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Ein letzter Tanz

von

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Tag 10 - Wer die Wahl hat, hat die Qual (1/3)

Als Mamoru am nächsten Tag die Augen öffnete, war die andere Bettseite leer. Sofort begleitete ihn ein quälender Stich im Herzen, verzweifelt stand er auf und fuhr sich durch die Haare. Der letzte Tag kam ihm vor wie ein Traum. Hatte er all dies wirklich mit Motoki erlebt? Und so sehr genießen können? Aber… Wehmütig sah er auf die andere Bettseite. Warum war das Bett dann leer? Er stand auf und tigerte durch die Wohnung, doch in keinem der Räume befand sich Motoki. Er konnte sich doch nicht einfach klangheimlich aus dem Staub gemacht haben. Und wohl oder übel musste er sich eingestehen, dass er Motoki nicht nur vermisste, sondern es ihm wirklich weh tat, dass er nicht da war. Was fiel ihm eigentlich ein, ihn einen ganzen Tag lang so verrückt zu machen und dann? Mamoru kochte innerlich, aber er wusste nicht, ob es vor Wut oder vor Angst war. Zuletzt sah er in der Küche nach, an der Kaffeemaschine war ein Zettel befestigt.
 

Ich tue es für euch. Und weil ich Angst habe, dass du mir weh tun wirst – darum gehe ich…
 

Mamoru verstand die Welt nicht mehr. Das musste doch ein schlechter Scherz sein. Er hatte nie vorgehabt Motoki weh zu tun! Schon gar nicht nach gestern. Panisch griff er nach seinem Handy und rief ihn an.
 

„Was zur Hölle soll dieser gestörte Zettel?“, fuhr er ihn an, als Motoki endlich abnahm.
 

„Hast du mal vor die Tür geguckt?“, fragte er im Gegenzug barsch. Mamoru zog seine Stirn kraus, eilte zur Haustür und riss sie auf. Die Sternspieluhr. Sein Herz zerfiel in tausend Stücke. Langsam ließ er sich auf den Boden sinken und nahm einen weiteren Zettel in die Hand, dieses Mal von Bunny geschrieben.
 

Ich vermisse dich so sehr.
 

„Du kannst nicht einfach abhauen!“, schrie Mamoru und stand verzweifelt auf. Stiegen gerade tatsächlich Tränen in seinen Augen auf?
 

„Du hast doch selbst nie daran geglaubt, dass wir beide eine Zukunft haben. Und so kann es nicht ewig weiter gehen!“, protestierte Motoki sauer.
 

„Müssen wir die Scheiße echt am Telefon klären?“
 

„Du hast doch Bunnys Zettel gesehen, oder nicht? Was soll ich denn sonst machen deiner Meinung nach?“
 

„Habe ich. Na, und? Das ist kein Grund abzuhauen! Und was soll das überhaupt, von wegen du hättest Angst davor, dass ich dir weh tun werde! Jetzt komm sofort zurück und klär das vernünftig mit mir.“
 

„Das geht jetzt nicht.“
 

„Wieso geht das nicht? Wenn du nicht in den nächsten zehn Minuten wieder bei mir bist, dann werde ich persönlich dafür sorgen, dass man dir den Kopf abreißt. Du kannst nicht einfach mit mir schlafen und deine Liebe gestehen und dann gehen.“
 

„Ich bin schon auf dem Weg zu Bunny“, sagte Motoki und unterbrach ihn. Perplex starrte Mamoru den Hausflur an und hörte regelrecht, wie seine Gedanken durcheinander gerieten.
 

„Du bist was? Zur Hölle, Motoki! Ich bin noch keine fünf Minuten wach und könnte gerade echt ausrasten! Was ist in deinem bescheuerten Kopf nur wieder los?“
 

„Ich versuche nur das zu retten, was sich zu retten lohnt. Ich tue es für euch, okay?“
 

„Du hast dich da überhaupt nicht einzumischen!“
 

„Ach, nein? Ich stecke ja wohl genauso in der Scheiße mit drin wie du.“
 

„Worüber willst du mit ihr reden, Motoki? Komm auf der Stelle zurück.“
 

„Ich will nicht, dass du mich irgendwann fallen lässt. Mensch, Mamoru. Sieh dir die Geste von Bunny doch an. Welche Wahl haben wir denn da? Früher oder später hättest du mich verletzt. Es ist besser, wenn ich gehe, bevor du mich gehen lässt…“
 

„Bist du von allen guten Geistern verlassen? Du kannst nicht einfach für mich entscheiden!“, schrie Mamoru und starrte hilflos von einem Zettel zum anderen.
 

„Aber du kannst es anscheinend nicht. Du kannst dich nicht entscheiden…“, murmelte Motoki und legte auf.
 

Vollkommen überfordert blieb Mamoru in der Tür stehen und spürte die Tränen, die von seinen Wangen liefen.
 

○ ●
 

Motoki hatte Makoto darum gebeten, solange mit Bunny zu reden, bis sie zu einem Treffen mit ihm bereit war. Wenn er ehrlich war, hatte er keine Ahnung, wie sie es letztendlich geschafft hatte. Aber jetzt saßen sie sich im Crown gegenüber, der Moment des peinlichen Schweigens zwischen ihnen. Motoki hatte sich den ganzen Morgen überlegt, was er ihr sagen konnte, nachdem er ihren Zettel gefunden hatte, aber jetzt, sie so verletzt und enttäuscht vor sich zu sehen… Seine Gedanken waren regelrecht ausgelöscht. Er schluckte seine Angst hinunter und holte tief Luft. Aber Bunny kam ihm zuvor: „Weiß Mamoru von dem Treffen?“, fragte Bunny leise und sah tapfer in ihre Eisschokolade, ohne auch nur den Kopf zu heben. Motoki biss sich auf die Unterlippe und wünschte sich, dass Bunny zu einem Augenkontakt bereit wäre. Aber konnte er es ihr nach allem wirklich verübeln, dass sie ihr Getränk bevorzugte als ihn? Immerhin war es ein Wunder, dass sie sich überhaupt mit ihm getroffen hatte und er verdankte es nur den Überredungskünsten von Makoto, dass sie hier saßen.
 

„Ich habe es ihm erst gesagt, als er es nicht mehr aufhalten konnte. Sonst wäre er mit Sicherheit dagegen wesen.“
 

„Weil du in ihn verliebt bist und er nicht will, dass ich damit konfrontiert werde?“, mutmaßte Bunny. Sie rührte mit ihrem Löffel im Glas herum und hatte noch nicht für eine Sekunde aufgehört. Das Eis war mittlerweile geschmolzen, aber ihr war es mit Sicherheit vollkommen egal.
 

„Ja, ich denke, genau aus dem Grund wäre er dagegen gewesen.“
 

„Motoki, was hast du dir dabei nur gedacht?“
 

Motoki sah hilflos zu ihr. Ihre verletzte Stimme verdeutlichte ihm, wie viel sie eigentlich in letzter Zeit falsch gemacht hatten. Noch vor einer Woche hatten sie scherzend im Café gesessen und tagelang darüber gelacht, es wie eine lustige Abwechslung gesehen. Im Endeffekt war es für Motoki so viel mehr gewesen, weil er Mamoru wirklich liebte. Und sie hatten Bunny damit unendlich verletzt. Es war ein letzter Tanz zwischen ihnen gewesen – aber aus einer Aktion, die sie noch für Spaß empfunden haben, wurde Ernst. Und ihm wurde bewusst, dass sie beide auf Bunnys Gefühlen herumgetrampelt hatten.
 

Jetzt konnte er nur hoffen, dass er nach allem Mamoru dabei helfen konnte, wieder zu seiner Traumfrau finden.
 

Auch wenn es für ihn bedeutete, dass er verzichten musste.
 

Aber was tat man nicht für Menschen, die man liebte?
 

„Am Anfang war es wirklich nur Spaß für uns. Wir haben kaum darüber nachgedacht. Mamoru hat mit mir darüber geredet, dass ihr beiden noch nicht… Jedenfalls kamen wir auf die Idee, dass wir testen wollten, wer der bessere Verführer war.“
 

„Aber warum?“, hauchte Bunny und blickte unter Tränen auf. „Habt ihr eigentlich eine Ahnung, wie weh das tut? Motoki, du bist ja nicht einmal eine Frau!“
 

„Macht das einen Unterschied?“, murmelte Motoki und griff nach ihrer Hand. Komischerweise zog sie diese nicht zurück, also hielt Motoki die Berührung aufrecht. „Macht es wirklich einen Unterschied, ob nun ich oder eine Frau Mamoru auf diese hirnrissige Idee gebracht hat? Bunny, hör zu. Männer in unserem Alter kommen manchmal auf Ideen, die wir lieber hätten bleiben lassen sollen. Ich kann dir nur von Herzen sagen, dass es vor allem mir leid tut, dass ich euch in diese schreckliche Situation gebracht habe. Ich wollte nicht, dass wir dich verletzen und ich wollte nicht, dass du betrogen wirst.“
 

„Hättet ihr euch das nicht eher überlegen können?“, flüsterte Bunny und zog ihre Hand nun doch weg. Motoki sah sie hilflos an. Verzweiflung stieg in ihm auf. „Ja, das hätten wir tun sollen. Und es war ein großer Fehler, dass wir das nicht getan haben.“
 

„Ich kann ihm das nicht verzeihen“, brachte Bunny mit tränenerstickter Stimme hervor. „Gott, Motoki, er hat mich betrogen! Und ich habe nichts Besseres zu tun als mit dem Menschen darüber zu reden, der genauso mit in der Geschichte drin steckt.“ Sie wischte sich eine Träne aus dem Gesicht und wollte aufstehen, aber Motoki war schneller und hielt sie fest. Unsicher blieb sie zurück und sah ihn verzweifelt an.
 

„Weißt du, Bunny. Wir alle sind mittlerweile erwachsener geworden, wenn wir im Gegensatz dazu an früher denken. Früher hättest du ganz anders reagiert…“
 

„Was meinst du damit?“, schniefte Bunny und blieb zurückhaltend sitzen.
 

„Du hättest getobt. Deine Tränen … Es tut weh, dich so zu sehen. Aber es zeigt mir auch, dass Mamoru recht hatte. Du bist erwachsen und reifer geworden. Natürlich begehrt er dich mehr als jemals zuvor.“
 

„Er hätte mir das zeigen können, Motoki. Ihr hättet nicht wetten brauchen, wer eher Sex hat und wann nicht.“
 

„Ich weiß“, murmelte Motoki verzweifelt und raufte sich durch die Haare. „Mensch, Bunny. Wenn doch einer verstehen kann wie es ist, aufrichtig in jemanden verliebt zu sein, dann doch wohl du…“
 

„Wie soll ich dir und Mamoru jemals wieder vertrauen?“, hauchte Bunny und kämpfte erneut gegen ein Schwall Tränen an, der drohte über ihre Wangen zu laufen. „Es war für euch vielleicht eine lustige Woche, in der ihr auch viel gelacht habt nehme ich an, aber ihr habt bestimmt nicht daran gedacht, wie es wohl nach dieser Abmachung aussieht.“
 

„Nein, das haben wir wirklich nicht“, gestand Motoki und setzte sich aufrichtig an. Er beugte sich vor und sah Bunny fest in die Augen. „Hör mir zu. Ja, ich habe Gefühle für ihn. Aber ich würde es euch von Herzen gönne, wenn ihr wieder zusammen seid, weil ihr trotz allem meine besten Freunde seid. Ja, wir haben Fehler begangen, aber wir können sie nun nicht mehr rückgängig machen. Ich kann dir nur von meiner Seite aus sagen, dass ich die Zeit gerne zurückdrehen würde. Ich hätte dir all dies gerne erspart… Ich hätte auch mir all dies ersparen sollen… Ja, es tut mehr als weh, Mamoru einfach gehen zu lassen. Aber ich weiß, dass ihr zusammen gehört! Wer weiß das denn nicht…?“
 

Bunny hörte ihm aufmerksam zu, doch am Ende seiner Rede schüttelte sie ihren Kopf. „Das Vertrauen ist einfach weg, Motoki.“
 

„Bunny… Was ist das Wichtigste in deinem Leben?“
 

„Mamoru“, sagte sie, ohne zu zögern.
 

„Und du willst einer Liebe, die du für dein Leben brauchst, keine zweite Chance geben?“
 

„Was ist mit euch?“, wisperte Bunny und konnte ihre neuen Tränen dann doch nicht mehr aufhalten.
 

„Wir werden wieder die normalen, besten Freunde sein, die wir noch vor zwei Wochen sein konnten. Ich kann dir an dieser Stelle nur mein Wort geben, das zwischen mir und Mamoru nie wieder etwas laufen wird. Ich will nicht, dass du noch länger unter der Situation leidest. Ihr gehört zusammen, Bunny. Und das weißt du.“
 

Bunny stand mit wackligen Beinen auf. „Ich weiß nicht, ob ich das wirklich kann“, flüsterte sie. „Ich weiß nicht, wie ich ihm und dir verzeihen soll. Und ich weiß nicht einmal, was Mamoru will.“
 

Motoki stand ebenfalls auf. „Du kannst es, und du weißt es. Weil du ihn liebst. Geh bitte zu ihm, Bunny. Und bitte sprecht euch aus.“
 

„Es tut mir leid“, flüsterte Bunny. „Aber es tut einfach so weh.“
 

Motoki packte ihr Handgelenk und führte sie nach draußen an die frische Luft. Eine kühle Brise umspielte sie und zeitweise kämpfte sich die Sonne durch die grauen Wolken.
 

„Fehler sind menschlich, Bunny. Und Vertrauen kann wieder wachsen, wenn die Liebe dafür nur stark genug ist.“
 

„Wieso sagst du mir all das?“
 

„Weil ich mir für euch wünsche, dass ihr den Weg wieder zueinander findet.“
 

„Und das, obwohl du ihn liebst?“
 

Motoki schüttelte seinen Kopf. „Nein, nicht obwohl. Sondern weil ich ihn liebe.“
 

Sie wandte sich schluchzend ab, ließ ihn mit sich und seinen Gedanken alleine. Motoki sah ihr nachdenklich hinterher, nicht sicher, ob das Gespräch irgendetwas genützt hatte.
 

○ ●
 

Mamoru beeilte sich ins Crown zu kommen. Nur dort konnte Motoki auf die hirnrissige Idee gekommen zu sein und mit Bunny geredet haben. Er rannte regelrecht und stürmte in den Laden. Tatsächlich. Der Blondschopf saß in der hintersten Ecke und sah nachdenklich aus dem Fenster.
 

„Was hast du dir dabei nur gedacht?“, schrie er. Motoki sah überrascht auf und stieß sein Getränk um. Mamoru rannte auf ihn zu, packte ihn am Kragen und zog ihn nach oben.
 

„Was soll die ganze Scheiße nach gestern? Erst schlafen wir miteinander, dann bringst du mich den ganzen Tag um den Verstand und jetzt? Jetzt entscheidest du, wen ich wählen soll?“
 

„Wie hast du dir denn sonst die nächsten Tage vorgestellt? Sollte das ernsthaft so weiter gehen?“
 

„Nein, aber!“ Mamoru stieß einen Schrei der Verzweiflung heraus. „Was soll der Scheiß? Warum hast du mit Bunny geredet? Und was hast du ihr überhaupt gesagt?“ Er raufte sich durch die Haare und sah ihn hilflos an. „Was hast du Bunny gesagt?“
 

„Du hast dich doch sowieso für sie entschieden“, nuschelte Motoki. „Weil wir beide keine Chance hätten. Niemals. Also habe ich ihr gesagt, dass ich für euch verzichten werde, damit ihr eine Chance habt.“
 

Verzichten… Mamoru schlug ihn mit der flachen Hand ins Gesicht. Er wollte erst die Faust benutzen, aber das konnte er unmöglich vor den ganzen Kunden tun. Geschockt sah Motoki ihn an.
 

„Was ist denn in dich gefahren? Warum schlägst du mich?“
 

„Ich könnte grad noch viel mehr tun! Es ist immer noch mein Leben und meine Entscheidung! Ich hätte dir niemals weh getan! Wie kommst du auf die Idee?“, sagte Mamoru mit fester Stimme. „Was ist, wenn wir doch eine Chance gehabt hätten?“, flüsterte Mamoru und fuhr sich verzweifelt durch die Haare. „Warum hast du mit Bunny geredet? Gott, Motoki… Du kannst ihr nicht irgendetwas auftischen, zu dem ich nicht bereit bin!“
 

„Was soll das heißen? Soll das heißen, du hättest dich für mich entschieden?“, fragte Motoki ungläubig und riss seine Augen auf.
 

„Du hast mir ja nicht einmal die Chance gegeben, darüber nachzudenken!“, rief Mamoru. Er sah ihn geknickt an. „Du kannst doch nicht einfach eine Entscheidung für mich fällen…“, flüsterte er und sah an ihm vorbei. Nein… Bunny stand unschlüssig im Türeingang. In Motokis Augen stieg Panik auf, seine Chance bei Mamoru achtlos aus den Händen gegeben zu haben, ohne sie genutzt zu haben. Er hob hilflos seine Hand, wollte um ihn kämpfen, doch dann erreichte Bunnys zerbrechliche Stimme
 

„Können wir reden, Mamoru?“
 

Die Sternspieluhr. All die Erinnerungen, die sie miteinander geteilt haben. Mamoru wandte sich verletzt und zerbrochen von Motoki ab.
 

„Es tut mir leid“, flüsterte er.
 

Und lief dann auf Bunny zu.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  DoppelWhopper
2013-06-12T11:53:57+00:00 12.06.2013 13:53
nice. :)


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