Der Tod und andere Normalitäten von 19Rei-Sama ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Der nächste Morgen kam jäh und ich mühte mich aus dem Bett – warum verquatschte ich eigentlich immer die ganze Nacht mit Knife? Gähnend griff ich im Badezimmer nach meiner Bürste um die Knoten aus meinen Haaren zu kriegen – ich verstand nicht, warum die jeden morgen da waren, wo ich mich sowohl morgens als auch abends lange mit ihrer Pflege abmühte. Ich fragte mich, ob es einfach an der Länge liegen könnte – sie reichten mir inzwischen schon über die Schulterblätter hinaus –, jedoch schüttelte ich bei dem Gedanken den Kopf. Nachdem ich sowohl meine Haare gebändigt, als auch meine Zähne geputzt und mich der täglichen, sonstigen Hygiene gewidmet hatte, schlurfte ich in die Küche meiner Wohnung und griff ohne weiter darauf zu achten in den Kühlschrank. Ich hatte einen Joghurt gegriffen, weshalb ich auch gleich nach einem Löffel suchte – so ordentlich ich auch war, mein Besteckkasten sah immer aus wie nach einer Explosion. Als ich auch mit dem mageren Frühstück fertig war, packte ich eilig meine Sachen – ich hatte einfach keine Lust, heute erneut den Zug zu verpassen. Bevor ich aber ging, überprüfte ich nochmal, ob ich auch alle Waffen säuberlich verstaut hatte, sodass sie niemand fand, falls es jemand für nötig halten sollte, mich ohne meine Gegenwart zu besuchen. Zehn Minuten später befand ich mich auch schon auf dem Bahnhofsplatz und wartete auf meinen Zug, der mit dreiminütiger Verspätung auch endlich eintrudelte. Ich hasste Verspätungen … Im Zug suchte ich mir einen Platz und hielt auch den neben mir frei – da ich immer als erster einstieg, hielt ich Keith, der sich erst drei Stationen später zu mir gesellen würde, einen Platz frei. Während wir die Stationen durchfuhren, beobachtete ich die Leute im Zug – sie hatten wohl schon Wind davon bekommen, dass Grindernoff tot war. Ein paar junge Frauen tuschelten eifrig über ihn, eine erwähnte etwas von „unbemerkt“ und dass „eine Frau blutverschmiert“ gefunden worden wäre – man „hielte sie aber nicht für die Täterin“. Ich schüttelte leicht den Kopf und seufzte – ich mochte es nicht, wenn bereits morgens alle über meine Opfer redeten. „Morgen, Kaná!“, schlug mir Keith eine Hand auf die Schulter und riss mich so aus meinen Gedanken. Ich nahm meine Sachen weg, sodass er sich hinsetzen konnte – allerdings nicht ohne ihn vorher anzufauchen, dass er das lassen sollte. „Ganz ruhig – hast wohl nicht gut geschlafen, was?“, erwiderte er daraufhin und hob abwehrend die Hände. Ich aber murrte nur. Als wir gegen Mittag in der Kantine saßen – zusammen mit ein paar anderen Mitschülern –, kaute ich auf einem trockenen Stück Brot herum, dass die „Caféteria-Tante“ zu der dünnen, geschmacklosen Suppe gepackt hatte. Meine Mitschüler unterhielten sich allesamt eifrig über den Test, den wir gerade geschrieben hatten. „He, Kaná – wie lief's denn bei dir?“, fragte mich Alicia – eine Freundin von Mai, die übrigens auch am Tisch saß, was wiederum bedeutete, dass Keith sie ununterbrochen anstarrte – lächelnd. Ich zuckte die Schultern. „Wie immer halt …“, murmelte ich – ich war noch nie schlecht in einem Test abgeschnitten und auch dieses mal fiel er mir sehr leicht, daher war mir das Ergebnis bereits klar. Alicia und Mai begannen zu kichern – das taten sie immer, wenn ich mit ihnen redete. Versteh einer die Weiber, dachte ich und kaute weiterhin auf dem faden Stück Brot herum. Wie konnte man es eigentlich schaffen, dass Brot so widerlich wurde? Hätte ich keinen Hunger gehabt, hätte ich das Zeug womöglich gleich wieder ausgespuckt … „Kaná, was ist denn heute mit dir los?“, fragte Eric – ein typischer Streber, dem es scheinbar gefiel, mir auf die Nerven zu gehen. „Nichts – was soll schon los sein?“, erwiderte ich trocken. „Nun ja … du wirkst so abwesend heute …“, entgegnete mir daraufhin Eric. Ich seufzte und rollte mit den Augen. „Hab halt mal schlecht geschlafen – was interessiert's dich?“ Angewidert ließ ich das Brot auf meinen Teller fallen und stand auf, verließ eiligst den Raum. Ich hatte keine Lust auf das Gelaber von meinen Mitschülern – sie hatten eh nichts interessantes zu sagen. Meine Füße führten mich auf den Schulhof, wo sich zur Zeit kaum Schüler befanden, weshalb ich mich auf einer Bank niederließ und in den Himmel starrte. Meine Gedanken kreisten um meinen Auftrag der letzten Nacht. Ich würde heute wieder bei Knife vorbeigehen und meine Belohnung abholen müssen. „Kaná?“ Ich drehte mich um – ein Mädchen mit langem braunen Haar stand hinter mir und sah mich scheu an. „Ja?“, sagte ich. Das Mädchen schien nervös zu sein. „Könnten wir kurz dort hinüber gehen?“, sie deutete auf einen Baum. Ich zuckte die Schultern und stand auf. „Klar.“ Als wir an dem Baum angekommen waren, blickte das Mädchen zu Boden – langsam kamen die Erinnerungen hoch, wer dieses Mädchen war. „Nun, ich ...“, begann sie zögerlich. Tara – ihr Name war definitiv Tara! Und sie war drei Klassen unter mir. „Kaná, ich wollte fragen, ob du nicht eventuell mit mir ausgehen möchtest?“, fragte sie hastig und sah – rot angelaufen – zu Boden. „Öhm …“, ich überlegte. Ich war nur ungern unhöflich den Mädchen gegenüber, die etwas für mich zu empfinden schienen. „Weißt du, ich habe ehrlich gesagt …“, fieberhaft dachte ich nach. Währenddessen sah ich, wie eine Träne zu Boden fiel. Na toll … „Hör zu … Tara. Es gibt bestimmt einen Jungen, der viel lieber etwas mit dir unternehmen möchte – und es wäre doch unfair, wenn du den übersehen würdest? Sieh es mal so – mit jemandem im gleichen Alter wirst du bestimmt mehr teilen können.“ Weitere Tränen fielen. Sachte strich ich Tara über die Haare, ein Schluchzen wurde laut. „Hey, beruhige dich.“, sagte ich sanft – ich konnte keine Mädchen weinen sehen. Einige Minuten redete ich ihr gut – chrm – zu, ehe sie sich halbwegs beruhigt hatte und mich schließlich lächelnd ansah. „Es stimmt also.“, sagte sie leise, ich blickte sie nur fragend an. „Eine Freundin von mir hat mir erzählt, dass du immer freundlich bleibst – selbst wenn du jemanden abweist. Ich hatte Angst, dich nach einer Verabredung zu fragen – aber ich merke, dass es wohl doch gar nicht so schlimm war. Wenngleich du mir einen Korb gegeben hast.“, erklärte sie und wischte sich die letzten Tränen weg. „Trotzdem danke, Kaná – nicht jeder bleibt so einfühlsam.“, sagte sie schließlich und ging. Verdutzt sah ich ihr hinterher – hatte sie mich gerade „einfühlsam“ genannt? Und ihre Freundin … ich hatte bereits viele Mädchen zurückgewiesen – besonders in diesem bisher nicht einmal halben Schuljahr – und ich fragte mich, ob diese Freundin wohl auch zu ihnen gehörte. Ohnehin erschien es mir schleierhaft, weshalb es gerade die jüngeren Schülerinnen förmlich auf mich abgesehen hatten, wo ich doch kaum etwas mit ihnen zu tun hatte. Als es klingelte, stapfte ich zurück in meinen Klassenraum und setzte mich auf meinen Platz. In der Schulstunde – wir hatten gerade Geschichte – flog ein kleiner Zettel zu mir auf den Tisch. Ich entfaltete ihn. „Casanova“, stand darauf geschrieben. Genervt zog ich eine Augenbraue hoch und sah Keith an, der fröhlich vor sich hin kicherte. „Idiot.“, murmelte ich leise, als bereits der nächste Zettel auf meinem Tisch landete. „Warum hast du nicht zugesagt? Sie war doch süß! ;D“, las ich leise, griff dann nach meinem Kugelschreiber und antwortete: „Tara ist erst 15, du Schwachkopf! Was interessieren mich kleine Mädchen?“ Dezent genervt warf ich ihm unbemerkt den Zettel zu und bemerkte, wie er weiterhin leise kicherte, ehe er mir seine Antwort gab. „Sie heißt also Tara, hm? Und sie interessiert dich natürlich überhaupt nicht – verstehe, verstehe!“ Ich seufzte und kratzte mich am Kopf, ehe ich ihm meinerseits antwortete. „Im Gegensatz zu dir, brauche ich keine Nervensäge an meiner Seite um zu wissen, was ich drauf hab.“ Wieder Gekicher. „Du hast was drauf? Ist mir neu.“ „Idiot!“, fluchte ich erneut. In etwa so ging es dann auch den Rest der Stunde weiter und natürlich hörte Keith auch in der folgenden Pause nicht damit auf. Als mich endlich das Klingeln zum Ende des Schultages erlöste, sprang ich eiligst auf und lief zum Haupttor der Schule, wo Keith – wie immer – bereits auf mich wartete. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, schlug ich ihm hart gegen den Oberarm, sodass er mich entsetzt ansah. „Alter, deine dummen Kommentare kannst du dir in Zukunft sparen – ich habe keine Lust auf diesen Mist!“, fauchte ich, ehe ich an ihm vorbei stürmte. Er rief mir noch irgendetwas nach, aber ich achtete nicht darauf. Auch ignorierte ich heute den Zeitungsladen, lief geradewegs zum Zug und konnte noch gerade so den abpassen, der vor meinem eigentlichen kam – so musste ich mir wenigstens nicht das Genöle von Keith anhören. Immer, wenn er sich so kindisch benahm, könnte ich vor Wut irgendetwas in Stücke reißen … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)