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Gedankenzauber

von

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{2} - Gestatten, Baumbur!

Teethwood. Sechs Uhr in der Früh. Kalter Wind wehte durch die Straßen und der taunasse graue Asphalt ließ die Stadt noch dunkler erscheinen.
 

»Drrrrrrrrrrr...«

Ein lautes schrillendes Geräusch fuhr durch das viel zu klein geratene Zimmer. Es kam wie jeden Morgen aus dem billig Wecker vom ein Euro Laden an der Ecke, den ich komischerweise immer wieder besuchte. Diese Wecker hielten nicht wirklich lange in meiner Gegenwart, da sie meistens die unschöne Art hatten, ihren Todesweg durch die nette Begegnung mit der Wand zu machen. So auch an diesen Morgen.
 

Der Ablauf der grausamen Tat beginnt meistens so. Tief im Schlaf und weit weg von der Realität erklingt ein anhaltender und gleichbleibender schriller Ton. Nein Ton kann man das nicht nennen. Nennen wir es eher einen Störfaktor meiner Ohren. Genau. Dieser Ton löste meistens einen Mechanismus meiner Hand aus. Dieser ist eigentlich eine ganz praktische Sache, da nur eine Hand aus dem Tiefschlaf erwacht und nicht gleich mein gesamter Körper. Wie dem auch sei. Kurz gesagt, Geräusch ertönt, Hand wach, Hand auf Wecker, Wecker macht Bekanntschaft mit Wand, Wand heil, Wecker tot. Das nenne ich Schicksal. Nun ja, meistens stoße ich mir dabei die Hand an meinem Nachttisch, da das Halbschlaftöten eines Weckers mehr Risiken auf sich birgt, als den Wecker auf übliche Weise ab zu schaltet. Aber die Ruhe ist es mir wert. Stephen King wäre stolz auf mich, wenn er wüsste das ich meinen eigenen Friedhof habe. Allerdings nicht mit Kuscheltieren, sondern mit Weckern.
 

Ich drehte mich um hundert achtzig Grad auf den Rücken und rollte mit meinen Füßen die Bettdecke nach unten, um so wenig Bewegung wie möglich zu erzeugen. Ich öffnete langsam und ein wenig gezwungen meine Augen und blickte zur Decke, die ein merkwürdiges Muster aufwies. Als mein Gehirn allerdings endlich den Wach-Knopf gedrückt hatte, wurde mir klar, dass mit der Decke alles in Ordnung war. Meine Haare hingen mir quer über mein Gesicht. Ich hatte vergessen sie vor dem zu Bett gehen zusammen zu binden. Zwei Probleme an einem Morgen gelöst. Sherlock Holmes, sie verdienen einen Orden.
 

Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht, richtete mich auf und rutsche langsam von der Bettkante runter, um den Weg ins Bad anzutreten. Mein Rücken fühlte sich an, als ob eine Herde Elefanten über ihn hinweg getrampelt waren. Unsere Betten konnte man Vergleichen mit dem eines Gefängnisses. Hart wie Stahl und diese ständig piksende Sprungfeder hinten im Nacken. Herrlich. Aber ich kann euch sagen, mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Soviel zu meinem Morgen Ritual.
 

Es ist Sonntag Früh und an diesem Tag wird bei uns immer zusammen gefrühstückt. Wie ich finde eine blöde Angewohnheit, da wir sowie so nie viel miteinander reden. Und dann erst recht nicht beim Frühstück. Wir wurden allerdings regelrecht von unserer Mutter gezwungen, weil sie anscheinend annahm, dass ein gemeinsamer Sonntagmorgen die Familie näher zusammen schweißt. Ich verfluche noch heute den Tag an dem sie diesen Ratgeber in der Zeitung gefunden hatte. ‚Der Weg zum Glück – Werden sie wieder eine richtige Familie’. Nerv. Aber nun gut, lasse ich ihr diesen Spaß und spiele wie jedes Wochenende brav mit.
 

Nachdem ich mich langsam gewaschen und umgezogen hatte schlurfte ich die Treppe runter. Sie knarrte ein wenig auf zwei Stufen. Ich sage euch, kein guter Weg um sich Nachts heimlich vom Staub zu machen. Da kann ich ein Liedchen von singen.

»Ah Fräulein Wunder kommt auch endlich aus den Federn.« murmelte mein Vater in die Zeitung, die er sich vors Gesicht hielt.

Ich sagte nichts weiter dazu und gab nur ein dumpfes Grummeln als Antwort. Meine Mutter lächelte und reichte mir ein Glas Orangensaft entgegen, der dabei allerdings über schwappte und auf meine Hose tropfte.

»Deine Hände sind wohl noch nicht ganz wach. Tu die Hose gleich einfach in die Wäsche sonst bleiben Flecken.«

Genervt stieß ich ihr entgegen. »Och Ma, die Hose wird’s überleben. Und abgesehen davon sind meine Hände wacher als der Rest des Körpers, glaub mir.« Ich guckte ins Glas und musste an den Friedhof der Wecker denken. Ich schmunzelte.
 

Hinter der Zeitung kam ein dämliches Lachen hervor. »Dann fang an was zu essen, sonst wacht dein Kopf heute gar nicht mehr auf.«

Ich verdrehte die Augen, setzte mich und wollte mir widerwillig ein Croissant aus dem Brotkorb nehmen der auf dem frisch gedeckten Tisch stand. Simon kicherte und hatte nur darauf gewartet, dass ich meine Hand zum Brotkorb bewegte. Er beobachtet mich und stach plötzlich mit seiner Gabel in meine ausgestreckte Hand.

»AUA!« Ich sprang auf und riss meine Hand zurück. »Sag mal spinnst du? Du kleiner Teuf..«

Meine Mutter starrte mich an. »Fina, streitet euch doch nicht schon am Morgen. Immer das selbe mit euch.«

»Tut mir leid aber ich habe keine Steinhand wo Gabeln einfach dran abprallen können.«

Die Zeitung knisterte und ich wusste gleich, dass wieder irgend ein schlauer Spruch von meinem Vater kam. Wie ich diese Kommentare hasste am frühen Morgen.

»Schade. Hättest du bei Fantastic Four mitmachen können. Eine Frau aus Stein.« Er begann zu lachen.

»Man Paps, wie unnötig.« raunte ich und rieb mir weiter meine Hand, die immer noch die Abdrücke von der Gabel hatte.

»Ich glaube, ich geh was an die frische Luft. Bei den Witzen hier würde ich mich nicht wundern, wenn dich ein Clown verprügeln würde.«

Er guckte mich verdutzt an.

Gesagt, Getan. Kaum hatte ich das ausgesprochen schnappte ich mir ein Brötchen, wobei ich den kleinen Satansbraten immer im Augenwinkel hatte, ging zum Flur und knallte die Tür hinter mir zu. Ich war froh aus dem Haus zu sein. Kühle Morgenfrische und... Gewitterwolken.

(Oh man. Ja super. Es fängt an zu regnen. Das Pech verfolgt mich wohl doch immer egal wohin ich gehe.)
 

Ich blieb stehen.

Die Straßen waren leer und der Himmel zog sich langsam zu. Aus dem hellblau wurde ein tief grauer Schleier. Ich starrte in den Himmel. Es tat trotzdem gut die einzelnen Regentropfen auf der Haut zu spüren. Ich mochte eigentlich kein Wasser, geschweige denn von nasser Kleidung ummantelt zu sein, aber ich wollte nicht nach Hause um mir einen Schirm zu holen. Deswegen schaute ich mich um, um irgend ein trockenes Fleckchen zu finden. Ein paar Blöcke weiter stieß ich auf ein hohes, älteres verrostetes Tor, was mir, wenn ich mich recht entsinne, noch nie aufgefallen war. Womöglich lag das daran, das dieses Tor zu einem alten Haus gehörte, was schon seit Jahren unter Denkmalschutz stand.
 

Ich rannte auf die andere Straßenseite um dorthin zu gelangen. Es war ein wenig vom Efeu bedeckt. Ich schob diese etwas zur Seite und drückte die Klinke runter. Es quietschte und riss beim öffnen einige der Ranken herunter. Zwei Schritte durch das Tor und ich stand im Garten. Mir war ein wenig unheimlich zumute. Es sah richtig verwildert aus. Hier musste schon lang keiner mehr gewesen sein. Sehr lange. Das Gras war bis zu meinen Knien hoch gewachsen und das Unkraut wucherte an jeder Ecke. Nichts ungewöhnliches in dieser Stadt. Ich spürte, dass meine Haare sich voll saugten und schwerer wurden. Da ich, schlau wie ich bin, keine Jacke mitgenommen, sondern nur ein T-Shirt an hatte, fror ich allmählich und merkte richtig, wie sich jedes einzelne Haare langsam aufstellte. Um nicht noch nasser zu werden und einer Erkältung aus dem Weg zu gehen, bahnte ich mir einen Weg zu einer alten Eiche, die anscheinend früher vom Blitz getroffen wurde, da sich im Inneren ein Menschen großes Loch befand. Ich kletterte vorsichtig rein und war froh endlich aus der Nässe zu sein, bis ich in etwas glitschiges an der Innenwand des Baumes fasste. Ich zog meine Hand weg, trat aus dem Loch und schüttelte sie einmal draußen aus.

»Hätte es nicht reichen können, dass es in strömen regnet? Nein natürlich nicht.«
 

Ich schaute auf meine Hand und kniff meine Augen ein wenig zu. Es roch verdächtig nach etwas was ich kannte. Meine Nase schob sich langsam näher zu dem bekannten Geruch. Es roch wie.. »Marmelade?!« Meine Stirn runzelte sich und ich verstand nicht, was Marmelade an einem Baum zu suchen hatte, wollte darüber aber auch nicht weiter nachdenken. Der Tag war schon beschissen genug.
 

»Verdammtes Wetter, verdammte Stadt, verdammtes Leben. Warum spring ich nicht gleich von der Brücke und mache kurzen Prozess mit mir.« Ich trat zwei oder dreimal gegen den Baum um mich ab zu reagieren. Wut und Traurigkeit schossen in mir hoch, ließen mich auch nicht mehr richtig nachdenken was ich da eigentlich tat und wo ich überhaupt war. Doch plötzlich ging ein tiefes raunen durch den Stamm und ich dachte ein knarren der Rinde gehört zu haben. Und ich täuschte mich nicht. Das tiefe Raunen ertönte erneut, gefolgt von einem Stöhnen das mir Gänsehaut bereitete.
 

»Kleiner Mensch. Was tust du da?«

Ich erschrak und zuckte zusammen.

(Woher kam diese Stimme urplötzlich.)

Panik überfiel mich und drehte mich wieder zum Baum hin.

(Woher zum Teufel kam diese Stimme?)

»Wer ist da. Komm raus.« Ich starrte auf das Loch, weil ich annahm, das sich noch Jemand in ihm untergestellt hatte, was allerdings sehr unwahrscheinlich war. Platz für einen war dort, aber mehr als zwei Personen, das grenzte doch schon sehr an Zauberei.

»Heraus? Wo soll ich heraus kommen.« antwortete die tiefe Stimme. Sie klang ruhig und doch ausdrucksstark. Die Krone des Baumes fing an sich sanft zu schütteln, wobei mir einige Regentropfen ins Auge fielen. Ich kniff meine Augen kurz zu und blickte etwas weiter nach oben. Ich merkte wie ich mich plötzlich kleiner fühlte.

(Konnte es sein das...)

»Ja kleiner Mensch. Deine Gedanken kreisen um die richtige Antwort.«

Ich schluckte. »Ein Baum? Wie kann das sein. Bäume reden nicht, geschweige denn etwas fühlen.«

Wieder wurden die Blätter an den Ästen geschüttelt.

»Jede Lebensform kann fühlen. Aber nicht Jede möchte, dass es die Anderen wissen.«

»Was ist das denn für eine Logik.« Meine Augenbraue verzog sich. »Wenn das so sein sollte. Wieso sprichst du dann jetzt mit mir?« Ich wartete gespannt auf eine Antwort.

»Da ich hörte, dass du Hilfe brauchst, kleiner Mensch. Und ich dir helfen kann.«

Ich senkte meinen Blick. »Wer sagt das.«

»Ich kann es fühlen. Deine Seele und dein Herz wollen endlich Freiheit und Liebe. Ich fühle Dunkelheit und Unsicherheit.«

»Du kannst schon mal gar nicht urteilen was ich will und was nicht. Was bist du schon. Ein Baum der redet. Ich träume einfach nur das ist alles. Lass mich in Ruhe!« Ich drehte mich um und wollte gehen.

»Baumbur muss helfen. Kleiner Mensch muss lernen in Frieden zu leben. Es gibt noch Andere. Vielen geholfen. Kleiner Mensch muss jetzt aufpassen auf sich.«

Ich drehte mich wieder um und guckte den alten Riesen mit fragendem Blick an. »Bitte was?«

Nachdem ich diesen Satz ausgesprochen hatte begann wieder das Raunen. Doch diesmal lauter als bei den ersten Zwei malen. Die Baumkrone fing heftig an zu wackeln und ich wusste, dass dies nicht der Wind war. Mich überkam das Gefühl als ob ich den Riesen verärgert hatte. War ich vielleicht doch zu unfreundlich gewesen? Aber ich träumte doch nur.
 

Bevor ich diese Frage aber klären konnte bekam ich schon einen kräftigen Stoß gegen meinen Rücken und machte einen großen Schritt nach vorne. »Hey!« Ich wollte mich umdrehen, doch im selben Augenblick erfasste mich ein zweiter Stoß von der gleichen Richtung. Es peitschte im Gesicht, doch ich konnte gerade noch sehen, was mich da angriff. Es war der Baum. Er schlug mich mit einem seiner Äste. Ich wollte mich wehren, doch es ging alles viel zu schnell. Vom letzten Stoß stolperte ich rückwärts wieder ins Baumloch rein und fiel.
 

Der Boden war verschwunden. Dort wo ich vorher gestanden hatte und mich unterstellte, war kein Boden mehr. Ich fiel weiter und wollte das alles gar nicht mehr wahr haben. Träumte ich? Meine Gedanken waren Überall und Nirgendwo. Die Dunkelheit die mich umfing machte mir dennoch keine Angst. Es war eher ein wohlfühlendes warmes Gefühl und merkte, wie mir die Augen zu fielen. Ich ließ mich von der Dunkelheit entführen und fühlte wie ich langsam Ohnmächtig wurde.



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