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L'Amour à trois

Darkly, darkly, Venus Aversa
von

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I. Season - Sonne, Mond und Sterne

Anscheinend war ich nicht nur bekloppt, sondern auch komplett lebensmüde, wahrscheinlich aber wollte mein Geist diesen besessenen Körper aber auch nur den verdienten Gnadenschuss versetzen.

Hinter uns dieser laut schnaufende LKW, welcher zwar keine rosa Lackierung aufwies, bei dem man aber trotzdem aufpassen musste, dass er einem nicht hinten rein fuhr.

Vor uns rollte diese Klapperkiste mit unseren Freunden im Inneren über den Asphalt, wobei ausgerechnet Raketenmaulwurf Kai die Führung übernahm.

Ein wenig angstgeschwängert - denn ich merkte just in diesem Moment, dass ich doch noch ziemlich an meinem Leben hing - bohrte ich meine fiesen, spitzen Fingernägel tiefer in Eisis Hüften, woraufhin dieser trotz des Verkehrslärm hörbar ein passendes Lied anstimmte.

"Der Tod schwingt mit, in deinen Hüften..."

Er sollte die Schnauze halten, verdammich!

Wenn ich irgendwann einmal draufgehen sollte, dann bitte locker vom Hocker und nicht hektisch über den Ecktisch, bedeutete: Nicht hier an diesem höchst unbequemen Ort, der sich da Autobahn schimpfte.

Glücklicherweise musste ich nicht befürchten, dass Eisi mit seinem motorisierten Fahrrad in den fahrbaren Untersatz vor uns raste, denn der Typ war alles, aber nicht vom anderen Ufer.

Trotzdem ärgerte ich mich zutiefst, dass ich nicht darauf bestanden hatte mit Sascha zu tauschen und in der stickigen Kiste Platz zu nehmen, denn dieses wäre bei weitem komfortabler und sicherer gewesen als das luftige Plätzchen, welches mir zuteil geworden war.

Und dann noch dieser Helm auf dem Schädel, der mir wahrscheinlich den Hals wie eine Ziehharmonika zusammendrücken versuchte.

Darunter rann der Schweiß über mein Gesicht und ich musste grummelig an einen zu meiner Situation passenden Werbespot denken.

Immer wenn du hungrig bist, wirst du zur Diva!

Dabei war ich gar nicht hungrig, ich war Darin.

Und dieses Zitat war noch bei Weitem gescheiter als Eisis komische Songlyrics, die er uns ständig und freilich gegen unseren Willen um die Ohren haute.

Da lieber noch Yoshis mysteriöses Eischiteru, von dem eh keiner wusste, was es hieß.

An manchen Tagen hätte ich mich am liebsten Sascha, den die meisten von uns nur noch Schascha oder wahlweise auch Shisha nannten, angeschlossen um mit ihm an der Wasserpfeife um die Wette zu blasen.

Anders würden die auf mich zukommenden Tage eh nicht auszuhalten sein, dieses Schicksal malte ich mir bereits in den schillerndsten Farben aus.

Entweder meine Eier würden beide Namen tragen, wenn ich das Licht der Normalität wieder erblickte oder ich würde nicht mehr in der Lage sein, eine andere Farbe als die schwarze wahrzunehmen.

Ich wusste, dass ich mit einer Vollklatsche zurückkehren und diese auch nicht vor meinen Kumpels haltmachen würde.

Und genau das war das Beängstigende an der Sache.
 

Dass meine Erwartungen so gut wie nie enttäuscht wurden war ich bereits gewohnt.

Natürlich wusste ich, wie ein Goth in voller Montur auszusehen hatte und deswegen fiel ich auch nicht gleich mit einem Schreckensschrei in Ohnmacht, als ich mir inmitten meiner Kumpels die Beine in den Bauch stand und mich an den wildesten Kostümen laben durfte.

Und das alles nur, um so ein lumpiges Bändchen zu erhalten, welches man mir besser nicht aushändigte, denn es bestand akute Gefahr, dass ich einen Strangulationsversuch mit jenem unternahm.

Okay, zugegeben, ich war nicht nach Mordor abkommandiert worden und eigentlich sollte ich dem Herrgott danken, dass der Tod auf der Autobahn doch nicht mitgeschwungen hatte, wie Eisi es mir prophezeien wollte.

Aber das, was sich bereits vor dem Gelände abspielte, und vor allem, welch merkwürdige Gestalten sich hier tummelten entsprach dann doch nicht meinem natürlichen Habitat.

Typen mit meterhohen Lackstiefeln an den Füßen und noch höheren Irokesenfrisuren, ein Sadomasoverehrer mit freiem Oberkörper und dafür weniger freiem Gesicht an der Leine, stolz präsentiert von seiner Liebsten, dazu gesellte sich eine Gruppe Frauen, deren Röcke die Bezeichnung gar nicht verdienten.

Ich war nicht unbedingt prüde oder so, aber auch kein Verfechter von Liebe auf der Straße wie die alten Hippies, deswegen konnten mir deren Reize gerne gestohlen bleiben.

Schascha mit der Shisha sah das freilich anders.

Er ignorierte geflissentlich, dass die Reihe endlich an ihn gekommen war und ließ seine geröteten Augen viel lieber unter den breiten Gürtel dieser jungen Damen wandern, auf dass er sie nie mehr wieder auflesen könne, weil sie in einer Ritze stecken geblieben waren.

Und da Eisi damit beschäftigt war, ein lustiges Lied von einer ferngesteuerten Hexe zu singen, Yoshi einer Gothic Lolita sein Eischiteru hinterherrief und unser Freundchen Kai sich mal wieder in seiner langen Gruftimähne selbst gefangen hatte, lag es an mir, brav zu bezahlen und die Bändchen in Empfang zu nehmen.

Auf dass ich mein Zelt ganz weit weg von diesen exzentrischen Typen mit Plateaustiefeln und Kunstwimpern errichten durfte.

Und darauf, dass ich mein Zelt wenigstens mit Kai teilen durfte, auch wenn dieser laut Eisi stets in einer Kiste pennte.
 

*****
 

Das musste dieses sagenumwobene Rockstarleben sein.

Versiffte Wiese, versifftes Umfeld mit dreckigen Zelten und noch dreckigeren Büchsen, in denen sich früher wahrscheinlich mal Ravioli befanden, aber nun lieblos neben Bierkästen auf der Erde ruhten und darauf warteten, irgendwann zu verrotten.

Durfte sich bei Metall schwierig gestalten, zum Vergleich betrachtete man Sascha, dessen zahlreiche Piercings in der Fresse sich bester Gesundheit erfreuten und das, obwohl er die allen Anscheins nach seit seiner Geburt trug und sie auch nicht vor seinem Tod ablegen würde.

Aber selbsternannte Vampire mit langen Mänteln waren ja bereits längst im Jenseits gelandet, ich vergaß.

Ich zumindest weilte noch im Reich der Lebenden, trotz Tunnels in den Ohren und wollte, dass dies sich nicht allzu bald änderte.

Dieser Ort, der sich da Zeltplatz nannte, trug jedenfalls nicht dazu bei.
 

Es hatte uns eine Weile gekostet, unser Sack und Pack aus dem Auto zu laden und es nahm sogar noch mehr Zeit in Anspruch, das Zeug möglichst platzsparend auf ein paar wenigen Quadratmetern unterzubringen.

Saschas Shisha durfte nach langem Hin und Her schließlich in sein Zelt einziehen, woraufhin dieser sich juchzend in seine mühsam aufgebaute Hütte verzog und dafür sorgte, dass das Ding qualmte und wir fürchteten, dass die Policia uns schnappen würde, weil wir vorhatten, den Wald in Brand zu setzen.

"Ich will brennen, ich will brennen, auch wenn danach nur kalte Asche übrig ist!", hörte man Eisi passenderweise johlen, welcher den Wannabe-Japaner Yoshi am Schlafittchen packte und in seine Hütte verschleppte, um dort sonstwas mit ihm zu machen, wovon ich gar nichts wissen wollte.

Als ich dann ausversehen Blickkontakt zu Kai aufbaute und dieser mir ein teuflisches Grinsen schenkte, wusste ich, neben wem ich die nächsten Tage einschlafen durfte.

Neben Kai aus der Kiste, wenn das das Sozialamt wüsste.
 

Zum Glück war bis zu meiner ersten Nacht mit und neben Kai noch eine Menge Zeit, in der wir uns einige Konzerte anschauen wollten.

Freilich mochte keiner von uns Blutengel und diese komischen EBM-Bands, die lediglich konfuse Töne aus ihren Laptops prügelten, aber genau diese wollten sich die anderen anschauen.

Dass ich mehr auf Bands wie Escape the Fate oder A Day to Remember stand, interessierte mal wieder keinen, schon nicht, als es darum ging, wer das Erlebnis Festival mit ihnen teilen durfte.

Vielleicht planten sie diesen komischen Freak, wie ich es in ihren Augen war, umzuerziehen, die Tunnels aus den Ohren zu hauen und die für den Sommer eh zu warme Strickmütze als Topflappen zu missbrauchen.

Wer wusste das schon.

Ich wusste nur, dass Yoshi ebenfalls ziemlich enttäuscht aus der Wäsche geguckt hatte, als er bemerkte, dass keine einzige japanische Band auf dem Line Up stand.

Und Eisi reagierte leicht verstimmt, weil Eisregen ihren Weg nicht nach Leipzig gefunden hatten.

Nur Sascha war wiedermal alles recht, vielleicht, weil er auf seiner Wolke eh den größten Scheiß toll fand oder auch, weil er ein bisschen verguckt in den Sänger von Blutengel war, obwohl dieser ein bisschen zu alt für unseren bleichgesichtigen Freund war.

Offiziell jedoch war er jedoch noch immer hetero, obwohl er eher die Sexualität eines männlichen Brötchens besaß.

Nämlich gar keine.

Klar krochen seine Augen dann und wann unter schwarze Rüschenröckchen, jedoch ließ sein Sexleben zu wünschen übrig.

Genau wie meines.

Uns beide unterschied lediglich die Tatsache, dass mich dieser Zustand frustrierte und ihn es ungefähr so stark interessierte wie mich das Beobachten der anderen, während sie ihre Schminke auftrugen und in die peinlichsten Klamotten schlüpften.

Mit den Händen in der Hosentasche verweilte ich an einen Baum gelehnt und verlor mich in unrealistischen Tagträumereien, die allesamt davon handelten, wie ich einer nicht ganz so schwarzen Prinzessin begegnete, um ihr schwarzer Gigolo zu sein, ein Todesengel mit strammem Po zu sein.

Oh weia.

Eisi wäre sowas von stolz auf mich, wenn er meine Gedanken zu lesen vermocht hätte, hatte ich doch gerade eins seiner liebsten Eisregenlieder zitiert, für die Unwissenden unter Ihnen.

Einem hübschen Mädchen hingegen hätte ich lieber ein paar Passagen aus dem Kamasutrabuch zitiert, wobei dies nur auf körperlichem Wege möglich war, denn besagtes Werk enthielt außer lustig-bunten Bildchen nicht viel mehr.

Jedenfalls das, was ich kannte.
 

"Alter, Yoshi, hat Eisi dich zu einem Mädchen gemacht?"

Ich konnte mir diese entsetzte Frage nicht verkneifen, als ich den Jüngsten im Bunde beäugte, welcher die blond-schwarzen Haare einer Sonne gleich vom Kopf abstehen hatte und eine kurze Hose mit Strapsen und Stulpen präsentierte.

Natürlich wusste ich, dass die Szene sehr viele androgyne Jungs beherbergte, von denen man beim besten Willen nicht sagen konnte, ob sie untenrum viel oder wenig hatten.

Aber Yoshi schoss mal wieder den Vogel ab.

Dieser schmächtige 16-Jährige, den seine Eltern nur mitfahren lassen hatten, weil Eisi, Kai, Sascha und ich bereits die Volljährigkeit überschritten hatten und vermeintlich gut auf ihn aufpassen würden, glich mit den pandabärengleich geschminkten Augen und dem zartrosa Lipgloss auf der Fresse einer dieser Gothic Lolitas, die ich in einer seiner Zeitschriften gesehen hatte.
 

"Ich bin kawaii!!!", brüllte mir der Kleine empört entgegen, wobei Eisi gleich zur Stelle war, um das aufgebrachte Nervenbündel an seine breite, starke Brust zu drücken.

Wie Papi und Sohn, dachte ich genervt und gab mich nun sogar noch lieber mit Kai und Sascha ab, welche sich links und rechts von mir aufstellten und sich wie alte Leute bei mir einhenkelten.

Ja, wir waren schon ein flotter Dreier, der Schascha, der Kai aus der Kiste und der Darin Dankemirreichts - übrigens mein Spitzname, den mir Eisi verpasst hatte, weil ich immer so schnell genervt war von allem und jedem.

Dass ich eigentlich gar keinen Dreier mit meinen langhaarigen Kumpels anstrebte, welche ihre sexy Netztops zwillingsgleich der Außenwelt präsentierten und beinahe über die Stricke ihrer Bondagehosen stürzten, interessierte keinen.

Denn ich erwähnte ja bereits, dass Sascha ein männliches Brötchen war und Kai stand ihm da in nichts nach.

Soweit ich wusste, natürlich nur.

Man konnte ja nie erahnen, was für finstere Gedanken die Menschen des Nachts heimsuchten.
 

*****
 

"Danke, mir reichts."

"Was?"

"Mir reichts!"

"Dir reibts? Wo?"

Man konnte Kai wahrlich keinen Vorwurf machen, dafür, dass er meine weisen Worte nicht verstand und sie wie bei dem Spiel Stille Post verfremdet wurden.

Zwei Männer, welche mit Mikro bewaffnet auf der Bühne umhergingen und mit ebenso stark verfremdeter Stimme den gesamten Festplatz zu beschallen suchten, raubten einem dann doch den Hörsinn.

Sascha jedoch schien das mal wieder nicht zu kümmern, denn dieser sprang fröhlich mitgröhlend, die Pommesgabel in die Höhe reckend, auf und nieder und ich wollte beinahe dazu ansetzen, mich für ihn fremdzuschämen.

Und in diesem Augenblick war ich sogar etwas stolz auf die Tatsache, dass ich meinem Spitznamen alle Ehre erwies.

Die Sonne knallte uns erbarmungslos auf den Schädel und mir begannen die Haare unter der Mütze langsam aber sicher zu schwimmen, dann war da noch dieser erschreckend hysterische Typ neben mir, der dem Duo da vorn zujubelte, als wäre es Tokio Hotel höchstpersönlich.

Ich hatte bereits aufgehört zu zählen, wie häufig ich seinen Ellenbogen am Kinn spüren durfte.

Aber ich würde nie aufhören, jede einzelne Minute in diesem Schwitzkasten zu zählen, während sich Kai schon lang nicht mehr um meine kleinen Reibereien scherte und sich viel mehr Sascha anschloss, der nun auch fast so weit war, dass er seine Unterwäsche auf die Bühne warf.

Nur leider konnte so eine Niete in Handball wie er es war nie und nimmer von der fünften Reihe aus den Kopf des Typen mit der Halbglatze treffen.

Schade für ihn, in mir stieg fast schon so etwas wie Mitleid auf.

Als Kopfbedeckung hätten sich Kais Boxershorts sicher gut geeignet.

Aber so blieben sie mir vorbehalten, der seine verschwitzte Kiepe am liebsten auf der Stelle dem Tokio-Hotel-Fan in die Fresse gestopft hätte, damit dieser endlich sein Maul hielt.
 

So oft ich auch meinen Spitznamen wiederholte, er verfehlte seinen Sinn.

Meine herzallerliebsten Freunde ignorierten mich geflissentlich, wurden erst etwas ruhiger, als die EBM-Helden den Abgang machten und ein paar Verstärker samt Gitarren für die nächste Band aufgebaut wurden.

Gitarren - man hatte mein Flehen erhört!

Alles war besser als dieses elektronische Gepiepe, diese synthetischen Klänge, die in meinen Augen dafür sorgten, dass wahre Musik nach und nach ausstarb.

Der Typ neben mir war gewichen, wahrscheinlich stand er im Gegensatz zu mir nicht so auf Handgemachtes, aber was kümmerte mich das, wo ich doch jetzt einen guten Blick auf die Bühne erhaschen konnte, ohne, dass mir jemand mit seinem Iro in die Nase stach oder das Stachelarmband in den Bauch rammte.

Etwas zufriedener platzierte ich mich zwischen zwei Mädchen, welche ich um einen ganzen Kopf überragte und erwartete sehnsüchtig den nächsten Act, der sich nun auch schon bemerkbar machte.

Scheinwerfer tauchten die leider vom Tageslicht noch hell erleuchtete Bühne in ein warmes Rot, welches sich im Kontrast dazu mit einem kalten Blau vermengte.

Sogar Nebel waberte aus allen Ecken, sodass ich die Personen, die daraufhin die Bühne betraten, nur schemenhaft wahrnahm, wie schwarze Schatten, doch als die Gitarre zum ersten Mal aufheulte und die Drums malträtiert wurden, fing mein kleines Herz zu strahlen an.

'Alfi Hardcore!', trällerte meine Stimme und ich fragte mich, ob der Rauch von Saschas Shisha nicht heimlich in meinen Mund gekrochen war und nun mein Hirn so vernebelte wie die Rauchmaschine auf der Bühne.

Aber wie überrascht war ich bereits im nächsten Moment, in dem eine zierliche Sängerin mit roter Mähne wie Arielle und einem engen Korsett auf die Bühne sprang und die Menge euphorisch anheizte, damit sie die Band unterstützte.

Halleluja, das ging ab.

Das Fräulein sah nicht nur gut aus und konnte singen, nein, der erste Song stellte außerdem ihre ausgezeichnete Fähigkeit zu brüllen und zu kreischen zur Schau.

Umringt von diesen schwarzen, kaum erkennbaren Gestalten, die die Instrumente bedienten, rockte sie die Bühne und schrie zum Schluss fröhlich in ihr Mikro: "Wir sind the Sun, the Moon and the Stars und genießen es, eure Ohren so richtig windelweich zu prügeln!"
 

Das konnte man laut sagen.

In diesem Fall stand sogar ein Darin auf Schmerzen.

Nur fragte ich mich, wie man so gut spielen, aber doch so einen dämlichen Namen tragen konnte.

Sonne, Mond und Sterne, du kannst mich haben gerne.

Aber Arielle sei das freilich verziehen.

Von so einer Powerfrau hätte ich mir schon gern mal den Marsch blasen lassen.

Man, man, nun wurde ich auf meine alten Tage auch noch Groupie.

Eisi durfte dies niemals erfahren, denn der würde mich gleich wieder aufziehen, von wegen, sie sei meine Eiskönigin, wenn ich sie anfasse, schmelze sie dahin.

Und ein zerflossener Traum sei nicht das, was ich will.

Doch der hatte ja eh keine Ahnung von mir und meinen geheimen Wünschen.

Vielleicht mochte ich ja verschiedene Arten von Feuchtigkeit ganz gerne...
 

Es gab schließlich nur noch eins, das mich nach dem Auftritt der jungen Lady davon abhalten konnte, ihr gar nicht so schwarzer Gigolo zu sein.

Und das war dieser dicke Buddha von der Security...

I. Season - Tief im dunklen Wald

Leider hatte ich meinen schwarzen Karategürtel zu Hause liegen lassen, sodass ich nach dem viel zu kurzen Auftritt der Band, an deren Sängerin ich mich wahrlich nicht sattsehen konnte, lieber kehrt machte und den Securitybuddha Securitybuddha sein ließ.

Schon traurig, wenn man bedachte, dass mir das junge Fräulein so wahrscheinlich nie mehr unter die Augen treten würde, aber mein Leben ginge weiter, wenn auch traurig und einsam.

Einsam weniger, denn ich besaß schließlich gute Freunde, die mich anschließend in die Halle gleich nebenan schliffen, entweder, um meinen Kummer zu lindern oder die netten Fetischklamotten zu begutachten, die man dort käuflich erwerben konnte.
 

"Was machst du denn für ein langes Gesicht?", wollte Kai ganz mitfühlend von mir wissen, klopfte mir kumpelhaft auf die Schulter und lächelte mir aufmunternd zu.

Süß.

Wenigstens einer, der sich nicht einen Dreck um mich und mein Gefühlsleben scherte und diesen beängstigenden Klamotten aus Lack, die da wohl sexy sein sollten, seine Aufmerksamkeit entzog.

Im Gegensatz zu Sascha, unserer Kiffdiva, die ganz hin und weg von ein paar einfachen Lederriemen zu sein schien, die sie grinsend dem Rest der Meute präsentierte und es fehlte nicht mehr viel und Eisi hätte laut applaudiert, so wie der geiferte.
 

"Ach", gab ich gequält von mir, während ich mich von jenem peinlichen Schauspiel abwendete. "Ist nur wegen der heißen Schnecke von vorhin, der Sängerin von dieser Band da, mit den roten Haaren. Blöd, dass ich sie nicht mehr sehen werde. Fand die ganz niedlich."

Kai guckte zunächst mich an, dann ließ er seine Blicke stirnrunzelnd durch den Saal wandern, so, als suche er nach etwas.

Vielleicht nach seiner Kiste, die beiden waren laut Eisi schließlich unzertrennlich.

Plötzlich aber hielt er inne und deutete mit dem Zeigefinger gar nicht so unauffällig in eine bestimmte Richtung.

"Meinst du die?"

Ich drehte meinen dicken Hintern einmal um meine eigene Achse.

Und siehe da: An einem der Stände sah ich einen roten Haarschopf herumwuseln, dessen Besitzerin doch genau die war, die ich schon beinahe vermissen wollte!

Allen Anscheins nach gaben sie und ihre Band interessierten Leuten Autogramme, und wenn hier jemand Interesse hatte, dann ja wohl ich.

Den verdatterten Kai ließ ich unhöflicherweise einfach stehen, während meine Füße sich wie automatisch in Bewegung setzten, um der Dame meiner Träume näher zu kommen.

Ich hatte in einem früheren Leben bereits ein paar Mädchen, deswegen wusste ich auch ganz genau, wie galant ich sie ansprechen wollte, ohne plump rüberzukommen oder so auszusehen, als sei ich nur ein weiterer, dummer Groupie, der sich sofort in Arielles bequemen Hotelbett mit ihr verausgaben wollte.
 

Da ich wie gesagt in diesem Leben noch kein Mädchen an meiner Seite hatte, vermieste mir der alberne Kloß im Hals meinen eleganten Auftritt.

Schon als ich mich in die Schlange der geduldig Wartenden einreihte, schaute ich hilfesuchend nach meinem Kumpel Kai, der mir aber anscheinend bei meinem Gang nach Canossa nicht beistehen wollte, seiner Abwesenheit nach zu urteilen.

Nervös aber noch immer voller Gier starrte ich die junge Frau an, die nur ein paar Meter von mir entfernt mit ihrem schönsten Lächeln im Gesicht die Mädchen mit ihrer Unterschrift beglückte und ihr Haar elegant in den Nacken warf.

Sie war so schön, dass mir fast ein Ei auslief und ich durfte es einfach nicht vergeigen, doch spürte ich einen starken Toilettendrang in mir aufsteigen.

Ich hoffte doch sehr, dass ich nicht ausgerechnet dann furzen musste, wenn ich endlich an der Reihe war.

Denn dann hatte ich es verschissen, im wahrsten Sinne des Wortes.
 

Warum hatte sich mein verdammter Körper nur so albern?

Als ich schließlich die Hände bequem auf den Tisch legen konnte und ich Arielle von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, schaltete sich mein Herz auf den Modus 100-Meter-Lauf um, bedeutete: Eingeschränkte Sprachfähigkeiten, schwitzige Pfoten und wahrscheinlich eine Birne, die einer Leuchtboje in nichts nachstand.

Und als mich die rothaarige Schönheit endlich bemerkte und mir ein viel zu einladendes Lächeln schenkte, hielten mich nur die Leute hinter mir davon ab, dass ich in mir zusammensackte und den Boden küsste.

Bildete ich mir das ein oder hatte ich bereits nach der halben Stunde einen derartigen Narren an dem Mädel gefressen, dass es mich mit einem bloßen Blick in meine Augen vollkommen willenlos machen konnte?

Die Frage konnte ich jedoch nicht mehr im Stillen beantworten, denn nun erklang ihre liebliche Stimme, die, die vorhin noch gekreischt und gebrüllt hatte als hätte sich das friedliche WGT in ein Gomorrha verwandelt.
 

"Hi!", grüßte sie mich freundlich und sehr aufgeschlossen, was man von mir nicht behaupten konnte.

"Ähm...ja...", bekam ich also nur heraus, schluckte, und darauf war ich schon stolz!

"Willst du 'ne Widmung?", fragte sie, während sie damit beschäftigt war, sich mit ihrem Namen in großen, geschwungenen Buchstaben auf dem glänzenden Bandfoto zu verewigen.

"Schreib...schreib 'für Darin', bitte danke."

"Ist der drauf?", wurde neben der Rothaarigen eine Stimme laut und ein Kichern erfüllte die peinliche Situation, aus der ich mich jedoch beim besten Willen nicht befreien konnte.

Seit wann war ich dermaßen schüchtern?

Einem Metalhead mit fetten Tunnels stand dies gar nicht zu, und deswegen schnauzte ich den Typen mit einem einfachen 'Nein, er ist drunter!' an, woraufhin dieser mir ein ebenso verschmitztes Lächeln wie Arielle schenkte, nur leider zog das bei mir heterosexuellen Männchen eher weniger.

"Ach, sieh an, ein Bottom!"

Sein anfängliches Lächeln steigerte sich zu einem fiesen Grinsen und die weißen Kontaktlinsen in seinen Augen ließen das Ganze noch zusätzlich bedrohlich wirken.

In einer anderen Situation hätte er mich wahrscheinlich stark an Schascha erinnert mit seinen langen, schwarzen Haaren, den tiefschwarz umrandeten Augen und dem zerrissenen Netztop, aber mein Kumpel war bei Weitem nicht so ein Fiesling, eben, weil er stets und ständig drauf war.

"Vielleicht würde dir ein bisschen Kiffen auch ganz gut tun!", warf ich dem Goth an den Kopf, von dem ich sowieso glaubte, dass er vorhin auf der Bühne nicht mit Anwesenheit geglänzt hatte.

Und zu jemandem, der nicht in einer Band spielte, dufte ich auch selbst fies sein, denn nur Musiker waren in meinen Augen heilig und unantastbar.

"Tze", machte der Typ nur und gluckste noch ein wenig vor sich hin, ehe er sich ebenfalls daran machte, das Kärtchen zu signieren, während ich mir trotz meiner recht gut ausgeübten Schlagfertigkeit wie ein Trottel vorkam.

Selbst Arielle grinste wie ein Honigkuchenpferd und ich ahnte, dass ich wohl nicht ihr gar nicht so schwarzer Gigolo werden konnte, was ich sehr bedauerte.
 

Als die Karte durch war und sie mir in die Hand gedrückt wurde, wollte ich mich schon enttäuscht vom Tisch verziehen, doch die Sängerin machte mir mit ihrer Verabschiedung in Form von 'Man sieht sich' Hoffnungen.

Vielleicht hatte sie ja ein Herz für Typen mit Strickmützen und Idiotie.

Aber wie sollte ich sie jetzt noch wiedersehen?

Ich wusste weder wo sie pennte, noch ihre Handynummer.

Es schien aussichtslos.

Wahrscheinlich würde ich mich heute Nacht an Kais Schulter in den Schlaf weinen müssen.
 

*****
 

Dass Alkohol keine Lösung war, sondern ein Destillat, wusste sogar ich als chemisch total desinteressiertes Kind.

Und trotzdem schüttete ich mir einen großzügigen Schluck Jack Daniels hinter die Binde, nachdem ich mit meinen Kumpels halbherzig auf diesen wundervollen, ersten WGT-Tag angestoßen hatte.

Ich musste es der dunklen Blume ja lassen, sie war ein netter, ansehnlicher Club, in dem ein DJ zwar ziemlich schlechte Musik auflegte und die Leute auf der Tanzfläche unverständlicher Weise fast schon extatisch dazu zuckten, aber ehrlich gesagt vermisste ich bereits jetzt, um ein Uhr Nachts, mein gemütliches Bett.

Die Aussichten auf meinen heutigen Schlafplatz waren ja auch mehr als unbefriedigend.
 

Kai schien mir anzusehen, dass ich weitaus weniger Freude empfand als Yoshi, Eisi und Sascha, so wie er mich den ganzen Abend lang ansah, es war mir fast schon ein wenig unheimlich.

Doch so sehr ihn mein wahrscheinlich recht angepisster Gesichtsausdruck interessierte sowie faszinierte, so sehr liebäugelte er auch mit der Autogrammkarte, welche die hübsche Rothaarige samt ihrer weniger hübschen Band auf Hochglanz abbildete.

Und auch ich warf ständig einen Blick darauf und kam mir schon vor wie ein verliebter Gockel, denn anstatt das Ding einfach in der Tasche verschwinden zu lassen hielt ich es nun schon zwei geschlagene Stunden in der Hand.
 

"Wirklich süß, die Kleine. Wie heißt sie gleich?"

"Lilly", antwortete ich nachdenklich und ließ mir von Sascha noch einen Schnaps mitbringen, welcher gerade dabei war, Yoshi zu erklären, dass ihm das Teufelszeug namens Alkohol erst ausgehändigt werden würde, wenn er die Volljährigkeit erreicht hätte.

Da Eisi währenddessen damit beschäftigt war, den Kleinen zu trösten, konnte ich mich wie bereits angekündigt an Kais Schulter ausweinen.

Peinlich war dabei auf jeden Fall, dass ich immer näher an den finsteren Typen mit den Haaren bis zum Arsch heranrutschte und wir beide nun die Karte beobachteten, als bewegten sich die Bilder darauf wie in den Harry-Potter-Filmen.

"Wenn ich wenigstens wüsste, in welchem Hotel sie wohnt. Da würde ich mir es sogar getrauen, dort aufzukreuzen. Wenn du mir hilfst."

"Klar, Mann, schließlich bin ich kein Cockblocker", grinste mir mein Gegenüber zu und auch ich konnte mir ein seichtes Schmunzeln nicht verkneifen.

Nicht nur, wegen des Wortes 'Cockblocker' in Gegenwart meiner jungfräulichen Wenigkeit, sondern auch, weil Kai so verdammt okay sein konnte, wenn er wollte und vor allen Dingen, wenn man sich mit ihm allein unterhielt.

Davon abgesehen, dass ich seine weißen Kontaktlinsen zum Fürchten fand und ihm deswegen nicht in die Augen zu sehen vermochte, hatte sein schwarzer Lippenstift irgendetwas Faszinierendes an sich.

Und nun stellte ich zudem fest, dass der Typ von vorhin, der leider auch auf der Karte abgebildet war und sich Tyler oder so nannte, nicht nur mit Sascha Gemeinsamkeiten teilte, sondern eben auch mit Kai.

Warum mussten diese Gothics alle gleich aussehen?

Zum Glück waren sie nicht alle gleich scheiße.
 

"Man, ey, pass doch auf, das ist kein Untersetzer!"

"'Tschuldigung, die Diva mit ihrem heiligen Bandfoto..."

Okay, Sascha schlug dann wohl wenn er nicht bekifft war in die Tyler-Kerbe, was die Sympathie anging, denn erstens war ich alles andere als eine Diva und zweitens verbat ich mir so einen Sarkasmus gegenüber meinem Autogramm.

Das schlimmste an der ganzen Sache war jedoch, dass das gute Stück vor Schreck auf den Boden geflüchtet war und ich Kai schon fast angeschrien und dabei wie ein wildgewordener Eber an den Schultern geschüttelt hätte, damit er das Ding augenblicklich aufhob.

Auf meinen Kumpel konnte ich mich aber verlassen, denn er bückte sich zugleich nach der Karte, wollte sie mir zurückgeben, doch während er sich ihre Rückseite genauer betrachtete, stockte er in der Bewegung.

"Was'n?", wollte ich ganz aufgeregt wissen und meine Ungeduld nahm erst recht nicht ab, als die Mundwinkel des anderen zu zucken begannen.

"Guck mal hier", raunte er mir zu und zeigte mir nun die Seite, die eigentlich jungfräulich weiß sein sollte, was sie jedoch keineswegs war.

"Nein, sag bloß, das ist ihre Nummer!", jubelte ich zurückhaltend und auch Kai nickte erfreut mit dem Kopf.

"Wenn du mich nicht hättest", gab er an, während ich schon längst dabei war, mich nach draußen zu verziehen in der Hoffnung, ich könnte dem Lärm hier drin entkommen und in Ruhe ein erneutes Treffen mit Lilly ausmachen.

Unter zwei Augen und ohne diese Gruftjungs, verstand sich.
 

Für einen Außenstehenden wirkte es wahrscheinlich so, als benutzte ich zum allerersten Mal ein Handy, denn die Blicke der an mir vorbeieilenden Leute sagten mir genau dies.

Nicht mal an dem Tag, an dem ich meinen zukünftigen Chef anrief, weil ich wissen wollte, ob er mich kleinen beohringten Freak in seiner Firma ein Zuhause gibt, zitterten meine Pfoten dermaßen.

Es ist nur ein Mädchen, redete ich mir ein.

Ein Mädchen ist kein Unmensch und eigentlich nur ein Wesen ohne Penis und mit Brüsten.

Aber war es nicht genau das, was uns Kerle um den Verstand brachte?

Und war deswegen meine Nervosität nicht doch begründet?

Jedoch machte es mein Hadern nicht besser.

Ich wollte sie, zumindest wiedersehen.

Über mehr musste man zu einem späteren Zeitpunkt verhandeln.
 

Ein wahres Kotzgefühl stieg in mir auf, als meine Finger über den Flatscreen meines heutzutage so modernen Smartphones huschten, nur damit ich mich fast wirklich übergab, als ich dem beruhigend klingenden Tuten lauschte und am liebsten gleich wieder aufgelegt hätte.

Dass es kein Zurück mehr gab, bestätigte mir die Männerstimme am anderen Ende des Hörers, die mir ein genervtes 'Hallo?' in den Gehörgang schickte.

Moment.

Eine Männerstimme?

Ich war viel zu perplex, um einen Ton herauszubekommen, wollte mich gerade dafür entschuldigen, dass ich mich wohl verwählt hätte und mich mit hochrotem Kopf wegen mir und meinem Gebaren verziehen, aber es kam anders.

"Hallo? Ich hab nicht die ganze Nacht Zeit. Und auf Stalker hab ich auch keinen Bock."

Doch noch ehe ich etwas erwidern konnte, von wegen, ich sei eh nicht besonders gut im Stalken, da man meinen bemützten Schädel zu schnell entdecken könnte, hörte ich Stimmengewirr im Hintergrund und schließlich ließ eine selbst um die Uhrzeit fröhlich klingende Frauenstimme mein Herz in die Höhe hüpfen.

"Hey? Du mit der Mütze, richtig? Schön, dass du anrufst und noch schöner, dass Tyler dich nicht abgeschreckt hat. Ignorier ihn einfach, der fährt nur auf seiner ekelhaften Eifersuchtsschiene."

Äh...hä?

Zu viele Informationen auf einmal, zu viele, um dass sie mein stets angewärmtes und wahrscheinlich aufgrund der Hitze des heutigen Tages matschiges Hirn verarbeiten konnte.
 

"Ja...ähm...sorry, dass ich dich so spät noch anrufe", entschuldigte ich mich zunächst, ohne auf das zuvor Gesagte einzugehen, vielleicht entstand ja so etwas Entspannung in meinen Muskelsträngen.

"Ach, kein Ding, weißt doch, als Rockstar feiert man um die Uhrzeit noch", lachte die Stimme Lillys am anderen Ende der Leitung laut auf. "Und du? Bist wohl auch noch wach?"

"So wie es aussieht, ja", sagte ich mit einem für sie unsichtbaren Lächeln auf den Lippen und einem leichten Augenverdrehen, denn wenn ich schliefe, hätte ich sie schlecht anrufen können, oder?

"Wollen wir uns treffen?"

"Öhm...ähm..."

Das ging mir doch ein wenig zu schnell.

Schließlich musste ich mich seelisch und moralisch darauf vorbereiten, und das konnte Stunden oder gar Tage in Anspruch nehmen.

"Ich dachte...morgen, da haben wir keinen Auftritt. Und ich würde dich gern kennenlernen!"

Erneutes Stimmengewirr auf ihrer Seite, woraufhin Lilly das Handy scheinbar kurz vom Ohr nahm und irgendetwas Unverständliches zischte.

Während sie wahrscheinlich diesen Tyler rundmachte, hatte ich genügend Zeit, um mir eine Antwort zu überlegen.

Aber wieso dachte ich noch darüber nach, ob ich sie treffen wollte?

Natürlich wollte ich das, es war sogar meine Pflicht!

Irgendjemand musste mir ja mal meine olle Jungfräulichkeit austreiben, also...
 

"Bist du noch dran?"

"Ja...ähm...wie wärs mit...morgen 13.00 Uhr? Ich warte beim Zeltplatz, wo ich übrigens auch penne."

"Cool, ich freu mich!", jubelte Lilly, dann hatte sie auch schon aufgelegt, ohne eine Verabschiedung oder ein 'Gute Nacht', wie es um diese Tageszeit angebracht wäre.

Doch was juckten mich solche Kleinigkeiten.

Ich hatte ein Date, das erste in diesem 19 Jahre andauernden Leben!

Mein Kopf glühte vor Aufregung und meine nächste Amtshandlung bestand nun dahin, Kai von meinem Glück zu berichten und ihn gnädiger Weise daran teilhaben zu lassen.

Das affige Ich-bin-so-happy-Grinsen, wie man es nur aus albernen Daily Soaps kannte, konnte mir niemand mehr nehmen, selbst rausprügeln hätte ich es mir nicht lassen.

Von nichts und niemandem, das stand fest.
 

*****
 

Noch in dieser Nacht lernte ich, dass auch Vampire oder Jungs, die eine überragende Ähnlichkeit mit dieser Spezies aufweisen, irgendwann einmal die Augenlider von innen anschauen müssen.

Wenn es nicht so genervt hätte, wäre Saschas Schnarchen fast schon putzig gewesen, und auch die anderen sägten in ihren Zelten einen weg, weil sie weit über den Durst getrunken hatten.

Dass wir besoffene Truppe überhaupt den Weg auf den Zeltplatz fanden, ohne hänsel- und gretelgleich Brotkrumen auszustreuen, grenzte an ein Wunder.

Es war dunkel und es war ungemütlich, so neben Kai zu liegen, welcher regelrecht danach zu lechzen schien, dass ich Lilly am nächsten Tag vernaschte.

Warum ihn mein Liebesleben so stark interessierte, wusste ich nicht, wollte ich auch gar nicht wissen.

Mich nervte nur sein selbst im Dunklen sichtbares Grinsen, welches seine sonst so gotischen Gesichtszüge vollkommen verformte, obwohl es eigentlich mein Part gewesen wäre, so doof und bekifft in die Weltgeschichte zu gucken.
 

"Darin?"

"Ja?"

Der Schlafsack neben mir regte sich in der Dunkelheit.

"Meinst du, ich finde hier auch noch ein Mädchen?"

Ich schmunzelte sachte, es war gut, dass er mich nicht sehen konnte.

"Laufen doch genug hier rum. Musst nicht mal lange suchen."

"Aber ich meine doch...du weißt genau, wie ich das meine."

Ach nee.

Wollte sich unser Kai, den ich beinahe schon als asexuell abgestempelt hätte, nicht etwa doch mit einer Vertreterin des anderen Geschlechtes vergnügen?

Aber finde mal eine, die auf so bleiches Fleisch wie das von Kai stand.

Doch wenn er Glück hatte war nicht jedes Körperteil so blutleer wie sein Gesicht oder seine dürren, total unmuskulösen Arme, zu denen sich passende Beine gesellten.
 

Da es fast danach aussah, als würde mir Kai im Suff intime Geheimnisse seiner Selbst offenbaren wollen, drehte ich ihm lieber mein Kreuz zu, in der Hoffnung, er würde still schweigen und eindösen, egal, ob er so laut ratzte wie Sascha, der selig mit seiner Shisha im Arm schlummerte.

Aber die Wette hatte ich ohne ihn gemacht.

"Hörst du das, Darin-san? Das Geräusch da...dieses Kratzen..."

Hatte der Typ Yoshi zum Abendbrot verspeist oder wieso hängte er meinem Namen einfach so die japanische Höflichkeitsform an?

Mein Mund öffnete sich bereits, um ihn diesbezüglich zur Rede zu stellen, aber der andere drückte mir plötzlich so mir nichts, dir nichts seine flache Hand auf den Mund, woraufhin ich wie eine Geisel zu mucksen begann und mir die schlimmsten Szenarien ausmalte.

Dass Kai aber keinem kaltblütigen Killer Konkurrenz machen wollte bestätigte sich, als ich schließlich ebenfalls ein Rumpeln und ein Scheppern draußen im dunklen Wald vernehmen konnte und mir das Blut in den Adern gefror.

Mein ebenso leichenblasser Bruder rückte mir nun auch noch auf die Pelle, zitterte wie ich am ganzen Leibe, bis er letztendlich die dümmste Idee aller Zeiten ausspuckte.

"Komm in meinen Schlafsack..."

Herzlichen Glückwunsch, sie sind der tausendste Besucher der Dudenseite, auf der die Unterschiede zwischen Akkusativ und Dativ erklärt werden.

Sie gewinnen somit einen trockenen Schlafsack ohne Spuren von Eiweiß.

Doch das nur am Rande.

Viel mehr waren wir nun damit beschäftigt, Ruhe zu bewahren, denn draußen schien der Bär zu steppen und ich hatte bald Spuren von etwas anderem in der Hose - Kai aber noch viel mehr.

Er furzte bereits wie eine alte Sau, was dem Wesen freilich half, unsere Anwesenheit zu bemerken und sich genüsslich am Zeltstoff zu reiben.

Bei Kai brannten schließlich zuerst die Sicherungen durch.

Wie ein Baby hielt ich ihn im Arm, während er seine Stimme erhob und laut schrie.

"Eisiiiiii! Hilfe!!!"

Und ja, ich stimmte schließlich mit in den Chor ein und verlangte nach unserem großen, starken Beschützer mit den Eisenfäusten, die schon so manchen bösen Buben eins übergezogen hatten.

Wenn der verdammte Typ neben mir nur nicht so erbärmlich scheißen würde und ich fast schon Saschas Gasmaske deswegen benötigte.

Denn das war nicht mehr feierlich.
 

Noch weniger feierlich war allerdings die Tatsache, dass Eisi uns nicht gehört hatte und das Monster vor unserem Zelt plötzlich zu lachen begann.

Da ich darauf schloss, dass es sich nur um einen Menschen handeln konnte, öffnete ich todesmutig und wider Kais Gezeter den Reißverschluss des Zeltes, nur um wie ein Auto auf den Schatten neben Saschas Zelt zu glotzen.

"Vampire haben heut anscheinend Auslauf", meinte ich schon viel weniger ängstlich zu Kai, welcher noch immer in Fötusstellung in seinem Schlafsack lag und toter Mann spielte.

Okay, dann musste ich der Person eben allein gegenübertreten.

Wenn man genügend Alkohol intus hatte funzte das wunderbar.

I. Season - Gebaut wird in der Manufaktur!

Todesmutig trat ich der schwarzen Gestalt entgegen, wobei ich doch noch auf Nummer sicher gegangen war und den Kochlöffel vom Boden klaubte, denn man wusste ja, dass auch Menschen zu wilden Tieren mutieren konnten.

Aber der Typ mit den langen Haaren, die im Winde zu flattern begannen machte keine Anstalten, mich Würstchen, welches schon längst im eigenen Saft badete, anzugreifen.

Ich fand sowieso, dass es unfair wäre, einem Besoffenen den Garaus zu machen, schließlich vermochte sich ein solcher nicht angemessen zu verteidigen.
 

"Boah, was ziehst du für 'ne Show ab, Mütze. Ist ja peinlich..."

Jetzt, da die vampirische Gestalt die Stimme erhob und mich zu verspotten begann, wich die Angst aus meinen müden Knochen und meine Schritte endeten erst, als ich direkt vor dem großgewachsenen Mann stand und ihm herausfordernd in die Augen blickte.

Man konnte ein leichtes Funkeln in den seinen sogar des Nachts erkennen, und ich war mir sicher, dass er sich köstlich über meine übertriebene Aktion amüsierte.

"Was hättest du denn gemacht, wenn - oh!"

Die Schimpftirade konnte ich mir sparen, denn das Geheimnis um den Finsterling lüftete sich allmählich und mir fiel ein, wann ich mich an dem Anblick dieser spitzen Eckzähne, welche der andere hämisch bleckte, zuletzt hatte laben können.

Sascha in Böse stand mir gegenüber und auch wenn ich seinen ach so tollen amerikanischen Namen auf der Autogrammkarte lesen durfte, so erschien er mir des Aussprechens unwürdig.
 

"Was machst du denn hier, Bleichgesicht?"

"Dich besuchen, siehst du doch. Und meine Axt wollte dich auch unbedingt kennen lernen."

Axt?

Gegen so einen Kaliber konnte mein armseliger Kochlöffel nicht anstinken.

Schwanzvergleich 1:0 verloren.

Shit.

"Aber keine Panik, sie tut dir nichts", beschwichtigte mich der Grufti mit seiner tiefen, zu seiner äußeren Erscheinung passenden Stimme, bevor ich mir noch vor Angst in die Hose machte. "Jedoch nur, wenn du dich von Lilly fernhältst, ist das klar?"

Ach nee, da hatten wir es ja.

Hier schlüpfte tatsächlich jemand in die Rolle des betrogenen Ehemannes, aber war es denn mein Problem, wenn er es im Bett nicht brachte und sich seine Schnalle nach jemand anderem umschaute?

Leider wagte ich es nicht, Tyler diesen Spruch ins Gesicht zu pfeffern, denn auch wenn ich mir einredete, dass erwähnte Axt sicher nur ein Spielzeug war, wollte ich jene nicht zu spüren bekommen.

"Und was geht dich das an? Das ist ein freies Land, ich kann mich abgeben, mit wem ich will", wollte ich unklug wissen, aber mein großes, betrunkenes und leicht lallendes Maul wurde mir zugleich gestopft, indem Tyler seine schlanke und von Todeskälte erfüllte Hand um meinen kostbaren Hals schlang und seinen Zeigefinger drohend auf meine Pulsschlagader drückte.

Sein Gesicht näherte sich meinem, sodass mir jeglicher Hilferuf in der Kehle stecken blieb und ich nur noch in diese fast schon gierig wirkenden Augen des anderen starrte.

"Ich bin ihr Freund", hauchte er leise gegen meine Lippen, was meinen Atem vor Angst vibrieren und mein Herz in die Hose rutschen ließ. "Also halte dich daran, wenn du an deinem Leben hängst, Süßer."

Mit diesen Worten drückte er mich unsanft auf den Boden und verschwand in der Dunkelheit, bis es so schien, als sei er niemals an Ort und Stelle gewesen.

Nur mein geschundener Körper erinnerte sich noch genau an seine Anwesenheit.
 

*****
 

"Und er hat dich wirklich 'Süßer' genannt? Wie gay ist das denn! Und sowas will ne Freundin haben, da lachen ja die Hühner!"

Keine Ahnung, wann Kai den Weg der Homophobie eingeschlagen hatte, zumindest bewies er just in diesem Augenblick, dass auch in ihm ein Arschloch steckte.

'Arschloch, wo ist das Arschloch?', imitierte ich Eisi mal freundlicherweise an dieser Stelle, der mitsamt dem Rest der Clique mit Abwesenheit glänzte.

Was aber hatte mir Yoshi zum Thema sexuelle Präferenz eingebläut: Verurteile niemanden aufgrund einer Sache, die er sich nicht selbst ausgesucht hat.

Weises Sprüchlein, nur schwer in die Praxis umzusetzen bei verdammten Arschlöchern.

Denen zielte man doch nur zu gerne direkt unter die Gürtellinie.

Besonders nach so einer alkoholreichen Nacht.
 

Die ekelhafte Mittagssonne schien das Zelt in einen Schwitzkasten zu verwandeln, in dem Sauerstoff nicht mehr vorhanden war und der doppelt brummende Schädel, der mit dicken, geschwollenen Augen einherging machte mir das Leben auch nicht leichter.

"Soweit ich mich erinnern kann, hat er das. Aber außer diesem Wort und seinem Aussehen ist an dem absolut nichts schwul. Er ist ein Sklave seines Testosteronspiegels!"

"Als wenn der Gothic-Style gay wäre", beschwerte sich Kai daraufhin nur und reichte mir Todkranken liebenswerter Weise die Wasserflasche, damit ich mir anstatt zu trinken beinahe die Hälfte über den Latz schüttete und leise winselte.

"Und du bist dir sicher, dass du in diesem Zustand deine Lilly treffen willst?", meinte Kai mit mütterlicher Besorgnis in der Stimme, sowie er mich aus seinen ungeschminkten Augen musterte, die ihn gleich zu einem ganz anderen Menschen mutieren ließen.

"Ja", krächzte ich. "Und wenn sie fragt, wieso ich so aussehe, wie ich aussehe, erzähle ich ihr haarklein, was ihr bekloppter Lover mit mir gemacht hat."

Das hatte ich wirklich vor!

Nur leider wurde mir wie so oft in diesem Leben ein Strich durch die Rechnung gemacht.

Fuck this fuckin' Fate, Bitch.
 

*****
 

Mit einem Kater als Untermieter und einem schwulstigen Auge humpelte ich von beinahe schon schockierten Blicken begleitet über den Zeltplatz, was mich aber nicht davon abhalten konnte, mitten im Getümmel Lilly zu erwarten.

Voller Sehnsucht und mit einem vor Ungeduld kribbelnden Magen lehnte ich meinen geschundenen Leib an eine dicke Eiche und begann innerlich zu feiern, als das Mädchen so fröhlich wie ich es kennenlernte auf mich zuschlenderte, die Hand kurz zum Gruße hob, dann jedoch schnell zu einer ernsten Miene hinüberwechselte.

Und auch ich konnte nicht mehr strahlen wie ein Atomkraftwerk.

Nicht, weil ich etwa Schmerzen hatte, nein, sondern weil gemeinsam mit meinem eigentlichen Date eine weitere Person erschienen war, die sich mir bereits ausführlich vorgestellt hatte in einer Nacht und Nebel Aktion.

So wie ich die lange, schwarze Mähne erblickte, so erinnerte ich mich an diese eisig funkelnden Augen, den festen Griff um meinen Hals und diese hexenhaften, spitzen Fingernägel, die sich in mein Fleisch zu bohren versuchten.

Hallo, der Typ wollte mich ermorden und nun schleppte Lilly ausgerechnet den an, obwohl sie doch sicher eine Ahnung von unserem Hahnenkampf hatte, besser gesagt von Tylers nicht ganz unbegründeten Eifersucht.

Klar war es falsch, sich an ein vergebenes Mädchen ranzuwerfen, aber was konnte ich dafür, dass es im Grunde Lilly war, welche mir so großzügig ihre Nummer hinterlassen hatte und sich unbedingt mit mir treffen wollte.

Zu so einem unplatonischen Quatsch zählten schließlich immer zwei Leute.

Nicht mehr und nicht weniger.
 

"Was macht'n der hier?", war meine erste Frage an die schöne Rothaarige, noch ehe sie ein Wort des Grußes oder des Bedauerns hervorbringen konnte, weil ich ja optisch Frankensteins Monster Konkurrenz machte.

Zum Glück nahm Lilly mir meinen saloppen Spruch nicht übel - ich mochte solche gechillten Frauen - und wendete sich viel mehr an Tyler, welchen sie fast schon flehend ansah.

Da dieser aber den Mund nicht aufbekam und nur schief vor sich hin grinste, während ich seinen fetten Stiefeln einen ehrfurchtsvollen Blick zuwarf, lag es an Lilly, für ihn zu sprechen.

"Tyler möchte sich für die letzte Nacht entschuldigen", klärte sie mich auf, ich lauschte gespannt ihren Worten. "Er hat eingesehen, dass seine Eifersucht dumm und Gewalt keine Lösung ist. Deswegen lädt er dich auch zu einem Eis ein..."

"Was?", zischte daraufhin nur der andere erschrocken und riss die Augen auf.

Mit einer Einladung hatte er wohl nicht gerechnet, wahrscheinlich begleitete er Lilly sowieso nur, damit er mir noch einen vor den eh schon halb toten Latz hauen konnte.

"Du hast schon richtig gehört", stellte Lilly überlegen klar und nun wusste ich, wer von dem zweifelhaften Pärchen die Hosen anhatte. "Komm mit, ähm..."

"...Darin!", kam ich nun endlich mit meiner Vorstellung zum Zuge und erntete einen erfreuten Blick von Lilly.

Im Eiscafé musste ich dann haarklein alles über die Herkunft meines Namens berichten, auch wenn mir die Fresse wegen diesem Kunden da weh tat, welcher gelangweilt seinen Strohhalm in dem Getränk vor sich kreisen ließ und sich null an unserem Gespräch beteiligte.

Nicht, dass ich scharf darauf gewesen wäre, Informationen über ihn einzuholen, was zu einem Kennenlernen geführt hätte, nein, ich war nur gewillt, dass die verdammte Stimmung ein bisschen lockerer wurde, wenn er uns wohl oder übel Gesellschaft leisten musste.
 

"Deine Eltern sind also Italiener", nickte Lilly und schob sich einen Löffel mit Schlagsahne zwischen die vollen Lippen und gab dann ein Geräusch von sich, das wohl einen plötzlichen Einfall signalisierte.

Mit hochgezogenen Augenbrauen und einem Knuff in Tylers Seite, woraufhin dieser unwillig murrte, eröffnete sie mir etwas, das mich so sehr interessierte wie die Gewissheit, dass in China mal wieder ein Sack Reis umgefallen war.

"Tyler hat auch italienische Wurzeln. Sein Opa kommt aus diesem wundervollen Land. Und du sprichst doch auch ein paar Brocken Italienisch, nicht?", wendete sie sich an den Grufti, welcher das freizügige Netzhemd vom Vortag trug, nur diesmal in einer Kombi mit einem langen Rock, welcher auf einer Seite so hoch geschlitzt war, dass man seinen Hüftknochen mühelos erkennen konnte und zudem das, was er unter der Kutte trug.

Mehr als ein Stringtanga konnte es nicht gewesen sein...
 

"Magst du uns nicht mal 'nen kleinen Crashkurs geben?", plapperte das quirlige Mädchen weiter, aber Tyler ließ sich von ihrer Euphorie keineswegs anstecken.

"Nee, danke", wehrte er ab und soff abwesend seinen Eiskaffee aus, die in tiefes schwarz getauchten Augenlider gesenkt haltend.

"Aber du kannst das 'R' so sexy rollen. Fänd' Darin bestimmt auch scharf."

"Bestimmt nicht", stellte ich augenblicklich richtig und wollte gerade darüber nachdenken, ob mir Lilly denn Bisexualität andichten wollte, aber ihr Lächeln signalisierte mir, dass sie nur gescherzt hatte.

"Kommt schon, Jungs. Macht doch mal ein bisschen Stimmung! Nicht viel los hier mit euch, alte Langweiler. Muss man euch erst Alk geben, damit ihr munter werdet?"

"Haha, der wird doch aggressiv, wenn er getrunken hat", lachte ich gestellt und deutete mit dem Kinn auf Tyler, der mir zugleich einen eiskalten Blick zuwarf, der meinen Übermut strafte.

Dann erhob er sich langsam, legte einen Geldschein auf den Tisch und drückte Lilly einen kurzen Kuss auf die Lippen auf, welchen das verdutzte Mädchen nicht erwiderte.

"Netter Versuch, Lilly, aber dem will ich mich nicht mehr auf unter 30 Metern nähern. Beklopptheit färbt nur ab, deswegen verpisse ich mich besser. Tut mir sorry, Babe. Und lass dich nicht von dem angraben."

Ich war drauf und dran, meine Klappe für einen bösen Spruch zu öffnen, was die Beklopptheit und das Abfärben anging, aber ich schluckte ihn besser runter.

Noch so einen netten Besuch wie gestern Nacht sollte mir der Finsterling nicht abstatten, das stand fest.
 

"Och", machte Lilly langgezogen und traurig zugleich. "Dabei war ich gerade dabei, eine Freundschaft zwischen euch aufzubauen. Und ihr reißt alles ein."

"Gebaut wird in der Manufaktur!", ließ Tyler noch tough verlauten und dann verschwand er aus dem kleinen, gemütlichen Café, wo er uns beide allein zurückließ.

Und ich konnte euch sagen, über diesen Zustand war ich nicht böse, im Gegenteil.

Schließlich blieben mir und Lilly bloße drei Tage, um meiner Jungfräulichkeit den Garaus zu machen und besonders nahe gekommen waren wir uns bisher leider nicht.

Zudem hatte es dieser arrogante Vogel verdient, dass er mal betrogen wurde.

Und wenn er mich dann verkloppen oder umbringen wollen würde, wäre ich bereits wieder in meinem trauten Heim, von dem er nicht wusste, wo es wohnte.
 

Leider entwickelte sich nichts Großartiges zwischen Lilly und mir.

Sie gab mir lediglich Tipps, wie ich das geschwollene Boxerauge wieder kleiner bekam, plauderte über das Leben auf Tour, die Fans und darüber, wie sie sich am Klavier versucht hatte, aber kläglich scheiterte.

Zudem sei erst vor ein paar Wochen ihr Debütalbum erschienen und ich versprach, es mir schnellstmöglich zuzulegen.

"Du kannst auch eins kostenlos kriegen. Wir haben noch ein paar Kopien da. Ich könnte dir morgen eine mitbringen, wenn du lieb bist."

Wer hier lieb war und wer nicht, das fragte sich noch.

Artig bedankte ich mich für diese Großzügigkeit und spuckte nun das aus, was mir diesbezüglich auf dem Herzen lag.

"Wie komme ich überhaupt zu der Ehre, mit dir abhängen zu dürfen, wo du doch ein Rockstar bist?"

Ja, wahrscheinlich klang die Frage ziemlich ehrfürchtig und ich kam mir mal wieder wie ein kleiner Bottom vor, besonders, als Lilly zu schmunzeln begann und ganz geheimnisvoll tat, während sie an dem Strohhalm ihres bestimmt dritten Getränkes nuckelte.

"Ich fand dich eben ganz niedlich mit deiner schüchternen Art", äußerte sie sich nach einer Weile und schaute mich aus ihren blauen Augen an. "Du bist mir schon während des Gigs aufgefallen."

"Ach, echt?", staunte ich, Lilly nickte und die hübschen Grübchen in ihren Wangen traten zutage.

"Jap. Und eigentlich empfand es auch Tyler so, glaub mir. Er steht auf solche Jungs wie dich. Nur wird er ein bisschen komisch, wenn jemand anderes Interesse an mir zeigt."

What the Fuck?

Hatte ich mich verhört oder hatte mir Lilly gerade indirekt zu verstehen gegeben, dass Tyler dem eigenen Geschlecht ebenso wenig abgeneigt war wie dem anderen?

Und dass er zu aller Entsetzen auch noch auf meinen Typ abfahren sollte - das bereitete mir irgendwie Angst.

Wie gesagt, ich hatte nichts gegen Homo- oder Bisexuelle, aber dass gerade der Goth, welcher mir bereits mit dem Tode gedroht hatte, Interesse an mir besitzen sollte, schien geradezu unglaublich.

Klar, er hatte mich 'Süßer' genannt, aber das war blanke Ironie, oder irrte ich mich?

Das musste ich erstmal setzen lassen.

Irgendwann hatte wohl die Logik in dieser Geschichte das Haus verlassen.
 

*****
 

Diesmal war es nicht Kai allein, der am Abend vor dem Lagefeuer von den neuen Erkenntnissen berichtet bekam.

Auch Yoshi, Eisi und Sascha lauschten neugierig meiner abenteuerlichen Erzählung und selbst sie schüttelten ungläubig den Kopf.

Wenn sogar Eisi still schwieg und kein fröhlich-böses Liedchen anstimmte, musste die Lage wahrhaftig ernst sein.

"Ey, da musste aufpassen", warf Sascha Rauch ausblasend ein, nachdem er einen kräftigen Zug an seiner Shisha genommen hatte. "Wenn der dich schlägt und dich gleichzeitig geil findet, steht er auf Sadomaso!"

Ich fand, dass Kais Augen ein merkwürdiges Glänzen bei diesen Worten aufwiesen, welches sich jedoch schnell wieder verflüchtigte, als ich ihn mahnend ansah.

"Ach, wer weiß, vielleicht hat Lilly da irgendwas falsch verstanden oder etwas fehlinterpretiert", versuchte ich die nun aufgeregt diskutierende Meute zu beschwichtigen und zudem meine eigenen Nerven zu beruhigen. "Vergessen wir es einfach. In drei Tagen sind wir eh abgezogen, von daher..."

Doch so cool, wie ich tat, war ich bei Weitem nicht, im Gegenteil.

Eine leise Angst um meinen Arsch schlich sich doch ein, denn die Vorurteile sitzen tiefer als jegliche Aufgeklärtheit über die verschiedenen Formen der Sexualität.

Entjungfert wollte ich werden, um jeden Preis - und das von Lilly, keinem anderen Mädchen oder gar einem Typen!

Erfreulicher Weise fand morgen ein erneutes Treffen zwischen meiner Angebeteten und mir statt.

Doch auch dieses lief anders als geplant.

Ganz anders...

I. Season - Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche mit sich trägt.

Wie sehr freute ich mich nach einer entspannteren Nacht als der vorhergehenden, dass Lilly dieses Mal allein zu unserem Treffen aufkreuzte, ohne Tyler, der mir sowieso immer unheimlicher wurde.

Es war bereits später Abend, mein Auge heilte langsam ab und ich machte als Vertreter der Rasse Mensch wieder eine bessere Figur.

Auch fühlten sich meine Glieder nicht mehr so schwach an und war somit für alle Eventualitäten gewappnet.

Sogar ein paar Kondome hatte ich mir von Sascha geben lassen, welcher es sich nicht nehmen ließ, mich erneut vor dem Bi-Grufti zu warnen, aber ich war mit meinen Gedanken ganz woanders.

In Lillys blauen Augen verlor ich mich erneut und auch wenn es vielleicht überstürzt klang und blöd - ich hatte absolut kein Bedürfnis, in ihrer Gegenwart Kleidung zu tragen.

Die Paarungszeit hatte wohl bei mir italienischem Hardcoremuffin eingesetzt und gegen die Natur konnte man bekanntlich nichts machen.

Dachte ich.

Lilly konnte nämlich.
 

Viel zu schüchtern war ich, um dass ich dem hübschen Mädchen meinen Vorschlag hätte unterbreiten können, deswegen ließ ich mich nach einem kurzen Smalltalk einfach über das Festivalgelände führen und wagte es nicht, zu fragen, was sie vorhatte.

Ihren schnellen, bestimmten Schritten nach zu schlussfolgern besaß sie einen perfekt ausgeklügelten Plan, welcher nun doch für ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend sorgte.

Denn wie gut kannte ich Lilly nach gerade mal zwei sporadisch miteinander verbrachten Tagen?

Was, wenn sie mich in eine Folterkammer entführen, mich an ein Kreuz fesseln und in meinen Mund eine Gurke stecken wollte?

Und nicht nur darin, sondern auch in den Arsch?

Es existierten schließlich Fetische innerhalb der besagten menschlichen Rasse, von denen ich freiwillig keine Notiz nahm und von denen ich sehr gern verschont blieb.

Schlimmer als Schlammcatchen würde es schon nicht werden, sprach ich mir selbst Mut zu, denn diesen benötigte ich wirklich, was mir spätestens dann klar wurde, als Lilly vor einer Art Konzerthalle stehen blieb, meine Hand gnädiger Weise los ließ und ich verwirrt auf die rot und grün blinkenden Lichter über der Tür starrte.

Sicher sah ich aus wie der erste Mensch, der das Melken durch einen merkwürdigen Zufall erfunden hatte.

Wenn das kein Puff war, dann wusste ich auch nicht mehr.

Rot war schließlich die absolute Pufffarbe, mit drei F wie Ficken.
 

"Du hast dich sicher schon gefragt, wo ich Tyler gelassen habe", begann Lilly das Geheimnis um diesen Ort zu lüften, auch wenn ich mich immernoch wie ein dummer Junge fühlte, den Mami noch nicht einmal aufgeklärt hatte.

"Ähm...naja...um ehrlich zu sein...", setzte ich an, aber meine Begleitung fuhr mir zugleich über den Mund, als wollte sie meine Einwände gar nicht zur Kenntnis nehmen.

"Tyler hat heute 'nen Auftritt. Und ich dachte, wir zwei Hübschen wohnen seiner netten Show bei."

Auftritt.

Nur Tyler.

Im Puff.

Oh mein Gott.

So wie Lilly erneut derb meine Finger griff und mich letztendlich in das Innere des großen, bösen Hauses zog, fühlte ich mich doch leicht zwangsverschwult.

Zugleich projizierte mein Hirn die Bilder von Tylers hochgeschlitztem Rock mit dem Hauch von Nichts darunter auf meine Netzhaut, die langen Stiefel, das Netzoberteil und die androgyne Schminke.

Auch wenn dies ganz objektiv betrachtet sexy war, so würde mir Lilly Streichhölzer zwischen die Augenlider klemmen müssen, damit ich mich vor dem lebenden Porno oder was auch immer sich da drin abzuspielen vermochte nicht verstecken konnte.

Doch verstecke dich mal vor einem großen Kreuz an der Wand, an welchem Hand-und Fußfesseln angebracht waren und einer komplett metallisch schimmernden Bühne, welche bereits einige Besucher umringten.

Wo war ich hier nur gelandet?, wollte ich Lilly verzweifelt fragen, doch ihr freudestrahlender Blick verriet mir, dass jeglicher Protest gegen das Kommende zwecklos war.

In diesem Moment fühlte ich mich wahrlich als ihr kleiner, handzahmer Bottom, der seiner Herrin nicht widersprechen durfte.

Doch warum tat sie das?

Warum nahm sie mich nicht mit in ihr Hotelzimmer, wenn sie mich doch offensichtlich mochte?

Warum schliff sie mich an diesen Ort, wo ich mich an dem Anblick anderer Personen und vor allen Dingen anderer Männer ergötzen sollte?

Dieses Mädchen mit der so positiven Ausstrahlung wurde mir zunehmends unheimlich und machte Tyler große Konkurrenz.
 

Die hatte doch irgendwas zu verbergen...
 

Allein und verlassen kam ich mir innerlich vor, als die mir schon bekannten roten und grünen Lichter eingeschaltet wurden und ein paar Personen aus der Dunkelheit hervortraten und den Stage enterten.

Meine Blicke fixierten eine junge Frau, die auf hochhackigen Stilettos über das Metall stolzierte, ihr folgte wahrscheinlich ihre Schwester, denn die beiden glichen sich aufs Haar, welches übrigens zu einem engen Zopf geflochten war und sich weit über ihre nackten Schultern bahnte.

Ich staunte wahrlich nicht schlecht und spürte, wie meine Wangen zu glühen begannen, denn die Frauen trugen nichts, das ihre Weiblichkeit verdecken konnte, lediglich schwarze Klebestreifen verhüllten ihre Brustwarzen, dazu gesellte sich ein winzig kleines Höschen, welches sie mit Netzstrumpfhosen kombinierten.

Ich wollte mich immernoch nach dem Warum der ganzen Aktion fragen, aber ich war viel zu gefangen von der Show, von der ganzen Atmosphäre und dem erotischen Vibe, der die Luft im Saal unter Spannung setzte.

Und diese Spannung baute sich weiter auf, stieg ins Unermessliche, als Tyler auf der Bildfläche erschien und den weiblichen Protagonisten einfach so mir nichts, dir nichts an den Zöpfen riss, sodass ich fürchtete, er könnte ihnen die Köpfe abreißen.

Durch diese bedrohlich-kraftvolle Erotik angestachelt tauchten wieder die Bilder von dem abendlichen Zusammentreffen mit ihm auf, seine kalten Augen, seine so sicher zupackenden Hände, sein Atem, der meine Lippen streifte.

Das Knistern in der Luft verspürte ich ebenso intensiv in jener Nacht.

Ich erschauderte.

Was verdammt machte diese rothaarige Hexe mit mir?

Und was löste erst Tyler für Gefühle in mir aus?
 

"Ist er nicht sexy, Darin?", schrie mir Lilly durch die harten Beats der zu der Vorstellung passenden Musik in mein Ohr und ich schaute sie nur fragend an.

Natürlich ist er sexy, wollte ich ihr sagen.

Mit dem durchsichtigen Jäckchen, welches durch ein Fell am Kragen geziert wurde, mit dem bereits bekannten hochgeschlitzten Rock und den ihm fast bis zum Knie gehenden mächtigen Stiefeln.

Aber ich wollte ihr nicht zeigen, dass ihre Manipulationen fruchteten.

Wenn sie ihre Antworten nicht längst aus meinen Augen gelesen hätte.
 

Doch konnte man jemanden durch bloße Gedankenkraft dazu bewegen, auf Kerle zu stehen?

Und wieso...war ausgerechnet ein Mädchen daran interessiert?

Sie wollte, dass ich Tyler so sehe, sie wollte, dass ich ihn sexy fand, sie wollte, dass er im Gegenzug etwas von mir wollte.
 

Sie war komplett gaga.
 

*****
 

Es war ein Fehler.

Der komplette Abend und dessen Weiterführung mit jeder Menge Alkohol war ein Fehler.

Warum hatte ich mich darauf eingelassen, mit Lilly und Tyler noch ein Feierabendbier zu trinken, wobei aus diesem immer mehr wurden, bis ich schließlich komplett willenlos schien?

Tyler saß in der kleinen, gemütlichen Kneipe direkt neben mir, sodass ich in Ruhe sein Outfit bewundern konnte, während ich ein alkoholisiertes Getränk nach dem anderen in mich kippte.

Und er schien immer schärfer zu werden, erst recht, als er in der angeregten Unterhaltung mit Lilly die Beine übereinanderschlug und ich seine bloße Haut bewundern durfte, die angeregt durch den Alkohol ein dumpfes Pochen in meiner intimen Zone auslösten.

Da Betrunkensein locker machte, wehrte ich mich nicht einmal gegen diese zweifelhaften Gefühle sondern starrte ganz ungeniert, ungeachtet der Tatsache, dass Lilly die wachsende Beule in meiner Hose bemerken könnte und sich an ihrem Ziel wähnte.

Deshalb widersprach ich nicht einmal bei der Forderung, die sie nun auf Tapet brachte.
 

Ich hörte aus ihrem Gespräch immer wieder meinen Namen heraus, vermochte mir jedoch mit meiner Matschbirne nicht zusammenzureimen, um was es gerade ging.

Nur als zwei Augenpaare sich fragend auf mich richteten, an mir herabwanderten und letztendlich in meiner Mitte ruhten, dämmerte es mir langsam.

Tyler war der erste, der sich von meinem Anblick lösen konnte, drehte er nun Lilly sein Gesicht zu, sodass ich mich nur noch an seiner langen Haarpracht ergötzen konnte anstelle seines makellosen Antlitzes und den leicht mit Lipgloss überzogenen Lippen, welche sich mit seinen funkelnden, raubtierhaften Augen duellierten.

Ich mochte ihn noch immer nicht, daran würde sich auch nie etwas ändern, auch wenn mich sein Anblick erregte und vor allen Dingen die vagen Vorstellungen, was er mit mir anstellen könnte...
 

"Und du meinst wirklich...", vernahm ich dumpf seine Stimme in der alkoholgetränken Luft und versuchte, jedes Wort zu verstehen.

"Ja. Küss ihn", bestimmte Lilly, deren Augen in diesem Augenblick eine überragende Ähnlichkeit mit denen Tylers annahmen, so wie sie letzteren anstarrte.

"Aber...ich kann dir doch nicht...fremdgehen...du weißt genau, dass ich auch nicht froh darüber wäre, wenn du mit Darin rummachen würdest."

Der junge Mann, den ich als so mächtig und dominant kennengelernt hatte, wurde immer kleinlauter unter Lillys harschen Forderungen, die sie wahrlich nicht zum Scherz hervorbrachte.

Und ich verharrte stumm auf meinem Sitz und ließ alles auf mich zukommen, denn meine Sinne waren betäubt vom Alkohol, aber noch viel mehr von der drängenden Lust, die meinen Körper ergriff und ihn nicht mehr loslassen würde.

Als Tyler dann wieder seinen Blick auf mich richtete und direkt in meine Augen sah, hatte ich das Gefühl, er würde wie bereits Lilly aus mir lesen können wie aus einem offenen Buch.

Und dieses Buch war wie ein Garten der Sünde, der Perversion, den ich anscheinend all die Jahre in mir herumgetragen hatte, jedoch nie gegossen hatte.
 

"Wenn du mich liebst, küsst du ihn."

Dieses Mädchen, dieses fröhliche, gelöste Mädchen war zu einer Besessenen mutiert, zu einer Domina, die uns beide zu ihren Sklaven degradiert hatte.

Ich konnte beim besten Willen nichts mehr in ihr finden, das mich an die Lilly bei unserer ersten Begegnung erinnerte.

Aber mochte ich sie deshalb weniger?

Nein.

Meine Gefühle für sie wuchsen unaufhörlich, ich schien mich in diesen kranken Fetisch mehr und mehr zu verlieben und zudem auch zu verlieren.

Tyler zu küssen, nur um sie zufrieden zu stimmen war das Mindeste, was ich in dieser Nacht vollbracht hätte, denn auch wenn ich seinen Charakter nicht ausstehen konnte, so wollte ich mich ihm hingeben, seine Hände an meinem Hals spüren und seinen Atem auf meinen brennenden Lippen.

Er sollte sich zu mir in diesem unheimlichen Garten gesellen, den Garten, über den allein Lilly die Herrscherin war und die Pflanzen unserer gegenseitigen Lust und Anziehung säte.

Denn aus Tylers Augen schrie mir seine Gier entgegen, die sich endgültig entlud, als er näher an meinen kribbelnden Körper rückte und harsch mein Gesicht in die Höhe drückte, damit er seine Lippen von oben herab auf die meinen pressen konnte, sodass mir fast schwindlig von all den sich entladenden Gefühlen wurde.

Sein Duft nach Aftershave verführte mich regelrecht, während seine Hand meinen Hinterkopf ergriff und ich mich beinahe so behandelt fühlte wie die Frauen vorhin auf der Bühne.
 

Ich wusste gar nichts mehr, spürte lediglich nur noch diesen Mund auf meinem, welcher sich weich und gleichzeitig hart anfühlte, sich fordernd gegen meinen bewegte, bis er sich schließlich von selbst auftat und ich erschrocken zuckte, als er seine feuchte Zunge zwischen meinen Lippen hindurchschob.

Irritiert und zugleich auf höchste fasziniert von der Mächtigkeit der Gefühle in meinem willigen Leib krallte ich mich am Leder seines Rockes fest, woraufhin Tyler sich von mir zurückzog, noch ehe seine Zunge meine erreichen konnte.

Er musterte mich aufmerksam, während ich langsam zu begreifen begann, dass ich meinen ersten Kuss mit einem Jungen erlebt hatte, gerade eben, und das in aller Öffentlichkeit.

"Der ist noch Jungfrau", diagnostizierte Tyler und seine mich eben noch küssenden Lippen verzogen sich zu einem sanften - oder war es ein mitleidiges? - Schmunzeln.

"Bestimmt nicht mehr lang", ergänzte Lilly, ich realisierte den leichten Rotschimmer auf ihren Wangen und fühlte mich ertappt und gleichzeitig etwas gedemütigt.
 

Bekam ich es nun mit der Angst zu tun, wo ich doch wusste, was die beiden und besonders die rothaarige Schönheit mit mir vorhatten?

Wieder negativ.

Bis in Tylers Bett schaffte ich es in dieser Nacht nicht mehr und irgendwann fand ich mich am nächsten Morgen in meinem und Kais Zelt wieder, wobei ich keinen blassen Schimmer hatte, auf welch wundersame Weise ich an diesen Ort gelangen konnte.

Der Kater saß mir mal wieder in den Knochen und mein treusorgender Kumpel hielt mir bereits beim ersten Augenaufschlag den Rollmops auf einer Gabel unter die Nase, woraufhin ich reflexartig aufgrund des säuerlichen Geruches die Nase rümpfte.

Unwillig murrte ich, ließ den Hering Hering sein und versuchte jegliche Erinnerungen an den gestrigen Abend aus meinem schmerzenden Kopf zu verbannen, was mir jedoch nur mehr schlecht als recht gelang.

Das mit Tyler war zu intensiv gewesen, als dass ich es hätte verdrängen können, es war schön und es war merkwürdig und auch wenn ich diese Nacht nie im Leben freiwillig wiederholt hätte, so sehr wünschte ich mir doch eine zweite Runde.

Zu der würde es nur nicht mehr kommen, morgen schon würde nur noch der Müll auf den Zeltplätzen an das lustige Spektakel namens WGT erinnern und Tyler und Lilly würden zu ihrem nächsten Auftritt fahren, wo sie wahrscheinlich dem nächsten Jungen den Kopf auf diese Weise verdrehten.

Und vielleicht würde es dieser Junge im Gegensatz zu mir schaffen, von dem Drummer der Band auf seine aggressive Art und Weise verwöhnt zu werden.

Mein Magen schien diese Fantasie überhaupt nicht zu mögen, deswegen entleerte er sich auch direkt auf Kais Schlafsack, woraufhin ich seinen Besitzer zwar leise jammern hörte, aber keine Schelte bekam.

Hätte mir auch noch gefehlt.

Anstelle machte Kai sogar das Zelt wieder reine und grinste sich dabei einen ab, während ich im Sterben lag und noch immer röchelte wie ein Fisch auf dem Trockenen.
 

"Warst ja völlig zu", begann der andere endlich zu reden, doch seine erfreut klingende Tonlage sagte mir ganz und gar nicht zu. "Sei froh, dass deine tollen Kumpels gerade in denselben Club kamen, in dem du dem Sadohelden gerade die Zunge in den Hals gesteckt hast. Als ich plötzlich vor dir stand, bist du nämlich ganz plötzlich umgefallen und Lilly und dieser...Typ hätten dich gnadenlos liegen gelassen...oder abgeschleppt und im besinnungslosen Zustand gevögelt. Weiß man ja alles nicht...die beiden sind schließlich voll krank."

Hätte mein Magen in diesem Augenblick noch Inhalt aufgewiesen, er wäre zu Tage gekommen.

"Also hast du...mich gesehen wie ich...und ich hab ihn wieder...geküsst? Nochmal...", stammelte ich mit Schweißperlen auf der Stirn und in Gedanken gerade mein Testament machend, denn nun, wo meine Kumpels wussten, dass ich wahrscheinlich auch eine Hütte am anderen Ufer gebaut hatte, konnte ich mich gleich irgendwo provisorisch im Sandkasten verbuddeln gehen.

Nicht, dass einer von ihnen homophobes Gedankengut hegte, nein...es war mir nur trotzdem zuhöchst unangenehm.

Und so wie ich die Bande kannte, würde sie mir dieses Erlebnis noch im Altersheim vorhalten und ihre affigen Witze darüber reißen.
 

"Naja, und ich musste dich dann hierher tragen. Warst ganz schön schwer, Alter."

Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie diese Szene wohl ausgesehen haben musste.

Entweder er trug mich wie eine Braut über die Schwelle oder aber er hatte mich unsanfter über seine Schulter gelegt.

Beide Methoden schienen äußerst fragwürdig.

Noch fragwürdiger war nur sein wissender Blick in meine müden Augen und das Kitzeln seiner langen Haare in meinem Gesicht, was mich in lebendigem Zustand äußerst aggressiv gemacht hätte.

Wieso musste er mir jetzt so nah kommen und so dämlich grinsen?

Mir ging es eh schon scheiße und mir kam es vor, als machte sich die ganze Welt lustig über mein Elend.
 

"Dass du doch heiß auf Jungs bist...", säuselte Kai, kroch letztendlich ganz auf mich drauf, während mein Kopf vergeblich nach einer Erklärung für das gestrige Geschehen suchte. "Hättest du das nicht mal eher sagen können, dann..."

Was dann?

Wieso, verdammt, hatten all diese Leute um mich herum so einen Schaden erlitten?

Und wieso begann auch ich langsam, komplett zu verblöden?

Vielleicht lag es an dem Mangel an Selbstbefriedigung, denn zumindest ich hatte die ganzen drei Tage von der Masturbation Abstand gehalten.

Zum Glück weilten auch noch Yoshi, Sascha und Eisi auf diesem schönen Planeten Erde und erretten mich gnädiger Weise sogar vor dem wildgewordenen Kai, dessen Schwanz plötzlich zu denken begonnen hatte.

"Hilfe, der frisst mich!", schrie ich und zappelte zur Untermalung hilflos unter Kai, als ich Eisis Wallemähne in das Zelt ragen sah und dazu seinen What-the-Fuck-Blick bemerkte.

Kai krabbelte zwar zugleich von mir herunter und ließ gänzlich von meinem wehrlosen Leibe ab, aber Eisi brummelte nur beharrlich 'Darkly, darkly, Venus Aversa' vor sich hin, dann verschwand er und es war an Sascha, den Kopf neugierig in die Hütte zu stecken.

"Wenn der dich schlägt und du ihn trotzdem geil findest, stehst du auf Sadomaso!", stellte er nur trocken fest, wahrscheinlich bezogen auf meine innige Zusammenkunft mit Tyler, zum Abschluss verpestete er die eh schon nicht mehr vorhandene Luft im Zelt mit seinem ekelhaften Shisharauch, woraufhin ich gänzlich verreckte.

I. Season - Herzzerreißung

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

II. Season - Verloren im Großstadtdschungel

Es war eine Premiere im viel zu realistischen Film, welcher sich das Geschehen auf Erden nannte.

Ich legte den Spitznamen Dankemirreichts gänzlich ab aufgrund meiner erstaunlichen Ausgeglichenheit, während Kai von Yoshi nur noch Kai Kawaii gerufen wurde, weil es ja so niedlich war, dass wir beide uns ziemlich schwul zusammen verhielten in den kommenden Monaten.

Ja, richtig gelesen, zwischen mir und dem Düstergott hatte sich so etwas wie eine Beziehung angebahnt, sogar mit gelegentlichen oralen und seltener auch analen Gefälligkeiten.

Trotzdem ich spürte, dass das mit uns nicht die große Liebe war, da uns stets etwas zu unserem Glück fehlte, war die Zeit mit Kai wirklich angenehm.

Sogar meine Eltern witternden etwas von der Bisexualität ihres Sohnes, hörten sie doch die verdächtigen Geräusche und das laute Poltern aus der oberen Etage klar und deutlich, wenn wir bösen Buben mal wieder zugange waren und uns austobten.

Aber sie schienen dem Ganzen nicht intolerant gegenüber zu stehen, sie mochten Kai und manchmal durfte er auch bei uns zu Abend essen.

Nur nicht heute, da musste er sich um seine eigene Familie kümmern, welche sich anlässlich Omas 75. Geburtstags versammelt hatte und sich bei Kaffee und Kuchen angeregt unterhielt.

Ich schmunzelte bei diesem Gedanken das Schaufenster des größten Elektronikmarktes unserer verschlafenen Kleinstadt an, stellte mir vor, wie Kais hübsches, androgynes Gesichtchen direkt im Kuchen landen und er trotzdem seelenruhig weiterschnarchen würde, weil er besonders während Omas Erzählungen aus ihrer Jugend einen tiefen Schlaf besaß.

Hätte ich für meine voll im Berufsleben stehende Mutter an diesem Nachmittag nicht einkaufen müssen, hätte ich dem feierlichen Ereignis vielleicht ebenfalls beigewohnt, aber es lag schließlich auch in meinem Interesse, dass man etwas Essbares im Kühlschrank vorfand, wenn einen der Hunger des Nachts in die Küche trieb.
 

Da ich noch ein bisschen Geld in meiner Brieftasche vorfand, welches ich mir letzten Monat mühsam mit Zeitungen austragen verdient hatte - eine wirklich harte Arbeit, die zudem schlecht bezahlt wurde und einem die Freizeit neben dem Job raubte - entschied ich mich ganz spontan dazu, die Metalabteilung besagten Elektroladens aufzusuchen und mich mit der neuen Asking- Alexandria-Platte zu verwöhnen, auf dass meine Eltern einen Kollaps erlitten, wenn sich das Prachtstück lautstark im Player drehte.

Ben Bruce, der Sänger, wusste eben, wie man die alten Leute in den Wahnsinn treiben konnte und mich in einen akustischen Orgasmus.

Dieser überwältigte mich bereits beim neugierigen Probehören, ich stand da, mit Kopfhörern auf den Lauschern und konnte den Kopf sowie den Mund einfach nicht mehr ruhig halten.

Zufrieden bangte ich vor mich hin, umgeben von glotzenden Mittvierzigern, die wahrscheinlich noch nie solche geilen Tunnels wie die meinen gesehen hatten.

Gerade wollte ich ihnen einen kecken Blick zuwerfen, da sah ich aus den Augenwinkeln eine ganz in schwarz gekleidete Gestalt durch die Regale der Metalabteilung huschen und erstarrte in meiner Bewegung.

Mein Herzschlag beschleunigte auf ein ungesundes Tempo und mein Kopf schrie nur einen Namen.

Tylertylertyler.

Diesmal war er es, ganz sicher.

Wie oft brachte mich die Verwechslung mit ähnlich aussehenden Goths in peinliche Situationen, zumal ich jedem von ihnen auf die Schulter klopfte und sie Tyler nannte, um mich Sekunden später mit glühendem Schädel vom Acker zu machen, denn die bösen Blicke wollte ich nicht in böse Taten umgewandelt wissen.

Kai meinte, ich dachte noch viel zu oft an ihn, deswegen projizierte ich sein schönes Abbild auf jeden Szenegänger, der mir vor die Funzel kam.

Verliebt hätte ich mich in ihn, meinte mein Freund, aber ich bestritt das heftig.

Was mir von ihm geblieben war, war lediglich die Autogrammkarte und die Erinnerungen an seine Berührungen und besonders auch an seine Stimme.

Wie um alles in der Welt sollten während Tylers Abwesenheit die Gefühle für ihn gewachsen, stärker geworden sein?

Eher noch hätte ich mich in Kai verknallen müssen, weil wir 24/7 aufeinander gluckten und uns gegenseitig die Zunge in den Hals steckten.

Dabei war Kai mindestens genauso attraktiv wie der Drummer.

Nein, ich hatte anscheinend immer noch einen an der Klatsche.

Wieso eigentlich dachte Kai nicht mehr so oft an Tyler, wo dieser ihn doch noch intensiver gevögelt hatte als mich?

Ich glaubte, dass er seine Gefühle nur nicht preisgeben wollte.

Wir schwärmten schließlich alle beide für Tyler und durchsuchten beinahe wöchentlich das Internet nach neuen Fotos der Band und besabberten sie wie kleine Fangirls.

Und das war auch der Grund, weswegen ich genau wusste, dass der Schwarzgekleidete von gerade, der sich viel zu schnell aus dem Staub gemacht hatte, nur einer sein konnte.

Deswegen ließ ich die CD einfach liegen, nahm die Beine in die Hand und hastete dem vermeintlichen Tyler hinterher, welchen ich unbedingt einholen musste.

Koste es, was es wolle.
 

Auf der wilden Verfolgungsjagd verlor ich mich regelrecht im Dschungel unserer in diesem Moment viel zu großen Kleinstadt, und auch wenn ich wieder vermehrt unter meiner Mütze zu schwitzen begann, für Tyler würde ich es auch in Kauf nehmen, komplett dahinzuschmelzen.
 

Dieser Mann raubte mir jegliche Fähigkeit, einen klaren Gedanken zu fassen.
 

Und siehe da, ich nahm die Spur der schwarzen Schönheit mit den beinahe hüftlangen Haaren wieder auf, jubilierte innerlich und beobachtete, wie sie in eine kleine Seitenstraße abbog, dort wo sich das Café Kretschmar befand.

Tyler und Kaffeekränzchen?, überlegte ich skeptisch, schwang meinen Arsch jedoch noch immer hektisch über den Ecktisch, bis ich vor dem kleinen, gemütlichen Omatreffpunkt haltmachte.

Der Typ musste in den paar Monaten um Jahre gealtert sein, wenn er hier abstieg.

Und die alten Omis fielen sicher reihenweise vor Angst um, deswegen linste ich zunächst durch die Scheibe, um sicherzugehen, dass da drin keine Massenpanik ausgebrochen war und die Damen mich, der noch viel zu jung zum sterben war, einfach umrannten.
 

Aber halt.

Auch wenn noch alle quicklebendig auf ihren Stühlen saßen und sich angeregt unterhielten, während sie eifrig in ihren Tässchen rührten, mich rührte etwas gänzlich anderes.

Tyler saß freilich an einem der mit weißer Spitzendecke versehenen Tische, aber was mich schockte war die Tatsache, dass er nicht allein war, sondern sich in Gesellschaft mit einem ebenso schwarzen, männlichen Wesen befand, mit dem er sich zudem angeregt unterhielt.

Warum mein Magen sich ob dieses Anblickes verhärtete und eine unerklärbare Wut in mir aufstieg, konnte ich nicht erklären.

Und warum meine Füße mich trotzdem in das Innere des Cafés trugen, obwohl ich die traute Zweisamkeit des Pärchens stören und ohnehin nicht erwünscht sein würde, wusste ich genauso wenig.

Ich besaß weder eine Kontrolle über meine negativen Empfindungen noch über die Taten meines Körpers.
 

Ach, war doch alles total albern...
 

Mir wurde keineswegs besser, als ich schließlich vor Tyler samt seiner Begleitung stand und letztere mich zuerst ziemlich verwirrt musterte, nachdem sie von meiner Anwesenheit Notiz genommen hatte.

Aus dem Blick des Goths mit den kurzen Haaren konnte ich glasklar lesen, dass ich mich von ihm aus zum Teufel scheren konnte, denn seine Augen waren fast noch kälter als die Tylers an jenem Tage, an dem er mich am liebsten persönlich in die Hölle verbannt hätte.

Die Antipathie gegen ihn wuchs und ich bereute es mittlerweile zutiefst, dass meine Füße mir nicht gehorcht hatten, aber ein freundliches, wenn auch ziemlich distanziert klingendes 'Hey' drang nun plötzlich an mein Ohr.

Ich brauchte mich nur von dem Fremden abwenden, da fing Tyler schon meinen Blick ein, so, als wäre seiner magnetisch.

Stumm blickte ich ihn an, erschauderte aufgrund seiner mir so vertrauten Gesichtszüge, den gezupften Augenbrauen, dem tiefschwarzen Kajal und den heute in eben der unbunten Farbe gehaltenen Lippen.

"Hey...", grüßte ich nach mir ewig vorkommenden Momenten zurück, verfluchte mich aufgrund meiner so unsicher klingenden Stimme und schmiedete gedanklich bereits Gestalt annehmende Fluchtpläne, da lud mich Tyler unerwartet dazu ein, neben ihnen Platz zu nehmen und doch etwas zu trinken, wo ich schon mal da war.

Doch als ich meinen Hintern auf dem Polster der Bank niederließ und sich Tyler mit seiner Begleitung unbeirrt weiter unterhielt, wusste ich, dass es ein Fehler war, ihnen Gesellschaft zu leisten.

Aus Tylers Worten war deutlich hervorgegangen, dass er mich allenfalls duldete und was noch schlimmer war: Ich konnte nichts, absolut nichts mehr von der einstmaligen Vertrautheit spüren, die zwischen uns geherrscht hatte, während wir miteinander leidenschaftliche Stunden erlebten.

Seine Augen hatten mich dermaßen unverwandt angesehen, als wären wir uns nie zuvor begegnet und auch in der Luft bildete ich mir ein, die eisige Kälte mir gegenüber zu spüren.

Aber bewiesen mir nicht genau all diese Eindrücke, dass ich Tyler zu tief in meinem Herzen vergraben hatte, tiefer, als es überhaupt gesund war?

Ich hatte Kai, verdammt, und ich mochte ihn sehr - aber ohne Tyler fehlte etwas zwischen uns.

Mein Herz war schließlich dreigeteilt und wenn ein Drittel nicht an seinem Platz war, mochte ich mich am liebsten auf den Rücken werfen und mit den Beinen strampeln, weil alles keinen Spaß mehr machte.
 

Noch weniger Spaß machte mir Tylers Begleitung, die mir als Nick vorgestellt wurde und den Drummer meiner Meinung nach regelrecht anschmachtete; und ich hatte Augen im Kopf, deswegen konnte ich das sehr wohl objektiv beurteilen.

Wann immer sich ein Lächeln auf Tylers Gesicht stahl, konnte ich davon ausgehen, dass Nick mindestens lauthals lachte und auch wenn die beiden sich ausschließlich über belanglose Dinge unterhielten oder höchstens noch über Tylers Leben auf Tour, war der maskulinere Kurzhaargoth total angetan von jedem seiner Worte.

Immer lauter wurde meine mental gestellte Frage, was ich denn hier suchte, aber plötzlich schien sie sich in Luft aufzulösen, als Nick einen Blick auf sein Handy warf und ganz erschrocken in die Wäsche guckte.

"Shit, ich muss doch los. Den anderen helfen, alles für morgen vorzubereiten!", warf er in den Raum, erhob sich von seinem Stuhl und legte noch ein paar Münzen für sein Getränk auf den Tisch.

Und dann war er weg, was Tyler nicht sonderlich gefiel, seiner Miene nach zu urteilen.

Es war, als hatte er noch irgendetwas erwartet...
 

Nun war ich endlich am Zug.

So sehr ich auch auf diesen Moment gewartet hatte, ich verspürte ein gewisses Lampenfieber, denn was sollte ich überhaupt mit Tyler bereden?

Den Plausch über das warme Sommerwetter fortsetzen?

Das war doch auch doof.

Zum Glück wurde mir auch diese Entscheidung abgenommen.

"Wie geht's dir?"

Ich konnte nur auf seine ruhig das Glas umklammernden Hände starren, während ich eine Antwort formulierte.

"Gut. Dir?"

"Auch gut."

So würde das nie was werden, schalt ich mich selbst, deswegen beschloss ich, mich etwas mehr anzustrengen.

"Was macht Lilly? Geht's ihr auch gut?"

Auch wenn man das nie vermutet hätte, das rothaarige Mädchen lag mir ebenfalls noch am Herzen, aber die Gefühle für sie hatten sich über die Monate mehr und mehr verflüchtigt, waren eigentlich schon geschrumpft, als ich Tyler näher gekommen war.

Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass ich fast genauso oft an Lilly dachte wie an den schönen Drummer, nur war das Empfinden dabei ein anderes, vielleicht weniger intensiv, aber doch fast ebenso schön.
 

Tyler räusperte sich kurz, ehe er die Stimme erhob.

"Ihr geht's auch gut. Den...Umständen entsprechend."

"Was? Warum?", entfuhr es mir erschrocken und fasste nun den Mut, dem anderen ins Gesicht zu schauen, welches nachdenklich nach unten auf sein Getränk gerichtet war und fast ganz durch seine langen Haare verdeckt wurde.

Er sagte nichts, trank noch einen Schluck, meinte dann jedoch plötzlich, dass er nun auch wegmüsse, die Band brauche seine Unterstützung.

"Wir geben morgen ein Konzert hier", erzählte er mir noch beiläufig und ich freute mich fast schon über so viele Worte auf einen Schlag aus seinem Mund. "Deswegen bin ich auch in der Stadt. Wenn du magst, kannst du ja auch kommen. Vielleicht mit deinem Freund da..."

"Kai", warf ich schnell ein, Tyler nickte nur, als kannte er bereits seinen Namen, dabei war dem nicht so.

Doch wichtiger war, dass er sich noch an Kai erinnerte, das gefiel mir.

Und noch mehr gefiel es mir natürlich, dass er mich sozusagen dazu eingeladen hatte, der Band zuzujubeln.

"Ich wusste gar nichts von dem Gig...", gab ich zu, während Tyler sich sein Haar mit einer Hand nach hinten strich und dabei einfach göttlich aussah, nur leider bewegte er sich nun schon auf die Tür zu und ich kam mir vor wie ein dummer Junge, weil ich ihm folgte.

"Jetzt weißt du's", meinte der andere und ich hätte schwören können, dass sich ein zaghaftes Schmunzeln in seinem Gesicht bemerkbar machte. "Also dann. Morgen 20.00 Uhr im Drugstore. Komm nicht zu spät, willst' ja schließlich was sehen!"

"Natürlich will ich, und ganz besonders dich", rutschte es mir raus und ich bemerkte erneut, dass ich kaum mehr Kontrolle über die Worte hatte, die ich so unbedacht ausspuckte.

Wir standen mittlerweile auf der Straße, welche ziemlich verlassen war, ungewöhnlich für diese Uhrzeit.

Aber vielleicht hätte Tyler sonst nicht plötzlich mein Gesicht in seine großen Hände genommen und mir direkt in die Augen gesehen, eindringlich und fast schon einem hungrigen Tier gleich.

Mein Herz schlug Purzelbäume in diesem Augenblick, wahrscheinlich schoss mir auch das Blut in die Wangen und ich lief rot an, was sich ganz danach anfühlte, als Tyler mit seinen Daumen über meine erhitzte Haut streichelte.

Alles in mir jubilierte und feierte und mein Empfinden erreichte seinen Höhepunkt mit dem sanften Kuss, den Tyler mir direkt auf den Mund drückte.

"Ich freu mich auf dich, Mütze", säuselte er fast schon liebevoll und küsste mich danach flüchtig auf die Nasenspitze, was mich nur noch wahnsinniger machte.

"Ich freu mich auch", ließ ich ihn wissen, der andere nickte daraufhin nur lächelnd und entfernte sich dann leider auch schon von mir.

Alles, was mir blieb, war die Gewissheit, dass er mich über die Monate nicht vergessen hatte und mich noch ebenso mochte wie während unserer gemeinsamen Nacht.

Wahrscheinlich sehnte er sich auch nach meiner Nähe, und vielleicht auch nach Kais.

Voller Glück machte ich mich, freilich nachdem ich für Mutti brav eingekauft hatte, auf den Heimweg, verzichtete auf die Asking-Alexandria-CD und den akustischen Orgasmus, denn das, was mir Tyler gerade gegeben hatte, war intensiver und süchtig machender als jeder sexuelle Höhepunkt, den man sich vorstellen konnte.

Nur war da noch eine Sache, die meine Freude leicht milderte:
 

Wieso verhielt er so distanziert mir gegenüber während Nicks Anwesenheit?

II. Season - Wettlauf mit Küchenköchen

Der gestrige Groll und Ärger, welcher sich zuerst in meinem Magen breit gemacht hatte, war am nächsten Tag der puren Vorfreude auf den kommenden Abend gewichen.

Schon als ich Kai von meiner zufälligen Begegnung mit dem Traum unserer schlaflosen Nächte berichtete, erreichte meine Laune ihren Höhepunkt, welcher auch hier vor der Konzerthalle längst nicht abgeebbt war und dies wahrscheinlich in den nächsten Stunden auch nicht vorhatte.

Sobald ich wieder in Tylers schönes Gesicht schauen würde und das auch noch in Verbindung mit seinem Instrument, welches ihm zusätzlichen Sexappeal verleihte, würde alles um mich herum vergessen sein.

Und wenn ich zudem Kais funkelnde Augen sehen würde, die sich freudig auf den Drummer richteten, würde mir dies nur noch zusätzliche Glücksgefühle bescheren.
 

Kai schien ebenso happy wie ich zu sein, seinen deutlich nach oben zeigenden Mundwinkeln und dem aufgeregten Herumgetänzle, welches mir beinahe schon die Nerven raubte.

Doch heute wollte ich mal nicht so sein, denn in ein paar Minuten würde der Einlass stattfinden und wir erhofften uns wahrhaftig einen Platz in der ersten Reihe, da wir bereits draußen ganz nah an der Tür standen.

Nur eine Gruppe von vier Mädchen war wohl einen Tick früher als wir eingetroffen und unterhielt sich lautstark und schwärmerisch über die Band.

Zwischen all dem Gequieke und Gequietsche konnte ich ab und an Tylers Namen heraushören, welcher mit einer noch stärkeren Kreischorgie einherging und ich fragte mich, ob sie denn nicht die Band verwechselt hätten, Tokio Hotel würde sich erst morgen die Ehre geben.

Aber was juckten mich diese aufgebrachten Weiber?

Mit stolzgeschwellter Brust baute ich mich hinter ihnen auf und malte mir ihren fassungslosen Blick aus, den sie zur Schau stellen würde, erzählte ich der Bande über Kais und meine Liebesnacht mit dem Objekt ihrer Begierde.

Doch ich war ja kein Schwein und somit ließ ich es sein.

Das reimte sich sogar, war ein Gedicht, genau wie die hübsch dekorierte Bühne, die sich uns beim Eintritt offenbarte.

Elektrische Kerzen sorgten für den ultimativen Romantiklook, und obwohl ich wahrlich kein Freund des Kitsches war, fand ich es sehr ansprechend, genau wie das komplett neu designte Bandlogo, welches auf einer großen Flagge direkt hinter dem Drumset prangte und nun anstelle den zerstörten Sterne einen einzigen großen Himmelskörper zeigte, der die Schrift förmlich zu verschlingen drohte.

War eben doch nicht alles Kitsch, was Tylers brutale Behandlung des Schlagzeugs und vor allen Dingen auch Lillys kraftvolles Organ beweisen würden.

Oh man, ich stand nun in meinem Nervositätsgrad dem von Kai in nichts nach, freute mich, dass ich einen perfekten Blick auf die Drums hatte und beschloss während Tyler lang ersehnt die Bühne entern würde, ganz laut 'Ausziehen, ausziehen!' zu brüllen, worin mein Freund sicher nur zu gern einstimmen würde.
 

Die Mädchen neben mir kreischten ohrenbetäubend, als die Schweinwerfer angingen und man kurz darauf ein paar Personen hinter dem Vorhang hervorkommen sah, der wahrscheinlich den Backstagebereich von der Bühne abtrennte.

In mir wallte das Blut auf, sodass mir vollkommen heiß wurde, was nicht zuletzt daran lag, dass Tyler der erste war, der sich der Menge selbstbewusst zulächelnd und -winkend an seinen Platz begab, noch ehe ich ihn dazu auffordern konnte, sich auszuziehen.

War zudem absolut nicht nötig.

Auch wenn Tyler nackt immer noch am geilsten war, so hielt ich mir vor Augen, dass dies hier ein Konzert werden sollte und nicht eine seiner Fetischshows, zudem hatte sich der Gute in wahrlich schicke Gewänder gehüllt.

Klar, dass die Mädels so schrien und ich es ihnen gedanklich gleich tat; Die enge Lederhose, kombiniert mit dem mehr zur Schau stellenden als verhüllenden Oberteil aus Netzstoff und Lack heizte mir bereits ohne die harten, rockigen Klänge ihrer Musik kräftig ein.

Er schien unsere Anwesenheit noch nicht bemerkt zu haben, denn ich versuchte vergeblich, seinen Blick einzufangen, was mir leider nicht gelang, aber wahrscheinlich lag es auch daran, dass Tyler sich nun ganz auf die Musik konzentrieren musste, um nicht noch Fehler wegen uns beiden zu machen.

Länger konnte ich mir darüber jedenfalls keine Gedanken machen, denn der Rest der Band betrat die Bühne, Rex, der Gitarrist, Roy, der Bassist und -

Hey, wer war denn dieser Kerl?

Und wo blieb Lilly?

Zuerst machte ich ein wahrscheinlich ziemlich enttäuschtes Gesicht, doch dieses verwandelte sich schnell in puren Unmut, als sich dieser Typ, dessen Züge ich nun besser erkennen konnte, an der Front der Bühne aufbaute und zum Mikro griff.

Ich wechselte verwirrte Blicke mit meinem Freund aus, zumal ich keinen blassen Schimmer davon hatte, dass die Band aus ihrer Sängerin einfach einen Sänger gemacht hatte!

Das war nicht nur schade, das war auch ärgerlich, denn besagter junger Mann, welcher mit den ersten Riffs begann, wie der Teufel persönlich in sein Gerät zu brüllen, war kein geringerer als dieser Nick.

Der Kerl, mit dem Tyler am Vortag so angetan geplauscht hatte und welcher den Drummer so anzuhimmeln schien, dass es wehtat.

Der Funke, der dafür sorgte, dass mein Magen Zicken machte, kreuzte wieder auf und stach mir in mein Organ, bis sich dieses vor Gram zusammenzog.

Der Typ sieht zu gut aus, raste es mir durch die Hirnwindungen und sofort war für mich klar, dass dieser eitle Schönling mit den penibel zurückgegelten Haaren sich mit irgendeinem aus der Band hochgeschlafen hatte.

Und tief in meinem Inneren konnte ich mir bereits denken, wer dieser jemand war, schließlich war über die etwaige Bi- oder Homosexualität Roys und Rex' nichts bekannt.

Hätten nicht all die Menschen hinter mir gestanden und mir somit die Fluchtmöglichkeit genommen, ich wäre sofort verschwunden, mitsamt Kai, welcher den Sänger ebenfalls misstrauisch musterte.

Andererseits war jetzt noch keine Zeit, um die Fliege zu machen, schließlich benötigte ich eine Erklärung für das, was hier vor sich ging, und die wollte ich mir nach dem Konzert von Tyler höchstpersönlich abholen.
 

*****
 

"Was ist hier los? Wo ist Lilly? Und wieso ist der da", ich deutete wütend auf den neuen Sänger, welcher sich gerade sein Feierabendbier gönnte und mich nun eher aufmerksam als erschrocken musterte, "euer neuer Sänger? Das ist doch...nee!"

Ich bekam das Gefühl nicht los, dass ich mich gerade benahm wie eine betrogene Ehefrau oder eine 13-jährige, welche ihrem neuen Freund eine Szene machte.

Doch meinen Empfindungen war es egal, wie alt ich wirklich war und welches Geschlecht ich besaß.

Tyler guckte mich nur an, als ich meine ärgerlichen Worte vorgetragen hatte, setzte nicht einmal zu einer Erklärung an und auch Kai tat nichts, um mich zu unterstützen.

Hallo, waren die alle zu Zombies mutiert?

Von Kai wusste ich, dass er ebenfalls mit der Gesamtsituation unzufrieden war, aber nur zu feige war, seine manchmal echt große Klappe aufzureißen.

Dass ich mich wahrscheinlich zu sehr aufregte, ließ mich erst Tylers Reaktion erkennen.

Er kam viel zu ruhig auf mich zu, was mich ebenfalls rasend machte, blieb dann vor mir stehen und legte seine Hände auf meine Schultern, während er meinen Blick einfing und mir fest und bestimmt in die Augen sah.

"Reg dich ab, Darin. Ich erklär dir das. Kommt mit."

"Na da bin ich aber mal gespannt", gab ich noch frech von mir, als Kai und ich von Tyler förmlich aus dem Backstageraum geschoben wurden; es war fast so, als ob er meinte, dass wir hier drin nicht verloren hatten.

Dabei waren wir drei so was wie ein...Paar.

Wir waren ein Dreier, verdammt!
 

Das alkoholisierte Getränk, welches Tyler für uns an der Bar bestellte, besänftigte mein aufgebrachtes Gemüt keineswegs.

Eigentlich war ich ja eher der introvertierte, in sich gekehrte Typ, den weibliche Eigenschaften nicht beschrieben.

Ich war stets besonnen und einsichtig, aber wenn Hormone mit im Spiel waren, konnte ich für nichts garantieren.

Tyler konnte von Glück reden, dass ich ihm nicht augenblicklich vorwarf, mit diesem Nick zu vögeln und gleichzeitig mit Lilly zusammen zu sein, die nur Liebe zwischen ihrem Freund und mir sehen wollte!

Doch genau auf dieses Mädchen kamen wir zuerst zu sprechen.

Die Strenge aus Tylers Blick war einem sanften Ausdruck gewichen, und nach einiger Zeit fand sogar seine Hand zu einer zaghaften Berührung ihren Weg auf mein ihm zugewandten Knie.

Ich hasste diese Barhocker, der Sitzkomfort ließ wirklich zu wünschen übrig, aber heute sah ich einfach darüber hinweg und ich lauschte gemeinsam mit Kai Tylers Erklärung.
 

"Lilly ist im fünften Monat schwanger. Von mir."

Ich hielt den Atem an und fiel fast ohnmächtig vom Hocker.

Tyler jedoch ließ sich davon nicht irritieren, er blieb die Ruhe selbst, während sich mein Körper anfühlte, als würden meine Gedärme gegrillt werden.

"Es wäre eine zu große Belastung für sie und das Baby, jetzt noch täglich einen Auftritt zu absolvieren. Deswegen ist Nick für sie eingesprungen. Das war der erste Gig in dieser Besetzung. Bis heute war es noch nicht offiziell, das ist auch der Grund, weswegen ihr noch nichts davon wusstet."

Alter Verwalter.

Der wollte mich und Kai doch wohl verarschen!

Vollkommen panisch guckte ich zwischen Kai und Tyler hin und her, und der Blick meines Freundes bestätigte mir, dass dieser ebenfalls in ein Wachkoma gefallen war ob dieser Nachricht.

Mit allem hätte ich gerechnet, aber nicht damit!

Doch sich noch weiter aufzuregen brachte auch nichts, deswegen atmete ich einmal tief durch und versuchte, diplomatisch zu bleiben.

"Du wirst also Vater", nickte ich dem Schwarzromantiker mit dem nun nicht mehr so akuratem Make Up und den etwas in Unordnung gerateten Haaren zu, nahm einen kräftigen Schluck meines Drinks, um den Schock zu betäuben. "Müsstest du dich da nicht um Lilly kümmern, ich meine...ich hab ja keine Ahnung, ob sie allein wohnt oder..."

"Lilly und ich sind nicht mehr zusammen", gab Tyler schließlich mit einer Seelenruhe zu, sodass nun endlich auch aus Kai ein lautes 'Nee!' herausplatzte. "Ihr hat es gar nicht geschmeckt, dass ich mit dir...mit euch gevögelt habe, während sie nicht dabei sein konnte. Da hat sie einfach Schluss gemacht."
 

Ich kriegte die Tür nicht mehr zu.

Tyler hurte rum, fickte innerhalb von vier Tagen drei verschiedene Personen - zwei davon zur gleichen Zeit der Effizienz wegen und verhütete nicht mal angemessen beim vaginalen Verkehr!

Und Lilly schien auch keinen Scheiß besser zu sein, stiftete diese ihren Freund erst dazu an, mit mir rumzumachen und ließ ihn einfach sitzen, nachdem sie ihr Ziel erreicht hatte.

Das war nicht nur krank, das war ebenso sinnlos wie ein Wettlauf mit Küchenköchen, denn in diesen kleinen Quadratställen konnte man wenn überhaupt drei Meter laufen und das nicht, ohne dass etwas zu Bruch ging.

Danke, mir reichts.

Und siehe da, mein Spitzname war wieder zum Tageslicht gekommen, nachdem ihn alle bereits totglaubten.

In so einer Situation konnte man ja auch nur mehr oder minder durchdrehen.
 

Eigentlich hatte ich vor, mich ganz gepflegt zu verpissen, denn ich musste diese Informationen erst einmal verdauen, aber das dicke Ende kam erst, als ich bereits vom Barhocker gesprungen war und den Boden unter meinen Füßen genoss.

"Und weil das nur fair ist", setzte Tyler noch an, rührte nachdenklich in seinem Drink und stierte auch diesen an, als wäre er die interessanteste Sache auf Erden. "Zwischen mir und Nick bahnt sich was an. Bestimmt nichts Festes, aber ich wollte es euch nicht vorenthalten, irgendwann kommt sowas schließlich immer raus."

"Ach, danke für die Info! Das hab ich mir doch gleich gedacht", knurrte ich vor mich hin, letzteres nuschelte ich jedoch so leise, dass nur ich es verstehen konnte. "Komm, Kai, wir machen uns noch einen schönen Abend - zu zweit!"

Und mit diesen Worten zog ich meinen Freund mit mir, während ich mich freute, dass wenigstens dieser noch auf meiner Seite stand, auch wenn er dies nicht offen zugegeben hatte.

Von Tyler verabschiedeten wir uns nicht einmal, obwohl mir im Nachhinein klar wurde, dass er prinzipiell nicht viel Unrechtes getan hatte, jedenfalls was den neuen Sänger und seine Affäre mit diesem anging.

Nur weil wir einmal miteinander geschlafen hatten, hieß das ja noch lange nicht, dass er abstinent bleiben musste, bis wir uns zweimal im Jahr für einen geschlagenen Tag wiedersahen.

Nur wurmte es mich trotzdem...
 

"Und am Vortag hat er mich noch geküsst", jammerte ich an Kais Schulter, als wir gemeinsam auf der Couch lagen, uns mit Hilfe des Fernseprogrammes abzulenken versuchten und ich mich langsam mit meinem Schicksal abfand, zum Mädchen zu mutieren, jedenfalls innerlich aufgrund meiner Sentimentalität.

"Sei nicht sauer, Kleener", redete mir Kai gut zu und kraulte meine Kopfhaut, während ich feststellen musste, dass der wesentlich androgynere von uns beiden seine Männlichkeit im Gegensatz zu mir bewahrt hatte, trotz dieses blöden Tages. "Tyler hat uns beide doll lieb, das weiß ich. Dieser Nick kann gegen uns doch gar nicht anstinken. Mach dir keinen Kopf, ein Mann muss nunmal ab und an vögeln, dann ist es egal, mit wem."

Ich sagte daraufhin nichts mehr, seufzte nur ein herzerweichendes Seufzen und überlegte schon einmal, welches Kleid mir wohl am ehesten stehen würde, wenn ich denn jetzt schon über die urtypischsten Eigeschaften der Vertreter des männlichen Geschlechtes aufgeklärt wurde.

"Weißt du was?", meinte Kai plötzlich mit seiner so schön beruhigend klingenden Stimme, als ich schon in seinen Armen in den erlösenden Schlaf fallen wollte. "Auf dem Tourposter, was an der Tür hing, stand, dass die Band übermorgen hier ganz in der Nähe noch einen Gig hatte. Da gehen wir einfach hin und überzeugen unseren Schatzimausi davon, wie geil wir beide sind. Dann wird er diesen Spacko schnell vergessen und wir verhindern somit, dass er ihn für mehr als nur zum Bumsen benötigt. Okay?"

Den strahlenden Augen, welche mich von oben herab musterten und auf meine Zustimmung hofften, konnte man einfach nicht widerstehen, deswegen hauchte ich auch bereits ziemlich abwesend ein 'Okay' an Kais Wange und ließ mir noch einen Kuss auf den Mund drücken, ehe ich in das Land der Träume entschwand.

II. Season - And the Oscar goes to...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

II. Season - Verwunschene Häuser voller Leben

Aus jedem Traum erwachte man früher oder später.

Entweder durch Eigenverschulden oder aber auch durch Fremdeinwirkung.

Merkwürdig mutete eine Mischung aus beidem an.
 

Meine Ma hatte mächtig Stress gemacht, da ich früh morgens erst den Heimweg antrat und sie nicht darüber informiert hatte, dass ich die ganze Nacht über in Buxtehude an der Quarkmühle verbracht hatte, in irgendeinem x-beliebigem Hotelzimmer - wie auch?

Ich hatte einen kleinen Abstecher in ein merkwürdiges, von Lust aber auch von Liebe regiertes Land unternommen, aus dem ich nicht einfach so fliehen konnte, denn Tyler besaß den Schlüssel der Ausgangstür und gab ihn erst wieder her, als wir eine Runde aneinandergekuschelt gepennt hatten.

Ich hasste den Augenblick, in dem Tyler förmlich die Flucht ergriff, da das Ganze wahrscheinlich nicht geplant war und er einen vollen Terminplan besaß; ein Deja Vu der gemeinen Sorte, denn ich hatte so sehr gehofft, ihm noch meine geheimsten Gefühle offenbaren zu können.

Allein ließ er mich mit Kai, und so wie ich jetzt in meiner Heimat auf meinem Bett saß, ohne Kai, fühlte ich mich so unglaublich...leer.

Trotzdem ich mir zum Trost die Asking-Alexandria-Platte aus dem Internet gezogen hatte, fühlte ich nicht dieses Kribbeln durch meine Glieder rasen, wie es sonst stets der Fall war, wenn ich den Klängen meiner Lieblingsband lauschte.

Lag es vielleicht daran, dass Sex und vergleichbare Ekstasen zwar für den Moment mächtig und unübertrefflich in ihrer Intensität anmuteten, aber genauso schnell wieder abflachten und sich nicht festsetzten wie Empfindungen, die vom Herzen ausgingen und nicht vom Schwanz?

Natürlich hatte mir der Sex mit Tyler und Kai gefallen, mehr als das - aber er hatte mir auf seltsame Art aller Energie beraubt, während mein Herz vor Gefühlen überkochen zu schien.

Wehmütig sank mein schlaffer und übermüdeter Leib auf die Matratze zurück.

Ich schloss die Augen und konnte nicht verhindern, dass die Erinnerungen an Tylers schöne Augen und sein für uns gesungenes Lied in mir wach wurden.

Wie er in mir war, wie es sich anfühlte, als er mir einen blies, das alles hatte mein Hirn nicht abgespeichert.

Es war nur dieses Bild, seine Stimme und sein wissendes Lächeln, welches er mir während unserer Vereinigung schenkte.

Das alles dominiert von dem Wunsch, dem anderen einfach nur nah zu sein und zu spüren, dass er ebenso stark empfand wie ich für ihn.
 

Unfassbar.

Ich litt wirklich an so etwas Merkwürdigem wie Liebeskummer.

Wie ich dieses Wort verabscheute.

Die wollen mich doch alle rollen, dachte ich voller Selbstmitleid.
 

Klopf, klopf.

Man.

Mein Bedarf an sozialen Kontakten war gedeckt, wer auch immer etwas von mir wollte - sei es Ma oder auch Pa - er sollte bitte das Weite suchen und mich in benanntem Mitleid gegenüber meiner Person baden und schließlich zerfließen lassen.

"Daaaarin..."

Wem ordnete ich wohl dieses lieblich trällernde Stimmchen zu?

Eigentlich hatte ich null Bock auf meinen Freund, da er herausfinden könnte, mit was ich so elend haderte, andererseits konnte ich mich nicht einfach wie ein kleiner Fötus in meine warme, weiche Decke einrollen und Kai vor der Türe stehen lassen.

Ein Freund war schließlich besser als keiner und es lag mir fern, den einen auch noch zu vergraulen, nur weil ich mir selbst das Leben zur Hölle machte und Tyler mich dabei tatkräftig unterstützte.
 

Man konnte das Kriechen an die Tür nicht Gehen nennen, das wurde ihm nicht gerecht.

Dass ich dabei noch dreimal über alte, verschwitzte Shirts stolperte, die sich auf dem Boden stapelten, weil wahrlich kein Ordnungsfanatiker an mir verloren gegangen war, wollte ich eigentlich unerwähnt lassen.
 

Selbst ich fand meinen Druck auf die Klinke ziemlich harsch, denn womit hatte es ausgerechnet Kai verdient, dass ich ihn abschätzig behandelte oder meine Launen an ihm ausließ?

Er war im Grunde der Einzige, der stets alles richtig machte, beherrscht blieb, auch wenn Wut in ihm hochkochte und zudem hatte er immer gute Ideen.

Ohne ihn wäre die letzte Nacht nicht zustande gekommen.

Wobei diese Idee irgendwo zwischen gut und schlecht lag, jenseits von Gut und Böse, wie man es nahm.
 

"Hey, Hübscher."

So wie mein Druck auf die Klinke meinem Freund nicht gerecht wurde, so wenig beschrieb mich die Bezeichnung 'Hübscher' im Augenblick.

Als wir heute Morgen zu Hause ankamen, fiel ich so wie ich war ins Bett, liederlich, verschwitzt, nach allem möglichen stinkend.

Wenn Kai allerdings der Meinung war, ein ungewaschenes, unrasiertes Gesicht und ein Mund, aus dem die grüne Wolke sichtlich hervorquoll wären hübsch, dann durfte er mich gern weiterhin so nennen.

Ich hingegen wusste nicht wirklich, was ich sagen sollte.

Abgeschlagen fuhr ich mir durch die ohne Mütze ungebändigte, brünette Mähne, musterte Kai, welcher trotz der wilden Nacht topfit zu sein schien, dem perfekten Lidstrich und dem putzigen Lächeln auf seinen Lippen nach zu urteilen.

Im Gegensatz zu mir hatten seine schwarzen Haare wohl eine Wäsche genossen, denn sie wiesen einen feinen Glanz auf, der nur dazu einlud, die Pracht einmal durch die Finger gleiten zu lassen.

Merkwürdig, ich tat genau das, ohne groß darüber nachzudenken, dass ich gerade zärtlich anstatt grummelig rüberkam und irgendwie fühlte sich mein Gesicht gerade ganz danach an, als würde es lächeln.

Es fühlte sich nicht nur so an, ich lächelte meinen Freund wirklich an, denn ich genoss das Gefühl, welches meine Muskeln entspannte, sowie ich wieder zum Pokerface zurückkehrte.
 

"Hey", hauchte ich tonlos, nachdem ich meine Hand zurückgezogen hatte und realisierte, dass Kai seine Hände auf dem Rücken hielt, so, als versteckte er irgendetwas vor mir.

Er schien meinen fragenden Blick bemerkt zu haben, denn ein leichter Rotschimmer trat auf seine sonst so bleichen Wangen und sein Lächeln wurde noch eine Spur verschmitzter.

Ehe er jedoch sein Geheimnis lüftete, trat er in meine liederliche Bude ein, peinlich darauf bedacht, dass ich seine Rückseite nicht zu Gesicht bekam.

In meinem eigentlich so müden Kopf begann es nun doch zu arbeiten.

Man kannte das ja aus Filmen, in denen ein Partner ganz heimlich tat, letztendlich vor seinem Angebeteten auf die Knie ging und diesem einen unerwarteten Heiratsantrag machte.

Schock.

Das hatte er hoffentlich nicht vor!

Wenn ja, dann...nein.

Bitte nicht.
 

Mir blieb aber keine Möglichkeit, aus der so schön aufgebauten Szenerie zu flüchten, also schob ich meinen lahmen Arsch auf den Platz neben dem bereits sitzenden Kai und schnaufte wahrscheinlich wie eine Dampflok, anstatt tief durchzuatmen.

Machs kurz, betete ich in der wohl einzigen frommen Minute meines arschigen Lebens.

"Ich hasse so was", platzte es sogar aus lauter Missfallen aus mir heraus, sodass Kai mich ganz befremdlich zu mustern begann. "So Geheimnisse und so. Da weiß man immer nicht, was einen erwartet."

"Aber...", gab Kai nur von sich; so unterwürfig, wie er dabei klang, fand ich mein Benehmen mal wieder furchtbar, denn im Grunde meines Herzens besaß der hübsche Goth einen festen Platz in genau diesem, auch wenn meine Gefühle für ihn seltener an die Oberfläche trieben als die für Tyler.

Doch vielleicht war das ein Zeichen dafür, dass er sich tiefer in meinen pumpenden Muskel eingegraben hatte als Tyler und man wahre Liebe nicht so deutlich wahrnimmt wie ein heftiges Verknalltsein.

Nein, schüttelte ich gedanklich den Kopf und schloss für kurze Zeit die Augen, um wieder zur Besinnung zu kommen.

Leider verschwand die Verrücktheit nach dem Musiker mit den gefährlichen Stiefeln und den einzigartigen Augen auch dadurch nicht.

Und auch Kai vermochte an diesem Zustand nichts zu ändern, als er das Mysterium um das auf seinem Rücken Befindliche auflöste und drei rote, fast schon ein wenig schwarze Rosen hervorzauberte und sie mit seinem knuffigen Strahlelächeln unter meine Nase hielt, so, als erwartete er eine Reaktion meinerseits.

Kitsch aber war wie gesagt nicht unbedingt meins.

Natürlich spürte ich, wie eine kleine Bombe in meinem Magen gezündet wurde und diese schließlich in einer kribbelnden Explosion verkam, aber Worte erschienen mir recht unpassend in jenem Augenblick.

Ich hoffte deshalb, dass Kai von meinem ganz automatisch aufkommenden Lächeln Notiz nahm und daraus meine Gefühle ableitete.

"Du bist niedlich", neckte mich mein Freund zusätzlich, nachdem ich die Blumen an mich genommen hatte und meine Freude immer mehr wuchs.

Egal, ob 'niedlich' zu mir passte oder nicht.
 

Dunkelrote Rosen für Leidenschaft, drei an der Zahl für Tyler, Kai und mich.

Ob das seine Intention war, wusste ich nicht.

Ich fand, es lag an mir, diese Geste zu deuten und es gefiel mir ungemein, dass Kai anscheinend genauso empfand wie ich und Tyler tief in seinem Inneren ebenfalls einen festen Platz eingenommen hatte.

Oder irrte ich mich?
 

Es war eine peinliche Stille im Raum entstanden.

Obwohl wir sonst ziemlich vertraut miteinander umgingen und viel mehr noch immer den besten Kumpels glichen, die wir bis zu den Pfingstfeiertagen waren und uns jegliches Pärchengetue eher fernlag, so war es heute irgendwie anders.

Die Rosen schienen die Botschafter für diese Angespanntheit zu sein, und ich wurde das dumme Gefühl nicht los, dass von Seiten Kais noch nicht alles gesagt war.

Er saß auf der Bettkante, die Füße fest nebeneinander gestellt und beugte sich weit vor, sodass seine langen Haare mir die Sicht auf sein Antlitz verwehrten.

Seine leicht vibrierenden Finger beunruhigten mich ziemlich und zudem konnte ich es nie mit ansehen, wenn mein Freund die Neidnägel seitlich seiner Fingerkuppen abriss.

Dies tat er ebenfalls nur, wenn er zum Platzen gespannt war.

Vielleicht hätte ich ihm eine Rose abgeben sollen, die Tyler-Rose, die naturgetreu größer war als die anderen beiden und viel stolzer und erhabener gegenüber ihnen erschien.

Vielleicht hätte Tyler ihm langsam und quälend alle Blütenblätter abreißen sollen, bis er symbolisch aus unserem Leben verschwand.

Das hätte Kai auch gleich als Spielzeug gedient, damit er endlich seine Hände in Ruhe ließ.
 

"Du...ähm...was würdest du eigentlich sagen, wenn..."

Seine Stimme zu hören, wie sie das ekelhafte Schweigen unterbrach, war irgendwo zwischen Wohltat und einem unangenehmen Empfinden angesiedelt.

Wieder hielt er die Hände symbolisch hinter dem Rücken, wieder verbarg er etwas vor mir.

"Spucks aus", forderte ich den anderen kurz und schmerzlos auf, woraufhin dieser seinen Rücken in eine gerade Haltung brachte und mich prüfend anschaute.

Prüfend, ob ich bereit war für seine folgenden Worte.

Ich war es.

Dachte ich.
 

"Was würdest du sagen, wenn ich dir kitschiger Weise an den Kopf werfen würde, dass ich mich irgendwie in dich...verknallt hätte?"

Es traf mich wie der Schlag, genaue Gefühle konnte ich nicht benennen.

Alles verlief zu einem Mischmasch aus Scham, Überraschung, Ärger und Freude und welches Gefühl letztendlich als Sieger aus diesem Kampf hervorgehen würde, wusste ich nicht.

"O-okay...", erwiderte ich zur Überbrückung und spürte, wie die Stängel der Rosen schwitzig wurden und ich sie umso fester umklammerte.

Ich hatte eine Verantwortung gegenüber Kai, sprach die innere Stimme zu mir.

Wenn er mich liebte, hatte ich eine verdammte Verantwortung gegenüber ihm und seinen Gefühlen, und da ich ihn ebenfalls sehr mochte, wenn nicht gar dasselbe für ihn fühlte, es nur noch nie direkt benannt hatte, so durfte ich ihn nicht unglücklich machen.
 

"Ich mich ja auch irgendwie...in dich. So bisschen, glaube ich. Keine Ahnung so richtig..."

Bah.

Wie konnte man mit 19 Jahren so einen Rückschlag in die Anfangsphase der Pubertät erleiden?

Um meine Scham ein bisschen zu überspielen, versuchte ich Kai in die Augen zu sehen, und auch wenn es mir schwer fiel, irgendwie gelang es mir.

Seine Pupillen erschienen mir so groß und ich meinte mal gelesen zu haben, dass sie sich ausweiteten, wenn man eine Person betrachtete, die man sehr attraktiv fand.

Direkt ablesen konnte ich seine Gefühle aus ihnen und auch aus dem Rest seines ebenmäßigen, femininen Gesichts allerdings nicht.

Es schien jegliches Empfinden gerade in ihm zu toben, genau wie in meinem vermaledeiten Körper.

"Doch, Kai", hörte ich mich plötzlich sagen und spürte, wie mein Kopf langsam nickte. "Da ist ganz viel für dich...aber..."

Viel zu hastig legte sich Kais Hand auf meinen Oberschenkel, sodass die leichte Hitze in meinen Wangen einem dumpfen Pochen in meiner Stirn Gesellschaft leistete.

Es gab außer dieser Hand nur noch dieses eine Augenpaar, auf das sich meine ganze Aufmerksamkeit richtete.

"Wir müssen Tyler vergessen, verstehst du? Auch wenn er mehr als Lust für uns empfinden sollte, so ist eine Beziehung zwischen uns und ihm unmöglich. Junge Liebe braucht Nähe um zu bestehen. Man muss sie hegen und pflegen wie eine Pflanze, damit sie nicht verdurstet. Und wie soll das funktionieren, wenn Tyler das ganze Jahr über auf Tour ist?"

Rhetorische Frage.

Ich konnte gar nichts auf seine Worte erwidern, die mir in diesem Moment so weise erschienen, so ungewohnt aus Kais schönem Mund zu hören, der sonst viel Scheiße laberte.

Und wieso musste er mit der Scheiße des heutigen Tages so verdammt Recht haben?

Am liebsten hätte ich ihm widersprochen, aber es ging nicht.

Seine Hand glitt von meinem Bein und ergriff ungefragt die Meine, mit deren Finger sie zu spielen begann, während er seinen Kopf an meinen legte.

Die Rosen hielt ich in der anderen Hand.

Und irgendwie war mir, als würden sie langsam zu welken beginnen und ihre Köpfe traurig hängen lassen.
 

Meine blühende Fantasie und meine unbändige Liebe, alles mit blumigen Metaphern zu versehen.
 

*****
 

Ein verwunschenes Haus voller Leben war doch dieses stärkste aller Gefühle.

Wenn man hineinging, entdeckte man die Wunder, die es für einen bereithielt.

Man fühlte sich so lebendig, so glücklich.

Aber das Leben, welches in diesem Haus Einzug gehalten hatte, konnte nicht ewig erhalten werden.

Irgendwann fand man nur noch Leichen vor und musste zusehen, dass man diese begrub, damit sie nicht monatelang verwesten.
 

Was aber, wenn man sich in den Kopf gesetzt hatte, die Toten zu erwecken, mit aller Macht, und damit den Zauber in das Haus zurückzuholen?

II. Season - Ziellinie mit Hindernissen

Mittlerweile fragte ich mich wirklich, wieso unsere kleine, bescheidene und voll berufstätige Familie noch immer nicht in ein Auto für jedes Mitglied investiert hatte.

Wenn Papa mit dem Wagen unterwegs war und es sich Mama nach Feierabend erst einmal vor dem Fernseher gemütlich gemacht hatte, mit Beine hoch und allem Drum und Dran, bekamen sie da keine zehn Pferde mehr hoch.

Wozu gab es aber Azubis - Ärsche zum Bierholen?

Freilich rührte meine alte Dame keinen einzigen Tropfen des Teufelsgebräu an, aber Azubi stand in diesem Falle weder für Arsch zum Bierholen nach für Auszubildender.

Ma hatte mich dazu auserkoren, ihr Affe-zum-bisschen-Essen-ins-Haus-holen zu sein.

Und wie konnte man diesen Augen noch widerstehen, die einen ansahen, als wäre man der liebste und beste Sohn der Welt?

Gar nicht, eben.

Und da ich ihre Wertschätzung nicht nur genoss, sondern auch noch etwas wegen der Nacht gutzumachen hatte, in der ich mit Kai und Tyler ein Bett weit, weit weg von zu Hause teilte, jaulte ich auch gar nicht lang, sondern nur kurz, ließ mich mit einem Einkaufszettel ausstatten und machte mich auf die Socken.

Egal, ob es draußen aus allen Kannen schüttete und die Wollfäden meiner Mütze sich in Sekundenschnelle gleich einem Schwamm mit Wasser vollsogen und das Ding somit um das doppelte wuchs.

Klar wäre ein Auto jetzt schön.

Aber man konnte im Leben nicht alles haben.

Es war schon wichtig, überhaupt ein Leben zu besitzen, andere Dinge dienten nur zu dessen Verschönerung und konnten allenfalls als Luxusgüter betrachtet werden.

Wo ich aber einmal auf dem Weg war - Kondome gehörten zur Grundausstattung.

Albern zwar, dass ich mit Tyler nie verhütet hatte, obwohl der seinen Schwanz auch noch in andere Löcher steckte, aber mit meinem nun festen Freund ging ich auf Nummer sicher.

Wenn ich jetzt schon Tripper oder Schlimmeres mit mir herumtrug - wenigstens Kai sollte davon verschont bleiben.

Seinen süßen Arsch durfte ich nicht verderben.

Und sein Leben erst recht nicht.
 

*****
 

Ein Ganzkörperkondom wäre nicht schlecht, als ich mich nass bis auf die Knochen und damit mit halbtransparenter Kleidung, welche die ganze Situation mit einem unangenehm erotischen Touch versah, vor dem Regal mit den Sexhilfsmitteln Halt machte.

Das mir von Ma aufgetragene Zeug suchte ich zusammen, nachdem ich eine Packung Gummis mit Erdbeergeschmack gegriffen hatte, dazu noch eine Tube Gleitgel für den guten Rutsch.

Und nein, ich schämte mich nicht wirklich für meinen recht eindeutig homosexuellen Einkauf.

Okay, manchmal, wenn eine wahre Wuchtbrumme von einem Kerl vor mir stand, mit tätowierten Armen, die das Gegenteil der Verwandlung Michael Jacksons darstellten und keinen Millimeter natürliche Hautfarbe mehr durchscheinen ließen, wurde mir schon ein wenig komisch.

Solche Typen hatten ja des Öfteren Angst um ihren Arsch, wie es schien, und deswegen bestand die Möglichkeit, dass sie Jungs vom anderen Ufer zur Sicherheit unter die Erde verfrachteten.

Ich aber hing an meinem Leben, auch wenn ich Bekanntschaft mit dem Arschloch Liebe geschlossen hatte und wir beide nie und nimmer Freunde werden würden.

Genauso wenig sammelte die Verkäuferin bei mir Sympathiepunkte, denn in dem Tempo, mit dem sie die Waren über den Scanner zog, hatte ich meine Ohrlöcher damals auf 20 Millimeter gedehnt.

Vielleicht übertrieb ich auch ein wenig, doch es war spät am Tage und ich wollte mich zu Mama auf die gemütliche Couch gesellen, um dem strömenden Regen von innen zuzusehen, wie er geräuschvoll an die Scheibe donnerte und um dabei festzustellen, dass ich das ja schon irgendwie romantisch fand.
 

Ich hatte ja vollstes Verständnis dafür, dass die für die Kasse befugte Frau ebenfalls ihrer Müdigkeit erlag, aber es ging wirklich zu weit, dass ihr Gerät eine weitaus höhere Summe anzeigte, als ich einkalkuliert hatte.

Nervös befühlte ich nach dem kompletten Leeren meiner Brieftasche meine Hose, aber da sich die Kassiererin von meinem einzigen Fund, einem benutzten Taschentuch, nicht sonderlich beeindruckt zeigte, spielte ich bereits mit dem Gedanken, die schönen, leckeren Kondome und das Gleitgel zurücklassen zu müssen.

Plötzlich aber drang eine Stimme von hinten an mein Ohr, welche gar rettende Worte hervorbrachte in einer Tonlage, die mir nur allzu bekannt vorkam und mir ein Gefühl der Wonne über meinen feuchten Rücken sandte.

"Stimmt so. Drei Euro."

Wahrscheinlich war ich auch einfach nur dem Wahnsinn verfallen, der mir eintrichterte, die Person, die ich hinter mir vermutete, wäre wirklich die, die ich mir an meine Seite wünschte.

Doch selbst als ich mich umdrehte, hatten meine Augen den Wahnsinn noch inne und mein Körper fühlte sich für einen unendlichen Moment lang wie schwerelos an.

Waren das etwa Regenbogen, die dieses geliebte Gesicht umsäumten?

"Aber...wie...", entfleuchte es mir vollkommen von der Rolle, Tyler mit seinem lieblichen Lächeln aber holte mich in die Realität zurück, die daraus bestand, endlich mein Zeug zu bezahlen und mich vom Acker zu machen, ab zu Mama auf das warme, weiche Sofa und dem Regen lauschen, so wie ich es vorhatte.

Aber fiel es in den Bereich meiner Möglichkeiten, Tyler jetzt einfach den Rücken zuzuwenden, wo dieser doch wie auf wundersame Weise hier an diesem Ort erschienen war?
 

"Was...machst du eigentlich hier? Um die Zeit und..."

Meine Aufregung hatte so sehr von meinem ganzen Körper Besitz ergriffen, dass ich es kaum mehr schaffte, die Lebensmittel in den Tüten zu verstauen, ohne dass die Hälfte auf dem Boden landete.

Glücklicher Weise lieh mir Tyler ein helfendes Händchen oder auch zwei, was sich allerdings auch nicht sonderlich positiv auf meine Nervosität auswirkte.

"Darf man als Rockstar nicht mal einkaufen gehen?"

Erst jetzt bemerkte ich Tylers fette Beute, die aus mehreren Schachteln Kondomen bestand und meine Packung daneben ganz ärmlich aussehen ließ.

Die kribbelnden Gefühle verschwanden dadurch ganz schnell und ich fragte mich, wieso ich mich überhaupt über die Anwesenheit Tylers so gefreut hatte, schließlich hatten Kai und ich versucht, mit ihm abzuschließen und eine ganz normale Beziehung zu zweit zu leben.

Warum hätte ich mich ihm also am liebsten um den Hals geworfen und ihn gebeten, für immer bei mir zu bleiben?

Man, Darin, redete ich mir ein; es war offensichtlich, dass der Typ nicht nur Nick vögelte, sondern zusätzlich noch eine ganze Horde von männlichen sowie weiblichen Groupies, wenn er so einen enormen Kondomverbrauch besaß.

Ja, diese Gewissheit stimmte mich traurig.

Aber sie erweckte zugleich einen Kampfgeist in mir, dem ich mich zwar nicht vollkommen hingeben würde, aber ich spürte, dass die letzten Worte zwischen uns noch nicht gewechselt waren.
 

Ich wusste, dass Tyler mich anstarrte, als ich nach meinen Beuteln griff und wie ein bepackter Esel an seiner Seite nach draußen in den Regen schlenderte.

Wie er sich ergötzte am Anblick meines fast durchsichtigen Shirts, so sehr, dass er nicht einmal auf die Idee kam, mir beim Tragen zu helfen, obwohl er eindeutig der Größere und Kräftigere von uns beiden war.

Ja, ich wollte mit ihm reden, doch das Timing erschien mir äußerst ungünstig.

Mama erwartete mich und es würde mir blöd vorkommen, jetzt noch einen für sie fremden Mann mit nach Hause zu bringen.

Ich würde ihr nur wieder Rede und Antwort stehen müssen und das konnte ich mir genauso gut sparen.

Also schön.

Dann die Knüppel-auf-den-Kopf-Methode, wenn er schon so frei war und mich begleitete, wohin auch immer.
 

An einer Straßenlaterne machte ich schließlich abrupt Halt, stellte die Tüten ab und schaute an den mich fragend musternden Tyler hinauf.

Hätte ich besser nicht getan, denn obwohl ich ihn schon längst mit gemischten Gefühlen betrachtete, sahen seine klitschnassen Haare einfach nur heiß aus zu seinen durchgeweichten, schwarzen Klamotten, deren Stoff sich eng an seinen makellosen Körper schmiegte und kaum mehr Raum für Fantasie ließ.

Von dem Wassertropfen, der gerade über seine Lippen perlte und einladend über sein Kinn rann, sprach ich besser gar nicht erst.

Und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er von meiner Erscheinung, die meiner Meinung nach eher einem nassen Hund glich, genauso angetan war wie ich von seiner.

Super.

"Dass du nur ans Ficken denkst, wissen wir ja", warf ich ihm vollkommen von allen Skrupeln befreit an den Kopf, aus heiterem Himmel. "Aber auf die Idee, dass Kai und ich vielleicht noch andere Gefühle für dich haben, kommst du natürlich nicht. Und wenn, dann wäre dir das auch schnurzpiepe, oder?"

Tyler erwiderte gar nichts, zog nur so merkwürdig die Augenbrauen zusammen, sodass ich bemerkte, dass ich ihm wahrscheinlich auf den Schlips getreten war oder dass seine Birne mächtig zu arbeiten begann.

Keine Ahnung, was es war.

Ich wusste auch nicht, wieso ich daraufhin den letzten Rest meiner Hemmungen verlor und mir einfach so, mitten auf der nächtlichen Straße und direkt unter dem Licht der Straßenlaterne das Shirt über den Kopf streifte und auf die Einkaufstüten warf, deren Inhalt man wahrscheinlich sowieso der nächsten Mülltonne übergeben konnte.
 

"Ja, da werden deine Augen groß", provozierte ich mein Gegenüber immer heftiger, welcher sich bei meinem Anblick auf die Unterlippe biss und einen leicht glasigen Blick aufsetzte.

Ohne Frage, ich gefiel mir verdammt gut in dieser Rolle, ich genoss es, dass Tyler eine Erektion aufgrund meines nackten Oberkörpers bekam, noch mehr jedoch ging mir einer ab, als ich die folgenden Worte aussprach.

"Ich bin jetzt fest mit Kai zusammen und weißt du was: Wir sind verliebt ineinander. Und für einen Dritten haben wir da sowieso keinen Platz. Für einen, der nicht weiß, was Liebe ist."

In diesem Augenblick aber kippte die Stimmung.

Tyler musste auf wundersame Weise gespürt haben, dass meine Anschuldigungen aus purem Trotz heraus entstanden waren.

Vielleicht aber konnte man mir den Kloß in meinem Hals und das Drücken unter meinen Augen auch ansehen; ich schwöre jedoch bei allem was ich habe, dass ich nicht angefangen habe zu flennen!

So gut es mir tat, dass ich ihm endlich einmal meine Meinung geigen konnte, so sehr verletzte mich die Tatsache, dass sich auch dadurch nichts ändern würde.

Tyler würde gehen und mich allein lassen und auch wenn er jetzt gerade nach meinen Handgelenken griff und der kalte, nasse und viel zu harte Laternenpfahl ein unangenehmes Gefühl an meiner Wirbelsäule verursachte, als er mich gegen ihn drückte, er machte es damit nicht besser.

Sein Gesicht war meinem jetzt so nah und die Wassertropfen von seinen nassen Haaren konnten mühelos auf über meine nackte Brust gleiten.

Stumm und mit bis zum Hals klopfenden Herzen sah ich ihm in die Augen, bis Tyler endlich zu sprechen begann.

"Ich fühle ganz genau dasselbe für euch wie ihr für mich. Aber ändert es irgendetwas zwischen uns?"

Ich rührte mich nicht, nur meine gespannten Muskeln vibrierten leicht unter seinem festen Griff und mein Blick war sicher noch immer so bestimmt und kampflustig wie zuvor.

"Nein", ergänzte er an meiner Stelle. "So sehr wir uns auch lieben, auch die verdammte Liebe kann nicht alle Grenzen überwinden. Ich bin 360 Tage im Jahr unterwegs, und meinst du, die restlichen sechs Tage würden dir reichen, damit wir unsere Beziehung leben können?"

Ich erinnerte mich an Kais Worte, an den Vergleich der Liebe mit einer jungen Pflanze, die genährt werden musste, damit sie nicht zu Grunde ging.

An meinen Vorsatz, Tyler aus meinem Leben zu verbannen und mich nur noch auf Kais und meine Liebe zu konzentrieren, denn ich wusste, nur diese würde eine Zukunft haben und überleben.

Ich wollte vergessen, wie Tyler sich anfühlte, seine sich in meine Seele eingebrannten Blicke, seinen Duft und den Klang seiner Stimme; das alles wollte ich so lang verdrängen, bis die Gefühle für ihn starben.

Es würde ein Kampf werden.

Und wer garantierte mir, dass ich aus diesem Kampf als Sieger hervorgehen würde?
 

"Okay", presste ich schließlich hervor. "Du hast Recht. Verdammt recht. Wir können nicht zusammen sein. Aber sag mir wenigstens ins Gesicht, dass du mich liebst. Die Gewissheit, in dem Herzen einer geliebten Person angekommen zu sein ist alles was zählt. Sag es mir...bitte."

Ich hatte mich selbst zu einem Submissiven degradiert, bettelte Tyler nun sogar um ein Geständnis an, obwohl es mir egal sein konnte.

Mit Kai hatte ich alles, was ich brauchte.

Wann war ich dermaßen unersättlich geworden?

Was um alles in dieser Welt ließ den Masochisten in mir auferstehen, der auf den ekelhaften Schmerz in seinem Herzen stand?

War es gar meinem eigenen Schwanz zu verübeln, der wieder mein Gehirn in Beschlag nahm, nur weil Tylers ärmelloses Shirt mehr zeigte, als es verdecken sollte?

Egal was es war.

Ich wäre in diesem Augenblick auch an dem Klang der drei berühmten Worte liebend gern zu Grunde gegangen.

Doch Tyler schaffte es, mir diese ein wenig schonender beizubringen, obwohl der Kerl nicht unbedingt dafür bekannt war, seine armen Opfer in Watte zu packen.

Töten wollte er mich damals, physisch.

Hatte er nicht geschafft.

Psychisch übte er eine weitaus größere Macht auf mich aus, die er perfekt zu nutzen wusste.
 

"Ich liebe dich, Babe. Und ich will, dass du weißt, dass du immer mein Boyfriend sein wirst, egal, ob wir uns jemals wiedersehen und egal, wie viele Leute ich noch vögeln werde."

Ungerührt fiel der Regen über mich her und mit damit auch der bildschöne junge Mann, welcher mich fest umklammert hielt, meinen durchgeweichten und mittlerweile vor Kälte zitternden Leib an seinen presste, ganz eng, und mir einen Kuss abrang, dass mein Hirn wahrhaftig nicht mehr wusste, wo es seinen ursprünglichen Sitz hatte.

Doch selbst ich Vollhorst verstand die Symbolik von seiner Zunge, die einem Speer gleich meine Lippen durchstieß und sich direkt ihren Weg zu meinem aufgeregt schlagenden Muskel in meiner nackten Brust bahnte.
 

Wir feierten unseren Abschied.

Wir feierten die Beerdigung meines Herzens.

Und der Regen versuchte verzweifelt, die brennende Leidenschaft zwischen uns zu löschen.
 

*****
 

"Na endlich!"

Meine Ma stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als ich den Schlüssel im Schloss umdrehte und den ganzen aufgeweichten Schlamm, der an meinen Schuhen kleben geblieben war im Flur breittrat.

Benommen richtete ich meinen Blick auf sie, während ihre Augen die Größe von Suppenschüsseln annahmen.

"Junge, was ist denn mit dir passiert?"

Genau das fragte ich mich selbst.

Meine Lippen fühlten sich wund an, meine Birne benebelt und meine Augen glichen sicher denen eines Drogensüchtigen.

Sascha hatte mir seine Augen in den Kopf gepflanzt.

Eisi hatte mir seinen Eisregen auf den Hals gehetzt.

Und Yoshis mysteriöses Eischiteru, von dem ich längst wusste, was es bedeutete, war in deutscher Sprache erklungen.

Aber es brachte nichts, wenn ich Ma darüber unterrichtete.

Deswegen schlüpfte ich so gut ich konnte aus meinen Chucks, die Hochwasserstufe drei ausgerufen hatten, stellte die durchweichten Beutel mit dem noch durchweichteren Essen in der Küche ab und fischte mir meine Sexutensilien heraus, die sich noch in einem tadellosen Zustand befanden unter all den Lebensmitteln.

Mit diesem Zeug verflüchtigte ich mich rasch in mein eigenes Reich, ohne Ma noch weitere Hinweise auf meine unerwartete Begegnung zu geben, riss mir die Kleider schließlich vom Leib, als ich die Tür hinter mir zugeschlagen hatte und schraubte hastig die Tube mit dem zähflüssigen Inhalt auf.

So wie ich meinen Hintern auf die Befahrbarkeit vorbereitete, fanden meine Blicke ihren Weg zu dem an der Wand hängenden Poster.

Gierig raunzte ich das Abbild des jungen Mannes an, grinste mit glühenden Wangen vor mich hin und tröstete mich mit einer Sache aus meiner gottverdammten Traurigkeit:

Wenn Kai und ich es hier auf meinem Bett miteinander trieben, würde uns der Papier-Tyler dabei zuschauen.

Und wenn der echte Tyler mal einen freien Augenblick für seine beiden Lieblinge fand, konnte er sich per Webcam live zuschalten, während wir ihm eine leckere Show boten.

Es würde natürlich nie dasselbe sein, wie wenn er persönlich anwesend wäre, aber man musste aus jeder Situation das Beste machen, das hatte ich gelernt.
 

Und so leistete ich meinen guten Vorsatz Folge und erlebte meinen einsamen Orgasmus unter tränennassen Wangen und überlaufenden Unterlidern, die nur noch mehr Flüssigkeit produzierten, als ich von meiner Höhe zurück in diese Welt katapultiert wurde.
 

So ging Liebe auf Italienisch nun einmal.

Doch es war ein verdammt bekackter Weg, von hinten gefickt zu werden.
 

Hatte ich den Kampf gewonnen oder verloren?

Ich wusste es nicht.

Denn was nutzten mir zwei fremde Herzhälften, wenn sie zerbarsten ohne die dritte?



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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von:  Miu13
2012-08-04T15:00:41+00:00 04.08.2012 17:00
Ich finde die geschichte sehr gut^-^
Mich interessiert es ob du dir das ausgedacht hast oder ob du die Geschichte selber erlebt hast <3 xD
Von:  Suesabelle
2012-07-29T12:19:28+00:00 29.07.2012 14:19
Ich muss sagen dein stil ist der wahnsinn<3<3<3 und die sporadischen einsätze des humors treiben es auf die spitze!:D ich nerve meine familie so dermaßen wenn ich lauthals lache! Wow ich muss sagen du bist ein meister und es ist eine sauerei, dass jmd mit deinem talent so wenige kommentare hat!-.-" tze tze tze
Mach BITTE weiter so!:D mein bauch tut immer noch vom lachen weh wenn ich an den ängstlich furzenden kai im zelt denken muss:'D

Deine Suesabelle-<3
Von:  FrauGeneral
2012-07-28T14:41:33+00:00 28.07.2012 16:41
Ein kleines Verwirrspiel? Es ist dir gelungen, sage ich dir. Wie auch immer Kapitel 10 *Hoffnung stirbt nicht* weiter gehen möge ich werde es lesen.
LG FG
Von:  FrauGeneral
2012-07-24T20:37:52+00:00 24.07.2012 22:37
Ich habe keine wirkliche Ahnung was ich dazu schreiben soll ausser das es HUNGER macht..... :) Ich lasse mich auf die weiteren Teile ein und hoffe auf ein schnulziges Happy Ente ;)
Von:  kmolcki
2012-07-22T16:54:15+00:00 22.07.2012 18:54
Wui das ist aber ein sehr gutes Kapitel geworden mit sehr interessanten Entwicklungen; da wird Lilly einfach gegen son blöden Nick eingetauscht. Das geht ja mal gar nicht!
Da sind wir nun aber gespannt, wie er in auf dem nächstem Gig zusammen mit Kai "rum kriegen" will......weiter so klasse!
LG Kmolcki
Von:  FrauGeneral
2012-07-19T16:14:28+00:00 19.07.2012 18:14
Hi,
ich möchte ganz ehrlich sein: Warum hörst du wieder an einem Spannenden Punkt einfach auf???? *schmacht*
Ich lasse mich auf jedenfall von den nächsten Kapiteln (ja mehrzahl)überraschen und doch habe ich eine Bitte: Lass deine Leser/innen nicht zu lange warten..... *weiterschmacht*

*nicht böse sein* LG FG
Von:  Mindhacker
2012-07-12T16:37:53+00:00 12.07.2012 18:37
Alleine für das Eisregenzitat in der Charakterbeschreibung (Schwarzer Gigolo) verdienst du ja schon einen Kommentar. Nun, ich hoffe er will nicht nackt in ihrem Blut tanzen... wobei das sicherlich eine interessante Wendung wäre.
Ich finde das erste Kapitel interessant und vielversprechend, ich werde wohl auch gerne weiterlesen, wenn ich mehr Zeit dazu finde. Es gibt recht selten ernsthafte Versuche über das Genre Metalhead/Goth die nicht sofort in irgendwelche sagenumwitterten Abgründe dämlicher Klischees driften, beziehungsweise dem satanistischen Grab entsteigen, nur um gleich wieder in ihre brackig müffelne Gruft zu entschwinden.
In diesem Sinne - ich hoffe du updatest die Geschichte bis zum Ende, ich bin gespannt.

-Ise
Von:  FrauGeneral
2012-07-05T09:00:30+00:00 05.07.2012 11:00
Da ich mir deine Geschichte im wahrsten Sinne Bildlich vorstellen kann, danke ich dir für die ersten zwei Kapitel.... Ich hoffe auf eine weiter Führung.... :)
FrauGeneral
Von:  Hisashi7
2012-06-29T10:28:37+00:00 29.06.2012 12:28
Ich bin wahrlich angetan von deiner Geschichte, die hin und wieder mit kleinen Witzen verziert ist um mir ein ungeniertes Lachen zu entlocken. Dein ungewöhnlicher und anspruchsvoller Schreibstil versüßt mir das Lesen nur noch mehr. :)

In freudiger Erwartung auf die nächsten Kapitel.
Joel


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