Der Tod und andere Normalitäten von 19Rei-Sama ================================================================================ Kapitel 9: Kapitel 9 -------------------- Kapitel 9 Brennender Schmerz durchzog die Gesamtheit meines Körpers und prasselte wie Feuer in meinen Blutgefäßen, meine Lunge schien in Flammen zu stehen und mein Kopf fühlte sich an, als würde er mit einem Morgenstern gespalten. Anders ausgedrückt: als ich all meine Sinne wieder beisammen hatte und es schaffte, die Augen geöffnet zu halten, ging es mir so dreckig wie nie zuvor. Ich versuchte, einen Laut von mir zu geben, aber Zunge und Lippen spielten nicht mit, ebenso wenig wie mein Körper, als ich einen Versuch startete, mich aufzusetzen – just in diesem Moment fiel mir die tiefe Wunde in meiner Bauchhöhle ein, die mich daran erinnerte, dass laufen wohl keine so gute Idee war. Ich ließ mich also prompt zurück in die weichen Kissen fallen, ehe ich den Raum musterte – oder es versuchte, denn er war stockfinster. „Knife … Berthellyo …“, langsam kehrten die Erinnerungen zurück und ich konnte mir denken, dass dies wohl mein eigenes Zimmer in Knifes Hütte sein würde – in die Stadt hatten sie mich bestimmt nicht gebracht, denn wie ich die beiden kannte, würden sie bis zu meiner vollständigen Genesung ein wachendes Auge auf mich haben. Und wie ich Lexis kannte, würde diese vollständige Genesung etwas Zeit in Anspruch nehmen – einer der Nachteile des Assassinenlebens. Ich hörte zu meiner rechten – wenn ich mich recht erinnerte, war dort die Tür – Schritte, die zwar leise waren, aber stetig näher kamen. Es waren kurze Abschnitte zwischen den Schritten, woraus ich schlussfolgern konnte, dass Knife hierherkam, denn Berthellyo war um einiges größer als Knife und lief viel gemächlicher. Langsam glitt die Tür auf und ein schwacher Lichtschein fiel ins Zimmer, traf meine Augen – sofort verschlimmerten sich die Kopfschmerzen, eines der Leiden, die ich immer hatte, wenn ich schwer verletzt worden war. „Soju? Bist du schon wach?“, fragte Knife mit krächzender Stimme – die Nacht im Wald hatte ihm scheinbar eine Erkältung eingehandelt, oder zumindest würde es zu einer kommen. Da ich meinen Mund noch immer nicht geöffnet bekam, nickte ich leicht und sah, wie sich auf Knifes schattige Züge ein erleichtertes Lächeln stahl. Er trat zu mir herüber und setzte sich auf den Rand des Bettes, strich mir einige Strähnen der langen schwarzen Haare aus dem Gesicht. „Da bin ich ja beruhigt. Ich hatte Sorge, dass du vielleicht einige Tage brauchen würdest, bevor du wieder bei Sinnen bist.“ Ich nickte leicht, er machte ein klägliches Lächeln. „Naja, fast bei Sinnen. Aber das ist doch wenigstens ein Anfang!“, sagte er. Ich sah auf die Armbanduhr, die sich an Knifes rechtem Handgelenk befand – sie war fast vollständig aus Silber, ich hatte sie ihm vor etwa drei Jahren von einem Auftrag mitgebracht. Knife bemerkte den Blick natürlich und lieferte mir sofort die Antwort, nach der ich gesucht hatte. „Es ist beinahe sechs Uhr morgens, seit etwa vier Stunden liegst du im Bett, vor viereinhalb Stunden haben wir dich aus dem Wald geholt.“ Wieder nickte ich langsam und vorsichtig. Vier Stunden also. Natürlich war dies erst der Anfang, das war mir bewusst, aber wenn ich nach vier Stunden bereits wieder klar im Kopf war – oder zumindest zum Teil –, bedeutete dies, dass ich wohl doch nicht so lange warten musste, bis ich wieder allein aufstehen und herumlaufen durfte. Ich spürte, wie mir langsam die Augen wieder zufielen und erneute Müdigkeit mich übermannte, Knifes kalte Hand legte sich auf meine Stirn. „Schlaf dich nur aus, Soju – bald wird es dir wieder besser gehen, du wirst schon sehen!“ Ein leichtes Kribbeln auf der Haut holte mich aus den Tiefen des Schlafes, sodass ich nur noch wenige Momente vor dem Erwachen stand – oder doch nicht? Ich war mir nicht sicher, dieses Kribbeln kam mir real vor, gleichzeitig aber so irreal, dass ich es beiseite schieben wollte. Aber irgendwie wurde es etwas stärker – kam es von meinem Kopf? Strich jemand über meine Stirn? Und wenn, konnte nur Knife sein. Ich entschied mich, mich wieder tiefer ins Land der Träume fallen zu lassen – bis ich erschrocken feststellte, dass es definitiv nicht Knifes Hand sein konnte, die dort auf meiner Stirn ruhte. Entsetzt riss ich die Augen auf und setzte mich auf, ehe ich ruckartig zusammenzuckte – soeben war die Wunde meiner Bauchhöhle wieder aufgerissen. Ein mit Schmerz angefülltes Stöhnen entwich meinen schwachen Lippen, während ich zusammengekauert in die Kissen zurückfiel. Das Tosen in meinen Ohren hatte es verdeckt, aber als der Schmerz nachließ, hörte ich zwei mir bekannte Stimmen meinen Namen sagen – immer und immer wieder. Dann erst öffnete ich erschöpft die Augen und erblickte Mai und Keith, die mich beide besorgt vom Bettrand aus anstarrten – Mais Hand war in meine Richtung gestreckt, sie hatte also über meine Stirn gestrichen. „Kaná, alles okay?“, fragten die beiden besorgt. Ich stöhnte erneut, dieses Mal, um mich ordentlich hinzulegen, was natürlich von weiteren Schmerzen gefolgt war. „Was … macht ihr … hier …“, brachte ich schwach hervor, Mais Züge erweichten sich dabei zunehmend. Sie setzte sich wieder ordentlich hin – zuvor war sie vermutlich aufgesprungen – und lächelte sanft. „Du warst nicht in der Schule und die Lehrer wussten auch nichts von deinem Verbleib, deshalb wollten Keith und ich dir Aufzeichnungen und Hausaufgaben bringen. Als du nicht in deiner Wohnung warst, dachte ich mir, dass du wohl hier sein würdest.“ Ich musterte sie müde – Mai behielt mehr im Gedächtnis, als ich erwartet hatte. Ich kannte sie, seitdem Knife mich aufgenommen hatte, eine Freundin von ihm hatte sie immer hierher gebracht, damit ich Gesellschaft hatte. Aber das letzte mal war sie vor fünf oder sechs Jahren hier gewesen, daher hatte ich erwartet, dass sie dieses Haus bereits vergessen hatte. Da kam mir jedoch bereits etwas anderes in den Sinn. „Ihr wart in meiner Wohnung?“ meine beiden Mitschüler nickten, ehe Keith erklärte: „Mai wusste, wo dein Zweitschlüssel war.“ Ach ja, das habe ich ihr ja vor zwei Jahren gesagt gehabt, als sie sich weigerte, ihn selbst mitzunehmen – Mai vertraute ich in der Hinsicht nämlich mehr als Keith, der verlor nämlich alles. In diesem Moment fiel mir Keiths Blick auf – etwas säuerlich sah er mir in die Augen. Dieser Schwerverliebte dachte doch nicht wirklich, dass ich etwas mit Mai am Laufen hatte? Innerlich seufzte ich. „Sag mal, Kaná, wie kommst du eigentlich dazu, dich von einer Jugendbande aufschlitzen zu lassen?“, fragte Mai plötzlich bitter – wie bitte? Jugendbande? Was erzählte sie da? Pure Verwunderung machte sich in mir breit und das nicht nur, weil Mai sich sonst gepflegter ausdrückte – glücklicherweise verbot mir mein Zustand, diese Verwirrung zur Schau zu stellen –, bis mir ein Licht aufging. Knife hatte ihnen wahrscheinlich die vor Jahren einstudierte Geschichte eines Überfalls auf eine junge Mutter mit Kind durch eine Jugendbande erzählt, den ich zufällig beobachtete und einschritt – je nach Verletzung variierte die Ausführung natürlich, mal war es ein Motorradfahrer, mal jemand mit einem Baseballschläger der mir die Hand brach und dieses mal eine Jugendbande, die mir mit Messern den Bauch öffneten. Danke, Knife, dass du an alles denkst! „Tja, ich kann doch nicht einfach tatenlos herumstehen.“, wisperte ich mit schwacher Stimme und ebenso schwachem Lächeln. Mais Blick aber wurde kälter. „Wie oft soll ich dir eigentlich sagen, dass du nicht immer den Helden spielen sollst?“, schnalzte sie, ich schüttelte leicht den Kopf, ehe ich zu Keith sah – er schien bedrückt. „Keith?“, sprach ich, woraufhin er aus seinen Gedanken gerissen wurde und mich fragend anblickte. „Sorry wegen gestern.“, meinte ich dann, er lächelte nur verwundert. „Denkst du da etwa noch dran? Dummkopf!“, tadelte er mich schließlich – mit einem Lachen auf den Lippen. So, wie ich ihn kannte – und wie ich ihn immer kennen wollte, denn mit anderen Gefühlen konnte ich nur schlecht umgehen … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)