Zum Inhalt der Seite

Fremde Welten: Das Schloss am Meer (#2)

Crimsons eigene Serie, yay!
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
immer noch Tag 9 Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Überraschende Hilfeleistung

Crimson schaute aus den Fenstern der Krankenstation hinaus auf das Schlossgelände, wo sich die landenden Drachen gegenseitig aus dem Weg gingen oder schnell eine kleine Gestalt annahmen, sobald ihre Reiter abgestiegen waren. Die meisten trugen zwei, einige sogar drei. Wenn einer nur einen Reiter trug, dann hatte dieser dafür einen Haufen Gepäck dabei.

Der Schlossherr erkannte Schattensturm, und von dessen Rücken sprang ein bekannter Magier in einem weißen Gewand. „Paps...“ murmelte er überrascht.

Mit Shiro waren Magi und Mad gereist. Neo kam mit seinem Drachen Diamantkralle und brachte seinen Vater Freed mit. Weitere Magier, die Crimson vom Sehen kannte, und ebenso ein paar Krieger, die er damals im Lager des Drachenhauchordens kennen gelernt hatte, suchten sich Plätze und fingen an, ein Lager aufzubauen. Sobald die Besucher den Boden berührten, konnte Cathy ihnen Energiespenden abziehen, was auch jeder von ihnen willig zuließ. Krieger waren gut geeignete Spender, weil sie oft Magier in der Familie hatten oder teilweise sogar den ein oder anderen Trick beherrschten, wie ja auch viele Magier eine Waffe führen konnten. Davon abgesehen sprach man ja nicht umsonst oft von einer Kriegeraura oder der einschüchternden Ausstrahlung dieser Berufsgruppe.

Dark legte Crimson eine Hand auf die Schulter. „Das ist eine kleine Überraschung, die Vater und ich mit deinem Schlossherz für dich ausgeheckt haben.“

„Hm? Wie jetzt?“ Crimson verstand nicht.

Kuro lachte. „Hast du nicht gewusst, dass dein Schlossherz mit einem anderen Schlossherz kommunizieren kann, wenn sein Herr sich auf dem Gelände befindet?“

„Äh... nein, das ist mir neu. Aber außer mal kurz im Kristallschloss war ich auch noch nicht in Schlössern, die ein Herz haben, seit ich selber ein Schlossherr bin,“ gab Crimson zu.

„Es geht auch nur, wenn Ihr die Tiefenbindung zum Schlossherz habt,“ informierte Cathy ihn. „Insofern blieb mir diese Möglichkeit bisher verwehrt, wenn Ihr woanders wart.“

„Also habt ihr die ganze Zeit mit Shiro Kontakt gehabt?“ hakte Crimson nach.

„Im Endeffekt ja,“ nickte Dark. „Als er erfuhr, dass wir hier in Quarantäne sind, hat er sofort Hilfe organisiert. Man kann diesen Modus normalerweise nicht wieder deaktivieren, bis die Krankheit ausgestanden ist, aber Cathy hätte wahrscheinlich irgendwann wegen zu geringer Energie wieder in den Normalmodus gehen müssen. Davon abgesehen sind wir auch rein organisatorisch viel zu wenige Leute. Jemand muss kochen und sich um die Kranken kümmern und... nun, ich nehme an, dein Trank macht sich auch nicht von selbst, Crimson.“

Der Schlossherr fühlte sich ertappt. „Ähm... ja, da hast du Recht.“

„Onkel Shiro hat also gleich einige Freiwillige versammelt, die hier in den nächsten Tagen leben werden, auch wenn nur die wenigsten das Schloss betreten können,“ fuhr Dark fort. „Er selbst hatte noch nie Schattenfieber oder Schattenpocken, was er momentan sehr bedauert, aber es lässt sich nicht ändern, zumal wir eh schon zwei Schlossherren außer dir hier festsitzen haben.“

Kuro wandte sich zu Sorc um. „Komm her, sieh es dir an!“ forderte er ihn lächelnd auf.

Das tat Sorc, aber er hielt wachsam einen halben Meter Abstand von dem anderen Magier. Dessen Verhalten war auch durchaus etwas seltsam.

„Sieh dir all die Leute da draußen an!“ freute Kuro sich. „Die kommen zwar jetzt zu einem Großteil vom Kristallschloss, aber bis Burg Drachenfels zerstört wurde, hatten sie dort ihr Zuhause. Andere, die dem Drachenhauchorden angehören, waren dabei, als der Fünfgötterdrache erschienen ist, oder kämpften in der Schlacht bei der Feenburg. Ich glaube, Mavas ganze Familie ist da. Erias Vater. Darks Adoptivschwester und Blackys Halbschwester. Ich habe mein Schlossherz dafür sorgen lassen, dass sie alle wissen, wer sich hinter diesen Mauern versteckt hat. Die werden nicht abreisen, bevor sie dir nicht das Fell über die Ohren gezogen haben!“

„Kuro!“ empörte Blacky sich. „War das nötig?“

„Bei Gelegenheit würde es mich mal interessieren, wie er dich auf seine Seite gekriegt hat, Blacky,“ entgegnete der Ältere. „Besonders väterlich behandelt hat er dich doch schließlich nicht.“

„Ich bin eben nicht so nachtragend!“ gab Blacky ihm verärgert zu verstehen.

Kuro zuckte mit den Schultern. „Wie du meinst. Aber du wirst dir damit keine Freunde machen, Junge. Überleg dir gut, wer dir wichtiger ist: Deine Freunde, die seit Jahren zu dir halten, oder ein Vater, der deinen Nutzen erst jetzt erkannt hat, als er jemanden brauchte, der ihn mit seiner Fürsprache vor dem Schafott bewahrt. Oh... oder richtet der Zirkel des Bösen Magier durch den Scheiterhaufen hin? Weiß ich gar nicht genau.“

Crimson hatte Sorc beobachtet. Der Chaoshexer starrte schweigend aus dem Fenster. Seinem Gesicht war wie immer nichts anzusehen, aber er wirkte geistesabwesend und hatte die Hände fest zu Fäusten geschlossen. Spätestens, wenn der Quarantänemodus aufgehoben wurde, musste Crimson sich eine Lösung für dieses Problem einfallen lassen, aber fürs Erste war ihm wichtig, dass sich jemand um sein illegales Elixier kümmerte, solange er selbst es nicht konnte.

„Ich sollte wohl mal die Gäste begrüßen gehen,“ murmelte Crimson. Natürlich konnte er sowieso kaum einen Schritt vor den anderen setzen und auch gar nicht das Schloss verlassen im Moment, aber er konnte Cathy hinschicken und durch ihn sprechen.

„Du solltest dich lieber in das Zimmer begeben, wo bereits Yami und Mava sind,“ schlug Dark vor. „Wenn du schon einmal stehst... du wirst sicher bald die ersten Symptome der Krankheit zeigen.“

Crimson seufzte frustriert. „Ich fühle mich verschwitzt. Hat das schon was zu sagen?“

„Vielleicht.“

„Na dann. In Ordnung. Eria, du solltest auch wieder in dein Bett gehen und dich noch etwas ausruhen. Vielleicht wirst du nicht ewig einer Ansteckung entgehen, aber du kannst es versuchen,“ wies der Weißhaarige seine Schülerin an.

„Ich will euch lieber helfen, so lange ich es kann,“ widersprach sie. „Wenn ich mich anstecke, habe ich das Problem zumindest nie wieder.“

„Für Kinder ist Schattenfieber schlimmer als für Erwachsene,“ bemerkte Sorc.

Sie warf ihm einen bösen Blick zu. „Tu du mal nicht so, als würde dich meine Gesundheit interessieren! Ich bin außerdem kein Kind mehr!“

Er öffnete den Mund zu einer Erwiderung, schien es sich aber anders zu überlegen und sah statt dessen wieder aus dem Fenster.

„Leg dich trotzdem noch etwas ins Bett,“ beharrte Crimson, dem der Widerspruch seiner Schülerin heute einmal generell gegen den Strich ging. „Iss und trink genug. Und wenn Olvin und Lily es dir erlauben, kannst du heute Nachmittag aufstehen. Ach ja... du kannst dann das Bad aufräumen – zusammen mit Sorc.“

„Was?!“ riefen beide gemeinsam und gleichzeitig.

„Ich soll mit dem da zusammenarbeiten?“ empörte Eria sich.

„Wir werden uns mehr zanken als arbeiten!“ stimmte Sorc ihr ausnahmsweise zu.

„Die Arbeit muss gemacht werden,“ setzte Crimson fest. „Ich werde euch so lange zusammen irgendetwas machen lassen, bis ihr euch vertragt. Also bringt das Bad in einen benutzbaren Zustand. Mehr muss es zunächst gar nicht sein.“

„Aber Sorc muss noch seine Schulter auskurieren,“ wandte Lily ein.

„Zum Putzen wird es reichen!“ Crimson war nicht bereit, sich in dieser Hinsícht geschlagen zu geben. „Zur Not dauert es eben etwas länger. Wir haben zur Zeit etwas Personalmangel, und wir brauchen das Bad.“

„Betrachte es als erledigt,“ sagte Sorc endlich und warf einen Blick auf Eria, den sie grimmig erwiderte, aber sie widersprach nicht mehr.

„Onkel Kuro,“ wandte sich Crimson dann an den Nächsten. „Lass Sorc in Ruhe, solange ich ausfalle. Er hat ein paar Aufgaben hier im Schloss, um die er sich kümmern muss. Racheakte jeglicher Art müssen bis später warten, verstanden?“

Kuro schnaubte verächtlich in Sorcs Richtung, gab aber nach. „Verstanden. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben!“

Crimson hätte das unter normalen Umständen vielleicht ausdiskutiert, aber er fühlte sich dem im Moment nicht gewachsen. Einerseits konnte er nachvollziehen, dass jeder, der irgendwie durch Sorc gelitten hatte, es ihm heimzahlen wollte, aber als Schlossherr wollte er das nicht zulassen. Das überraschte ihn teilweise auch, schließlich gehörte er selbst zu den Leidtragenden.

Cathy schwebte zu ihm hin. „Meister, im Quarantänemodus ist es üblich, dass der Schlossherr seine Befehlsgewalt an eine geeignete Person abgibt, wenn er selbst erkrankt. Diese Person sollte aber kein anderer Schlossherr sein und auch niemand, der ebenfalls krank ist. Wollt Ihr jemanden zu Eurem Vertreter ernennen?“

Das kam überraschend, aber Crimson fand den Vorschlag angemessen. Daran hätte er selbst denken sollen. Allerdings wusste er nicht, wen von den Anwesenden er damit betrauen sollte. Alle im Schloss hatten sich eventuell schon infiziert mit Ausnahme derjenigen, die dagegen immun waren, und davon war einer ein Schlossherr und einer ein Rehabilitant, dessen Ernennung vermutlich zu einer Meuterei führen würde. Oh... es gab noch Olvin. Aber den wollte er nicht so wirklich in der führenden Position wissen.

„Ich werde darüber nachdenken... frag mich später noch einmal,“ sagte Crimson ausweichend, so dass sein Schlossherz zumindest eine Antwort hatte.

„Verstanden, Meister,“ bestätigte Cathy. „Mit Eurer Erlaubnis werde ich jetzt unsere Gäste begrüßen. Eine kleinere Gruppe nähert sich dem Haupttor. Dies gehört zu meinen Aufgaben, Ihr müsst nicht durch mich sprechen.“ Er nahm Bezug auf Crimsons Gedanken von vorhin und wirkte dabei ein bisschen in seiner Ehre gekränkt.

Der Schlossherr entschied, nicht auf seine persönliche Einmischung zu bestehen, und überließ die Sache dem Geist. So konnte er sich auf andere Dinge konzentrieren. „Lasst ihr mich bitte ein paar Minuten mit Sorc alleine?“ bat er die Umstehenden. „Danach gehe ich auch brav überall hin, wo ihr wollt.“

Sie kamen seiner Aufforderung zögerlich nach, wenn auch nicht jeder aus denselben Gründen.

„Ich komme dann wieder und helfe dir,“ versprach Dark. Er wartete noch kurz auf Blacky, der einen ziemlich niedergeschlagenen Eindruck machte.

Während Crimson noch überlegte, wie er dieses Gespräch beginnen sollte, ergriff Sorc das Wort. „Direktor... danke für dein Vertrauen.“

Der Weißhaarige hob erstaunt die Augenbrauen. „Aber ich vertraue dir nicht.“

Sorc lächelte wissend. „Aber trotz all der Zweifel, die du hattest, hast du nichts unternommen, als ich Eria überwältigt habe. Du hast nicht einmal gerufen, hast dich kaum erschrocken. Du hast dich darauf verlassen, dass ich ihr nichts tun würde, obwohl du mir zuvor noch zugetraut hast, den ganzen Zirkel des Bösen hereingelegt zu haben.“

„Dann bist du also noch in meinem Kopf,“ stellte Crimson fest.

„Deine Gedanken waren laut genug. Ich musste nicht einmal absichtlich hinhören.“

„Ah... okay.“

Der Chaosmagier hob eine Augenbraue. „Okay sagst du?“

„Es hat vielleicht Vorteile,“ meinte Crimson. „Bring mir das Buch her.“

Sorc holte „Anspruchsvolle Tränke, Gifte und Elixiere für den ehrgeizigen Magier“, das die ganze Zeit auf seinem Bett gelegen hatte, und schlug es auf der Fensterbank auf.

„Du solltest dich bei Yugi erkundigen, wie er die Herbeischaffung der Zutaten organisiert hat,“ schlug Crimson vor. „Mach es gleich, es könnte sein, dass er an Schattenfieber erkrankt. Wenn etwas fehlt, musst du einen Weg finden, es zu beschaffen. Diese Sachen werden bald gebracht... das hab ich oben... das da sollte Mava morgen holen, da brauchen wir Ersatz...“ Der Weißhaarige runzelte die Stirn. „Vielleicht sollte ich irgendwem Bescheid geben, dass du autorisiert bist...“

„Ich finde einen Weg,“ versicherte Sorc. „Erklär mir nur, was ich mit diesen Sachen machen soll. Da zum Beispiel... kleinschneiden. Wie klein?“

Crimson wusste nicht, ob Sorc sich dessen bewusst war, aber eins stand fest: Der Mann strahlte Sicherheit aus. Je mehr er mit ihm die Zubereitung des Elixiers besprach, umso beruhigter wurde er. Als sie fertig waren, klappte Sorc das Buch zu und ließ es in einem Spalt in der Luft verschwinden.

„Ich behalte das, bis du dich auskuriert hast. Oder soll ich es lieber wieder oben hinlegen?“ erkundigte er sich. Sein Blick huschte kurz aus dem Fenster.

Crimson verstand die Botschaft. *Falls mir etwas zustößt.*

„Leg es zurück nach oben, damit es nicht in deinem Besitz gefunden wird,“ entschied er.

Sorc nickte. „In Ordnung.“

Es entstand eine Minute des Schweigens, in der Crimson sich fragte, ob auch Sorc zögerte, das Thema anzuschneiden, was noch offen war. Als er gerade nachhaken wollte, ob der Blauhäutige mit der Situation klarkommen würde, flog die Tür auf, und herein stürmte eine sehr respekteinflößende Gestalt – wobei Crimson nicht sicher war, ob ihn oder Sorc das mehr erschreckte.

Black Luster kam mit soldatisch festen Schritten auf sie zu. „Crimson! Mann, lange nichts mehr von dir gehört!“ Er ergriff Crimsons Hand in einem Kriegergruß, der sie fast zerquetschte.

„Äh... Luster! Hallo... ja... Sag bloß, du hattest schonmal Schattenfieber...“ Die Vorstellung von Luster, der als Kind Schattenpocken hatte, war jedenfalls zu absurd, um wahr zu sein.

Der Krieger lachte schallend. „Ach was! Drachen kriegen sowas nicht!“

„Ach... ja, darauf hätte ich kommen müssen,“ murmelte Crimson.

Doch Luster hatte seine Aufmerksamkeit bereits Sorc zugewandt. „Ah, du bist der Beschwörer des Fünfgötterdrachen!“ Er packte den Hexer an beiden Schultern und hielt ihn auf Armeslänge von sich weg, um ihn genau betrachten zu können.

Sorc hielt sich wacker, nur die angespannte Kieferpartie und leichte Falten in der Stirn ließen vermuten, dass er mit Prügeln rechnete. Offensichtlich war er aber entschlossen, diese aufrechten Hauptes entgegen zu nehmen.

„Du siehst wirklich fast so aus wie Darks Anhängsel, und der hat mir einen guten Kampf geliefert!“ stellte Luster fest. Als Nächstes lag sein linker Arm um Sorcs Schultern, als wären sie alte Kumpel. „Sag schon! Wie war das, den Fünfgötterdrachen zu beschwören? Fühlte es sich geil an? Hattest du ein bisschen Angst? Ah, nein, du nicht, was? Hahahaha! Hey, nach welchen Kriterien hast du die Opfer ausgesucht? War es leicht, den Drachen unter Kontrolle zu halten? Du musst mir alles darüber erzählen!“

Diese Situation war ein Beweis für die unglaubliche Anpassungsfähigkeit eines Chaosmagiers, denn Sorc schaltete von einer Sekunde auf die andere von standhafter Erwartung körperlicher Gewalt auf freundliche Konversation zwischen zwei Leuten mit demselben Hobby um. „Ach... ich habe in meiner Schulzeit alles über diesen Drachen gelesen und wollte unbedingt herausfinden, ob alles stimmt, was in dem Buch steht... Es war ziemlich spannend, weil wir spontan den Schauplatz wechseln mussten, und erschwerend kam ja noch hinzu, dass die Opfer nur bedingt kooperiert haben. Aber als alles vorbereitet war und das Ritual begann, das war einfach ergreifend!“

Luster machte ein Gesicht wie jemand, der mit einem Heiligen spricht. Obwohl Sorc für einen Magier schon groß und relativ breit gebaut war, konnte er sich diesbezüglich doch nicht mit dem Krieger vergleichen, aber die beiden waren nach kurzer Eingewöhnung entspannt ins Gespräch vertieft.

Crimson indessen fand es zunehmend schwieriger, sich auf das Geschehen zu konzentrieren. „Leute... nehmt es mir nicht übel, aber ich glaub ich muss mich hinsetzen...“ Er machte einen taumelnden Schritt vom Fenster weg und stolperte, nur um sich gleich darauf regelrecht in Lusters Armen wiederzufinden.

„Oh, entschuldige, ich habe Dark eigentlich versprochen, dass ich dich in das andere Zimmer trage,“ sagte der Krieger grinsend. „Das werden wir gleich haben...“

„Wah, nein!“ protestierte Crimson halbherzig, doch Luster hob ihn hoch und trug ihn auf Händen wie eine holde Maid. Der Magier versuchte darauf zu achten, dass zumindest sein Hemdchen nicht hochflatterte, wenn er sich schon so peinlich transportieren lassen musste. Eins musste er allerdings zugeben... es war besser so, als wenn er auf eigenen Füßen gegangen wäre.

Aus dem Augenwinkel sah er, wie Sorc ihm zuwinkte. Er wirkte ein wenig entspannter als noch vor wenigen Minuten.

Gnädigerweise war sonst niemand mehr auf dem Gang, um ihn so zu sehen. „Luster... wer ist noch mit dir hereingekommen?“ murmelte Crimson.

„Mad vom Kristallschloss, Breaker vom Drachenhauchorden und noch ein alter Mann, dessen Namen ich aber vergessen habe.“

Von all diesen Leuten erschien Luster ihm am besten geeignet, auch wenn der Typ ein arroganter Kotzbrocken war. „Luster... würdest du stellvertretend für mich hier die Leitung übernehmen? Bis ich das Fieber wieder los bin...“

„Kein Problem,“ kam die prompte Antwort.

Crimson schloss die Augen. [„Cathy...“]

[„Ja, Meister. Ich habe verstanden.“]
 

Der Rest des Tages ging schemenhaft an Crimson vorbei. Das Fieber schlug ihn brutal nieder, so dass er nicht viel von dem mitbekam, was sich im Schloss ereignete. Wenn er etwas bewusst wahrnahm, flößte ihm jemand Tee ein, aber er erinnerte sich später nicht mehr daran, wer das tat, nur daran, dass es wohl dieses Hausmittel gegen die Krankheit war... und es schmeckte scheußlich.

Er wollte zu gerne seine Decke wegwerfen, denn er schwitzte und hatte immer das Gefühl, seine Kleidung wäre ganz nass. Aber wenn er die Decke von sich schob, fing er an zu frieren.

Irgendjemand kümmerte sich darum, ihn ab und zu zu waschen, ihm ein neues Hemdchen anzuziehen und dergleichen – alles Dinge, die ihm eigentlich peinlich gewesen wären, wenn seine Kraft gereicht hätte, um sich darüber Gedanken zu machen.

Ab und zu konnte er sich bei Cathy nach dem Elixier erkundigen und erfuhr dann jeweils, dass Sorc alles im Griff hatte. Er wusste inzwischen auch, dass die Energieversorgung des Schlosses gut lief, ohne dass er etwas dazu beitrug. Sein Vater sorgte sich um ihn, konnte aber nicht bei ihm sein, damit er sich nicht ansteckte. Dafür gab er besonders viel von seiner Energie – darauf bestand er, und Cathy stritt nicht mit ihm.

Eines Nachts schaute Crimson neben sich und erkannte Dark im nächsten Bett. Also hatte sein Cousin seine Ankündigung wahr gemacht und das Nachbarbett reserviert... aber ihn hatte es wohl etwas später erwischt. Er hatte ja noch ganz in Ordnung ausgesehen, als sie einander zuletzt begegnet waren.

Er war wohl wieder eingenickt, jedenfalls erwachte er das nächste Mal zu einem ziemlich seltsamen, pflanzlich anmutenden Geruch. Jemand bewegte sich neben seinem Bett. „Direktor, seid Ihr wach? Ich bringe das Frühstück.“ Die Stimme war ihm fremd, erinnerte ihn aber an jemanden.

Crimson schlug etwas zögerlich die Augen auf – und erblickte Sorc mit invertierten Farben. Alabasterfarbene Haut, hellblondes Haar, lichtblaue Pupillen. Eine elegante, weiße Robe, definitiv nicht aus dem Schlossbestand. Häh? Vielleicht war er doch noch nicht ganz wach.

„Wie schön, Direktor, Ihr seid bei uns!“ freute Invert-Sorc sich. „Meine Mutter lässt Euch schöne Grüße ausrichten. Oh, wir wurden einander noch gar nicht vorgestellt... ich bin Lichal, Prinz der Eisigen Inseln. Alle nennen mich einfach Ray.“

Crimson wühlte in seinem Gedächtnis. Lichal... Ray... Eisige Inseln... „Sorcs Bruder,“ wollte er ausrufen, doch es wurde nur ein heiseres Flüstern.

Ray lächelte breit. „Genau! Ich habe die Kristalltrauben gebracht, fertig gepresst und vergoren. Mutter hat darauf bestanden, dass ich noch mehrere Flaschen unseres besten Jahrgangs mitbringe. Außerdem schickt sie Euch zwei Dienerinnen, aber die durften nicht ins Schloss. Ich hatte natürlich mal Schattenpocken – damals, mit Sorc zusammen. Mutter hat darauf geachtet, dass wir das beide einmal kriegen.“

„Wie bitte?“ Crimson vermutete, dass er sich verhört hatte. „Sie... wollte, dass ihr Schattenpocken kriegt?“

„Selbstverständlich! Wer Schattenpocken hatte, bekommt später kein Schattenfieber. Bei den Eisigen Inseln kommt man nur schwer an Strandlotus, daher ist eine kontrollierte Immunisierung im Kindesalter ratsam, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Iquenee wurde extra auf eine Reise in ein Epidemiegebiet geschickt, weil vor ihrem zehnten Lebensjahr keine bei uns auftrat.“

„Iquenee... die Schwester,“ erinnerte Crimson sich mit etwas Mühe.

„Genau!“ strahlte Ray. „Unsere Kleine! Allerdings auch eine Magierin, Mutter flippte fast aus. Naja, da muss sie durch. Ach ja, Direktor, nehmt Ihr eigentlich auch Schüler, die vorher auf der Eisigen Universität waren?“

„Sicher... aber es gibt keine Sonderbehandlung.“

„Ah... das passt schon. Hat Euch Sorc seine Zeugnisse gezeigt, oder warum fragt Ihr?“

„Nicht so direkt...“ Crimson hatte ja nur mit dem Chaoshexer darüber gesprochen, den Beweis aber nie gesehen.

„Es ist furchtbar, einen älteren Bruder mit dieser Schullaufbahn zu haben, das könnt Ihr mir glauben. Aber meine Eltern sind Realisten, sie wissen, dass es sowas nicht zweimal so kurz hintereinander gibt, insofern habe ich das alles etwas entspannter gemacht...“ Ray griff nach einer Müslischale, in der allerdings irgendetwas Warmes war. „So, nun kommen wir aber mal zur Sache. Könnt Ihr Euch hinsetzen?“

Es funktionierte mit etwas Mühe. Aus dieser Position konnte Crimson erkennen, dass Kuro gerade dabei war, Dark Tee einzuflößen, und im übernächsten Bett aß Mava selbstständig sein Frühstück. Es schien ihn einiges an Überwindung zu kosten. Auf Crimsons anderer Seite lag Yami. Er war nicht bei Bewusstsein. Ein feuchtes Tuch lag auf seiner Stirn und sein Gesicht war ganz verschwitzt, die Haare strähnig.

Ray bemerkte Crimsons Blick. „Der da kriegt Knochensalzmedizin. Es hat ihn schlimm erwischt. Der alte Heiler hat seine liebe Not mit ihm. Hier, esst.“ Er hielt Crimson einen Löffel mit einer leicht dampfenden, grünen Substanz vor den Mund.

Das Zeug sah unappetitlich aus und schmeckte auch so. Nach Tümpelschlamm und Fisch. Nur die Aussicht auf bessere Gesundheit brachte Crimson dazu, den Brei zu schlucken.

„Wir haben das ganze Menü im Angebot,“ plauderte Ray. „Wer noch fiebert, kriegt Strandlotustee, der aus den frischen Blüten hergestellt wird. Nach dem Aufwachen, da seid Ihr jetzt gerade, bieten wir Strandlotusbrei aus den grünen Blättern an. Alternativ gibt es Strandlotussuppe, aber davon muss man mehr essen, um die gleiche Wirkung zu erzielen, es ist im Prinzip Brei mit mehr Wasser. Strandlotusscheiben vom Stiel in der Pfanne geschwenkt sollen lecker sein. Roh ist er etwas schwer zu kauen.“

Der Brei war durchsetzt von zähen Fasern, die zwischen den Zähnen hängen blieben. Was nicht Faser war, hatte eine schleimige, zusammenhängende Konsistenz. Crimson hätte zu gerne gewusst, wie die Knochensalzbrühe schmeckte. Gewiss konnte das nicht schlimmer sein.

„Seit wann seid Ihr schon hier, Ray?“ erkundigte er sich. Eins musste man dem Lotusbrei lassen, er beruhigte den Hals.

„Seit gestern früh,“ gab der Prinz Auskunft. „Die Trauben sollten bis dann geliefert werden.“

Crimson hielt im Kauen inne und schluckte den Rest runter. „Dann... dann waren es sechs Tage! Oh, verdammt!“

Ray hob eine seiner aristokratischen, hellen Augenbrauen. „Natürlich! Und es werden noch viele weitere Tage hinzukommen, wenn Ihr nicht aufesst, Direktor. Schattenfieber ist gefährlich, weil die ersten Anzeichen unterschätzt werden, die dann schon ansteckend sind, aber auch das Ausklingen der Krankheit ist ein Risiko – die meisten Patienten stehen zu früh wieder auf, stecken ihre Mitmenschen an und bekommen einen Rückschlag.“

Der Typ hatte den gleichen belehrenden Tonfall an sich wie Sorc, befand Crimson. Folgsam aß er mehr von dem ekligen Brei und versuchte, mit wenig Kauen auszukommen.

„Geht es den Mädchen einigermaßen gut? Rosi und Saambell...“ fragte er in einer Pause.

„Oh ja,“ nickte Ray eifrig. „Wir haben meinem Bruder die Aufgabe übertragen, die beiden mit dem Brei und dem Tee zu versorgen. Er scheint der Einzige zu sein, der sie dazu überreden kann. Sie schlafen auf seinem Schoß ein und lassen sich von ihm herumtragen... Ihr solltet ihn sehen. Aber er hat genug eigene Kinder großgezogen, dann muss es wohl so sein.“

Von Darks Bett aus schaute Kuro finster herüber, sagte aber nichts dazu. Ray saß mit dem Rücken zu ihm und merkte es nicht.

Crimson musste unwillkürlich an Runa und Demise denken. Zählten die auch mit dazu? Hingegen fiel dann wohl Blacky aus der Rechnung raus... Da Kuro anwesend war und ja generell alles missbilligte, was mit Sorc zu tun hatte, verzichtete er darauf, weitere Fragen zu dem Chaosmagier zu stellen, obwohl er das zu gerne getan hätte.

„Seid Ihr der Thronerbe der Eisigen Inseln, Ray?“ wechselte er statt dessen das Thema.

Der Lichtmagier sah zumindest sehr danach aus. Er trug sein Haar offen, und es hing gepflegt über seine Schultern. Seine Robe bestand aus einem Untergewand und einem Überwurf, die locker geschnittenen Ärmel verschwanden unter Armschienen aus weiß gefärbtem Metall mit blauen Rändern.

„Die Thronfolge steht noch nicht fest,“ gab Ray bereitwillig Auskunft. „Tatsache ist jedoch, dass Mutter sich eigentlich keinen Magier als ihren Nachfolger wünscht und dass keiner von uns Geschwistern sich darum reißt.“

Das war ja mal was ganz Neues... normalerweise wurde sich doch eher um die Herrschaft gestritten, aber vielleicht war ein Eiskönigreich nicht so attraktiv. Anscheinend gab es noch genug Gesprächsstoff für die nächsten Tage. Crimson fühlte sich soweit ganz gut, glaubte seinem Gast aber, dass mit Schattenfieber nicht zu spaßen war. Außerdem hatte er nicht die Absicht, den Worten des Prinzen zu widersprechen... also legte er sich nach dem Frühstück wieder hin, versuchte, den Gechmack aus dem Mund zu bekommen und sich nicht zu sehr zu sorgen...



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Hikari-Yumi
2013-08-07T20:59:08+00:00 07.08.2013 22:59
Huhu
Sorry komme erst jetzt zum kommi xD
Da ich alles interessante bereits verballert habe ^^

Die Sache mit dem Bad putzen habe ich ja ganz vergessen. Das würde mich auch interessieren.
Findet eigentlich jemand das Buch "für aufstrebende Magier" und zieht Schlüsse? Am besten wer, der gerade nicht gut auf sie zu sprechen ist....
Kuro, der Sorc vorwirft Crimson zu verderben...

Nein zu abwegig :)
Ich bin wirklich gespannt....

Frage offtopic:
Yugi ist ja Blutsbruder mit Blacky und dark.
Hat das auch Auswirkungen auf yami?

Und was wird seto sagen, das einer seiner Geliebten am Leiden ist?
Nun denn Hau in die Tasten!
Antwort von:  Purple_Moon
08.08.2013 07:11
Hehe dir fällt schon noch was ein.^^ Siehste...
Also auf allgemeinen Wunsch (von zwei Leuten) werde ich irgendwie nochmal erzählen, wie das im Bad verlaufen ist...
Das Buch liegt wieder in Crimsons Turmzimmer, dort ist es relativ unverdächtig, selbst wenn Sorc damit arbeitet. Diesbezüglich kann man ihm auch nichts anlasten, weil Cathy weiß, dass er die Aufgabe hat, sich um den Trank zu kümmern.
Nein, das hat keine Auswirkungen auf Yami - er hat seinen eigenen Körper und der ist, rein technisch gesehen, nicht der Blutsbruder der beiden Magier.
Wenn Seto was von der Krankheit wüsste, würde er darauf bestehen, dass sofort Yami und Yugi zu ihm kommen und von seinen besten Ärzten behandelt werden... und da das nicht geht, würde er mit seinen besten Ärzten anrücken. Was auch schwierig wäre. Aber er weiß von nichts, woher auch? Er überhäuft sich selbst gerade mit Arbeit, weil die beiden nicht da sind.^^ Kein Handy-Empfang.^^
Von:  jyorie
2013-08-07T15:10:27+00:00 07.08.2013 17:10
Hey ^_^

oh man, da ist ja eine Menge los auf dem Schloss – langsam wird es voll. Musstest du ausgerechnet dem anderen Black das Schloss als Vertretung über lassen? – aber es war irendwie lustig, wie er sich mit Sorc über die Beschwörung des 5er-Drachen unterhalten hat, ganz wertungsfrei, was der Grund war sonder nur über die Sache an sich, hat sich fast angehört, als wenn er gleich zu schwärmen beginnt.

Hat Spaß gemacht das Kapitel ... was macht den eigentlich Olvin zur Zeit, hat er schon bessere Laune? Ich mag die Stellen, wenn er Crimson mit seinem „Jungchen“ neckt.

*kichert* und darauf freu ich mich, denn das kann ja lustig werden, wenn Eria und Sorc das Bad wieder herrichten sollen.

CuCu Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
07.08.2013 17:32
Hi,
ja, Luster ist ein professioneller Held, wenn den jemand angreift, ist er nicht sauer, sondern freut sich über die Herausforderung. Der bringt es fertig und gibt Sorc Tipps, was er hätte besser machen können. XD
Olvin ist zur Zeit als Heiler ziemlich beschäftigt. Er kann zwar keine Krankheiten heilen, kennt sich aber mit nichtmagischen Behandlungsmethoden und Heiltränken aus. Von ihm hörst du bestimmt bald wieder was.
Da inzwischen ja sechs Tage vergangen sind, bin ich nicht sicher, inwiefern ich das Aufräumen des Bades beschreiben kann, eigentlich bin ich noch völlig unschlüssig, was jetzt passieren soll... da können wir uns alle mal überraschen lassen...^^°
LG

PM
Antwort von:  jyorie
07.08.2013 17:51
Falls du es schreiben möchtest? ...

Hm ... ist das das Bad das Yami schon begonnen hatte umzugestallten? ... Vielleicht ärgert er sich ja. Durch ihre Attaken sind bestimmmt die Wände und der Boden beschädigt, vielleicht hat auch das Becken ein Leck, oder die Quelle ist verstopft.

Du könntest es zu einem Wettstreit der beiden ausufern lassen (oder zumindest von Erias-Seite, da sie nicht will das Sorc etwas besser kann) Ich glaube nicht, das sie sich sofort vertragen und Sorc ihr tipps gibt, das währe wohl to much.

War ja auch nur so ne Idee, vielleicht war Katy ja schneller und sie müssen nur putzen^^
Antwort von:  Purple_Moon
07.08.2013 20:22
Eigentlich ist für mehr als Putzen keine Zeit, aber wie das abgelaufen ist, kann ich sicher irgendwie vermitteln, wenn dich das interessiert... um es mal mit Sorcs Worten zu sagen: Ich finde einen Weg.^^


Zurück