warum wollen sie mich sonst töten? Sie müssen doch einen Grund haben! Vielleicht habe ich …“

„Es reicht, Sakura!“ Sasuke wurde laut. „Hör auf damit! Das bringt nichts, und es ist dummes Zeug, was du da redest! Solange wir nichts Konkretes wissen, werden wir nicht anfangen zu spekulieren, verstanden?“

„Du kannst mir nichts befehlen! Ich bin nicht in deiner Einheit oder in deiner Abteilung!“

Sasuke knirschte wütend mit den Zähnen, doch er zwang sich zur Ruhe. Sich zu streiten brachte nichts.

„Nein“, meinte er also. „Aber ich will dir helfen. Es wäre nicht schlecht, wenn du etwas mehr kooperieren würdest!“

„Helfen? Vorhin war ich noch ein Auftrag!“

„Hör doch mal auf!“

„Schon gut!“, murrte das Mädchen. „Aber was ist, wenn der Auftrag scheitert? Was passiert dann bei euch in der Abteilung?“

„Was redest du denn!“

„Soll ich es dir sagen?“ Sakura schien wieder mit sich Ringen zu müssen, nicht in Tränen auszubrechen. „Ihr bekommt einen neuen! So einfach ist das!“

Kaum hatte sie das gesagt, war Sasuke auf die Bremse getreten. Sakura hatte sich gegen die Armatur des Wagens drücken müssen, damit es sie nicht vom Sitz schleuderte.

„Nein!“, sagte der Uchiha wütend. „So einfach ist es nicht! Uns ist dein Leben nicht egal!“

„Euer Auftrag ist euch nicht egal, dass ist das einzige! Ihr habt so getan, als wären wir Freunde …“ Sakura wischte sich rasch über die Augen. „Ihr habt nur so getan!“ Aufgelöst schnallte sie sich ab und stieg aus dem Auto. Sie spürte, wie die Tränen kamen, und vor Sasuke wollte sie nicht anfangen zu heulen. Sie befanden sich mitten auf einer menschenleeren Landstraße, längst war es dunkel und das einzige Licht spendete eine entfernte Laterne am Wegesrand.

„Verdammt, steig wieder ein!“ Sasuke war ebenfalls ausgestiegen und lief Sakura verärgert nach. „Das ist nicht der Ort für so ein Theater!“

„Ich hab euch gemocht!“, rief Sakura ohne auf den Uchiha zuhören. „Und ich dachte, ihr würdet mich auch mögen! Ehrlich mögen! Aber ihr habt Theater gespielt! Damit ich euch vertraue, und es mir nicht auffällt, wenn ihr in meiner Nähe seid!“

„Das ist Unsinn!“

„Nein, ist es gar nicht! Ihr habt mich nur …“

„Hör jetzt auf!“ Plötzlich gab Sasuke dem Mädchen eine Ohrfeige. „Red dir den Schwachsinn nicht noch ein! Glaubst du, Naruto oder Hinata hätten dich wirklich angelogen! Schätz du sie so ein?“

Sakura starrte zu Boden, hielt sich die Wange und sagte kein Wort. Die Tränen liefen nun ungehindert. Schätzte sie sie denn so ein? Glaubte sie ernsthaft, dass der chaotische Naruto wirklich nur so getan hatte? Oder die sanfte Hinata?

Sakura schluckte, blieb aber stumm und ging an Sasuke vorbei zurück zum Wagen. Was konnte sie überhaupt glauben, wo doch in den letzten Tagen soviel passiert war?

„Es tut mir leid“, hörte sie plötzlich Sasuke neben sich, als er ebenfalls wieder einstieg und den Motor startete. „Ich wollte nicht …“

„Schon okay“, sagte die Rosahaarige schnell und wandte ihren Blick aus dem Fenster. Sie lehnte ihren Kopf dagegen und schloss die Augen. „Ich hab wohl … einfach die Nerven verloren“, gestand sie zögerlich.

Eine Weile blieb es still, bis Sasuke zu Sakura hinüber sah, die in Gedanken versunken nach draußen guckte.

„Schlaf etwas. Es dauert noch ein bisschen, ehe wir da sind.“

„Hmm“, machte sie nur, und es vergingen ein paar Sekunden, ehe sie zu Sasuke blickte. „Mir muss es leid tun … ich … weißt du, ich …“ Ihr fehlten die Worte und entschuldigend versuchte sie zu lächeln.

„Es ist okay“, gab Sasuke zurück und versuchte ermutigend zu klingen. Noch einen Nervenzusammenbruch wollte er heute nicht haben. Er war absolut nicht der Richtige für so etwas!

„Trotzdem … ich hab mich nicht besonders … erwachsen aufgeführt …“

„Nein“, grinste Sasuke plötzlich. „Ganz und gar nicht. Du hast Naruto in seinem Verhalten alle Ehre gemacht.“

Sakura lächelte etwas mehr, als sie an den Blonden dachte. „Ich wird mir Mühe geben … ich glaub, ich … hab einfach nur irgendwie Angst.“

„Verständlich“, sagte Sasuke.

Sakura sah wieder zum Fenster und blickte in ihr eigenes, verweintes Gesicht. „Ich will noch nicht sterben …“, kam es leise, doch Sasuke verstand ihre Worte ganz genau und beinah wäre er wieder scharf abgebremst.

„Das wirst du auch nicht!“, meinte er fest.

Sakura lehnte sich wieder in ihren Sitz und lächelte den Uchiha traurig an. „Aber im Film geht die Geschichte meistens so aus …“
 

Noch lange machte sich Sasuke über Sakuras Worte Gedanken. Gerne hätte er etwas gesagt, doch er hatte keine Antwort gefunden. Und irgendwann war das Mädchen eingeschlafen.

Es war späte Nacht, als sie Sasukes Haus erreichten. Sakura schien tief und fest zu schlafen und eine ganze Weile blieb der Uchiha einfach neben ihr sitzen, bis er sie schließlich ins Haus trug und in das Gästezimmer brachte, das seinem Zimmer am nächsten lag. Danach ging er wieder in den Vorsaal, aktivierte das Alarmsystem und schaltete in den Zimmern die Lampen an.

Geschafft ließ sich Sasuke auf die Couch im Wohnzimmer fallen. Seine Augen wanderten durch den Raum, der staubig und unaufgeräumt war. Lange war er nicht mehr hier gewesen, sondern hatte in einer Wohnung in Osaka gewohnt. Dieses Haus besuchte er selten, eigentlich nur, wenn er Abstand von allem haben wollte.

Das Haus, das einst seinen Eltern gehört hatte …
 

Sasuke wusste nicht, wann er eingeschlafen war, aber als er die Augen öffnete und ihn das grelle Licht der Sonne blendete, schrak er auf und griff in gewohnter Manier unter das Kissen. Er verfluchte sich selbst, als er seine Pistole nicht fand, bemerkte aber seine unberührte Tasche auf dem Wohnzimmertisch.

Er streckte seine schmerzenden Glieder, stand auf und schlurfte mit schweren Schritten in die Küche. Er hoffte, noch etwas Kaffee zu finden, doch sein Hoffen endete in einer enttäuschten Miene. Er würde heute noch ins Stadtzentrum fahren müssen, denn etwas Essbares gab es ebenso wenig wie seinen benötigten Kaffee. Allerdings würde er sich vorher eine ausdauernde Dusche gönnen, eher würde er dieses Haus nicht verlassen.

Auf dem Weg in den oberen Stock, hielt er bei Sakuras Gästezimmer und lauschte. Vermutlich schlief sie noch, doch ein penetrantes Gefühl beschlich ihn, so dass er die Tür einen Spalt aufschob und ins Innere lugte.

Nicht schon wieder!

„Sakura?“, rief er laut und stürmte im gleichen Moment noch los, um in den anderen Zimmern nachzusehen, doch weder im ersten Stock noch im Untergeschoss war die Rosahaarige zu finden. „Sakura!“, rief er lauter und lieb abrupt vor der Haustür stehen. Mit einem Griff in seinen Rucksack beförderte er seine Waffe zu Tage und ging vorsichtig zum Eingang, öffnete behutsam die Tür und spähte hinaus.

„Gott!“, stieß er aus, steckte die Waffe weg und ging auf das Mädchen zu, das an der Veranda gelehnt stand und hinaus blickte. „Was machst du hier?“

„Gucken“, gab sie ihm zur Antwort ohne sich dabei umzudrehen.

„Seit wann guckst du denn schon?“

„Ich glaube, ich habe noch nie den Sonnenaufgang am Meer gesehen“, meinte Sakura und drehte sich zu dem Uchiha, der erstaunt ihr lächelndes Gesicht betrachtete. „Du hast nicht gesagt, dass du am Meer wohnst …“ Sie sah wieder über das Geländer und zu dem nur ein paar hundert Meter entfernten Strand. „Es ist so schön.“

Sasuke zog die Braue hoch und folgte ihrem Blick. „So toll ist nun auch nicht“, gab er zurück. „Und ich bin hier nicht oft.“

„Wieso nicht?“

Der Uchiha zuckte mit den Achseln. „Ich hab eine Wohnung in Osaka. Dort ist es besser. Das Haus gehörte früher meinen Eltern. Deswegen hab ich noch, ansonsten hätte ich es sicher verkauft.“

„Leben deine Eltern nicht mehr?“

„Nein.“

„Das tut mir leid“, sagte Sakura. „Sind sie schon lange tot?“

„Sehr lange“, antwortete der Schwarzhaarige. „Ich glaube, es sind jetzt 12 Jahre …“

„Waren sie auch …“

Sasuke nickte und nahm Sakura die Frage vorneweg. „Sie gehörten auch zu den Anbu. Die Akatsuki ließen sie ermorden.“

„Bist du ihretwegen nicht oft hier? Weil es dich zu sehr an sie erinnert?“

„Nein. Ich mag es hier nur einfach nicht und das Haus ist viel zu groß für mich. Es macht nur Arbeit. Ich lebe lieber in Osaka. Es hat jedoch ein paar nützliche Funktionen, nur deswegen sind wir hier …“

„Nur deswegen?“ Sakura schüttelte den Kopf und schmunzelte den Uchiha ungläubig an. „Du lügst, nicht wahr?“

„Warum sollte ich lügen?“

Sakura zuckte mit den Achseln, stieß sich vom Geländer ab und ging zurück zum Haus. „Weil du das Leuchten der Sterne bemerkst, auch wenn du auf einem schäbigen Balkon inmitten von Reklametafeln und Leuchtschilder stehst. Deswegen glaube ich dir nicht, dass du die Stadt bevorzugst …“

Dann verschwand sie im Inneren und ließ Sasuke alleine zurück. Er schloss kopfschüttelnd die Augen, sah dann aber doch aufs Meer und begann leicht zu grinsen.

„Hn“, kam es nur, ehe er sich umdrehe und ihr ins Haus folgte.

Ein fairer Handel

Genervt saß Sakura vor dem Fernseher und sah immer wieder zur Uhr. Sasuke war vor einer Stunde in die Stadt gefahren, doch sie hatte nicht mitgedurft. Er war der Meinung, in diesem Haus sei sie sicherer als draußen auf der Straße.

An sich gab Sakura dem Uchiha da Recht. Er hatte ihr sämtliche Alarmsystem des Hauses, dass eigentlich eher verstaubte Villa genannt werden musste, gezeigt und vorgeführt. Ein Eindringen ohne zwanzig zehnstellige Codes zu kennen war schier unmöglich. Zudem waren die Fenster aus kugelsicherem Glas, die Türen und Wände im Inneren aus Stahl und es gab ein duzend Monitore, die alles im und ums Haus herum überwachten.

Und draußen, keine dreihundert Meter entfernt, lag der Strand und das kühle Wasser, zudem Sakura jedoch nicht gehen durfte! Sasuke hatte ihr strikt verboten, dass Haus zu verlassen oder nur mit dem Gedanken zu spielen. Und weil er ihr nicht vertraute, hatte er sie regelrecht eingesperrt!

Nicht, dass sie vor gehabt hätte, ihr eventuelles Wort zu brechen, im Haus zu versauern … nun, vielleicht hätte sie es ihm auch geben sollen … Aber das erste, was Sakura eigentlich gewollt hatte, war im Meer zu schwimmen, und nicht blödsinnige Sendungen zu gucken!

Doch der unnachgiebige Sasuke Uchiha hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht, der so fett war, dass sie nun schmollend im Wohnzimmer hockte und am liebsten irgendwen angeschnauzt hätte! Vornehmlich Sasuke, aber der war ja abgehauen, noch bevor sie die Chance dazu gehabt hatte …

Eine weitere halbe Stunde verging, in der Sakura unruhig auf der Couch sitzen blieb. Doch nach und nach wurde ihr immer langweiliger, und so stand sie auf und ging sich umsehen. Man konnte es kaum schnüffeln nennen, hatte sie ja nichts anderes zu tun und war zudem in diesem Kerker gefangen. Hätte sie eine Wahl gehabt, hätte sie sich sicher anders beschäftigt, jawohl!

Doch sie hatte ja keine Wahl.

„Wie kann man nur so schluderhaft sein?“, fragte sich Sakura, als sie in den Küchenschränken schaute, das Bad inspizierte und bei all dem Staub den Mund verzog.

Und so machte sich sie seufzend ans aufräumen. Vielleicht würde sie sich die Zeit vertreiben können, ehe der Uchiha sie endlich an den Strand ließ …

Der unnachgiebige Sasuke Uchiha aber, für den Sakura im späteren noch viele andere Ausdrücke fand, kam nach Hause, und erlaubte den Strandbesuch dennoch nicht.

„Das ist gemein!“, sagte Sakura, derweil sie vor einer Schüssel Ramen saß, diese jedoch nur böse anstarrte. „Ich will ja nicht lange bleiben …“

„Du kannst an den Strand, wenn Naruto und Hinata auch hier sind“, gab Sasuke zermürbt zurück, immerhin musste er sich ständig wiederholen. Wenn sie nur zu Zweit waren, war es einfach zu gefährlich draußen rumzulaufen, solange sie nichts Neues von den Akatsuki wussten.

„Die kommen aber erst morgen oder vielleicht gar erst übermorgen! Ich kann doch nicht die ganze Zeit das Meer angucken und hier drinnen hocken bleiben!“

„Geh doch in die Badewanne und mach Salz rein“, blödelte Sasuke genervt. Er war hundemüde und wollte eigentlich nur schlafen. Aber wie er Sakura kannte, würde sie ihm vermutlich noch im Schlaf die Zahlenkombination entlocken, nur um ihren Dickschädel durchzusetzen. Zudem gab es wichtigeres.

„Wir gehen nachher in den Keller“, meinte er und konnte sich dabei das Gähnen nicht verkneifen. „Da hast du was zu tun. Und es gibt keine Fenster, also wirst du auch das Meer nicht sehen müssen.“

„Ich geh nicht in den Keller!“, sagte Sakura automatisch. „Und was soll ich da überhaupt?“

„Dein Hirn arbeiten lassen.“

„Mein Hirn?“

„Ja. Kakashi meinte, dass wir deine Erinnerungen am besten ankurbeln können, wenn du dich mit Dingen nun … beschäftigst, die dir scheinbar geläufig sind.“

„Hä? Was für Dinge?“

„Das siehst du, wenn du aufgegessen hast“, brummte Sasuke, vertiefte sich in seine Nudelsuppe und ignorierte die nächsten fünf Minuten, in denen Sakura ihn immer wieder mit Fragen bombardierte …
 

„Nein!“

„Es ist nur ein Versuch, Sakura! Hab dich nicht so affig!“

„Ich habe mich nicht affig, ich fass das Teil nicht an!“ Stur verschränkte das Mädchen die Arme vor der Brust.

„Wir müssen aber sehen, ob du damit umgehen kannst!“

„Kann ich nicht!“

„In der Lagerhalle konntest du es!“, widersprach Sasuke zischend.

Er hatte Sakura in den Keller gebracht, der zwar nur eine Ebene besaß, dafür aber weiter reichte als das Haus selbst. Seine Eltern hatten ihn sicher wie einen Kerker bauen lassen, mit mehreren Räumen, die allesamt andere Funktionen hatten.

Der Raum, in dem sie nun standen, war eine Art Schießplatz, wie man es auf Polizeirevieren kannte. Es gab zwei Stände, und beide führten jeweils auf ein Ziel in etlicher Entfernung.

„Zufall!“

„Das war kein Zufall!“

„Dann war es Glück!“ Sakura wollte nicht nachgeben. Sie fürchtete sich davor, die Pistole, die Sasuke ihr hinhielt, auch nur anzusehen. Sie hatte mittlerweile oft genug erlebt, was für Schaden diese Dinger anrichteten, man hatte auf sie selbst eine gerichtet, und mit einer Pistole hatte sie einem dieser Killer umgehauen, auch wenn sie nur die Seile der Rohre durchschossen hatte.

„Sakura, bitte! Wir brauchen dein Gedächtnis, wenn wir gegen die Akatsuki ankommen wollen!“

„Dann geh ich eben zur Hypnose!“

Sasuke seufzte. „Du musst doch nichts weiter machen, als einmal aufs Pappmännchen zielen. Das reicht vollkommen. Mehr verlange ich ja gar nicht!“

„Neeeein!“, dehnte Sakura ihre Antwort aus. „Vergiss es!“

„In der Lagerhalle hast du doch auch abgedrückt! Und falls ich dich daran erinnern darf, hast du die Waffe sogar auf Kakashi gerichtet! Jetzt tu nicht so, als wenn …“

„Ich tu gar nichts!“ Sakura sah Sasuke wütend an. „Und du musst mich nicht daran erinnern! Ich weiß, was ich getan habe! Und deswegen will ich die nicht anfassen! Außerdem hab ich nur abgedrückt, weil …“ Sakura sich auf die Lippe. Sie hatte wieder schneller gesprochen, als nachgedacht.

„Weil?“

Die Rosahaarige verzog den Mund, blickte dann aber verlegen zu Boden. „Weil ich dachte … Ich hatte Angst, dass der Mann dich sonst erschießen würde …“

„Das hatte er auch vor, Sakura“, sagte Sasuke ernsthaft. „Und es wird immer wieder solche Situationen geben … Umso länger wir unwissend bleiben, umso gefährlicher ist es für uns alle.“

Sakura sah zögernd auf und blickte zu der Waffe in Sasukes Hand. „Nur einmal?“, fragte sie und atmete tief ein.

„Ein paar Mal wäre besser …“

„Du hast gesagt, nur einmal!“

Sasuke stöhnte und hielt Sakura die Pistole entgegen. „Du hältst dich an meine Regeln und dafür gehe ich mit dir zum Strand, klingt das fair?“

Die Rosahaarige blinzelte, verstand erst nicht, was er meinte, doch dann grinste sie schlagartig und nickte. „Das klingt fair!“

„Dann schieß zuerst nur einmal.“

„Einmal? Irgendwohin?“

„Es sollte schon das Männchen treffen, wenn es möglich wäre.“

„Also irgendwo auf das Männchen?“

Sasuke bestätigte wortlos und reichte Sakura die Pistole.

„Kippt das Männchen dann um?“

„Wenn du ihm mit dem Schuss nicht beide Beine abtrennst, nein …“

Sakura musste unwillkürlich grinsen. Ob Sasuke wusste, dass er manchmal wirklich amüsant sein konnte?

Obwohl es ja eigentlich nicht besonders lustig war …

„Gut, dann schieß ich jetzt, ja?“

„Bitte, ja …“

„Und die Kugel prallt auch nicht zurück und kann keinen von uns treffen?“

„Argh“, knurrte Sasuke, griff sich die Waffe und schoss dreimal nacheinander auf die Figur. „Siehst du! Das Teil steht noch und wir haben nichts abbekommen!“

„Du scheinst etwas gereizt zu sein.“ Sakura grinste noch immer. Dann stellte sie sich vor die Markierung und nahm die Waffe entgegen. „Du solltest nachher unbedingt eine große Runde Schwimmen, weißt du? Das entspannt un …“

„Gott, Sakura, jetzt schieß endlich!“

Glucksend peilte Sakura die Figur an, dann drückte sie ab und wandte sich wieder dem Uchiha zu. „Reicht das? Gehen wir jetzt?“

„Verdammt!“ Sasuke kniff die Augen zusammen. „Herrgott Sakura, das Ding hat auch Gefühle!“

„Du hast gesagt irgendwohin!“

„Du hast ihm in die Eier geschossen! Das ist heftig!“

„Sein Pech. Ich hab gemacht, was du wolltest. Und du hast gesagt …“

„Wenn wir hier fertig sind, gehen wir. Jetzt dreimal nacheinander, okay?“

„Dreimal? Und wieder irgendwohin, oder …“

„Nein!“, sagte Sasuke schnell, dem es bei dem Anblick des kastrierten Pappmännchens eiskalt den Rücken runter lief. „Kopf, Herz und Kehle …“

„Das ist ja makaber!“

„Was du da eben gemacht hast, war makaber! Erlös ihn endlich …“
 

In Gedanken versunken saß Sasuke im Sand und sah Sakura zu, die wie ein kleines Kind in den Wellen lag und sich treiben ließ. Nicht nur einmal huschte ein Schmunzeln über sein Gesicht, doch es erlosch, kaum dass er an die Schissübung zurückdenken musste.

Dreimal hatte sie schießen sollen, dreimal hatte sie abgedrückt, und dreimal hatte sie ihr Ziel getroffen. Schnell nacheinander, als hätte sie nie etwas anderes gemacht …

Sakura hatte es nicht weiter beachtet, hatte es nur eilig zu Ende bringen wollen, damit sie an den Strand konnten. Doch Sasuke wusste nicht, was er davon halten sollte. Und immer wieder kam ihn eine Frage in den Sinn, die ihm keine Ruhe mehr ließ.

War es richtig …

Er wusste nichts von Sakuras Vergangenheit, und so wie es sich zurzeit entwickelte, konnte er nicht sagen, ob er sie überhaupt zum Erinnern bringen wollte. Es stand außer Zweifel, dass sie gegenwärtig ein gänzlich anderes Leben führte, und ihm beschlich immer mehr das Gefühl, dass er es ihr nehmen würde, wenn sie sich an früher erinnern sollte. Das Mädchen, dass sie jetzt war, konnte sie damals nicht gewesen sein. Nahm er ihr nicht ihre ganze Unschuld? Ihre Kindlichkeit? Manchmal war sie mehr Kind als Erwachsene. Hatte sie vielleicht nie eine Kindheit gehabt? Warum verstand sie sich im Schießen? Warum in so vielen anderen Dingen, die nicht in ein gewöhnliches Leben passten?

Und dann musste Sasuke wieder an seinen Bruder denken. An die Narbe, die auch Sakura hatte. Hatten sie die Akatsuki auch gefoltert? Rührte diese Narbe daher? Sie würden es wissen, wenn sie sich erinnern sollte.

Aber könnte sie dann noch die Sakura sein, die sie jetzt war? Itachi hatte seine Erinnerungen an jene grausame Stunden bis zu seinem Tod nicht bezwingen können. Und eigentlich war er damals schon im Folterraum der Akatsuki gestorben …

„Hey!“

Unsanft wurde Sasuke aus seinen Gedanken gerissen, als ihn Sakuras grinsendes Gesicht die Sonne nahm.

„Was?“, knurrte er.

„Sei doch nicht gleich genervt! Ich wollte nur wissen, warum du so eine Miene ziehst?“ Die Rosahaarige ließ sich ihm gegenüber in den Sand plumpsen. „Wir sind am Meer, die Sonne scheint und weit und breit keine Killerkommandos. Kannst du nicht mal freundlich gucken?“

Sasuke verzog das Gesicht, ehe er sich rücklings fallen ließ und die Augen schloss. „Du nervst.“

„Du auch“, gab Sakura zurück. „Immer bist du miesepetrig! Deine Laune kann einen echt den Tag verderben!“

„Deine Laune ist nicht besser. Sie ist anstrengend!“

„Wäre es dir lieber wenn ich wieder rumflenne oder mich verkrieche?“

„Möglich. Ich denk drüber nach.“

Sakura seufzte, dann packte sie sich neben Sasuke und sah in den Himmel. „Soll ich dich mal von meiner Lebensweisheit kosten lassen?“

„Das verdirbt mir vermutlich den Geschmack …“

„Idiot!“ Sakura schüttelte im Liegen den Kopf. „Schau in den Himmel.“

„Wozu?“

„Man, nun mach einfach!“

Murrend öffnete Sasuke seine Augen. „Und was sehe ich?“

„Die Wolken.“

„Das soll deine ganze Weisheit sein?“

„Das ist die ganze Weisheit“, lachte sie. „Und solange ich meine Augen öffnen und den Himmel sehen kann, werde ich mich nirgends verkriechen! … Morgen könnte schon alles vorbei sein, weißt du“, kam es um einiges leiser. „Aber das kann ich jetzt noch nicht wissen. Jetzt weiß ich nur, dass ich nicht wissen kann, was morgen sein wird und mir deswegen nicht zu viele Gedanken machen sollte.“

„Du sprichst dem Himmel eine recht große Bedeutung zu, oder?“ Sasuke wusste nicht so ganz, was er dazu sagen sollte.

„Was sonst hat denn eine Bedeutung? Wenn wir ehrlich sind, dann hat mein Leben keine, deines auch nicht, und überhaupt keiner hat wirklich eine Bedeutung. Wir sind kleine Lichter unter einem großen Licht, die irgendwann sowieso ausgehen müssen. Und wenn wir ausgegangen sind, gibt es andere Lichter, die auch irgendwann ausgehen müssen. Alles geht aus, nur der Himmel nicht. Also werde ich mich als kleines Licht einfach an dem großen Licht erfreuen. So einfach ist es.“

Sasuke sah flüchtig zu der Rosahaarigen, ehe er noch einmal in den Himmel blickte. „So einfach soll es sein?“ Das konnte er nicht glauben. Er wollte nicht.

„Nicht immer“, gab Sakura zu. „Aber im Prinzip schon. Weißt du, was ich immer wollte? Oder was ich eben seit ich mich erinnern kann wollte … Ans Meer, irgendwo in einem Haus am Meer sein. Und jetzt bin ich es tatsächlich. Morgen bin ich vielleicht schon unter der Erde, aber heute - “ Sakura schloss genüsslich die Augen. „Heute bin ich am Meer.“

Eine ganze Weile lang ließ sich Sasuke Sakuras Worte durch den Kopf gehen. Er glaubte schon, sie wäre eingeschlafen, doch als er aus den Augenwinkeln zu ihr herüber sah, blickte sie noch immer in den Himmel.

„Wir könnten dich irgendwo verstecken“, entfuhr es ihm plötzlich. „Am anderen Ende Welt, wenn es sein muss. Vielleicht sollten wir deine … deine Vergangenheit einfach sein lassen.“ Es ging nicht, sagte er sich innerlich. Wie konnte er einem Menschen wie Sakura das Leben nehmen?

„Was soll ich denn am anderen Ende der Welt -“, fragte Sakura ruhig. „Wenn meine Freunde hier sind?“

Sasuke wandte seinen Kopf und sah das Mädchen nun unvermittelt an. „Und wenn deine Vergangenheit alles kaputt macht? Wenn du nicht mehr die gleiche sein kannst, die du jetzt bist?“

„Du meinst, weil ich von einem anderen Planeten kommen könnte?“, scherzte sie und erwiderte Sasukes Blick.

„Das ist nicht komisch!“

„Nein. Das ist es nicht …“ Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen. „Aber auch ohne meine Erinnerungen bleibt meine Vergangenheit meine Vergangenheit. Wenn ich mich aus Angst vor ihr nicht erinnern will … wäre das nicht die größte Feigheit überhaupt?“

Darauf wusste Sasuke nichts zu erwidern.

Wehr dich!

Am Abend klingelte Sasukes Handy und Hinata erklärte ihm, dass sie in zwei Tagen kommen würden. Bisher gab es keine Fortschritte in ihren Nachforschungen, aber Kakashi hatte zwei oder drei Ideen, die er allerdings noch nicht verraten wollte.

Von Kakashis Ideen hielt Sasuke nichts, doch das behielt er vorerst für sich. Egal was der Hatake plante, mittlerweile war Sasuke davon überzeugt, für Sakura sei es besser, sich nicht zu erinnern.

Kakashi sah das anders, das wusste er. Seit langer Zeit, wenn nicht zum ersten Mal, gab er seinem Kommandanten nicht Recht.

„Ist das langweilig“, sagte Sakura, als Sasuke wieder einmal in Gedanken versunken war. Es war später Vormittag des nächsten Tages. Er saß auf dem Sessel, derweil sie auf der Couch lag und durchs Fernsehprogramm schaltete. Ab und an nippte sie an ihrem Kaffe, stand auf und ging zum Fenster, ehe sie murrend zurückkam und sich wieder auf das Sofa schmiss. „Und es wird immer langweiliger!“

„Räum doch auf“, schlug Sasuke vor und konnte sich bei ihrem empörten Blick das Grinsen nicht verkneifen.

„Räum doch selbst auf! Ich will zum Strand!“

„Wir gehen heute nicht zum Strand.“

„Ich geh nicht wieder in den Keller“, stellte Sakura klar und zog eine bockige Miene.

Sasuke, der trotz der Diskussion noch in seinen Gedanken zu hängen schien, seufzte auf und sah das Mädchen überlegend an. „Wir sollten deine Reflexe testen.“

„Meine Reflexe? Ich bin kerngesund! Du wirst mir nicht gegen’s Knie hauen!“

„Das meinte ich nicht. Ich meine deine Abwehrreaktionen, wenn du angegriffen wirst.“

„Was willst du da testen? Ich fang an zu heulen, das ist meine einzige Reaktion. Oder ich schreie“ Sakura nickte nachdenklich. „Doch, schreien würde ich vermutlich auch noch.“

„Das ist nicht besonders viel.“ Sasuke überlegte weiter.

„Und wie gedenkst du die zu testen? Soll ich Kugeln abfangen?“ Sakura kicherte bei ihrem Scherz. „Oder mit so einem Tenisballwerfgerät?“

Sasuke sah Sakura übellaunig an. „Wir kämpfen.“

„Hä? Wie, wir kämpfen?“

„Ich greife dich an und du wehrst dich oder weichst aus. Je nachdem.“

Sakuras Augen weiteten sich. „Bist du irre geworden? Ich lass mich doch nicht von dir verprügeln!“

Sasuke runzelte genervt die Stirn. „Ich will dich nicht verprügeln, Sakura! Ich greife dich nur an.“

„Oh wunderbar! Du greifst nur an und die Faust, die ich nach einer Sekunde in der Fresse haben werde, vergessen wir einfach! War ja nur ein Angriff und keine Prügelei ...“ Sakura schnaubte lauthals.

„Ich werde dir nicht ins Gesicht schlagen!“

„Danke! Wenn du mir den Hintern blau schlägst, ist das natürlich was ganz anderes!“

„Ich schlage gar nicht zu! Ich deute nur an, mehr nicht! Ich will nur sehen, ob du in einem ernsten Fall … eine Chance hättest, verstehst du?“

„Nein, versteh ich eigentlich nicht. Und wo willst du das ausprobieren? Hier im Wohnzimmer?

„Im Keller. Es gibt einen …“

„Ich hab doch gesagt, ich will nicht in den Keller! Allerdings …“ Sakuras Gesicht hellte sich auf und grinsend sah sie den Uchiha an. „Am Strand könnte man auch wunderbar …“

„Wir gehen nicht an den Strand!“

„Wir gehen nicht in den Keller!“

Sasuke hätte sich am liebsten die Haare gerauft. „Also gut, okay …“ Er holte tief Luft. „Dann im Garten! Das ist wenigstens nicht so weit vom Haus entfernt.“

Sakura zögerte und verengte misstrauisch die Augen. „Gut“, sagte sie langsam. „Aber wenn wir mit dieser Prügeleiaktion fertig sind, dann muss ich nicht gleich wieder ins Haus!“

„Hier ist es aber am Sichersten! Dass du das nicht kapierst!“

„Entweder so oder gar nicht!“

„Tzz.“

Und dann war es doch Sasuke, der dem Sturkopf nachgeben musste.
 

„Und du versprichst mir, dass du nicht … richtig zuhauen wirst?“ Beunruhigt sah Sakura den Schwarzhaarigen an. Sie waren unweit der Veranda, umringt von hohen Bäumen, die ihnen Schatten spendeten. „Ich möchte nicht so gern mit blauen Augen rumlaufen, weißt du?“

Sasuke stöhnte. „Ich hab dir doch schon tausendmal gesagt, dass ich vorsichtig sein werde! Sieh du nur zu, dass du dir auch wirklich Mühe gibst.“ Er sah das Mädchen wartend an, und als sie zögerlich nickte, ging er in Angriffsposition. Natürlich würde er sorgfältig darauf achten, ihr nicht wehzutun, aber genauso musste er voll und ganz bei der Sache bleiben. Aus irgendeinem Grund konnte Sakura mit Waffen umgehen, und das nicht nur ein bisschen. Es würde ihn nicht verwundern, wenn er mit einmal ihren Fuß im Magen hätte.

„Bereit?“, rief er, und noch bevor sie irgendetwas erwidern konnte, ging er auf sie los …

Drei Minuten lang täuschte Sasuke Faustschläge, Tritte und Haken vor, kam von links und rechts, trieb Sakura vor und zurück, und brachte sie gehörig ins Schwitzen. Was ihre Abwehr anging, so hatte sie ihn nicht enttäuscht. Sie wich seinen präzisen Schlägen aus und blieb durchweg konzentriert. Allerdings, und langsam wurmte es ihn, griff sie nicht zurück, egal wie viele Gelegenheiten er ihr auch bot.

„Greif mich endlich an!“, rief er zwischen zwei heftigen Angriffen, die das Mädchen fast erwischt hätten. „Hör auf dich zurückzuhalten!“ Er holte aus und deutete einen Handkantenschlag an, und es war nicht nur der Wind, der ihre Haare streifte.

„Ich kann nicht!“ Sakura wirkte mittlerweile atemlos, sprang mit einem Satz nach hinten und brachte einigen Abstand zwischen sich und Sasuke. „Hör auf, ich kann nicht!“, schrie sie noch lauter, als er schon wieder hinter ihr her machte und Sakura an einen der Bäume drängte. Schnell wich sie aus und glitt hinter den Baum, doch blieb er an ihr dran und holte erneut aus.

„Wehr dich endlich!“ Er klang wütend, als sie wieder nur auswich. „Sie werden dich auch nicht erst darum bitten!“ Zornig stieß er sich vom Stamm und rannte Sakura nach, die Schutz unter einer dicken Eiche suche. Warum verstand sie nicht, dass die Akatsuki sie mit allen Mitteln jagen würden, dass sie sich wehren musste, wenn sie überleben wollte!

Dass er vielleicht nicht mehr da war, um sie am Ende schützen zu können …

„Hör auf, bitte!“ Sakura liefen längst Tränen über die Wangen. Sie hatte Angst, nicht nur vor einem Treffer. Sie konnte sich einfach nicht wehren, und Sasuke wurde immer rasender, immer zorniger. Glaubte er, sie würde sich einfach nur zurückhalten? Verdammt, sie hielt nichts zurück! Sie wusste nicht, was sie machen sollte, wie sie reagieren konnte! Ausweichen war nicht schwer, ihre Reflexe schienen tatsächlich in Ordnung. Aber angreifen war nicht drin, sie hatte keine Ahnung wie!

„Nicht!“ Sakura konnte sich gerade so vor einem weiteren Schlag ducken, rollte sich nach hinten und stieß rücklings gegen den Baum, als sie sich aufrappelte. Wieder sah sie Sasukes Faust kommen, schrie erneut, dass er aufhören sollte, doch wie ihm Rausch sah er sie fast feindlich an.

Sakura schloss die Augen. Sie hatte keine Kraft mehr …

Ein dumpfer Aufschlag ließ sie zusammen zuckten. Sie hatte die Arme schützend vor ihrem Gesicht, doch sie spürte keinen Schmerz. Hatte er sie gar nicht getroffen?

„Verdammt“, hörte sie Sasukes Stimme so nah, als wäre er direkt vor ihr. Blinzelnd öffnete sie ihre Lider, sagte aber kein Wort, als er kaum zehn Zentimeter vor ihr stand, die rechte Hand gegen den Stamm gelehnt. Er hatte in den Baum geschlagen.

Ihr Brustkorb hob und senkte sich stark, und als Sasuke in ihr verängstigtes Geicht blickte, wurde er sich erst bewusst, was er getan hatte.

„Ich …“, setzte er an ohne sich zu rühren. Er bemerkte ihre Tränen, die noch immer über ihr Gesicht liefen, ihren schnellen Atem, ihren entsetzten Ausdruck …

Was hatte er getan?

„Gott, ich … scheiße, ich wollte nicht …“

„Schon gut“, sagte Sakura hastig und setzte ein falsches Lächeln auf. „Ist ja … ist nichts passiert …“

Sasuke musste mich sich ringen, nicht loszubrüllen. Immer sagte sie schon gut! Auch als ihm neulich die Hand ausgerutscht war … Schon gut, hatte sie nur gesagt. Aber nichts war gut! Fast hätte er sie getroffen, fast vergessen, wen er vor sich hatte!

Und trotzdem brachte er kein Wort heraus.

Sakura löste sich aus ihrer Starre und wollte aus der unangenehmen Lage entweichen, als Sasuke auch den anderen Arm am Baum abstützte und ihr den Ausweg versperrte.

„Warte“, sagte er plötzlich und sah dabei zu Boden. „Es tut mir leid, dass hätte nicht passieren dürfen.“

„Ist … ist wirklich okay, ich …“

„Hör auf immer zu sagen, es wäre okay!“, brauste Sasuke auf und blickte unerwartet in Sakuras gerötete Augen. „Nichts ist okay! Ich hätte dir fast … Verdammter Dreck! Wieso hast du dich nicht gewehrt!?“

Sakura spürte, dass ihre Tränen nicht nachließen und so sah sie verlegen zur Seite. „Ich … ich wusste nicht, wie …“

„Du weißt nicht wie?“

Das Mädchen schüttelte weinend den Kopf. Die Angst, die Sasuke ihr gemacht hatte, war tief gedrungen.

„Nein“, sagte sie leise und sah flüchtig zu ihm, ehe sie wieder den Blick senkte. Er hatte etwas von ihr erwartet, und sie hatte ihn enttäuscht. „Es tut mir Leid …“

Für einen Moment herrschte Stille. Sakura spürte Sasukes Blick auf sich ruhen. Was dachte er? Dass sie schwach war? Das sie niemals alleine überleben würde?

„Gott“, stieß er aus, und plötzlich zog er Sakura an sich, die vor Schreck erstarrte. Er konnte nicht erklären, warum er sie so unerwartet an sich drückte, doch er hatte es nicht mehr verhindern können. Sein Körper hatte ohne sein Einverständnis reagiert.

„Ich wollte dir keine Angst machen“, sagte er einige Sekunden später. „Das war nicht meine Absicht.“

Sakura erwiderte nichts, traute sich kaum zu atmen. Noch immer fühlte sie ihre Lähmung, die jedoch langsam wich und einem völlig anderem Gefühl platz machte. Einem Gefühl, dass so viel schöner war und ihre eine Wärme gab, die sie aus ihrem jetzigen Leben nicht kannte.

„Lass uns rein gehen“, sagte der Uchiha jäh und löste seine Umarmung. „Wir sollten etwas essen.“

Sakura nickte, obwohl ihr überhaupt nicht danach war, doch dann folgte sie Sasuke ins Haus. Auf der Veranda blieb sie noch einmal stehen und sah sich verwirrt um, ehe seine Stimme sie nach drinnen rief.

Unbemerkt blieben die Augen, die sie aus der Ferne beobachtet hatte.

Schreie aus dem Innern

„Das gibt’s doch nicht“, fluchte Sasuke in den Kühlschrank, klopfte grob dagegen und fluchte erneut. „Kann hier denn nichts funktionieren?“

Sakura, die den boshaften Ausrufen des Uchiha gefolgt war, grinste vor sich her. „Ist er kaputt?“

„Keine Ahnung, ich bin ja kein Elektroniker. Aber das ganze Essen hier drin ist zerlaufen. Ich will gar nicht in den Tiefkühler … Sakura!“

„Oh!“ Kaum hatte Sakura die Tür des Gefrierschrankes geöffnet, kam ihnen eine Ladung Wasser entgegen. „Himmel, ist das kalt!“ Schnell hüpfte sie beiseite, doch waren ihre Socken längst durchnässt.

„Deswegen solltest du den ja auch zu lassen!“, brummte Sasuke, schloss die Türen und ließ sich auf einen Stuhl fallen, um seine getränkten Socken ebenfalls auszuziehen.

„Das hast du nicht gesagt.“

„Ich wollte, aber du warst ja schneller.“

„Und nun?“ Sakura hatte keine Lust auf die Schuldigenfrage. „Kannst du den reparieren?“

Sasuke schüttelte den Kopf und sah zur Uhr. „Ich fahr in die Stadt. Du kannst ja in der Zeit das Wasser aufwischen.“

„Wie bitte?“

Der Schwarzhaarige grinste leicht bei Sakuras empörter Miene. „Du hast es rausgelassen, oder? Und außerdem hast du so was zu tun und kommst nicht auf dumme Gedanken!“

„Tzz!“ Das Mädchen warf ihm einen verärgerten Blick zu, seufzte dann aber und ließ sich ergeben an den Tisch fallen. „Wann bist du zurück?“

„Ich bleib nicht lang“, sagte Sasuke und sah noch einmal zur Uhr. „Gegen drei bin ich wieder da. Und morgen kann sich Hinata den Kühlschrank ansehen. Die hat Ahnung von so was.“

Sakura nickte. Das sich Hinata damit auskannte, überraschte sie nicht. Die ruhige Hyuuga hatte sicherlich einige verborgene Talente, die man ihr nicht zutraute.

Als Sasuke sich ein paar Minuten später verabschiedete, sah Sakura genervt auf die Wasserlache. Da hatte sie wieder einmal den Hauptgewinn abgegriffen …
 

Es war bereits halb drei und gähnend zappte Sakura durchs Fernsehprogramm. Das Wasser hatte sie aufgewischt, war danach duschen gewesen und anschließend ins Wohnzimmer gegangen, um dem Wetterbericht zu lauschen. Der war seit einigen Minuten vorbei und ein nur zu bekanntes Gefühl machte sich in Sakura breit.

Langeweile …

Sie schlürfte zum großen zweitürigen Fenster und blickte nach draußen. Die Sonne schien, würde sich auch in den nächsten Tagen nur von ihrer besten Seite zeigen, und das Meer ging ruhig, genau wie gestern. Am liebsten würde sie jetzt einfach durchs Fenster klettern und zum Strand gehen, Barfuss durch den feuchten Sand laufen und in den leisen Wellen schwimmen. Sie seufzte und ging sie in den Vorsaal …

Eine ganze Weile starrte Sakura auf den Zahlenblock, der sie von der erfrischenden Nässe trennte. Sasuke hatte ihr erklärt, wie das Codesystem funktionierte, wann der Alarm anging und wie sie es ausschalten konnte. Allerdings hatte er ihr nicht den Code gesagt, mit dem sich die Tür von Innen öffnen ließ. Sie wusste, wie man von Außen hineinkam, aber anders herum hatte sie keine Ahnung. Und falls sie dreimal eine falsche Zahlenkombination eingeben würde, spränge das System sowieso an und würde ihn per Satellit benachrichtigen.

Sakuras Kehle entrann ein genervtes Stöhnen, als sie an das blaue herrliche Meer und die wärmende Sonne dachte. Sie aber war eingesperrt wie ein Löwe im Käfig, konnte in die Freiheit blicken, der Gefangenschaft aber nicht entkommen. Und eigentlich hatte Sasuke ja auch vollkommen Recht. Es war und blieb gefährlich, auch wenn sie hier niemand erwartete. Niemand wusste von diesem Haus, wie er ihr erzählt hatte. Seinen Eltern hatte es als Zufluchtsort gedient, nie aber als Haupthaus. Kein Akatsuki würde sie hier vermuten, am Rande der Einöde Gobós. Und sollte sie jetzt wirklich irgendwie nach draußen kommen, wäre Sasuke vermutlich sehr wütend. Er würde fluchen und schreien, sie anmeckern und ihr Vorträge halten. Darauf hatte sie wirklich keine Lust.

Und trotzdem schloss Sakura die Augen und versuchte sich an die Zahlenkombination zu erinnern. Sie hatte nicht gesehen, wie Sasuke sie eingegeben hatte, wohl aber gehört. Jede Zahl hatte einen eigenen unmerklichen Ton und mit etwas Glück …

Fünf Minuten später stand Sakura grinsend auf der Veranda und schüttelte amüsiert den Kopf. Was auch immer sie in ihrer Vergangenheit gemacht hatte, ein paar nützliche Tricks hatte sie scheinbar im Unterbewusstsein behalten. Das Knacken eines 11stelligen Codes war gar nicht so schwer, wie man glaubte.

Etliche Minuten blieb Sakura auf der verholzten Terrasse stehen und genoss ihren Sieg, doch langsam beschlich sie eine gänzlich andere Empfindung: Es war ihr Gewissen …

Natürlich hatte Sasuke kein Recht, sie einzusperren. Aber er machte sich nur sorgen und wollte verhindern, dass ihr etwas passierte. Auch wenn es hier keine Gefahr gab, so brachte sie sich und andere in Schwierigkeiten, die nicht sein mussten. Und niemand wusste, woher die Akatsuki ihre Informationen bezogen. Sasuke hatte ihr erklärt, dass es eine Menge gab, was diese Kerle in Erfahrung bringen konnten. Das bedeutete auch, dass die Möglichkeit bestand, sie hier aufzuspüren ...

Klasse. Kaum hatte sie ihre Freiheit erreicht, machte sie sich selbst einen Strich durch die Rechnung. Deprimiert ging sie ins Haus zurück und verriegelte die Tür. Und was nun?

Sakura entschied sich für den Wetterbericht Teil 2.

Gegen zehn vor Drei war sie jedoch von der anhaltenden Sonne bedient, die sich in Japan breit machte. Die Regenschauer in China interessierten sie weniger und der Orkan, der über Ostamerika zog, bewegte sie auch nicht sonderlich. Sie schaltete einige Kanäle durch, bevor sie unerwartet auf die Hausinternen stieß.

Sakura grinste, als sie die Aufnahmen der Kamera aus Sasukes Schlafzimmer fand. Unordentlich lag alles auf dem Boden verstreut. Sie lachte belustigt auf. Das sollte sie mal machen, wenn er dort drinnen war, kam es ihr in den Sinn, wurde augenblicklich rot und erschauderte bei dem Gedanken, wenn er es herausfinden würde. Abgesehen davon, dass er ziemlich zornig wäre, würde es auch furchtbar peinlich für sie sein. Ein belustigtes Kichern entfuhr ihr. Sie war doch auch nur ein Mädchen, und Sasuke ein recht stattlicher Kerl. Jede andere hätte das sicher längst mal probiert …

Allerdings war sie kein Spanner, und wollte auch gar keiner sein! Das war privat und ging sie nichts an. Schnell schaltete sie weiter.

Sie sah sich die Kamerabilder der Küche an, die des Kellers und dann die aus dem Zimmer, dass sie derzeit bewohnte. Hoffentlich hielt Sasuke genauso viel von Privatsphäre wie sie, es wäre nur zu Unfair, wenn er sich diesen Spaß längst gegönnt hätte!

Aber so einer war Sasuke nicht, darauf hätte sie alles verwettet. Schließlich schaltete sie die Programme wieder runter, fuhr zusammen und ging noch einmal zu dem Programm, dass Sasukes Zimmer zeigte. Oh Gott …

Fast gleichzeitig wie Sakura die geöffnete Tür sah, die zuvor geschlossen war, die Person die in Sasukes Kommoden wühlte, sprang sie auf, rührte sich aber keinen Schritt. Schrecken, jähe Panik überkam sie.

Es war jemand im Haus, und sie hatte ihn vermutlich reingelassen!

Atemlos starrte Sakura sekundenlang auf den Bildschirm und sah dem Fremden zu, wie er Sasukes Sachen durchsuchte. Er wühlte in seiner Wäsche, warf Dinge durcheinander und sah sich penibel in dem Zimmer um.

Dann bemerkte er die Kamera und es war, als sehe er Sakura direkt an.

Sakura ließ augenblicklich die Fernbedienung fallen, stürmte zu ihrem Handy und wollte schon zum Vorsaal, als sie Schritte hörte, die die Treppe hinunter kamen.

Er war auf dem Weg zu ihr! Er wusste, wo sie war …

Sakura drehte abrupt um und rannte den Gang entlang. Der Keller, dachte sie. Sie musste in den Keller, Sasuke anrufen und sich dort verstecken! Der Keller war sicher, hatte er gesagt. Er war sicher, und dort gab es genügend Räume die sich abschließen ließen. Dort gab es …

Sakura wäre beinah in die Tür gerannt, als sie an die verschlossenen Waffen dachte, die dort aufbewahrt wurden. Natürlich hatte Sasuke ihr den Code gesagt. Gesagt, sie solle niemals zögern, wenn es ums Überleben ging. Sie musste nicht abdrücken, dazu konnte sie keiner zwingen. Aber allein eine Waffe gegen einen Feind zu erheben, würde ihr vielleicht genügend Zeit geben, einen Plan zu fassen, auf Hilfe zu warten, oder wenigstens mit seinem Leben abzuschließen.

Sie riss die Kellertür auf, rannte die Treppen hinunter und wählte gleichzeitig Sasukes Nummer. Es klingelte zweimal, doch kaum dass sie seine Stimme hörte, gleichzeitig am Ende der Treppe ankam, brach die Verbindung ab.

Bitte nicht …

Sakuras Herz setzte fast aus, ihr Atem jedoch raste, als sie vor dem verschlossenen Schrank stand, hinter dem drei Pistolen hingen. Sie tippte die Zahlen ein. Gott! Sie wusste die letzte Zahl nicht mehr! Hastig gab sie irgendetwas ein, doch das klirrende Geräusch verhieß nichts Gutes. Er kam hinunter …

Sie ließ den Schrank stehen, sah sich um und lief in einen kleinen Raum, der hauptsächlich als Abstellkammer diente. Er war kaum groß genug, um dort noch Platz zu finden, aber trotzdem hetzte sie hinein, löschte das Licht und schloss von Innen ab.

Sakura hatte den Atem angehalten und traute sich kaum zu bewegen. Sie schluckte lautlos und horchte in die Dunkelheit. Um sie herum war es finster, aber in den Gängen des Kellers brannte überall Licht.

Sie hörte Schritte …

Sie sah auf ihr Handy, dass sie unter ihrem T-Shirt versteckte, damit das Licht nicht auffiel, doch noch immer hatte sie keinen Empfang. Es war nach drei, Sasuke musste bald zurück sein, oder? Er würde sie finden, den Killer vertreiben und sie dann anschnauzen, weil sie die Tür offen gelassen hatte. Sie hätte es verdient und würde ihm versprechen, es nie wieder zu tun.

Und sie würde sich dran halten! Nie mehr würde sie Mist machen oder gedankenlos handeln! Sasuke sollte nur schnell kommen und ihr helfen …

Doch Sasuke kam nicht. Minuten vergingen und Sakura liefen stumme Tränen über das Gesicht. Ihr Herz pochte wie wild, schmerzhaft drückte es gegen ihren Brustkorb. Würde die Tür einem Angriff standhalten? War die Tür im Inneren auch aus Stahl? Oder war es Holz, wie die Verkleidung?

Holz würde sie nicht retten. Holz würde zersplittern, wenn der Mann dagegen trat. Er könnte das Schloss aufschießen. Er würde herzhaft lachen, sie auf den Gang zerren und eine Kugel in den Kopf jagen.

Sakura kamen grausame Bilder in den Kopf. Ino und sie hatten die schauerlichsten Filme gesehen. Sie spürte die Schmerzen der Filmopfer fast selbst. Spürte, wie es sich anfühlte, wenn jemand einen anderen die Knochen brach, wenn jemand nach einen anderen Trat, immer und immer wieder. Sie hörte das Brechen, hörte das Ausholen des Fußes. Sie hörte Schreie, die nicht ihre waren. Aber es waren auch keine Schreie fremder Menschen. Waren es doch ihre eigenen?

Sakura zitterte am ganzen Leib. Sie hatte Angst, dass Zittern wäre zu hören, und so versuchte sie sich zu beruhigen. Doch die Schreie ließen nicht nach. Wem gehörten die Schreie? Wer schrie? Sie war es nicht. Es war eine andere Stimme. Jünger? …

Sakura dachte an Naruto und Sasuke. Doch der Schrei kam von einem Mädchen, oder einem Kind? Hinata? Schrie sie? Nein, nicht Hinata. Doch woher hatte Hinata diese Narbe? Hatte sie geschrieen, als sie ihr zugefügt worden war?

Sakura dachte an ihre Narbe und griff sich unwillkürlich an die Seite. Niemand wusste, woher diese Narbe stammen konnte. Kein Arzt hatte ihr Auskunft geben können. Sie sei älter, hatten sie gesagt. Vielleicht aus ihrer Kindheit? Hatte sie schon einmal einen Unfall gehabt? Hörte sie ein Kind schreien?

Sie schaffte es, die Schreie aus ihrem Kopf zu verbannen. Ihre Aufmerksam galt nun einzig und allein dem, der im Haus war. Gehörte er zu den Akatsuki? Was hatte er in Sasukes Zimmer gesucht?

Er würde sie erschießen. Würde er ihr vorher wehtun? Sie wollte nicht, dass man ihr wehtat. Sie wollte lieber schnell sterben, und nicht langsam. Kakashi hatte geglaubt, sie würde ihn langsam sterben lassen wollen … sollte sie auch langsam sterben? Würden die Akatsuki sie Foltern?

Folter …

Sakura schüttelte sich. Was für ein Wort, was für ein Gedanke! Wie konnten Menschen anderen Menschen so etwas antun? Lieber würde sie sich selbst töten, als jemals gefoltert zu werden!

Und wieder sah sie die grausamen Bilder aus den Filmen mit Ino. Auch dort hatte es Folter gegeben. Die Bösen hatten Menschen qualvoll hingerichtet. Manchmal nicht einmal das. Manchmal hatten sie sie am Leben gelassen. Noch schlimmer …

Sakuras Zittern ließ nach, auch die Bilder verschwanden. Draußen auf den Gängen war nichts zu hören.

Sakura atmete aus. Sie sah aufs Handy. Kein Empfang und es war längst halb Vier. Warum kam Sasuke nicht?

Neue Bilder. Sakura musste sich die Hand vor den Mund halten, um nicht zu schreien. Sasuke war tot. Sie sah ihn in Gedanken wie er in der eigenen Blutlache lag. Der Unbekannte hatte ihn ermordet. Zerstückelt. Er war tot, sie hatte ihn sterben lassen.

Hastig stand Sakura auf. Sie musste nach oben, sie musste zu Sasuke! Er war in Gefahr, er kam ahnungslos nach Hause! Der Killer würde ihn überraschen, würde ihn von hinten erschießen, ohne dass er eine Chance hätte. Er würde ihn töten.

Und sie war Schuld!

Ohne nachzudenken, ohne sich zu fürchten öffnete Sakura die Tür. Sie lief zur Kellertreppe, stürmte nach oben. Überall glaubte sie, Sasuke antreffen zu müssen. Irgendwo würde er sein. Oder hatte der Fremde ihn längst …

Sakura lief ins Wohnzimmer, doch nirgends war jemand. Erst das Rauschen des Fernsehers ließ sie wieder zu sich kommen. Sie wandte den Blick, sah in das Gerät. Kanal 34 war eingestellt. Eine Aufnahme der Kameras. Sie sah das Wohnzimmer, sah sich selbst, wie sie in den Fernseher blickte.

Und sie sah den Killer, der hinter ihr stand …

Kaltes Herz

Mit geweiteten Augen drehte sich Sakura um. Der Mann stand keine vier Meter von ihr entfernt, kam mit großen Schritten durchs Zimmer und sah Sakura lächelnd an, als er vor ihr stehen blieb.

„Hallo Mädchen.“ Er legte den Kopf schief und zeigte dabei seine Zähne. Einer der vorderen fehlte, daneben blitzte ein vergoldeter Zahn. „Ich hab dich gesucht.“

Sakura rührte sich nicht, sondern sah voller Schreck in das Gesicht des Unbekannten. „Wer … wer sind sie?“

Der Kerl kratzte sich mit seiner Pistole am Kopf, dann zuckte er mit den Schultern. „Geh dich das was an? Wer bist du?“

Sakura zuckte zusammen. „Sakura …“, flüsterte sie. Er wusste nicht, wer sie war? Aber warum? Gehörte er nicht zu den Akatsuki? Kein Killer?

Keiner von ihnen, fuhr es Sakura durch den Kopf. Er war ein Verbrecher, aber keiner von ihnen. Ein Dieb? Räuber? Raubmörder?

„Sakura. Ein schöner Name. Hallo Sakura …“, grinste er und entblößte noch mehr seiner Zähne. „Du hast hier ein großes Haus.“ Er schüttelte sich, als stehe er unter Ekstase. „Wo versteckst du dein Geld, hm? Sag’s mir lieber gleich, ich bekomm es sowieso raus.“

„Ich hab kein Geld“, wisperte sie und biss sich dabei auf die Lippen. „Wo ist Sasuke?“ Sie sah an dem großen Mann vorbei, sah auf seine Kleidung. Kein Blut. „Wo ist er?“

„Wer ist Sasuke? Der Kerl, der vorhin abgehauen ist? Ist das dein Lover?“

Sakura erstarrte, atmete unmerklich auf. Er war nicht tot! Er hatte Sasuke nicht erwischt!

„Ich red mit dir, hörst du?“, zischte der Fremde plötzlich und hielt Sakura die Waffe an den Bauch. „Kommt der wieder? Wann?“

„Ich … ich weiß nicht …“ Sakura schluckte, als sie das kalte Metall an sich spürte. Trotz ihres Shirts fühlte sie den nahen Tod. Aber er würde schnell kommen, kam es ihr in den Sinn. Der Mann wollte Geld. Er würde ihr nicht wehtun. Er würde sie einfach nur töten und schnell verschwinden. Keine Schmerzen …

Der Gedanke beruhigte sie auf eine furchtbare Art.

„Dann denk gut nach, Mädchen. Es wäre besser …“

„Ich weiß wirklich nicht. Er wollte nur in die Stadt und …“

„Und wo ist das Scheiß Geld?“, unterbrach sie Mann. „Wo versteckst du es!“

„Hier ist kein Geld!“ Sakura erzitterte bei seiner wütenden Miene und machte einen Schritt rückwärts. „Das Haus gehört mir nicht, und es gibt hier kein Geld!“

„Dreckiges Luder, du lügst! Gib mir das Geld, ich sag dir, ich jag dir die Kugel in den Kopf!“

„Mach doch, Scheißkerl!“, schrie Sakura zurück, derweil ihr heftige Tränen hinab fließen. „Dann schieß doch einfach! Du wirst trotzdem kein Geld kriegen! Hier ist keins, kapiert?“

Plötzlich grinste der Mann, und Sakura schrie panisch auf, als er nach ihr griff und ihr die Hände auf den Rücken drehte. Er schob sie vorwärts und drückte sie hart gegen die Wand. „Dann eben kein Geld“, lachte er und quetschte ihr dabei die Hände zusammen, so dass sie schmerzhaft keuchte. „Wenn ich keine Kohle sehe, dann muss ich mich mit dir vergnügen, so leicht machen wir das. Fällt dir wirklich nicht ein, wo du es versteckst? Ein so großes Haus, ich weiß dass du mich verarschst!“

„Tu ich nicht“, wimmerte Sakura, spürte wie der Kerl ihre Hände zusammenband und schrie erneut auf, als er sie zur Couch zog. Sie wehrte sich, versuchte zu treten und ihre Hände aus dem Seil zu bekommen, doch der Mann lachte nur.

„Kauf dich doch frei. Noch ist es nicht zu spät.“

„Schweinehund“, keifte Sakura, und unerwartet erwischte sie den Mann zwischen den Beinen. Er krümmte sich, und fluchtartig drehte sie sich weg um zur Tür zu stürmte.

„Bleib hier!“, donnerte er, riss sie zu Boden und drückte sie mit seinem Gewicht auf den Teppich. „Jetzt bezahlst du, Miststück!“ Er zerrte an ihrem Oberteil, zerriss es halb und presste sich zwischen ihre Beine. Sakura schrie so laut sie konnte, doch er hielt ihr die Waffe an die Stirn und lächelte vielsagend. Durch denn Schleier ihrer Tränen sah sie, wie er sich die Hose öffnete, während er die Waffe weiterhin auf sie richtete. „Ich hoffe du bist gut, Mädchen! Du musst das wieder gut machen, verstanden?“

Sakura zappelte nicht mehr, schloss die Augen und blieb erstarrt. Es würde wehtun, dachte sie. Er würde ihr wehtun, und sie konnte es nicht verhindern. Die Schreie in ihrem Kopf wurden lauter. Die Stimme kräftiger. Es war nicht ihre Stimme. Sie würde nicht schreien …

Sie sah auf, als sie die Finger des Mannes an ihrer Hose wahrnahm. Sie sah in sein dreckiges Gesicht, und dann sah sie an ihn vorbei. „Wichser“, sagte sie unerwartet, und der Fremde blickte unheilvoll auf.

„Wie war das?“

„Sie hat Wichser gesagt“, hörte man Sasukes Stimme hinter ihm.

Der Mann fuhr zusammen, wollte auf springen, doch noch im gleichen Moment durchlöcherte die Kugel sein Hirn.
 

Sakura hielt die Augen geschlossen. Sie hatte in Sasukes Gesicht gesehen, seinen emotionslosen Ausdruck. Wie ein Killer, war es ihr eingefallen. Auch er war ein Killer.

Sie hatte seine Augen gesehen. Es waren einzig seine Augen, die Gefühle gezeigt hatten. Wut. Mehr noch. Hass. Tödlichen Hass.

Sakura hatte gewusst, dass er den Mann erschießen würde. Sie hatte die Augen geschlossen, um es nicht sehen zu müssen. Dann hatte sie auf das dumpfe Geräusch der schallgedämpften Pistole gewartet.

Sie hatte nicht lange warten müssen. Der schwere Körper des Mannes traf sie nicht. Sasuke musste ihn vorher zur Seite gestoßen haben.

Nun lag sie da, rührte keinen Muskel und traute sich nicht, die eigenen Augen zu öffnen. Sasukes Wut musste auch sie treffen. Er würde sie nur nicht erschießen …

Es verging nicht viel Zeit, da spürte Sakura wie er sie nach oben zog und ihre Hände losband. Das Donnerwetter blieb aus. Sie hoffte, dass es noch kommen würde, aber es kam nicht. Als Sakura ihre verweinten Augen öffnete, ging Sasuke schon ins Wohnzimmer. Eine schlimmere Verachtung gab es nicht, und als ihr ein leises Schluchzen entfuhr, versuchte sie es mit der Hand zu unterdrücken.

Sakura nahm die Waffe, die neben dem Toten lag und ließ sich an der Wand gegenüber hinunter. Sie schoss solange, bis das Magazin leer war.

Der Kopf des Fremden war nicht mehr zu erkennen und überall floss sein Blut. Sakura wischte es sich aus dem Gesicht, dann erst begann sie wieder zu weinen. Lautlos liefen die Tränen, und voller Abscheu sah sie auf den Mann, der nun unkenntlich war. Sie würde ihn vergessen können. Würde sich nicht an ihn erinnern müssen. Zumindest nicht an sein Gesicht …
 

Sie wusste nicht, wie lange sie neben der Leiche inmitten der Blutlache gesessen hatte. Irgendwann kam Sasuke, nahm ihr die Waffe aus der Hand und wollte sie hochziehen, doch sie schrie und wehrte sich, als wäre er nur ein weiterer Verbrecher. Wortlos hielt er inne und sah ihr zu, wie sie weiter schrie und weinte. Als Sakura ihre Kraft verließ, packte er sie und hob sie auf die Arme. Auch jetzt sagte er kein Wort, sondern trug sie stumm die Treppe hinauf und brachte sie ins Bad. Das Blut klebte nun auch an ihm.

„Geh duschen“, sagte er, blieb aber stehen und machte keine Anstalten nach draußen zu gehen. Sakura jedoch bewegte sich nicht. Seine Stimme war eisig, befehlend. Sie sah ihn nicht an, doch sie wusste, wie zornig sie seine Augen fixieren mussten. Angewidert? Das bestimmt auch.

„Ich bleibe hier“, sagte Sasuke weiter. „Ich hab keine Lust, dass du wieder Scheiße baust oder abhauen willst.“

„Ich …“ Sakura musste schlucken. Ihre Kehle brannte. „Ich wollte nicht weg. Ich bin wieder rein, wirklich …“ Es war kaum zu hören, doch sie musste es erklären. „Ich wusste nicht, dass er rein ist.“

„Das macht die Sache nicht besser“, kam es kühl. Sasuke drehte sich um und sah zur Wand. „Wenn ich könnte, würde ich den Auftrag abgeben … Es hat keinen Sinn, wenn du nur Mist im Kopf hast!“

Wie eine verbale Ohrfeige schlugen die Wörter auf das Mädchen ein. Sie fuhr zusammen, biss sich auf die Unterlippe und wischte sich die Tränen weg, die lautlos zu Boden fielen. Bestürzt stand sie in dem großen Bad, die Kleider blutbesudelt und das Gesicht tränenüberlaufen. „Ich wollte wirklich nicht …“

„Spars dir einfach“, sagte Sasuke. „Ich warte draußen. Schließ nicht ab, verstanden?“

Dann ging er aus dem Raum.

Sakura bewegte sich und drehte den Schlüssel um.
 

Sie saß einfach nur da, die Knie angewinkelt und die Arme um sie geschlungen. Ihr Kopf lehnte gegen die kühle Badewanne, ihre Augen sahen ins Nichts. Es war zuviel. Es war einfach alles zuviel. Noch nie hatte sie sich so elend gefühlt. So allein.

Sakura musste an Ino denken, die ihr ruhiges Leben lebte und irgendwo in London von einer Modenschau zur anderen tanzte. Ob sie selbst einmal auf dem Catwalk laufen durfte? Wie oft schon hatte sie ihre Mutter darum angebettelt.

Dann dachte Sakura an Naruto und Hinata. Das ungleiche Pärchen, das doch so gleich war. Ein Herz, das in beiden schlug. Das gleiche warme Herz. Naruto, der tollpatschige Chaot, der kein Blatt vor den Mund nahm, und Hinata, die schüchterne junge Frau, in der soviel mehr steckte, als sie preisgab.

Und Sasuke? Hatte er ein Herz? Warum war er so gemein gewesen? War das überhaupt noch gemein? Für ihn war sie nur ein Auftrag. Ein lästiger, nervender Auftrag …

Was war er für sie? Ihr Beschützer, ihr Retter. Der, der ständig an ihrer Seite war. Der auf sie aufpasste. Der, den sie enttäuscht hatte …

Er wollte sie loswerden, das hatte er gesagt. Er musste sie verabscheuen. Zu Recht?

Zu Recht …

Sakura sah trüb auf und blickte zur Uhr, die über der Tür hing. Seit einer halben Stunde ließ er sie in Ruhe. Er hatte nichts gesagt, als sie die Tür doch abgeschlossen hatte. Hatte nicht geklopft, das Schloss nicht zerschossen. Vielleicht war er gegangen und hatte sie zurückgelassen …

Sie senkte den Kopf und legte ihn auf die Knie.

Etwas später hörte sie das klirrende Geräusch, und den Zweitschlüssel, der schließlich die Tür öffnete. Vielleicht würde er sie jetzt erschießen, damit er Ruhe vor ihr hatte. Vielleicht anschreien, sie aus dem Haus werfen und sich selbst überlassen.

Vielleicht.

Doch als sie plötzlich spürte, wie er sich neben sie zu Boden ließ, wie er nach ihr griff und an sich zog, war viel Schlimmer als alles andere. Sie stieß sich nach vorne, wollte ihm entkommen, doch er hielt sie einfach fest. Ihr Wimmern wurde stärker, ihre Angst wandelte sich in Panik und heftig versuchte sie sich aus seiner unbeugsamen Umarmung zu befreien.

Irgendwann verließ sie die Kraft. Sie verlor den Kampf und ließ zu, dass Sasuke sie an sich drückte. Sie vergrub ihr Gesicht in seinem Shirt und weinte jene Tränen, die aus ihrem tiefsten Innern kamen.

Minute für Minute blieben sie so sitzen. Die Stille wurde immer stiller und ließ auch Sakuras Schluchzen verstummen. Sie hörte auf zu weinen, klammerte sich an Sasuke wie an eine rettende Boje und merkte nach und nach, wie immer mehr Ruhe in ihren zitternden Körper drang. Seine Ruhe …

„Es tut mir leid“, hörte sie in unerwartet sagen. „Ich habe es nicht so gemeint. Dass der Kerl dich fast … ich war sehr wütend, aber ich hätte es nicht an dir auslassen dürfen …“

Plötzlich öffnete jemand die Haustür im Untergeschoss und Sakuras Augen weiteten sich vor Schreck. Sasuke jedoch rührte sich nicht, und so blieb sie still. Sie vertraute ihm …

Als Hinata in der Badezimmertür auftauchte, sah Sakura wirr auf. Sie war hier?

„Gott, Sakura …“ Die Hyuuga versuchte die Fassung zu bewahren, als sie das Mädchen an Sasuke kauernd sitzen sah, durchquerte rasch den Raum und beugte sich zu ihr hinunter. „Sakura?“, fragte sie vorsichtig, als Sasuke Sakura schon auf half und Hinata sie gleich in die Arme schloss.

Sakura musste mit den aufkommenden Tränen kämpfen, doch Hinata wiegte sie beruhigend hin und her. Naruto blieb in der Tür stehen und traute sich keinen Schritt weiter. Sasuke hatte sie benachrichtigt und so schnell es möglich gewesen war, waren sie aufgebrochen.

Das hätte nicht passieren dürfen …

„Wir duschen dich erst mal, hmm?“ Hinatas leise Stimme klang sanft und ließ Sakura leicht nicken. Die Schwarzhaarige blickte zu Naruto und Sasuke, deutete ihnen zu verschwinden und schloss hinter ihnen die Badezimmertür. Dann half sie Sakura aus den blutigen Sachen.

Immerzu versuchte Hinata sie aufmunternd anzulächeln. Doch diesmal viel es auch ihr nicht leicht.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Sakura schlief fast bis zum nächsten Morgen. Als sie die Augen öffnete fühlte sie sich um einiges besser wie am Tag zuvor. Sie richtete sich auf und sah traurig auf die schlafende Hinata, die am Schreibtisch neben ihr lag. Hatte sie die ganze Nacht bei ihr gesessen?

Leise kroch sie aus dem Bett, zog sich rasch an und tapste durch die dunklen Flure ins Erdgeschoss. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch lange würde es nicht mehr dauern.

Sakura kam zum unteren Ende der Treppe und blieb stehen. Ihr Blick glitt nach rechts in den Vorsaal. Gestern noch hatte dort die widerliche Leiche gelegen, das Blut überall an den Wänden geklebt. Jetzt sah es so aus, als wäre nie etwas passiert …

„Guuuuten Morgen, Sakuuuura!“ Plötzlich tauchte Naruto neben ihr auf, verursachte ihr fast einen Herzinfarkt und sah sie unsicher an. Eben noch mit einem breiten Grinsen im Gesicht, blickte er auf die gleiche Stelle, zu der sie gesehen hatte.

„Morgen Naruto“, sagte Sakura und zwang sich zu einem Lächeln. „Du bist schon wach?“

„So was in der Art“, lachte der Blonde verlegen und kratzte sich am Kopf. Er wollte ihr nicht sagen, dass er und Sasuke die ganze Nacht im Wohnzimmer gesessen und geredet hatten. Sie sollte sich nicht unnötig sorgen. „Kaffee? Ist frisch gemacht!“, sagte er schnell, damit sie nicht darüber nachdachte.

Sakura nickte und folgte Naruto in die Küche. Er füllte ihr eine Tasse und ließ sich ihr gegenüber auf den Stuhl fallen.

„Geht’s dir besser?“, wollte er vorsichtig wissen.

„Hmm“, machte Sakura, derweil sie einen Schluck nahm und dabei zum Fenster schielte. Die ersten Strahlen der Sonne glitten über die weite Wiese, die man von hier aus sehen konnte. Das Meer lag auf der gegenüberliegenden Seite. Trotzdem wäre sie jetzt gerne auf der Veranda gewesen. Das Wasser zu beobachten, wie es sein strahlendes Antlitz zeigte, war etwas Wunderschönes.

„Würdest du vielleicht Hinata ins Bett bringen?“, fragte sie schuldbewusst. „Sie ist am Schreibtisch eingeschlafen. Sicher tut ihr so schon alles weh.“

„Oh je“, seufzte Naruto und stand auf. „Klar, mach ich glatt. Bin gleich wieder da.“ Dann ging er und ließ Sakura alleine.

Das Mädchen stand auf, nahm ihre Tasse und lief erneut am Vorsaal vorbei. Sie zwang sich diesmal nicht dort hinzusehen, sondern ging weiter ins Wohnzimmer und stellte sich ans Fenster.

„Bist du extra wegen der Sonne aufgestanden?“, fragte Sasuke, der auf der Couch gedöst hatte.

Sakura nickte leicht, wandte den Blick aber nicht von draußen.

„Du hättest lieber ausschlafen sollen“, bemerkte er im brummigen Ton, erhob sich aber und stand gähnend auf. „Los komm mit.“

Sakura drehte sich verwirrt um und sah den Uchiha fragend an. Er grinste nur und ging voran.

„Gehen wir raus?“, erriet Sakura, als er mit ihr zum Vorsaal lief und den Code in den Zahlenblock eingab. Flüchtig sah er sich nach ihr um, ließ sie zuerst nach draußen und folgte ihr schweigend.

Sasuke streckte sich ausgiebig und ließ sich auf die Treppe der Veranda fallen, die in den Vorgarten führte und zum Meer zeigte.

Sakura lächelte und setzte sich mit ihrem Kaffee neben ihn.

„Besser?“, fragte er mit dem Blick aufs rauschende Meer. Er meinte damit nicht nur, ob sie den Sonnenaufgang von hier angenehmer fand.

Sakura nickte. „Viel besser.“ Sie ließ eine kleine Pause. „Danke.“

Auch sie meinte nicht nur diese Tatsache.
 

„Der Kommandant hat angerufen“, sagte Hinata, währenddessen sie den lautstarken Naruto im Meer beim Plantschen beobachtete. Er saß auf einer Luftmatratze, Sakura auf einer anderen. Gegenseitig versuchten sie sich immer wieder ins Wasser zu stoßen.

„Kommt er her?“ Sasuke lag neben der Hyuuga, hatte die Augen geschlossen und ließ sich die wärmende Sonne auf den Körper scheinen. Die schlaflose Nacht hatte ganz schön an seinen Kräften gezerrt, der Tag zuvor war nicht weniger heftig gewesen.

„Nein, noch nicht. Er sagte vorhin, er hätte etwas rausgefunden. Es gäbe vielleicht jemanden, der von Sakura weiß. Allerdings muss er das erst prüfen. Er ruft morgen wieder an und gibt uns Bescheid. Dann entscheidet er auch, ob er her kommt, und was wir unternehmen wollen.“

„Es gibt jemanden?“ Sasuke warf Hinata einen interessierten Blick zu. „Kann das möglich sein?“

„Kakashi ist davon überzeugt. Wir müssen abwarten.“ Hinata seufzte und rieb sich die Schultern. Sie musste sich in der letzten Nacht so ziemlich alles verlegen haben, was man sich verlegen konnte. „Ich bin froh, dass es ihr besser geht. Man könnte meinen, es wäre nichts passiert, wenn man sie mit Naruto toben sieht. Immer noch wie die Kinder.“ Hinata lächelte kopfschüttelnd.

„Es scheint so, ja“, gab Sasuke zu. „Aber mehr auch nicht. Es wird dauern, bis sie das abhaken kann.“

„Hmm. Das kam unerwartet. Alles kommt unerwartet, aber das … Hat sie dir gesagt, wer er war?“

Sasuke atmete tief durch. „An sich ein unbedeutender Verbrecher. Er wollte Geld. Er hat das Haus durchsucht und sie hat ihn auf den Kameraaufnahmen gesehen.“

„Dann hat sie dich verständigt?“

„Sie wollte.“ Sasuke schüttelte es innerlich. „Aber sie hat sich im Keller versteckt. Dort gibt es keinen Empfang. Ich habe nur ihr anklingeln bemerkt. Dann bin ich losgefahren. Es hat zu lang gedauert … Sie hätte im Keller bleiben sollen!“, sagte er im altem Zorn. „Er hätte durch keine der Türen brechen können!“

„Stimmt“, nickte Hinata. „Das hat sie mir auch erzählt.“

„Das hat sie dir erzählt?“

„Ja.“ Die Hyuuga lächelte und sah zu Sakura, die mittlerweile Naruto stuckte und feixend mit Wasser bespritzte.

„Und warum ist sie nicht da unten geblieben?“

„Das weißt du nicht?“

Sasuke schüttelte den Kopf.

„Ich weiß nicht, ob sie es mir richtig erklären konnte. Sie war gestern noch ziemlich durcheinander, aber sie erzählte etwas von Schreie. Als hätte jemand die ganze Zeit in ihrem Kopf geschrieen. Sie glaubte, es wäre eine Frau gewesen, und dann musste sie ständig an irgendwelche Folterfilme denken.“ Hinata seufzte. Bisher hatte sie nicht weiter darüber nachgedacht. „Sie bekam Angst, verstehst du?“

„Nicht wirklich. Sie musste doch schon Angst haben, als sie in den Keller rannte.“

„Eine andere Art von Angst“, sagte Hinata leise. „Angst um dich. Sie meinte, ihr wären ständig Bilder von dir in den Kopf gekommen, weil du vielleicht unvorsichtig zurückgekommen wärst und der Einbrecher dich erwischt hätte.“

Sasuke starrte die Hyuuga fassungslos an. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, was sie ihm da gesagt hatte.

„Verdammt“, entfuhr es ihm und er richtete sich jäh auf. „Warum denkt sie so ein Scheiß? Das hätte sie fast …“ Er brach den Satz ab und sah zu Sakura hinüber. Es fuhr ihm durch Mark und Bein. „Das ist nicht normal!“

Hinata musste sich ein unhörbares Kichern verkneifen. „Das ist normal, Sasuke!“, sagte sie dann aber ernst. „Sakura mag dich. Anders als sie mich oder Naruto mag. Du hast ihr sooft das Leben gerettet, sie vertraut dir mehr als allen anderen! Sie hatte Angst dich zu verlieren. Angst, dass du ihretwegen sterben könntest …“

Der Uchiha schüttelte nachdenklich den Kopf, und plötzlich kamen ihm seine dahin geworfenen Worte von gestern in den Sinn, die er ihr in seiner Wut gesagt hatte.

Nur ein Auftrag …

Sasuke sprang auf die Beine. „Ich brauch mal ne Pause“, sagte er knapp, ehe er Hinata und die anderen alleine am Strand zurückließ.
 

Am Abend war Sasuke noch immer nicht zurück und langsam machte sich Sakura Gedanken. Hinata hatte ihr zwar gesagt, dass er nur etwas für sich sein wollte, aber dennoch konnte sie nicht nachvollziehen, warum er dann nicht einfach in sein Zimmer ging. Auch für ihn war es doch gefährlich, oder nicht?

„Ich geh ne Runde pennen“, sagte Naruto und gähnte herzhaft. Er hatte sich den Bauch voll geschlagen und wirkte alles andere als munter. Er gab Hinata einen zärtlichen Kuss und Sakura einen Klaps auf die Schulter. „Bis später.“

„Als wenn er noch mal wach werden würde“, brummte Sakura und nippte an ihrem Tee. Dann sah sie zu Hinata. „Geh doch auch ein bisschen schlafen, hmm?“

„Ach was, ich bin gar nicht so müde“, lächelte die Hyuuga. „Was ist mit dir?“

Sakura schüttelte den Kopf. „Ich bleib noch ein bisschen wach.“

„Du wartest auf Sasuke, stimmts?“

„Ach was. Es ist einfach noch zu früh.“

Hinata kicherte leise. „Du wirst rot, Sakura!“

„Wie?“ Sakura fasste sich an die Wangen. „Quatsch! Das ist Unsinn!“

„Es ist die Wahrheit! Gibt’s doch zu, du magst Sasuke, nicht wahr?“

„Ganz und gar nicht!“

„Ach nein?“

Sakura knurrte vor sich her. „Ein bisschen vielleicht. Mehr aber nicht!“

Hinata schüttelte grinsend den Kopf und erhob sich. „Ich geh hoch ins Zimmer. Ich muss noch mit dem Hauptquartier telefonieren. Willst du hier bleiben?“

Sakura nickte. „Ja, aber nicht lange …“

„Gut.“ Die Hyuuga stellte ihre Tasse in den Abwasch. „Aber geh bitte nicht raus, okay?“

„Werde ich nicht. Versprochen.“

Hinata verließ die Küche und auch Sakura setzte sich lieber ins Wohnzimmer. Sie schaltete den Fernseher an und hörte eine Weile dem Abendprogramm zu, als sie eine Sms bekam und neugierig öffnete. Es war Ino, die ihr schrieb, wie toll es in London war und das es ihr gut ging. Sie fragte noch, was Sakura machte und ob sie in den Ferien nicht einfach nach London kommen wollte …

Das wäre schön, dachte die Rosahaarige, schrieb aber, dass sie arbeiten musste und nicht genug Geld dafür hatte.

Eine ganze Weile schrieben sich die beiden Freundinnen hin und her. Ino erzählte, wie sie während der Proben ihrer Mutter auf dem Catwalk gelaufen war, und dass sie ganz tolle Kleider hatte anziehen dürfen.

Sakura erwiderte, dass bei ihr alles seinen normalen Gang lief, sie nun aber ebenfalls krank war und nicht zur Schule konnte.

Fast ein bisschen traurig legte das Mädchen ihr Handy weg. Es war wie früher gewesen, wenn sie uns Ino sich schrieben. Das ganze Drumherum hatte sie dabei bald vergessen gehabt. Erst als die Tür im Vorsaal aufging, wurde sie zurück in die Realität gezogen. Sakura sah auf und erwartete Sasuke.

„Keiner da?“

Unerwartet trat Kakashi ins Wohnzimmer, und kaum dass er Sakura alleine auf der Couch erblickte, blieb er jäh stehen.

„Hallo Sakura“, sagte er, lächelte freundlich und machte einen Schritt rückwärts. Er ging in Hab-Acht-Stellung, verlor aber nicht seine fröhliche Haltung. „Ich komme etwas unangemeldet, aber es gibt wichtige Neuigkeiten.“

„Hmm.“ Sakura war aufgestanden und fixierte den Hatake argwöhnisch. Sie versuchte sämtliche Emotionen, die sich in ihr breit machten, zu verdrängen. Er war nicht der Feind, sagte sie sich immer wieder.

„Soll ich noch etwas zurückgehen?“, fragte er aufmerksam.

„Geht schon“, presste Sakura zwischen den Zähnen hervor.

Wieder wurde die Tür aufgemacht, und diesmal war es Sasuke, der überrascht neben Kakashi erschien. „Sie sind schon da?“ Er sah zu Sakura, die ihre Hände geballt hatte, aber recht beherrscht wirkte. Dennoch ging er zu ihr hinüber und zog sie mit sich auf die Couch. „Wo sind Naruto und Hinata?“

„Wir kommen“, hörte man die Stimme der Hyuuga. Sie hatte natürlich mitbekommen, dass es im Wohnzimmer eine Versammlung gab. „Guten Abend, Kommandant!“, sagte sie lächelnd und setzte sich auf die andere Seite von Sakura. „Gibt es was Neues?“

„Kommandant Kakashi?“ Naruto stand hinter dem Grauhaarigen und rieb sich verschlafen die Augen. „Man, bin ich müüüüüde“, gähnte er und schmiss sich auf den Sessel. „Ich dachte, sie wollten morgen erst anrufen?“

„Haben sie etwas herausgefunden?“, fragte Hinata.

Kakashi nickte und seine Züge wurden gleichsam ernster. „Ja. Ich denke, ein starker Kaffee wäre nicht schlecht …“
 

Es war bereits späte Nacht, doch im Wohnzimmer von Sasukes Elternhaus brannte noch immer das Licht. Sasuke selbst hielt sich mit Sakura etwas abseits, derweil Kakashi, Naruto und Hinata um den Wohnzimmertisch saßen.

„Ich kann das noch immer nicht fassen“, sagte Naruto und wirkte verärgert. „Wie kann man ein ehemaliges Akatsukimitglied ins Zeugenschutzprogramm aufnehmen? Das ist doch verkehrte Welt! Der gehört weggesperrt und …“ Ruckartig brach er ab, da er vor Sakura nicht von solchen Dingen reden mochte. Seine Wut jedoch blieb. „Versteh ich ganz und gar nicht!“

„Er hatte eine recht reine Weste“, erwiderte Kakashi fahl. Auch er schien nicht viel davon zu halten. „Und er hat der Regierung einige wichtige Informationen geliefert. Er wäre längst tot, wenn man ihm keine neue Identität verschafft hätte. Er und seine Familie.“

„Hn.“ Sasuke war nicht weniger enttäuscht von seinen Vorgesetzten in Osaka. Kakashi hatte ihnen erklärt, dass sich die Anbu selbst für den Akatsuki eingesetzt hatten.

„Wie auch immer“, sagte Hinata, damit sie sich nicht zu lange mit unabänderbaren Dingen beschäftigten. „Dieser Kerl lebt also irgendwo auf russischem Territorium, erfreut sich bester Gesundheit und ist womöglich in der Lage, uns etwas über Sakura zu erzählen?“

Kakashi nickte. „So sieht es aus. Ob er etwas über sie weiß, kann ich nicht zu hundert Prozent sagen, aber die Möglichkeit besteht.“

„Dann fliegen wir nach Russland?“, fragte Naruto und erzitterte. „Dort ist es kalt!“

„Dort gibt es genauso Sommer wie hier“, brummte Sasuke zurück.

„Nicht direkt nach Russland“, schmunzelte Hinata ihren Freund an. „Chabarowsk liegt im fernöstlichen Russland. Wir müssen eigentlich nur über das japanische Meer. Es ist gar nicht so weit.“

„Ach nee?“

Hinata schüttelte den Kopf. „Nein. Chabarowsk ist eine Region und auch die gleichnamige Hauptstadt, nicht Russland selbst. Weiter westlich käme dann China. Viel später erst Russland.“ Hinata versuchte es ihrem Freund so einfach wie möglich zu erklären. Geografie gehört mit zu Narutos absoluten Schwächen … Neben Mathe und den anderen Schulfächern.

„Und dieser Kerl ist in Chabarowsk?“ Sasuke klang argwöhnisch. Es gefiel ihm nicht besonders das sichere Haus seiner Eltern zu verlassen.

„So sieht es aus. Ich habe seine Adresse bekommen, allerdings ist es sehr vage. Die ganze Angelegenheit, was ihn betrifft. Wenn jemand spitz kriegt, dass ich seinen Aufenthaltsort herausgekriegt habe, bin ich meinen Job los!“ Kakashi seufzte theatralisch. „Obwohl ich schon immer dem Ruf der Natur folgen wollte“, philosophierte er. „Gärtner vielleicht? Ach lassen wir das …“

„Wie heißt er?“, fragte Hinata und umging dabei die dramatischen Worte ihres Anführers. „Und welchen Rang hat er bekleidet?“

„Sein Name ist Dr. Rufus Ikamusa. Er ist britisch-japanischer Abstammung und hat als Arzt gearbeitet. Die Akatsuki haben eigene Ärzte“, fügte Kakashi auf Sakuras fragenden Blick hinzu. „Sie kümmern sich um die Verwundeten, die noch gebraucht werden. Der noch von Nutzen ist, hat nicht zu sterben, verstehst du?“

Sakura nickte knapp. „Die Akatsuki foltern auch, nicht?“

Kakashi blinzelte, tauschte mit Sasuke einen irritierten Blick, nickte dann aber. „Auch das, ja.“

„Dann sorgen diese Ärzte auch dafür, dass man die Folter überlebt?“

„Wenn die betroffene Person Informationen hat, die nützlich sind ja. Die Prozedur wiederholt sich, bis man doch verrät, was man weiß. Dann erst lässt man sie sterben.“

Sakura verzog keine Miene. „Ikamasu war so ein Arzt, oder?“

Kakashi senkte den Blick und seufzte. „Ja …“
 

Wie Sakura zu dieser Schlussfolgerung gekommen war, blieb ein Rätsel. Auch für sie selbst.

Nach der Versammlung, es war weit nach ein Uhr nachts, saß sie zusammen mit Hinata auf der Veranda und lauschte dem Meer. Die Haustür ging auf und Sasuke trat ins schwache Licht der Laterne. Hinata stand auf und lächelte Sakura an.

„Ich geh mal ins Bett. Gute Nacht.“

Sie nickte dem Uchiha kurz zu, dann trat sie ins Haus und schloss hinter sich die Tür.

„Ich kann auch rein gehen“, sagte Sakura, als sich Sasuke auf die Hollywoodschaukel setzte, derweil sie vor ihm auf den Stufen sitzen blieb. „Dann müsst ihr euch hier draußen nicht abwechseln.“

Es war wirklich nicht angenehm, dass ständig jemand um sie sein musste.

„Bist du nicht müde?“, fragte Sasuke, ohne auf ihre Aussage einzugehen. „Es ist spät und es war ein langer Tag.“

„Es geht.“

„Willst du aufbleiben, bis die Sonne aufgeht?“

Sakura schmunzelte. „Das wäre schön. Aber dann würde ich euch wohl vom Schlafen abhalten.“

Eine Weile blieb es still und jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Irgendwann stand Sasuke jedoch auf und ließ sich neben Sakura auf die Treppe fallen. Unverwandt sah er in die Dunkelheit, als prüfe er die Gegend.

„Ich war vorhin auf dem Weg nach Osaka“, sagte er plötzlich, lehnte sich etwas nach hinten und schloss die Augen.

„Osaka? Warum das?“ Sakura sah den Uchiha fragend an, doch ein beklemmendes Gefühl beschlich sie. Sie senkte den Blick und vergrub die Hände in den Ärmeln ihrer Strickjacke. „Warum bist du dann zurückgekommen?“, fragte sie leise, wobei ihre Stimme kaum merklich zitterte.

Sasuke zuckte innerlich zusammen. Sie hatte es wohl erraten …

„Ich bin nur in die Richtung gefahren“, meinte er und atmete etwas lauter aus. „Aber du hast Recht, ich wollte den Auftrag abgeben …“

„Hmm.“ Sakura lächelte traurig. „Vielleicht wäre es für dich besser gewesen.“

„Nicht für mich!“ Fast wütend schüttelte der Schwarzhaarige den Kopf. „Hinata hat mir gesagt, dass du wegen mir den Keller verlassen hast! Dass du so ein Mist machst wegen mir … Verdammt, das war total irrsinnig!“

Sakura blieb stumm und lächelte vor sich hin. Sie griff nach einem kleinen Kieselstein und warf ihn zu den Bäumen.

„Deswegen bin ich weggegangen.“ Sasuke nahm ebenfalls einen Stein und warf ihn ihrem hinterher. „Ich will nicht mit ansehen müssen, dass du wegen mir … dass wegen mir etwas schief geht. Aber ob ich dir das sage oder nicht …“ Sasuke fuhr sich durch die hochstehenden Haare und schüttelte erneut den Kopf. „Du würdest es wahrscheinlich wieder machen …“

„Weißt du, was man über Steine sagt?“ Sakura kicherte jäh und blickte dabei auf die Stelle, wo die beiden Kieselsteine gelandet sein mussten.

„Über Steine?“ Sasuke verstand nicht. Wieso wechselte sie jetzt das Thema?

Das Mädchen nickte. „Wenn man sie ins Wasser wirft, gehen sie immer unter. Ob ein kleiner Stein, oder ein großer, langsam oder schnell … so hat es die Natur arrangiert. So und nicht anders. Ein Stein wird immer untergehen.“

Sasuke seufzte gequält. „Das ist kein besonders aufbauender Vergleich, Sakura! Du bist kein Stein, und du wirst nicht sterben!“

„Irgendwann müssen wir alle sterben, schon vergessen? Die kleinen Lichter … Es ist nur eine Frage der Zeit, und meine Zeit ist …“

„Schluss jetzt! Das ist absoluter Schwachsinn! Wenn du noch einmal versucht, jemanden zu retten und dabei dein Leben aufs Spiel setzt, werde ich dich eigenhändig in einen Keller sperren!“

„Aber was will ich mit einem Leben, wenn es niemanden mehr gibt, mit dem ich es teilen kann? Es wäre doch nicht … nicht besonders schön, wenn ich Naruto und Hinata, Ino oder … oder dich nicht mehr darin hätte.“

Sasuke hätte Sakura am liebsten angebrüllt, wie dumm sie sich verhielt, dass sie wirklich sterben würde, wenn sie so weitermachte.

Aber er tat es nicht …

„Warum bist du nicht nach Osaka gefahren?“, fragte sie, als sie schon aufstand.

Sasuke zuckte mit den Schultern. „Ich habs mir einfach anders überlegt.“ Eine Weile blieb es ruhig. „Und weil ich keinem anderen dein Leben anvertrauen möchte.“
 

Noch lange lag Sakura in ihrem Bett und dachte über das nach, was Sasuke gesagt hatte. Er wollte niemand anderem ihr Leben anvertrauen …

Seufzend rollte sie sich auf die Seite und musste plötzlich grinsen. Dieser Satz löste ein angenehmes Gefühl aus, wie eine kindliche Erheiterung. Ob er sie mochte?

Sakura kicherte bei dem Gedanken in sich hinein. Sasuke war mit Sicherheit jemand, den man nur schwer einschätzen konnte, aber die Vorstellung, dass er so etwas sagte … doch er hatte es ja getan, oder nicht? Er hatte zu ihr gesagt, dass er auf sie aufpassen wollte.

Die Rosahaarige griff nach ihrem Handy und überlegte. Am liebsten hätte sie jetzt Ino davon erzählt. Gesagt, dass es jemand in ihrem Leben gab, der diese Gefühle in ihr weckte. Sie wollte mir ihr ein Gespräch führen, wie es beste Freundinnen in so einer Situation taten.

Ein ganz normales Gespräch über Jungs.

Sakura legte ihr Handy zurück auf die Kommode und ließ sich in die Kissen sinken. Ihr Leben war nicht normal, und das Sasuke so etwas gesagt hatte, hatte keine weitere Bedeutung für ihn.

Und für sie? Was bedeutete ihr der Uchiha? War er für sie mehr als nur ihr ständiger Aufpasser, mehr als ihr Beschützer?

Vielleicht, aber war das überhaupt wichtig? Im Moment hatte sie gänzlich andere Dinge im Kopf zu haben, und nicht, ob sie für einen Jungen, der zudem Menschen tötete, Gefühle hegte. Er war anders als sie, er war anders als jeder normale Junge in seinem Alter.

Und das konnte sie Ino kaum erzählen, obwohl sie gerne mit ihrer Freundin gesprochen hätte.

Wieder seufzte Sakura, griff noch einmal nach ihrem Handy und wählte Inos Nummer.

Es bimmelte einige Male, doch schließlich war es nur die Mailbox, die ran ging. Sakura legte auf, schloss die Augen und versuchte nicht weiter darüber nachzudenken. In Wahrheit aber spürte sie, wie ihr die Tränen kamen. Ino war ihre beste Freundin, ihre Familie, alles was sie in den letzten Jahren gehabt hatte.

Und nun lagen tausende von Kilometer zwischen ihnen, und vielleicht würden sie sich nicht einmal mehr wieder sehen.

Nie mehr …

Sakura zuckte zusammen, als ihr Handy lauthals klingelte. Eilig schnappte sie danach und atemlos meldete sie sich. „Ja?“

„Hey du Nuss“, hörte sie die aufgeweckte Stimme der Yamanaka. „Du hast grade angerufen, stimmts?“

„Ino? Ja, hab ich, aber …“ Sakura konnte es kaum glauben und musste sich auf die Lippen beißen, um nicht weinerlich zu klingen. Die vertraute Stimme ihrer Freundin zu hören, ihren heiteren Ton, war so beruhigend, dass sie alles um sich herum vergaß. „Stör ich grade?“

„Nee“, flötete es aus dem Hörer. „Ich war nur grade auf Klo. Was gibt’s neues bei dir?“

„Nichts weiter“, log Sakura und lächelte traurig. „Und bei dir? Haben sie dich schon entdeckt?“

„Ach, das sind Pappnasen hier! Aber die Kleider, boah das kannst du dir kaum vorstellen … man, ich bin echt hin und weg. Aber trotzdem ist es irgendwie langweilig, und ich bin echt froh, wenn ich wieder zu Hause bin.“

„Achso? Warum das?“

Ino lachte auf und Sakura konnte sich vorstellen, wie ihre Freundin dabei den Kopf schüttelte. „Na weil es doof ohne dich ist, du Nuss. Aber weißt du noch, wie wir uns manchmal über die Sterne aufgeregt haben, weil man die in Tokio kaum sieht? Hier ist zwar nicht besser, aber den einen Abend waren wir in ner ganz kleinen Stadt, in irgend so einer Provinz, man waren die Sterne hell! Guckst du ab und an noch nach den Sternen? Hab sie vorhin gesehen, und musste voll an dich denken, ach nee!“

„Echt?“, lachte Sakura zurück, und die ersten Tränen liefen ihr über die Wangen. „Aber ich schau noch nach ihnen, ja. Und dann denk ich auch an dich. Ich freu mich, wenn du wieder da bist.“

„Ja, dann können wir auch mal wieder aufs Land fahren, so richtig mit Zelt, und dann sehen wir sie uns wieder zusammen an!“

„Das wär toll“, sagte Sakura und wischte sich über die Augen. „Ich freu mich darauf.“

„Und ich mich erst! Ich hab dir soviel zu erzählen … oh, du ich muss Schluss machen, Mama ruft. Aber ich ruf dich morgen wieder an, wenn du willst. Ich komm hier sonst um und du musst mir erzählen, was es neues in der Schule gibt!“

„Ja …“, sagte Sakura und konnte die Worte nur noch hinauspressen. „Das mach ich. Wir hören uns morgen, Ino …“

„Wir hören uns morgen!“, rief die Yamanaka, wollte schon auflegen, doch Sakura hielt sie noch einmal auf.

„Ino?“, fragte sie und atmete tief durch. „Wir bleiben immer Freunde, oder?“

Für einen Moment blieb es still und Sakura glaubte schon, Ino wäre längst weg, doch dann hörte sie die Stimme der Blonden, die leicht verändert klang.

„Wir bleiben immer Freunde, Sakura“, kam es hörbar traurig aus dem Lautsprecher. „Die besten, egal was kommt.“

„Okay. Egal was kommt“, lachte Sakura. „Bis morgen.“

Dann legte sie auf, sank zurück und begann bitterlich in ihre Kissen zu weinen.
 

Es kamen immer mehr Tränen, ließen Sakura erzittern und schluchzen. Das Gespräch mit Ino hatte sie wehmütig an alte Zeiten erinnert, und immer wieder kamen die schönen Erinnerungen mit ihrer Freundin hoch.

Verdammt, dachte sie irgendwann, stand auf und ging zum Fenster. Wacklig stellte sie an die Fensterbank, öffnete die Türen und ließ den sanften Wind hinein. Sie musste sich beruhigend, es würde schon gut ausgehen. Ino und sie würden sich wieder sehen, ihr normaler Alltag würde eines Tages zurückkehren können.

Sakura schlang die Arme um sich, atmete tief durch und blickte noch einmal zu den entfernten Tannen, die hoch in den dunklen Himmel ragten. Die Sterne strahlten hell, und sie glaubte sich ihrer Freundin im entfernten Europa soviel näher, wenn sie ihr Leuchten beobachtete.

Sie lächelte betrübt, schloss die Augen und sagte sich, dass sie nur hoffen musste. Hieß es nicht, die Hoffnung starb zuletzt?

So hieß es, ja.

Doch dann überkam sie ein seltsames Gefühl.

Schlagartig riss Sakura die Augen auf, bewegte sich wenige Zentimeter und fuhr zusammen, als sie den gedämpften Schuss hörte. Keine Sekunde später griff sie sich an die Schulter, fühlte die warme Flüssigkeit an ihren Fingern und keuchte heftig.

Gerade so schaffte sie es, sich zur Seite zu schmeißen, als schon der nächste Schuss ertönte, die Vase auf der anderen Seite des Zimmers traf und sie in tausend Stücke zerschoss.

„Sasuke!“, rief Sakura, glaubte dabei zu Schreien, doch war es nicht mehr als ein Flüstern. „Sasuke …“

Sie kroch über den Teppich, fasste in die Glasscherben, merkte nicht wie sich die Splitter in ihre Haut bohrten und flüsterte immer und immer wieder Sasukes Namen.

Die Tür wurde aufgerissen, doch war es nicht Sasuke, der sie mit erstarrtem Gesicht ansah, ehe er die anderen rief.

Hinata griff nach ihr, zog sie aus dem Zimmer und schmiss sich mit ihr in Sicherheit.

„Sakura, verdammt was … Wurdest du getroffen?“ Hinatas Stimme klang panisch, und sie zerrte das rosahaarige Mädchen in eine aufrechte Position. „Hörst du mich?“

„Alles okay“, wisperte Sakura schlapp. „Nur gestriffen.“

„Gott …“ Hinata presste sich die Hand auf den Mund, merkte die Tränen, die ihr über die Wangen liefen und riss Sakuras Nachthemd an der verwundeten Schulter auf. Das Blut hatte es längst durchtränkt, und zittrig warf sie den Fetzen zu Boden.

„Was ist … scheiße!“ Es war Naruto, dicht gefolgt von Kakashi und Sasuke, der die Treppe hinaufgerannt kam. „Sakura! Hinata, was …“

„Schließt alles ab!“, schrie die Hyuuga. „Sie haben durchs Fenster geschossen!“

„Verdammt!“ Sasuke ging vor der Rosahaarigen auf die Knie. Er sah sie fassungslos an, schaffte es aber die Nerven zu bewahren und Sakura hochzuheben. „Sichert ihr das Haus, ich bringe sie ins Wohnzimmer. Hinata?“

„Ja?“

„Die Verbände sind im Medizinschrank im Bad. Bei dir ist alles okay?“

Hinata nickte atemlos. „Wie konnten sie uns finden?“

„Das überlegen wir später. Naruto, steh nicht so rum, hilf Kakashi!“ Sasuke lief eilends, wohl aber vorsichtig mit Sakura den Korridor entlang und hinunter ins Wohnzimmer. „Hast du jemanden gesehen?“

„Nein.“ Sakura schüttelte den Kopf. „Nur die Sterne …“, flüsterte sie und lächelte leicht, als wäre sie längst in einer anderen Welt.

Einer schöneren, zusammen mit ihrer besten Freundin, mit der sie sich ewige Freundschaft geschworen hatte.

Würde sie Ino wieder sehen?

Vielleicht, doch ihre Hoffnung hatte sie verloren.

Gelogen

Es war ein regenreicher Nachmittag, als Sakura ihre Augen öffnete. Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie sich befand, was passiert war, und warum ihre Schulter schmerzte.

Als ihre Erinnerungen langsam zurückkehrten, ein greller Blitz den Himmel erleuchtete, schreckte sie nach oben und griff sich an die Stirn.

„Verdammt“, keuchte sie, als ihr die Schulter wie voller Flammen vorkam, sie sich an den Verband fasste und einen kurzen Schrei ausstieß, als die Tür geöffnet wurde.

„Sakura?“ Es war Hinata, die erleichtert ausatmete und ins Zimmer stürmte. „Oh Gott sei dank, du bist wach! Wie geht es dir?“

Sakura blinzelte verwirrt. „Was … was ist passiert, ich … Wo sind wir?“

„In einer kleinen Absteige“, lächelte Hinata schwach. „Du wurdest angeschossen, Sakura. Es hat …“

„Sind die anderen okay?“

„Ja“, lächelte die Hyuuga aufmunternd. „Alle sind okay. Das war ein ganz schöner Schrecken. Du solltest aber noch etwas schlafen. Wir sind gleich im Zimmer neben an. Wenn etwas ist …“

Sakura nickte und ließ sich wieder ins Bett sinken. „Ja, danke. Ich schlaf … noch etwas, ja.“

„Gut, ruh dich aus. Hier sind wir sicher, und wir werden nicht lange hier bleiben. Sobald du etwas kräftiger auf den Beinen bist, werden wir verschwinden.“

„Wo genau sind wir?“, fragte Sakura, doch klang sie, als würde sie schon fast schlafen.

„Nördlich von Gobo.“

„Hmm. Bis dann …“

Hinata nickte, dann ging sie aus dem Zimmer und löschte das Licht.

Eine Weile blieb Sakura mit geschlossenen Lidern liegen, döste fast wieder ein, doch schreckte sie ein jäher Gedanke auf. Sie wollte sich ablenken, nahm sich die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Zuerst musste sie ihren Kopf beruhigen, ehe sie über den letzten Tag nachdenken konnte. Sie musste ihre Gefühle, ihre Angst unter Kontrolle bekommen, damit ihr niemand etwas anmerkte.

Leise folgte sie einige Minuten dem TV-Programm, schaltete durch etliche Kanäle und blieb schließlich an den Nachrichten hängen. Das Wetter in Tokio würde in den nächsten Tagen so bleiben, aber Ino, die am anderen Ende der Welt war, hatte auch nicht besseres Wetter. Der ganze Globus schien im Sturm versunken, an den unterschiedlichsten Orten wüteten die Gewitter schon seit Tagen.

Wie die Apokalypse, dachte sich die Rosahaarige, schaltete den Fernseher wieder aus und lehnte sich gegen das Bettgestell. Ein unaufhaltsamer Sturm, und niemand hatte ihm etwas entgegen zusetzen. Wenigstens war es hier in Gobo erst heute losgegangen. Wenn sie an das Wetter der letzten Woche dachte, an die warmen Sonnenstrahlen und den lauen, erfrischenden Wind, musste sie lächeln. Ino hatte nicht das Glück. Der Nachrichtensprecher hatte gesagt, dass es schon seit Tagen um London regnete. Aber diese Gegend in Großbritannien war nie für sein schönes Wetter bekannt gewesen. Ino war bestimmt öfter am Maulen deswegen. Ihre arme Mutter, die sich das anhören musste.

Sakura seufzte, dann kroch sie mühsam aus ihrem Bett und schaltete die kleine Lampe auf dem Tisch neben sich an. Sie sah sich nach ihrer Tasche um, und als sie sie am Fenster stehen sah, atmete sie erleichtert aus. Sie griff sich ihr Handy, Stift und Papier und sah kurz durch die feinen Löcher der Jalousie. Draußen stürmte und gewittere es, und immer wenn ein Blitz über den Himmel zuckte, wurde es sogar durch die Rollläden in dem Zimmer heller.

Eine Weile sah sie ihr Handy an und überlegte, wie lange sie es schon hatte. Eigentlich war es fast genauso alt wie sie denken konnte, denn sie hatte es sich kurz nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus geholt, kurz nachdem sie in die Wohnung am Tokio Tower eingezogen war. Ino hatte es immer hässlich gefunden, aber ihr hatte es von Anfang an gefallen. Als sie auf die neue Schule kam und Mikoto kennen lernte, hatten die beiden herausgefunden, dass sie das gleiche Handy hatten. Zusammen hatten sie es gegen Ino verteidigte, die das Telefon als viel zu unhandlich befand.

Auf diese Weise hatten sie sich angefreundet. Aus einem kindischen Gezänke heraus, dass zu einer guten Freundschaft wurde, bis sich Ino und Mikoto verkrachten.

Und Sakura sich auf die Seite ihrer besten Freundin stellte.

Sakura seufzte abermals, ging ihr Telefonbuch durch und hielt bei Mikotos Nummer, die sie bis heute nicht gelöscht hatte. Sie schrieb sie auf das Blatt Papier und tat das gleiche mit Inos. Danach faltete sie den Zettel und steckte ihn zurück in ihre Tasche, nur ihr Handy behielt sie in der Hand.

Ein trauriger Zug legte sich auf ihr Gesicht.

Sie griff nach dem Rolle, zog es etwas an und sah hinaus, direkt auf eine stark befahrene Straße. Schnell öffnete sie das Fenster, da es sicher nicht lange dauern würde, bis jemand in ihr Zimmer kam. Sasuke war misstrauisch genug um bei dem kleinsten Geräusch alarmiert zu sein.

Sakura biss sich auf die Lippen, nahm Schwung und warf das Telefon so weit sie konnte davon. Keine Sekunde später, gleichzeitig wie die Tür aufgemacht wurde, fuhr ein grüner PKW über das Gerät und zerlegte es in seine Einzelteile.

„Was machst du da?“, hörte sie schon die vertraute Stimme, und lächelnd drehte sie sich um.

„Ich hab nur nach dem Wetter geschaut.“

„Nach dem Wetter? Du sollst dich ausruhen, Sakura!“ Sasuke ging auf sie zu, schloss da Fenster uns sah sie kopfschüttelnd an. „Du siehst nicht gut aus, leg dich wieder hin!“

„Mir geht’s gut“, erwiderte das Mädchen nur und schnappte sich ihre Tasche. „Wir können weiter.“

„Weiter?“

„Hinata meinte, wir würden weiter fahren, sobald …“

„Dir geht es nicht gut, Sakura, erzähl mir keinen Scheiß!“ Sasuke klang ernst. „Wir haben etwas Luft. Keiner ist uns gefolgt. Wir können …“

„Bitte“, sagte Sakura und schloss die Augen, als würde sie das Gespräch anstrengen. „Lass uns bitte von hier weggehen.“

Sasuke zögerte einen Moment. „Kakashi ist noch nicht zurück. Er ist zum Flughafen, um Tickets zu holen. Wir müssen auf ihn warten.“

„Wir können zu ihm, oder nicht? Ihr könnt ihn anrufen, und ihm sagen, dass wir kommen.“

„Es ist besser, wenn wir warten. Wir können nicht einfach nach draußen. Wir wissen nicht, ob sie hier Spione haben und nach uns Ausschau halten.“

„Aber …“

„Bitte Sakura, leg dich wieder hin, okay?“

Die Rosahaarige senkte den Blick und lief widerwillig zurück zum Bett. „Und wann kommt er zurück?“

„Er ist bald hier. Was macht deine Schulter?“

„Der geht’s gut.“

„Und die Hand?“

Mürrisch sah Sakura auf den dicken Verband, der ihre linke Hand gänzlich verpackte. „Das ist übertrieben“, meinte sie und hielt ihn hoch. „Aber sie ist okay.“

„Dafür, dass sie okay ist, steckte ziemlich viel Glas drin“, gab Sasuke trocken zurück und ließ sich auf den Stuhl fallen, der neben Sakuras Bett stand.

„Du kannst gehen“, sagte sie und drehte sich auf die Seite. „Ich denke, ich soll schlafen?“

„Ich warte noch.“

„Und auf was?“

Für einen Moment blieb der Uchiha still, doch dann atmete er etwas lauter aus und sah zu Sakura, die ihm den Rücke zu drehte. „Auf die Wahrheit.“

Er bemerkte, wie sie kaum merklich zusammen zuckte und sich schließlich wieder aufrichtete.

„Wahrheit?“

„Du fragst nicht.“ Sasuke sah Sakura seltsam an. „Woher sie wissen konnten, wo wir sind. Warum sie genau in diesem Moment, als du am Fenster gestanden hast, geschossen haben. Ob sie dort vielleicht die ganze Zeit gewartet haben oder es Zufall war. Ob wir wissen, wer es gewesen sein könnte, oder ob wir überhaupt etwas wissen …“

„Ich …“ Sakura blinzelte perplex und blickte auf ihre Decke. „Ich hab nur noch nicht daran gedacht.“

„Nein?“, fragte Sasuke und runzelte die Stirn. „Und was hast du auf die Straße geworfen? Warum willst du, dass wir so schnell von hier verschwinden?“

„Ich weiß nicht, ich … hab nichts rausgeworfen!“

„Lüg mich nicht an!“ Sasuke wurde lauter. „Sie hätten dich fast erwischt! Die Kugel hat dich nur knapp verfehlt! Du könntest genauso gut auch tot sein! Also lüg mich nicht an, verdammt!“

Sakura kamen die Tränen, doch krampfhaft versuchte sie sie zurückzuhalten. Warum wurde er so wütend? Warum schrie er sie jetzt an, sie hatte das doch nicht gewollt, sie hatte es nicht einmal geahnt! Und das, was sie glaubte zu wissen, waren Vermutungen, mehr nicht! Hirnrissige Gedanken, die ihr einfach gekommen waren, die ihr Dinge einredeten, die sie selbst nicht einmal verstand!

„Rede mit mir, Sakura!“

„Hör auf!“, rief das Mädchen zurück und biss sich auf die Lippen. „Ich weiß wirklich nichts! Ich hab nur … ich hatte nur Angst, dass im Handy … wegen den Sendemasten, und …“

„Sendemasten?“ Sasuke sah Sakura verwirrt an. „Was meinst du mir Sendemasten?“

„Du glaubst, sie konnten dein Handy orten?“ Hinata stand in der Tür und starrte Sakura erschrocken an. „Aber wieso …“

„Ich weiß es wirklich nicht“, wiederholte die Rosahaarige und fuhr sich über die Augen.

Sie stieg wieder aus dem Bett, fühlte sich durch Sasukes Anwesenheit regelrecht bedroht und lief zurück zum Fenster. „Ich hab mal davon gehört, mehr weiß ich nicht. Und am Haus war ein Sendemast, und hier ist auch einer und …“

„Was meint Sakura damit?“, fragte Naruto, der seinen Kopf ebenfalls ins Zimmer steckte.

„Handys kommunizieren immer mit dem nächst gelegenen Sendemast“, sagte Hinata und sah zu Sasuke, der ebenso entsetzt aussah. „Ein Sendemast deckt einen bestimmten Bereich ab, meist um die 300 Meter. In der Stadt ist das Netz sehr feinmaschig, auf dem Land weniger.“

„Und was soll das heißen?“, wollte Naruto ahnungslos wissen.

Hinata fuhr sich an die Stirn und sah nachdenklich zu Sakura, die sich gegen die Wand lehnte und ins Nichts starrte. „Der Sendemast gibt an den Netzbetreiber weiter, welches Handy ihn anfunkt. Mit bestimmter Software zum Beispiel lässt sich herausfinden, wo ungefähr das Handy ist. Es lässt sich sozusagen orten.“

„Wie bei GPS?“

„Nicht so genau, nein. Es ist ungenauer, mein ich.“ Hinata schluckte leicht. „Aber es hat Vorteile. Es hat nicht mit einem Satelliten in dem Sinne zu tun, verstehst du? GPS liefert die Koordinaten nur bei Sichtkontakt, aber wenn man ein Handy über das Mobilfunknetz sucht, ist das nicht nötig. Es ginge auch in einem Tunnel, oder unter der Erde. Hauptsache das Handy ist an und hat etwas Empfang.“

„Und was heißt das nun genau?“ Naruto kratzte sich am Kopf. „Das bei Sakura eine Software auf dem Handy versteckt war und man sie dadurch geortet hat?“

„So in etwa“, nickte Hinata.

„Und Sakura hat das geahnt und hat ihr Handy deswegen kaputt gemacht?“

Hinata nickte wieder und versuchte eine Antwort in Sakuras Gesicht zu finden.

„Aber dann ist das doch gut, oder? Dann wissen wir, wie sie uns finden konnten und das sie uns nun nicht mehr orten können!“

„Ja, das können sie nun nicht mehr“, sagte Hinata.

„Und wir können nicht herausfinden, von wem die Software war.“ Sasuke stand auf und warf Sakura einen wütenden Blick zu. „Hast du daran auch gedacht? Hinata hätte es untersuchen können, wir hätten vielleicht ein paar Antworten bekommen!“

Sakura rührte sich nicht, sah nicht einmal auf, sondern fixierte irgendeinen Punkt auf dem Boden.

„Oder ist genau das der Grund?“, sagte Sasuke kalt. „Dass du nicht wolltest, dass wir es herausfinden?“

Sakura schrak zusammen und sah Sasuke erschrocken an. Für einen flüchtigen Moment trafen sich ihre Blicke, ehe die Rosahaarige wieder ihren Kopf senkte.

„Hast du nichts dazu zu sagen?“

Sasuke wartete kurz, doch dann schüttelte er den Kopf und ging zur Tür. „Wir gehen noch alle drauf!“, meinte er mit einem eisigen Ton in der Stimme. „Und das nicht, weil sie uns kriegen, sondern weil wir uns nicht gegenseitig vertrauen können, weil wir einander anlügen!“

„Ich hab nicht gelogen“, wisperte Sakura, stieß sich von der Wand ab und sah Sasuke fassungslos an. Wie konnte er so etwas sagen?

„Aber du verheimlichst etwas!“

Naruto sah unbehaglich zwischen den Beiden hin und her. Sasuke war öfters so kalt, ihm gegenüber legte er ab und an immer mal einen finsteren Ton auf, aber Sakura gegenüber war er bisher noch nie so gewesen.

„Und das ist genauso schlimm!“

„Aber ich … es sind doch nur Gedanken, und ich weiß nicht einmal …“

„Dann lass es sein.“ Sasuke warf Sakura einen nur allzu deutlichen Blick zu, ehe er sich abwandte.

„Ich …“ Wieder spürte das Mädchen die Tränen, machte einen Schritt vorwärts, blieb aber doch stehen. „Es gab … man konnte die Sterne gestern nicht sehen“, rief sie plötzlich und kniff dabei die Augen zu. „Sie kann die Sterne nicht gesehen haben!“

Abrupt blieb Sasuke stehen und drehte sich um. Auch Hinata und Naruto sahen Sakura verwirrt an.

„Was meinst du damit?“, fragte Sasuke scharf. „Wer kann sie nicht gesehen haben? Gestern hat es noch nicht geregnet. Wir hatten einen klaren Himmel, und …“

“Ino“, wisperte Sakura, ließ sich an der Wand herunter und vergrub das Gesicht in den Händen. „Ino ist in London. Und in London hat es gestern schon geregnet. Sie hat … sie hat gelogen …“

„Ino Yamanaka?“ Naruto sah fassungslos zu Hinata, die nicht anders drein blickte.

„Hast du mit ihr telefoniert?“ Sasuke ging auf Sakura zu, sah zu ihr hinunter und widerstand dem Drang, sich zu ihr zu knien und sie zu trösten. „Sag schon!“

„Gestern“, gestand die Rosahaarige. „Bevor ich ans Fenster bin. Wir haben uns über die Sterne unterhalte, und sie sagte sie hätte sie erst gesehen. Es war komisch weil … weil …“ Sakura konnte vor Träne kaum sprechen. „Wegen der Zeitverschiebung, versteht du? Es war Mittag in London, und sie sagte, sie hätte sie vorhin erst gesehen … und als ich am Fenster stand fiel mir das ein … dann hörte ich schon den Schuss … und in den Nachrichten haben sie gesagt, London sei seit Tagen bewölkt … sie hat gelogen, aber warum? Warum lügt sie?“

Sakura sah mit ihren verweinten Augen zu Sasuke, als erwartete sie von ihm eine Antwort.

Der Uchiha starrte sie an, wusste nicht was er sagen sollte, hoffte dass Hinata irgendetwas tat, und beugte sich schließlich selbst zu Sakura.

„Schon gut“, murmelte er und nahm Sakura aus einem unbestimmten Gefühl in den Arm. „Das finden wir raus.“

„Sie hat gesagt, wir würden immer Freunde bleiben, sie hat es versprochen“, flüsterte die Rosahaarige, und man konnte sie kaum noch verstehen. „Aber sie hat nie die Sterne gesehen …“

Der Schuhladen in Chabarowks

Als die Flugmaschine auf dem Flughafen von Chabarowsk landete und die Passagiere ausstiegen, lief Sakura immer Sasuke hinterher, der sie eilig durch die Menschenmassen führte und schließlich am Gepäckband hielt.

Kakashi war schon mit einem früheren Flieger in die Hauptstadt der Region geflogen, derweil Naruto und Hinata einen späteren nehmen wollten. Sie wollten so wenig wie möglich auffallen, und größere Gruppen zogen eher die Blicke anderer auf sich.

„Wann treffen wir die anderen?“, fragte Sakura, als sie an einer Säule lehnte und Sasuke dabei zusah, wie er missmutig die Gepäckstücke beobachtete. „Wartete Kakashi hier auf uns?“

„Nein“, sagte Sasuke und griff nach Sakuras Tasche, die er an sie weiterreichte. „Wir treffen uns möglichst gar nicht.“

„Gar nicht?“

„Sie werden immer in Sichtkontakt bleiben“, erklärte der Uchiha und sah eine alte Frau knurrig an, als sie sich ihres Koffers wegen vordrängeln wollte. „Aber erst, wenn wir wieder in Japan sind, werden wir zusammentreffen. So ist es sicherer.“

„Aber hier erwartet uns doch keiner, oder?“

„Danach können wir nicht gehen“, sagte Sasuke, schnappte sich seine eigene Tasche und warf der Alten einen tödlichen Blick zu, als er sich vom Gepäckband wegdrehte, Sakura am Arm packte und sie aus der Wartehalle zog. „Also halt die Augen offen.“

Sasuke führte Sakura in eine abgelegene Ecke und kramte in seiner Tasche. „Mach die Haare zusammen“, sagte er.

„Die Haare?“

„Nun mach schon.“

Sakura sah den Uchiha fragend an, tat aber wie ihr geheißen und band sich einen Zopf. „Und nun?“

Sasuke grinste leicht, holte ein Basecap hervor und setzte es Sakura auf. „Jetzt fällst du nicht mehr auf.“

„Damit soll ich rumrennen?“ Sakura steckte sich auch die übrigen Haare hinunter. „Und was ist mit dir?“

„Ich fall nicht auf“, meinte Sasuke und zog es ihr tiefer ins Gesicht. „Aber deine Haare sind zu hell, als dass man nicht gucken würde.“

„Wir hätten mir auch eine Perücke holen können“, grinste Sakura, die Sasukes Erheiterung als äußerst angenehm empfand. Die ganze Zeit über war er angespannt gewesen, aber nun schien er etwas aufzutauen. „Und eine Sonnenbrille.“

„Das wäre schon wieder auffällig gewesen.“

„Wieso?“

„Weil es dann aussieht, als würdest du dich verstecken wollen. Und mit einem Cap rennen hier die meisten Jungs rums.“

„Jungs? Ich bin aber kein Junge!“

„Jetzt sieht man kaum noch einen Unterschied.“ Sasuke konnte sich kaum das Grinsen bei Sakuras beleidigtem Anblick verkneifen.

„Na vielen dank“, knurrte sie und wollte schon davon dampfen, als Sasuke ihren Arm ergriff und festhielt.

„Nicht weglaufen“, sagte er ernst. „Auch wenn du wie ein Junge aussiehst, heißt das nicht, dass sie es nicht durchschauen.“

„Wenn du noch einmal sagst, dass ich wie ein Junge aussehe, werde ich dich gleich wie ein Junge verprügeln!“, giftete Sakura zurück, doch da Sasuke schon wieder grinste, verzog sie trotzig den Mund. „Hör endlich auf zu lachen, das ist gemein!“

„Ja, schon gut.“ Sasuke schüttelte amüsiert den Kopf, griff seine Tasche und führte Sakura hinter sich aus dem Flughafen heraus.

„Und wo gehen wir jetzt hin? Wo wohnt dieser Doktor?“

„Es ist ein Stück. Wir fahren mit der Straßenbahn, ein paar Kilometer mit dem Taxi und dann mit dem Bus.“

„Ist das verworren“, maulte Sakura und ließ sich zur Haltestelle ziehen. „Und wann gehen wir einkaufen?“

Sasuke blieb jäh stehen und sah Sakura ungläubig an. „Einkaufen?“

„Ja einkaufen!“

„Was zum Kuckuck willst du jetzt einkaufen?“

„Klamotten vielleicht? Glaubst du in dieser Tasche ist irgendetwas zum Anziehen drin?“ Sie hielt ihren kleinen Rucksack hoch. „Da ist absolut nix. Und ich BIN nun mal eine Frau, und eine Frau möchte ab und an frische Sachen tragen!“

„Eine Frau?“ Sasuke runzelte die Stirn. „Ein Kind wohl eher.“

„Ein Kind?“ Sakura plusterte ihre Backen auf. „Ich bin überhaupt kein Kind! Du bist vielleicht ein Kind, ich bestimmt nicht!“

„Ich bin wesentlich älter als du, Sakura.“

„Ein Jahr bedeutet bei dir wesentlich?“

„Nun, es ist ein wesentliches Jahr.“

Sakura zog die Braue hoch und sah Sasuke skeptisch an. „Du hast ja nen Knall!“

„Tzz“, machte Sasuke nur und löste zwei Fahrkarten.

„Und trotzdem brauch ich neue Sachen“, ließ Sakura nicht locker. „Außerdem ist es eure Schuld! Ihr hättet meine Reisetaschen mitnehmen können.“

„Wir hatten es etwas eilig, Sakura! Falls du dich dran erinnerst, hat man unser Versteck gefunden und auf dich geschossen. Lass dich in Zukunft nicht mehr anschießen, und du hast deine Klamotten.“

„Das nützt mir jetzt aber nichts!“

„Argh, halt endlich den Mund. Wir gehen nicht einkaufen!“

„Dann geh ich alleine!“

„Mit Sicherheit nicht!“

„Mit Sicherheit doch!“

Sasuke hätte sich am Liebsten die Haare gerauft, doch letztlich musste er dem Sturkopf nachgeben. Von wegen kein Kind …
 

Seit fünf langen Minuten saß Sasuke auf einem kleinen Hocker, sah dutzenden von alten Frauen zu, wie sie sich im Spiegel begutachteten, und brummte genervt vor sich her.

„Brauchst du noch lange?“, rief er irgendwann, als es ihm langsam zu bunt wurde. Sakura war seit geschlagenen 10 Minuten in der Umkleidekabine, probierte tausende von Teilen an und kam nicht mehr hinaus. „Bist du eingepennt oder was?“

„Sei doch mal still!“, rief Sakura ebenso laut zurück. „Und kann ja jeder hören! Das ist peinlich!“

„Beeil dich lieber. Wir haben einen Zeitplan einzuhalten!“

„Bist du jetzt mal leise?“ Sakura steckte ihren Kopf hinter dem Vorhang heraus und sah Sasuke strafend an. „Die gucken schon alle!“

„Die verstehen uns aber nicht.“

„Aber sie wissen, dass du ein nervender, drängelnder Kerl bist, der eine arme junge Frau beim Einkaufen hetzt!“

„Wir müssen bis nach Garovka, das ist noch ein Stück! Und ich würde gerne planmäßig dort ankommen!“

Sakura seufzte, zog ihren Kopf wieder ein und schmiss Sasuke schließlich etliche Kleidungsstücke entgegen. „Dann geh das bezahlen und einpacken lassen.“

„Wieso soll ich das bezahlen?“

Sakura kam in ihren alten Klamotten aus der Umkleide und legte noch einige Teile auf Sasukes Stapel. „Das macht man nun mal so. Hab ich im Film gesehen. Wenn ein armes Mädchen wie ich von einem Macho wie dir ständig gerettet wird, bezahlt er auch ihre Sachen, die sie logischerweise braucht.“

„Logischerweise? Und was heißt Macho?“

„Ich denke, wir haben es eilig, Sasuke!“

Der Uchiha ließ den Kopf hängen, überlegte ernsthaft ob es einen Gott gab und schlürfte zur Kasse, ehe er Sakura die Tüten nach draußen schleppen musste.

„Und was ist mit essen?“, überlegte sie schon, kaum dass er neben ihr stand. „Da drüben gibt es ein kleines Restaurant, oder da hinten, oder … oh Gott“, entfuhr es der Rosahaarigen und mit fassungslosen Gesicht sah sie starr nach vorne.

„Verdammt, was?“, zischte Sasuke, hatte schon sämtliche Tüten fallen lassen und in seine Tasche gegriffen, in der er die Pistole entsicherte.

„Was … Man Sasuke, warum hast du denn die Tüten runter geschmissen? Ich glaub’s nicht!“

„Was redest du?“ Sasuke sah sich noch immer um. „Was hast du gesehen?“

Sakura runzelte die Stirn, ehe sie begriff. „Schuhe. Sei doch nicht so angespannt, ich denke hier erwartet uns keiner!“

„Schuhe? Bist du verrückt?“

„Ich bin verrückt?“ Sie drehte sich um und lief zu dem Laden auf der anderen Seite. „Pack du das wieder ein, ja? Ich komme gleich, ich will bloß mal gucken.“

Sasuke, dem die Gesichtszüge längst entglitten waren, starrte auf das Sammelsurium an Shirts. Es konnte keinen Gott geben …
 

Mit großen Augen sah sich Sakura in dem kleinen, aber übersichtlichen Schuhladen um. Es gab ein breites Angebot, und man würde von Außen kaum glauben, dass so viele Schuhe hier hinein passten.

Das Mädchen ging durch die Reihen, nahm ab und an einen Schuh aus dem Regal und betrachtete ihn genauer. Seit Ewigkeiten war sie nicht mehr Schuhe kaufen gewesen, denn besonders viel Geld konnte sie neben der Schule nicht verdienen.

„Kann ich ihnen helfen, Miss?“, fragte sie eine freundliche Männerstimme, und als Sakura sich jäh umdrehte, sah sie in das lächelnde Gesicht eines jungen Mannes. „Wir haben viele schöne Schuhe.“

„Ähm … ja“, meinte Sakura verlegen. „Aber ich will mich nur umsehen, ich hab … nicht soviel Zeit.“

„Um den richtigen Schuh zu finden, sollte man sich Zeit lassen“, schmunzelte der Mann. „Das gilt für alle Bereiche des Lebens. Wähle mit bedacht, und dann wähle richtig. So wird es lange halten. Schuhe können uns unser ganzes Leben lang begleiten, Miss.“

„Das stimmt“, lächelte Sakura, fühlte sich aber äußerst unwohl. Ein absolut seltsamer Mann. Predigte er ihr gerade die Weisheit der Schuhe?

„Sie sind nicht von hier, nicht wahr? Aus Japan, nehme ich an?“

„Ähm, ja“, gab Sakura zurück. „Ein bisschen Urlaub machen.“

„Ja, Urlaub ist etwas Feines. Ich habe seit zwanzig Jahren keinen Urlaub mehr gemacht“, erzählte er und klang wehmütig. „Dafür habe ich leider keine Zeit. Die Schuhe beanspruchen mich von früh bis spät. Sie möchten gepflegt werden.“

„Klingt anstrengend“, versuchte Sakura zu lächeln, doch wirkte es eher verkrampft. Ob der Mann verrückt war?

„Sind sie hier geboren?“, fragte er unerwartet, doch Sakura konnte nicht mehr antworten, als Sasuke schon in den Laden kam und die beiden grimmig ansah.

„Wir gehen“, sagte er barsch und ausdrücklich.

Sakura nickte und lächelte den Mann noch einmal zu. „Es war nett sie kennen zulernen.“

„Mich hat es gefreut. Hier reden nicht viele mit mir.“

„Nein?“, fragte Sakura, doch Sasuke griff sie schon an der Hand und zog sie mit sich. Sie sah, wie ihr der Mann zuwinkte, ehe er sich wieder seinen Schuhen widmete.

„Du kannst mich loslassen, Sasuke“, murrte Sakura, da es der Uchiha scheinbar eilig hatte. „Ich war doch gar nicht lange weg.“

„Das hättest du uns sagen müssen!“, sagte Sasuke und schien aufgebraucht. „Warum hast du uns das verheimlicht!“

„Verheimlicht?“

„Das du mit dem Mann reden kannst!“

„Hä?“ Sakura sah Sasuke verständnislos an und blieb stehen. „Was meinst du?“

Sasuke runzelte die Stirn, zog Sakura etwas zur Seite und deutete zu dem Schuhverkäufer, der kaum noch zu sehen war.

„Du hast mit ihm gesprochen. Hast du das nicht mitbekommen?“

„Natürlich hab ich das mitbekommen. Hältst du mich für blöd?“

„Sakura, der Kerl hat kein Japanisch oder Englisch gesprochen!“

„Wie?“

„Er ist ein Ewene gewesen. Das war ein ewenisches Geschäft!“

„Dann hat er russisch gesprochen? Ich kann etwas russisch. Französisch auch. Na und?“, sagte Sakura, die noch immer nicht verstand, was Sasuke von ihr wollte.

„Das war kein Russisch, das war Ewenisch! Kaum einer redet heute noch so!“

„Ewenisch? Was meinst du damit? Vielleicht klingt’s ja wie russisch?“

„Ich kann Russisch, und es klingt nicht so, Sakura. Und es ist in keinsterweise damit vergleichbar! Woher kannst du es?“

Sakura zuckte mit den Schultern, begriff nicht, wieso so Sasuke so ein Aufheben machte, und seufzte schließlich.

„Vielleicht von ’nem Kurs, den ich irgendwann mal besucht habe? Oder ’ne Sprachschule? Ist doch alles möglich. Französisch muss ich auch früher gelernt haben. In den letzten zwei Jahren hab ich nur Englisch in der Schule gehabt, und etwas Russisch eben.“

Sasuke schüttelte den Kopf, fuhr sich durch die Haare und sah Sakura skeptisch an.

„Ewenisch wird von kaum mehr als 6000 Menschen gesprochen. Die Sprache ist am Aussterben, Sakura. Du kannst sie in keinem Kurs gelernt haben …“

Dr. Rufus Ikamusa

Sakura und Sasuke mussten einen ziemlichen langen Fußpfad folgen, ehe sie einen weitläufigen Garten erreichte, in deren Mitte ein großes Haus thronte.

„Was Kriminelle nicht alles bekommen“, knurrte Sasuke und schüttelte angewidert den Kopf. „Es ist nicht zu fassen!“

„Aber wenn er eine recht reine Weste haben sollte, wie Kakashi erzählt hat?“

„Das ist kein Grund! Der Kerl war bei den Akatsuki, eigentlich hätte man ihn hängen müssen!“

„Hmm“, machte Sakura und mied es, Sasuke anzusehen. Noch war nichts bewiesen, aber so wie es im Moment aussah, schien auch sie eine Verbindung mit der Untergrundorganisation zu haben.

Hängen …

Das Mädchen erschauderte bei dem Gedanken und folgte Sasuke, als er das Gartentor öffnete und unauffällig zum Haus lief.

„Und wenn er gewarnt wurde und uns erwartet?“, flüsterte sie und griff von hinten nach Sasukes Jacke. Die Situation kam er ungewöhnlich unheimlich vor, verdächtig bekannt traf es jedoch auch.

Und dieser Ort erinnerte sie an etwas, woran sie sich nur nicht entsinnen konnte.

„Wurde er nicht. Kakashi hätte längst etwas gehört. Bleib hinter mir, verstanden?“

„Ich hatte nicht vor als erste durch die Tür zu stürmen und mich dem Doktor in die Arme zu werfen“, murmelte die Rosahaarige und schüttelte sich. „Ich mochte Ärzte noch nie. Mit ihren sterilen Kitteln sehen die wie Schlächter aus!“

„Schlächter?“

„Na Fleischer mein ich.“

Sasuke runzelte die Stirn, griff in seine Tasche und stellte sich neben die Eingangstür. Dreimal klopfte er laut, dann trat Stille ein.

„Wer ist da?“, hörten sie eine raue, männliche Stimme aus dem Inneren rufen, doch fast gleichzeitig öffnete sich die Tür und ein kleiner Junge blickte die beiden schelmisch an. „Du sollst doch nicht einfach aufmachen, Kenji! Wer sind sie?“

Der Mann, der um die 50 sein musste, sah Sasuke und Sakura fragend und vor allem misstrauisch an. „Hä?“

„Wir haben ein paar Fragen“, sagte Sasuke, schob sich einfach an den Älteren vorbei und Sakura hinter sich her. „Und es ist besser, wenn wir das nicht draußen besprechen.“

Die Farbe wich aus dem Gesicht des Mannes, doch schnell fasste er sich. „Ich kenne euch nicht, verschwindet! Sonst rufe ich die Polizei!“

„Wir sind so etwas ähnliches.“ Sasuke sah den Mann kalt an. „Ist ihr Name Rufus Ikamusa?“

„Was?“ Der Angesprochene schluckte schwer. „Sie … sie verwechseln mich, ich bin … ich heiße Dimitri Lenowitz und …“

„Ich habe nicht die Zeit und nicht die Geduld für Lügen, Herr Ikamusa. Wir haben lediglich ein paar Fragen, und wenn sie uns wahrheitsgemäß antworten, werden wir verschwinden und vergessen, dass wir je hier waren.“

„Wer zum Teufel sind sie?“ Ikamusa sah starr zu Sasuke, rührte sich keinen Zentimeter und war aschfahl im Gesicht. „Gehören sie …“

„Anbu“, sagte Sasuke knapp und klang, als würde er sich vor seinem Gegenüber ekeln.

„Von den Anbu?“

„Ja.“

„Aber was … ich habe nichts … ich verlasse das Haus nicht, nur meine Frau und ich tue nie …“

„Es geht nicht um sie, Herr Ikamusa. Ich habe ein paar Fragen über jemand anderen, und ich hoffe sie werden kooperieren. Für uns alle.“ Er sah hinüber zu Sakura, die sich zu dem kleinen Jungen gebeugt hatte und mit ihm kicherte.

„Wer ist sie?“, fragte Ikamusa und versuchte ruhig zu bleiben. „Kenji, geh bitte nach draußen, hörst du? Geh von dem Mädchen weg.“

Kenji sah seinen Vater mürrisch an, dann flüsterte er Sakura etwas zu und zeigte auf ihre Mütze.

„Die willst du haben?“, lachte sie und nahm sie ab. „Nagut, hier. Im Moment brauche ich sie nicht und …“

„Kenji, geh sofort von ihr weg!“ Dem Vater stand blankes Entsetzen im Gesicht, kaum dass Sakura die Mütze abgenommen hatte und ihr die Haare über die Schulter gefallen waren. „Kenji, raus hier, sofort!“

Der Junge sah seinen Vater an, doch fast gleichzeitig zeigte der Lauf einer Pistole auf Sakura.

„Geh weg, geh sofort von ihm weg!“, schrie der Mann, und in seiner Stimme klang eine unmenschliche Angst mit. „Geh weg oder ich erschieß dich auf der Stelle!“

„Waffe runter“, sagte Sasuke, doch hörte er sich regelrecht gleichgültig an. Auch er hatte eine Pistole gezogen, doch zielte er nicht auf den alten Mann. Er zielte auf den Jungen …

„Gott, Sasuke!“ Sakura verstand absolut nicht, was plötzlich los war, stellte sich aber vor das Kind und sah zwischen den Männern hin und her. „Was macht ihr, was …“

„Nimm die Waffe runter, alter Mann“, sagte Sasuke eisig und entsicherte seine Waffe.

„Sasuke, hör auf damit, was tust du denn!“, rief Sakura und Schweiß trat ihr auf die Stirn. Warum zielte er auf den Jungen? Und warum zielte der Mann plötzlich auf sie?

„Verdammt, ihr habt gelogen! Ihr seit nicht von den Anbu!“ Ikamusa sah zu seinem Sohn, sein Gesicht vor Furcht erstarrt. „Nimm du sie runter, oder ich werde das Mädchen …“

Sasuke verengte die Augen, bewegte seine andere Hand, dass man die Bewegung kaum erkennen konnte, und richtete plötzlich eine zweite Waffe auf den Alten.

„Wenn sie nicht sofort die Waffe runter nehmen, wird der Bengel sterben. Und danach werde ich auf sie schießen, und das einzige, was danach noch funktionieren wird, ist ihr Kopf. Und bis zu ihrem verdammten Ende werden sie ihren sterben Sohn sehen …“

Sakura erzitterte, als sie Sasukes kalte Stimme, seine grausame Präsenz spürte, und sie traute sich kaum an seinen Worten zu zweifeln. Würde er es wirklich wagen, einen Jungen zu erschießen? Nur weil jemand die Waffe auf sie richtete? Das durfte, das konnte nicht sein! Niemand durfte auf ein wehrloses Kind die Pistole richten! Niemand!

„Sasuke, bitte ich …“ Sakuras Stimme zitterte, doch wurde ihre Aufmerksamkeit von dem Alten geweckt, der seine Waffe sinken ließ und zu Boden schmiss.

„Geh weg, Kenji“, sagte Sakura schnell und drängte den Jungen aus dem Raum. „Geh etwas spielen …“

„Verdammter … Misthund!“, tobte der Alte, der sich in einem Sessel sinken ließ und den Kopf auf die Hände stürzte. Die Knöchel seiner Finger waren weiß, fst so weiß wie sein Gesicht. „Gott!“ Ihm kamen die Tränen und er wischte sich über die Augen.

„Sasuke, was sollte das?“ Auch Sakura sah den Uchiha wütend an. „Wie konntest du nur … auf ein Kind schießen wollen, was … Scheiße, was hast du dir dabei gedacht?“

Sasuke zuckte lediglich mit den Schultern und sah wieder zu dem Alten. Er nahm die Waffe vom Boden und steckte sie weg, dann setzte er sich auf einen altmodischen Stuhl und wartete einen Moment.

„Gott“, weinte der Alte immer noch. „Gott, was wollt ihr … von mir, ich bin seid Jahren raus! Ich war nicht einmal wirklich dabei, egal was ihr wollt … ihr …“

„Antworten“, sagte Sasuke und sah flüchtig zu Sakura. „Du kennst sie? Sieh her, sonst holen wir den Jungen zurück, verstanden?“

Ikamusa zuckte zusammen, doch sah er auf und wischte sich erneut über die Augen. Er rutschte die Brille zu Recht und biss sich auf die Lippen. Es schien, als würde er sich unter größter Müh zwingen müssen, Sakura anzusehen.

„Kennst du ihren Namen?“, fragte Sasuke und deutete zu der Rosahaarigen.

„Nein“, erwiderte Ikamusa und seine Stimme bebte dabei. „Nein, ich kenne nicht ihren Namen.“

„Warum hast du auf sie gezielt?“, fragte Sasuke weiter.

„Ich … ich weiß es nicht, ich hatte Angst …“

„Sagt dir der Name Sakura Haruno etwas? Im Zusammenhang mit den Akatsuki?“

Der Doktor schüttelte den Kopf, und es schien nicht, als würde er lügen. „Nein, ich kenne niemanden mit diesem Namen … ich habe nur … ihre Haare …“

„Meine Haare?“, fragte Sakura. „Was ist damit?“

„Wenn ihr von den Anbu seid, was … was wollt ihr dann vor mir?“

Sakura sah zu Sasuke, bat ihm stumm, den Alten aufzuklären, der gänzlich verwirrt schien und vor Furcht zitterte. Sie empfand Mitleid für den Mann, der eben noch Todesängste seines Sohnes wegen hatte ausstehen müssen.

Sasuke seufzte, nickte aber schließlich. „Gut“, sagte er und wirkte ermüdet. „Das Mädchen hier heißt Sakura Haruno, und sie steht auf der Blacklist.“

Die Augen des Doktors weiteten sich, sein ganzer Körper schien plötzlich wie gelähmt, und voller Unbehagen sah er die Rosahaarige an. „Auf der Blacklist?“, flüsterte er. „Du stehst auf der Blacklist?“

Sakura nickte und lächelte traurig. „Und ich weiß nicht warum.“

„Du weißt es nicht?“

„Nein“, sagte sie und setzte sich nun ebenfalls. „Ich habe vor zwei Jahren mein Gedächtnis verloren. Ich weiß nichts über die Akatsuki, oder was ich mit ihnen zu tun haben könnte.“

„Auf der Blacklist“, schluckte der Alte und ließ sich nach hinten sinken. „Dann bist du verloren …“

Sasuke wollte wütend etwas erwidern, doch Sakura kam ihm zuvor.

„Ich weiß“, meinte sie leise. „Aber ich möchte wissen, warum.“
 

Unruhig drehte sich Sakura von einer Seite auf die andere, schreckte schließlich aus ihrem Traum hoch und ließ sich gerädert zurück in die Kissen sinken. Vorsichtig lugte sie zu Sasuke, der in dem gleichen Bett lag wie sie, ihr aber den Rücken zukehrte und zu schlafen schien.

Nach einem langen und nicht besonders aufschlussreichen Gespräch mit Doktor Ikamusa, der letztlich doch versucht hatte, ihnen zu helfen, waren sie zurück nach Chabarowsk gefahren und hatten in ein unterklassiges Hotel eingecheckt. Sasuke hatte einige Telefonate geführt, Sakura mitgeteilt, dass sie morgen zurückfliegen würden, und war dann ins Bett gefallen. Da die Rosahaarige keine Couch gefunden hatte, und der Boden alles andere als bequem wirkte, hatte sie sich eine mochige Decke aus dem Schrank geschnappt und sich neben den Uchiha gelegt. Weit an die Seite war sie gerutscht, damit sie sich nicht in die Quere kamen, doch schnell war auch sie eingeschlafen, bis sie ein unschöner Alptraum aus dem Schlaf gerissen hatte.

Sakura stand auf und ging zum geschlossenen Fenster. Es war recht warm und stickig, aber Sasuke hatte ihr verboten es anzuklappen. Eine Weile sah sie nach draußen, beobachtete die Sterne, die allmählich von den Wolken bedeckt wurden, und versuchte sich an das Gespräch zu erinnern.

Ikamusa selbst hatte nur eine kleine Position bei den Akatsuki bekleidet, und schon nach ein paar Monaten war er ausgetreten. Er hatte jedoch einiges gehört, doch erinnerte er sich an das wenigste. Er wusste, dass es jemanden unter den Akatsuki mit rosa Haaren gegeben hatte, der für sie arbeitete, wusste, dass diese Person gefährlich und durchtrieben war, und wusste gleichfalls, dass er nie mehr als eben dies von ihr gehört hatte.

Er bestätigte Sakura und Sasuke, dass auch Kinder im Untergrund gewesen waren, doch zu welchem Zweck konnte er ebenfalls nicht sagen. Alles, was mit diesen Kindern zu tun hatte, war streng geheim und jemand Niederes wie er hätte niemals etwas erfahren dürfen.

Ikamusa stellte sich also als Pleite heraus, zumindest was ihn und seine Informationen betraf. Jedoch hatte er den beiden eine Adresse gegeben, und auch wenn er die Person mit dieser Adresse nie gesehen hatte, so war er sich sicher, dass dieser Mensch recht viel über die Akatsuki wusste. Mehr wollte er dazu jedoch nicht verraten …

Sakura seufzte, als sie daran dachte, und schließlich ging sie zurück ins Bett und versuchte erneut einzuschlafen. Sasuke hatte ihr gesagt, dass die rosa Haare nichts zu bedeuten hatten, gab es noch viele andere mit dieser Haarfarbe.

Doch darüber dachte Sakura weniger nach.

In welchen Verhältnis sie zu den Akatsuki stand, vermochte bisher niemand zu sagen. Es gab einen Zusammenhang, doch welcher war vollkommen unklar.

Doch was war, wenn sie ihnen tatsächlich angehört hatte? Wenn sie für diese Organisation gearbeitet, gar getötet hatte?

Und wieder dachte sie an das, was Sasuke am Gartentor über Ikamusa sagte. Er hätte allein, weil er bei den Akatsuki gewesen war, hängen müssen …

Sakura atmete merklich ein, als sie ihn in Gedanken hörte. Den Hass in seiner Stimme, der ihr jetzt noch einen Schauer überlaufen ließ. Würde er sie auch so ansehen, wenn sich herausstellte, dass sie zu den Bösen gehörte? Würde er sie gar töten, weil er glaubte, sie hätte den Tod verdient?

Hätte sie in diesem Moment den Tod verdient?

Ja …

Die Rosahaarige fuhr sich über den Mund, aus Angst laut zu Schlurzen, als sie die aufkommenden Tränen bemerkte. Sie hasste es zu weinen, und in letzter Zeit hatte sie sooft geweint, aber war das alles nicht auch zum Verrückt werden? Sie, eine Killerin? Das war doch lächerlich!

Aber woher dieser Hass auf Kakashi? Woher diese grausamen Gedanken, dieser Verlust ihrer Selbstkontrolle?

Und was stimmte nicht mit Ino?

Warum beherrschte sie fremde Sprachen, konnte schießen und andere Dinge, die sie eigentlich nur aus dem Fernsehen kannte?

So viele Fragen, und nicht eine Antwort.

„Weinst du?“, fragte plötzlich Sasukes Stimme, und jäh zuckte sie zusammen.

„Nein“, sagte sie betont ruhig, doch war das Beben kaum zu überhören. Sie hatte fest klingen wollen, doch stattdessen war sie sich ihrer eigenen erbärmlichen Lüge bewusst.

„Kannst du nicht schlafen?“

„Doch, ich … hab ich dich geweckt?“

„Nicht wirklich.“

„Du denkst über heute Nachmittag nach, nicht wahr? Du solltest aufhören, dir darüber Gedanken zu machen. Es ist sinnlos, solange wir nichts Neues wissen.“

„Werden wir zu dieser Adresse fahren?“, wollte Sakura wissen und bemerkte, wie sich Sasuke zu ihr umdrehte.

„Wahrscheinlich. Eine andere Möglichkeit wird es nicht geben. Aber zuerst müssen wir darüber mit den anderen sprechen. Es könnte genauso gut eine Falle sein.“

„Glaubst du Ikamusa nicht?“

„Nein“, sagte Sasuke. „Das tue ich nicht. Glaubst du ihm?“

Sakura öffnete die Augen und starrte an die Decke. Sie bemerkte Sasukes Blick, der auf ihr lag, doch wollte sie sich ihm nicht zu wenden. „Die Adresse ist in Tokio, stimmt’s?“

Ikamusa hatte sie auf einen Zettel geschrieben und Sasuke gegeben, aber der Schwarzhaarige hatte ihn gleich eingesteckt.

„Ja“, gab er zögernd zu.

„Wo in Tokio?“

Als Sasuke nicht antwortete, schlich sich ein kleines Lächeln auf Sakuras Gesicht, doch wirkte es bedrückt.

„Du traust mir nicht?“, fragte sie und drehte sich zu ihm. „Weil ich vielleicht …“

„Weil du auf den Gedanken kommen könntest, alleine hinzugehen“, nahm Sasuke ihr die Antwort ab.

Sakura, die etwas anderes erwartet hatte, sah den Uchiha fragend an. „Vielleicht wäre es besser“, meinte sie und versuchte ihr Lächeln beizubehalten. „Vielleicht sollten wir … solltet ihr wirklich den Auftrag …“ Es fiel ihr schwer darüber zu reden, doch umso mehr Zweifel auftauchten, umso größer wurde ihre Angst davor, was Hinata, Naruto und vor allem Sasuke von ihr denken würden, wenn sie tatsächlich zu den Akatsuki gehörte.

„Du solltest schlafen“, sagte Sasuke und drehte sich um.

Und Sakura lächelte noch immer ihr trauriges Lächeln.
 

Es war weit nach Mitternacht, als Sakura durch ein Geräusch geweckt wurde und erschrocken hochfuhr.

„Sasuke?“, flüsterte sie und fasste nach links, doch griff sie ins Leere. „Sasuke?“

Als ihr niemand antwortete, stand sie auf, lief zum Lichtschalter und knipste das Licht an.

Es war niemand im Raum, doch schärfte sie sich selbst ein, Ruhe zu bewahren. Nur, wo war er hin?

Die Rosahaarige atmete tief ein und ging in das zweite Zimmer, dass ihnen ihre Pension bot: Das angrenzende Bad.

Eine Weile verbrachte sie damit, sich einfach nur im Spiegel anzusehen. Es war kaum Zeit vergangen, doch hatte sie das Gefühl, sich um so vieles verändert zu haben.

Und sie hatte Angst, sich noch mehr zu verändern.

Sie stellte das Wasser an und spritzte es sich ins Gesicht. Das kühle Nass beruhigte ihre aufgewühlten Gedanken, es beruhigte ihren Puls und das rasende Herz. Vielleicht war Sasuke einfach nur in den Gemeinschaftssaal gegangen, um zu telefonieren?

Sicher käme er bald zurück, und sie sorgte sich unnötig.

Noch einmal blickte sie in den Spiegel, stellte den Hahn ab und trocknete sich die Hände. Schon morgen würden sie zurück nach Japan fliegen, würden sich mit Hinata und Naruto treffen und darüber reden, wie es weitergehen sollte. Vielleicht hatte Kakashi eine Idee, und vielleicht gab es noch eine Möglichkeit. Noch war nichts verloren, sie musste nur aufhören, immer negativ zu denken.

Als sie zurück ins Zimmer ging und die Badtür hinter sich schloss, wunderte sich Sakura, dass das Licht wieder aus war. Für einen Moment hielt sie die Luft an und lauschte, doch hörte sie nichts außer ihren eigenen hektischen Herzschlag.

Sie schüttelte den Kopf, lief wieder zum Lichtschalter und betätigt ihn. Sie drehte sich um, doch sah unerwartet in das fremde Gesicht eines Mannes und zuckte jäh zusammen.

„Hallo Sakura“, sagte er, erhob sich vom Bett und stellte sich ans Fenster. „Wie geht es dir?“

„Wer …“ Sakura hatte arge Probleme, ihre zitternde Stimme unter Kontrolle zu halten. „Wer sind sie und … Sasuke, wo ist Sasuke?“ Sie spürte die aufkommende Panik, die Furcht, die ihren Verstand zu rauben drohte. „Was haben sie mit Sasuke …“

„Er war nicht hier“, sagte der Fremde und spähte zum Fenster hinaus, blieb aber im Schutz der Vorhänge. „Er scheint gegangen zu sein.“

„Gegangen?“

„Ihr habt beim Ikamusa geschnüffelt. Das war keine gute Idee. Der alte Mann musste dafür bezahlen … was hat er euch gesagt?“

„Ikamusa? Was haben sie mit ihm … was …“

„Das hat dich nicht weiter zu interessieren. Weißt du, warum ich gekommen bin, Sakura?“

„Gekommen?“

„Ja, ich bin gekommen, um dich zu holen. Es wird Zeit, nach Hause zu kommen.“

„Was?“

„Deine Eltern erwarten dich, Sakura. Sie möchten dich endlich wieder sehen. Du warst lange weg. Niemand ist mehr böse auf dich.“

„Was reden … was sagen se da? Meine Eltern? Ich … ich verstehe nicht, ich …“

„Komm mit mir mit, Sakura, und niemand wird verletzt. Ino freut sich auch.“

„Ino?“ Sakuras Herz setzte fast aus. „Was ist Ino?“

„Sie wartet dich auch, natürlich. Alle warten auf dich. Du hast uns allen gefehlt …“

Der Mann trat einen Schritt auf sie zu, doch Sakura zuckte zurück und merkte die Wand in ihrem Rücken. „Gehen sie weg!“, rief sie und schüttelte den Kopf. „Kommen sie mir nicht näher!“

„Aber, aber“, lächelte der Fremde. „Du erkennst mich nicht?“

Die Rosahaarige schüttelte erneut mit dem Kopf, biss sich auf die Lippen und versuchte seine Worte an sich abprallen zu lassen. Lüge, schrie sie innerlich. Er log!

„Komm Sakura, alles wird wieder gut, du kannst mir vertrauen!“ Er streckte die Hand nach ihr auf, doch im gleichen Moment wurde die Tür aufgerissen und ein gedämpfter Knall ertönte.

„Sakura!“ Sasuke hatte auf den Mann geschossen und blieb mit versteinertem Gesicht vor ihr stehen. „Alles okay? Hat er dir …“

„Wo warst du?“, weinte sie und fiel Sasuke plötzlich in die Arme. „Wo bist du gewesen?“

„Es ist alles gut, tut mir leid“, erwiderte Sasuke und drückte das Mädchen tröstend an sich. „Ich war nur unten. Wir müssen von hier verschwinden, okay? Wir müssen uns beeilen!“

Sakura nickte, wischte sich über die Augen und blickte über Sasukes Schulter hinweg zu der Leiche. „Wer war er?“

„Einer von den Akatsuki. Komm wir gehen und …“

Sakura schrie auf, wollte Sasuke noch zur Seite schubsen, doch zur selben Zeit fiel schon der Schuss, der Sasuke direkt in den Rücken traf.

„Idiot …“, stöhnte der Mann und unter sichtbaren Schmerzen versuchte er sich wieder aufzurichten.

„Sasuke?“, schrie Sakura und versuchte den Uchiha zu stützen. „Sasuke!“ Sie hielt ihn fest, doch schaffte sie ihn nicht und glitt mit ihm zu Boden. „Sasuke, bitte! Steh auf!“ Sie schüttelte ihn, versuchte ihn hochzuheben, doch alles vergebens. Sasuke lag in ihren Armen.

Und er war tot …

„Nein“, weinte das Mädchen, vergrub ihr Gesicht in seinem Shirt und rüttelte weiterhin an ihm. „Bitte, mach die Augen auf!“

„Er ist tot, Sakura“, sagte die Stimme des anderen, und unter ihrem Schleier aus Tränen sah Sakura, wie der Fremde auf sie zu kroch. „Er steht nicht mehr auf.“

„Nein!“, rief Sakura, stieß sich nach hinten und zog sich an der Wand nach oben. „Du hast ihn getötet!“ Sie spürte, wie sie ihre Beherrschung verließ, spürte die grausame Trauer, die sie überfiel und wie sie die Endlichkeit des Todes begriff. Die Gefühle, die Emotionen, schlugen wie der Donner eines Gewitters über sie herein, ließen ihre Knie zittern und ihre Hände zu Fäusten ballen. „Du hast Sasuke getötet!“

„Er war ein nötiges Opfer, damit du zu Vernunft kommst, Sakura. Lass uns gemeinsam zurückgehen, der Weg ist nun frei …“

Als würde sie nichts mehr hören, nichts mehr kontrollieren können, griff sie nach Sasukes Waffe und schoss auf den Fremden, der jedoch unaufhörlich weiter kroch. Er kam ihr immer näher, zog eine rote Spur hinter sich und lächelte wissend.

„Du kannst uns nicht aufhalten“, sagte er heiser und zuckte zurück, als ihn wieder eine Kugel traf.

„Nein!“, schrie Sakura, drückte erneut ab und schrie weiter. Ihre Schreie vermischten sich mit dem ohrenbetäubenden Lärm der feuernden Waffe, das Blut des Mannes vermischte sich mit dem Dreck des Bodens. Und so, wie auch Sakuras Tränen nicht nachließen, hörte sie nicht auf zu schießen.

Doch dann war die Munition alle.

„Du kannst uns nicht … aufhalten“, wisperte der Mann und zog sich wieder ein Stück nach vorne. Seine Hand griff nach Sakuras Fuß, und als er sie endlich zu fassen bekam und seinen blutenden Köper zu ihr heran zog, trat Sakura nach ihm, doch schien er noch immer die Kraft zu haben, sie festzuhalten. „Es ist vorbei, Sakura. Du wirst hängen“, lachte er und verdrehte dabei die Augen.

Sakura schrie, und schreiend schreckte sie aus ihrem Traum …

Felsen

Sakura wusste nicht, wie lange sie weinend von Sasuke gehalten wurde, wie lange er versuchte sie zu beruhigen, auf sie einredete und an sich drückte. Sie hatte sich an ihm festgekrallt und kaum glauben können, dass er neben ihr im Bett saß und wohlauf war. Ihre Tränen hatten erst nach vielen Minuten nachgelassen, und es war die aufgehende Sonne, die ihre Strahlen durch die Jalousien schickte und das kleine Zimmer langsam erhellte.

Sasuke hingegen fühlte sich recht hilflos, etwas, was er gar nicht mochte und vor allem selten spürte. Er hatte nach Sakura gegriffen, kaum das sie schreiend aus ihrem Traum erwacht war, hatte getan was er glaubte tun zu müssen, und wusste dennoch nicht, ob es richtig war. Umso mehr er sie an sich drückte, umso mehr hatte sie geweint, umso mehr zu zittern begonnen und umso mehr hatte er wieder versucht, sie zu beruhigen.

„Es war doch nur ein Traum“, sagte er irgendwann und hoffte sie damit in die Realität zu holen. „So schlimm kanns doch gar nicht gewesen sein.“ Wenn er gehofft hatt, dass das aufmunternd für Sakura war, so hatte er sich geirrt. Das Mädchen begann nur mehr zu weinen, und er verwünschte sich für seine Unfähigkeit, die richtigen Worte zu finden. Aber war er eine einfühlsame Frau? Absolut nicht! Woher sollte er wissen, wie er mit ihr umzugehen hatte, was sie beruhigte und was nicht?

Nun, dieser Satz hatte sie nicht beruhigt, das wusste er schon mal.

Jetzt wäre Hinata von Nöten gewesen, die es immer schaffte, das richtige zu sagen. Sie war sensibel genug, und wusste wie man mit Menschen umging, die ihre Nerven scheinbar auf dem Jahrmarkt gewonnen hatten.

Sasuke seufzte und strich Sakura über die Haare. Eigentlich konnte er sich nicht beschweren. Es gab wesentlich schlimmere Menschen, die wegen jeder Kleinigkeit zusammenbrachen. Für das, was Sakura auf sich zu nehmen hatte, was sie im Moment durchmachte, schlug sie sich eigentlich nicht schlecht. Es war viel mehr ein Wunder, dass sie solange durchhielt ohne regelmäßig in einen Weinkrampf zu verfallen.

„Was hast du denn geträumt?“, fragte er also und hoffte diesmal nicht ins Fettnäppchen zu treten. „Von dem alten Ikamusa? Der ist doch nun wirklich keine Träne wert …“

Autsch, dachte Sasuke, als auch dieser Satz nach hinten los ging und Sakuras Tränen wieder stärker wurden. Okay, jeder hatte drei Versuche, wenn man zwei verhaut, war das kein Weltuntergang.

„Erzähls mir, okay?“ Er versuchte Sakura ins Gesicht zusehen, doch als er sie von sich schieben wollte, ging auch das wieder nach hinten los. Er seufzte abermals, lehnte sich gegen das Bettgestell und zog Sakura mit sich. Gut, dann würde es eben etwas länger dauern …

Er verkniff sich den Satz: Schlaf doch noch ein wenig, denn er glaubte damit nur einen weiteren Anfall heraufzubeschwören, und er selbst wusste nur zu genau, was Alpträume in einem auslösen konnten, hatte er Jahrelang damit zu tun gehabt.

Irgendwann, und Sasuke glaubte schon keinen Muskel mehr zu spüren, da Sakura recht ungünstig auf ihm lag, hörte er wie sie leiser wurde. Er verkniff sich ein erleichtertes Ausatmen, und wünschte sich selbst einen Koten in die Zunge, damit er jetzt nur nichts Falsches sagte. Sollte er sie erneut zum Weinen bringen, würden se vermutlich ihren Flug verpassen.

„Gehts wieder?“, fragte er gedämpft und versuchte dabei seinen rechten Fuß zu bewegen. Das unangenehme Prickeln ließ ihn erahnen, wie sehr seine Glieder eingeschlafen sein mussten.

„Hmm“, kam es murmelnd, und als Sakura sich zu bewegen begann, musste Sasuke die Lippen zusammenpressen, um keinen keuchenden Laut von sich zu lassen.

„Alles okay?“ Sakura erhob sich leicht und sah Sasuke aus einer Mischung von Scham und Verwirrung an.

„Sicher“, sagte Sasuke, doch war es mehr ein schmerzhaftes Grunzen, als er seinen steifen Arm bewegte und fast gleichzeitig wieder fallen ließ. „Ich bin nur etwas gelähmt.“

Etwas war absolut untertrieben. Sollte jetzt jemand ins Zimmer stürmen, würde er sich vermutlich erschießen lassen müssen, denn eine Aussicht auf eine raschere Bewegung gab es nicht.

Er bemerkte, wie Sakura ihn schuldbewusst ansah, und so grinste er leicht. Es überraschte ihn, dass seine Mundwinkel noch mitspielten. „Geht’s besser?“

Sakura nickte und richtete sich vollendes auf, was dem Uchiha einen auspustenden Laut entlockte.

„Tut mir leid, ich …“

„Ach was. Ich habs überlebt …“

Fettnapf, schoss es Sasuke durch den Kopf, als er sah wie sich Sakuras Augen weiteten und erneut mit Tränen zu sammeln drohten. Sag was, brüllte ihn sein Verstand an, sag was, bevor dein Körper vollkommen hinüber ist!

„Die Sonne geht grade auf“, platzte es aus ihm heraus, und obwohl er seinen Verstand bemerkte, der ihm gerade Eine knallen wollte für diese Dämlichkeit, sah er wie Sakuras verweintes Gesicht sich entspannte und ihn stattdessen fragend ansah.

„Die Sonne geht auf?“

Sasuke nickte stumm, denn er traute sich kaum noch den Mund aufzumachen. Mit Mühe versuchte er sich etwas nach oben zu ziehen, derweil ihn Sakura dabei beobachtete und schließlich einfach grinste.

Ungläubig blickte er sie an und zog eine beleidigte Schnute. „Was?“, knurrte er mürrisch und bewegte unbemerkt seine Füße, die es ihm am Schwersten machten. „Findest du das komisch?“

Sakura schüttelte den Kopf, doch sah man, dass sie sich das Lachen kaum verkneifen konnte. „Nein“, presste sie zwischen den Zähnen hervor. „Und … Danke, Sasuke. Es tut mir leid, dass ich … dass ich geflennt habe und …“

„Ach vergiss es.“ Sasuke zuckte mit den Schultern, allerdings eher um auch ihnen die Taubheit zu nehmen. „Und sagst du mir nun, was los war?“

„Ich hab schlecht geträumt“, gab die Rosahaarige zurück und klang nicht so, als würde sie weiter darüber reden wollen.

„Von was, Sakura. Ich bin steif wie ein Brett, ich will wissen, wieso!“

Sakura lächelte wieder, doch wirkte es nicht mehr belustigt. „Von dir …“, gestand sie.

„Von mir?“ Sasuke glaubte sich verhört zu haben. Sollte das ein misslungener Scherz sein, oder einfach nur die größte Beleidigung, die es gab? Das durchgeknallte Mädchen träumte von ihm, heulte daraufhin wie ein Schlosshund und schaffte es erst nach Stunden, sich wieder einigermaßen zu fangen!

„Das ist nicht besonders … nett“, brummte Sasuke. „Eigentlich ist es überhaupt nicht nett, Sakura. Hab ich versucht dich umzulegen oder bin ich über dich hergefallen? Das ist echt etwas … unschön, weißt du das?“

Sakura blinzelte irritiert, doch dann verstand sie das Missverständnis.

„Nicht so“, sagte sie schnell und schüttelte den Kopf. „Du hast nicht mich …“

„Ich hab jemand anderen umgelegt?“

Sakura fuhr sich über die Augen und wischte ihre letzte Träne fort. „Du wurdest … sie haben dich … sie haben dich erschossen und …“

„Himmel“, entfuhr es Sasuke, und gleichfalls spürte er die Faustschläge seines Verstandes, der ihm im Moment jedoch den Buckel runter rutschen konnte. „Das ist nun … verständlich“, sagte er. „Ich meine, dass du deswegen so einen Anfall hattest. Und wer hat mich erschossen?“, fragte er geradewegs und sah innerlich, wie sein Verstand aus den Tiefer losbrüllte, etwas mehr Taktgefühl zu zeigen. „Du?“

Idiot, keifte sein Verstand. Du dämlicher, blöder Idiot!

Sakuras Augen sahen Sasuke fassungslos an, als er das sagte, und heftig schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich … glaubst du ich würde …“

„Es ist nur ein Alptraum gewesen“, sagte Sasuke schnell, der das nahende Unwetter aufkommen sah. „Da träumt man ganz bizarre Dinge“, versuchte er zu erklären. „Was meinst du, wie oft ich Naruto schon verprügelt habe und … Gut, das waren weniger Alpträume, aber … verstehst du was ich meine? Es ist nur ein Alptraum, das heißt nicht, dass ich glaube, dass du jemals auf mich schießen würdest! Wer war es also?“

„Ich weiß nicht“, meinte Sakura. „Einer von den Akatsuki, das hast du zumindest im Traum gesagt.“ Und dann schilderte sie ihm in etwa, was passiert war, ließ jedoch den letzten Satz des Fremden weg.

„Das bedeutet nichts, Sakura“, meinte Sasuke ruhig, derweil er mit seinen schlafenden Händen kämpfte. „Das kommt daher, dass wir noch gar nichts herausgefunden haben.“

Sakura nickte, tat als würde sie es genauso sehen und ließ sich neben Sasuke in die Kissen fallen.

„Entschuldige“, murmelte sie und schloss die Augen.

„Schon okay.“

Eine Weile blieb es still, und derweil Sasuke glaubte, Sakura wäre eingedöst, versuchte er langsam seine Starre zu bezwingen. Er blickte auf die Uhr, stellte fest, dass sie noch Zeit hatten und grübelte darüber nach, was er frühstücken sollte. Ein ausreichendes Essen hatte er sich verdient, ohne Frage. Und eine Dusche. Eine lange, kalte, erfrischende …

„Sasuke?“

„Hmm?“ Er drehte seinen Kopf zur Seite und sah Sakura wartend an. „Was denn?“

„Würdest du mich erschießen, wenn ich zu den Akatsuki gehören würde?“

Sasuke merkte, wie sein Herz aussetzte, sein Atem stockte und sich seine Augen weiteten. Fassungslos starrte er Sakura an, die traurig zurücksah.

„Du hast gesagt“, meinte sie leise. „Dass Ikamusa hängen müsste, allein weil er bei ihnen war und …“

„Gott!“ stieß Sasuke aus. „Red keinen Scheiß, Sakura!“

„Aber du hast es gesagt …“, murmelte sie und senkte den Blick. „Du hast …“

„Hör auf!“ Wütend sah er Sakura an, richtete sich abrupt auf, verfluchte sich selbst für diese schnelle Bewegung, und strafte sie mit einem weiteren erbosten Blick.

Sakura spürte seine Wut, entschuldige sich leise und drehte sich auf die andere Seite. Sie versuchte sich aufs Luftholen zu konzentrieren, nicht weiter darüber nachzudenken und vor allem nicht erneut mit Weinen zu beginnen. Sie merkte, wie ihre Nerven kaum noch standhielten, und mittlerweile wünschte sie sich einfach nur noch ein Ende herbei. Ein Ende dieser grausamen Fluch, dem hinterher jagen von nichtvorhanden Informationen, ein Ende von allem einfach.

„Ich geh duschen“, hörte sie plötzlich Sasuke sagen, und seine Stimme klang noch kälter als zuvor.

Er ging ins angrenzende Bad, und als sie die fließende Dusche vernahm, stand sie auf und kramte in ihrer Tasche nach frischen Sachen. Der Gedanke, einfach abzuhauen, überkam sie, doch sie schüttelte nur über sich selbst den Kopf und wusste, dass Sasuke sie vermutlich schneller einholen würde, als sie überhaupt aus dem Gebäude käme.

Sie zog sich an, blickte zur Uhr und zurück zu ihren Sachen, neben denen Sasukes Tasche stand. Mit schnellen Schritten ging sie zu ihnen, warf einen Blick hinein und fand, wonach sie gesucht hatte. Schnell prägte sie sich die Adresse ein, legte den Zettel zurück an seinen Platz und stellte sich ans Fenster.

Als die Badezimmertür nach etlichen Minuten wieder geöffnet wurde, stand sie noch immer dort. Sie merkte Sasukes Blick im Rücken, hatte das Gefühl erwischt worden zu sein, und zuckte zusammen, als er hinter ihr stehen blieb.

„Ich hab überreagiert“, sagte er unerwartet, und als sie seinen warmen Atem im Nacken spürte, überkam sie eine Gänsehaut.

„Schon gut“, meinte Sakura ohne sich zu rühren. Sie fühlte sich wie gelähmt, allein durch seine Präsens, und zudem seltsam nervös. Sie traute sich kaum Luft zuholen und wartete, dass Sasuke sich wieder abwandte, doch nicht dergleichen geschah.

Warum ging er nicht?

Sie schluckte unmerklich, überlegte selbst einfach zu gehen, als sie seine Hand bemerkte, die sich auf ihre Hüfte legte.

Ruckartig blieb sie stehen, wagte es nicht zu Sasuke zu sehen, und genauso wenig einen weiteren Schritt zu machen.

„Denkst du wirklich, dass ich dich erschießen könnte?“, fragte Sasuke, und obwohl er leise sprach, hatte Sakura das Gefühl, er schreie sie an.

„Ich weiß … nicht“, gab sie zu. „Was wenn ich damals …“

„Das ist doch egal“, unterbrach sie der Uchiha. „Damals ist vergangen, heute bist du doch jemand vollkommen anderes!“

„Das macht nichts ungeschehen“, erwiderte Sakura und sah Sasuke bedrückt an. „Das ändert doch nichts von dem, was ich getan haben könnte.“

„Du würdest sie nie ruhen lassen, oder? Deine Vergangenheit …“

„Nein. Ich … ich will nicht weglaufen.“

Sakura spürte, wie Sasuke seinen Griff an ihrer Hüfte verstärkte und sie schließlich zu sich zog. Er sah sie nicht an, sah nur auf seinen Arm, der sich vorsichtig um sie legte und enger an sich drückte. „Du willst dich ihr gegen alle Vernunft stellen?“ Er schüttelte ungläubig den Kopf. Wozu sich selbst diesem Wahnsinn aussetzen? Warum nicht lieber das neue wissenslose Leben nutzen, dass ihr geschenkt wurde? „Das ist einfach nur dumm!“, entfuhr es ihm und strich Sakura dabei unbewusst über den Rücken. Er hatte eine böse Vorahnung, die ihm sagte, es könne das letzte Mal sein, das sie so beieinander waren.

Sakura fand kaum Worte, als sie seine Hände an sich spürte, Hände, die sie so sanft berührten, dass es ihr immer wärmer wurde und alles um sich herum vergessen ließ. Was gäbe sie dafür, für immer bei ihm zu sein, ihm nah zu sein und in seinen Armen zu liegen? Sie würde so viel dafür geben, alles was sie hatte.

Doch war das nicht viel, und sie wusste, dass die ungeklärte Frage nach ihrer Vergangenheit niemals verschwinden würde, dass sie immer in ihrem Kopf bleiben und den Weg für eine freie Zukunft versperren würde.

In Wahrheit wollte sie kein Ende.

Sie wollte einfach nur einen neuen Anfang und ein Leben, dass sie leben konnte.

Unwillkürlich griffen Sakuras Hände nach ihm, griffen mit all der Verzweiflung und all der Hoffnung nach Sasuke, der für sie der rettende Felsen war, der sie vor dem Ertrinken bewahrte. Sie klammerte sich wie eine Umhertreibende an das Leben, wusste, dass es kein Boot gab, dass nach ihr suchte, und dass sie es selbst sein musste, die sich auf den Fels und damit in Sicherheit zu ziehen hatte.

Und selbst wenn das Meer im Nichts versinken würde, der Fels auf dem sie saß, würde niemals untergehen.

Sakura schloss die Augen, musste sogar etwas lächeln, als sie daran dachte. Sie glaubte, dass ihr in diesem Moment erst wirklich klar wurde, was Sasuke überhaupt für sie bedeutete. Wie viel mehr er für sie war als nur ein Beschützer, ein Retter.

Er war mehr für sie als ein Felsen.

Aber wie viel mehr war mehr? Mehr als andere? Als Hinata oder Naruto? Mehr als Ino?

Sie hob ihren Blick, und als sich ihre Augen mit denen des Uchiha trafen, wusste sie die Antwort.

Und als er sich zu ihr beugte, seine Augen schloss und sie unerwartet küsste, kannte sie auch seine.

Rosa

Sasuke war, und anders konnte man es nicht sagen, einfach genervt. Er war es nicht einmal von Sakura, die sich stundenlang hatte fertig machen müssen, ehe sie die Pension verlassen konnte, oder von dem Taxifahrer, der sich auf dem Weg zum Flughafen dreimal verfuhr und das volle Geld haben wollte, er war nicht einmal von dem Bengel genervt, der ihn angerempelt und ohne Entschuldigung abgehauen war.

Er war von sich selbst genervt.

Er hatte Sakura geküsst! Verdammt noch mal einfach geküsst! Er hatte sie geküsst, stehen gelassen und seine Sachen gepackt. Und als wäre das nicht genug, hatte auch sie einfach ihre Sachen zusammengeräumt und so getan, als wäre nichts gewesen.

Und weil sie nichts getan hatte, tat auch er nichts weiter.

Sie verlor weder ein Wort darüber, noch schrie sie ihn an, noch verwünschte sie ihn, noch schien sie es überhaupt bemerkt zu haben!

Und er tat es wie sie und brummte vor sich her, anstelle eines aufklärenden Gesprächs zu führen.

Allerdings, und genau das war der Grund, warum er so genervt war, hatte er keine Ahnung was er aufklären sollte. Natürlich gäbe es da die Tatsache, dass er sie einfach geküsst hatte. Es wäre eine Möglichkeit zu erklären, warum er das gemacht hatte.

Aber, und das war das eigentlich Problem, wusste er darauf keine Antwort.

Hatte er im Affekt gehandelt? Keine Ahnung.

Mochte er Sakura? Keine Ahnung.

Empfand er mehr für sie? Keine Ahnung.

Empfand sie etwas für ihn? Gott verdammt, er hatte doch keine Ahnung! Was wusste er denn von Gefühlen?

Hass kannte er. Wut auch. Zorn. Die Lust, jemanden eine Kugel in den Kopf zu jagen, der es verdiente … das kannte er sicherlich. Ob er Spaß am Töten hatte? Er hatte zumindest nichts dagegen, jemanden umzubringen, der Unschuldige erschoss.

Und auch das war ein Problem! Wie konnte er glauben jemanden zu mögen, gar zu lieben, wo er doch nichts weiter war als eine Maschine, die aufs Umlegen programmiert war!

Hatte er gerade gesagt lieben?

Das war doch Wahnsinn! Ein Killer wie er, der liebte? Und dann jemanden wie Sakura? Wenn er ihre Vergangenheit außer Acht ließ, und das tat er nun mal, gehörte sie vermutlich zu den sanftmütigsten Personen, die er kannte. Wie konnte jemand wie er, für jemanden wie sie Gefühle haben?

Und gar erst umgekehrt? Konnte er erwarten, dass jemand wie sie, für jemanden wie ihn Gefühle hatte?

Das war abscheulich! Das war reiner Wahnsinn!

„Sasuke?“

Sasuke schreckte jäh hoch, als ihn Sakura aus den Gedanken riss und wartend ansah.

„Was?“, kam es brummend.

„Ich muss aufs Klo. Haben wir noch Zeit?“

Sasuke sah zur Uhr und nickte. „Hmm, aber mach hinne, der Check-In öffnet gleich und …“

Doch Sakura war schon weg.

Toll, klasse, herrlich. Wozu machte er überhaupt den Mund auf?

Sakura hingegen war einfach nur froh, ein paar Minuten alleine zu sein. Sie eilte durch die Terminalhalle hinüber zu den Damen-WC’s, lief im engen Seitengang an einer Gruppe Jugendlicher vorbei, die ihr hinterher pfiffen und beeilte sich, die Toilette zu erreichen, ehe es zu spät war.

Es war ja nicht einmal so, dass sie Sasukes Laune nicht verstand, doch wenn sie ehrlich war, war es eine ziemlich gemeine Reaktion auf das, was er getan hatte. Er hatte immerhin sie geküsst, und nun tat er, als wäre er das Opfer, das schlecht gelaunt durch die Gegend rennen musste!

Er hatte doch ewig im Bad gebraucht, und sie hatte er angemeckert, Stunden zu vertrödeln. Er hatte auch den Taxifahrer unbezahlt gelassen, obwohl dieser sich nur verfahren hatte, weil Sasuke immer wieder neue Routen nach vorne gebellt hatte.

Und der arme Junge hatte sicherlich einen blauen Arm, nachdem Sasuke ihn erst angerempelt, dann angeschnauzt und dann noch die Tür in die Seite geknallt hatte.

Und das alles nur, wegen einem Kuss?

Nicht, das sie es bereute. Ganz im Gegenteil, aber Sasuke gab ihr das Gefühl, es wäre der größte Fehler seines Lebens gewesen.

Einfach nur herrlich, klasse, toll …

Sakura seufzte, verließ die Toilette und stellte sich an das Waschbecken. Der zerbrochene Spiegel ließ einen ordentlich Schlitz durch ihr Gesicht laufen, und genau so fühlte sie sich eigentlich auch.

Total zerrissen.

Sie schüttelte verdrießlich den Kopf, wusch sich die Hände und versuchte noch etwas Papier aus dem Spender zu bekommen. Kaum das sie sich zum Gehen wandte, spürte sie schon eine Hand, die sie unsanft gegen die Wand beförderte.

„Hey, hey, hallo Schätzchen!“, sagte der Kerl ihr gegenüber, während sie ein anderer festhielt und breit grinste.

Sakuras Atem stockte, doch dann verzog sie das Gesicht und sah ihren Gegenüber aufgebracht an.

„Wenn ihr mich nicht sofort los lasst, schrei ich und dann kriegt ihr so was von eins auf die Mütze!“

„Oho“, lachte der junge Mann, der kaum älter als sie war und vermutlich zu den Jugendlichen von eben gehörte. „Willst du uns drohen?“

„Nein“, murrte Sakura. „Normalerweise antwortete man darauf mit: ich verspreche es euch. Aber ehrlich, können wir uns das nicht sparen? Ich bin wirklich nicht in der Stimmung.“

„Aber wir sind in der Stimmung!“, grinste er und nickte seinem Kumpel zu, doch im gleichen Moment wie der Kerl weiter nach ihr greifen wollte, schrie Sakura so laut sie konnte Sasukes Namen.

„Klappe!“, zischte ihr Festhalter, griff nach ihrem Kinn, doch schaffte Sakura es, ihm ordentlich in den Finger zu beißen. „Verdammt!“

Sakura entwandt sich seinem Griff, lief jedoch direkt in den anderen, der nur amüsiert lachte und sie mit dem Rücken gegen die Fliesen knallte.

„Schön hier geblieben“, lächelte er und griff in seine Tasche, ehe er wieder nach Sakuras Kinn fasste und sie daran hinderte, ihren Mund zu schließen.

„Was soll das?“, versuchte sie zu rufen, sich dabei zu wehren und freizukommen, doch war die Kraft des Jugendlichen bei weitem größer als ihre.

„Wir wollen nur etwas Spaß“, erwiderte er, hielt etwas rosanes vor Sakura hoch und legte es ihr in den Mund.

Verdammt!, schoss es ihr durch den Kopf, wohl wissen, was der widerliche Kerl damit meinte.

Drogen, etwas anderes konnte es nicht sein. Aber was für Drogen?

„Du wirst die Welt gleich ganz anders sehen“, lachte der junge Mann, zwang sie die Pille zu schlucken und sorgte dafür, dass sie sie nicht ausspucken konnte, in dem er sie schlagartig küsste.

„Könntest du das bitte sein lassen?“, fragte plötzlich eine tödlich genervte Stimme, und der Kerl ließ abrupt von Sakura ab, ehe er sich umdrehte und das hustende Mädchen von sich stieß.

„Ey, wer bist du denn?“, wollte er mit gerunzelter Stirn wissen und stufte Sasuke gleichfalls als nicht sonderlich bedrohlich ein. Er war höchstens sein Alter, und sie zu zweit.

„Das Kindermädchen“, sagte Sasuke monoton und legte den Kopf schief, als er Sakura fragend ansah, die noch immer hustete und keuchte. „Das ist auch eine Reaktion auf einen Kuss …“, bemerkte er trocken.

Entweder sie sagte gar nicht dazu, oder würgte. Der Traum eines jeden Mannes …

„Das ist normal“, grinste jedoch sein Gegenüber und irritiert sah ihn Sasuke wieder an. „Die sind gut, die Dinger. Wenn du willst, kannste auch eine haben. Kriegt man nicht überall.“ Er zeigte eine weitere rosa Pille, und nun wurde auch Sasuke ernster. Er hatte geglaubt, das sei ein lächerlicher Scherz dieser Bengel, und es wäre nichts weiter passiert, aber nun stand es doch ganz anders.

„Was hast du ihr gegeben?“, knurrte er und verengte die Augen, sodass beide Jugendlichen beinah erschraken und zurückwichen.

„Laason“, grinste der andere böse. „Macht Spaß. Macht sie gefügig.“ Er deutete zu Sakura, die sich den Mund gespült hatte, jedoch nicht danach aussah, als wäre sie gefügiger geworden. „Sobald es wirkt“, setzte er schnell hinzu und schielte zur Uhr. Warum hielt sie solange durch, ehe das Mittel einsetzte?

„Wie geht’s dir?“, fragte Sasuke und sah unsicher zu dem Mädchen, die sich brummig zu ihm stellte.

„Klasse“, witzelte sie sarkastisch. „Ich hab nur das Gefühl, dass mir jemand etwas Breiiges in den Mund gesteckt hat!“ Böse funkelte sie den Kerl an, der sie geküsst hatte. „Und was heißt Kindermädchen? Meinste, das hab ich nicht gehört?“

„Langsam komme ich mir nun mal wie ein Kindermädchen vor, immer musst du dich in solche dämlichen Situationen bringen!“

„Ich bringe mich nur in solche Situationen, weil du mich in solche Situationen treibst!“

„Wie bitte? Was hab ich damit zu tun, wenn du dir Drogen und Zungen in den Mund stecken lässt! Ich kann dir schlecht aufs Frauenklo folgen!“

„Ich wollte ja nur von dir weg, weil du den ganzen Tag schon ein Gesicht ziehst, als hätte dir meine Zunge nicht geschmeckt!“

Sasuke blinzelte fassungslos, ehe er die Augen schloss und tief einatmete. „Du bist doch die jenige, die danach kein Wort gesagt hat! Also hat wem welche Zunge nicht geschmeckt, hm?“

„Dir meine!“

„Nein, dir meine!“

„Du hast doch gleich danach gepackt!“

„Und du hast es nicht anders gemacht!“

„Aber du lässt mich von anderen küssen!“

„Dann frag ihn doch, wie deine Zunge war!“

„Wie bitte? Was soll das heißen, ich …“

„Ey Leute“, sagte einer der beiden und sah zwischen Sakura und Sasuke verdutzt hin und her „Meint ihr wirklich, dass ist ein Thema, dass man hier und jetzt … ich meine, es ist echt ungünstig!“

„Verdammt, kannst du ihn nicht zum Schweigen bringen!“, keifte Sakura. „Sonst fuchtelst du mit deinem Ding auch überall rum!“

„Ey, das ist jetzt echt nicht mehr komisch“, sagte der Jugendliche und schluckte schwer. „Wir lassen unsere Dinger bitte da, wo sie sind, okay?“

„Würdest du ihm jetzt bitte mal …“

„Steck ihm doch deine Zunge in den Mund, vielleicht hält er ja dann die Klappe“, konterte Sasuke absolut genervt von der Gesamtsituation und fühlte sich wirklich im falschen Film.

„Dann lag es also doch an mir?“

„Klärt das doch bitte unter euch, Leute. Wir sind hier …“

„Argh, das gibt’s doch nicht!“ Sasuke hatte in Bruchteilen einer Sekunde seine Pistole gezogen und auf die Stirn des jungen Mannes gerichtet. „Ich kläre die Dinge wann und wo ich will, verstanden?“

„Oh ja, du bist immer der, der den Ton angeben will!“, maulte Sakura, derweil den beiden Typen schon der Schweiß auf die Stirn trat. „Und was mit anderen ist, ist dir vollkommen gleich! Immer sind andere Schuld!“

„Das sage ich doch nicht!“

„Ja, und das du nichts sagst, ist ja das Problem! Erst küsst du mich, und dann ziehst du Leine! Und von mir erwartest du, dass ich etwas sage! Echt toll!“

„So ist das nicht, aber du hast dich auch nicht gerade um ein Gespräch bemüht!“

„Du hast ja auch mich geküsst!“

„Dann wärst du mit dem Gespräch an der Reihe gewesen! Gott, verdammt, kannst du nicht endlich aufhören!“

„Klar, schweigen wir uns wieder an!“

Sasuke stöhnte missmutig, verzog das Gesicht und sah zu den Kerlen. „Wie lange hält der Mist an?“

„Es ist Laason“, stammelte der eine und sah zu seinem Kumpel.

„Was es ist, weiß ich!“, schnaubte Sasuke und musterte Sakura, die sich noch immer erstaunlich gut auf den Beinen hielt. Ihre freimütige Wortwahl jedoch war ein eindeutiges Zeichen der Droge, von der er wusste, dass sie hier vertrieben wurde.

Dass gerade Sakura eine hatte schlucken müssen, war ziemliches Pech. Er wusste zwar, dass diese Pillen keine großartig andere Wirkung hatten als ein Schluck Alkohol zu viel, aber so wie es aussah, würde er sie so kaum in den Flieger kriegen.

„Vielleicht fünf oder sechs Stunden. Je nachdem …“

„Je nachdem was?“

„Naja, wäre sie etwas rundlicher würde es vermutlich eher verbrannt werden, aber sie ist ja recht dünn, deswegen kann es sich in die Länge ziehen und …“

„Rundlicher?“, fuhr Sakura auf und Sasuke verdrehte nur die Augen. Ob sie nun unter dem Einfluss von Drogen stand oder nicht, keine Frau würde ihren Namen gerne im gleichen Satz mit dem Wort ‚rundlicher’ hören.

„Gibst du mir bitte die Waffe, Sasuke?“, sagte Sakura betont ruhig, als würde sie nach einer Flasche Wasser fragen. „Unter uns sind Menschen, die ein Loch mehr wünschen!“

„Sakura“, seufzte Sasuke und steckte seine Pistole weg, bevor sie sie ihm entwenden konnte. „Wir gehen jetzt, okay?“

„Nein, wir erschießen die jetzt!“

„Ich kann die Kerle nicht einfach erschießen! Wir sind auf einem Flughafen!“

„Dann lass sie mich erschießen!“

„Könntet ihr bitte damit aufhören“, wimmerten die Jugendlichen. „Wir haben uns echt nichts weiter dabei gedacht, nur ein bisschen Spaß haben und …“

„Du bist aber auch auf dem Flughafen“, sagte Sasuke ohne die beiden zu beachten.

„Kannst du sie nicht wenigstens verprügeln?“, schmollte Sakura nun. „Ich kanns leider nicht, sonst würde ich ja nicht fragen.“ Sie blinzelte und sah Sasuke bettelnd an.

„Das ist wohl wahr“, murrte Sasuke und dachte daran zurück, wie Sakura im Nahkampf versagt hatte. Auch ein weiteres Geheimnis, dass sie nicht lüften konnten. Mit Waffen konnte sie umgehen, verteidigen konnte sie sich ebenfalls, aber vom Angriff hatte sie keine Ahnung. „Und warum du es nicht kannst, finden wir nie heraus, wenn wir hier Zeit vertrödeln!“

„Was willst du das denn rausfinden“, brummte Sakura, die plötzlich aufsah und in den Spiegel blickte. „Vielleicht sollte ich mir irgendwann die Haare färben“, überlegte sie.

Sasuke seufzte. Die Pille schien nun vollkommen zuwirken. Einfach klasse …

„Wir wollen das rausfinden, damit wir auch mehr über dich rausfinden, schon vergessen?“

“Nein“, sagte Sakura und drehte sich grinsend um, ehe sie sich bei Sasuke einhakte, was den Uchiha beinah erschrecken ließ. „Aber du kannst mich genauso gut auch einfach fragen. Was willst du da so dolle rätseln?“

Sasuke runzelte die Stirn. „Was meinst du mit fragen?“

„Na ich denke, du fragst dich, warum ich im Nahkampf so schlecht war?“

„Das fragst du dich auch, Sakura“, erinnerte er brummend.

„Ich weiß es doch aber“, tat sie überrascht, oder besser gesagt, war überrascht.

„Du weißt es? Woher?“

„Weil’s logisch ist? Ich bin ein Mädchen, das erklärt doch alles.“

„Was erklärt es?“ Sasuke wusste nicht, was gerade vor sich ging. Konnte es sein, dass Sakura sich gerade an etwas erinnerte?

„Man, du bist doch doof“, maulte sie. „Ein Mädchen hat doch nun mal nie soviel Kraft wie ein ausgewachsener Mann. Also muss sie sich verteidigen können, ihn mit der Pistole abknallen und ansonsten einfach nur schnell abhauen. Wozu soll sie jemanden angreifen, gegen den sie sich nie wehren könnte? Wozu etwas lernen, was nie zur Anwendung kommt, da sie so nie eine Chance hätte? Und wenn man etwas nicht kennt, dann versucht man es erst gar nicht und konzentriert sich immer schön auf das, was man eben beherrscht. Ich kann schießen, also habe ich nie gelernt mit den Fäusten zu kämpfen. Logisch, oder?“

Sie blickte zu den beiden Kerlen, die ihren Worten eifrig zunickten, da sie schon mit dem Schlimmsten rechneten.

„Und verprügelst du sie nun, oder nicht?“

„Erinnerst du dich noch an mehr?“, fragte Sasuke stattdessen.

„Wieso erinnern?“

Sasuke schnaufte, spürte die furchtbare Anspannung und wusste nicht wirklich, was er nun tun sollte.

„Gut“, sagte er schließlich. „Lass uns zum Hotel zurückfahren. So kannst du nicht fliegen.“ Er griff nach ihrer Tasche und nach Sakura selbst. Falls sie sich erinnern sollte, oder ihrer Erinnerung durch die Drogen irgendwie näher war als sonst, musste er in Erfahrung bringen, was ging.

„Wir gehen schon?“, fragte Sakura eingeschnappt und ließ sich zur Tür ziehen. „Und du machst ihnen keinen Ärger?“

„Wir haben keine Zeit Sakura!“

Sakura zog eine beleidigte Schnute. „Man“, war ihr einziger Kommentar.

„Viel Spaß mit der Süßen“, sagte der Jugendliche, als sie die Tür aufmachten und schon zum Gang hinaustraten. „Zeig ihr Mal, wies ordentlich geht!“

Sasuke blieb abrupt stehen, holte tief Luft und sah Sakura mit Nachdruck an.

„Argh! Du wartest hier und gehst nicht weg, kapiert?“

„Kriegen sie jetzt doch Ärger?“

„Ja, jetzt kriegen sie Ärger.“

„Gut, dann warte ich hier“, kicherte Sakura, stellte sich wie ein Wachposten vor den Seitengang und hörte, wie Sasuke hinter sich die Tür schloss.
 

„Nicht stehen bleiben, Sakura!“, sagte Sasuke, zog Sakura durch die Straßen und versuchte mit ihr so schnell wie möglich ein Hotel zu finden. Dass die Rosahaarige nicht gerade auf dem Boden der Realität stand, war schwer zu verkennen, rannte sie lauthals von einem Schaufenster zum anderen, sprach fremde Leute an und entschuldigte sich bei einer Laterne, gegen die sie beinah gerannt wäre.

Sakura war der momentan einleuchtenste Grund, weshalb man nie Drogen nehmen sollte.

„Sakura …“, stöhnte Sasuke, als er an der Rezeption einer billigen Absteige ein Zimmer mietete und das Mädchen schon wieder durch die Gegend lief und kicherte. Er ließ sich den Schlüssel geben, schnappte sich Sakura und die Taschen und trug beides gleichermaßen nach oben.

Wie sollte er 5 Stunden überstehen?

„Mir wird hier doch langweilig“, beschwerte sich Sakura, kaum dass sie das Zimmer betreten und sich aufs Bett geschmissen hatte. „Können wir nicht lieber …“

“Nein, wir bleiben hier, bist du wieder klar im Kopf bist“, gab Sasuke genervt zurück und ließ sich auf einen Sessel unweit des Fensters fallen. „Außerdem haben wir zu tun.“

„Wir haben zu tun?“ Sakura grinste breit und sah Sasuke neckisch an, sodass der Uchiha sich unbehaglich die Schläfen massierte.

„Ja, wir werden nachdenken.“

„Hä?“

„Du hast dich vorhin an etwas erinnert, schon vergessen? Wir müssen versuchen noch mehr aus deinem Kopf herauszubekommen. Dass es da ist, steht außer Frage.“

„Das ist ja mühselig!“

„Es ist Notwendig! Wenn wir schon die Zeit hier absitzen müssen, dann sollten wir sie wenigstens sinnvoll nutzen!“

„Dafür bin ich auch“, grinste Sakura wieder und Sasuke überlegte schon, ob es nicht sicherer war sie einfach irgendwo festzubinden. Sicherer für ihn …

„Lass uns einfach mal an den Anfang zurückgehen, okay?“ Er erhob sich, da er sich nicht gerade wohl unter Sakuras Blicken fühlte, und stellte sich schließlich ans Fenster. „Erinnerst du dich vielleicht an irgendjemanden, als du damals aus dem Koma aufgewacht bist? Jemand, der kein Arzt war, der seltsam aussah oder irgendwie … du weißt schon.“

Sakura schüttelte den Kopf. „Nee. Nächste Frage.“

„Überleg doch mal genauer!“

„Hab ich doch längst“, murrte Sakura und lehnte sich gegen das Bettgestell. „Meinst du, ich hab mir nie nen Kopf gemacht? Stell dir vor, ich denke auch manchmal nach!“

Sasuke runzelte die Stirn, schwieg aber. Eigentlich hatte Sakura schon recht. Und vielleicht hätte man sie mehr in die Suche nach ihrer Vergangenheit einbeziehen sollen. Anstatt sie mit bestimmten Dingen zu konfrontieren, hätte sie das Mädchen auch einfach mit nachdenken lassen können. Dumm war sie nun nicht.

„Okay, dann überleg mal wegen Ino. Du glaubst, sie gehört zu den Akatsuki?“

Er erinnerte sich daran, wie Sakura ihr Handy weggeworfen hatte, aus Angst es könne Ino gewesen, die ein Ortungsprogramm installiert hatte. Und Ino war es auch gewesen, die vor dem Angriff in Sasukes Haus mit ihr telefoniert hat.

„Nein“, sagte Sakura unerwartet und Sasuke sah irritiert auf.

„Wie nein? Ich dachte …“

„Ich auch“, sagte Sakura und zuckte mit den Achseln. „Aber es ist unlogisch, dass Ino zu den Akatsuki gehört.“

„Warum ist es unlogisch? Du meinst, es war alles nur Zufall und dein Handy war nicht …“

„Nein, so nicht.“ Sakura seufzte und schloss die Augen. Das war echt langweilig. „Ino ist nicht die, die sie … die sagt, aber ich glaube nicht, dass sie zu den akatsuki gehört, verstehst du? Sie hatte etwas mit dem Handy zu tun, und ich glaube auch, dass sie mich versucht hat ans Fenster zu locken, damit der Fremde …“ Sakura musste innehalten. An Ino zu denken und über sie zu sprechen fiel ihr nicht leicht.

„Du meinst, sie gehört einer anderen Organisation an? Und der Kerl am Haus, der auf dich geschossen hat …“

„War auch keiner von den Akatsuki genau. Hätten die Akatsuki nicht alles gestürmt? Auch wenn sie nicht so einfach hinein gekommen wären, sie hätten es sicher versucht.“

„Mag sein.“ Sasuke nickte nachdenklich. „Also haben wir die Akastuki auf der einen Seite gegen uns, und deine Freundin arbeitet auf einer anderen Seite gegen uns. Es wird immer besser …“

Sakura nickte, dann streckte sie sich ausgiebig und ließ sich wieder ins Bett fallen. „Sind wir jetzt fertig? Das bringt uns doch eh nicht weiter, zu spekulieren.“

„Aber es regt vielleicht deine Erinnerung an.“

„Da regt sich gar nichts.“

„Du wenn du darüber nachdenkst, warum du auf die Blacklist gekommen bist? Machts da auch nicht Klick?“

Sakura schüttelte den Kopf, richtete sich unerwartet auf und grinste Sasuke schelmisch an. „Küsst du mich?“

Sasuke zuckte zurück, kaum dass sie das so unverfroren sagte, und sah Sakura fassungslos an. „Was bitte?“

„Ob du mich küsst“, brummte Sakura verärgert. „Ich bin total gelangweilt und außerdem will ich viel lieber raus. Und wenn du mich nicht rauslässt, musst du mich ablenken!“

„Gott Sakura, würdest du dich bitte zusammenreißen!“

„Tu ich ja. Ich sah ja auch nur küssen.“

Sasuke glaubte kurz vor einer Ohnmacht zu stehen, doch traf ihn noch ein ganz anderes Gefühl.

Verlangen …

„Vergiss es! Streng lieber deinen Kopf an!“

„Du bist immer so gemein!“ Sakura seufzte und schwang sich galant aus dem Bett. Sie stellte sich ans Fenster und gähnte herzhaft. „Und total kalt, ja genau. Wenn du mich nicht magst, warum hast du mich dann geküsst?“

„Das ist echt nicht die Zeit, über so was zu reden.“ Sasuke fühlte sich regelrecht überrumpelt. Für so was war es nie Zeit. Er mochte reden nicht, und darüber schon gar nicht! Nie und nimmer! „Und ich hab nie gesagt, dass ich dich nicht mag“, fügte er etwas leiser hinzu.

„Du hast es aber auch nie zugegeben. Also magst du mich, oder nicht?“

„Wir haben wichtigeres zu bereden, Sakura!“

„Es gibt nichts wichtigeres, als zu wissen, ob man gemocht wird oder nicht. Willst du nicht wissen, ob ich dich mag?“

Sasuke ließ sich wieder auf den Sessel fallen, legte den Kopf nach hinten und schickte ein Gebet nach dem anderen in den Himmel. Verteufelte Droge, warum ließ sie nicht nach?

„Ich mag dich“, sagte Sakura fest und grinste den Uchiha an, ehe sie wieder aus dem Fenster sah.

Verteufelte Droge lass nach …

„Gut“, stöhnte Sasuke. „Wenn das jetzt geklärt ist, können wir uns dann wieder der Frage nach dem Warum widmen? Dich kann niemand mehr mögen, wenn du tot bist, weißt du das?“

„Niemand ist mir auch recht egal“, lachte Sakura. „Mich interessiert eigentlich nur, ob du mich magst.“

Dieses Geständnis versetzte Sasuke einen unangenehmen Stich, doch wischte er ihre Aussage schnell beiseite. „Reden wir später drüber, okay? Denk bitte einmal darüber nach, warum dich die Akatsuki …“

„Das ist doch total unwichtig“, murrte Sakura, seufzte und ging plötzlich auf Sasuke zu, der voller Unheil seine Fluchtmöglichkeiten zählte. Er wollte gerade vom Sessel aufspringen, als Sakura keinen Schritt vor ihm entfernt stehen blieb, sich zu ihm beugte und amüsiert kicherte.

„Weißt du was viiiel wichtiger ist als diese Frage, die ihr euch dummerweise immer stellt?“

„Welche denn?“ Sasuke schluckte unmerklich und versuchte Sakura weitestgehend zu ignorieren, was aufgrund ihrer Nähe kaum machbar war.

Verlangen …

„Warum jetzt“, grinste sie, richtete sich wieder auf und zuckte mit den Schultern. „Warum ich auf die Blacklist gekommen bin, ist das eine. Aber ich finde die Frage wesentlich entscheidender, warum gerade jetzt, verstehst du? Warum nicht, als ich aus dem Koma erwachte? Oder warum nicht in einem Jahr? Warum also gerade jetzt?“

Sasukes Gesicht schien für einen Augenblick wie erstarrt, doch dann schüttelte er sich und sah Sakura entgeistert an.

„Du hast recht“, sagte er, und obwohl er äußerlich monoton und desinteressiert klang, so spürte er seine innere Aufgewühltheit.

Das war die einzig wichtige Frage, die sie lösen mussten. Die zu allen anderen Fragen und Antworten führen würde.

Warum jetzt …

„Und was glaubst warum?“, fragte er, doch erhoffte sich keine Antwort.

„Ist doch logisch“, grinste Sakura wieder. „Wir haben heute den 5. Juli. Und das heißt?“

Hä? „Keine Ahnung?“

„Man, dass ich bald Geburtstag habe! Ich werde 17, schon vergessen?“

„Stimmt“, gab Sasuke nachdenklich zu. „Aber der 17. Geburtstag ist nichts besonderes.“

„In Japan vielleicht. Aber wer sagt, dass ich Japanerin bin?“

„Du siehst wie eine aus?“

„Und du siehst aus wie ein kaltblütiger Killer, der auf Menschen schieß wie auf Hasen. Und weißt du noch was? Du bist keiner. Du tust zwar so, aber in Wahrheit …“, lächelte Sakura und kam Sasuke wieder näher, der unruhig nach hinten rutschte. „In Wahrheit willst du mich doch küssen!“

„Dann glaubst du also, dass du … Sakura!“ Sasuke starrte die Rosahaarige fassungslos an, als sie auf seinen Schoss kletterte und ihn frech angrinste.

„Was glaub ich?“

„Dass du … geh runter, Sakura!“

„Was soll ich glauben?“

„Dass du keine Japanerin bist?“ Er hielt sich verkrampft in den Lehnen des Sessels fest und versuchte abermals das Mädchen zu ignorieren, die konsequent auf ihm sitzen blieb. „Ich werf dich runter, wenn du nicht …“

„Ich meinte mehr, dass ich vielleicht nicht in Japan geboren wurde, und ich geh erst runter, wenn du mich geküsst hast!“

„Wo … dann?“ Sasuke schluckte, als Sakura ihre Arme um seinen Hals schlang und sich an ihn lehnte. Erbarmen!

„Da, wo man ewalenisch spricht vielleicht.“

„Das wäre … eine … Möglichkeit, ja … Bitte Sakura, hör auf! Wenn du wieder klar denken kannst, dann wird dir das wirklich unangenehm sein, und ich kann es dann ausbaden!“

„Ich denke ganz klar“, kicherte Sakura, und ihr warmer Atem jagte Sasuke eine Gänsehaut über, als er seinen Hals streifte.

Verdammtes Verlangen …

„Du denkst gerade nicht klar!“

„Ich denke gerade, ohne an meine Vergangenheit zu denken“, meinte Sakura, doch klang sie plötzlich um einiges ernster. „Ich kann nur an das jetzt denken, und nicht an andere Dinge. Also ist das Jetzt für mich viel klarer als sonst.“

„Aber bereuen wirst du es später trotzdem.“

„Ich weiß“, grinste Sakura und kam Sasukes Gesicht gefährlich nahe. „Und genauso kann ich später auch schon tot sein.“

Es war Sasuke, der die Augen aufriss, dem der Atem stockte und das Herz verkrampfte.

Und es war Sasuke, der Sakura plötzlich noch näher zu sich zog und küsste.
 

Als Sakura die Augen öffnete, um sie im gleichen Moment wieder zu schließen, spürte sie das Warme neben sich, und mit einem Grinsen drehte sich auf die Seite und legte sich noch dichter zu Sasuke, der nach wie vor tief zu schlafen schien.

Draußen setzte längst die Dämmerung ein, doch Sakura war das gänzlich egal. Wohlig seufzte sie auf, als sie den Arm um ihre Taille spürte, der sich leicht bewegte.

„Bist du wach?“, fragte sie kichernd und sah in Sasukes gähnendes Gesicht.

„Hmm“, brummte er, drehte sich schläfrig zu ihr um und legte auch den zweiten Arm um sie. „Nicht ganz. Eine Weile brauch ich noch.“

Sakura grinste, kuschelte sich eng an den Schwarzhaarigen und schloss erneut die Augen.

Etliche Minuten blieb sie still liegen und genoss seine Nähe, doch bald schon spürte sie, dass sie kaum mehr einschlafen konnte. Sie beobachtete das schlafende Gesicht des Uchiha, bemerkte die seltene Zufriedenheit darin und schmunzelte leicht.

Auch sie fühlte sich nach langer Zeit wieder zufrieden, als gäbe es keine Akatsuki, keine Feinde, kein Leid.

Sakura holte mühsam ihren Arm aus der Decke und begann über Sasukes Brust zu fahren. Sie zeichnete seine Muskeln nach, in der Hoffnung Sasuke so unauffällig wie möglich wach zu bekommen.

Sakura seufzte wieder, als er keine Reaktion zeigte. „Du hast fast mehr als ich“, kicherte sie belustigt. „Vielleicht sollte ich auch Muskeln aufbauen, dann werden sie auch größer.“

Sakura bemerkte, wie Sasuke die Stirn runzelte und scheinbar doch nicht mehr schlief.

„Das würdest du gar nicht durchhalten“, grinste er ohne die Augen zu öffnen. „Und was du hast reicht vollkommen.“

Sie spürte, wie er unter der Decke mit seiner Hand über ihren Oberkörper wanderte und über ihre Brüste strich. „Doch, ich würde sagen, es reicht“, meinte er, als wäre er in einer wissenschaftlichen Diskussion.

Sakura durchlief ein angenehmer Schauer, merkte wie sie rot wurde und griff nach seiner Hand, indem sie ihre Finger mit seinen verschränkte.

„Erwartet mich jetzt kein Donnerwetter?“, hörte sie ihn fragen, gefolgt von einem weiteren müden Gähnen.

„Ein Donnerwetter?“

„Ich habe dich verführt, oder nicht?“ Er grinste wieder. „Schamlos ausgenutzt, dass du unter dem Einfluss dieser praktischen Droge standest.“

Sakura grinste. „Wir sollten uns welche mit nach Japan nehmen.“

„Keine schlechte Idee.“

„Küsst du mich?“, grinste sie nur und sah zu Sasuke, der schon wieder einzuschlafen schien.

„Wie spät ist es?“, fragte er, sodass Sakura eine Schnute zog.

„Halb acht.“

„Dann haben wir dafür Zeit“, meinte er neckisch, öffnete seine Augen und grinste Sakura eindeutig an, ehe er über sie glitt und in einem langen Kuss vertiefte.

Sakura kicherte wieder, als er über ihre Taille strich und sich enger an sie drückte, sich jedoch an den Seiten abstütze, um sein Gewicht abzufangen.

„Dein Telefon“, bemerkte Sakura irgendwann, als er für einen kurzen Moment von ihr abließ.

„Ich hab einen anderen Ton, es muss deins sein.“

„Meins?“

Mit einem Ruck waren beide auf und sahen sich um.

„Was klingelt hier?“ Sakura zog sich schnell ihre Sachen über, genau wie Sasuke, der jedoch in seiner Tasche das Telefon fand.

„Das gehört mir nicht“, sagte er fassungslos und starrte auf das Handy.

Sakura sah besorgt zurück, doch als Sasuke keine Anstalten machte, ranzugehen, griff Sakura danach und nahm ab.

„Ja?“ Ihre Stimme zitterte leicht, doch als sie den Sprecher am anderen Ende hörte, blieb ihr fast das Herz stehen.

„Ja“, sagte sie nocheinmal und hörte zu, was er ihr sagte. „Okay. Ja, wir … wir kommen …“ Dann legte sie auf.

„Was zum …“ Sasuke stand das Ensetzen im Gesicht, doch als er Sakura beobachtete, wie se immer mehr zitterte und das Handy fallen ließ, ging er zu ihr und legte ihr vorsichtshalber den Arm um die Hüfte. „Wer war das?“

„Gott …“, wisperte Sakura und fuhr sich über den Mund. Längst liefen die Tränen, und längst gaben ihre Beine nach.

„Sakura, rede mit mir, wer war dran?“

„Ino …“ Sie schüttelte sich. „Es war Ino, Sasuke!“

„Ino?“

„Wir … sie sind hier! Sie haben uns aufgespürt und …“

„Wer?“

„Die Akatsuki! Gott, wir haben … wir müssen zum … zum Bahnhof, jetzt. Sie kommen, sie sind schon unterwegs hierher!“

„Gehört Ino zu ihnen? Hat sie dich gewarnt?“

„Nein … ich meine ja, sie hat sie beobachtet. Ino sagt, sie weiß … sie weiß über alles bescheid.“

„Über alles?“

Sakura holte tief Luft, biss sich auf die Lippen und starrte ins Nichts. „Sie weiß, wer ich war …“

Unerwartete Hilfe

Der Bahnhof war mit dem Taxi schnell erreicht. Sasuke trug die Taschen, und keine Sekunde ließ er Sakura aus den Augen. Seine Angespanntheit war greifbar, trotzdem er sich bemühte das Mädchen zu beruhigen.

„Wo sollen wir hin?“, fragte er, als er den Bahnsteig beobachtete.

„Gleis drei“, flüsterte Sakura, die zu kaum mehr fähig war. „Sie sagt, sie wartet dort.“

„Und wenn es eine Falle ist?“

Sakura schüttelte den Kopf. „Es ist keine Falle.“

„Woher willst du das wissen?“

„Weil Ino … wir müssen einfach hoffen …“

Auf Gleis drei blieben die beiden stehen. Kaum jemand war auf dem alten, fast zerfallen Bahnhof zu sehen, doch von überall sah Sasuke die Gefahr kommen. Er hasste ungeplante Dinge, und das hier lag schon überhalb der Grenze des Ungeplanten.

Der Sprecher aus den Lautsprecher sagte einen einfahrenden Zug an, und fast gleichzeitig klingelte wieder das Handy. Diesmal nahm Sasuke ab und keine Sekunde später legte er wieder auf.

„Wir sollen in den zweiten Wagon einsteigen.“

Als der Zug einfuhr, zitterte Sakura zu sehr, dass Sasuke sie fast hineintragen musste. Sie stiegen in die Bahn, die wie ausgestorben wirkte und liefen zu Wagon zwei.

Nur ein einziger Mensch saß in der hintersten Reihe, und als er sie kommen sah, stand er auf und blieb im Gang stehen.

Sakura Herz schmerzte, als sie Ino erkannte, die sie traurig anblickte und deren Augen vor Tränen glänzten. Sie wollte zu ihr, doch Sasuke hielt ihre Hand fest und schob sie hinter sich.

„Ino“, sagte er kalt und nickte ihr kurz zu. „Das kam unerwartet.“

„Ich weiß“, sagte die Blonde und wischte sich über die Augen. „Aber wir mussten uns einmischen.“

„Wir?“ Sasuke zog Sakura mit sich auf die Bank Ino gegenüber. „Und wohin fährt der Zug?“

„Bis zur Endstation. Er wird nicht halten, wir haben also Zeit zum … zum reden.“ Vorsichtig blickte Ino zu Sakura, die sie einfach nur anstarrte. „Sakura, ich … Gott es tut mir so leid! Ich habe es dir sagen wollen, ich habe es dir längst erklären wollen, aber … ich durfte nicht, es wäre … nur schlimmer geworden!“

„Du gehörst nicht zu den Akatsuki?“, fragte Sasuke, der das Gefühl hatte, die Zeit würde nicht ausreichen und irgendetwas würde passieren.

„Nein!“, sagte Ino scharf. „Ich gehöre zu einer Organisation, die … sagen wir genau wie die Anbu operieren. Gegen die Akatsuki. Als Sakura damals den Unfall hatte …“ Ino strich sich nervös durch die Haare. „Ich habe sie damals, davor mein ich, beschattet. Unsere Organisation war hinter ihr her und …“

„Was sagst du da?“ Sasuke verengte gefährlich die Augen, doch Ino hob schnell die Hände.

„Lass mich erklären bitte! Und … Gott, Sakura, bitte du musst mir glauben, dass ich das alles nicht wollte!“

Doch Sakura sagte nichts. Sie sah Ino an, als sähe sie durch sie hindurch. Ino hatte sie beschattet? Die Organisation, die gegen die Akatsuki arbeitete? Bedeutete das etwa …

„Red weiter“, sagte Sasuke unberührt. „Heißt das, Sakura gehörte …“

Ino nickte, doch ließ sie ihren Blick gesenkt. „Sakura ist die Tochter von Pain.“

„WAS?“ Sasuke sah Ino fassungslos an. „Die Tochter von ihrem Anführer?“

„Er hat sie adoptiert“, sagte Ino und schüttelte sich. „Eigentlich gehörte Sakura zu den Kindern, die ins Ausland verkauft wurden. Ihre Eltern kamen aus einem Dorf, nicht weit von hier. Sie hatten kein Geld, und …“ Ino holte stockend Luft. „Scheinbar keine Skrupel. Sie verkauften ihre Tochter an die Akatsuki, und kurz bevor Sakura weiterverschifft wurde, entschied sich Pain sie zu adoptieren. Er roch … roch eine Möglichkeit, Aufträge auf eine ganz neue Weise auszuführen …“

Sasuke sagte kein Wort. Sein Gesicht war wie Stein, seine Augen voller Hass.

Kinderhandel …

„Sakura“, sagte Ino und schaffte es kaum weiter zusprechen. „War … sein Prototyp.“

„Also gehörte ich doch zu ihnen.“ Sakura lächelte bitter, und ihre Stimme war kaum zu hören. „Und du solltest mich töten?“ Sie sagte es, als wäre es eine ganz logische Schlussfolgerung.

„Nein, ich nicht …“, wisperte Ino. „Meine Eltern arbeiteten für die Organisation, aber ich war es, die dich beschattet hat. Ich durfte es nicht, aber ich dachte … ich dachte ich könne mir einen Platz verdienen, in dem ich dich töte, dich für das was du getan hast … erledige …“

„Dann habe ich für die Akatsuki getötet …“, sagte Sakura ruhig. „Ich habe gemordet.“

„Ja“, gestand Ino und wischte sich schnell über die Augen. „Aber nicht so …“ Sie lächelte leicht. „Du hast nicht lange gebraucht, um mich zu stellen.“

Sakura hob die Braue und zum ersten Mal zeigte sich Erstaunen in ihrem Gesicht. „Ich habe dich gestellt?“

„Natürlich.“ Ino lächelte weinend. „Ich war ein blutiger Anfänger, ich habe nur versucht meinen Eltern nachzueifern. Ich bin dir ohne Erlaubnis nachgelaufen, ich hatte nicht mal eine Waffe oder einen Plan, wie ich dich töten konnte. Aber ich hab heimlich nachgeforscht, raus gefunden wo du dich manchmal aufhältst und dann bin ich dir nach. Und du warst die Beste von ihnen. Deine Akte war länger als die der ganzen Erwachsenen. Natürlich wusstest du von mir. Du hast es vermutlich schon gewusst, ehe ich mir darüber klar war, was ich vorhatte.“

„Und dann?“

„Dann tauchten andere von den Akatsuki auf. Sie wussten, dass meine Eltern zu ihren Feinden gehörten. Sie wollten mich töten, doch stattdessen hast du sie getötet …“

Sakuras Augen weiteten sich, doch verstand sie nicht, was das zu bedeuten hatte.

„Ihr wurdet Freunde?“, erriet Sasuke jedoch.

Ino lächelte noch immer. „Nicht wirklich, aber als Sakura mir das Leben rettete, hab ich es sein gelassen, ihr nachzuspionieren. Aber …“ Inos Stimme wurde stockender. „Aber du warst auch eine Weile nicht mehr zu finden. Wir glauben, dass sie dich damals … dass man dich damals dafür bestraft hat, dass du die eigenen Männer erledigt hast …“

Sakura sagte nichts, doch Sasuke wusste, was Ino damit meinte. Strafe war das gleiche wie Folter. Und wer eine Folter der Akatsuki überlebte, der überlebte sie nur mit Mühe, und war für etliche Zeit kein lebender Mensch mehr.

Wie Itachi.

Und daher kam die Narbe, so musste es sein. Bei lebendigem Leib aufgeschlitzt …

„Wir dachten erst, sie hätten dich … aber Monate später warst du plötzlich wieder da. Und ich glaube … als wir uns wieder trafen, dass wir da Freunde wurden, ja.“

„Freunde?“ Sakura sah Ino seltsam an. „Warum wolltest du … mit mir befreundet sein?“

„Du hast mir das Leben gerettet“, lächelte Ino. „Und nicht nur mir. Du hast … du hast sehr viele Menschen getötet, Sakura, dass ist wahr, aber … du hast ebenso viele Menschen versucht zu retten, und ich glaube ich habe in dir … in dir den Teufel gesehen, genauso wie den Engel.

Wir haben nie etwas unternommen, nicht wie andere Freunde, und du hast auch nie viel geredet. Aber du hast mir zugehört, wenn ich über die Schule gelästert habe, oder dir von anderen Dingen erzählt habe. Ich denke, dass du so versucht hast, ein Stück Normalität zu gewinnen.“

„Normalität“, flüsterte Sakura und schloss die Augen. „Es war immer Dunkel, nicht wahr?“

Ino nickte bedrückt. „Du bist immer zu mir gekommen, wenn du irgendwie abhauen konntest. Und sie haben dich nur rausgelassen, wenn … wenn es dunkel war.“

Sasuke zuckte unweigerlich zusammen.

Eingesperrt wie ein Tier … deswegen liebte Sakura den Himmel, die Sonnenaufgänge.

Weil sie jahrelang keinen sehen durfte.

„Dann wollte Sakura nie für die Akatsuki arbeiten?“, wollte Sasuke wissen und sprach damit Sakuras Frage aus.

„Nie“, wiederholte Ino und schüttelte den Kopf. „Aber sie konnte nicht fliehen, und ich glaube, daran hast du auch nie gedacht, Sakura. Du hast es … als gegeben hingenommen.“

„Warum der Unfall?“

„Unfall? Das war kein Unfall … Es war geplant gewesen. Allerdings nicht, dass Sakura überlebte, oder ich in der Nähe war.“

„Die Akatsuki?“, fragte Sasuke, doch hatte er das leise Gefühl, dass die Wahrheit eine andere war.

„Nein“, sagte Ino und blickte Sakura besorgt an. „Die Anbu …“
 

„Anbu …“ Sasuke konnte nicht glauben, was Ino ihm vor gerade einmal einer Minute gesagt hatte. Seine eigene Organisation, die versucht hatte Sakura zu töten. Aber damals war sie eine unermessliche Gefahr gewesen.

Und doch war sie erst 15! Wie hatte das Militär entscheiden könne, eine 15 Jährige zu ermorden?

„Warum versuchte man mich nicht noch einmal zu erledigen?“

„Du hattest keine Erinnerungen“, erklärte Ino. „Und meine Eltern wussten von dir. Sie wussten, dass wir Freunde geworden waren. Ich hatte eine … Auseinandersetzung mit ihnen und hab es ihnen gesagt. Ich glaube in meinem ganzen Leben sie nie so entsetzt gesehen zu haben.“ Ino lachte leise. „Es war wirklich schlimm, aber ich … hab ihnen versucht zu erklären, was du in erster Linie warst. Und das war ein 15 jähriges Mädchen, dass sich nichts mehr wünschte als ein normales Leben. Und als der Unfall passierte, als du aus dem Koma erwacht bist und dich an nichts mehr erinnern konntest, da haben sich meine Eltern für dich eingesetzt und schließlich gelang es uns, unsere Leute davon zu überzeugen, dass du keine Gefahr mehr warst. Sie beschlossen, dass ich dich im Auge behalten sollte, und … für den Fall, dass du dich eines Tages wieder erinnern könntest …“ Ino schaffte es nicht, den Satz zu Ende zu sprechen.

„Dann sollte ich sterben, nicht wahr?“, fragte Sakura leise.

„Ja …“

„Warum haben die Akatsuki nichts getan?“

Ino zuckte leicht mit den Schultern. „Du warst ein Ärgernis geworden. Du hast nicht getan, was du tun solltest, und ich glaube trotz ihrer … Bestrafungen, hast du für sie keinen Finger mehr gerührt. Und nach dem Unfall war immer jemand aus unserer Organisation auf deinen Fersen. Du wurdest permanent bewacht. Ich glaube, die Akastuki gaben dich damals … einfach auf.“

„Und warum wollen sie mich jetzt töten?“

„Du wirst 17“, sagte Ino mit unheilvollem Unterton. „Und damit tritt der Vertrag in Kraft …“

„Vertrag?“ Sasuke sah verwirrt auf. „Was für ein Vertrag.“

„Ich wäre frei, nicht wahr?“, sagte Sakura plötzlich, doch griff sie sich an den Kopf, als erfülle sie die schleichenden Erinnerungen mit Schmerzen. „Sie müssten mich gehen lassen …“

„Gehen lassen? Die Akatsuki haben mit ihr einen Vertrag geschlossen, der sie zu ihrem 17. Geburtstag freigibt?“

Ino nickte wieder. „Das ist der Grund, warum sie Sakura jetzt töten wollen. Sobald sie 17 ist, darf sie die Akatsuki verlassen. Der Vertrag ist von allen 10 Hauptmitgliedern unterzeichnet worden.“

„Wieso so ein Vertrag? Warum hat man …“

Ino grinste unerwartet. „Sakuras Idee“, lachte sie. „Oder Erpressung. Sie hat mir damals nicht verraten, wie sie Pain und die anderen dazu bekommen hat, aber es wurde so gemacht, wie sie es wollte. Mit 17 würden sie Sakura freilassen müssen, und ab da an dürfe sie kein Akatsuki jemals wieder anrühren. Deswegen müssen sie Sakura vor ihrem Geburtstag erledigen. Es ist ihre letzte Chance. Deswegen jetzt. Die Zeit drängt.“

„Wann ist ihr Geburtstag? Der 25. Juli war doch nur der Tag ihres Erwachens aus dem Koma, oder?“

Ino nickte. „Und es ist gleichzeitig ihr wirklicher Geburtstag. Es ist ein seltsamer Zufall, aber eine bestehende Tatsache.“

„Dann haben sie keine 20 Tage mehr!“ Sasuke fuhr sich durch die Haare. „Und warum glaubst du, dass sie sich an den Vertrag halten werden? Sakura könnte ihre gesamten Geheimnisse ausplaudern, falls sie sich erinnert.“

„Das darf sie nicht, laut Vertrag. Dafür gibt es Vorkehrungen. Und sie muss Japan verlassen.“

„Sie muss …“

„Ja. Und kein Akatsuki wird den Vertrag brechen, dafür hat Sakura gesorgt.“

„Wie?“

„Briefe“, sagte Sakura plötzlich. „Es gibt Briefe mit Kopien der ganzen Organisation. Namen, Daten … die Akatsuki wissen nicht, wo sie sind. Und wenn ich nach meinem 17. Geburtstag sterbe, werden sie veröffentlicht.“

„Erinnerst du dich?“, fragte Sasuke fassungslos.

„Nur etwas“, gab Sakura lächelnd zurück. „Und undeutlich.“

„Aber wer … kann sie veröffentlichen?“

Sakura schluckte, griff Sasukes Hand und drückte sie entschuldigend. „Kakashi …“
 

Der Zug fuhr mittlerweile zehn Minuten durch das russische Territorium, doch an keinem Bahnhof hielt er an.

„Kakashi … wusste davon?“ Sasuke spürte eine unglaubliche Wut in sich aufsteigen, einen unermessliche Zorn. Hatte er sie von Anfang an belogen?

Doch Sakura schüttelte den Kopf und Ino gab ihm die erleichternde Antwort.

„Nein“, sagte sie. „Er weiß, dass es einen Brief gibt, denn er öffnen soll, wenn ihm jemand telefonisch ein Codewort zukommen lässt. Niemals sonst. Er hält sich daran, weil er sein Versprechen gab.“

„Aber die Akatsuki … sie lassen sich doch nicht so einfach überlisten!“

„Es ist absolut nicht einfach“, lächelte Ino. „Sakura hat ein recht raffiniertes System entwickelt, und ich habe es bis heute nicht so ganz verstanden. Irgendwas mit einer Website, glaube ich …“

„Ja“, sagte Sakura und kniff die Augen leicht zusammen, als könne sie die Wahrheit dadurch leichter sehen. „Sie wird am 25. Juli ins Internet gestellt … ich weiß nicht mehr … von wem, aber … diese Person wird es tun. Und mehr auch nicht …“

„Mehr nicht?“ Sasuke runzelte die Stirn. „Was passiert dann?“

„Dann muss die Website aktualisiert werden. Es geht nur um eine Zahl in der obersten Ecke. Sie muss sich alle zehn Tage ändern …“

„Wer macht das?“

„Ich“, schmunzelte Sakura.

„Ich verstehe.“ Sasuke schüttelte beeindruckt den Kopf. „Und falls du sterben solltest, kann sie niemand mehr aktualisieren. Ich nehme es ist eine ganz gewöhnliche Website?“

„Über Hasenzucht“, lächelte Sakura. „Sobald keine Aktualisierungen mehr stattfinden, werden dass verschiedene Personen bemerken.“

„Ich zum Beispiel“, meinte Ino. „Sakura hatte zwar erst was dagegen, aber dann durfte ich doch mitmachen. Ich und vier Weitere. Irgendwo auf dem Globus, die nichts miteinander zu tun haben. Und außer mir weiß auch niemand, was es damit auf sich hat. Aber sie sind zuverlässig und haben eine Menge Geld dafür bekommen, alle zehn Tage nachzusehen.“

„Was passiert, wenn du nicht mehr aktualisieren kannst?“

„Wir telefonieren“, erklärte Ino an Sakuras Stelle. „Jeder von uns fünf hat zehn Nummern bekommen. Also sind es weitere 50 Personen, die ins Spiel kommen. Ihnen werden Codewörter gesagt, und insgesamt 10 dieser Personen wissen etwas damit anzufangen.“

„Und dann? Was tun diese Personen? Ruft einer von ihnen Kakashi an und teilt ihm das entscheidende Codewort mit?“

Ino kicherte. „Nein. Diese zehn Personen haben weitere Telefonnummern, und das ganze wiederholt sich ziemlich lange. Und ganz am Ende gibt es jemanden von den mittlerweile 200 Leuten, der dann Kakashi verständigt.“

„Hn.“ Nun musste sogar Sasuke grinsen. „Von so was hab ich noch nie gehört.“

„Es ist genial, oder?“

Sasuke nickte einfach. „Es scheint so.“

„Im Übrigen gibt es einige Kopien, die richtig, und einige die bloße Attrappen sind“, fügte Ino noch hinzu. „Falls Kakashi also nicht in der Lage ist, den Brief zu öffnen, können es andere tun. Einige halten nichts weiter als eine alte Einkaufliste in der Hand, andere dafür die Geheimnisse der Akatsuki …“

„Damit hat Sakura sich eine Sicherheit geschaffen.“

„Das ist wahr. Sie war immer schon genial“, grinste Ino und sah die Rosahaarige huldreich an. „Und jetzt müssen wir es nur schaffen, dass du deinen 17. Geburtstag erreichst.“

„Warte kurz“, sagte Sasuke plötzlich und ein irritierender Gedanke kam ihm. „Hattest du in Sakuras Handy ein Programm installiert, was sie orten kann? Waren es deine Leute, die sie angeschossen haben?“

Auch Sakura sah auf. Das hatte sie fast vergessen gehabt.

„Du wurdest angeschossen?“ Ino wurde bleich. „Wann?“

Rasch erzählte Sasuke ihr von der Nacht und ihrer Flucht.

„Ich war nicht in London, das stimmt. Meine Eltern und ich sind nach Yokohama gefahren. Wir haben versucht die Akatsuki auszuspionieren, und da ihr in Sakuras Nähe wart, glaubten wir sie in Sicherheit. Aber wer …“

„Vermutlich die Akatsuki. Aber wer hatte ihr Handy, um es zu bearbeiten?“

„Sakura?“

„Ich weiß es nicht. Vielleicht hab ich irgendwo liegen lassen, oder als jemand in meiner Wohnung war …“

„Und jetzt sind sie auch hier in Chabarowsk?“, wollte Sasuke wissen.

„Ja, ein paar Killer. Der Zug endet an einem stillgelegten Flugplatz. Dort wartet eine Maschine, sie bringt uns zurück nach Japan.“

„Was ist mit deiner Organisation? Was hat sie jetzt mit Sakura vor?“ Sasuke sah Ino scharf an. „Hilft sie uns, oder arbeitet sie gegen uns?“

„Sie hilft. Die Zeiten haben sich geändert. Und Sakura wird Japan am 25. verlassen …“

Sakura nickte. „So lautet der Vertrag.“

„Ich versteh das nicht“, fuhr Sasuke plötzlich auf. „Was hindert dich daran, die Akatsuki danach auszuliefern?“

„Ist der Vertrag gebrochen, werden sie mich in jeden Fall töten. Sie haben genug Leute dafür“, meinte Sakura trocken.

„Steckt da noch etwas anderes dahinter?“, erriet Sasuke, und Sakura lächelte leicht.

„Sicher“, sagte sie einfach. „Ich werde als letztes sterben. Vorher töten sie jeden, der mir je etwas bedeutet hat …“
 

Auf dem stillgelegtem Flughafen nördlich von Chabarowsk stand eine Cessna, und kaum dass Sasuke, Sakura und Ino einstiegen, startete das Flugzeug und begab sich in die Luft.

Sasuke war alles andere als Wohl dabei, witterte er einen Hinterhalt nach dem anderen, doch wusste er, wie wenige Möglichkeiten sie sonst noch hatten.

Keine einzige.

„Du machst ein missmutiges Gesicht“, flüsterte Sakura neben ihm, währenddessen Ino nach vorne zum Piloten gegangen war. „Du glaubst, es ist eine Falle?“

„Hmm“, meinte der Uchiha und seufzte schwer. „Wenn alles stimmt was Ino sagt, dann haben die Akatsuki nur noch 20 Tage. Bisher haben sie nicht viel aufgefahren, aber wenn die Zeit drängt …“

„Ich weiß. Aber … es wird schon.“

„So Positiv heute?“ Sasuke lächelte unmerklich.

„Sieht so aus“, grinste Sakura zurück. „Ino hatte nicht gelogen, ich habe mich geirrt. Wenn ich mich bei anderen Dingen auch irre, ist das etwas Positives.“

„Bei was hoffst du dich denn noch zu irren?“

Die Rosahaarige blickte zum Fenster hinaus und sah auf die Wolken, die sie langsam durchquerten. „Dass die Geschichte kein gutes Ende nimmt.“

„Ah, Sakura verbreitet negative Schwingungen“, kam es plötzlich und Ino ließ sich auf dem Sitz vor den beiden fallen. „Das hast du früher auch immer getan. Das hat sich bis heute nicht geändert.“ Sie nickte kräftig.

„Hab ich das?“, fragte Sakura ruhig und nahm den Blick vom Fenster.

„Klar. Hör bloß auf, ich könnte dir Geschichten erzählen … Zum Beispiel hat sie mir immer prophezeit, mit meiner Einstellung würde ich die Schule nie schaffen. Und was war? Ich kam sogar auf ’ne Begabten-Schule!“, erzählte sie munter dem Schwarzhaarigen, der nur die Braue hochzog.

„Aus dem gleichen Grund, wie es Naruto dort hingeschafft hat, nehme ich an“, gab er beinah amüsiert zurück.

Ino schien ein recht komischer Vogel zu sein, der man ihre Erleichterung ansehen konnte.

Und die ansteckte.

„Der Blonde? Ey, das ist ja mal …“

„Werden wir in Tokio landen?“, fragte Sakura dazwischen, um Ino von einer Predigt abzuhalten.

„Ja“, murrte sie. „Zumindest recht nah.“

„Wie geht es dann weiter?“

„Wir werden dich verstecken. Das ist die simpelste Lösung. Bis zum 25.“

Sakura nickte. „Du weißt, dass es nicht funktionieren wird.“

„Da“, brummte Ino. „Schon wieder absolut negativ! Und es wird funktionieren, da bin ich mir sicher.“
 

Als sie etliche Stunden später landeten, regnete es in Strömen. Ein Wagen holte die drei ab und brachte Sasuke und Sakura in ein entlegendes kleines Hotel.

„Ich habe mit deinen Leuten Kontakt aufgenommen“, sagte Ino zu Sasuke, als sie die beiden in ihr Zimmer begleitete. „Morgen um sieben Uhr wird euch Kakashi abholen. Wohin es geht, weiß bis dahin nur er. Ein paar von unseren Männern werden hier bleiben, getarnt natürlich. Ihr seid unter dem Namen Yakoto und Suwaka eingeschrieben.“

„Wer ist wer?“, fragte Sakura und grinste leicht.

„Du bist Yakoto. ’Nen Vornamen kannste dir selbst ausdenken. Wenn ihr morgen mit Kakashi wegfahrt, wird euch ein weiterer Wagen verfolgen. Die passen auf und decken euch den Rücken. Wenn ihr das Ziel erreicht, wird Kakashi mich verständigen, aber ich kann nicht zu euch kommen, das wäre zu auffällig …“ Ino biss sich unmerklich auf die Lippen. „Okay ich hau jetzt ab. Es gibt noch viel zu erledigen.“

„Werden wir in dem Versteck bis zum 25. bleiben?“, fragte Sakura und beobachtete ihre Freundin vorsichtig.

Ino nickte und griff nach ihrer Tasche. „Ja.“

„Warte, dann“ Sakura schüttelte den Kopf. „Wenn ich Japan verlasse, dann werden wir uns …“

„Wir sehen uns wieder, Sakura, davon bin ich überzeugt. Vielleicht erst, wenn wir alt und grau sind, aber … wir werden uns wieder sehen … Sasuke?“

„Ino.“ Sasuke nickte dem Mädchen zu, nahm ihre Hand und schüttelte sie zum Abschied. „Pass gut auf dich auf.“

„Du erst. Und wirf ein Auge auf Sakura.“ Sie zwinkerte, doch mehr, weil es eine Träne war, die ihr ins Auge trat.

„Das werde ich.“

„Gut, Sakura, ich …“ Ino musste sich über die Augen wischen. „Als ich dich damals kennen gelernt habe, da hätte ich niemals geglaubt, dass wir … dass du zu meiner besten Freundin werden könntest, aber … ich bin eines besseren belehrt worden, denn ich habe nie eine wundervollere Freundschaft erlebt als mit dir. Nicht nur die letzten zwei Jahre, auch schon davor. Du bist ein weitaus besserer Mensch, als du manchmal glaubst, und tu mir den Gefallen, und vergiss das nie, ja? Ich hab ich damals reden hören, ich weiß, wie du an dir nur das Negative gesehen hast, aber … sieh dir an, was aus dir geworden ist. Du musst nur fernab von dem ganzen Scheiß hier sein, und ich verspreche dir, dass du das Normale bekommen kannst, das du immer wolltest.“

Sakura nickte, wusste nicht was sie sagen sollte, und drückte Ino einfach an sich. „Danke“, flüsterte sie schließlich. „Gib auf dich Acht.“

„Immer“, lachte Ino und gab die Umarmung wieder. „Also dann, man sieht sich.“

„Man sieht sich“, sagte Sakura, ehe sich die Tür endgültig schloss.
 

Sasuke lag in dem Doppelbett und sah Fernsehen, derweil Sakura im angrenzenden Badezimmer duschte. Noch lange hatte er über Ino und ihre Worte nachgedacht, kurz mit Hinata und Kakashi telefoniert und sich schließlich dafür entschieden, abzuschalten und die Zeit mit Fernsehen zu vertrödeln.

Dennoch schaffte er es nicht seine aufgewühlte Gedanken und Gefühle zu beruhigen, die sich einzig um Sakura drehten. Als Ino sich verabschiedet hatte, war sie distanziert gewesen, distanzierter als er es sonst war. Sie hatte kaum etwas gesagt und war schließlich ins Bad verschwunden. Als wäre sie eine andere.

Als wäre sie wieder die Killerin, die Ino damals kennen gelernt hatte.

Sasuke schloss die Augen. Das Bild, dass Sakura eine Auftragsmörderin der Akatsuki gewesen war, war kaum vorstellbar. Er hatte damit rechnen müssen, und doch, jetzt wo es bewiesen war, erschien es ihm noch lächerlicher als jemals zuvor.

Sakura hatte Menschen getötet. Sakura gehörte den Akatsuki an. Sie hatte Fremden aufgelauert und sie ermordet.

Ihre Eltern hatten sie verkauft …

Auch diese Gedanken ließen Sasuke innerlich toben. Eine Familie, die ihr kleines Mädchen an Mörder verkaufte, ein Mann, der ein Kind zu einem Killer ausbildete. Sie zu diesem Zweck adoptierte.

Prototyp hatte Ino es genannt. Sakura war die Erste gewesen, und die Beste. Erschaffen, um zu vernichten.

Aber nie hatten sie ihr ihren eigenen Willen genommen.

Sasuke schmunzelte leicht, als er überlegte, wie ein junges Mädchen von 13 oder 14 Jahren zu den Mitgliedern einer gefürchteten Untergrundorganisation ging, ihnen einen Vertrag unter die Nase hielt und den unantastbaren Anführer der Mörderbande zu einer Unterschrift zwang. Gerne hätte er Pains Augen gesehen, vor Wut geweitet, und sich dennoch darüber Bewusst, dass er keine Wahl hatte. Er hatte Sakura geschaffen, und Sakura hatte ihm die Stirn geboten und besiegt.

Sollte sie bis zum 25. Juli überleben …

Die Akatsuki würden nichts unversucht lassen, darüber war er sich bewusst. Sie würden ihre besten Leute schicken, würden vermutlich selbst auftauchen, um Sakura zu töten.

Doch er würde es nicht zulassen. Niemals.

Sie hatten ein unschuldiges Kind zu einem Mörder ausgebildet. Sie hatten ein Kind bestraft, es gefoltert. Ihm Schmerzen zugefügt, die sich kaum jemand vorstellen konnte, der es nicht erlebt hatte. Sie hatten ihm das Tageslicht genommen. Die Chance auf eine Normale Zukunft, auf Freunde.

Aber das Kind hatte zurückgeschlagen. Und es würde gewinnen, dafür musste er sorgen.

„Sasuke?“

Sakuras ruhige Stimme riss den Uchiha aus seinen Gedanken.

„Hmm?“ Er sah kurz zu ihr hinüber, eher er sich wieder dem Fernseher zuwandte. Gestern noch hatten sie zusammen gelegen, aber heute trennten sie längst wieder Welten. Sie waren beide Maschinen, und eigentlich die größten Feinde. Er gehörte zu den Anbu, sie hatte den Akatsuki angehört. Doch verurteilte er sie wirklich deswegen?

Nein …

Dennoch spürte er die Kühle, die er ihr gegenüber wieder ausstrahlte. Es tat ihm leid, aber er glaubte es kaum ändern zu können.

„Läuft was im Fernsehen? Du wirkst so nachdenklich.“ Sakura war in ihre Nachtwäsche geschlüpft und kuschelte sich unter die Decke. Auch sie ließ Abstand von ihm, auch sie wirkte kühler.

Die Erinnerungen hatten sie eingeholt, nicht alle, aber einige. Und diese Erinnerungen hielten sie davon ab, wieder die Sakura der Gegenwart sein zu können. Die ängstliche Sakura, die Nähe suchte und offen auf andere zuging.

Sie wurde zu ihrem vergangenem Ich, dessen Emotionen eisig im Verborgenen lagen, das keine Furcht vor der Welt, wohl aber vor Nähe hatte.

„Nicht wirklich“, gab Sasuke zurück. „Soll ich ausmachen. Wir sollten schlafen.“

Flüchtig sah der Uchiha zu Sakura, bedachte sie mit seinem leeren Blick und der gewohnten Kälte. Er wusste, dass sie sich mit ihrer Vergangenheit verwandeln würde. Wie sonst könnte sie auch damit umgehen? Gefühle belasteten unnötig. Sie durfte keine Gefühle haben, damit sie ihre Vergangenheit bewältigen konnte.

Und er musste ihr diesen Schritt erleichtern, indem er sie ebenso reserviert behandeln würde.

„Das sollten wir wohl.“ Sakura legte sich auf die Seite, drehte Sasuke den Rücken zu und schloss die Augen, als er den Fernseher ausmachte und das Licht löschte.

Beide wussten um die Gefühle des anderen, und beide taten nichts, außer sich schlafen zu legen, mit wachen Augen in die Dunkelheit zu starren und zu hoffen, dass es ein Morgen geben würde.
 

Es war kur nach Mitternacht, als Sakura aus ihrem Traum erwachte. Sie spürte ihr rasendes Herz, ihren stockenden Atem und richtete sich schließlich auf. Sie griff sich an die Stirn, holte tief Luft und lehnte sich an die kühlende Wand. Sie versuchte sich die Bilder aus ihrem Traum ins Gedächtnis zu rufen, versuchte sich regelrecht daran zu klammern.

Es war eins schöner Traum gewesen. Eine weite Wiese, ein einsam gelegenes Haus, und dahinter der weiße Strand, der ins Meer führte. Es erinnerte sie an Sasukes Haus, doch war es doch gänzlich anders. Es war kleiner gewesen, normaler. Kein tiefer Keller mit versteckten Funktionen, keine Hochsicherheitsanlage, keine Codes. Ein ganz normales Haus.

Ihr Haus.

Ihres, und das von Sasuke.

Sie hatten zusammen darin gewohnt. Wie zwei verlorene Seelen, die sich gefunden hatten und fortan nicht mehr einsam sein mussten.

Naruto und Hinata hatten sie besucht. Sie kamen oft, und gemeinsam tranken sie Tee und erzählten sich Geschichten, den neusten Klatsch aus dem kleinen Dorf in der Nähe und das Geflüster aus der Stadt.

Sie waren nicht in Tokio gewesen. Nicht einmal in Japan. Es war ein Land, weit entfernt am anderen Ende der Welt. Die Menschen dort hatten anders gesprochen, doch auch ihre Sprache war Sakura nicht fremd gewesen. Französisch?

Ja.

Dieses Haus würde in Frankreich auf sie warten.

Sakura erzittere leicht, als sie darüber nachdachte. Die Vorstellung, dass Sasuke mit ihr kommen würde war absurd. Er hatte hier ein Leben, eine Arbeit, in der er gut war. Er würde sie nie begleiten, auch nicht, wenn sie ihn darum bitten würde. Sie konnte ihm nicht seine Heimat nehmen.

Und trotzdem … diese Vorstellung mit Sasuke ein neues Leben zu beginnen, ein friedliches fernab dieser Hölle, war die schönste Vorstellung, die sie je überkommen war. Sie liebte ihn, sie wollte mit ihm zusammen sein und ihn nie mehr missen müssen.

Aber es war nur ein Traum, und Träume gingen nicht in Erfüllung. Darum nannte man sie ja Träume.
 

Ihre ‚Flucht’ am nächsten Morgen verlief nach Plan. Kakashi stand pünktlich vor dem Hotel, und der Wagen von Inos Leuten folgte ihnen. Sie fuhren einige Stunden nach Norden, dann etwas östlich und kamen schließlich in die kleine Stadt Mito. Von hier fuhren sie nach Süden hinauf aufs Land, bis sie schließlich in einen Waldweg einbogen und eine größere, alte Holzhütte erreichten, die sich über zwei Etagen in den Himmel erstreckte.

„Das ist doch mal eine Idylle“, grinste Kakashi als er ausstieg. „Habt ihr mit so einem Luxus gerechnet?“

Sasuke schweig, doch Sakura schüttelte leicht lächelnd den Kopf. Es war angenehm in Kakashis Gegenwart keine Mordgedanken mehr zu heben. Schon zu Beginn ihrer Fahrt war ihr das aufgefallen, und jetzt wurde es ihr erst richtig bewusst. Sie konnte sich nicht erklären warum, aber vermutlich hing es damit zusammen, dass sie nun wusste, woher sie Kakashis Namen gekannt hatte.

„Huch?“, sagte Kakashi und lachte unerwartet auf. „Was denn, du willst mich nicht anfallen?“

Sakura runzelte die Stirn, schüttelte noch einmal den Kopf und nahm ihre Tasche aus dem Kofferraum.

„Heute nicht, vielleicht ein andermal“, gab sie zurück und folgte Sasuke die Veranda hinauf.

„Ein andermal“, murmelte Kakashi beleidigt, freute sich aber insgeheim über diese Entwicklung. Ino hatte ihm einiges erklärt, genau wie Sasuke. Nur von dem Brief hatte man ihm nicht erzählt. Von ihm würde er nur zu gegebener Zeit erfahren, darüber waren sie sich einig gewesen.

„Sakura?“, hörte man es plötzlich aus dem Inneren, und keine Sekunde wurde die Tür aufgeschmissen. „Jaa, du bist endlich da!“ Naruto kam in Windeseile herausgesprungen und stürzte sich auf das rosahaarige Mädchen. „Bin ich erleichtert, dass alles geklappt hat! Wir haben uns solche Sorgen gemacht, und ihr seit auch eine halbe Stunde zu spät, wisst ihr das?“ Sein wütender Blick galt eher Sasuke, der nur die Stirn runzelte. „Ich hab mir wirklich Vorwürfe gemacht! Sie mit einem Macho wie dir alleine zu lassen! Einen raubeinigen …“

„Naruto, willst du mich nicht erst mal loslassen?“ Sakura unterbrach Narutos Redeschwall, der ihn nur unnötig in Gefahr gebracht hätte, war aber gleichzeitig über die herzliche Begrüßung erstaunt. Sie wussten doch von ihrer Vergangenheit, wie konnten sie sie dann wie zuvor behandeln?

„Ich habe sie imemrhin sicher hergebracht. Wogegen wir nicht sagen können, was passiert wäre, wenn sie mit dir unterwegs gewesen wäre …“

Bei Sasukes Worten zog Naruto eine schmale Schnute sah Sasuke noch erboster an. Er ließ von Sakura ab und baute sich vor seinem Kollegen auf, der nur böse grinsen konnte.

„Wie war das?“, prustete Naruto, doch schlagartig wandelte sich sein Gesichtsausdruck und er strahlte erleichtert über das ganze Gesicht. „Du bist der beste Mann, noch nie war ich so stolz auf dich!“

Sasuke hob die Braue, doch als Naruto ihn unerwartet die Hand hinhielt, schlug er trotz aller Bedenken ein. Sie waren wieder zusammen, und auch spürte den Funken Hoffnung. Wenn sie es bis hierhin geschafft hatten, würden sie es vielleicht noch weiter schaffen.

„Sakura!“ Hinatas leise Stimme kam näher, und als die junge Hyuuga ebenfalls auf die Veranda trat, schloss auch sie die Rosahaarige in die Arme. „Du hast doch bestimmt hunger, nicht wahr? Und Naruto überfällt euch hier, anstatt mal beim tragen zu helfen“, sagte sie im milden vorwurfsvollen Ton. „Komm rein, die Jungs bringen die Sachen hinterher.“

Sakura grinste, als Naruto sich aufplusterte. Sie überreichte ihm ihre Tasche und folgte Hinata ins Innere.

„Sowas“, brummte der Blonde, als Kakashi ihm bemitleidend auf die Schulter klopfte.

„So sind Frauen. Die eine wie die andere. Das männliche Geschlecht ist für sie gleichbedeudent mit Packesel, und eingen anderen niederen Dingen.“

Sein Anführer seufzte schwer, reichte Naruto auch seine Tasche und streckte sich ausgiebig. „Jetzt beginnt der Spaß. Es sind noch zwei Wochen. Wir haben viel zu tun, Männer.“

„Nehmen sie erst mal ihre eigene Tasche, man“, knurrte Naruto, der sich als einziger Packesel sah.

„Ich muss zuerst mit Yamanakas Leuten reden. Sie bleiben zur Überwachung ebenfalls hier. Wir dürfen uns keinen Fehler erlauben.“

„Glauben sie, es wird Probleme geben, Kommandant?“, fragte Naruto, derweil Sasuke aufmerksam zuhörte.

Kakashi nickte, lehnte sich gegen das Geländer und sah in den tiefen Wald. „Wir haben es hier mit den Akatsuki zu tun, Naruto. Wir stehen zwischen ihnen und Sakura. Vermutlich wollten sie nie etwas stärker haben als das Mädchen, dass sie alle zum Narren gehalten hat. 14 Tage …“

Naruto erwartete eine düstere Miene seines Kommandanten, doch stattdessen grinste Kakashi plötzlich.

„Verdammt, wenn wir das hier überstehen, haben die Akatsuki einen Schlag in die Magengegend bekommen, den sie so leicht nicht vergessen werden! Und trotz allem sind sie unfähig danach zu handeln. Hatten wir je eine bessere Chance, es ihnen zu zeigen?“

Naruto grinste zurück. „Wohl nicht.“

„Sakura hat die Figuren gesetzt. Sie hat die Akatsuki in die Enge getrieben. Und wir werden dafür sorgen, dass ihr kein gegnerischer Spieler in die Quere kommt.“

„Jawohl!“

„Sakura gewinnt“, lachte Kakashi und wirkte dabei voller Optimismus. „Es wird nicht einfach, aber die Verlierer werden die Akatsuki sein!“

„Geeenauuuuu!“, rief Naruto ebenso zuversichtlich.

Sasuke lächelte nicht.

Selbst wenn Sakura am Ende gewann, sie hatte schon zuviel verloren, als dass es noch ein Sieg für sie sein konnte.

Eine kleine Gemeinschaft

„Wir sind auch erst vor ein paar Stunden hier angekommen“, sagte Hinata leise und führte Sakura durch die Zimmer. Sie kamen ins Bad und Sakura lächelte.

„Kein Fenster?“

„Nein, nur im Wohnzimmer und in den Schlafzimmern. Küche und Bad haben Abzüge. Die restlichen Fenster haben Gitter davor.“

„Ein kleiner Sicherheitstrakt also?“

Hinata nickte schmunzelnd. „Diese Holzhütte wurde schon als Versteck gebaut. Sie hält zwar nicht den Sicherheitsstandards von Sasukes Haus, aber dafür traut ihr niemand ihre geheimen Funktionen zu.“

„Und die wären?“, fragte Sakura neugierig.

„Panzerglas und Wände mit Metalleinsetzungen“, sagte plötzlich eine fremde Stimme, sodass Sakura unwillkürlich zusammen zuckte.

„Keine Sorge“, sagte Hinata schnell. „Das ist Karin. Sie wurde uns von den Anbu zur Verstärkung geschickt.“

Sakura runzelte die Stirn, nickte der fremden jungen Frau aber zu. „Karin.“

„Sakura“, lächelte die Rothaarige und schob dabei ihre Brille etwas höher. „Ich hab mir dich vollkommen anders vorgestellt. Aber du bist ja ein richtig niedliches Mädchen …“

Sakura reagierte nicht darauf, sondern blickte Karin nur starr an.

„Du guckst ja so böse“, lächelte sie unbeirrt. „Ist es nicht zu deiner Zufriedenheit?“

Wieder blieb Sakura stumm, so dass sich eine kleine Falte auf Karins Stirn bildete. „Ich hörte, du könntest sprechen. Scheinbar habe ich mich geirrt …“

„Karin!“, sagte Hinata zwar recht leise, aber fest. „Was soll das?“

Nun war es Karin, die nichts sagte, Sakura jedoch weiterhin anlächelte.

Hinata seufzte. „Soll ich dir die Schlafzimmer zeigen, Sakura? Sie sind oben, na komm …“ Die Hyuuga zog Sakura mit sich, derweil ihnen Karin mit einigem Abstand folgte.

„Hey, kommt ihr auch mal?“, rief Naruto schon, der aus einem der Zimmer kam, streckte seinen Kopf heraus und griff nach Hinatas Hand. „Wir müssen das Zimmer hier nehmen, sag ja? Ja?“

„Aber Naruto“, meinte Hinata, die von ihrem Freund schon mit geschliffen wurde. „Du solltest doch mit Sasuke in ein Zimmer. Sakura und ich …“

„Ist schon gut“, schmunzelte die Rosahaarige beim Anblick des aufgewühlten Uzumaki, der aufgeregt auf den kleinen Minikühlschrank zeigte, ihn immer wieder öffnete und schloss, und wieder wie wild darauf zeigte.

„Du könntest auch mit dem Hatake in ein Zimmer. Er ist doch der Chef hier, dann hat er dich besser im Auge … um aufzupassen, natürlich“, gab Karin von sich und klang dabei sehr doppeldeutig. Sie schien in Sakura nicht das Opfer, sondern den Feind zu sehen.

„Lass das dumme Gerede, Karin“, sagte plötzlich Sasukes Stimme, kalt und eisig wie man es von ihm kannte.

„Hallo Sasuke!“ Karins eher unfreundlicher Ton ging eine Oktave höher und fröhlich blickte sie den Uchiha an. „Wir haben uns lange nicht gesehen! Es freut mich wirklich …“

„Jetzt nicht, Karin.“ Sasuke wandte sich Sakura zu, die bei seiner genervten Miene grinsen musste. Was hier vorging war so klar wie der Himmel …

„Deine Sachen sind im Zimmer“, knurrte er sie an, da er ihr Grinsen sehr wohl bemerkte. „Wir nehmen das gleich neben der Treppe.“

„Du gehst mit ihr in ein Zimmer?“ Karin sah Sasuke ungläubig an. Sie kannte den Uchiha, nach ihrer Meinung kannte sie ihn besser als jeder anderer, und gerade deswegen verstand sie nicht, wieso er mit Sakura so seltsam umging. So anders …

„Kakashi will heute Abend eine Besprechung ansetzen. Bis dahin hat niemand das Haus zu verlassen und in den Wald zu gehen“, sagte Sasuke ohne auf Karin zu achten. Stattdessen sah er Sakura eindringlich an. „Solange ist auch die Veranda tabu.“
 

Später saß Sakura mit Hinata in der fensterlosen Küche und trank Tee. Hinata erzählte Sakura, was es von ihrer Seite aus Neues gab, wie sehr sie Inos Anruf überrascht hatte und das sie erleichtert waren, als sie auch die Unterstützung von Inos Organisation bekamen.

Sakura hörte derweil hauptsächlich zu. Ihr war nicht wirklich nach reden und nur ab und zu beantwortete sie eine Frage seitens der Hyuuga.

„Was ist denn los?“, fragte Hinata, der das bedrückte Verhalten des Mädchens auffiel. „Geht es dir nicht gut? Willst du dich vielleicht etwas hinlegen?“

Sakura schüttelte den Kopf. „Nein, alles okay“, sagte sie mit einem gequältem Lächeln.

„Ich seh doch aber, dass etwas nicht stimmt. Sag's mir, hmm?“

„Es ist wirklich nichts weiter … nur so.“

Hinata seufzte leise und füllte sich und Sakura Tee nach. „“Wir sind doch Freunde, oder nicht?“

Die Rosahaarige sah erschrocken auf und blickte in das lächelnde Gesicht ihres Gegenübers. „Freunde?“

„Natürlich!“

„Ino hat das auch gesagt“, meinte Sakura leise. „Aber … ich versteh es nicht …“

„Freundschaft ist eines der unkompliziertesten Dinge der Welt. Warum verstehst du es nicht?“

Das Mädchen zuckte mit den Schultern. „Weil … sie hat es doch die ganze Zeit gewusst … und ihr wisst es jetzt auch. Warum …“

„Warum wir trotzdem mit dir befreundet sein wollen?“, erriet Hinata und lächelte sanft. „Weil Ino dir ihr Leben verdank, weil sie sehen konnte, was noch in dir ist. Und das ist mehr als das, was die Akatsuki aus dir gemacht haben, Sakura. Und wir sehen das auch. Wir wissen es, weil wir dich als jemand gänzlich anderes kennen gelernt haben.“

Sakura schmunzelte leicht. „Meinst du, so einfach ist es?“

Hinata nickte. „So einfach. Wir mögen dich alle, Sakura. Naruto, Kakashi, Sasuke sowieso …“ Sie grinste überdeutlich. „Und ich auch. Wenn du uns also auch magst, dann ist das die Grundlage für eine Freundschaft. Wenn wir uns gegenseitig vertrauen können, an uns glauben und für einander da sind, dann sind alle Komponenten gegeben, die Grundlagen zu erweitern und eine tiefe Freundschaft zu führen, die niemand so schnell zerstören kann. Wie ein Band, dass uns alle verbindet.“

„Wie ein Band“, murmelte Sakura, biss sich auf die Lippen und lächelte einfach. „Okay“, sagte sie und grinste Hinata an. „Dann will ich auch daran festhalten.“

„Siehst du? Es ist ganz einfach.“

Sakura nickte. „Danke Hinata.“ Sie sah zur Küchenzeile, auf der Karin vorhin ihr Glas abgestellt hatte, anstatt es abzuspülen. „Mir ihr werde ich mich wohl eher nicht anfreunden können …“

„Mit Karin? Ich glaube, mit der ist niemand befreundet.“

„Sie scheint mich nicht besonders mögen zu können“, bemerkte Sakura und lächelte amüsiert. „Dafür scheint sie aber auf die Freundschaft mit Sasuke Wert zu legen.“

„Die es nicht mehr gibt“, grinste Hinata. „Bevor Sasuke in unser Team kam, hat er mit ihr zusammengearbeitet. Nur interne Aufgaben der Anbu, sie waren noch zu jung um Aufträge außerhalb zu übernehmen. Aber Karin stand schon damals auf ihn. Allerdings … naja du kennst ja Sasuke. Im Gegensatz zu früher ist er jetzt ein Scherzkeks.“

Sakura nickte traurig. „Ist er den Anbu wegen seinen Eltern beigetreten? Weil sie von den Akatsuki getötet wurden?“

„Ja, und wegen seinem Bruder.“

„Seinem Bruder?“

Hinata holte tief Luft. „Sie haben seinen Bruder und ihn damals entführt. Sein Bruder war elf, er vier oder fünf, glaub ich. Sie haben Itachi … sie haben ihn unter Folter versucht Informationen über seine Familie zu entlocken, die ebenfalls zu den Anbu gehörte. Er gab nichts Preis, und er überlebte auch aber … als man die beiden Kinder später befreite, war Itachi gebrochen. Nicht nur seelisch, auch körperlich erholte er sich nicht mehr. Und ein paar Jahre später … ließen ihn die Akatsuki ermorden, weshalb auch immer, da er für niemanden mehr eine Gefahr darstellte … Sasuke ist damals sehr blindwütig gewesen, er hat … einige Akatsuki Agenten wie im Rausch abgeschlachtet, aber danach …“

„Danach ging es ihm noch schlechter?“

„Ja. Als wir ein Team wurden und er sich mit Naruto anfreundete, taute er langsam wieder auf. Naruto ist ein guter Mensch und er hat das Talent anderen von seiner fröhlichen Art zu überzeugen …“

„Das stimmt“, lächelte Sakura, doch verblasste es schnell wieder. „Sasuke hatte einen Bruder …“ Sie schloss die Augen und griff sich an den Kopf. „Itachi … ich …“ Plötzlich schreckte sie auf, fuhr sich über den Mund und sah Hinata entsetzt an. „Gott …“
 

Obwohl Hinata versuchte, Sakuras erschrockenes Verhalten zu ergründen, hatte die Rosahaarige nur abgewehrt, sich schließlich erhoben und die Hyuuga alleine gelassen. Nachdenklich war sie am Tisch sitzen geblieben und trank ihren Tee leer, als Naruto hereingetrottet kam und sie grinsend anblickte.

„Das Essen hier ist gar nicht mal so schlecht“, sagte er und steckte seinen Kopf auch schon in den großen Kühlschrank. „Ich sollte noch ein paar Dinge mit hochnehmen, hier geht es ja nur unter und wird schlecht.“

„Du bist unmöglich“, lächelte Hinata und schaffte es sich zu entspannen, was in in Narutos Anwesenheit selten schwer fiel. „Hast du nicht vorhin erst gegessen?“

„Das war Frühstück.“

„Nein, ich meine danach.“

„Das war das zweite Frühstück.“

Hinata schüttelte belustigt den Kopf, sagte aber nichts. Sie spülte ihre Tasse ab und schmunzelte, als Naruto sie von hinten in den Arm nahm und küsste.

„Du hast ein betrübtes Gesicht gemacht“, meinte er leise. „Stimmt was nicht?“

„Nein. Alles in Ordnung.“

„Wirklich?“

„Ja, wirklich.“ Hinata erwiderte Narutos Kuss und seufzte. „Ist Kakashi schon zurück?“

„Japs, eben eingetroffen. Wir sollen uns in ner viertel Stunde im Wohnzimmer einfinden. Er und noch einer von Inos Leuten haben die Umgebung erkundet. Es scheint alles sicher und unentdeckt zu sein. Sie haben aber ein paar Infrarotsender aufgestellt und Wärmekameras und son Schnickschnack.“

„Sehr vernünftig“, nickte Hinata und drehte sich zu ihrem Freund um. „Und bei dir ist auch alles in Ordnung?“

„Klar, wieso nicht?“, fragte Naruto verdutzt.

Hinata kicherte. „Nur so. Komm las uns ins Wohnzimmer gehen.“

„Auf zur großen Versammlung!“, lachte Naruto, griff Hinata und hob sie in seine Arme.

„So galant heute?“

„Was heißt heute?“, gab Naruto zurück und trug seine Freundin aus der Küche. „Ich bin ein Gentleman, wie er in keinem Buche steht.“

„Das ist mal eine Ansage“, hörte man Sasuke, der hinter den beiden im Flur auftauchte und in ihre Richtung ging.

„Ich bin mehr Gentleman als du!“, nickte Naruto, dragierte Hinata durch die nächste Tür und schaffte es sie wohlbehalten im Wohnzimmer abzusetzen.

Sasuke sagte dazu nichts, hob nur die Braue und trat ebenfalls ins Wohnzimmer. Kakashi und ein schwarz gekleideter Agent der anderen Organisation waren bereits im Raum und unterhielten sich.

„Ah, ihr kommt schon.“ Kakashi stand auf und grinste. „Wo sind Sakura und Karin?“

„Hier“, sagte Sakura, doch kaum dass sie durch die Tür trat, schubste sich die Rothaarige an ihr vorbei.

Mürrisch sah Sakura ihr nach, behielt ihr Kommentar aber für sich.

„Gut. Wenn alle da sind, kann ich ja beginnen.“ Kakashi seufzte und ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen. „Eigentlich gibt’s nicht viel zu sagen. Wir haben die angrenzenden Wälder kontrolliert, einige Kameras und Melder installiert und versucht, einen Bereich von 400 Meter um uns herum abzustecken. Sobald jemand also diesen Bereich betritt, werden wir gewarnt. Ab sofort wird also immer einer von uns im Überwachungszimmer sein. Wir wechseln uns alle fünf Stunden ab.“ Kakashi sah in die Runde und nickte vor sich her. „Soweit dazu. Wir haben von heute an noch genau 15 Tage vor uns. Im Keller sind Lebensmittel gelagert, die ausreichen sollten.“ Er sah besonders zu Naruto und gab ihm zu verstehen, dass er dort unten nur unter Aufsicht hinzugehen hatte. „Wasser ist ebenfalls genügend vorhanden. Da wir nur ein Badezimmer haben, werden wir uns Zeiten aufteilen müssen. Und da 15 Tage ausreichen um allerhand Geschirr und Müll anzusammeln …“ Wieder sah er insbesondere zu Naruto. „Werden wir ebenso einen Haushaltsplan entwickeln. Ich würde sagen, dass Hinata das übernimmt und uns für sämtliche Dienste nach hrem Bemessen einordnet.“

Hinata nickte. „Jawohl.“

„Wir sind jetzt eine kleine Gemeinschaft, also müssen wir uns an gemeinschaftliche Regeln halten, damit es so keiner Ausschreitung kommt und wir nicht auffliegen. Eine Regel lautet, dass niemand alleine in den Wald geht.“ Diesmal sah er zu Sakura. „Natürlich müssen wir uns auch einmal die Beine vertreten, aber niemand geht alleine und niemals weiter als die abgesteckten 400 Meter. Es ist äußerste Vorsicht geboten, aber wir alle sind keine Amateure. Wir wissen, was unser Scheitern bedeuten würde. Sakuras Schutz steht an erster Stelle, und ich zweifle nicht an möglichen Entdeckungen durch die Akatsuki, aber wir müssen alle auf der Hut sein, denn ab heute stehen wir alle auf ihrer Liste. Vielleicht nicht auf ihrer Blacklist, aber mit Sicherheit werden sie niemanden von uns verschonen. Jeder hat mit offenen Augen zu schlafen!“

„Eine schöne Rede“, klatschte Naruto und nickte eifrig. „Sehr gelungen, Kommandant.“

„Ja, danke Naruto“, sagte Kakashi und wirkte ungewöhnlich ernst. „Ich habe auch sehr lange daran gearbeitet.“ Er beugte sich etwas zu dem Uzumaki. „Meinst du, dass mit den offenen Augen war übertrieben?“

„Gar nicht, hat das ganze richtig abgerundet“, gab Naruto ebenso leise zurück, jedoch konnte jeder diesen Wortwechsel der beiden hören.

Und so ziemlich jeder konnte dabei nur still vor sich her seufzen.
 

„Oh Naruto, man ich muss!“, rief Sakura, die schon seit fünf Minuten vor der Toilette wartete, ohne das sich etwas tat. „Kannst du nicht unterbrechen?“

Sie hörte, wie der Blonde etwas zurückrief, verstand aber nicht was er sagte.

Sakura verzog das Gesicht, tanzte von einem Bein aufs andere und überlegte schon nach draußen zu gehen. Es war mittlerweile dunkel, aber da die Regel ja lautete, sie müsse jemanden mitnehmen, verkniff sie sich diesen Gedanken wieder.

„Bitte Naruto, es ist echt dringend!“

„Bei mir auch“, verstand sie die Worte auf der anderen Seite.

„Argh!“, knurrte Sakura, machte auf dem Absatz kehrt und knallte fast in Sasuke, der sie nur fragend ansah.

„Wo willst du hin?“, wollte er wissen, obwohl er sich die Antwort denken konnte. „Doch nicht etwa nach draußen? Es ist nach …“

„Gott Sasuke, ich mach mir gleich in die Hosen!“, fluchte Sakura. „Naruto scheint eingepennt zu sei und ich hab grad echt keinen Nerv noch länger zu warten, denn ich KANN nicht mehr warten!“

Sasuke zog die Stirn in Falten, ging aber an Sakura vorbei und dreschte gegen die Tür. „Werd fertig!“, rief er recht laut und mit drohendem Unterton.

„Stell dich hinten an!“, kam es ebenso laut zurück.

„Siehste!“ Sakura drehte sich wieder um, wollte schon eilends davon gehen, als sie das krachende Geräusch hinter sich hörte.

Kaum das sie sich mit ungläubigem Gesicht umdrehte, kam Sasuke genervt an ihr vorbei.

„Jetzt kannste. Ich will dich draußen nicht sehen.“

„Das wirst du mir büßen, Sasuuuuuke!“, konnte man Naruto im donnernden Ton aus dem Badezimmer hören.

Am Fluss

An dieser Stelle kurz ein paar Worte meinerseits ;-)

Ihr lieben Leser, ich knuddel euch ganz doll für eure aufbauenden Kommentare! Ich freue mich sehr, dass die Geschichte euch immer noch gefällt und wieder ein paar Anhänger gefunden hat. Danke für 83 Kommis und 50 Favos!!

Aktuelles twitter ich unter Route660 :-) Es sind nicht mehr viele Kapitel bis zum Ende und dann lad ich fleißig die Fortsetzung hoch ... Bin fleißig am Kapitel tippen^^

Arigatou!

-------------------------------------------------------------------------

Mit wachsamen Augen beobachtete Sakura jede von Sasukes Bewegungen. Kleine Fältchen bildeten sich auf ihrer Stirn, als sie ihn voller Aufmerksamkeit betrachtete, damit ihr nichts entging. Sie durfte sich keinen Fehler erlauben, denn einen gewiefterem Feind hatte sie sich noch nie gegenüber gesehen. Mit einem Schlag konnte er ihr alles nehmen, jede Aussicht auf einen Sieg, jede noch so kleine.

„MAAAACH IHHHN RUUUUND!“

Narutos laut gebrüllte Worte kamen kaum bei ihr an. Viel zu konzentriert war sie auf den Mann, der ihr gegen über war und mit einem boshaften Grinsen seinen nächsten Zug plante. Er konnte alles tun, nur mit einer Bewegung. Er hatte die Möglichkeit sie im Erdboden versinken zu lassen, sie auseinander zu reißen wie einen Wurm.

„SAAAAKUUUUURRRRRAAAAA GOOOOOOOOOOOOOO!“

Er musste einen Fehler machen, dachte Sakura. Nur wenn er jetzt einen Fehler machte, konnte sie den Sieg für sich verbuchen. Er durfte nicht bemerken, dass sie noch etwas im Ärmel hatte, einen Trick, ein Ass.

„YEAHHHHHHHHHHHHH!“

Naruto schrie wie ein Löwe, Hinata neben ihm standen die Schweißperlen auf der Stirn, Kakashis Herz setzte fast aus …

„KOOOOOMMM SCHHHHHOOOONNNN!“ Verzerrt und dunkel wie aus einer anderen Dimension drangen Naruto Anfeuerungen zu ihr, aber sie durfte nicht unaufmerksam werden.

Er war es auch nicht …

Sasuke bewegte sich. Sakura sah jede minimale Bewegung des Uchiha. Sie konnte sehen, wie er seine Muskeln anspannte, wie er die Hand hob und seine Finger durch die Luft führte.

Er griff nach vorne, griff zu und …

„JAAAAAAAAAAAAAAA!“, schrie Sakura und sprang vom Stuhl auf. „JAAAAA, du hast einen Fehler gemacht, JAAAAAAA!“ kreischend ließ sie sich fallen, machte ihren Zug und sprang wieder auf. „SCHACH MATT!!!! DU BIST SCHACH MATT!!“

„JAAA!“, schrien jetzt auch Naruto und Hinata, während Kakashi sich ans Herz fasste und einem langen Atemzug ausstieß.

„JAAAA WIR HABEN IHN BESIEGT!“

Die Drei fielen sich in die Arme, selbst der schwarz gekleidete Agent in der Ecke gratulierte Sakura zu ihrem Sieg und wischte sich dabei unmerklich über die Stirn.

Zwei Stunden hatten sie dem Schachspiel zugesehen, gefiebert und vor Spannung kaum den Mund zubekommen.

Und am Ende hatte Sakura gewonnen.

Sasuke grinste nur, als auch er sich erhob. „Das gibt eine Revanche“, war das einzige, was er dazu sagte, derweil er sich von Naruto unschöne Komplimente anhören musste.

„Das nächste mal gewinnst du“, sagte Karin, doch gingen ihre Worte an Sasuke vorbei. „Und Sakura hat sicherlich betrogen! Du gewinnst immer beim Schach, Sasuke-kun!“

„Heute nicht“, gab Sasuke kühl zurück und sah flüchtig zu der Rosahaarigen. „Und sie hat keineswegs betrogen.“

„Aber …“

Doch Sasuke ließ die Rothaarige stehen und ging auf sein Zimmer.
 

Der nächste Morgen war wärmer als die Tage zuvor. Sakura lag aufgedeckt in ihrem Bett, drehte sich von einer Seite auf die andere und schnaufte vor sich her.

„Ich koche“, murrte sie schlaftrunken und breitete alle Viere von sich. „Das ist ja Wahnsinn hier! Warum schlafen wir genau unterm Dach?“ Wieder schmiss sie sich umher, biss sich aber erschrocken auf die Lippen, als sie dabei aus Versehen Sasuke erwischte. „Entschuldige …“, murmelte sie und zog ihr Bein aus seinen Rippen.

„Nichts passiert“, gab der Uchiha stöhnend von sich und rutschte unmerklich an die sichere Kante. „Ist nur eine Rippe gewesen. Ich hab noch genug davon …“ Sein schwarzer Humor ließ Sakura schmunzeln, obwohl sie sich vorstellen konnte, dass Sasuke es durchaus nicht lustig gemeint hatte.

Sie kicherte leise, dann sah sie zur Uhr.

„Es ist gerade mal um sieben!“, heulte sie und wandte sich wieder hin und her. „Ich halt das nicht aus, Sasuke! Ich glühe!“

„Wenn du dich weniger bewegen würdest, wäre dir auch nicht so warm.“

„Warum muss das Versteck im Wald sein? Warum nicht am Meer?“

Dazu sagte der Uchiha nichts, da er schon wieder versuchte einzuschlafen.

„Oder mitten auf einem windigen Feld? Oder warum nicht in Sibirien, oder …“

„Sakura …“, klagte Sasuke und drehte ihr den Rücken zu. „Versuch doch wenigstens noch bis zum Frühstück zu schlafen.“

„Aber ich kann nicht!“

„Dann leg dich in die Badewanne.“

„Um die Zeit ist doch Karin da. Die braucht ja jeden Morgen ihre zwei Stunden. Außerdem hast du dafür gesorgt, dass man nicht mehr vernünftig abschließen kann!“

„Du wolltest doch so dringend auf die Toilette.“

„Aber ich habe dich nicht darum gebeten, die Tür einzutreten …“

Sasuke erwiderte nichts und übte sich ein weiteres Mal im Schweigen.

Eine Weile blieb es still, doch irgendwann seufzte Sakura wieder auf.

„Wenn das noch wärmer wird, schlafe ich nackt!“

Sasuke, der ihr den Rücken zukehrte, öffnete abrupt seine Augen. „Aha“, presste er zwischen den Zähnen hervor, traute sich aber kaum den Mund noch etwas weiter aufzumachen, obwohl ihm ein passender Kommentar auf der Zunge lag.

„Ist dir gar nicht warm?“

„Nein“, sagte Sasuke einfach, überging Sakuras Gemache neben sich und drehte sich schließlich um. „Und wenn du …“ Er stockte, als er das Mädchen in Unterwäsche vor sich hatte. „Ich denke du willst erst nackt schlafen, wenn es wärmer wird?“, entfuhr es ihm.

„Ich bin ja auch nicht nackt!“

„Aber so gut wie.“

„Tzz“, machte Sakura und schmiss sich wieder ins Bett. „Und hör auf so zu starren, als hättest du mich noch nie so gesehen!“

„Das hab ich auch noch nicht.“

„Du hast mich schon ganz anders gesehen!“

„Das stimmt“, grinste Sasuke, der es sich nicht mehr verkneifen konnte. „Aber dieses Zwischending ist an mir vorbeigegangen. Meinetwegen kannst du auch den Rest ablegen.“

Dass Sakura in den letzten zwei Tagen um einiges aufgetauter wirkte, ging langsam auch auf ihn über. Selbst die Distanz zwischen ihnen schien sich wieder zu verringern, und Sasuke konnte nicht behaupten, dass es ihn störte.

„Klar, und dann platzt hier jemand rein und ich lieg splitternackt vor ihm!“

„Ich könnte ihn einfach erschießen, falls er zuviel sieht“, überlegte Sasuke, und wieder klang es ernster, als dass es ein Scherz sein könnte.

„Klasse“, murrte Sakura und warf sich auf die Seite. „Super, genauso macht man es …“

„Ich weiß, wie man es macht“, hörte sie Sasuke plötzlich viel dichter. „Und ich könnte dir auch aus dem Rest hier raus helfen.“

Sakura schluckte und eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken, als sie Sasukes warmen Atem in ihrem Nacken spürte, seine Finger, die ihr über die Schultern strichen. Am liebsten hätte sie sich ruckartig umgedreht, doch glaubte sie sich wie in einer Versteinerung gefangen. Sie genoss seine Berührungen, und doch taten sie ihr schmerzlich weh. Sie dachte daran, dass es nur schwerer für sie werden würde, sobald sie sich trennen mussten. Und dieser Tag lag in naher Zukunft …

Als seine Hand über ihre Hüfte wanderte, ihren Oberschenkel hinunter und wieder zurück, zog sie sie an sich und hielt sie fest, als würde er sie ihr jeden Moment wieder entziehen.

„Ich will dich nicht verlieren“, flüsterte sie und drückte seine Hand an ihre Brust.

„Das wirst du doch nicht, Sakura“, sagte er ruhig, schob seinen anderen Arm unter ihr hindurch und zog sie enger an seinen Körper. „Es wird nichts schief gehen.“

„Das meine ich nicht.“ Sakura schmiegte ihr Gesicht an seine Finger, die auch ihre Hand hielten. „Wenn alles so läuft, wie es soll, dann muss ich Japan verlassen …“

„Darüber brauchst du dir doch jetzt noch keine Gedanken machen“, gab er leise zurück, doch verstärkte er unwillkürlich seinen Griff. „Daran brauchen wir im Moment nicht denken.“ Er beugte sich vorsichtig über sie und legte seine Lippen auf ihre.

Nur zu gern erwiderte sie seinen Kuss, ließ sich von ihm in eine andere Welt ziehen und wischte die negativen Gedanken fort.

Sakura musste kichern, als er über ihre Taille fuhr, und selbst Sasuke musste schmunzeln. Er drehte sich mir ihr, so dass sie nun auf ihm lag, und zog ihren Kopf dicht an sein Gesicht um sie wieder zu küssen.

„Ey Leute, ist es bei euch auch so warm und …“ Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, Naruto streckte seinen unverfrorenen Kopf ins Zimmer, brach seinen Satz ab und begann zu kreischen. „AHHHHHHHHHH!“, schrie er, sprang vollends in den Raum und fuchtelte vor den beiden wild mit den Armen.

„AHHHH!“, gab er noch einmal die Kurzfassung seiner vorherigen Aussage zum Besten, schien noch immer nicht kehrt machen zu wollen und noch einmal zu schreien.

Doch auch Sakura, die nur in BH und Slip auf Sasuke saß, begann zu kreischen, sich hinter Sasuke zu verkriechen und ihre immense Wortwahl aus zwei Buchstaben (A und H) zu wiederholen.

Erst Hinata, die das ganze mitbekam, war geistesgegenwärtig genug Naruto am Kragen zu packen und eilends aus dem Zimmer zu verfrachten. Allerdings war nun so ziemlich jeder im ganzen Haus aus dem Bett gefallen …
 

Den ganzen Tag über liefen Sakura und Naruto mit puterroten Gesicht durch die Gegend, derweil Hinata immer wieder vor sich her kicherte und Sasuke aussah, als würde er jeden Moment die Jagdsaison eröffnen wollen.

Am schlimmsten wurde es, wenn sich die Vier irgendwo begegneten. Sakura und Naruto steckten ihre Köpfe dabei gänzlich in den Boden, Hinata fuhr sich jedes Mal über den Mund und machte kehrt und Sasuke ließ bei Naruto immer wieder die Finger knacksen und überlegte ernsthaft, ihn einfach nach draußen zu ziehen und für ein paar Tage an einen Baum zu fesseln.

„Da ist doch nichts dabei“, meinte Hinata irgendwann zu Sakura, als sie mit ihr in der Küche zusammentraf und Tee anbot. „Und Naruto hat nichts gesehen, mach dir keine Sorgen …“

Sakura wurde noch roter und ließ sich fertig mit der Welt auf einen Küchenstuhl plumpsen. Ich versinke …“, murmelte sie. „Bis in den tiefsten Spalt der Erde …“

„Ach was“, lächelte Hinata. „Morgen sieht alles schon wieder ganz anders aus.“

Sakura gab ein paar stöhnende Laute von sich.

„Vorausgesetzt ihr schließt ab …“, konnte sich die sonst so besonnene Hyuuga nicht verkneifen, woraufhin Sakura beinah vom Stuhl rutschte.

„Das war … absolut unnötig, Hinata!“

„Entschuldige“, kicherte die Schwarzhaarige und stellte den Tee auf den Tisch. „Was hältst du davon, wenn du nachher mit mir und Naruto einfach mit zum Schwimmen kommst?“

Sakura hob ihren leuchtend roten Kopf, der noch leuchtender wurde, sah aber gleichzeitig neugierig aus.

„Schwimmen?“

„Ja, es gibt hier einen Fluss, nicht weit vom Haus. Naruto bettelt schon seit wir hier sind. Er ist von Büschen umgeben, und es gibt sogar eine heiße Quelle in der Nähe …“

Sofort begann Sakuras ungläubiges Gesicht zu strahlen. „Ohne Scheiß?“

Hinata nickte. „Wirklich. Also was sagst du?“

„Ich bin dabei!“

„Wobei?“, sagte plötzlich Sasukes noch immer knurrige Stimme.

„Dabei“, heulte Sakura schon wieder, vergrub das Gesicht in den Armen und versank erneut im Erdboden, denn kaum eine Sekunde später erklang Narutos heiteres Lachen.

„Sag mal Hinata, wo sind eigentlich …“ Er verstummte, kaum dass er in die Küche trat und Sakura, Hinata und Sasuke vorfand.

Hinata begann gleich wieder zu kichern, Naruto und Sakura lieferten sich einen Wettstreit im Rot werden und Sasukes Knöchel knacksen gefährlich.

„Was ist denn hier los?“ Nun marschierte auch noch Karin in die Küche, stellte ihre Tasse wie sooft einfach nur auf die Spüle und sah von einem zum anderen. „Hab ich was verpasst?“

„Nein, nicht wirklich“, sagte Hinata schnell, die scheinbar als einzige in der Lage war zu reagieren. „Wir wollen nachher zum Fluss. Es musste nur geklärt werden, wer mitkommen möchte und …“

„Zum Fluss? Da wollte ich heute auch hin. Du auch, Sasuke?“

Sakura sah ruckartig auf, als sie die schleimige Stimme der Rothaarigen hörte und sandte Karins Rücken einen bösen Blick zu.

Schlampe, dachte sie nur, derweil Sasuke ihr einen fragenden Blick zuwarf. Scheinbar hatte er kein großes Interesse am Schwimmen gehen, wollte Sakura aber nicht alleine mit den anderen nach draußen lassen.

Sie nickte kurz, seufzte und stand auf. „Wann wollt ihr los?“, fragte sie Hinata und ignorierte Karin so gut es ging.

„Wir können uns ja in einer halben Stunde auf der Veranda treffen“, schlug die Hyuuga vor. „Dann sind wir bis zum Abend im Wasser, wenn die größte Hitze herrscht.“
 

Mit einem Grinsen im Gesicht lag Sakura auf ihrem Handtuch, dass sie im Moos ausgebreitet hatte, und dankte Gott dafür, ihr eine Lichtung mitten am Fluss geschenkt zu haben. Sie ließ sich von der warmen Julisonne bräunen, und vergessen waren die peinlichen Augenblicke vor ein paar Stunden.

„Was gibt’s schöneres?“, hörte sie den einzigen Fehler sagen, den es an diesem perfekten Ort gab.

Karin …

Die Rothaarige lag etwas von ihr entfernt, aber nicht entfernt genug, um sie überhören zu können. Lediglich Sasuke, der zwischen ihnen saß und in einem Buch las, trennte sie von der nervigsten aller Personen, die sie je kennen gelernt hatte.

„Findest du nicht auch, Sasuke?“, fragte sie mit übertrieben freundlichem Ton, dass es Sakura fast zum Hals raus kam.

„Nein“, gab der Uchiha desinteressiert zurück, so dass Sakura leise kicherte und einen erzürnten Blick seitens der Älteren zugeworfen bekam.

„Wollen wir nicht auch ins Wasser?“, wandte sich Karin wieder an Sasuke, doch schüttelte Sasuke gleich mit dem Kopf, ohne den Blick vom Buch zu nehmen.

„Was liest du denn?“, machte sie mit ihrem Generve weiter, und Sakura atmete lauthals aus, was Karin einfach überging. „Kenn ich das Buch vielleicht?“

Sasuke zuckte mit den Schultern und Karin beugte sich nach vorne um den Titel zu erkennen.

„Der Richter und sein Henker?“, las sie und hob die Augenbraue. „Und von wem soll das sein?“

Sasuke seufzte und hielt ihr das Buch vor die Nase, damit sie es einfach ablesen konnte.

„Dürrermaat?“

„Dürrenmatt!“ Es war Sakura, die Karin knurrend verbessert hatte.

„Ah“, tat die junge Frau, als wüsste sofort um was es ging. Sie schnappte sich das Buch und drehte es so, dass sie die Inhaltsangabe lesen konnte. „Also ein Kriminalroman. Das klingt recht … langweilig“, bemerkte sie trocken.

„Ist es aber nicht“, meinte Sasuke und nahm sich sein Buch wieder. „Und es ist nicht einfach nur ein Kriminalroman.“

„Was soll’s sonst noch sein?“

„Eine Kritik“, brummte Sakura unter ihren Armen hervor, die sie sich schützend der Sonne wegen vors Gesicht hielt.

„Oh, eine Kritik“, höhnte Karin und sah Sakura mit einem Blick an, der ihr sagte, dass sie die Klappe zu halten hatte. „Und was kritisiert er?“

„Den Kriminalroman“, meinte Sasuke kurz angebunden und schlug dabei seine Seite wieder auf. „Und die Kriminalistik.“

„Wieso das?“

„Weil von Anfang an falsch ermittelt wird.“

„Klingt anstrengend.“ Karin schüttelte den Kopf, doch schien das Thema damit auch für sie erledigt.

„Hey!“, rief Naruto nun vom Flusswasser aus. „Kommt ihr auch mal rein?“

Sakura richtete sich auf. „Was ist mit dir?“, fragte sie Sasuke.

„Ich komme nach. Ich will noch das Kapitel beenden“, gab er zurück und klang dabei um einiges freundlicher, was Karin murrend zur Seite blicken ließ.

„Ich könnte es dir verraten“, meinte die Rosahaarige.

Sasuke grinste leicht. „Das lässt du schön bleiben. Woher kennst das Buch? Hat man bei der alten Tsunade Schweizer Autoren lesen müssen?“

„Nein, dort nicht“, gab Sakura zurück und ihr lächelnd verschwand, doch richtete sie sich gleichzeitig auf. „Dann geh ich schon vor.“

Sasuke sah ihr nachdenklich hinterher. Pflichtlektüre für angehende Killer war ein widerlicher Gedanke.

„Ein komisches Mädchen“, sagte Karin plötzlich und holte den Uchiha aus seinen Gedanken. „Was sie an ihr finden. Aber sie macht mir eher den Eindruck noch ein Kind zu sein, als eine ausgebildete Attentäterin. Ich kann mir das nicht vorstellen. Was, wenn wir uns alle mit ihr irren?“

„Ausgeschlossen.“ Sasuke blätterte um.

„Aber schau sie dir doch an! Sie sieht aus wie eine Memme, wie ein zerbrechliches Glas!“

„Hör auf Karin, ich habe kein Interesse an derartige Unterredungen.“

„So viel Zeit, die unsere Organisation mit ihr vergeudet. Das ganze hier zu finanzieren … das ist doch albern! Die Anbu haben wichtigeres zu tun, als für ein Mädchen den Babysitter zu spielen! Sie mag ja recht schlau sein, aber wie sie mit ihrem Charakter bei den Akatsuki überlebt haben soll, versteh ich nicht.“

„So war sie damals nicht. Nur durch ihren Gedächtnisverlust hatte sie die Chance, normal zu werden. Lass es endlich gut sein, Karin. Ich habe gesehen, was in ihr ist. Fordere es nicht heraus.“

„Glaubst du, ich hätte Angst vor dem Mädchen?“ Karin lachte auf. „Gott, Sasuke! Sie wäre vielleicht für Hinata eine Gefahr, aber für mich? Willst du mich veralbern? Sie kann mir nicht mal im Ansatz das Wasser reichen! Sie ist … sie ist ein Kind!“

„Du wiederholst dich, Karin“, sagte Sasuke kalt.

„Du stehst auf sie, hab ich recht?“ Die Rothaarige schnaubte laut. „Auf ein Kind, man Sasuke!“

„Sie ist ein Jahr jünger, sie ist kein Kind mehr.“

„Sie ist jünger als Hinata! Und die ist schon ein Kind! Oder schau dir doch Naruto an! Dass du für die beiden unser Team verlassen hast …“

„Sie haben Prinzipien. Sie haben Werte, Karin. Und Ehre. Du besitzt nichts davon. Allein dein Umgang mit Waffen und deine Vergangenheit beim Militär haben dir die Arbeit bei Anbu beschafft“, sagte Sasuke rau.

„Sie hat dein Mitleid geweckt, was? Deswegen glaubst du sie zu mögen. Und weil sie sich einfach vögeln lässt …“

„Halt endlich den Mund, verstanden!“ Sasuke sah die junge Frau wutentbrannt an. „Wenn du noch einmal schlecht über Sakura redest, kannst du deine Sachen packen. Ich sorge persönlich dafür, dass du den Rest des Jahres hinterm Schreibtisch verbringen kannst!“

Karin schrak im ersten Moment zurück, schob ihre Brille zurecht und stand auf. „Du verträgst nur die Wahrheit nicht!“

„Ich mein es ernst!“

„Schon gut“, grollte Karin. „Mir soll es doch egal sein, wie du mit deinen Aufträgen umgehst.“ Damit war das Gespräch für sie beendet.

Doch ihre Rivalität mit Sakura hatte gerade erst begonnen.
 

„Ist das herrlich“, seufzte Sakura wohlig und ließ sich tiefer in das heiße Wasser der Quelle sinken.

Sie war zusammen mit Hinata hergekommen, währenddessen Karin lieber zurück zum Haus gegangen war. Sasuke und Naruto hingegen waren noch am Fluss, der allerdings nicht weit weg war. Mit zur Quelle hatten sie nicht gedurft, aber die Mädchen alleine lassen wollten weder Naruto und Sasuke schon gar nicht.

„Das stimmt“, sagte Hinata, schloss die Augen und legte den Kopf nach hinten. „Man kann wunderbar entspannen.“

„Und wie …“, säuselte Sakura, tat es Hinata gleich und tauchte noch tiefer hinein.

Eine erholsame Stille legte sich über die beiden, doch wurde sie jäh von einem kreischenden Rufen gestört, gefolgt von einem lauten Plätschern.

„Naruto lernt es nie“, kicherte Hinata leise, die sich vorstellen konnte, wie der Uchiha ihren Freund gerade unters Wasser gestuckt hatte. „Dabei weiß er wie reizbar Sasuke ist.“

Sakura lächelte, nickte und legte ihre Arme am felsigen Rand der Quelle ab. Sie bette ihren Kopf und versuchte das Gezänke vom Fluss zu ignorieren. „Alles Kinder.“

„Sasuke ha sich sehr verändert, seit wir dich kennen“, sage Hinata plötzlich. „Zum Positiven. Du hast einen guten Einfluss auf ihn.“ Sie lächelte die Rosahaarige an und stützte sich neben ihr ab.

Sakura errötete. „Meinst du?“

„Natürlich. Ich habe ihn noch nie so ausgeglichen …“ Man hörte ein erneutes Plätschern und einen Aufschrei seitens Naruto. „So ausgeglichen gesehen.“

„Ausgeglichen?“ In Anbetracht des Szenarios, dass sich auf der anderen Seite des Felsen abspielte, hielt Sakura das Wort ‚Ausgeglichen’ für nicht besonders passend, doch Hinata nickte nur.

„Das ist nur Kinderkram. Sasuke hat zu Naruto eine seltsame Freundschaft, und für Außenstehende wirkt es eher wie eine Kameradschaft zwischen Boxer und Boxsack, aber … sie sind füreinander da, auf ihre ganz eigene Weise. Sasuke schätzt Naruto, und auch wenn man es nie glauben würde, aber er respektiert ihn. Und Sasuke respektiert die wenigsten Menschen. Sein Team, und dich.“

Sakura blinzelte überrascht. Respektieren war ein schrecklich unmodernes Wort. „Meinst du?“

Hinata lächelte bejahend. „Sie dir Karin an, sie kann er überhaupt nicht leiden. Zu ihr ist er auch, wie er früher zu jedem war. Wie ein Eisklotz. Vielleicht macht das für sie den Reiz aus, aber …“ Hinata überlegte. „Überleg wie er zu dir ist. Man könnte sagen, fast menschlich.“ Grinsend tauchte sie etwas ab. „Oder sogar schon liebevoll, obwohl ich nie geglaubt hätte, das Wort einmal mit Sasuke in Zusammenhang bringen zu können. Verstehst du, auf was ich hinaus will? Noch nie hat er sich um jemanden so gesorgt wie um dich. Zumindest nicht, seitdem Itachi tot ist. Ab diesem Zeitpunkt waren ihn alle egal. Und dann kommst du und machst aus ihm einen … man kann sagen, einen Menschen. Eigentlich sogar einen Jungen, der er schon lange nicht mehr sein konnte.“

Sakura, die eine ziemliche Röte angenommen hatte, musste grinsen. „Sag ihm das bloß nicht.“

„Um Gottes Willen“, kicherte Hinata. „Ich wäre geliefert.“

Beide Mädchen lachten hinter vorgehaltener Hand, damit die Jungs auf der anderen Seite keinen Wind davon bekamen.

„Sag mal, darf ich dich was fragen?“, begann Sakura dann zögerlich. „Wie bist du … naja mit Naruto eigentlich zusammengekommen?“

Hinata grinste breit. „Er hat mich gerettet.“

„Gerettet? Vor den Akatsuki?“

„Vor mir selbst“, gestand die Hyuuga. „Weißt du, meine Vater hat ein ziemlich großes Unternehmen, und immer wollte er, dass ich irgendwann seinen Platz einnehme und die Firma führe, aber … ich war ihm nie gut genug, und das ließ er mich immer spüren. Unsere Beziehung zueinander war nie die eines Vaters und einer Tochter, ich hab mich immer wie eine Untergebene von ihm gefühlt …“ Hinata seufzte und ihre Stimme wurde traurig. „Dann kam Naruto in die Firma, weil er einen Nebenjob gesucht hat. Zumindest hat er das behauptet, aber in Wahrheit spionierte er jemanden nach, der bei uns als Tarnung arbeitete und in Wirklichkeit für die Akatsuki Informationen beschaffte, die er über unsere Firma bezog.“

„Dann arbeitete Naruto schon vor dir bei den Anbu?“

„Sogar schon vor Sasuke. Sein Vater war der Leiter sämtlicher Einheiten. Schon als Kind war er oft im Hauptquartier, und weil er so gebettelt hat, haben sie ihm immer kleine Aufträge geben müssen“, lächelte Hinata. „Dann starb sein Vater jedoch und er wollte sich beweisen. Er bekam den Auftrag, sich in die Firma meines Vaters einzuschleichen und den Mann zu enttarnen. Allerdings gab es ein weiteres schwarzes Schaf, und weil man sich entdeckt fühlte, wurde ich gekidnappt.“

„Du wurdest entführt?“

„Ja“, sagte Hinata und schloss die Augen. „Aber Naruto hat mich gerettet … Danach konnte er zwar nicht mehr in der Firma arbeiten, aber die Akatsuki waren entlarvt und mussten fliehen. Mein Vater verbuchte das ganze natürlich als misslungenen Scherz, und er gab Naruto die Schuld am Verlust zwei guter Mitarbeiter …“ Die Schwarzhaarige schüttelte den Kopf. „Daraufhin habe ich sein Erbe abgetreten. Ich wusste zwar nicht wohin, aber das war mir egal. Meinem Vater war mein Leben egal gewesen, und Naruto hat er wegen allem die Schuld gegeben …“

„Wie bist du alleine zurecht gekommen?“

„Ich war nicht alleine“, schmunzelte Hinata und wirkte auf eine freudige Weise traurig. „Naruto war seitdem immer für mich da. Er kannte mich kaum, aber trotzdem hat er mir geholfen, wo es nur ging. Am Anfang wohnte ich in seiner Wohnung, wir haben zusammen nach einer eigenen Wohnung für mich gesucht und am Ende … bin ich trotzdem nie ausgezogen.“

„Naruto ist einer der liebsten Menschen, die ich kenne“, Sakura schüttelte den Kopf. „Und er weiß, wie man jemanden aufheitern kann.“

„Das stimmt. Er lässt nicht zu, dass man im Trübsal versinkt.“

„Bist du dann bei den Anbu eingetreten?“

„Hmm. Aber in erster Linie habe ich in der Technik und der Entwicklung gearbeitet. Das, was Naruto machte … das kam für mich nicht in Frage. Aber dann stieß auch Sasuke dazu und so wurden wir ein Team. Naruto und Sasuke waren für die Außenarbeit zuständig und ich arbeitete vom Quartier aus und gab ihnen alle Informationen, die ich beschaffen konnte. Darin bin ich besser, als im Herumballern. Das war nie etwas für mich.“

„Und Kakashi?“

„Er übernimmt meist die Aufklärung, noch bevor Sasuke und Naruto auftauchen. Ich glaube, er ist der beste Kommandant, den man haben kann. Er würde niemals einen seiner Leute im Stich lassen, egal was sich ihnen in den Weg stellt. Und dich lässt er auch nicht im Stich.“

„Weil ich sein Auftrag bin?“

„Nein, weil er dich mag“, lächelte Hinata. „Von uns allen hasst er die Akatsuki vermutlich am meisten.“

„Und trotzdem mag er mich?“

„Ja, für ihn bist du nie ihr Mitglied gewesen. Sie haben dich gekauft, und als wir davon erfuhren … Kakashi war als Kind selbst in den Menschenhandel der Akatsuki geraten, weiß du? Er konnte jedoch gerettet werden, durch die Anbu. Daher seine Loyalität. Und sein Hass. Deswegen würde er dich bis zum Letzten gegen sie verteidigen.“

„Aber …“ Sakura fehlten die Worte. „Ich verstehe nicht, wieso …“

Hinata blickte traurig in den Wald. „Weil er gerettet werden konnte, und du nicht. Dich hat man nicht rausgeholt. Er fühlt sich fast etwas verantwortlich dafür. Aber umso beeindruckter ist er, wie du dich am Ende selbst retten konntest. Wie du sie hereingelegt und ihnen diesen Vertrag aufgebunden hast. Er empfindet, denke ich so etwas wie stolz für dich, verstehst du? Und deswegen wird er mit allen Mitteln dafür sorgen, dass es gut ausgeht …“
 

„Ich versteh absolut nichts, was die da reden!“, flüsterte Naruto und drückte sein Ohr dicht gegen den Felsen, auf deren anderer Seite die heiße Quelle lag. „Was müssen die auch so tuscheln?“

„Naruto“, seufzte Sasuke und schüttelte den Kopf. „Der Fels ist ein paar Meter dick. Sie müssen nicht tuscheln, damit du sie nicht verstehst. Wenn man nicht dein Organ hat, dringt da nichts durch.“

„Was heißt hier mein Organ?“

„Argh …“ Sasuke ließ sich im Gras nieder und verschränkte die Arme vor der Brust. Er war leicht außer Atem, aber der kleine Kampf mit Naruto hatte ihn ein wenig die Anspannung nehmen können. Sie waren nicht im Haus, und man musste jeden Moment mit einem Angriff rechnen. Aber er wusste auch, dass er Sakura kaum einsperren konnte, und zudem hatte auch ihm der Aufenthalt hier gut getan.

„Seid ihr jetzt eigentlich richtig zusammen?“, fragte Naruto plötzlich und ließ endlich von der Fels wand ab. Er setzte sich seinem Kollegen gegenüber und sah ihn aushorchend an. „So richtig mein ich?“

Sasuke zog die Braue hoch. „Geht dich das was an?“

„Natürlich!“, entrüstete sich Naruto und plusterte die Backen auf, doch schnaufte er mit einmal und sah ernst drein. „Aber ich kenne die Antwort. Man sieht es dir an, und ihr auch.“

„Wir sind nicht zusammen, wie du denkst“, ließ Sasuke sich zu eine Antwort bewegen. „Und man sieht mir gar nichts an!“

„Andere vielleicht nicht. Aber du bist mein bester Freund, und ich merke so was“, grinste Naruto leicht. „Wirst du … auch gehen?“

„Gehen?“

„Wenn Sakura Japan verlässt … wirst du mit ihr gehen?“

Ungläubig starrte Sasuke den Uzumaki an. „Was redest du da, Naruto! Ich kann … ich kann nicht. Und sie würde es nicht wollen.“

„Sie würde es nicht sagen“, berichtigte Naruto, und Sasuke fragte sich schon, ob der Blonde ein Hörgerät in der Tasche hatte und Hinata ihm die Sätze vorsprach. „Aber ich glaube, sie will nichts lieber. Und du willst es doch auch. Keine Kämpfe mehr, überleg mal …“ Narutos Gesicht sah betrübt aus, anders als sonst.

„Das ist nichts für mich. Was soll ich mit einem ruhigen Leben. Ich gehöre hier her.“

„Niemand gehört in den Krieg, und genau das ist es, was wir hier führen.“

„Hör endlich auf Naruto, du machst einem ja Angst!“

„Findest du? Ich hab auch lange dafür geübt …“, sagte er und kratzte sich schelmisch ab Hinterkopf.

Sasuke stöhnte. Sollten Narutos Worte vorher fast ernsthaft in seinem Ohr geklungen haben, so war jetzt alles wieder von dessen Kinderei überspielt worden.

„Lass uns lieber die Sachen packen und zum Haus gehen.“ Sasuke erhob sich, doch Naruto hielt ihn noch einmal auf.

„Du gehörst am allerwenigsten in den Krieg, Sasuke“, sagte er plötzlich. „Zumindest jetzt nicht mehr. Und egal was du suchst, du wirst es hier niemals finden. Ich versteh vielleicht nicht soviel wie du, und ich bin auch nicht so klug wie Hinata und Sakura, aber ich verstehe etwas vom Kämpfen. Und hier wirst du deinen Kampf verlieren, weil du kaputter bist, als wir alle zusammen. Wir können dir nicht helfen, so gern ich es wollte. Aber vielleicht kann dich Sakura retten. Das glaube ich ganz fest.“

Verwirrende Worte

„Warum?“, fragte Sakura und schmiss sich auf die andere Seite. „Warum?“

„Warum was?“

„Warum es so warm ist! Draußen regnet’s in Strömen und hier drin ist tropisches Klima … ich krieg ne Macke!“

„Leg dich doch auf die andere Bettseite“, bemerkte Sasuke und grinste dabei.

„Nein“, murrte Sakura. „Das will ich nicht.“ Sie kuschelte sich noch enger an den Uchiha und schloss seufzend die Augen. „Das wär auch doof.“

„Doof?“ Sasuke lachte leise. „Du hast schon lange nicht mehr doof gesagt.“

„Was ist daran so bemerkenswert?“

Der Schwarzhaarige zuckte mit den Schultern und legte seinen Kopf auf Sakuras. Es war früher Morgen und viel zu warm zum Weiterschlafen.

„Soll ich dir ne schriftliche Einladung zu einer Antwort schicken?“, grummelte Sakura, kicherte dann aber.

„Ich mein nur“, begann Sasuke, beendete seinen Satz aber auch schon wieder. Eigentlich wollte er nicht darüber reden.

„Jaaa? Was meinst du? Das ‚doof’ ein auffallender Ausdruck aus meinem vornehmen Mund ist?“

„Bestimmt“, grinste Sasuke. „Eigentlich meinte ich, dass du dich in letzter Zeit wieder anders verhältst.“

„Hä?“, kam es aus Sakuras vornehmen Mund. „Wie anders?“

„Als davor.“

„Wird das ein Rätsel?“

„Ich meine damit, dass du dich in den letzten Tagen wieder offener verhältst. So, wie ich dich kennen gelernt habe.“

„Und davor war ich geschlossen?“

„Verschlossen, ja. Zumindest mehr als vorher.“

„Das ist doch ein Rätsel, oder?“

Sasuke brummte mürrisch, da Sakura sich ziemlich anstellte, seufzte dann aber resignierend. Solange es einfacher war als Naruto etwas zu erklären, konnte er damit leben.

„Als Ino sich mit uns getroffen hat, wurdest du verschlossener. Jetzt taust du wieder auf. Und das gleiche Verhaltensprinzip bist du vorher schon ein paar Mal durchgelaufen.“

„also ist das kein Rätsel, sondern eine Verhaltensstudie?“ Sakura grinste, als sie Sasukes Gesichtszüge entgleisen sah. „Ich versteh was du meinst“, sagte sie daher schnell und hörte auf zu lächeln. „Aber ist das nicht normal, wenn man gewisse Dinge erfährt? Die Vergangenheit zum Beispiel?“

„Schon. Aber so war es nicht.“

„Wie dann?“

„Es ist doch eigentlich egal“, lenkte Sasuke ab und gab Sakura einen innigen Kuss, doch drückte ihn das Mädchen konsequent weg.

„Das ist echt ein miserabler Versuch das Thema zu beenden“, meinte sie schlicht. „Sag mir lieber, was du meinst.“

„Es ist wirklich unwichtig.“

„Das können wir danach entscheiden. Wenn’s unwichtig ist, darfst du mich wieder küssen. Wenn dus nicht sagst, schlaf ich die nächsten Nächte auf dem Boden.“

„Glaubst du, ich lass mich erpressen?“

„Ich glaube, dass du glaubst, dass es alles andere als unwichtig ist. Und wenn du das glaubst, glaub ich das auch und werde in den nächsten Tagen nichts anderes machen als über deinen Glauben nachzudenken, und dann finde ich vermutlich heraus dass du ein Gottesgläubiger Mann bist und jede Nacht mit mir bereust und daraufhin werde ich so zerstört sein, dass ich einem Kloster beitrete, woraufhin du im Kloster nebenan als Mönch bist, und dann werden wir uns treffen und unter Gottes AUGEN werden wir …“

„Sakura!“ Sasuke atmete tief ein. „Willst du dich jetzt ohnmächtig reden?“

„Nein, dich ohnmächtig quatschen!“

„Das ist dir … fast gelungen.“

„Sagst du es mir jetzt?“

„Nein.“

„Du riskierst es also, dass ich die nächsten Tage auf dem Boden schlafe?“

„Ich hab dir gesagt, dass ich mich nicht erpressen lasse!“ Sasuke wirkte leicht verärgert, doch in dem Moment drehte sich Sakura schon um und zog ihm die Decke weg.

„Ich erpresse dich ja nicht, wenn ich dir sage, wie es ist!“

„Dann drohst du mir?“

„Nein, auch das nicht. Aber nenn es doch wie du willst.“

„Wirst du jetzt zickig?“

„Zickig? Wenn du mich noch einmal zickig nennst, Mister Ich-lass-mich-nicht-erpressen-Uchiha, dann wirst du dir die Geschichte über die Entweihung eines Klosters in zehnfacher Ausführung anhören können, und zwar den ganzen Tag lang! Oder nein, noch besser. Ich werde gar nicht mit dir reden! Ich werde dich nicht mal angucken! Ich werde dich ignorieren und stattdessen die ganze Zeit diesen netten jungen Mann belagern, der diesen supertollen schwarzen Anzug trägt!“

„Ist das ein Versuch, mich eifersüchtig zu machen?“

„Nein, diesmal war's Erpressung! Und da du dich ja nicht erpressen lässt, und wahrscheinlich auch nicht eifersüchtig wirst, kann es dir absolut egal sein, wie ich meinen Tag verbringe! Ach, die ganze Woche gleich!“

„Du willst den armen Agenten eine Woche lang belagern?“

„Den armen Agenten? Du glaubst mir nicht, oder?“

„Ich glaube nicht, dass du das durchhältst … und er ist ein guter Mann, er täte mir leid, wenn …“

„Argh!“ Wütend stand Sakura auf, schmiss Sasuke die Decke ins Gesicht und stakste zur Tür. „Gut, wenn du mir nicht glaubst, dann beweis ich es dir!“

„So willst du raus?“ Sasuke grinste breit, da Sakura wieder mal nur in Unterwäsche rum lief.

„Oh ja, genau so! Und falls du nur einen Funken Anstand besitzt, dann hältst du mich jetzt auf!“

„Du kennst meine Antwort, Sakura …“

„Okay, gut, wie du willst!“ Sakura öffnete die Tür und stampfend verließ sie das Zimmer, um keine Minute später mit hochrotem Kopf wieder rein zukommen. „Du bist das Gemeinste, was mir je begegnet ist!“

„Wieso?“ Sasuke konnte sich kaum das Lachen verkneifen. „Bist du dem Mann begegnet?“

„Nein …“ Die Rosahaarige schmiss sich aufs Bett und versteckte sich unter der Decke. „Aber Kakashi. Ich kann nie wieder nach draußen!“

„Das hast du dir selbst eingehandelt, Sakura. Du musstest dich ja wie ein Kind aufführen.“

„Sasuuuke …“ Sakura steckte ihren Kopf aus der Bettdecke und kroch auf den Uchiha zu. „Bitte, bitte sag's mir doch einfach.“

„Das nützt auch nichts bei mir. Und wenn du zu heulen anfängst und … Gott, heulst du jetzt echt?“

Sakura waren Tränen in die Augen getreten und mit aufgelöstem Blick sah sie Sasuke an.

„Dass du mir gar nichts sagen willst“, wimmerte sie und biss sich auf die bebenden Lippen. „Ich dachte, du würdest mich … aber dabei lässt du mich sogar halbnackt nach draußen rennen und es wäre dir auch egal wenn …“ Sie brach ihren Satz ab und drehte sich von Sasuke weg.

„Aber …“ Der Uchiha verstand nun gar nichts mehr. Seit wann war Sakura denn SO nah am Wasser gebaut? „Deswegen musst du doch nicht weinen, und außerdem hat das auch damit nichts zu tun. Ich mag dich wirklich sehr und …“ Sasuke stockte abrupt, als er etwas unangenehmes, aber sehr wohl Bekanntes roch. Er schloss die Augen, als er das Brennen spürte, und gleichzeitig griff er nach Sakura, die sein Verhalten wohl mitbekommen hatte. Kreischend, aber mehr aus Lachen, versuchte sie sich von ihm loszureißen, als er sie festnagelte und ungläubig ansah.

„Das ist nicht dein Ernst!“ Er musste sich über die Augen wischen, als auch ihm die Tränen kamen. Er ließ Sakura, die sich vor lachen schon kugelte, trotzdem nicht los, angelte aber nach dem gesuchten Missetäter und hielt ihn Sakura unter die Nase. „Das ist so was von …“

„Was macht ihr denn?“ Plötzlich stand nichts ahnend Naruto in der Tür, der sich bei Sakuras lautem Lachen nicht hatte verkneifen können, hineinzusehen. „Sasuke? Weinst du? Was … was ist los und AUA!“ Naruto hatte geradewegs die Zwiebel an den Kopf bekommen, woraufhin er schnellstens das Weite suchte.

„Das war absolut niederträchtig Sakura!“ Sasuke konnte es kaum fassen, doch da Sakura noch immer kicherte und sich nicht beruhigen konnte, musste auch er schließlich grinsen. „Du weißt schon, dass das eine wirklich blöde Aktion war, oder?“

Sakura nickte und wischte sich über die Augen. „Aber ich fands lustig. Und wenn du die Zwiebel nicht gerochen hättest, wärst du drauf reingefallen.“

„Und du glaubst, das ändert jetzt meine Meinung?“

„Nee.“ Sakura seufzte und entwand sich Sasukes Griff. Sie setzte sich auf und atmete so wenig wie möglich.

„Dann gibst du also auf?“

„Auch nicht“, grinste die Rosahaarige.

„Willst du mich am Ende knebeln, damit ich es dir sage? Lass es gut sein, es ist wirklich nichts Wichtiges.“

„Ich frage dich einfach“, gab Sakura zurück.

„Wie du fragst einfach?“

„Ja. Ich sage: Sag mir bitte was los ist, Sasuke. Ich erpresse dich nicht, ich flehe oder bettle nicht, ich frage einfach, ob du es mir erzählen willst. Ob du es tust oder nicht ist ganz allein deine Sache. Ich bin danach weder sauer noch zickig, noch werde ich noch einmal fragen. Ich frage also nur jetzt. Bitte sag es mir.“

Sasuke starrte Sakura ungläubig an. „Das ist … ein ganz gemeiner Trick, Sakura, weist du das?“

„Nein“, gab das Mädchen zurück. „Es ist einfach nur ehrlich.“

Sasuke zuckte unbewusst zusammen, doch schnell fand er seine Fassung wieder und legte sich zurück in die Kissen.

Er kannte keinen anderen Menschen, der mehr Kind und mehr Erwachsene war als Sakura. Naruto konnte ihr bei ersterem sicher das Wasser reichen, aber was ihre Ernsthaftigkeit anging, wenn es darauf ankam … Er kannte auch nur wenige Erwachsene, die Ältesten der Ältesten vielleicht, die derart mit den richtigen Worten überzeugen konnten. Die die richtigen Worte überhaupt wussten. Doch Sakura tat es. Und damit hatte sie Recht.

„Ich mache mir nur Gedanken“, sagte er widerwillig.

„Weil ich mich mal so und mal so verhalte?“

„Genau. Es ist, als wären … als wären zwei Sakuras in dir, verstehst du?“

Sakura blieb stumm, obwohl sie wusste, wie er es meinte.

„Die Sakura der Vergangenheit und die der Gegenwart.“

„Ich …“ Das Mädchen schluckte. „Ich will ja nicht, dass sie … ich will nicht mehr so wie damals …“

„Das weiß ich. Und ich denke, dass es falsch ist.“

„Falsch?“ Sakura sah Sasuke verwirrt an. „Aber …“

„Du verstehst mich nicht richtig. Es ist schwer zu erklären, aber … ich weiß, was es heißt, Dinge zu verdrängen. Und genau das machst du auch. Du verdrängst deine Vergangenheit, jetzt wo du sie kennst. Du willst mit aller Kraft verhindern, wieder so zu werden, wie du früher gewesen bist.“

„Ich kann … so darf ich doch auch nicht …“, Sakura fehlten die Worte. „Ich war ein … ein Monster, wie kannst du da sagen, ich darf das nicht …“

„Du warst kein Monster, Sakura! Sag so was nicht noch mal, verstanden!“ Sasuke richtete sich auf und sah Sakura erbost an. „Du hast schreckliche Dinge gemacht, dass ist wahr und das kannst du nicht ändern! Aber indem du sie verdrängst, werden sie nicht aufgehoben! Du verstellst dich nur, und wenn du das dein ganzes Leben lang machst, dann wirst du irgendwann daran zu Grunde gehen. Du wirst weiterhin durch die Gegend ziehen, aber eigentlich bist du tot. Du musst dich stellen, sonst wirst du … es hört sonst nicht auf, verstehst du?“

„Das geht nicht!“ Sakura schüttelte heftig den Kopf. „Du kannst nicht verlangen, dass ich wieder wie früher sein soll! Du kannst nicht verlangen, dass ich so denken soll …“

„Ich verlange gar nichts von dir.“ Sasuke seufzte. „Dass musst du von dir selbst verlangen. Du musst deine Vergangenheit und deine Gegenwart zusammenbringen, sonst wirst du keine Zukunft haben. Und die Sakura von früher kann gar nicht so schlecht gewesen sein, oder glaubst du, Ino wäre sonst so für dich eingesprungen? Sie mochte auch die alte Sakura. Du kannst das Böse in dir bekämpfen, aber nicht dein Ich. Und ich glaube nicht, dass dieses Ich jemals wirklich böse war.“

„Das …“ Sakura schluckte schwer. „Das war kompliziert …“

„Ich weiß“, gab Sasuke zurück. „Ich bin kein Meister der Worte.“

„Stimmt“, lächelte Sakura, auch wenn es traurig wirkte. „Aber trotzdem werde ich mir diese verwirrenden Worte durch den Kopf gehen lassen …“

Sakura vs. Karin

Es Dämmerte, als Sakura mit einem heißen Tee auf der Veranda stand und den Sonnenuntergang zu beobachten versuchte, was aufgrund des dichten Waldes kaum möglich war. Doch hatte es ein ganz eigentümliches Bild, als die letzten Strahlen des Tages durch die Äste schienen und die Veranda in ein gedämpftes Licht tauchten.

„Warum trinkst du eigentlich was heißes, wenns so warm ist?“, fragte Naruto, der neben ihr hockte und seine Pistole reinigte. „Wird einem dadurch nicht noch wärmer?“

„Nein“, grummelte Sakura. „Was gut gegen Kälte ist, ist auch gut gegen Wärme.“

„Dann zieh dir doch ne Jacke an“, schlug der Blonde vor, woraufhin Sakura ihm eine leichte Kopfnuss verpasste.

„Was machst du da eigentlich? Wieso putzt du das Ding nicht drinnen, wo es hell ist?“

„Ich will dabei meine Ruhe. Und da du alleine nicht nach draußen sollst, tue ich so als würde ich auf dich aufpassen. Drinnen ist mir zuviel los.“

Sakura ließ sich neben Naruto auf den Boden fallen und sah ihm aufmerksam zu. „Ist die von deinem Vater?“, fragte sie.

Naruto sah überrascht auf, nickte aber.

„Hinata hat mir von ihm erzählt. Dass er auch bei der Anbu war.“

„Ein hohes Tier“, sagte Naruto stolz und strich über den Lauf. „Und das ist alles, was ich von ihm habe.“

„Das ist alles? Wie meinst du das?“

„Es gibt kein Grab oder so was. Man hat ihn damals nirgends finden können.“

„Ist dein Vater schon lange tot?“

Naruto nickte. „Eine Weile ja. Er hatte einen Auftrag in Kanada.“

„Tut mir leid.“

„Ach was“, grinste Naruto unverwüstlich. „Soldaten sterben, und er war mit Leib und Seele Soldat.“

Einen Moment schwiegen die beiden und Naruto reinigte weiter seine Pistole. „Er mochte sie“, begann er irgendwann. „Aber er hat sie selten benutzt. Sie ist aus Deutschland. Eine Walther P1.“

„Ein schönes Modell“, nickte Sakura. „Und sie sieht sehr gepflegt aus.“

Naruto grinste. „Ich hüte sie ja auch wie meinen Augapfel.“

„Aber du schießt nicht damit, stimmt’s?“

„Nein, da hast du recht.“ Naruto legte die einzelnen Teile vor sich hin und sah sie eine Weile an. „Ich … Er wollte sie mir damals geben, aber er meinte, ich müsse sie mir erst verdienen. Ich weiß nur nicht, wie das gehen soll … jetzt, wo er nicht mehr da ist. Deswegen benutz ich sie nicht, weißt du?“

„Ja, ich weiß was du meinst. Darf ich?“ Sakura deutete zu den Teilen, die Naruto eben zusammenbauen wollte.

Der Uzumaki nickte verwirrt. „Klar, aber …“ Mit großen Augen sah er zu, wie Sakura die Waffe innerhalb weniger Handgriffe zusammenbaute, die Munition rein schob, entsicherte und in den Wald zielte.

„Ich hatte einmal den Vorgänger in der Hand“, sagte Sakura plötzlich ohne den Arm runterzunehmen. Noch immer visierte sie die kommende Dunkelheit an. „Die P38. Das Griffstück war noch aus Stahl und nicht aus Leichtmetall. Die hier wiegt 160 g weniger. Die Deutschen haben gute Waffen gebaut …“

„Ähm“ Naruto blinzelte und schluckte schwer. „Okay, aber … auf was zielst du?“

„Einen Hasen“, grinste Sakura plötzlich. „Die Effektive Reichweite der P1 geht bis 50 Meter. Danach sollte man auch etwas Glück besitzen …“ Ihr Grinsen wurde breiter. „Der Hase bewegt sich nicht. Hast du einen Schalldämpfer?“

„Du willst doch nicht etwa … Sakura, ich weiß nicht ob …“

„Magst du keinen Hasenbraten?“

Naruto schluckte wieder und obwohl er es nicht wollte, reichte er ihr den Schalldämpfer. „Lass das lieber, das gibt nur Ärger und der arme Hase …“

„Das arme Schwein im Kühlschrank“, gab Sakura zurück. „Das hat gelitten, noch bevor es starb und damit endlich von seinen Peinigern erlöst wurde, vollgedröht mit Antibiotika und anderen Mitteln, damit es fett und rund wird. Aber der Hase da, der wird nicht leiden. Der fällt um und das war's.“

„Und wenn du da neben triffst oder ihn nur verletzt und er wegrennt? Wir können ihm nicht nach, Sakura und …“

Doch Sakura hatte längst abgedrückt und war aufgestanden.

Traurig sah sie zu Naruto, der sie seinerseits fassungslos ansah.

„Ich habe noch nie daneben geschossen, Naruto …“

Dann ging sie von der Veranda und hinüber in den Wald, derweil ihr der Uzumaki mit gemischten Gefühlen hinter hersah.

Rund 60 Meter hatte Sakura zu laufen, und da es schon dunkel wurde, lauschte sie unentwegt nach Geräuschen. Es war nicht nur der Hase gewesen, der ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Vielmehr ein Schatten, und sie hatte gewusst, dass sie es alleine überprüfen musste.

Als hätte sie dieser Schatten gerufen.

Sakura beugte sich zu dem toten Tier, doch sah sie vielmehr in den moosbewachsenen Boden und suchte nach Spuren. Sie war sich sicher etwas gesehen zu haben, und doch wiederum nicht. Ihre Finger fühlten über die Erde, doch tastete sie nur den Sand unter den Pflanzen.

Sakura seufzte, schüttelte den Kopf und hob den Hasen auf, den sie im nächsten Moment wieder fallen ließ. Entsetzt starrte sie auf das, was unter ihm gelegen hatte, und wie gelähmt blickte sie auf die verdeckte Waffe, die mit dem Blut des Hasen besudelt war, als hätte sie jemand in seine offene Wunde getaucht.

Sakura schüttelte sich unbewusst, hob die Pistole und den Hasen auf und ging zurück, ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen.

Auf halben Weg kam ihr Naruto entgegen, der sie erst verdutzt, dann erschrocken ansah.

„Wo hast du die her?“

„Gefunden“, war Sakuras simple Antwort und weiterlaufend ging sie auf die Veranda.

„Was habt ihr gemacht?“, fragte Kakashi, der mit Sasuke, Hinata und Karin im Schlepptau nach draußen kam.

„Ähm …“ Naruto war sich unsicher was er sagen sollte. „Gejagt?“

„Ihr habt gejagt?“ Kakashi, sowie die anderen sahen verwirrt auf den toten Hasen in Sakuras Hand.

„Klar“, lächelte die Rosahaarige plötzlich und warf dem Hatake das Tier hin.

„Wow“, kommentierte er unerwartet. „Endlich mal was Vernünftiges, aber …“

„Wessen Waffe ist das?“ Sasukes kalte Stimme durchschnitt die Luft wie eine Klinge. „Wo hast du die her?“

Sakura hob die Pistole an und ihr Lächeln erstarb. „Die lag unter dem Hasen. Er war hier. Sie wissen, wo wir sind. Es ist eine Warnung.“

„Warnung?“ Karin trat vor und nahm Sakura die Waffe aus der Hand. „Von den Akatsuki? Sie waren … aber wie? Wir haben nicht gesehen!“

Sakura zuckte nur mit den Schultern ohne etwas zu sagen, stattdessen sah sie wieder auf den Hasen, als wäre seine Bedeutung größer. „Er hat viel Fleisch.“

„Das stimmt“, sagte Kakashi, dessen Begeisterung ungetrübt war. „Aber was ist nun mit dieser Waffe, Sakura? Wieso lag sie unter dem Hasen und warum glaubst du, dass es eine Warnung von ihnen ist?“

Sasuke sah Sakura, die noch immer auf das Tier starrte, unbehaglich an. Was hatte das zu bedeuten?

„Das ist doch Blödsinn!“, rief Karin, der die Angst überkam. „Die Akatsuki können nicht hier gewesen sein.“

„Nicht sie“, sagte Sakura monoton. „Er.“

„Er?“

„Pain …“

Entsetzte Augen starrten das rosahaarige Mädchen an, dass von Hinata ein Taschentuch gereicht bekam und sich daran die blutigen Hände abwischte.

„Und warum bist du dir da so sicher?“, fragte sie ruhig, da Sakura in einem seltsamen Zustand zu sein schien.

Sakura steckte das Tuch weg und ging zur Tür. „Weil es meine Waffe ist. Ich habe sie früher benutzt …“
 

„Wir haben alles kontrolliert“, sagte Kakashi und kam mit Sasuke ins Wohnzimmer. Sie waren durch den Wald gestreift und nach den Feinden Ausschau gehalten. „Es gibt keine weiteren Spuren. Allerdings haben wir eine ausgeschaltete Kamera gefunden. Dort muss er reinsein. Jetzt dürfte nirgends mehr ein Fehler sein.“

„Dieser Fehler hätte nicht passieren dürfen!“, zischte Karin, der es jedoch mehr um ihr eigenes Wohl ging als das der anderen. „Und jetzt ist es sicher, oder was?“

„Jetzt ist es sicher“, bestätigte Kakashi und ließ sich erschöpft auf dem Sofa fallen. Dass das nicht hätte passieren dürfen, wusste er selbst am Besten, doch machten Schuldzuweisungen und Vorwürfe nichts rückgängig oder halfen ihnen in irgendeiner Weiser.

„Chikamatsu ist bei den Monitoren und den Meldern?“, fragte er nach dem Agenten im schwarzen Anzug.

Hinata nickte. Sie kam gerade aus der Küche und stellte ein Tablett mit Tee ab. „Ja, zusammen mit Naruto. Sie kontrollieren zurzeit beide und haben auch die Funkgeräte und Abhörsender an. Wir bemerken also auch, wenn in der Nähe Handys oder GPS-Empfänger benutzt werde.“

„Das ist gut, ja. Und was macht der Hase?“

Hinata lächelte, obwohl ihr das Verhalten des Hatake manches mal etwas bizarr wirkte. „Der ist im Ofen, Kommandant.“

„Sehr schön.“ Kakashi rieb sich hungrig den Bauch. „Aber wollen wir erst einmal über die Pistole reden. Sakura, du sagst, es wäre deine ähm … gewesen?“

Die Rosahaarige, die auf dem Sessel saß und vor sich her starrte, nickte. „Ja. Ich bekam sie zu meinem 11. Geburtstag.“

„Ah, gut eine Desert Eagle ist ein wirklich schönes Geschenk, aber … sie ist recht schwer für die Hände einer elfjährigen. Bist du dir wirklich sicher?“

Sakura griff nach der Waffe auf dem Tisch und fuhr über den Griff. Eine kleine Einkerbung war undeutlich zu sehen, doch zeigte sie sie Kakashi.

„Man hat sie mir einmal aus der Hand geschossen. Ich bin mir ganz sicher.“

Kakashi nickte, nahm die Pistole entgegen und seufzte. Er löste das volle Magazin und runzelte die Stirn. „Das ist nicht die übliche Munition? Was sind das für Patronen?“

„Das sind Kaliber .50 Action Express.“

„Aber eine Desert Eagle ist doch mehr für sportliche Zwecke geeignet“, bemerkte Karin. „Oder fürs Jagen“, fügte sie schnaubend hinzu.

„Ihres Gewichtes und ihrer Größe wegen“, erwiderte Kakashi. „Zudem sind Waffe und Munition sehr teuer.“

„Und was ist Kaliber .50 Action Express?“, wollte Hinata wissen, derweil sie den Tee verteilte. „Was bedeutet das?“

„Sieben Schuss pro Magazin.“ Kakashi kratzte sich am Kopf. „Das ist arg wenig. Eine P226 hat 15 Schuss.“

„Also ein unnützes Ding?“, grinste Karin.

„So würde ich das nicht …“, setzte Kakashi an.

„Sie hat eine Effektive Reichweite von 150 m“, unterbrach ihn Sakura. „Die meisten Waffen kommen auf 50 m, mehr nicht. Der Lauf verfügt über einen 3/8-Zoll- Schwalbenschwanz zur Aufnahme von optischen Zielgeräten. Sie mag als Dienstwaffe der Polizei oder beim Militär unhandlich sein, aber ihre Leistungsfähigkeit darf nicht unterschätzt werden.“

„Leistungsfähigkeit? Sieben Schuss, das ist ein Witz!“ Karin schob ihre Brille zurecht und grinste abfällig.

„Ich habe nie mehr als ein Schuss pro Auftrag gebraucht“, gab Sakura zurück, klang sie dabei jedoch ruhig und fast etwas monoton, so dass die Rothaarige wütend die Augen zusammenkniff. „Und ich rede von ihrer Leistung hinsichtlich der Ballistik. Bei einem 152–mm-Lauf liegt die Mündungsgeschwindigkeit der Geschosse vom Kaliber .50 Action Express bei 425 Meter die Sekunde, und das bei einer Mündungsenergie von knappen 1917 Joule. Lädt man die Patronen wieder, lassen sich diese Werte durch eine stärkere Treibladung noch übertreffen.“ Sakura runzelte die Stirn, als sie Karin direkt ansah. „Damit ist die .50 Action Express die stärkste Patrone für Selbstladepatronen, die es auf dem Markt gibt. Lediglich ein paar Revolverpatronen wie die .454 Casull oder die .500 S&W übertreffen die .50 AE. Vielleicht erkennst du ihren Nutzen, wenn jemand mit einer Desert Eagle und einer .50 AE auf dein Gesicht schieß. Danach ist nichts mehr davon übrig.“

Sakura konnte nicht verhindern zu grinsen, als Karin die Farbe entwich. Böse funkelte diese zurück, fast wutentbrannt, und da Kakashi jeden Moment einen Tornado erwartete, sprang er schnell auf, seufzte und ließ sich wieder fallen.

„Ähm …“ Er lachte verlegen. „Ich dachte, ich bekäme einen Krampf. Gut, wollen wir Sakura ihre Desert Eagle wiedergeben und uns mit dem nächsten …“

“Du willst ihr eine Waffe in die Hand geben? Bist du verrückt?“ Karin stand auf und sah Kakashi zornig an. „Das kann nicht dein ernst sein!“

„Das ist es aber, Karin. Sakura hat uns gerade eindrucksvoll erzählt, was aus dieser Pistole herauszuholen ist. Aber ich denke, man muss sie gewöhnt sein, oder zumindest ein Gefühl für sie haben, damit man mir ihr umgehen kann. Ich denke, dass Sakura das von uns am Besten kann. Zudem ist es ihre.“

„Das ist doch ein Scherz! Sie kann dir damit genauso dein Gesicht wegpusten!“

„Das kann sie mit jeder anderen Waffe auch. Sie kann dir deine wegnehmen, oder Sasukes. Allerdings vertraue ich Sakura vollauf. Wir kennen alle ihre Vergangenheit, und niemand heißt sie gut, aber unser aller Vergangenheit gehört nicht zu den vorzeigbarsten, oder Karin?“ Er sah sie eindringlich an. Und eindeutig.

„Trotzdem finde ich es unverantwortlich …“

„Wenn uns die Akatsuki angreifen, Karin, dann sitzen wir in der Falle. Mich persönlich beruhigt es zu wissen, dass Sakura sich einerseits selbst wehren und andererseits uns bei der Verteidigung helfen kann.“

„Und wenn sie sich auf die andere Seite schlägt? Wenn ihr einfällt, dass es bei den Akatsuki …“

„Karin!“ Zum ersten Mal seit dieser Diskussion erhob Sasuke die Stimme, und bedrohlich sah er die Rothaarige an. „Überleg dir jetzt genau was du sagst.“

Eine tödliche Stille herrschte. Alle Anwesenden sahen zwischen Karin und Sasuke hin und her, die sich beide mit gefährlichen Blicken anstarrten. Es wirkte fast so, als würden sie jeden Moment aufeinander losgehen wollen.

Ding …

„Oh!“ Hinata blinzelte, als aus der Küche das Klingelnde Geräusch des Ofens drang.

„Ah, der Hase ist fertig mit der ersten Bratrunde!“ Kakashi stand auf. „Machen wir erst mal eine Pause. Ich kümmere mich um das Essen und ihr … geht irgendwo anders hin, wir können auch morgen weiter reden.“

Aus Freundschaft

„Du denkst zuviel“, murmelte Sakura, als die Zeiger der Uhr längst die 12 passiert hatten und sie schlaflos neben dem ebenfalls schlaflosen Uchiha lag. „Ich hörs ganz laut. Denk, denk, denk …“

„Es war ein denkreicher Abend“, gab Sasuke schmunzelnd zurück und legte dabei den Arm um ihre Schultern. Vor den anderen zeigten sie beide keine Zärtlichkeiten, dafür umso mehr wenn sie alleine waren. „Allerdings war es zu erwarten, dass etwas passiert. Nur so schnell …“

„Es ist fast eine Woche rum, so schnell war das gar nicht“, grummelte Sakura, gähnte herzhaft und schmiegte sich noch näher an Sasukes Brust. Obwohl sie sich am laufenden Band über die Wärme beschwerte, hatte sie nicht vor auf ihrer Seite des Bettes zu bleiben.

„Weißt du, was er dir damit sagen will? Warum legt er ausgerechnet deine Waffe in den Wald?“

„Ich weiß es nicht.“

„Nicht mal im Ansatz?“

„Nicht mal im Ansatz.“

„Hast du eine Vermutung?“, formulierte es Sasuke anders, da er Sakura kannte.

„Weiß nicht.“

Soviel dazu …

„Sakura, würdest du mir bitte sagen, wenn du etwas glaubst zu ahnen?“ Murrend sah er das Mädchen an, dass längst die Augen geschlossen hatte und wie ein kleines Kind an ihm klammerte. „Oder muss ich es mit Erpressung versuchen?“, grinste er, schob seine Hand unter die Decke und über Sakuras kitzlige Taille.

Kichernd griff sie nach seiner Hand. „Das ist keine Erpressung, so funktioniert das nicht.“

„Sag es mir trotzdem.“

„Ich wollte es dir ja auch gar nicht verschweigen. Aber ich musste überlegen … es ist wie gesagt nur eine Ahnung, eigentlich mehr ein Gefühl …“

„Dann erklärs mir.“

Er merkte, wie Sakura zögerte und wieder ernster wurde als sie sprach. „Ich glaube mich an mehr zu erinnern, seit ich die Pistole gefunden habe.“

„An mehr aus deiner Vergangenheit?“

„Nein, aus der Küche. Ich weiß jetzt wo das Currypulver steht …“

Sakura kicherte wieder, als Sasuke sie für diese freche Antwort erneut abkitzelte.

„Schon gut“, lachte sie. „Aber es war auch eine komische Frage von dir …“

„Ich war nur überrascht. Man sieht dir nicht an, wenn du dich erinnerst. Und von alleine sagst du ja auch nie etwas.“

„Entschuldige“, meinte Sakura und wurde wieder ruhig. „Aber ich fand, es würde unangepasst klingen wenn ich erzähle, dass ich mich an meine Aufträge erinnere. Zumindest alle, die mit dieser Waffe zu tun hatten …“

„Dann erinnerst du dich der Desert Eagle wegen?“

„Ich denke ja.“

„Und was ahnst du?“

„Dass er das auch denkt, oder weiß. Er weiß, wieso auch immer, dass ich keine vollständige Erinnerung habe, mich jedoch teilweise wieder entsinne. Vielleicht weiß er jetzt auch, dass ich durch die Pistole noch mehr Erinnerungen zurück habe. Zumindest glaube ich, dass er mir so etwas sagen will.“

„Und was kann das sein?“

„Das weiß ich nicht. Keine Ahnung. Aber ich hab das Gefühl, dass ich mich auch daran noch erinnern werde.“

„Vielleicht brauchst du dafür auch einen Anstoß?“

„Hmm“, brummte Sakura nun. „Ich könnte ja Karin erschießen.“

„Das ist …“

„Ja, schon gut. Das war auch nicht ernst gemeint, aber sie … nervt ziemlich, weißt du?“

„Ich wollte auch eigentlich sagen, dass es keine schlechte Idee ist …“

Sakura kicherte. „Sag das nicht so laut. So was sagt man eigentlich gar nicht.“

„Ich weiß.“

„Erzähl mir bitte von ihr.“

„Hm?“

„Von Karin. Wie habt ihr euch kennen gelernt?“

„Interessiert dich das wirklich?“

Sakura nickte nur.

„Und wieso?“

„Weil ich eifersüchtig bin“, kam es schlicht.

Sasuke blinzelte und sah Sakura amüsiert an. „Deine Ehrlichkeit ist verblüffend. Ich kenne kaum eine Frau, die einfach zugeben würde, eifersüchtig zu sein.“

„Der Satz macht mich noch eifersüchtiger.“

Sasuke schmunzelte und schüttelte den Kopf. „Es gibt nicht viel zu erzählen. Und wenn es etwas gäbe so wie du denkst, würde ich mich vermutlich hüten es dir zu sagen.“

„Jetzt bebe ich vor Eifersucht“, sagte Sakura mit einer Ruhe, die Sasuke wieder grinsen ließ.

„Wir haben zusammen gearbeitet, erst nur zu zweit und dann noch mit zwei anderen. Es war ein ziemlich chaotischer Haufen. Und obwohl sie alle Anbumitglieder waren, hatte ich nicht das Gefühl, dass sie irgendeiner Moral folgen.“

„Ist die Moral von Menschen, die Waffen auf andere richten, nicht immer fragwürdig?“

Sasuke nickte langsam. „Da hast du vermutlich Recht.“

„Sasuke?“

„Hm?“ Der Uchiha sah in Sakuras Gesicht, dass plötzlich bedrückt würde.

„Ich war nicht ehrlich. Ich habe dir etwas verschwiegen …“

„Dann raus damit. Gibt es im Wald noch einen toten Hasen?“

Sakura lächelte betrübt. „Es ist etwas ernster. Und würde ich nicht versuchen irgendeiner Pseudomoral zu folgen, würde ich es dir trotz allem nicht sagen …“

„Jetzt bin ich aber neugierig. Was ist denn eine Pseudomoral?“

„Mein Versuch aus meinem verkorkstem Leben etwas zu machen?“ Sakura atmete tief durch. „Ich hab vor einer Weile mit Hinata geredet. Über … dich.“

„Jetzt wird es interessant.“

„Sie hat mir von deiner Familie erzählt. Und davon, dass du einen Bruder hattest und ihr bei … bei den Akatsuki ward.“

Vorsichtig sah Sakura in Sasukes Gesicht, fürchtete sich davor Wunden aufzureißen und ihn damit an Dinge zu erinnern, die er hoffte vergessen zu können.

Doch Sasuke nickte, schien nicht einmal angespannt, und wartete dass sie weiter sprach.

„Sie sagte, dein Bruder hieß Itachi …“

Wieder nickte Sasuke, doch veränderten sich seine Züge kaum merklich. Sakura konnte die Qualen erkennen, auch wenn er sie zu verstecken wusste.

„Erinnerst du dich noch … noch daran, wo ihr gewesen seid? An die Zellen und …“

Sie spürte, wie Sasuke zusammen fuhr und sie irritiert ansah.

„Was willst du mir sagen, Sakura?“, fragte er und klang schärfer als beabsichtigt.

„Hinata meinte du warst vier oder fünf, aber … du musst älter gewesen sein, nicht wahr?“ Sakura kaute auf der Lippe und sah starr gegen Sasukes Oberkörper.

„Ich war sieben“, sagte er trocken, leise, als wäre es nicht seine Stimme.

Sakura nickte. „Itachi war fast 14. Und ich bin sechs geworden …“

„Hast du … du warst da?“ Fassungslos blickte Sasuke auf Sakura, die ihre Hände zu sich gezogen hatte und bereits Tränen in den Augen hatte.

„Ich musste damals … ich hab es gesehen und … ich war bei ihm … danach …“

Sasuke versteifte sich, fühlte die aufkommende Lähmung seines Körpers und seiner Gedanken. Wie ein Nebel, der sich über ihn legte und ihm die Sicht nahm.

„Du hast gesehen, wie sie ihn gefoltert haben?“, hauchte er, kaum mehr fähig zu sprechen. Seine Gedanken und Nerven begannen verrückt zu spielen, trieben den alten Hass in ihn hoch und ließen ihn den vergangenen Wahnsinn jener Tage spüren. Er sah die Agenten der Akatsuki, er sah den hellen, sterilen Raum im Keller, hörte seinen Bruder unter Schmerzen schreien.

Und daneben stand ein sechsjähriges Mädchen, dass gezwungen wurde zuzusehen …

„Es tut mir leid“, hörte er Sakura flüstern und bemerkte, wie sie zitterte und nach seiner Hand suchte. Er glaubte erst, er müsse aufstehen, weggehen und wieder klar werden, doch als sie ihn griff, seine Hand an sich zog und er ihre feuchten Tränen auf seiner Haut spüren konnte, erwachte er aus seiner Starre.

Der Nebel zog sich zurück, der Hass versank in die Tiefen seiner Seele und Sakuras Tränen spülten den Wahnsinn fort, dem er erneut zu erliegen gedroht hatte.

„Schon gut“, murmelte er heiser, drückte sie an sich und legte seinen Kopf auf ihren. „Ist schon gut.“

Sakura holte tief Luft und versuchte sich wieder zu beruhigen. „Er hat von dir … gesprochen“, sagte sie und schlurzte leise auf. „Er hat gesagt, es würde Hilfe kommen. Sie würden euch holen und ich … ich könne mitkommen …“ Wieder begangen ihre Lippen zu beben.

Sasuke musste die Augen schließen. „Das … das …“ Ihm fehlten die Worte. Er wusste einfach nicht, was er sagen konnte. Er war entsetzt. Einfach nur noch entsetzt. Doch als er wieder auf sah, lächelte Sakura unerwartet.

„Als ihr befreit wurdet, war ich schon längst nicht mehr dort …“, sagte sie leise und wischte sich über die Augen. „Aber ich weiß, dass ich damals gelacht habe, als ich davon erfuhr. Ich glaub, es hat sich wie ein Geburtstag angefühlt.“

„Gott …“, keuchte Sasuke und rollte sich auf den Rücken. „Gott, dass …“

„Ich hab dich damals beneidet, weißt du?“, unterbrach ihn Sakura in der Hoffnung, ihm sein Entsetzen nehmen zu können. „Ich hab dich zwar nie gesehen, aber ich wollte von da an immer einen Bruder haben. So wie Itachi einer war. Er lag … eine Weile auf der Krankenstation und ich hab ihn besucht, wenn ich mich wegschleichen konnte.“

Sasuke glaubte kurz davor zu sein, Sakura zu bitten aufzuhören und nicht weiter zureden. Es war kaum mehr zu ertragen. Sie sprach von dieser Zeit, als wäre es ihre glücklichste Zeit überhaupt gewesen.

„Als Hinata mir seinen Namen nannte, da fiel mir plötzlich alles wieder ein. Nicht nur die Zeit damals, auch viele Dinge, die später passierten. Alles, was in irgendeiner Weise mit deinem Bruder zu tun hatte. Und ich glaub, er … hat mich damals mehr geprägt, als irgendeiner bei den Akatsuki …“

Sasuke richtete sich auf und rutscht gegen die Wand. Er versuchte seinen Puls zu beruhigen und sah Sakura verwirrt an. „Geprägt?“

Sakura setzte sich ihm gegenüber und nickte langsam. Traurig blickte sie zurück, aber dennoch lächelte sie weiter. „Er war so … so stark, weist du? Er hat damals nicht einen Ton gesagt, als sie …“ Sakura schluckte und schüttelte sich unbewusst. „Er hat nicht einmal geschrieen.“

„Ich habe ihn schreien gehört“, sagte Sasuke starr. „Ich habe ihn die ganze Zeit …“

„Nein, er nicht. Ich habe geschrieen. Ich hab sogar danach noch geschrieen. Ich wollte sie aufhalten … ich wollte dass sie aufhören, ich hab sie … sie haben mich bewusstlos schlagen müssen, sonst hätte ich vermutlich überhaupt nicht mehr aufgehört.“

„Du hast …“ Sasuke fuhr sich übers Gesicht und lehnte seinen Kopf gegen die Wand.

„Bei dir im Keller, als der Kerl eingebrochen ist, da hab ich Schreie in meinem Kopf gehört. Ich dachte, sie gehörten jemand anderen und es wären nicht meine eigenen gewesen. Als Hinata mir von Itachi erzählte, glaubte ich erst es wären seine gewesen. Aber dann war ich mir sicher. Er hat nie geschrieen. Und als sie ihn losgebunden haben … da hat er sie angespuckt … ich weiß nicht wie, aber er hatte noch die Kraft, sie anzuspucken. Er hatte soviel Mut und Kraft, und er war erst 14.“

„Sie haben ihn gebrochen, Sakura“, sagte Sasuke matt. „Er war danach wie tot. Er saß im Rollstuhl, er konnte kaum noch sprechen und brauchte Pfleger, die …“

„Ich weiß …“

Sasukes Augen weiteten sich. „Du weißt es? Du hast ihn …“

„Ich habe ihn besucht“, lächelte Sakura, obwohl die Tränen wieder flossen. „Nur ein paar Mal, weil es sonst gefährlich geworden wäre Aber ich hatte ihn … warnen müssen, deshalb bin ich damals zu ihm, als ich herausfand, wo er wohnte.“

„Du warst bei ihm? Und wie meinst du das, du musstest ihn warnen?“

„Vor den Akatsuki. Sie hatten ihn auf die Blacklist gesetzt.“

„Dann wusste er, dass sie kommen?“

Sakura nickte, und Sasuke glaubte seine Nerven zu verlieren. Itachi hatte gewusst, dass man ihn ermorden wollte?

„Warum … er hätte es uns doch irgendwie mitteilen können!“

„Er hatte keine Angst vor ihnen. Er wollte, dass sie kommen.“

„Woher willst du das wissen? Er konnte den Mund … man hat ihn fast gar nicht mehr verstehen können!“

„Er hat es gesagt. Und er war nie ein gebrochener Mann, Sasuke. Er konnte es vielleicht nicht mit seiner Stimme sagen, aber mit seinen Augen. Und als sie zu ihm kamen, hat er einige Akatsuki mitgenommen. Zu keiner Zeit hatten sie ihn besiegen können! Und selbst am Ende haben sie gegen ihn verloren.“

Sasuke fuhr sich über den Mund und blickte wieder zu Sakura, die ihn ihrerseits unsicher ansah.

„Er hat gegen alle gewonnen“, wiederholte sie leise. „Und nur seinetwegen habe ich versucht Pain und die anderen zu erpressen. Nur seinetwegen bin ich soweit gegangen und habe mich getraut, ihnen den Vertrag unter die Nase zu halten. Deswegen hat Itachi mich geprägt. Er hat mir gezeigt, dass ein Mensch alles erleiden kann und dennoch niemals seine Stärke verlieren muss.“

Sasuke schüttelte den Kopf, lehnte sich abermals gegen die Wand und plötzlich, ohne dass Sakura es erwartet hätte, jemals vermutet hätte, grinste er.

„So war Itachi“, sagte er, und es war einfach nur Stolz und Anerkennung in seiner Stimme. „Ich habe ihn falsch eingeschätzt, so wie alle anderen. Die Schweine haben ihn nie brechen können. Hn …“

Sakura nickte, und als Sasuke sie auf sich zog und ihr die Tränen wegwischte, grinste auch sie.

„Haben sie herausgefunden, dass du ihn gewarnt hast?“, fragte er etwas später, doch saßen sie immer noch an der Wand gelehnt auf dem Bett.

„Hmm“, murmelte Sakura, die kurz vor dem Einschlafen war.

„Daher die Narbe?“, fragte Sasuke und versuchte dabei ruhig zu bleiben.

„Hmm“, kam es wieder von Sakura, doch schlug sie noch einmal die Augen auf und gab Sasuke einen Kuss, ehe sie sich enger an ihn kuschelte und gähnte. „Und ich habe keinen Mucks gesagt …“
 

„Das sieht wirklich köstlich aus!“, rief Naruto voller Drang und griff nach seinem Besteck. „Ein Wahnsinnsbraten!“

„Danke“, lächelte Hinata, die Kakashi das Messer reichte, damit er den Hasen anschneiden konnte.

„Ein Festschmaus für die Sinne …“, kam es wieder von Naruto.

„Jetzt schauen wir mal, wie er schmeckt“, grinste Kakashi, derweil er den Braten in gerechte Stücke teilte.

„Ein Glockenklang in den Ohren …“, sagte Naruto dazwischen.

„Ich bin wirklich gespannt“, grinste auch Sakura. „Du bist eine klasse Köchin, Hinata.“

„Ein Schauspiel der Naturgewalten …“, lachte wieder Naruto, und so langsam zweifelte niemand mehr daran, dass er seinen Verstand verloren hatte.

„Er sieht etwas schrumplig aus“, bemerkte Karin mit einem Schulterzucken. „Vielleicht hat er zu lange im Ofen verbracht.“

„So herrlich duftend mit einer edlen Note“, hörte man Naruto im Hintergrund, während Hinata Karin verlegen ignorierte und Sakura der Rothaarigen einen bösen Blick zu warf.

„Ich sage nur meine Meinung“, gab Karin zurück, tat sich dennoch ordentlich auf ihren Teller und begann ohne zu warten mit dem Essen.

„Es schmeckt wirklich Prima“, meinte Sakura irgendwann zu Hinata, die neben ihr saß. „Ich glaube, irgendwann werde ich auch mal anfangen kochen zu lernen.“

„Du schießt dir dein Essen dann sicher immer selbst“, grinste Karin vielsagend.

„Man, ist das genial …“, schmatzte Naruto wieder einmal dazwischen, doch schenkte ihm keiner wirklich Beachtung. Umso mehr spürte man die Spannung zwischen Karin und Sakura, die von Minute zu Minute wuchs.

„Eigentlich tut mir das Häschen leid“, fügte sie noch hinzu. „Es hatte keine Chance sich zu wehren, aus einer derart großen Entfernung und dann noch aus dem Hinterhalt …“

Kakashi wurde bleich im Gesicht und auch Hinata verlor an gesunder Gesichtsfarbe. Sasuke hingegen sah gefährlich auf, währenddessen Naruto zu husten begann und sich auf die Brust klopfte.

„Es hat mich aber gesehen“, erwiderte Sakura förmlich, als würden sie ihre Visitenkarten austauschen. „Ich habe ihm direkt zwischen die Augen geschossen.“

Naruto keuchte schon, während Kakashi und Hinata immer bleicher wurden. Nur Sasuke grinste unmerklich vor sich her.

„Im Keller ist genug Fleisch. Der Hase ist umsonst erschossen worden.“

Sakura schmunzelte. „Sagte sie und nahm sich noch ein Stück.“

„Tz.“ Karin ignorierte ihre Aussage und für die restliche Zeit blieb es ruhig.

Nach dem Essen half Sakura Hinata beim Abräumen und Abwaschen, derweil Kakashi Chikamatsu ablösen ging und Sasuke und Naruto sich auf die Veranda verzogen.

Sie mussten die Umgebung überwachen, war ihre einstimmige Ausrede, nicht in der Küche bleiben zu müssen.

„Karin nervt“, sagte Hinata irgendwann, sodass Sakura sich beinah erschrack. Das waren ja ganz neue Töne der sonst so gelassenen Hyuuga.

Trotzdem nickte sie. „Wem sagst du das.“

„Wenn sie so weiter macht, werde ich bestimmt noch ausrasten.“

Wieder erschrak Sakura fast. Das waren noch neuere Töne. Und aus Hinatas Mund klang es wie Blasphemie.

„Ich raste dann mit dir aus“, grinste Sakura und räumte die Teller weg.

„Sie glaubt, sie sei was Besseres! Sie tut so, als wäre ich feige, weil ich selten Außenaufträge annehme sondern meistens im Quartier arbeite.“

„Meinst du das ernst?“

„Natürlich“, knurrte Hinata, doch wurde sie langsam wieder ruhiger. „Sie hat das damals schon gesagt, und man sieht es in ihrem überheblichen Gesicht!“

„Lass dich nicht provozieren.“ Sakura kam es seltsam vor, dass sie das jemanden wie Hinata sagte. „Hör einfach nicht auf ihr dummes Gequatsche!“

„Ich weiß“, seufzte die Hyuuga. „Aber sie redet ja auch über die anderen schlecht. Über dich sowieso, und über Naruto auch. Immer sagt sie, dass er sich wie ein Kind aufführt und eigentlich überhaupt nicht zu den Anbus gehören dürfte. Er sei nur aufgenommen worden, weil man seinen Vater schätzte …“

Sakura runzelte die Stirn und versuchte ihre aufkeimende Wut zu unterdrücken. Verdammtes Biest!

„Wir ignorieren sie einfach“, meinte sie dennoch. „Irgendwann kriegt sie es schon wieder.“
 

„Ich bin so was von müde!“, gähnte Naruto und legte sich quer über die Dielen der Veranda. „Und so was von voll!“

„Du hättest nicht soviel essen dürfen“, gab Hinata zurück, die mit Sakura zusammen zu den Jungs gegangen war. „Du musst es auch immer übertreiben.“

„Bäh“, grinste Naruto und streckte die Zunge heraus. „Wenn’s so schmeckt?“

„Wie ein Mastschwein“, kicherte Sakura, die neben Sasuke saß und an ihrem Verdauungstee nippte. Sie hatte sich leicht gegen ihn gelehnt, obwohl es ihr seltsam vor Naruto und Hinata war. Allerdings übersahen es die beiden geflissentlich, da sie Sakura diese Überwindung anmerkten. Verständlich für jemanden, dessen Lebenserfahrung eher darin bestand Menschen zu erledigen, als innig mit ihnen umzugehen. Und von den Akatsukimitgliedern hatte sie sicherlich keine Freundlichkeiten bekommen.

„Bist du gemein“, murrte Naruto nun und kam keuchend mit dem Oberkörper nach oben. „Wir könnten doch nachher wieder zum Fluss?“

„Au ja!“, entfuhr es Sakura, die sofort wieder in ihr kindliches Muster fiel.

„Das lassen wir lieber“, machte ihr jedoch Sasuke einen Strich durch die Rechnung. „Wir sollten beim Haus bleiben, bis wir uns nicht darüber im Klaren sind, was Pain vorhat. Wenn er einmal eindringen konnte, wird er es auch ein zweites Mal schaffen. Und wenn sie uns alle mit einmal angreifen, stehen wir sowieso da.“

Sakura zog eine Schnute, doch Hinata gab ihrem Teamkollegen beistand.

„Das stimmt. Wir sollten nichts riskieren.“

„Welch passende Antwort“, sagte plötzlich Karin, die unerwartet auf die Veranda trat und ihre kleinen Augen umherschweifen ließ. „Nichts riskieren, das stimmt wohl.“

„Hör doch auf, Karin“, sagte Naruto, dem sehr wohl auffiel, wie oft die Rothaarige seine Freundin anstichelte. „Kannst du nicht einmal Ruhe geben?“

„Das sagt mir der Richtige. Dein Mundwerk ist so laut, da könnten wir auch ein Schild an die Straße stellen mit der Aufschrift: Bitte hier lang zum Versteck!“

Naruto grollte innerlich, blieb aber nachsichtig. Er hatte kein Interesse sich mit dieser Schnepfe zu streiten und Hinata hatte ihn inständig darum gebeten, nicht auszurasten. Ihr zuliebe würde er sich zusammen nehmen, egal was Karin sagen würde.

Da der Uzumaki still blieb, grinste Karin nur vor sich her und ging die Verandatreppe hinunter auf das überschaubare Rasenstück, dass vor der Holzhütte lag. „Weißt du Naruto“, begann sie mit einem unmerklichen Lächeln. „Da hast du sonst eine so große Klappe, aber dich zu wehren weißt du trotzdem nicht.“

Doch der Blonde erwiderte nichts. Er tat einfach, als hörte er sie nicht und ließ sich stattdessen wieder nach hinten fallen. Was hatte es auch für einen Sinn sich zu streiten? Es brachte nur immer mehr Probleme mit sich und Karin würde nie Ruhe geben.

Ignorieren war da die beste Medizin.

„Was für ein Uzumaki“, lachte Karin und schüttelte den Kopf. „Macht seinem Vater alle Ehre.“

Sofort schoss Narutos Oberkörper nach vorne. „Was sagst du da?“, zischte er gefährlich.

„Naruto!“ Es war Sasuke, der ebenfalls aufstand und seinen Freund eindringlich an sah. „Lass uns reingehen, verstanden? Wir müssen hier nicht …“

“Was denn, lass ich doch etwas sagen, Sasuke.“

„Karin, ich sage dir …“

„Was sagst du mir? Ich kein Püppchen, und kein Kind, Sasuke. Ich lass mir von niemanden etwas sagen.“

Sakura wusste, dass diese Beleidung nun auch an sie ging, aber sie hörte kaum hin. Stattdessen beobachtete sie Naruto, der sich versteift aufrichtete und Karin mit drohender Haltung entgegen trat.

„Es reicht echt langsam!“, sagte er mit wütender Stimme. „Was hast du davon, so fies zu sein? Entweder du ziehst über Hinata her, oder über Sakura oder …“

„Oder über dich?“, grinste Karin. „Ich sage doch aber nur die Wahrheit. Hinata ist ein Feigling, das sieht jeder! Versteckt sich im Hauptquartier und zittert vor Angst, wenn man sie nach draußen schickt! Und jemanden wie Sakura in unsere Reihen zu lassen … aber selbst wenn sie früher mal was drauf hatte … was ist sie heute noch, hm? Eine nichtsnutzige Göre, mehr nicht. Und was dich und deine Sippschaft angeht …“

Karin zuckte zusammen, als ihr Naruto plötzlich seine Pistole entgegenhielt. Die seines Vaters …

„Halt dein Maul! Sag nichts über meinen Vater, Karin! Wag es nicht!“

„Nimm das Ding runter, Naruto.“ Die Rothaarige grinste unermüdlich. „Glaubst du, du hättest den Mumm auf mich zu schießen? Und wie weiter? Was tust du dann? Vergiss es, Junge. Du bist genauso ein Kind wie Sakura oder Hinata. Für mich seid ihr allesamt …“

Plötzlich zielte noch eine zweite Waffe auf Karin, doch war sie fiel näher als Narutos.

„Was möchtest du sagen, Karin?“, fragte Sakura und konnte mit ihrer Kälte selbst Sasuke in den Schatten stellen. „Rede nur weiter, wir hören dir alle zu.“

„Sakura“, flüsterte Naruto, da die Rosahaarige sich genau vor ihn gestellt hatte. „Geh aus dem Weg, dass ist meine …“

„So verdienst du dir die Waffe nicht, Naruto!“, zischte Sakura unerwartet, doch ließ sie Karin nicht aus den Augen. „Ich denke, sie bedeutet dir was? Du entehrst sie, wenn du damit aus Wut auf jemanden schießen würdest!“

„Was wird das hier für ein Kindergartentheater?“ Karin grinste unbeeindruckt. „Seid ihr alle in der Pubertät?“

„Weißt du …“ Sakura entsicherte ihre Desert Eagle, und auch wenn die Waffe schwerer als gewöhnlich war, bewegte sie sich keinen Millimeter in Sakuras Hand. „Gegen mich kannst du sagen was du willst, aber wenn du nicht aufhörst Naruto und Hinata zu beleidigen, vergess ich mich. Hinata ist keineswegs feige und es ist eine Schande, dass gerade jemand wie du so etwas zu ihr sagt! Sie hat mehr als du je haben wirst!“

„Hör doch auf, Sakura Mäuschen …“ Karin kicherte. „Was soll das bitte sein?“

„Intelligenz, wovon du überhaupt nichts besitzt. Sie hat eine Persönlichkeit, sie hat ein Herz! Du hast nichts außer einer großen Klappe, hinter der nur Scheiße steckt!“

„Na na, jetzt wirst du aber ausfällig.“

„Und sie hat nicht weniger Mut, nur weil sie nicht den offenen Kampf sucht. Was wären ihre Teammitglieder, ihre Freunde, wenn sie nicht jede Gefahr zehnmal überprüfen würde, jede Lösungsmöglichkeit herausfinden würde? So funktioniert ein Team!“

„Was verstehst du denn davon, kleine Sakura? Du hast Menschen getötet und nie nach dem Grund gefragt. Du hast Aufträge ausgeführt ohne zu protestieren. Hattest du eigentlich Freunde bei den Akatsuki? Rede doch nicht davon, als hättest du Ahnung. Du warst eine Mörderin, und mehr bist du auch heute nicht!“

Plötzlich grinste Sakura, und jede Freundlichkeit war aus ihrem Lächeln gewichen. „Das stimmt“, sagte sie eisig, dass selbst Karin zu Lachen aufhörte. „Ich war eine Mörderin, allerdings weiß ich jetzt was Freundschaft bedeutet. Und für meine Freunde würde ich eine Mörderin bleiben, wenn es sein muss!“

Und dann drückte sie ab, ohne das Gesicht zu verziehen.

Gemeinsam nach Frankreich?

Es schien, als würde der ganze Wald in Schweigen gehüllt, nachdem Sakura den Schuss aus der Desert Eagle abgegeben hatte. Kein Vogel zwitscherte mehr, nicht einmal ein Lüftchen wehte und ließ die Äste tanzen. Der Wald hatte Augen, und diese sahen auf die drei Freunde, die fassungslos an Sakura vorbeiblickten, hinüber zu Karin, die auf dem Boden kniete und sich die blutende Wange hielt.

„Himmel“, keuchte Hinata und fuhr sich über den Mund. Sakura hatte auf Karin geschossen, für sie und Naruto. Aber war das Richtig? Naruto aufzuhalten und selbst auf die Rothaarige zu schießen?

Sie hatte vorbeigeschossen, ganz nah der Wange, und Hinata konnte kaum fassen, wie es Sakura geschafft hatte mit einem Kaliber wie das des Action Express nicht ihr Gesicht zu zerfetzen, sondern Millimeter genau daneben zu schießen. Glück, Zufall?

Können …

Der durch die Kraft der Patrone entstandene Luftzug hatte Karin zwar verletzt, aber vermutlich hatte Sakura sogar das berechnet. Und nun stand sie da, rührte sich nicht und sah emotionslos zu der Rothaarigen hinunter, die kein Wort zu Stande brachte.

„Sakura?“

Es war Sasuke, der sich neben das Mädchen stellte und ihre Hand nahm. Sorgsam nahm er ihr die Desert Eagle weg, sicherte sie und steckte sie ein.

„Gehen wir rein. Soll sie alleine hier sitzen bleiben.“

„Hast du jetzt, was du wolltest“, sagte Sakura jedoch und sah Karin verachtend an. „Du kannst es zugeben, Karin. Es ist offensichtlich.“

„Offensichtlich?“ Naruto und Hinata kamen zu den beiden und sahen zu der Rothaarigen, die noch immer wie gelähmt schien.

„Sag es ihnen, Karin. Sag ihnen, warum du hier bist. Wer dich schickt.“

„Ich …“ Zögernd sah Karin auf, doch dann senkt sie den Kopf. „Die Anbu. Ich … habe einen gesonderten Auftrag …“

„Was?“ Naruto riss die Augen auf. „Wie meinst du das? Was erzählt sie da, Sakura?“

„Das ganze hier wird nicht von den Anbu gemacht, stimmt’s?“ Sakura schüttelte den Kopf. „Inos Organisation und Kakashi leiten diese Angelegenheit, niemand sonst, hab ich recht? Die Anbu haben nur gelogen. Sie haben Kakashi keine Daten von mir übermittelt und getan, als wüsste man nichts über mich, damit sie die Lage erst in Ruhe klären konnten. Danach haben sie Kakashi keine Unterstützung mehr gewährt, außer dass sie dich geschickt haben. Aber nicht als Hilfe, sondern damit du mich überprüfen kannst … damit du mich solange reizt, bis ich austicke und etwas Falsches mache. Und was dann? Solltest du mich erschießen?“

Nun sahen alle Augen wie versteinert auf die Rothaarige, die noch immer zu Boden blickte und schließlich nickte. „Du bist eine Gefahr, wenn du dich erinnerst … und du erinnerst dich … du hättest …“

„Wir gehen rein“, sagte Sasuke plötzlich und mit unerwarteter Härte. „Und du solltest verschwinden, Karin. Es ist deine einzige Chance, verstanden?“

„Was …“

„Anbu“ Naruto sagte es, als wäre es eine Krankheit. „Damit sind sie zu Weit gegangen.“ Er ballte die Hand zur Faust. „Und du … du … Eigentlich müsste man dich …“

„Lassen wir sie einfach hier.“ Hinata nahm Narutos Hand und legte Sakura ihren Arm um die Schultern. „Es wurde alles gesagt.“
 

„Das hätte ich nicht erwartet“, sagte Kakashi und wirkte betrübt. „Aber ich hätte es kommen sehen müssen, nachdem Ino mir erzählt hat, dass es auch die Anbu waren, die Sakura in diesen Unfall verwickelten. Es tut mir Leid …“ Er ließ den Kopf hängen und seufzte.

„Schon gut“, sagte Sakura und lächelte aufmunternd.

„Tja, einer weniger, aber das macht nichts.“ Kakashi erhob sich und ging schlürfenden Schrittes zur Treppe. „Ich mach mal ein Nickerchen.“

„Das hat ihn getroffen“, sagte Hinata, die mit den anderen im Wohnzimmer zurückblieb. „Dass die Anbu so was etwas zulässt, obwohl er die Operation leitet. Er denkt nun, sie vertrauen seinem Urteil nicht.“

„Verdammte Idioten“, knurrte Sasuke. „Ich geh Chikamatsu ablösen.“

„Ich komme mit“, sagte Sakura, doch blieb sie plötzlich noch einmal stehen und drehte sich zu Naruto und Hinata. „Danke“, kam es ihr leise, aber deutlich über die Lippen. „Weil ihr trotzdem … zu mir haltet, obwohl …“

„Immer“, grinste Naruto und streckte ihr den Daumen entgegen. „Nur damit du es weißt.“

„Das weiß ich“, gab sie zurück. „Und ich werde mich immer daran erinnern …“

Dann folgte sie Sasuke die Treppe hinauf und ließ zwei verdutzte Gesichter zurück.
 

„Ist das langweilig“, murrte Sakura, obwohl sie erst eine halbe Stunde mit Sasuke im Überwachungszimmer saß. „Man sieht ja nicht mal ein Reh oder so was.“

„Die werden sich auch nicht mehr in den Wald trauen, nachdem du ihnen einen Hasen entrissen hast.“

„Sehr witzig“, gab Sakura von sich, seufzte und schmiss sich grinsend auf Sasukes Schoss. „Wir können ja auch was Aufregenderes machen?“

Sasuke runzelte die Stirn. „Wir müssen die Monitore überwachen, Sakura. Ablenkung am Arbeitsplatz ist verboten.“ Trotzdem huschte ihm ein Grinsen übers Gesicht.

„Wir können ja mit einem Auge drauf gucken“, schlug die Rosahaarige vor und zog Sasukes Gesicht zu sich heran um ihn anschließend zu küssen.

„Das ist eine Möglichkeit. Aber wir sollten es trotz allem auf später verschieben …“ Sasuke sah Sakura eindeutig an. „Sicherheit geht vor, dass solltest du wissen.“

„Ja, schon gut.“ Beleidigt ließ sich Sakura auf den anderen Stuhl fallen und blickte lustlos zu den Monitoren.

„Willst du mir irgendwas sagen?“, fragte der Uchiha jedoch plötzlich, so dass das Mädchen wieder aufschaute.

„Wie? Was meinst du?“

Sasuke grinste leicht, stand auf und stellte sich hinter Sakura, die nur verwirrt dreinblickte. Er schlang seine Arme um sie und legte seinen Kopf auf ihren. Als sie plötzlich das Klicken hörte, musste sie grinsen.

„So wenig vertrauen?“, fragte sie und überspielte ihre Frustration. „Das ist wirklich unnötig.“ Sie zog an den Handschellen, die sie an den Stuhl ketteten.

„So langsam lässt du dich durchschauen“, sagte Sasuke, schob Sakuras Stuhl neben seinen und setzte sich wieder. „Ich nehme an, dass du vor hattest in aller Heimlichkeit zu verschwinden?“

„Ich hätte nichts zu Naruto und Hinata sagen dürfen, stimmt’s?“

Der Uchiha nickte. „Es war sehr rührend. Und es klang sehr nach Abschied.“

Sakura schaffte es nicht ihr Lächeln aufrecht zu erhalten und wandte den Blick zu den Monitoren. „Ich muss gehen, Sasuke. Wenn sie mich holen müssen, wird niemand von uns überleben.“

„Ich lasse dich mit Sicherheit nicht im Selbstmordkommando zu den Akatsuki verschwinden.“

„Aber ich muss zu ihnen. Ich habe keine Wahl. Selbst wenn ihr nicht wärt, verstehst du? Sie sind die letzte Etappe …“

„Die letzte Etappe?“

„Um mich erinnern zu können. Pain weiß es, und mit der Pistole hat er es mir bewiesen. Mir nützt der Vertrag nichts, wenn ich die Seite nicht kenne, nicht die Personen. Und sie fallen mir nicht ein. Nichts fällt mir ein. Es scheitert ohne meine Erinnerungen.“

„Dann müssen wir eine andere Lösung suchen.“

„Es gibt keine andere Lösung. Ich muss ihm gegenüber treten, erst dann werde ich mein Vergangenheit zurückbekommen. Ohne sie habe ich keine Zukunft.“

„Hör auf Sakura!“ Sasuke stand wütend auf. „Sie würden dich niemals lebend rausmarschieren lassen!“

„Aber ich muss es versuchen!“

„Das wirst du nicht!“

„Ich habe geträumt“, sagte Sakura plötzlich. „Von einem Haus, und ich glaube, dort wollte ich damals hin.“

„Ein Haus?“

„Ja. Am Meer, fast wie deins. Nur kleiner und ohne finsteren Keller. Ein kleines Häuschen abseits der Straßen und fern der Menschen, die mich ansehen und wissen, was ich getan habe.“

„Niemand weiß was du getan hast!“

„Ich weiß es“, sagte Sakura traurig. „Und wenn ich jemanden in die Augen blicke, dann sehe ich, was ich bin. Ich möchte … ich möchte nicht sterben, aber … ich werde auch nicht mehr unter ihnen Leben können, verstehst du? Unter ihren Augen … Man hat mich zu einem Killer gemacht, und egal was ich tun werde und egal wie viele Jahre vergehen werden, ich werde immer einer bleiben.“

„Du kannst dich nicht dein ganzes Leben dafür bestrafen!“

„Ein Leben würde niemals reichen“, gab Sakura zurück. Sie seufzte und sah wieder zurück zu Sasuke. „Es ist in Europa, in Frankreich, weit weg. Da bin ich mir sicher.“

„Sakura, das … Gott bitte, hör auf so zu reden!“

„Tut mir leid“, lächelte Sakura traurig. „Weißt du in meinem Traum … du warst auch da. Es war … es war der schönste Traum, den ich je hatte. Und ohne dich … ich werde nie vergessen, was du mir bedeutest. Aber es wird kein Happy End geben, Sasuke. Und dabei … dabei habe ich mich sogar in dich verliebt. Jemand wie ich hat sich verliebt … ich hätte gerne meinen Traum gelebt.“

Sakura weinte, als Sasuke die Augen aufriss und im nächsten Moment zusammenbrach.

Ein Betäubungspfeil steckte in seinem Hals.

„Tut mir leid“, wisperte sie, als er ohnmächtig zu Boden sackte. „Aber ich wurde nicht dazu gemacht, mich durchschauen zu lassen …“

„Eine nette Ansprache“, sagte eine belustigte Stimme und kettete Sakura von den Handschellen los. „Sehr sinnlich.“

„Halt deinen Mund.“ Sakura stand auf und wischte sich über die Augen.

„Das ist das erste Mal, dass ich dich weinen sehe, Sakura. Ich hätte drauf gewettet, dass du es nicht kannst.“

„Behalte deine dummen Kommentare für dich.“ Die Rosahaarige griff in Sasukes Tasche und holte ihre Desert Eagle raus. „Das er es geschafft hat, dich hier einzuschleusen … hn.“ Sie schüttelte angewidert den Kopf. „Wenigstens Ino hätte es bemerken müssen.“

„Sie gehört nicht zu den Schlausten. Außerdem habe ich eine weiße Akte.“

„Tatsache? Wie lang spionierst du schon für Pain in Inos Organisation?“

„Seit du den Unfall hattest.“

„Tzz. Das ist wirklich keine Leistung von Ino. Chikamatsu … hast du dir diesen Namen selbst ausgedacht?“

„Was dagegen?“

„Es ist mir reichlich egal, wie du dich nennst, Hidan. Ich nehme an, dass mich Pain erwartet?“

„Natürlich.“

Sakura nickte. „Was wird jetzt mit dir?“

„Ich rufe Ino an und sage ihr, dass die Akatsuki dich mitgenommen haben und den Rest betäubten … obwohl ich betäuben wirklich untertrieben finde. Du bist zu sentimental geworden, Sakura. Man könnte meinen, du besitzt ein Herz.“

„Du willst in Inos Organisation bleiben? Meinst du nicht, ich werde es ihr mitteilen lassen?“

„Wozu?“, grinste Hidan. „Macht es dich nicht wütend, dass Ino dich all die Jahre über belogen hat? Sie hat dir immerhin die Wahrheit verschwiegen.“

„Das ist wohl war. Aber ich habe genug Herz um ihr deswegen keinen Besuch abzustatten.“

„Wie langweilig“, lachte Hidan und sah zu Sasuke. „Und du willst sie wirklich nicht …“

„Mach dir lieber um deine eigene Haut sorgen, Hidan.“

„Um meine?“ Der Akatsuki verengte die Augen. „Was willst du damit sagen?“

„Dass du noch genau vier Sekunden hast, bevor ich dich erschießen werde. Mein Herz reicht für Ino, mehr ist nicht drin.“

„Aber …“

„4“, sagte Sakura und drückte ab. Hidan fiel leblos zu Boden.

„Idiot. Ich zähle nie laut. Aber das hast du wohl vergessen …“

Dann verließ sie den Raum. Verließ das Haus und den versteckten Wald.

Sie verließ ihre Freunde, die sie nun in Sicherheit hoffte.

Die Alte und ihr Angebot

Sasuke wusste ganz genau, was passiert war, als er die Augen öffnete und den stechenden Kopfschmerz fühlte. Naruto saß neben ihn, schien vor sich her zu dösen und bemerkte ihn erst, als Sasuke mit schwacher Geste versuchte, dem Uzumake aufzuschrecken.

„Verdammt“, fuhr Naruto in die Höhe, sackte aber erleichtert zurück auf den Stuhl und sah Sasuke bissig an. „Musste das sein?“

„Wie lang war ich weg?“, fragte Sasuke und richtete sich schwerfällig auf. „Und wo bin ich? Bei dir und Hinata in der Wohnung?“

Naruto nickte langsam. „Kakashi und Hinata sind im Wohnzimmer nebenan.“

„Wie lange, Naruto!“

„24 Stunden …“

„Scheiße.“ Sasuke ließ sich nach hinten fallen. „Klär mich auf.“

„Dieser Agent von Ino war einer von Pains Leuten. Er hatte sich eingeschlichen. Sakura scheint ihn erschossen zu haben, nachdem er ihr geholfen hat uns alle zu betäuben. Wäre es von ihm ausgegangen, wären wir sicher alle tot. Er hatte auch vor, weiterhin zu spionieren, aber wie gesagt … er war längst Tod, als wir wieder zu uns kamen. Ino und ein paar ihrer Leute kamen auch. Sakura hatte sie aufgeklärt, indem sie ihr eine Nachricht geschrieben hat. Sie brachte uns auch hierher.“

„Was ist mit Sakura? Gott, 24 Stunden, sie könnte …“

„Du hast am längsten geschlafen“, sagte Naruto und lächelte traurig. „Sie wollte mit aller Macht verhindern, dass du ihr folgst …“

„Ich will wissen, was mit ihr ist!“

„Wir wissen es nicht. Kakashi und Ino haben sämtliche Aufenthaltsorte überprüft, aber auch die Akatsuki … als wären sie alle vom Erdboden verschluckt worden. Dabei dachten sie, dass wenigsten ihre Quellen etwas wüssten, aber nichts …“

„Scheiße!“ Sasuke quälte sich aus dem Bett, doch schwankte er schwer und musste von Naruto gestützt werden. „Verdammter Mist!“

„Bleib liegen, Sasuke! Du bist noch zu …“

“Es geht schon, Naruto! Wir haben keine Zeit!“

„Aber im Moment können wir nichts tun, Sasuke! Wir können nicht ziellos suchen, Sakura könnte überall sein. Vielleicht schon außerhalb Tokios, vielleicht gar nicht mehr in Japan oder wenn die Akatsuki …“ Naruto stoppte abrupt. Was dachte er da nur? Sakura war nicht tot, nie und nimmer!

Sasuke sah den Uzumaki wütend an, doch schaffte er es sich zu beherrschen, holte tief Luft und ging zum Fenster. „Aber wir können hier nicht einfach rum sitzen und warten …“ Traurig sah er nach draußen. Irgendwas mussten sie doch tun können!

„Gott!“ Plötzlich schrak er zusammen und ging so schnell er es konnte zu seiner Tasche. Er wühlte, warf alles durcheinander und zog schließlich den kleinen, gefalteten Zettel heraus. „Die Adresse hatten wir von Ikamusa.“ Er reichte Naruto das Blättchen. „Er meinte, der könne uns vielleicht helfen. Vielleicht weiß er, was vor sich geht!“

Naruto sah Sasuke mit offenem Mund an. „Das … ich sag sofort den anderen Bescheid!“
 

Sasuke stand vor einer Wohnung, die im 8. Stock eines Hochhauses war und inmitten Tokios lag. Er hatte ein Abhörgerät und einen Peilsender an seinem Körper, fühlte sich noch immer lediert, aber kräftig genug um alleine mit dem Mann zu reden, der ihre letzte Hoffnung war.

Alles andere würde ihn vermutlich abschrecken.

Sasuke klingelte, wartete und vertraute einfach auf sein Glück, nicht durch geschlossene Tür erschossen zu werden. Im Untergrund schien toten Stille zu herrschen, etwas ging vor sich, und dieser Kerl hier war sicherlich gewarnt.

Doch plötzlich, als Sasuke schon ncihtmehr mit rechnete, ging die Tür wie von Geisterhand auf und er starrte in einen leeren Flur. Verwirrt blieb er stehen und hielt die Luft an.

„Komm rein Jungchen, es zieht!“, rief ihn plötzlich eine alte Frauenstimme. „Ich kann nicht vom Herd, mir verbrennt sonst das Essen.“

Sasuke traute seinen Ohren kaum, wollte schon umdrehen, da er dachte die falsche Adresse erwischt zu haben, als die alte Frauenstimme aber seinen Namen rief.

Voller Unbehagen und gänzlich verwirrt ging er durch den Flur und folgte den Kochgeräuschen. „Ich“, setzte er an, kaum dass er die Küche betrat, als die Alte, molige Frau schon auf ihn zukam und amüsiert angrinste.

„Was ich?“, krätzte sie rau. „Haste was jüngeres erwartet,, oder wie?“

„Eher nicht aber eigentlich …“

„Einen Mann? Tzz, Lausebengel, was bildest du dir ein? Dass Männer die Welt regieren? So siehst du schon aus! Was die Kleine an einem Macho wie dir nur findet?“

„Reden sie von Sakura? War sie hier? Wo ist sie und …“

“Mund zu, Junge! Ich bin alt, also stress mich nicht!“

„Aber …“

„Mund zu, oder ich werde dir gar nichts sagen!“

Sasuke verzog das Gesicht und überlegte, ob er einfach die Waffe auf die Alte richten sollte. Doch stattdessen folgte er ich schweigend ins Wohnzimmer, kaum dass sie den Herd abgestellt hatte.

„Du siehst wirklich schnucklig aus“, bemerkte die alte Frau und Sasuke wunderte sich über ihre ganze Art. Man könnte meinen, sie wäre erst 30 oder 40, doch musste sie bald an die 60 sein, wenn nicht noch älter. „Äußerlich machst du einen vernünftigen Eindruck. Aber du denkst viel zu männlich, Junge. Es sind immer die selben Vorurteile, die uns Frauen begegnen. Es ist kaum auszuhalten …“

„Bitte“, sagte Sasuke und hoffte sie in ihrer nichtigen Rede zu unterbrechen. „Ich muss wissen, wo Sakura ist!“

„Und das werde ich dir sagen, Jungchen … wenn ich soweit bin. Ich hatte lange keinen Besuch mehr, und so einen gutaussehden erst recht nicht. Aber Manieren brauchst du. Ganz gewaltig Manieren!“

„Woher kennen sie Sakura?“, fragte Sasuke nun und rang mit sich, die Alte nicht doch einfach die Waffe unter die Nase zu halten. Allerdings machte sie den Eindruck, als würde sie dadurch dennoch nicht zum Punkt kommen.

„Du hast es eilig, nicht wahr? Aber Eile nützt dir nichts.“

„Sakura ist bei den Akatsuki, verdammt! Sie wird sterben!“

„Das weiß ich, mein Junge. Ich habe mit ihr geredet.“

Sasuke erstarrte. „Wann? War sie hier? Wo ist sie jetzt und …“

„Ruhe jetzt!“, keifte die Alte in einer Bassstimme, dass er fast glaubte, einen Mann vor sich zu haben. „Ich rede, und du schweigst! Verstanden?“

Sasuke knurrte, nickte aber schließlich.

„Gut, also … Sakura hat mir aufgetragen dir folgendes zu sagen: Lass es sein und geh nach Hause.“

„Was?“

„Lass es sein und geh …“

„Ich hab verstanden, was sie gesagt haben! Ich meine, wieso?“

„Dann sag doch auch wieso und nicht was!“

„Gott …“, stöhnte Sasuke, der das Ende seiner Nerven spürte. „Würden sie mir bitte … sagen wer sie sind und warum Sakura mit ihnen geredet hat?“

„Das kann ich tun“, lächelte die Alte. „Aber zuerst wirst du die Abhörgeräte ablegen. Ich habe kein Interesse daran, dass meine Worte gegen mich verwendet werden können …“
 

10 Minuten später saß Sasuke auf dem Sessel in der nach verschmorrten Fleisch riechenden Wohnung, hatte einen Tee vor sich stehen, den er nicht wollte, und wartete dass die Alte aus dem Knick kam, was jedoch nicht danach aussah. Sie nippte an ihrer Tasse, aß einen Keks nach dem anderen und seufzte hier und da.

„Sie wollen Zeit schinden, nicht wahr?“, fragte er irgendwann, als es ihm zu bunt wurde.

„Natürlich.“

Sasuke stand auf. „Dann gehe ich jetzt. Für diese Sinnlosigkeit habe ich nicht den Nerv.“

Die Alte lachte. „Sakura hat gesagt, dass du aufbrausend werden könntest. Sie hatte Recht. Aber gut, setzt dich wieder hin. Ich erzähl dir, was du wissen möchtest.“

Wütend ließ sich der Uchiha wieder in den Sessel fallen. „Also wer sind sie?“

„Irene Yugako. Ich wurde im Sommer 1949 in Spanien geboren, wuchs in Osaka auf und lebe seit 72 in Tokio. Mein Sternzeichen ist …“

„DAS wollte ich nicht wissen! Welche Verbindung haben sie zu Sakura?“

„Zur Zeit keine. Gestern haben wir miteinander gesprochen. Ich war sehr erstaunt, als sie mir alles erzählte, wohlgemerkt in der 10 Minuten Fassung, da ihre Zeit begrenzt war. Sie bat mich um Hilfe und ich antwortete ihr, dass ich tun werde, was ich kann.“

„Sie helfen ihr?“

„Selbstverständlich. Sie ist ein nettes Mädchen. Gut, nett trifft nicht jede ihrer Verhaltensweisen, aber im großen und ganzem ist sie nett. Solange man nicht ihr Auftrag ist, versteht sich. Aber das ist ja nun eh vorbei. Wenn der Plan glückt, wird sie keine Aufträge mrh ausführen müssen. Nun, wenn er es nicht tut, wird sie keine mehr ausführen können, es kommt also aufs gleiche hinaus.“

„Woher kennen sie sich?“

„Von der Organisation natürlich, mein Junge. Ich war ihre zugeteilte Ärztin …“

Sasuke sah die Alte starr an. „Sie arbeiten für die …“

„Nein, ich arbeitete. Die Vergangenheitsform, Junge. Bitte ja? Als Sakura damals verschwand, habe ich meinen … nennen wir es Dienst, bei ihnen quittiert. Besser gesagt bin ich in Rente gegangen. Falls es dich beruhigt, ich habe nie einen Menschen getötet. Ich habe nur versucht auch den Menschen zu helfen, die kein anderer Arzt verarzten würde. Die Killer der Akatsuki sind in den Arztpraxen nicht sonderlich beliebt. Und ich bereue zu keiner Zeit, was ich tat. Ich habe Sakura aufwachsen sehen, und mit Stolz kann ich behaupten, dass ich ihr so manches Mal wirklich das Leben gerettet habe …“

„Jetzt töten sie sie. Wenn sie mir nicht helfen, sie zu finden!“

„Es ist ihr ausdrücklicher Wunsch, Sasuke Schätzchen. Sakura hat immer alleine gearbeitet. Sie wird Pain alleine gegenübertreten, und alleine wird sie das Land verlassen. Sie möchte niemanden von euch in Gefahr sehen.“

„Sie wird es nicht überleben!“, tobte Sasuke und stand wütend auf. „Sie wird sterben!“

„In dem Moment, wo sie Pain sieht und bei Gott, ihre verdammten Erinnerungen zurück hat, wird sie den Wunsch haben, nicht mehr weiterleben zu müssen! Versteh das Sasuke! Sakura ist so oder so tot! Damals konnte sie mit diesen Morden, mit ihren Taten und das, was ihr passierte nur umgehen, weil sie kaltblütig war, nicht mehr als eine Maschine! Aber jetzt wurde sie zu einem Menschen! Sie hat zwei Jahre lang wie ein Mensch gelebt, unter den Menschen gelebt! Sie hat sich in einen Menschen verliebt! Wenn Pain sie nicht tötet, dann ist es ihre Vergangenheit, die sie nicht verkraften kann. Und das weiß sie auch jetzt schon, bevor sie ihn gesehen hat. Sie weiß, dass die Geschichte nicht gut ausgeht!“

„Sie war noch nicht bei ihm?“ Sasuke sah die alte Irene scharf an. „Wo steckt sie dann?“

Die Alte seufzte. „Wirklich hartnäckig, das bist du. Ich schlage dir einen Handel vor, Sasuke. Beziehungsweise schlägt ihn dir Sakura vor. Du hast die Wahl …“

„Was reden sie da?“ Aufgebracht starrte der Schwarzhaarige auf die Frau hinunter. „Was für einen Handel?“

„Was wünsch du dir am meisten, Sasuke? Ich meine, außer Sakura zu helfen? Hast du noch einen Wunsch, irgendeinen? Deine … Familie vielleicht betreffend?“

“Meine Familie?“ Sasuke stand wie gelähmt. „Was zum …“

„Du hast die Wahl, Sasuke!“ Die Alte hatte sich erhoben und ihre tiefligenden Augen fixierten ihn. „Entweder, ich werde dir sagen, wohin Sakura gegangen ist, und das muss nicht heißen, dass sie noch dort ist, oder ich werde dir sagen, wer der Mörder deines Bruders ist! Das weißt du nicht, stimmts? In all den Jahren hast du es nicht herausgefunden und doch wolltest du nie etwas mehr als seinen Tod rächen!“

„Hexe!“, zischte Sasuke. „Verdammte Alte, woher?“

“Von Sakura natürlich. Sie kennt den Mörder deines Bruders. Sie weiß, wie gut es um seine Gesundheit steht. Wo er sich aufhält und verweilt … Dein Wort in Gottes Ohr, mein lieber Junge. Was möchtest du mehr? Sakura helfen, obwohl sie deine Hilfe nicht möchte, obwohl sie längst davon sein könnte oder tot, obwohl sie am Ende so oder so sterben wird … oder Itachi rächen, hm? Wie ist er doch gleich gestorben? Es war Benzin, nicht wahr?“

Sasuke musste die Augen schließen, um sich zu beherrschen. Er hatte den Drang der Alten den Hals umzudrehen, sie zu erschießen und einfach zu gehen.

Itachi …

Er glaubte, ihm würden jeden Moment die Beine nachgeben. Er spürte diesen unbändigen Zorn, die Wut, die er kaum kontrollieren konnte. Sein Herz schlug wie wild, als wolle es sich aus seiner Brust reißen. Sein Puls stieg ins unermessliche und er fühlte, wie ihn eine blinde Ohnmacht zu überkommen drohte.

Er hatte Rache geschworen, vor vielen Jahren. Er hatte alle beteiligten töten können, nur ihn nicht. Den Unbekannten, dessen Name er nie erfahren hatte. Der, der Itachi den Rest gab …

Jetzt lebte er irgendwo, friedlich und im Schutz eines Pseudolebens. Er genoss die Sonne und alles, was Menschen genießen konnten. Er lebte, obwohl er längst hätte tot sein müssen. Bestraft für das, was er damals getan hatte.

Sasuke hob den Blick und sah der Alten ins Gesicht. „Sag mir, wo er steckt!“
 

Später bekam die Alte einen unerwarteten Besucht von Kakashi, Naruto und Hinata, die dem Peilsender gefolgt waren. Sie fanden ihn unter dem Sessel, und als sie die Alte nach Sasuke fragten, erzählte sie ihnen vom dem schönen Wetter in Spanien.

Und ihr zufriedenes Lächeln verließ sie nicht. Er war ein schlauer Junge gewesen ... wenn auch ein Macho.

Das Ende einer Geschichte /Teil 1

Es war spät, als Sasuke aus dem Taxi stieg und den Fahrer bezahlte. Es regnete in Strömen und er hatte noch einige Minuten zu Fuß vor sich.

Er folgte einem matschigem Sandweg, auf dem gerade einmal ein Auto platz fand und lief immer weiter, bis er ein altes Landhaus erreichte. In den Fenstern brannte vereinzelt Licht, und dennoch lag es wie Tod vor ihm, wie verlassen und unbewohnt.

Er durchquerte das Tor, das gänzlich aus Stein gemeißelt war und lief an dem überwucherten Garten entlang. Über Jahre war hier nichts mehr gemacht worden, und vermutlich hatte hier auch Jahre lang niemand gelebt.

Er war in Vergessenheit geraten …

Sasuke hielt für einen Moment an, denn er spürte, dass er eine Pause brauchte. Nicht seiner Kraft wegen, sondern um seine Gedanken zu ordnen und seine Gefühle wieder in den Griff zu bekommen.

Er hatte von der Alten diese Adresse bekommen, und als er das steinerne Tor durchquerte, war er sich sicher, dass Itachis Mörder hier auf ihn warten würde. Er wusste, dass er kam.

Und er wusste, dass er richtig entschieden hatte. Vermutlich hätte ihm die Alte aber auch die gleiche Adresse gegeben, wenn er nach Sakura gefragt hätte …

Itachis Mörder und Sakuras Aufenthaltsort – beide lagen sie hier.

Und als er das verrostete Türschild am Eingang fand, die Initialen S.H. war er sich sicher.

Hier hatte früher Sakura gelebt. Wahrscheinlich nicht allein, sondern mit etlichen Bewachern, aber hier hatte sie mit Sicherheit gelebt.

Sasuke öffnete die Tür. Er klopfte nicht an, er klingelte nicht. Er wusste, dass er erwartet wurde. Erwartet von ihr. Alles war geplant.

Und er hatte die richtige Entscheidung getroffen.
 

Sasuke durchquerte den Vorsaal, ohne auf irgendetwas zu achten. Man würde ihn nicht angreifen, keine Killer würden ihn aus dem Hinterhalt erschießen. Er folgte den Lichtern an den Wänden und spürte instinktiv, dass sie ihn zu ihr führen würden. Er nahm die Treppe, ging langsam und ohne Eile. Er lief den Gang entlang, blieb kurz vor einer Tür stehen und entsicherte seine Waffe.

Er trat ein, verlassen von jeglicher Emotion. Verlassen von seinen früheren Gefühlen.

Er trat ein und sah in das Gesicht einer Mörderin.

Und abgestumpft blickte Sakura zurück.

„Hallo Sasuke“, sagte sie mit eisiger Stimme, in der eine Spur Belustigung und gleichzeitige Wehmut klang. „Du hast also mit Irene gesprochen.“

Sasuke nickte, unfähig ein Wort zu sagen. Sakura sprechen zu hören erweckte Erinnerungen, die ihm nun vorkamen, als wären sie vor ewig langer Zeit passiert.

Als würden sie in den Sog des Vergessens geraten, in den Strudel der Vergangenheit.

„Du hast deine Wahl getroffen“, sagte sie und schloss die Vorhänge des Fensters, aus dem sie zuvor geschaut hatte. „Ich bin fast etwas traurig, dass du dich nicht für mich entschieden hast …“

„Und dennoch bin ich bei dir“, gab Sasuke rau zurück, doch hörte man längst den wütenden Sturm, der sich in ihm sammelte. „Ich hätte nur niemals gedacht, dass ich dich auf diese Weise wieder sehe. Niemals …“

„Ich weiß.“

„Du weißt gar nichts.“ Sasuke wurde leise und blickte zu Boden. Seine freie Hand ballte sich zur Faust, derweil die andere seine Waffe hielt. „Du willst also, dass ich dich für Itachis Tod erschieße, hab ich recht? Seit wann erinnerst du dich?“ Er kostete ihn Mühe, ruhig zu reden.

„Seit ich mit Irene sprach. Sie hat mir einiges erzählt, und der Rest kam von allein.“

„Der ganze Rest?“

„Der ganze Rest“, sagte Sakura und lächelte bitter. „Jede Kleinigkeit, jedes Detail aus meinem früheren Leben. Als hätte es die Amnesie nie gegeben … Ich bin zurück.“

„Und nun soll ich dich töten? Kannst du es nicht selbst? Oder lass es doch von Pain erledigen.“

„Du allein hast einen Grund dazu. Ich selbst besitze nicht den Mut und Pain gönne ich keinen Sieg.“

„Ich habe einen Grund, das stimmt …“ Sasuke sah Sakura wütend ins Gesicht. „Wie konntest du, Sakura? Ich verstehe es nicht! Du hast ihn gewarnt! Du hast gesagt, er hat dich geprägt!“

„Er war ein Auftrag, mehr nicht.“

„Hör auf …“, flüsterte Sasuke plötzlich. „Verdammt hör auf!“ Er zog seine Pistole und richtete sie gegen Sakura. Sein Gesicht war die verzerrte Maske eines Mannes, der durch die Hölle gegangen war, den Himmel gefunden hatte am Ende in die Tiefe stürzte. „Gott, er konnte sich nicht wehren! Er hat dir vermutlich vertraut! Und du hast ihn bei lebendigem Leib verbrannt!“

„Ich habe dir gesagt, dass ich ein Monster bin. Du wolltest es nicht glauben. Ich hoffe, du hast die Wahrheit endlich erkannt …“

Sakura zuckte kaum merklich zusammen, als Sasuke abdrückte und sie nur knapp verfehlte. Sie begann zu grinsen, zunächst nur leicht, doch dann wurde es immer teuflischer.

„Du solltest besser zielen, Sasuke. Ich könnte den Versuch hegen, mich zu wehren. Aber ich würde mein Ziel nicht verfehlen.“

„Dann tus doch!“, rief Sasuke nun voller Zorn. „Schieß doch zurück! Du hast Itachi ermordet! Du hast … kein Herz …“

In Bruchteilen einer Sekunde hatte Sakura ihre Desert Eagle auf Sasuke gerichtet. „Stimmt“, sagte sie kalt. „Jetzt nicht mehr. Ich zähle bis vier Sasuke … dann drücke ich ab. Einer von uns muss sterben. Du oder ich. Aber für uns beide ist nicht mehr genug Platz. Nirgends.“

Sasuke verengte die Augen, und sein Blick war der eines hassenden Killers.

„Eins …“, flüsterte Sakura, doch Sasuke rührte sich nicht.

„Zwei …“ Ihre Stimme wurde lauter und ihre Augen funkelten in der Dämmerung.

„Drei …“ Sie entsicherte ihre Pistole und richtete den Lauf auf Sasukes Stirn. Ihre Hand war ruhig, sie bewegte sich nicht ein bisschen. Sasuke beobachtete sie, wartete auf die letzte Zahl. Er sah Sakura, sah wie die Flammen um sie herum züngelten. Er hörte Itachis Schreie, die nicht seine gewesen waren.

Sondern Sakuras …

„Vier!“, schrie Sakura, drückte ab und zuckte heftig zusammen. Ihre Lippen begangen zeitgleich zu beben, ihre Augen sich mit Tränen zu füllen. Sie starrte auf Sasuke und auf seine Pistole, aus dessen Lauf ein nebliger Rauch kam.

Sie ließ ihre Waffe fallen, lächelte erleichtert und sank auf die Knie.

Und an der Wand neben Sasuke war ein kleines Loch zu sehen.
 

Die vergehenden Sekunden fühlten sich für Sakura wie auch für Sasuke an, als würden Stunden verstreichen.

Er sah zu Sakura hinunter, die noch immer auf dem Boden kniete und ihn ungläubig anstarrte.

„Warum …“, flüsterte sie atemlos. „Warum hast du daneben geschossen?“ Ihre Stimme zitterte mit jedem Wort.

„Tzz“, kam es voller Kälte. „Warum hast du daneben geschossen, Sakura? Ich denke, du hast noch nie dein Ziel verfehlt!“

Sakura lächelte schwach. „Es gibt immer ein erstes Mal …“

„Du hast … du hast Itachi getötet, und trotzdem … ich werde dir nicht den Gefallen tun und dich erschießen. Damit kannst du bis zu deinem Ende versuchen klar zu kommen. Oder auch nicht, mir ist es egal. Ich bin … fertig mit dir …“

Sakura riss die Augen auf, als sie die peitschenden Worte hörte. Mit offenem Mund schrie sie Sasuke an, flehte sie nicht so zurückzulassen.

Doch sie schrie nur innerlich. Über ihre Lippen drang kein Ton.

Einen flüchtigen Moment lang blieb Sasukes Blick auf ihr haften. Er sah ihre traurige Gestalt, und fast bewegte es sein erstarrtes Herz.

Fast … mehr aber auch nicht. Dabei hatte er dieses Mädchen gemocht. Sie war immer mehr für ihn gewesen. Mehr als auf ein Auftrag. Mehr als eine gute Freundin.

Er hatte geglaubt Liebe für Sakura zu empfinden, und ganz tief in seinem Inner spürte er dieses sterbende Gefühl noch immer. Aber sie war die, die Itachi ermordete. Alles hätte er in Kauf genommen, aber nicht das.

Nicht, dass sie seinen Bruder umgebracht hatte.

Und dennoch hatte er sie nicht erschießen können. Sie sollte diese Genugtuung nicht bekommen, nicht von ihm. Frei von Schuld? Tod, um nicht mit dem Wissen existieren zu müssen, ein Monster zu sein?

Sakura sollte leben, und ihr Leben lang mit diesem Wissen verbringen müssen. Sie sollte die Schreie derer hören, die sie getötet hatte. Sie sollte Itachis Schreie hören …

Und dabei hatte er nicht geschrieen. Sie hatte es gesagt.

Oder war das am Ende nur eine Lüge gewesen?

Sasuke schüttelte abwesend den Kopf. Er war hier fertig. Mit allem.

Mit ihr.

Er drehte sich um, denn er konnte Sakuras Anblick nicht mehr ertragen. Sosehr hatte er auf ein gutes Ende gehofft.

Doch am Ende gab es keine Hoffnung mehr.

Verzerrt hörte er das Klingeln seines Handys. Mit Sicherheit war es Naruto, den er die letzten Male immer weggedrückt hatte.

„Ja“, sagte er einfach ins Telefon, wollte schon ansetzen und sagen, dass er gleich zurückkäme, als er innehielt.

Er hörte Naruto zu, hörte wie der blonde Chaot mit dem Dauergrinsen weinte. Naruto weinte? Noch nie hatte er ihn weinen gehört …

Und dann verstand er, was Naruto ihm ins Ohr schrie. Nicht nur seine Worte, sondern begriff er das ganze Ausmaß.

Begriff seinen Fehler.

Er zog seine Waffe, drehte sich abrupt um und drückte ab.

Seine Augen weiteten sich voller Entsetzen, als Sakuras Desert Eagle nach hinten flog. Er sah zu dem Mädchen, hörte Narutos Schreie und sein Weinen.

Und nach vielen Jahren spürte Sasuke zum ersten Mal wieder selbst den Drang zu weinen, als er das Blut über ihr Gesicht rinnen sah …

Das Ende einer Geschichte /Teil 2

Als der Krankenwagen kam und Sakura mit Blaulicht zum nächsten Krankenhaus fuhr, saß Sasuke still im Wagen und starrte vor sich hin.

Als Sakura operiert wurde und er im Warteraum bleiben musste, kamen Kakashi, Naruto und Hinata, doch keiner war bleicher im Gesicht als Sasuke.

Und niemand sagte ein Wort.

Sie saßen zu dritt in dem fensterlosen Zimmer, hörten das Ticken der Uhr und blieben für sich. Jeder mit seinen Gedanken, die immer wieder zu der Rosahaarigen schweiften.

Als der Arzt nach zwei Stunden in den Warteraum kam, standen die drei gleichzeitig auf ohne ein Wort über die Lippen zu bringen. Grausame Sekunden vergingen, ehe das emotionslose Gesicht des Doktors zu lächeln begann und ihnen zu nickte.

Hinata schrie auf, fiel Naruto weinend und lachend zugleich um den Hals und sah hinüber zu Sasuke, der sich wieder gesetzt hatte und mit den Händen über sein Gesicht fuhr.

„Geschafft“, sagte Kakashi und klopfte ihm auf die Schulter. „Gewonnen.“

Sasuke nickte, erhob sich und sah zu seinem Team. „Gewonnen …“
 

Es war noch sehr früh, als Sasuke die Cafeteria des Krankenhauses verließ und zurück zu Sakuras Krankenzimmer lief. Mittlerweile schlief sie seit 14 Stunden, aber der Arzt hatte ihnen versichert, dass es im Rahmen lag. Die Operation war gut verlaufen, denn die Verletzung hatte nicht das Ausmaß gehabt, wie es zu Anfang geschienen hatte. Die Kugel hatte Sakuras Kopf nur gestriffen und die Wunde konnte mit ein paar Stichen genäht werden.

Sasuke seufzte und nahm einen Schluck des heißen Kaffees, als er daran zurückdachte, wie Naruto ihn angeschrieen hatte, Sakura würde lügen, egal was sie sagte. Im ersten Moment hatte er nichts verstanden. Als wäre sein Verstand eingefroren gewesen.

Und dann hatte Naruto den Satz gebrüllt, der ihn begreifen ließ. Der ihn verstehen ließ, was er die ganze Zeit nicht verstanden hatte.

Sie hat heute Geburtstag …

Sakura hatte Itachi nicht getötet, doch war ihre Erinnerung vollkommen zurück und sie hatte das Grauen gesehen, dass sie verbreitet hatte. Ihre Opfer, ihre Morde.

Wie die alte Irene es vorhergesagt hatte. Die versucht hatte Sasuke begreiflich zu machen, dass Sakura sich irgendwie das Leben versuchen würde zu nehmen, wenn sie die Vergangenheit in ihrem ganzen Ausmaß einholte.

Aber warum ging sie nicht zu den Akatsuki, hatte er sich gefragt. Immer und immer wieder. Warum hatte sie sich ihnen dann nicht einfach gestellt? Warum wollte sie, dass er sie erschoss? Weil sie den Akatsuki den Sieg nicht gönnte?

Und nur durch Narutos schreien, war der Groschen gefallen. Nur, weil Naruto und die anderen es herausgefunden hatten, weil Irene es am Ende doch verriet.

Sakura war an diesem Tag 17 geworden und kein Akatsuki hatte sie mehr anrühren dürfen. Ihr Geburtsdatum war nur eine weitere Lüge gewesen. Der 25. war nur der Tag gewesen, an dem Pain sie adoptierte. Er erklärte diesen Tag zu ihrem neuen Geburtstag.

Aber der Vertrag berief sich auf die Wahrheit.

Und die Wahrheit fand Sakura in dem Moment heraus, als sie und Irene miteinander sprachen. Irene war der Schlüssel gewesen, nicht Pain. Denn Irene war der einzige Mensch, den Sakura bei den Akatsuki gemocht hatte.

Und den Mut es selbst zu tun hatte sie nicht, denn innerlich wollte sie immer nur leben. Aber als Sasuke gehen wollte, sie nicht erschossen hatte, da hatte sie keinen anderen Weg mehr gesehen.

Und im letzten Moment hatte er ihr die Waffe aus der Hand schießen können, mit der sie sich am Ende doch selbst richten wollte.

Sasuke seufzte abermals, schüttelte den Kopf und stieß die Tür zu Sakuras Zimmer auf. Er stellte seinen Kaffee ab und gleichzeitig zuckte er erschrocken zusammen, so dass er beinah das heiße Getränk vom Schrank geschmissen hätte.

Langsam ging er zum Fenster, von dem man den Sonnenaufgang beobachten konnte und stellte sich vorsichtig zu dem Mädchen, dass mit feuchten Augen nach draußen sah und ihn nicht einmal zu realisieren schien.

„Ich kann dir sonst was erzählen und dich bitten, endlich aufzuwachen, und du bewegst keine Wimper. Aber wegen der dummen Sonne stehst du auf … das ist keine nette Geste, Sakura.“

Sakura schmunzelte leicht und drehte ihr Gesicht dem Uchiha zu, der auch nicht mehr anders konnte als vor Erleichterung zu grinsen. Er wollte auch gar nichts anderes.

„Du hast mich nicht gebeten. Das war schon fast ein Flehen.“

„Du hast mich gehört?“

„Natürlich“, lächelte Sakura. „Ich wollte nur warten, ob du vielleicht sogar noch weinen würdest. Aber dafür muss ich wohl mehr als ein Loch im Kopf haben.“

„Du hast eine Schramme am Kopf, übertreib es nicht.“

„Naruto hat geweint, obwohl es nur eine Schramme ist.“

„Dann stell dir vor, was er gemacht hätte, wenn es ein Loch gewesen wäre …“

„Tzz“ grinste Sakura, doch verblasste ihr Lächeln bald. „Kannst du mir das … das irgendwann verzeihen, was ich … gesagt und getan habe?“

„Du meinst deinen irrsinnigen Versuch mir weiß zu machen, du hättest Itachi getötet, damit ich dich töte? Oder der andere verdammte Versuch, dich selbst umzubringen?“ Sasukes Worte klangen hart, aber diesmal schwang keine eisige Kälte mehr in ihnen mit. Sie klangen hart, weil sie voller Sorge und Angst waren. Sie klangen wütend, weil er Sakura fast verloren hätte.

Aber die Kälte war aus ihnen gewichen.

„Ist es zuviel verlangt … wenn du sie mir beide irgendwann … verzeihst?“

Sasuke runzelte die Stirn, doch plötzlich legte er seinem Arm um Sakuras Schultern und zog sie zu sich.

„Weißt du, so schlau wie alle tun bist du gar nicht. Irgendwann … hn …“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hätte dich gestern fast verloren, noch mehr als ich je glaubte dich verlieren zu können, Sakura. Ich werde meine Zeit nicht bis irgendwann verschwenden, um zu überlegen, ob ich dir verzeihe …“

Für einen Moment herrschte Stille, in der Sakura es einfach nur genoss, dass Sasuke da war.

„Das war … wieder irritierend ausgedrückt, findest du nicht?“, sagte sie zögerlich, grinste dann aber. „Aber so langsam denke ich, dass ich verstehe wie du die Dinge meinst.“

„Ah“, machte Sasuke nur. „Es ist beruhigend, dass es wenigstens einer tut.“

„Das mit dem ‚Ich wäre nicht so schlau’ hättest du dir allerdings sparen können …“

„Hmm“, schmunzelte Sasuke lediglich, küsste Sakura schließlich und blieb mit ihr am Fenster, bis die Sonne den Horizont überschritt.

Epilog

Naruto stöhnte, als er seine vierte Portion Ramen verdrückte. Nicht gerade unauffällig stieß er auf, ehe er sich den Bauch rieb und die leere Ramenverpackung in den Mülleimer schmiss.

„Also so langsam könnte es ja mal losgehen“, brummte er und warf einen flüchtigen Blick zum Imbissstand. Vielleicht sollte er sich noch eine Portion holen? Wenn es noch mal eine halbe Stunde dauerte, müsste er ja die Zeit irgendwie überbrücken …

„Sei nicht so ungeduldig“, lächelte Hinata und stellte sich neben ihren Freund, der sich schwer gegen das Geländer lehnte und nur mit Müh und Not einen weiteren Rülpser unterdrücken konnte. Vor Hinata wollte er wenigstens so tun, als besäße er Anstand …

Ab und an wollte er zumindest so tun.

Wenigstens heute …

„Da ändert er sich nie“, hörte man Kakashi seufzen, der hinter den beiden auf einem Stuhl saß und sein Gesicht genüsslich in die Sonne streckte.

„Haben sie ihre Austrittsformulare schon erhalten?“, fragte Hinata ihren ehemaligen Kommandanten.

„Natürlich“, gab Kakashi zurück. „Sie haben meine Kündigung mit Freuden unterzeichnet. Am liebsten hätten sie mir noch einen Arschtritt gegeben, so wie die aussahen.“

„Bei uns war es das Gleiche“, nickte Naruto. „Das wir Sakura geholfen haben … sie meinten, wir können sogar mit einer Strafe rechnen und einem richterlichen Beguss und all so was.“

„Er meint einen Beschluss“, sagte Hinata lächelnd zu Kakashi, der die Braue hochgezogen hatte.

„Das wird nicht passieren“, gab dieser nur zurück. „Sie zicken nur, weil sie gute Leute verloren haben. Und sie wissen, dass wir genug wissen, um ihnen einen richterlichen Beschluss anzudrohen.“

„Das stimmt.“ Hinata strich sich die Haare hinters Ohr, als der aufkommende Wind sie durcheinander wehte. „Was werden sie jetzt tun, Kommandant?“

Sie nannte ihn noch immer so, trotz ihres gemeinsamen Austritts aus dem Militär und der Anbu.

„Nun, ich denke ich werde mir ein Häuschen kaufen. Mit einem wirklich großem Garten. Ich wollte ja schon immer Gärtner werden.“ Er schnaufte zufrieden. „Bohnen, ihr wisst gar nicht, wie schwer die Aufzucht guter Bohnen ist.“

„Sie werden sicher ein erfolgreicher Gärtner“, lachte Hinata leise.

„Und was werdet ihr machen?“

„Sie werden für mich arbeiten!“, sagte plötzlich eine unerwartete Stimme. „Stimmts? Ich habt doch meine Briefe bekommen, oder?“ Ino grinste breit in die Runde. „Was?“, fragte sie und sah die drei ungläubig an. „Meint ihr, ich komme nicht zur geheimnistuerischen ‚Versammlung’? Ich habe auch meine Quellen!“

„Sakura?“, fragte Hinata wissend und Ino nickte, wischte sich schnell übers Auge und grinste wieder.

„Da!“, rief Naruto plötzlich und zeigte auf die nahe liegende Flugbahn. „Jetzt starten sie!“

Alle vier stellten sich ans Geländer und mussten sich der Sonne wegen die Hand vor die Augen halten.

„Und so endet die Geschichte“, lachte Kakashi, als das Flugzeug an ihnen vorbeirauschte und sich in die Lüfte erhob. „Damit eine neue Geschichte ihren Anfang bekommt.“

„Europa soll wunderschön sein“, grinste Ino plötzlich, die aber längst ihr Taschentuch rausgeholt hatte und nun auch Hinata eines reichte. „Ich werde auch einmal nach Europa fliegen.“

„Ich habe gehört, Frankreich wäre sehr nett“, fügte Kakashi hinzu. „Frankreich würde mich auch reizen.“

„Aber dann am Meer, wenn schon Frankreich“, grinste Hinata, obwohl ihr die vielen Tränen die Sicht nahmen. „Eine Überlegung ist es wirklich wert.“

„Warum wollt ihr denn plötzlich alle in Frankreich Urlaub machen?“, fragte Naruto verwirrt, und alle lachten.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (146)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11...15]
/ 15

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  trusenkind
2016-01-08T11:27:35+00:00 08.01.2016 12:27
so eine hammer ff (*.*)
deine story war echt der wahnsinn^^
Von:  sissi-26xD
2015-03-30T20:25:57+00:00 30.03.2015 22:25
Super tolle FF :)
Hat mir von Anfang bis Ende gefallen und ich hätte wirklich gerne eine Fortsetzung ;)
Mach weiter so tolle FF's :-D

Lg ♥
Von:  liska_sasusaku
2014-06-06T07:12:16+00:00 06.06.2014 09:12
Hey, eine sehr sehr sehr gute ff :-) bin ein riesen fan von dieser ff und werde sie öfter lesen echt gut, weiter so :-*
Von:  liska_sasusaku
2014-06-05T22:42:55+00:00 06.06.2014 00:42
bei der stelle mit dem in die eier geschossen hatte ich einen lachanfall echt gut und witzig geschrieben freu mich auf die anderen kapitel *.*
Von:  Shyla_Uchiha
2014-06-01T19:47:20+00:00 01.06.2014 21:47
Ich musste mich echt zusammen reisen, um nicht zu heulen anzufangen T_T
Hat mir wirklich sehr gut gefallen!

Planst du, die Fortsetzung noch fertig zu stellen?

LG
Von:  Levisto
2013-01-26T14:21:37+00:00 26.01.2013 15:21
Hey, wirklich eine super FF. Hab wirklich gelacht als ich heraus fand, dass auch "Gone" von dir ist. Diese hatte ich erst kürzlich entdeckt und dann diese hier aus Interesse angefangen. Erst durch die Favo-Liste ist es mir aufgefallen, dass beide von dir sind *schmunzel*

Aber sind ja beides super Geschichten und ich werd gleich den zweiten Teil von dieser in Angriff nehmen.

Lg
Levisto
Von:  Kleines-Engelschen
2012-10-19T12:28:44+00:00 19.10.2012 14:28
ich finde es einfach unglaublich toll das du die geschichte neugeuppt hast und das du wieder da bist :)
deine geschichten sind einfach nur wow und diese mag ich ganz besonders.
mach auf alle fälle weiter so

greetz
Von:  kikotoshiyama
2012-09-20T18:49:01+00:00 20.09.2012 20:49
Supi Epilog^^
lg kiko
Von:  kikotoshiyama
2012-09-20T18:46:32+00:00 20.09.2012 20:46
Supi Kap^^
Und ein Happy End!!!
lg kiko
Von:  piranja11
2012-09-19T23:15:46+00:00 20.09.2012 01:15
Schöne Kapitel,
würde mich freuen wenn eine Fortsetzung bald kommt.

sehr tolle Geschiche....
lg


Zurück