Finera - Dawn of the Dark von Kalliope ================================================================================ Kapitel 21: Marie ----------------- 8. Oktober - Summer - Summer seufzte, als sie den letzten Bissen ihres Croissants hinunterschluckte, das zwar gut schmeckte, aber kein Vergleich zu den frischen, selbstgebackenen Croissants ihrer Haushälterin zu Hause war. Tja, manche Eigenschaften verwöhnter Gören legte wohl selbst sie nicht ab, obwohl sie das wollte. Marie, die sich am Nachbartisch bei einigen anderen Trainern niedergelassen hatte, warf Summer schon den ganzen Morgen über undefinierbare Blicke zu. Sie spielte mit den drei Pokébällen an ihrem Trainergürtel herum und stand auf, sobald sie die Brötchen für unterwegs geschmiert hatte. Zeitgleich mit Marie erhob sich auch Summer und beschloss, dass Marie ihr an diesem Tag Gesellschaft leisten sollte, worüber sie die andere Trainerin auch sogleich in Kenntnis setzen wollte. „Hey, Marie, was dagegen, wenn wir heute ein bisschen zusammen trainieren? Bevor zu Citro herausfordern kannst, musst du bestimmt noch ein wenig kämpfen üben.“ Maries kurze, blonde Zöpfe, die sie heute seitlich am Kopf trug, wippten auf und ab. „Na ja“, begann sie und warf ihren Freunden am Nachbartisch einen langen, bedeutsamen Blick zu. „Eigentlich schon. Ich liege mit meinem Training bereits im Zeitplan und heute schaue ich mir ein paar Sehenswürdigkeiten an. Morgen fordere ich Citro heraus.“ „Ach.“ Summer konnte ihre Überraschung nicht verbergen. Die Schüchternheit, die Marie noch am Vortag ausgezeichnet hatte, schien wie weggeblasen zu sein und aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, wie zwei der Jungen Marie die Daumen hochstreckten. Hatte sie Fans? „Na dann hast du bestimmt nichts gegen einen kleinen Probekampf?“ Einen Augenblick zögerte Marie, dann reckte sie das Kinn in die Höhe. „Kein Bedarf, Summer Light.“ Was zum … Woher kannte sie ihren Nachnamen? Sichtlich überrascht drückte Summer ihr Tablett näher an sich. „Ich wusste gar nicht, dass ich dir meinen vollen Namen gesagt hatte.“ „Hast du auch nicht, aber wir haben auch so herausgefunden, wer du bist.“ „Wir?“ Marie deutete mit dem Kopf zum Nachbartisch und wie auf ein Kommando hin standen die drei anderen Trainer – die beiden Jungen und ein Mädchen mit langen, krausen Haaren – auf. „Wir wissen immer über unsere Rivalen Bescheid“, begann das Mädchen und beim Sprechen blitzte ihre Zahnspange auf. „Du bist Summer Light, Tochter der Light-Dynastie aus Finera. Dein Vater und dein Großvater sind hohe Tiere bei der Privatbank von Finera. Du musst doch im Geld nur so schwimmen können, wieso suchst du dir also keine andere Region, in der du rumprotzen kannst, wie toll du und deine Pokémon doch seid?“ „Bitte?“ Summer blieb der Mund offen stehen. Zum ersten Mal fühlte sie sich in der Gegenwart anderer Trainer sehr unbehaglich. „Was hat mein Trainerdasein mit meiner Familie zu tun?“ „Wir wissen, wie das läuft“, schaltete sich nun Marie wieder ein. „Du bist eine reiche, verwöhnte Göre, wir kennen Leute wie dich, du bist hier in Kalos kein Einzelfall. Mit deinem Geld kannst du dir seltene, starke Pokémon kaufen und locker die Orden gewinnen, aber das ist nicht ehrenhaft.“ „Ganz und gar nicht“, bekräftigte das andere Mädchen und hakte sich bei Marie unter. „Und mit Leuten wie dir wollen wir nichts zu tun haben.“ „Ihr habt sie doch nicht mehr alle!“, stieß Summer zischend und gekränkt hervor. „Ich habe mein Starterpokémon wie jeder normale Trainer aus dem Pokémonlabor und trainiere sie jedes Level selbst!“ „Sonderbonbons musst du dir ja zu Hauf leisten können.“ Marie und das andere Mädchen verließen den Speisesaal des Pokémoncenters, die beiden Jungen folgten ihnen kaum ein paar Sekunden später und ließen Summer zurück. Diese starrte dem Vierergrüppchen aufgebracht hinterher, knallte ihr Tablett auf den Ständer und wirbelte zum Tresen von Schwester Joy. Ungeduldig trommelte sie mit den Fingerspitzen auf dem Tresen, bis die Joy sich ihr zuwandte. „Ja bitte?“ „Ich möchte ein Einzelzimmer haben“, platzte es sofort aus Summer heraus. „Meine Zimmernachbarin und ich verstehen uns nicht und es ist unzumutbar, noch eine Nacht mit ihr zu verbringen.“ „Marie Müller?“ Schwester Joy schaute auf den Bildschirm ihres Computers, auf dem die Zimmerbelegung aufflackerte. „Da musst du dir keine Sorgen machen.“ „Wieso?“ Schwester Joy lächelte. „Marie hat schon heute Morgen auf ein anderes Doppelzimmer umgebucht. Du hast dein Zimmer für dich, bis eine andere Trainerin eincheckt.“ Summer schnaubte, trat hinaus ins Freie und konnte sich nur schwer beherrschen. Noch nie hatte man ihr ihre Herkunft vorgeworfen, noch nie war ihr Familienname wie eine Beleidigung gewesen. Andererseits … Summer musste sich eingestehen, dass es dazu bisher auch keine Gelegenheit gegeben hatte. Zuhause auf Honey Island lebte ihre Familie auf einem großen, schicken Anwesen und sie waren überall auf der Insel und in der Stadt geachtet. Der Kindergarten, den sie mit Rain besucht hatte, war ein kleiner Privatkindergarten gewesen und angegliedert an die Privatschule, die sie bis zum Erhalt ihrer offiziellen Trainerlizenz besucht hatte. Früher hatte man bereits mit zehn Jahren die Schule verlassen und die Trainer-ID beantragen können, doch nach einer Reform war beides erst mit vierzehn Jahren möglich, weil die Politik zu dem Schluss gekommen war, dass zehnjährige Kinder für diese Verantwortung zu jung waren. Nach der Schule hätte sie also gleich ihre Trainerlizenz beantragen können, doch ihre Eltern hatten darauf bestanden, dass sie noch zwei weitere Jahre an der Privatschule dranhängte, was sie auch getan hatte. Mit sechzehn Jahren hatten ihr dann alle Möglichkeiten offen gestanden, doch sie hatte immer nur eine Pokémontrainerin sein wollen. Nie hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, dass das Geld ihrer Familie ihre Reisen, die vielen Restaurantbesuche und neuen Klamotten finanzierte. Wütend fuhr Summer sich durch die Haare, ging die Straße entlang und suchte nach dem erstbesten Trainer, den sie in einer der Seitengassen herausfordern konnte. Summer war geknickt, weil ihr bewusst geworden war, wie sehr sie sich immer auf den Status ihrer Familie und das Geld verlassen hatte. Gleichzeitig war sie froh, weil sie diese Möglichkeit nun einmal hatte. Außerdem hatten Onix und Jurob einen Doppelkampf gegen einen Punk gewonnen, mit Glumanda hatte sie es heute gar nicht erst versucht. Als sie in das Pokémoncenter zurückkehrte, war sie noch immer frustriert, freute sich jedoch über ihr Doppelzimmer, das sie nun zumindest für die nächste Zeit für sich alleine hatte. Marie und ihre Freunde hatte sie seit dem Frühstück nicht mehr gesehen, aber das war ihr auch recht so. Sollten sie doch glauben, dass sie sich mit Geld gute Pokémon und Orden erkaufte. Solange sie an sich glaubte und wusste, dass sie eine ehrbare Trainerin war, konnte ihr niemand etwas tun. Trotzdem ließ Summer der Gedanke nicht los, dass sie den anderen und vor allem sich selbst beweisen musste, dass sie auch ganz ohne das Geld ihrer Familie ihren Traum verfolgen konnte. Sie war eine Light, ja, aber sie war auch viel mehr als nur das. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)