Engelstanz der Dunkelheit von abgemeldet ("If people had wings...they'd be monsters") ================================================================================ Kapitel 5: Die Geburt des Giftes -------------------------------- Engelstanz der Dunkelheit _________________________ Die Geburt des Giftes Es war ein windiger Morgen, als Cay im Studierzimmer saß und dem theoretischen Unterricht in mechanische Künste zu folgen versuchte. Anders als bei seinen Mitschülern, herrschte auf seinem Tisch ein ansehnliches Chaos, das sich bereits auf den leeren Platz neben ihm erstreckte – Ren schien heute zu fehlen. Jedes Mal, wenn er aus einem der riesigen Fenster blickte, bereute er tausend Mal mehr, dass er bei der Prüfung betrogen und nur seinen Vorteil gesehen hatte. Das hatte er nun davon. Der Sturm fuhr mit festem Griff über die dünnfingrigen Äste der Moor-Birke, wog sie vor und zurück und ließ sie in rhythmischen Abständen gegen die Fensterscheibe schlagen – Wie gerne wäre er jetzt dort draußen. Er würde mit seinem Partner durch die kalte Morgenluft ziehen, sich an einen Ort, der tief in der Unterwelt lag, vorkämpfen und die Seelen der Verstorbenen jagen. Sowie es eigentlich auch seine Aufgabe war… Und was tat er?! Er schlug sich mit unsinnigen Formeln und Aufrufsbeschwörungen herum, deren Bedeutung er eigentlich schon im Sommer gelernt hatte. Er verdrehte kurz die Augen, dann seufzte er. Er fuhr gedankenverloren, fast schon liebevoll, über den alten Einband seines Beschwörungsbuches, »Eine Formel, mit der man in einer Schlacht zehntausend Feinde töten kann, wenn es das Medium wünscht…« „Cay, würden Sie bitte aufpassen!“, fauchte der Dozent, „Wenn sie die Inhalte meines Unterrichts nicht mehr zu lernen bräuchten, wären Sie mit Sicherheit nicht durch die Prüfung gefallen und würden nun hier sitzen.“ Ein gehässiges Gelächter erscholl hinter ihm. Wie von einer bitteren Vorahnung gesteuert, hörte er plötzlich ein wirres Murmeln hinter sich und unter all den Stimmen, die durcheinander sprachen, konnte er deutlich die Seinige wahrnehmen – Die seines ewigen Widersachers: Toxica, Dämon des Hasses und der Missgunst. »Was macht denn dieser Bastard hier?!«, er ballte seine Hände, zitterte förmlich vor Anspannung, sein Herz drohte innerlich vor Zorn zu zerspringen. „Entschuldigen Sie die Störung, Professor“, sagte Toxica ruhig, durchquerte den schmalen Gang zwischen den Tischreihen und lief zielstrebig auf Cay zu, „Aber ich wurde von Myras auf eine Mission geschickt und dieser Trottel hier ist mein Partner!“ Widerstrebend nickte der Professor. „Wie hast du mich genannt?!“, kreischte Cay und knallte seine Hände mit voller Wucht auf die Tischplatte. „Schön, du hörst ja sogar schon drauf!“, lachte Toxica und machte eine wegwerfende Handbewegung, die dem Rothaarigen zu verstehen geben sollte, dass das Gespräch nun zwar beendet war, er ihm aber trotzdem folgen sollte, „Wenn du unter meiner Führung arbeiten willst, solltest du dein Temperament im Zaum halten – Sonst zerquetsche ich dich wie eine widerliche Kakerlake!“ Er folgte Toxica durch die Korridore. Plötzlich erschien ihm der Architektur des Gebäudes – obwohl sie nicht schwierig gewesen war – wie ein Labyrinth zu sein. Sie kamen an eine Kreuzung von vier Fluren, dann blieb Toxica abrupt stehen und fuhr zu Cay herum. „Weißt du, wo sie den Engel unterbracht haben?!“, fragte er langsam, sein Gesicht zeigte jedoch keine erkennbare Regung, als er sprach. „Wenn ich mich recht erinnere, hat Ren mal erwähnt, dass Snow sie zu Myras ins Kellergewölbe gebracht hat... Ich denke, dass sie noch irgendwo dort unten ist, wenn Myras sie nicht schon längst umgebracht hat!“, antwortete Cay, „Warum willst du das wissen?!“ „Das wirst du gleich sehen, folge mir!“, raunte Toxica und eilte die steile Treppe am Ende des Flurs hinunter. Er riss eine Tür auf, die nicht weit von Myras Büro lag, sie erwies sich jedoch als Sackgasse. Dann hastete er weiter, versicherte sich, ob das Mädchen in einem der anderen Räume war und kehrte genervt um. „Hier ist sie nicht, das war eine Finte!“, sagte er schließlich. „Und was ist mit dem Büro?!“, flüsterte Cay aus der Angst, dass sie womöglich jemand gehört oder aber ihr irrsinniges Unterfangen beobachtet haben könnte. Toxica änderte seinen Plan. Er trat langsam an Myras Büro, ging in die Hocke und lauschte für einen schrecklichen, zeitlosen Augenblick an seiner Tür – Nichts. Im Inneren herrschte absolute Stille, nichts rührte sich. Seltsame Gedanken rasten durch Cays Kopf, wurden zu einer Art unheimlichem Videofilm, der im Schnellvorlauf gespielt wurde, dutzend Gedanken innerhalb von Sekunden, alle ungewollt und manche überraschten ihn. Er dachte an sein Leben im dritten Himmel, an die vielen Situationen, in denen er um sein Überleben gekämpft hatte und daran, dass er nicht sterben wollte – das verwunderte ihn nicht. Natürlich war es seiner Verbissenheit im Anbetracht seelischer Verzweiflung zuzurechnen, dass er sich bis jetzt aus jeder misslichen Lage hatte retten können, aber machte dies seinen Überlebenswunsch aus?! Welche Gründe hatte er zum Weiterleben eigentlich?! Obwohl er ziemlich lange überlegte, fielen ihm nur drei Gründe ein: wirklich gutes Essen, die Zusammenarbeit mit Mochi und die Angst vor dem Sterben. Ein Klicken, dann war die Tür offen. Das Mädchen war an einen riesigen Apparat angeschlossen, dessen Bildschirm grünlich aufflackerte – Worte, Zahlen, Diagramme kamen und gingen mit solch einer Geschwindigkeit, dass es ihm unmöglich war, eine Bedeutung dahinter zu sehen. „Sie scannen die Daten des Engels!“, sagte Toxica scharf und lief auf das schlafende Mädchen zu, das von einem guten dutzend unterschiedlichster Kabel und Verstrebungen gefesselt worden war. Ein endloser Datenstrom floss über den Bildschirm. Das Licht und die ständig wechselnden Daten tanzten über die Wände und jagten unnachgiebig Schattengestalten durch das Zimmer. Nach endlosen Minuten des Schweigens sagte Toxica schließlich: „Wir müssen sie hier wegbringen. Myras wird sicher nicht lange fort sein.“ „Aber... Du kannst doch nicht!“, japste Cay atemlos. „Wer hat denn davon gelabert, dass man ein Ziel haben soll, damit das Leben einen Sinn macht – Und warum kann es nicht mein Ziel sein, diesen Engel zu retten?!“, antwortete Toxica und grinste fies. Jedes seiner Worte war erlogen und Cay begriff diesen Umstand sofort – Es bedurfte keine weiteren überflüssigen Fragen, die ihnen lediglich die Zeit rauben würde. „Dann wollen wir mal“, murmelte er und trat neben seinen Partner, „Toxica, der Engelretter, das wird in die Geschichte eingehen!“ Das Mädchen sah so schwach und verletzlich aus, das er für einen kurzen Augenblick glaubte, würden sie die Verbindung der Kabel nun brechen, so käme dies einem Mord gleich. Sie konnte selbstverständlich getötet werden, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach Beendigung der Analyse durch Myars' Hand sterben würde, lag um einiges höher. Er zog seine Dolche hervor. „Wir haben keine Zeit zu verlieren, geh zur Seite!“, mit einer hastigen Bewegung hatte Toxica eine Ampulle, die mit einer grünlich schimmernden Flüssigkeit gefüllt war, von seinem Gürtel gelöst und träufelte nun dessen Inhalt sorgfältig bedacht auf die dünnen Leitungen, die sich einen Lichtblitz später mit einem gurgelnden Geräusch auflösten. Der Engel öffnet seine Augen, er war zum Leben erweckt worden, hatte die Fesseln mit einer präzisen, endgültigen Bewegung gesprengt und stand nun langsam auf. In ihren Augen las er keine Dankbarkeit, keine Gefühlsregung, die auch nur im Ansatz positiv war – Das Mädchen strömte eine grauenerregende Boshaftigkeit aus, die mit jedem Schritt, den sie voran tat, noch anzuschwellen schien. Der Schrecken wurde übermenschlich. Die Wirklichkeit war eingerissen und durch diesen Riss drang eine Alptraumwelt von unendlicher Abscheulichkeit, die nun in ihre Welt gerückt war – und die Cay – plötzlich liebte. Sie wollte sie töten. Ihr Gewebe begann zu pulsieren, sie veränderte ihre Form, verlor ihre Flügel, weiße Federn trieben durch die Luft und lösten sich schlagartig auf. „Wir haben dich befreit! Ist das deine Art dich erkenntlich zu zeigen?!“, keifte Toxica und zog eine zweite Ampulle hervor, „Aber ich kann dich auch direkt in die Hölle schicken – Das entscheidest du!“ »Verschwinde.« Eine Stimme sprach in ihm und riet ihm zu fliehen, es war seine eigene Stimme, wenn auch nicht die des erwachsenen Cays. Es war die des Kindes, das er einst gewesen war und in das ihn die Angst verwandelte. Ja, extremes Entsetzen war eine weitaus effektivere Zeitmaschine, als Nostalgie – verstand er und wirbelte plötzlich herum. »Verschwinde, lauf weg, lauf weg, verschwinde« Cay trotzte dem Drang zu fliehen. „Sie ist blind vor Zorn!“, brüllte Cay, „Ihre Gedanken sind von dem Ding benebelt, weiß Gott, was Myras mit ihr gemacht hat!“ Er zögerte. Immerhin war sie ein Mensch – Wenigstens bis zu einem gewissen Grad. Wer konnte sagen, was sie in ihrem Inneren fühlte?! Wer konnte sagen, ob sie sich nicht im Grunde fürchtete und nur aus Angst und Verunsicherung so reagierte?! Er suchte verzweifelt nach Antworten. Ein schriller Schrei drang aus ihrer Kehle, eben jener Schmerzenslaut, den er in der Prüfungshalle vernommen hatte – dann erstarrte sie. Ihr Gesicht wirkte im Schein des Monitors golden. Konnte es möglich sein, dass die Wirkung der Narkose nachließ und sie langsam wieder zur Besinnung kam?! Wie um diese Vermutung zu bestätigen, tat das Mädchen eine letzte, verzweifelte Handbewegung, mobilisierte ihre verliebende Kraft und entlud sie einen Sekundenbruchteil später auf den Computer. Der Bildschirm des Rechners wölbte sich nach außen, wurde zu einer geleeartigen Maße, die allmählich ihre Form verlor – Dann passierte es: Das Glas zersprang berstend, brach klirrend auf dem Boden nieder und entlud seine unheimliche Macht. Sie war gefangen gewesen, irgendwo in der Maschine. „B...Bist du okay?!“, fragte Cay unsicher, sein Körper war bis zum Zerreißen angespannt, er war hin und hergerissen, ob sie wirklich bei klarem Verstand war und er nun seine Deckung sinken lassen, oder sich auf einen möglichen Angriff vorbereiten sollte. Sie sah ihn direkt an, als sie sprach: „Es tut mir leid... Ich wusste nicht, was ich tat... Verzeiht mir...“ Sie hielt sich den Kopf, schwankte einige Schritte zur Seite und beinahe wäre sie auch gestürzt, hätte Cay nicht schnell genug reagiert und ihren Aufprall abgefangen. „Wir müssen von hier verschwinden. Sofort“, kam es von Toxica, der die Tür vorsichtig öffnete und argwöhnisch zu beiden Seiten des Korridors hinaus spähte. Der Flur war verlassen – Kein gutes Zeichen. Cay lief zur Wand, riss den Stecker aus der Buchse und ließ ihn auf den Boden fallen. Sollten die Maschinen ihr infames Werk vollenden wollen, so hatte er ihnen nun die letzte Möglichkeit dazu geraubt. So war jedenfalls sein Plan. Ein schrecklicher, mechanischer Schmerzensschrei ertönte aus dem Inneren der Maschine, sie versuchte den Absturz zu verhindern, ein Notfallprogramm zu starten, das den Computer zum Reset zwang, aber es war zu spät. Cay hatte eine Axt heraufbeschworen, war auf die Höllenmaschine zu gesprintet und hatte auf den Computer eingeschlagen – erst einmal, zweimal, doch als der Rechner sich noch immer zu wehren versuchte – mit einer unnachgiebigen Härte, bis der Monitor schwarz wurde und kein Signal mehr zeigte. Er hörte ein surrendes Geräusch, als würden sich winzige Fräsen in einer Geschwindigkeit von tausend Umdrehungen pro Minuten drehen – Dann war es vorbei. Die Maschine hatte den Kampf verloren. „Schnell, schnell“, zischte Toxica gepresst und winkte Cay und das Mädchen zu sich herbei, „Macht, dass ihr aus dem Büro verschwindet. Lauft zum Haupttor, ich habe noch etwas zu erledigen – Wir treffen uns draußen!“ Stumm nickte Cay, er wusste nicht was Toxica zu diesem plötzlichen Sinneswandel getrieben hatte, aber ihm blieb auch nicht die Zeit um sein Verhalten zu hinterfragen. Als er den halben Weg auf den Korridoren zurückgelegt hatte, in der rechten Hand seine Waffe, in der linken die Hand des Mädchens, hörte er von draußen eine Sirene, das Geräusch kam näher und näher. Sie waren nicht in Lebensgefahr, jedenfalls nicht unmittelbar, aber sie hatten keine Zeit zu verlieren. Die Dämonen des dritten Himmels waren in Aufruhr. Mryas musste die Flucht des Engels bemerkt und die gesamte Unterwelt alarmiert haben – Die Hetzjagd hatte begonnen! „Hier entlang!“, keuchte Cay, schlug eine Tür am anderen Ende des Flurs auf und hastete die Treppe empor, „Wir müssen Mochi holen! Er ist mein Diener. Bleib einfach hinter mir, dann kann dir nichts passieren, ich bin ein mächtiger Erzdämon!“ Er verstand sich selbst nicht, konnte nicht erklären, warum er diese Worte gesagt hatte, sie waren einfach aus ihm herausgeplatzt, ohne das er seine Gedanken hätte steuern können. Als er den Treppenabsatz erklommen und seine Zimmertür aufgesperrt hatte, bemerkte er einen unheimlichen Schatten direkt neben sich. Er fuhr herum – spürte etwas Spitzes an seiner Kehle, das sich schmerzhaft unter seine Haut grub. Er konnte sich nicht rühren, zwang sich aber dazu seinem Angreifer direkt in die Augen blicken zu können. Er erschrak. Das Mädchen hielt eine Waffe auf ihn, ihr Blick hatte sich verfinstert, ihre Augen funkelten schwarz vor Zorn, dann einen schrecklichen, endlosen Augenblick später, ließ sie von ihm ab. „Immer mit der Ruhe, Engel!“, kam es atemlos von Cay, „Lass den Scheiß, ja?!“ „Tu nicht so, als ob ich ein hilfloses Mädchen wäre, das auf die Hilfe eines ach so großen und mächtigen Dämons angewiesen sei!“, fauchte sie und ließ die Armbrust sinken, „Ich heiße Dafne und nenne mich nie wieder »Engel«!“ Er verdrehte die Augen, sagte aber nichts. Ein hohles, irgendwie pochendes Geräusch umgab sie und zuerst hatte Cay geglaubt, dass es der Schmerz hinter seiner Stirn war, der gegen seine Schläfen klopfte, doch dann wurde ihm klar, dass der Lärm von draußen kam. Sie mussten ihre Suche bereits auf die oberen Etagen ausgeweitet haben – Sie hatten vielleicht noch fünf Minuten, wenn überhaupt. „Mochi, wo bist du?!“, er lief durch sein Zimmer, sein Herz schlug hart gegen seine Brust, seine Augen waren vor Panik geweitet, „Verdammt Mochi, das ist kein Spiel mehr, komm raus!“ „Dein Diener gehorcht dir wohl nicht?!“, sagte Dafne amüsiert, „Was für ein toller Erzdämon du doch bist!“ „Halt deine Klappe!“, zischte Cay bösartig. Er sprang zur Seite, verschaffte sich so genügend Platz, um einen Bannkreis ziehen zu können, murmelte eine grässliche Formel und ließ einen tiefblauen Ring aus dem Boden hochschnellen, in dessen Mitte Mochi schwebte. Der Kürbis taumelte schwankend vor und zurück und Cay begriff sofort, dass er unter der Magie der Beschwörungsformel stand und keine Möglichkeit hatte diesen Fluch zu brechen. Sein freier Wille war ausgeschaltet. „Ist diese Art von Zauber nicht verboten – Jedenfalls bei Freunden?!“, sie verzog angewidert das Gesicht und trat neben Cay, „Du kennst echt keine Skrupel. Aber dafür machst du es mir verdammt leicht euch Dämonen zu hassen. Du bist abscheulich!“ „Danke für das Kompliment!“, er grinste, es war ein breites, ehrliches Lächeln. „Du freust dich auch noch über deine widerlichen Taten!“, sie schien kurz davor zu stehen zu explodieren – Er konnte es förmlich in ihrem wutverzehrten Gesicht lesen. Wumm-Bumm-Wumm-Bumm. Die Schritte kamen näher. Cay stand noch für eine Weile ungerührt an derselben Stelle und wartete ab, ob die Schritte die Richtung wechseln, oder aber ein weiteres Stockwerk erklimmen würden, dann hastete er schlagartig auf Mochi zu, löste den Bannkreis und gab seinen Diener frei. „Mochi, kannst du uns hier herausbringen?!“, fragte Cay und öffnete das Fenster mit einer schwungvollen Bewegung. „Sicher doch!“, keckerte Mochi, flog aus der Öffnung und plusterte sich auf. Er schwoll in einer wahnwitzigen Geschwindigkeit an, wuchs auf das vier- bis fünffache seiner eigentlichen Größe und ließ sich vor die Fensterbank sinken, „Einmal bitte aufsteigen!“ Es hätte ihn nicht überrascht, wenn jemand versucht hätte, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen, aber der Korridor vor seiner Tür blieb still, vielleicht war es auch nur ein Zufall gewesen, der sie in seine Richtung getrieben hatte. Sie hatten nicht speziell nach ihm gesucht, sondern nach dem Engel. Langsam kletterte er auf den Fenstersims, schwang sich mit einer zügigen Bewegung auf den Kürbisgeist und reichte Dafne die Hand. „Ich brauche keine Hilfe von einem Dämon!“, sagte sie schroff und kletterte ebenfalls aus dem Fenster. „Widersprichst du nicht dir selbst, wenn du dir bei deiner Flucht von Dämonen helfen lässt! Denn ohne Mochi würdest du immer noch in meinem Zimmer festsitzen!“ „Engel haben Flügel, hast du das vergessen?!“, fauchte sie. „Und du wärst mit Sicherheit abgestürzt“, lachte Cay böse, „Dann hättest du nur noch für eine schäbige Suppe getaugt, du Suppenhuhn!“ Kalter Regen schlug in sein Gesicht, er senkte seinen Kopf, beugte seinen Oberkörper nach vorne und versuchte Mochi Anweisungen zu geben, in welche Richtung er fliegen sollte. „Wir müssen zum Hauttor, Toxica wartet dort auf uns!“, sagte er schließlich und deutete auf das schwarze Tor am Ende des Hofes. Sie flogen steil in die Luft, sausten über die Giebel des Daches hinweg und preschten dann schlagartig in die Tiefe. „Mochi, spinnst du! Wir werden ungebremst auf dem Boden aufschlagen“, kreischte Cay, er schlug mit seiner flachen Hand auf den Rücken des Kürbisses, aber dieser reagierte nicht mehr. Dann geschah es. Der Boden hatte sich aufgetan, die Schule, wie er sie kannte, stürzte mit einem ohrenbetäubenden Geräusch in die Tiefe, dann öffnete sich ihr höllischer Schlund und gab das Grauen frei, das viele Jahre in der finstersten Dunkelheit geduldig gewartet hatte. Ein finsteres, wabbelndes Ding, wie ein riesiger, schwarzer Klumpen aus menschlichen Leichenteilen, stieg zuckend aus der Kluft und wuchs auf eine übermächtige Größe heran – Größer als die Schule, größer als ein Wolkenkratzer – Es nahm infernalische Maße an. Zuerst hatte er geglaubt, dass dies kein Lebewesen, sondern ein Meer aus Kadavern sei, dann verstand er die grauenhafte Wahrheit: diese abscheulich, zitternde Masse verfügte über einen todbringenden Geist, war eine eigenständige Lebensform, die aus ihrem Grab empor gestiegen und dazu bereit war jeden zu töten, der sich ihr in den Weg stellen sollte. Sie war gierig. Lauernd. Und mit einem jahrhundertealten, ungestillten Blutdurst. Die Dunkelheit breitete sich aus, wolkig und schnell, als ob jemand ein Tintenfass über den dritten Himmel ausgekippt hätte. „MOCHI, MOCHI, MOCHI! KOMM ZUR BESINNUNG!“, kreischte Cay, dann nahm er aus den Augenwinkeln eine schwarze, pulsierende Bewegung wahr, die auf den Kürbisgeist zu schnellte, ihn fesselte und seine Flugbahn abänderte. Für einen Sekundenbruchteil keimte ein unheimliches Gefühl in seiner Brust auf, er klammerte sich an die verzweifelte Hoffnung, dass Toxica mit der Absicht eingegriffen hatte, um ihr Leben zu retten, doch als der Dämon das Band mit einer gewaltigen, ruckhaften Bewegung erneut spannte und gen Boden donnerte, realisierte er, dass sein Partner die Seite gewechselt hatte – Oder aber nie auf der gleichen, wie er, gestanden hatte. „Toxica....!“, japste Cay – seine Gedanken waren betäubt, fühlten sich wie die eines Fremden an. Wie hatte er den Worten des Dämons nur glauben und sich so von ihnen beeinflussen lassen können – Es war alles eine Farce gewesen, penibel inszeniert und bis in jede Kleinigkeit einstudiert. Toxica hatte ihn in eine Falle gelockt. „DER VERRÄTER, DER DAS ENGELMÄDCHEN FREIGELASSEN HAT, IST HIER – ICH HABE IHN ERWISCHT, ALS ER FLÜCHTEN WOLLTE“, kreischte Toxica, “ICH BRAUCHE VERSTÄRKUNG!“ Das Ritual war noch nicht vorbei, er konnte es in den glühenden Augen der Bestie lesen, die ihre Klauen gierig über den Boden kratzen ließ, sie jedoch verfehlte – Ihr Meister hatte noch keinen Befehl zum Angriff gegeben. Sie hörte nur auf seine Worte. „Was soll der Scheiß! Willst du uns alle umbringen!?“, brüllte Cay, er war in den Himmel gestürzt, hatte seine Gestalt verändert, schwarze Schwingen ragten über seinen Rücken und in seinem Arm lag der fast besinnungslose Kürbisgeist Mochi. „ICH HATTE VORAUSGESEHEN, DASS DU DUMM GENUG SEIN WÜRDEST, UM DEINEN FEHLER ZU WIEDERHOLEN“, schrie Toxica, „ABER ICH HÄTTE NICHT DAMIT GERECHNET, DASS DU SO EINFÄLTIG WÄRST, UND ES MIR SO LEICHT MACHEN WÜRDEST! ICH HABE DICH ÜBERSCHÄTZT!“ Toxica war ein Meister der Folter, aber kein Schlächter – So konnte er wenigstens etwas an Zeit gewinnen. „Was willst du damit sagen?!“, fragte Cay und gab Dafne mit einem leichten, kaum zu erkennendem Nicken zu verstehen, dass sie sich verstecken und für einen bevorstehenden Kampf rüsten sollte. „DU SOLLST ES WISSEN!“, antwortete Toxica, „DU SOLLST ALLES WISSEN. BALD. ICH WERDE DICH TÖTEN, ABER VORHER SOLLST DU ALLES ERFAHREN. UND JETZT BÜSSE FÜR DEINE VERGEHEN!“ Sofort zog Cay seine Dolche, wirbelte herum und erkannte, dass das Ding, das unter Toxicas Kontrolle stand, sich für einen Angriff bereit machte. Seine verstümmelten Hände hoben sich, schlugen mit einer Kraft zu, die den Boden mit einem Faustschlag zerspringen ließ – dann torkelte es ein, zwei Schritte voran und schrie. Es war ein unerträglicher, leidvoller Laut, der die Kulisse für einen Moment erschütterte und die Wirklichkeit einriss, dann griff es erneut an. Alles passierte in einer absurden Geschwindigkeit. Das Ding ließ seine Klauen durch die Luft jagen und erwischte Cay mit voller Wucht frontal. Er verlor die Kontrolle, fiel nieder und schlug ungebremst auf den steinernen Ruinen seiner Schule auf. Der Schmerz war entsetzlich, explodierte in seinem Körper und zerriss jede, sich nach Erlösung sehnende, Faser seines Körpers. „HAST DU WIRKLICH NICHT MEHR ZU BIETEN?! ICH HABE MICH SEIT UNSEREM ERSTEN AUFEINANDERTREFFEN AUF DIESEN KRAMPF GEFREUT... UND JETZT WILLST DU SO EINFACH STERBEN?!“, kreischte Toxica geisteskrank, „DANN STIRB – JA, STIRB UND FINDE DICH IM TOD WIEDER UND GRÜSS DORT DEINEN ENGEL VON MIR, WENN DU IHN IN DER HÖLLE TRIFFST!“ „Woher...“, sagte Cay mit zitternder Stimme, sein Arm fühlte sich taub an, wahrscheinlich war er bei dem Aufprall gebrochen worden und doch zwang er sich dazu erneut aufzustehen. Die Kreatur tat eine plötzliche, unerwartete Bewegung, taumelte auf den Dämon zu, doch statt ihn anzugreifen, fiel es auf die Knie, hielt sich den Kopf und dann platzte sein Schädel auseinander. Toxica hatte seinen Plan geändert – Er wollte, dass sie das volle Ausmaß menschenmöglicher Qualen erlebten. Etwas Finsterstes, Feuchtes quoll aus dem Maul der Bestie, sickerte allmählich auch aus seinen Augenhöhlen und bewegte sich auf den rothaarigen Dämon zu. Kleine, schwarze Kugeln – Wie käferartige Körper ohne Beine, die zu einer wogenden Gewalt wurden, über den Boden robbten und sich langsam, aber zielstrebig an seinem Bein hinauf schlängelten. Das Grauen hatte ihn gefesselt, hatte ihn in den Bann geschlagen und seine Gedanken völlig durcheinandergebracht – Zu spät begriff er, dass er in Lebensgefahr war. Die schwarzen Murmeln fraßen sich unter seine Haut, wabbelten unter seinem Gewebe auf und ab, durchbohrten schließlich seine Knochen und ließen ihn einen Lichtblitz später schmerzerfüllt aufschreien. Grell leuchtende Sperrspitzen fielen aus dem Niemandsland hinter der Wolkendecke, stürzten auf Toxica und die leblose Maße nieder, die er zum Kampf heraufbeschworen hatte und durchschlugen den festen, schwarzen Schleier, der ihrem Feind lediglich als Versteck gedient hatte. Die Illusion brach wie ein Kartenhaus in sich zusammen, die Kulisse wandelte sich und gab einen Blick auf die Wirklichkeit frei – Eine zweite Realität, die nichts mit der Ersten gemein hatte, aber um ein Vielfaches schlimmer war. Er sah nach oben – Jedenfalls glaubt er dies zu tun. Der Himmel war verschwunden, Blitze zuckten auf und gaben kurz den Blick auf die undurchdringbare Masse aus schwarzen Gewitterwolken frei, dann grollte der Donner über den Erdboden. Himmel und Erde hatten ihre Plätze getauscht – Sie befanden sich im Auge des Sturms, waren zu einem Teil des Unwetters geworden und konnten von der Wolkendecke aus auf die Schule hinunterblicken. Sie war unbeschadet. Aus dem Augenwinkel konnte er Ren erkennen, er hatte den Bannkreis Toxicas durchbrochen und hastete nun auf Cay zu. „Wie konntest du nur so töricht sein und auf Toxica hereinfallen, ich hätte dich eigentlich nicht für so naiv gehalten!“, sagte Ren, seine Stimme klang müde und doch konnte er den Vorwurf und den Tadel klar aus ihr heraushören – Aber da war noch etwas anderes. Etwas, das er schwer einordnen konnte. Hatte sich Ren womöglich um ihn gesorgt?! Auch wenn Cay seine eigenen Entscheidungen traf und sich von niemandem von seinem Vorhaben abbringen ließ, so waren sie immer noch Freunde, jedenfalls hatte Ren das immer behauptet. „Jeder macht mal Fehler!“, zischte Cay und zuckte mit den Schultern, „Kannst du mir aufhelfen, diese schwarzen Viecher haben mir ziemlich zu schaffen gemacht! Ich glaub mein rechtes Bein ist vollkommen im Arsch!“ Ren verdrehte die Augen, stöhnte genervt auf und hievte aber – mehr gegen seinen eigenen Willen – Cay in die Höhe. Er konnte sich nur schwer auf den Beinen halten, stütze sich auf seinen Partner und fixierte Toxica, der aus dem Schatten getreten war und breit grinste. „Worüber freust du dich so, du Bastard!“, keifte Cay. „Wenn du die jämmerliche Figur sehen könntest, die du gerade abgibst, würdest du auch lachen!“, sagte Toxica und lachte dann schrill auf. Der Regen hatte zwar aufgehört, aber die Luft war feucht und in dieser feuchten Atmosphäre erklang ein jäher, unirdischer Schrei – Er schwoll an, wurde wieder leiser und schwoll dann wieder an. Er wurde durch die Wolken getragen, hatte zwar keine Chance die Welt darunter zu erreichen, dennoch war der Laut klar – Er klang wie ein höllisches Trompetenspiel, das irgendwo weit in der Ferne gespielt wurde. „DAFNE!“, schrie Cay plötzlich, als er begriff, dass der Schrei von dem Mädchen stammen musste. Dann schritt Toxica langsam durch die dicke Wolkendecke, ließ Cay dabei keinen Moment aus den Augen und machte sich zum Kampf bereit. Es würde nur Sekunden dauern, dann wäre er bei ihm. „Du hast es also endlich begriffen! Mein Versprechen – Es wird sich bald erfüllen. DU WIRST STERBEN!“, fauchte Toxica, öffnete drei Ampullen mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten und kippte sie über dem Himmel aus. Das Firmament entflammte, veränderte sich zum zweiten Mal, zog sich zusammen und bildete eine undurchlässige Mauer – Dann war es vorbei. Toxica hatte ein schwarzes Schwert heraufbeschworen, schwang es in die Lüfte und stemmte es mit einer präzisen, kräftigen Handbewegung auf seine rechte Schulter, dann stürmte er los – Rannte durch das Wolkenmeer, holte aus – und verfehlte Cay knapp. Der Dämon war sofort in die Höhe geprescht, flog empor und sauste in die Dunkelheit. Seine Augen huschten hektisch über das Wolkenfeld, sie ließ ihn jedoch kaum einen halben Meter weiter blicken. »Dafne... Wo bist du... Verdammt« Schnelle Wolkenstreifen huschten über die Sonne, es wurde düster, heller, wieder düster und wieder heller. Es war ein unregelmäßiger Rhythmus, der durch den zunehmend dichter werdenden Nebel pulsierte und Phantomgestalten entstehen ließ, die durch die Lüfte tanzten. Plötzlich wurde er niedergerissen. Er stürzte durch den Himmel, fiel einige Meter tief und er blieb regungslos liegen, der Schmerz blieb jedoch aus. Dann spürte er eine Last über sich und zwei Hände, die über sein Gesicht fuhren und ihm gewaltsam den Mund zuhielten. „Es verstößt zwar gegen meine eigenen Grundsätze einem schäbigen Dämon, wie dir, zu helfen, aber ich glaube diesmal haben wir keine andere Wahl als zusammenzuarbeiten!“, wisperte das Mädchen und presste Cay ihre Hand fester vor seinen Mund, „Ich heile deine Wunden, aber nur dieses eine Mal!“ Sie ließ ihn abrupt los, fuhr mit ihren Händen über sein zertrümmertes Bein und ließ eine Magie wirken, die seine Qualen zuerst zu verschlimmern schienen, dann jedoch, je länger sich der Lichtkegel über seine Gliedmaßen bewegte, das Fleisch und die Knochen zusammenwachsen ließ. Er stöhnte erleichtert auf. „Danke...“, murmelte Cay endlich, „Mach dich bereit jederzeit angreifen zu können. Unser Feind agiert hinterrücks, mach dich also auf einen unfairen Kampf gefasst – Er wird keine Möglichkeit unversucht lassen, uns zu töten. Er meint es ernst. Für diesen Tag hat er gelebt!“ Wahllos traten sie voran, wanderten einige Meter lang nach rechts und verirrten sich weiter in dem dichten Nebel. Beinahe schien es so, als ob sich auf ewig in der Wolkendecke verlaufen hätte – doch dann wuchs plötzlich etwas Riesiges, Verzerrtes aus dem Boden unter ihnen, riss Cay herum und schleuderte ihn brutal in die Dunkelheit. Er war aus dem Nichts erschienen und stand genau vor ihnen – ohne dass sie seine Präsenz bemerkt hatten. „Toxica!“, kreischte Cay, fing seinen Aufprall ab und flog auf seinen Rivalen zu. Er griff frontal an, schlug die Klinge seines Dolches in den Arm seines Gegners und ließ eine klaffende Wunde zurück. Toxica schrie auf und für einen Sekundenbruchteil glaubte er, dass er gewonnen hatte, dass sich sein Gegner nun zurückziehen würde, doch er irrte sich. „Ich werde dir alles nehmen, was dir lieb ist!“, seine Pupillen hatten sich schlagartig geweitet, in seinen Augen blitzte der Wahnsinn, dann stürzte er in die Finsternis. Hinter ihm erklang ein greller Schrei, gefolgt von einem splitternden Geräusch, das ihn zusammenzucken ließ, dann war es still. Vollkommen still. „Er hat Ren! Wir müssen eingreifen!“, zischte Cay, wartete die Reaktion Dafnes ab, doch diese antwortete nicht mehr. Dann fiel ein Schuss. Ein Zweiter und Dritter folgten – Sie durchschlugen die Kulisse, rissen die Dunkelheit ein und tauchten den Himmel in das rauchige, schmutzige Orange des Mündungsfeuers. Sie zuckten wie Blitze auf, verloren sich aber schon wenige Augenblicke später im Nebelschleier, nur um gleich wiedergeboren zu werden. Er wusste nicht, was er in dem Aufblitzen zu erkennen glaubte, aber es musste eine Art Vision sein, die aus seiner Angst und Hysterie geboren worden war – Ein böser Alptraum, der für einen höllischen Augenblick Gestalt angenommen hatte. Er sauste auf Ren zu, erkannte aus dem Augenwinkel Dafne, die eine Waffe in den Händen hielt und einen Punkt weiter unterhalb des Wolkenmeers anvisierte. Sowohl Toxica, als auch Ren lagen am Boden und rührten sich nicht mehr, aber die Gestalt seines Rivalen schien auf eine absurde Art verzerrt zu sein, seine Gliedmaßen waren verdreht, als ob nicht der Kugelhagel ihn niedergestreckt, sondern etwas weitaus Entsetzlicheres sich in den Kampf eingemischt und ihn mit bloßer, körperlicher Gewalt verstümmelt hätte. Seine Augen spielten ihm einen Streich, sein Herz schlug schmerzhaft gegen seine Brust, es begann zu rasen, zu protestieren – Aber auch als er die Augen schloss, sich ins Gedächtnis zu rufen versuchte, dass dieses groteske Bild lediglich irgendwo in seiner Phantasie existiert haben musste, war es da, als er die Augen wieder öffnete. Toxica schien unvollständig zu sein, als ob ihm mehrere Gliedmaßen abhandengekommen wären – Sie waren brutal herausgerissen, fehlten von der Armbeuge an – Aber die Überreste konnte er nirgends sehen, nur die Lache aus waberndem, klebrigen Blut, in dem der bewusstlose Körper lag. Der Bannkreis erlosch schlagartig, schwarze Splitter toben durch die Luft, dann krachten sie aus dem Himmelsgewölbe und drohten auf dem Erdboden zu zerschellen. Er ruderte hilflos mit den Händen, konzentrierte die letzte verbliebene Kraft, die ihm geblieben war und ließ seine Flügel zum letzten Mal erscheinen. Zu spät. Toxica und Ren waren bereits zu tief gefallen, ihre leblosen Körper nahmen durch den freien Fall eher noch an Geschwindigkeit zu. Er schrie auf. „Kein Grund gleich herumzukreischen!“, keckerte Mochi vergnügt und sauste schlagartig in die Tiefe, „Ich mach das schon, Chef!“ Er stürzte auf Ren zu, flog eine Handbreit unter ihn und fing seinen regungslosen Körper auf, dann schnellte er auf Toxica zu – Zwar nicht mit der gleichen Intension, aber er konnte sich dennoch dazu ereifern ihren Widersacher vor dem Tode zu bewahren – Eine Handlung, die Cay nicht begriff. Dann schwebte er langsam zu Boden, setzte die Dämonen ab und flog auf seinen Meister zu. „Das wäre erledigt!“, trällerte Mochi zufrieden, „Wie sehen deine Pläne aus, Boss?! Cay ging auf Ren und Toxica zu – konnte seinen Blick aber nicht von seinem Rivalen abwenden. „Was auch immer ihn angegriffen hat, es war keiner von uns!“, sagte der Dämon kalt, „Es muss etwas weitaus Gefährlicheres gewesen sein, etwas, das mit einer tödlichen Präzision angreift – Aus dem Hinterhalt kam und dann genauso schnell verschwinden konnte, wie es aufgetaucht war.“ Mochi erschauderte: „Aber was kann das gewesen sein?!“ „Eine Kreatur der Unterwelt – Fang am Besten an in den eigenen Reihen zu suchen!“, sagte Dafne bissig und funkelte den rothaarigen Dämon an. „Du bist so ein schlaues Mädchen!“, entgegnete Cay und lachte dann bösartig auf. Er hielt inne und horchte in sich hinein. Es war nicht nur die Reaktion des Mädchens, die ihn schockierte, sondern auch die Seinige. Er hatte nicht die Spur einer Angst. Vielleicht tief in sich, irgendwo in seinem Unterbewusstsein vergraben, eingeschlossen in einer anderen Ebene, die er nicht erreichen konnte – Jedenfalls nicht für den Augenblick. Es erwachte nicht. Die Bedrohung, die dort draußen lauerte, war real, sie war greifbar und doch verspürte er keine Furcht – Der Anblick Toxicas hatte keine Gefühlsregung in ihm ausgelöst, obwohl er eigentlich vor Angst hätte erschauern müssen. So wie es Mochi tat. Je mehr Mochi in Panik geriet, umso ruhiger schien er zu werden. Die Gefahr dort draußen interessierte ihn nicht. Nicht wirklich. „Sie sind noch da draußen und suchen uns“, flüsterte Dafne und spannte ihre Waffe erneut, „Ich kann sie genau spüren, die schwarze Materie, die von ihnen ausgeht – Sie schwappt auf uns zu... Und es sind viele!“ Ob Toxica sie verraten, oder sie lediglich durch die Spieglung ihrer Heimat in eine Falle gelockt und Myras selbst das Verschwinden des Engels bemerkt hatte, spielte nun keine Rolle mehr. Myras würde sie für den Verrat an dem dritten Himmel hinrichten, sie waren zu Geächteten geworden, Abtrünnige, die ihre Heimat auf ewig verloren und hier nicht länger geduldet waren. Dann spürte er sie auch – die Präsenz der Höllenschar, die auf sie zustürzte. Sie waren erzürnt, böse und bereit dazu sie für ihre Vergehen und die Auflehnung gegen ihren Meister zu bestrafen. Aber da war noch mehr, etwas, dass er zunächst nicht richtig einordnen konnte, doch dann war es plötzlich da, mit einer unerschütterlichen Gewissheit, die er nicht leugnen konnte – Sie würden sie nicht nur jagen – Sie würden sie quälen, sich aus reinem Vergnügen die Hände an ihnen schmutzig machen. Es war abscheulich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)