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Fremde Welten: Das Schloss am Meer (#2)

Crimsons eigene Serie, yay!
von

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Geständnisse

Kurz vor dem Mittagessen bekam er wieder Besuch, und auf diese Person hatte er eigentlich schon länger gewartet. Es war Paladia, die inzwischen schwer an ihrem Bauch zu schleppen hatte. Zwar dauerte es noch ein, zwei Wochen, aber es hätte niemanden gewundert, wenn das Kind ungeduldig geworden wäre. Sie machten oft darüber Witze, dass es dann ja nach ihm käme.

„Hallo,“ begrüßte er sie und bemühte sich rasch, eine sitzende Pose einzunehmen.

Paladia lächelte. „Mein tapferer Magier. Ich wollte schon eher kommen, aber im Moment mache ich mir nur die Mühe eines Weges, wenn ich genau weiß, dass es sich lohnt. Gestern warst du noch so schläfrig, berichtete man mir.“

„Ja, das ist wohl wahr.“ Er betrachtete sie voller Zuneigung, hütete sich jedoch, sich zu sehr zu verlieben. Freilich konnte man das letzten Endes nicht bestimmen, aber sie würde nach der Geburt zu den Amazonen gehen, mit ihrer Tochter, wenn es denn eine wurde. Amazonen blieben oft bei dem Mann, der ihr Kind gezeugt hatte, bis klar war, wer es aufziehen würde. Zumindest verbrachten viele die letzten Wochen bei ihm, was auch den Vorteil hatte, dass er sie in diesem Zustand beschützen konnte. Sie wählten niemals einen, der dieser Pflicht nicht gewachsen war.

„Ich glaube, sie will nicht mehr lange warten,“ meinte Paladia. Sie redete immer von ihrem ungeborenen Baby, als wäre es ganz gewiss ein Mädchen, weil das Amazonenorakel es so gesagt hatte.

„Vielleicht wird es eine Magierin,“ neckte Crimson sie. „Kann ich sie dann behalten?“

Paladia warf ihm einen schiefen Blick zu. „Vorsicht mit deinen Wünschen... sie könnte bei der Schamanin lernen, wenn sie dein Talent geerbt hat. Du hast ja bereits Amazonenblut. Das ist eine gute Voraussetzung für eine zukünftige Schamanin.“

Die Kriegerin hatte wirklich für alle Fälle schon eine Lösung parat. Sie setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett, um ihre Last angenehmer zu machen. „Ich werde dafür sorgen, dass die Kleine dich stolz macht. Sieh du zu, dass ich ihr stolz von ihrem Vater berichten kann!“

Crimson lachte, wurde dann aber wieder ernst. „Über das Thema wollte ich mit dir und Eria noch reden... doch mir kam eine Schlange dazwischen.“

„Nun, dann sollten wir es auf eine andere Gelegenheit verschieben, damit du es nicht zweimal sagen musst, oder?“

„Nein... ist vielleicht ganz gut so. Vielleicht hast du eine andere Meinung dazu als sie...“ Crimson schaute die Frau, die sein Kind in sich trug, nachdenklich an. Konnte er ihr die Wahrheit sagen, in ihrem Zustand? Nachher regte sie sich noch zu sehr auf!

Doch Paladia war bereits ganz gespannt und wartete auf seine Erläuterungen.

„Also...“ Er faltete die Hände fest vor sich und starrte konzentriert darauf. Nie zuvor hatte er auf solche Art ein Geständnis über etwas abgelegt, das er wirklich ernsthaft verbockt hatte, das wurde ihm jetzt klar. „Ich habe jemandes Leben ruiniert.“

Was immer Paladia erwartet hatte, das war es nicht. Sie sagte zwar nichts, aber das bedeutete bei ihr immer, dass sie total erschrocken, überrascht, entgeistert oder alles auf einmal war.

„Als ich auf die Akademie ging, hatte ich Necromantie bei Professor Vindictus. Wir hassten ihn alle, denn er war ein hässlicher alter Zausel und sehr streng. Ich war ein bekannter Schulrüpel, oder besser gesagt, ich war ziemlich vorlaut, wusste alles besser und scherte mich wenig um Regeln – und ich war stolz drauf. Meine Freunde und ich wollten, dass Vindictus verschwand oder zumindest für einige Wochen weg blieb, doch unsere Streiche beeindruckten ihn wenig. Also dachte ich mir etwas aus, das klappen musste... Ich verbreitete das Gerücht, Vindictus würde auf kleine Kinder stehen. Soweit ich wusste, macht einen das ziemlich unbeliebt.“

Schweigen. Paladia kommentierte seine Ausführungen nicht. Ein Blick aus den Augenwinkeln zeigte ihm, dass sie gespannt lauschte, jedoch noch kein Urteil gefällt hatte.

„Es war ganz einfach,“ fuhr Crimson fort. „Ich tat natürlich so, als hätte ich das auch nur irgendwo gehört. Doch wenn man es an genug Stellen nebenbei erwähnt oder laut drüber nachdenkt, finden die Fäden zusammen und ergeben ein Ganzes, so dass es schließlich eine Untersuchung gab. Vindictus wurde beurlaubt, und mein Ziel war erreicht. Ich konnte kaum ein wissendes Grinsen im Kreis meiner Freunde verhindern. Es kam heraus, dass ich dafür verantwortlich war, weil ich meine Klappe nicht halten konnte und verpfiffen wurde. Ich machte einen auf reumütig und behauptete, dass ich wohl etwas falsch verstanden hatte, was ich auch nur gehört hatte. So als wäre das eigentlich gar nicht mein Verschulden. Ich entschuldigte mich bei Professor Vindictus und er wurde freigesprochen. Aber er gab dann doch sein Amt auf. Ich dachte mir nichts weiter dabei und war einfach froh darüber. Allerdings hatte er seinen Posten aufgeben müssen, weil die Eltern die Schulleitung bedrängt hatten, auch nachdem er von dem Verdacht befreit worden war. Dennoch... ich dachte nicht weiter darüber nach. Ich war ein Kind, das seinen Willen bekommen hatte, und ich dachte, dass er halt woanders anfangen würde.“

„Aber... das hat er nicht?“ stellte Paladia zum ersten Mal eine Frage.

Crimson schüttelte den Kopf, weiterhin seine Hände anstarrend. „Inzwischen weiß ich, dass ihm seither ein schlechter Ruf vorauseilt und er nirgends mehr als Lehrer arbeiten konnte. Und nun ist er hier, irgendwo im Schloss, um sich an mir zu rächen.“

Paladia packte seine Schulter. „Was? Er ist hier im Schloss?“

Crimson nickte deprimiert. „Schon seit einer Weile. Er hat mich mit kleinen fingierten Missgeschicken geärgert, aber ich wollte niemanden beunruhigen und habe es mit Stress erklärt, wenn mal ein Trank in der Nacht heruntergefallen ist oder so. Paladia, es wäre mir eigentlich lieber, wenn du...“

Sie hielt ihm einen Finger vor den Mund. „Du willst mich wegschicken. Aber das kannst du vergessen. Ich kann mich eh kaum bewegen, und davon abgesehen hast du Verpflichtungen mir gegenüber. Du willst mich doch nicht loswerden, hm?“

Das hatte er ja schon befürchtet. „Schon gut. Ich glaube nicht, dass er dir etwas tun will, aber... er hat angedroht, mir alles zu nehmen, was mir wichtig ist. Angefangen mit meiner Hand und meinem größten Hobby. Aber entweder hat er keinen Erfolg gehabt oder er hat geblufft. Jedenfalls hatte ich ganz schön Schiss, als er mir erzählte, dass---“

„Was?!“ Paladia unterbrach ihn schon wieder. „Er hat mit dir gesprochen?“

„Ja... woher, meinst du, weiß ich das sonst alles? Ich hab erst gedacht, ich hätte nur geträumt...“

„Ja... und nun?“

„Ich muss reagieren.“ Crimson schloss kurz die Augen, da er eine schwere Entscheidung getroffen hatte, doch noch schwerer war es, sie wirklich auszusprechen und anzugehen. „Olvin – so nennt sich Vindictus jetzt – wirft mir vor, dass ich sein Leben ruiniert habe. Seinen Ruf, seine Familie, seinen Beruf, seine Freunde, seine Gesundheit. Ich muss ihm das alles irgendwie zurückgeben und ihn für die zehn Jahre entschädigen.“

„Aber wie soll das denn gehen?“ zweifelte Paladia. „Du kannst deinen, hm... Fehler von damals nicht wieder rückgängig machen.“

„Stimmt. Also muss ich dafür zahlen, so dass Olvin zufrieden ist. Zuerst werde ich an die Akademie schreiben, vielleicht auch selber hinfliegen, und... die Sache aufklären. Dann sage ich es meinem Vater, ehe er es von woanders erfährt, und... aber sag mal, bist du gar nicht enttäuscht von mir?“

Paladia strahlte ihn an und setzte sich sehr gerade hin. „Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin sehr stolz auf dich, weil du dich dieser Sache stellst. Wir Amazonen suchen uns einen Mann aus, indem wir bewerten, was er heute ist... nicht, was er einmal in einem Anflug von kindlicher Dummheit getan hat. Kann ich dir denn irgendwie helfen?“

„Nicht so wirklich. Ich möchte lieber, dass du auf dich aufpasst.“

„Nun gut... Aber ich verlasse das Schloss nicht.“

Damit musste Crimson sich dann wohl abfinden. Vielleicht war es auch nicht nötig, sich um sie Sorgen zu machen. Jedenfalls hätte er so empfunden, wenn sie nicht schwanger gewesen wäre, so aber sorgte er sich quasi doppelt.

„Ich veranlasse, dass dir Schreibzeug gebracht wird,“ entschied die Amazone schließlich. „Dann kannst du während deines Aufenthaltes hier etwas Sinnvolles tun.“

Der Weißhaarige grummelte vor sich hin, schließlich wäre er lieber entlassen worden. „Lass mir auch vernünftige Klamotten bringen.“

„Du besitzt doch eh keine Nachtgewänder.“

„Hey, du weißt genau, was ich meine!“

Doch die Amazone gab ihm galant einen Kuss auf die Stirn und entfernte sich, wobei sie ihren Bauch festhielt. „Ich besuche dich bald wieder. Hoffentlich ist dieser Zustand bald vorbei, ich hab das Gefühl, ich würde immer einen Rucksack vor mir her tragen! Dein Balg ist wirklich schwierig - jetzt schon, haha!“

Crimson sah ihr nach und lächelte. Momentan war er sehr zufrieden mit seinem Leben – es wäre bedauerlich, sollte sich daran etwas ändern.

Er ruhte noch ein wenig und nickte kurz ein, und als er wieder aufwachte, hatte ihm jemand das versprochene Schreibzeug gebracht. Da hatte er wohl den Besucher verpasst, aber er machte sich nicht weiter Gedanken darüber, sondern setzte sich an den Rand des Bettes und schrieb auf dem Nachttisch. Es wurde der geplante Brief an Silentia. Nur musste er mehrmals von vorne beginnen oder sich korrigieren, bis er alles in der gewünschten Form hatte. Er wollte sachlich klingen und keine Ausreden auftischen, zugleich aber irgendeine Erklärung liefern... Letztendlich entschied er, sich auf die Fakten zu konzentrieren und sein Bedauern auszudrücken. Vermutlich würde eine Bitte um Erklärung von selbst kommen.

Im Anschluss schrieb er noch eine kurze Notiz an seinen Vater, den er lediglich bat, schnellstmöglich zu Besuch zu kommen. Mit ihm wollte er lieber selbst reden und ihm die Angelegenheit erklären. Darauf freute er sich nicht, doch er wusste, dass er sich auf seinen Vater verlassen konnte. Bestimmt würde er so ähnlich reagieren wie Paladia – hoffte Crimson wenigstens.

Er rollte seine beiden Schreiben zusammen, versiegelte sie und wartete auf jemanden, dem er sie geben konnte. Indessen fiel sein Blick wieder auf den Brief von Yugi. Der war unbeachtet liegen geblieben, er hatte ihn sich quasi als Belohnung aufgehoben, und nachdem er jetzt die unangenehmere Aufgabe erledigt hatte, widmete er sich dem Schriftstück.

Crimson riss den Umschlag auf. Eine Duel Monsters Karte fiel heraus. Sie zeigte den „Crimson Magician“, Crimsons Effektvariante. Er hob staunend die Augenbrauen. Darum würde man ihn sicherlich beneiden! Welches Duel Monster konnte schon von sich behaupten, seine eigene Karte zu besitzen? Er wollte den dazugehörigen Brief lesen, aber er wurde unterbrochen.

„Crimson! Crimson, kannst du aufstehen? Du musst schnell kommen!“ Eria kam hinter den Vorhang gehuscht. „Da ist ein Typ, der sein Schloss zurückhaben will!“

Er blinzelte verwirrt. „Wie... zurückhaben...?“

„Geh lieber gleich hin,“ beharrte seine Schülerin. „Hier... ich hab dir Kleidung mitgebracht.“

Crimson ließ sich vorsichtig vom Bett auf die Füße rutschen. Schien kein Problem zu sein, doch kaum hatte er das Bett verlassen, kam Lily wie ein Taifun über ihn.

„Was denkst du, was du da tust? Du kannst noch nicht aufstehen, das ist zu riskant!“

„Du kannst ja mitkommen und über meine Gesundheit wachen.“

„Ich warne dich, ich werde dir eine Injektion verpassen, die dich für drei Tage kaltstellt!“

„Das wäre Missbrauch deines Amtes. Ich gehe auf eigenen Wunsch, Lily, also kannst du nicht verantwortlich gemacht werden, wenn etwas passiert.“ Crimson hatte sich die rote Robe übergezogen, die Erya ihm gebracht hatte, und trug einen passenden Spitzhut dazu, der vorteilhafterweise verbarg, dass sein Haar ganz strähnig war. Die Kleidung sah sehr viel schulmeistermäßiger aus als sein Kartenoutfit. Er fühlte sich ausgelaugt, obwohl er die ganze Zeit geruht hatte, aber das lag wohl daran, dass sein Körper sich noch von dem Gift erholte. Da Eria das auch wissen musste, nahm er ihr Drängen ernst. Sie würde ihn nicht aufscheuchen, wenn es nicht notwendig wäre.
 

Seine Schülerin führte ihn zum Haupttor. Dort befand sich Mava in einem Gespräch mit zwei Herrschaften, denen er höflich den Einlass verweigerte.

„... weswegen ich erst den Direktor fragen muss, ob das... oh! Da ist er ja. Crimson, komm doch mal eben...“ Mava hatte sich ihm zugewandt und musterte ihn kurz von oben bis unten. Wahrscheinlich fragte er sich gerade, ob sein Boss dem Anlass gewachsen war. Vor den Fremden ließ er sich aber nichts anmerken, ebenso wenig wie Crimson selbst.

Der Magier begrüßte die Besucher. „Willkommen. Ich bin Crimson, der Direktor dieser Schule. Wie kann ich---“

„Dies ist ein Ort der Ruhe und Entspannung, keine Schule!“ fiel ihm die junge Frau ins Wort. Sie war weißhaarig und wirkte würdevoll... wenn auch etwas zickig. „Ich fordere Euch auf, meinem Vater sein Eigentum zurück zu geben!“

Crimsons Blick wanderte zu dem älteren Herren, der ebenfalls weißhaarig war, in seinem Fall lag das aber wohl am Alter.

„Verzeiht meiner Tochter, sie ist etwas übereifrig, weil sie sich um mich sorgt. Ist es wohl möglich, dass wir diese Sache drinnen klären?“ Der Mann sprach mit der ruhigen Besonnenheit eines lebenserfahrenen Menschen.

Crimson nickte respektvoll und trat symbolisch zur Seite, denn eigentlich war die Toröffnung so breit, dass er sie kaum mit seinem Körper versperren konnte.

„Catherine!“ rief der Mann plötzlich.

„Hey!“ Crimson war überrumpelt und fand das außerdem ziemlich unhöflich, denn sein Gast hatte sich noch nicht einmal vorgestellt.

Zu seinem Verdruss erschien der Geist des Schlossherzens sogleich. Doch Catherines Worte schlugen dem Fass den Boden aus: „Meister! Endlich kehrt Ihr zurück! Oh, ich war so lange ohne Eure Führung! Dieser Rüpel, der mit seiner Meute hier eingefallen ist...“

„Ähem.“

Der Geist hörte auf, auf den Besucher einzuplappern, und wandte sich ihm zu. „Oh... ja natürlich, ähm... Meister,“ sagte er deutlich widerstrebend zu Crimson.

„Mein Vater ist der rechtmäßige Besitzer! Verlasst diesen Ort!“ rief die Frau.

Crimson hob die linke Hand, auf deren Fläche man ein sternförmiges Muster erkennen konnte, das eine stilisierte Blüte darstellte. „Ich glaube, ich habe da die aktuelleren Rechte!“

Der Mann zeigte ebenfalls seine linke Handfläche, wo, etwas verblasst vielleicht, eben dieses Zeichen zu sehen war. „Aber ich die älteren.“

„Bei Schlossherzen kommt es aber nicht darauf an, wer zuerst da war, sondern wer zuletzt!“

„Übrigens, ich bin Mava, Lehrer für Effektmagie,“ mischte der andere Magier sich in diesem Moment ein. „Wollen wir nicht alle höflich zueinander sein?“

Der ältere Herr räusperte sich. „Verzeihung. Ich bin Sirius, bekannt als Weiser der Stille. Dies ist meine Tochter Barbarella.“

Crimson hatte seinen Namen schon gesagt und gedachte das nicht zu wiederholen. „Und Euch hat einst dieses Schloss gehört. Fein, aber die Dinge ändern sich. Ich habe einen legalen Anspruch erhoben!“

„Meister Sirius hat sich im Gegensatz zu Euch nicht davor gescheut, mir völlig zu vertrauen!“ bemerkte Catherine. „Er hat jahrelang gut für mich gesorgt. Ich habe Euch ja so vermisst, Meister...“

„Cathy, wen nennst du hier Meister?“ motzte Crimson. „Ich bin jetzt dein Meister. Also benimm dich auch so!“

Der Geist seufzte theatralisch. „Jaaaa, *Meister*. Sollten wir den Gästen nicht Quartiere für die Nacht zuweisen?“

Welch auffälliger Eifer. Crimson nickte jedoch. „Ja, sollten wir wohl, nachdem sie so einen langen Weg gekommen sind. Mava, würdest du dich bitte darum kümmern?“

„Aber ich könnte auch...“ begann Catherine, doch Crimson brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen.

„Hier entlang, bitte,“ forderte Mava die Gäste auf.

Sirius bedankte sich und folgte, doch Barbarella warf Crimson noch einen ziemlich grimmigen Blick zu. Schade um das hübsche Gesicht, solch ein Ausdruck sah nicht schön darin aus.

Als die drei außer Sichtweite waren, schloss der Weißhaarige das Tor von innen und lehnte sich dagegen. Wie kam das nur, dass diese Leute gerade jetzt hier auftauchten? Schließlich wohnte er hier seit gut acht Monaten, warum also jetzt erst? Andererseits... das konnte schon sein, immerhin verbreiteten sich Informationen ja nicht immer schnell im Schattenreich. Aber dennoch, warum hatten sie das Schloss nicht von Sorc zurückgefordert?

Cathy war noch da. Crimson überlegte, ihn zu fragen, doch er wollte nicht neugierig erscheinen und ließ es deshalb sein. „Danke, Cathy, das war dann alles,“ entließ Crimson den Geist, der dann auch sofort verschwand. Crimson fühlte sich noch ausgelaugter als zuvor. Zweifellos hatte Olvin etwas mit der Sache zu tun. Aber nun konnte er auch gleich die Situation nutzen und mit Eria reden, die von den Besuchern gar nicht beachtet worden war. „Komm, gehen wir in meinen Turm. Ich muss dir etwas sagen.“

„Ja, Meister... aber du siehst schlecht aus, wäre es nicht besser, zurück auf die Krankenstation zu gehen? Lily wollte dich eh noch nicht gehen lassen...“

Er zog das ernstlich in Erwägung. Schließlich musste er zu seinem Turm etliche Stufen erklimmen, und dafür fühlte er sich irgendwie nicht so recht in der Lage. Um sich diese Verlegenheit zu ersparen, stimmte er ihr seufzend zu. „Na gut, aber ich schlafe heute nicht mehr da! Das wäre ja auch ein gefundenes Fressen für diese Besucher, wenn der Schlossherr bettlägerig wäre! Mist, wir müssen denen auch noch ein vernünftiges Essen anbieten...“

„Müssen wir gar nicht,“ beruhigte Eria ihn. „Sie werden essen, was wir alle essen, und zwar in dem Esszimmer, das wir alle benutzen. Deine Schüler und Lehrer kümmern sich schon darum, mach dir mal keine Sorgen. Hat doch in den letzten Tagen auch alles geklappt.“

Also ließ er sich wieder bei Lily abliefern, die sofort um ihn herumflatterte, als hätte er gerade einen Ohnmachtsanfall oder so etwas gehabt. Er musste sich wieder ein Hemdchen anziehen und in sein Bett kriechen, da ließ sie sich nicht erweichen. Da er sich noch an ihre Drohung erinnerte, ihm ein lange anhaltendes Schlafmittel zu injizieren, fügte er sich auch brav.

„Ich muss nachher aber unbedingt am Abendessen teilnehmen,“ wagte er dann doch noch einzuwenden.

„Ja, ja, aber erstmal gibt es Mittag. Du musst essen,“ wandte Lily ein. Das Essen war auch schon da und stand an seinem Nachttisch bereit.

„Mava wird dem Besuch sicherlich eine Kleinigkeit geben, aber davon abgesehen kennen die sich doch hier aus und wissen, wo die Küche ist,“ meinte Eria.

„Verdammt, jemand muss Dharc und die anderen warnen!“ fiel es Crimson ein.

„Ich gehe schnell und komme dann gleich wieder,“ erbot sich Eria. „Du wolltest mir ja noch etwas sagen.“

„Ja...“ Crimson nickte, ließ sich von Lily das Mittagessen aufdrängen und fügte sich fürs Erste. Der Nachteil, wenn man alleine mit seinem Vater in einem Schloss lebte, war, dass man fast alles alleine machen musste. Das war auch kein Problem, schließlich waren dann ja nicht viele Leute zu versorgen. So war Crimson es sein ganzes Leben lang gewöhnt gewesen, und es fiel ihm deshalb immer noch schwer, einfach mal andere machen zu lassen. Er hatte das Gefühl, dass nichts klappte, wenn er es nicht selbst tat, dabei hatte er in den letzten Monaten durchaus gemerkt, dass er kompetente Leute um sich hatte. Er rief sich das wieder in Erinnerung und zwang sich, für den Moment einmal loszulassen.
 

Eria kehrte bald zurück, blieb an seiner Seite und wartete, bis er fertig war mit Essen, bis Lily außer Hörweite war und bis er bereit war, ihr zu erzählen, was er auf dem Herzen hatte. Er berichtete es so, wie er es auch Paladia gesagt hatte.

Anders als die Amazone schien das Mädchen diese Informationen nicht so einfach wegzustecken. Sie hatte immer zu ihm aufgesehen und sogar seine Streiche aus der Schulzeit bewundert. Doch nun... Crimson vermutete, dass sie von ihm enttäuscht war, weil sie in ihm einen mysteriösen Rebellen gesehen hatte, jemanden, den andere sich zum Vorbild nahmen, um gegen die allzu strengen Regeln zu protestieren. Er war ihr Held aus dem Kerker, der Anführer des Kettenbundes und ihr ganz persönlicher Lehrmeister. Und nun hatte er einen schlimmen Makel. Sie schwieg lange, während sie darüber nachdachte.

„Dieser alte Magier ist also hier im Schloss und will Rache?“ hakte sie schließlich nach.

„Ja, aber du und die anderen seid nicht in Gefahr,“ versicherte er ihr schnell und war überrascht, wie überzeugt er davon war. Olvin wollte ihn ruinieren, aber die Kinder hatten nichts damit zu tun.

„Glaubst du, dass er auch diesen ehemaligen Besitzer von Cathy gegen dich aufgewiegelt hat?“

„Kann gut sein.“

„Und er hat die Schlange in deine Kräuterlieferung getan.“

Crimson nickte. „Er besuchte mich in der einen Nacht und spottete über mich. Behauptete, ich würde meine Hand verlieren. Aber wahrscheinlich wollte er mir damit nur Angst machen.“

„Deshalb hast du mich an dem Morgen gefragt... du hast mich gefragt, was nötig wäre, damit ich jemandem verzeihe, der mir etwas Schlimmes angetan hat...“ Eria hielt sich die Hand vor den Mund und unterdrückte ein Schluchzen. Sie hatte Tränen in den Augen, und Crimson zerriss der Anblick fast das Herz. „Deshalb warst du immer so zerstreut... das war kein Stress wegen der Schulgründung, sondern wegen ihm!“

„Ich weiß erst seit kurzem, dass er es war. Eria, es... es tut mir Leid, ich wollte nicht... Ich wollte dir keine Angst machen, aber du solltest es auch nicht von jemand anderem erfahren. Diese Geschichte ist die Folge eines schweren Fehlers aus meiner Jugend... ich werde die Sache irgendwie klären, mach dir keine Sorgen...“

„Mache ich mir aber!“ rief sie und erschreckte den Weißhaarigen damit richtig. „Meinst du, ich sorge mich nicht um dich? Ich habe in den letzten Wochen gesehen, wie schlecht es dir ging, und konnte gar nichts machen. Jetzt erfahre ich, dass dich so ein Typ ruinieren will und damit anscheinend ganz gut voran kommt. Da soll ich mir keine Sorgen machen? Selbst wenn du das in Ordnung bringen willst, wer weiß, was er dir bis dahin noch alles antut! Und vor allem... wie stellst du dir das vor? Was willst du denn machen, damit er zufrieden ist?“

Crimson starrte entgeistert in ihre großen Augen, die keineswegs abweisend waren. Zumindest das musste er positiv sehen. Sie war nicht wütend auf ihn oder enttäuscht von ihm, jedenfalls nicht vorrangig. Statt dessen machte sie sich Sorgen. „Ich, uhm, hab mir schon was überlegt,“ wich er ihrer Frage und ihrem Blick aus.

„Aber... aber was denn bloß? Crimson... du... hast keine Dummheiten vor, oder? Ich meine... du hast sein Leben ruiniert, wie in aller Welt willst du *das* klären?“ Das Mädchen legte ihre Hände an beide Seiten seines Gesichts und nötigte ihn, ihr in die Augen zu sehen. „Sag mir, dass du nichts Dummes vorhast!“

„Etwas Dummes? Das ist Ansichtssache, wie du weißt.“

„Das beantwortet nicht meine Frage!“ Sie stampfte unwirsch mit dem Fuß auf. Die kleinen Tränen, die zuvor nur in ihren Augen geglitzert hatten, rannen nun ihre Wangen herab. „Ich will nicht, dass er... dass er dir alles kaputt macht! Und ich bin auch voll enttäuscht...“

Ah, jetzt kam es. Crimson war nicht sicher, ob er damit klarkam. „Ähm... das verstehe ich, Eria. Ich bin kein besonders gutes Vorbild, und vielleicht---“

„Nein!“ unterbrach sie ihn. „Das meine ich nicht. Ich bin von mir selbst enttäuscht. Weil, naja, weil... ich dich immer so cool fand, als ich erfahren habe, was du alles angestellt hast. Aber das war falsch, glaube ich...“ Ihre Hände hatten inzwischen von seinem Gesicht abgelassen, ruhten dafür auf seinen Schultern.

„Ja, war es wohl,“ entgegnete er zögerlich. „Doch es wäre an mir gewesen, dich zu ermahnen. Naja... im Prinzip war alles, was ich gemacht habe, ganz witzig... nur habe ich es in dieser einen Sache übertrieben. Wenn man jemanden wirklich so nachhaltig schädigt, hört der Spaß auf. Zu meiner Schande begreife ich das erst jetzt.“

Eria runzelte nachdenklich die Stirn. „Ich finde das andere aber immer noch cool. Schließlich sind die auf der Akademie ganz schöne Spießer.“

Crimson setzte eine strenge Mine auf. „Du darfst solchen Rüpeln nicht nacheifern, hörst du?“

„Wer sagt denn, dass ich jemandem nacheifern will... ich finde es nur cool,“ grinste sie.

Doch sogleich wurden beide wieder ernst. Crimson nahm die Schriftrollen vom Nachttisch. „Jemand müsste diese beiden Botschaften überbringen. Kannst du dich darum kümmern?“

Das Mädchen nahm die Briefe stolz entgegen. „Du kannst dich auf mich verlassen! Oh, an die Akademie? Und an deinen Vater...“

„Ja... es wird Zeit, die Wahrheit bekannt zu machen.“

„Aber... das könnte deinen Ruf ruinieren! Deine Schule...“

„Olvin möchte sowieso meinen Ruf ruinieren. Da mache ich es lieber selbst. Ich habe mich nie mit Kleinkram zufrieden gegeben, Eria. Also werde ich diese Sache auf Gedeih und Verderb durchziehen. Auf diese Weise bestimme wenigstens ich die Regeln.“ Naja, bis zu einem gewissen Grad zumindest, fügte er in Gedanken hinzu.

„Das ist... sehr mutig,“ musste seine Schülerin zugeben. „Ich werde gleich aufbrechen, aber eventuell übernachte ich im Kristallschloss. Schon weil ich da jede Menge Bekannte wiedersehen kann, und außerdem wird es sonst zu spät.“

„Ja, das ist mir Recht. Sei vorsichtig.“

Eria nickte, drehte sich um und schritt rasch hinaus, nicht ohne ihm vorher noch ein ermutigendes Lächeln zu schenken.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  jyorie
2013-06-22T16:34:13+00:00 22.06.2013 18:34
Hallo ^_^

hm … das wird sicher ein schwerer Weg, den Crimson da vor sich hat, wenn er allen erzählt, was er getan hat, aber ob er da wirklcih so viele Folgen hat mit seiner Prevention? … Den Lehrer mochte damals ja auch niemand. ……. Und Olvin hat im gegenzug natürlich nicht gewartet sonder ist schon in die Schlacht gezogen und hat die ersten Bauern gesetzt – mir gefällt es nicht, das das Schlossherz auf der Seite des alten Meisters ist … da muss sie wohl weniger denken *grummelt*

CuCu Jyorie

Von:  Hikari-Yumi
2012-08-22T20:30:20+00:00 22.08.2012 22:30
NUn denn... *schon längst schlafen wollt*
Wie erwähnt will ich wissen was in yugis verdammten brief steht!
achja, wirst du schreiben wie die direktorin auf crimsons brief reagiert?

treuloses Cathy!

in anbetracht der Uhrzeit (was zwar noch früh ist ... eigentlich) verabschiede ich mich^^
glg


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