MSTory 5: Kleinodien naruto'scher Fanfic(k)-Psychosen von abgemeldet (MSTing zu "WTF Naruto Welt?!" in Erst- und Zweitfassung) ================================================================================ Kapitel 4: Vom Wahnsinn gefesselt --------------------------------- [Vorwort] Liebe Leser, herzlich willkommen zurück. Ehe ich mit der zweiten Version von 'WTF Naruto Welt ?!' weitermache, folgt erst mal ein Zwischenkapitel, sodass hier der Plot nicht zu kurz kommt. Wer mag, darf sich nun auf ein Wiedersehen mit einer altbekannten Freundin, dem durchgeknallten Opi aus der komischen Stadt und diesem sehr gesprächigen Autor freuen. Das nächste MSTing-Kapitel habe ich etwa bis zur Hälfte durch. Weiter geht es am Wochenende. Wünsche allen, die meinem MST noch folgen, wie immer viel Spaß und hoffentlich gute Unterhaltung. [/Vorwort] Angespanntes Schweigen erfüllt den Gemeinschaftsraum der Kommentatoren. Während sich draußen gerade eine Wolke vor die Sonne schiebt und es im Schloss der Chaosfee ein bisschen dunkler wird, stehen Eli, Goe, Basy, Dando und Arin noch immer dem Neuankömmling gegenüber. Sie mustern ihn neugierig. Auch er besieht sich seine Gegenüber der Reihe nach genauer und schaut besonders bei Basys Anblick sehr verwundert drein. Sie lässt sich das einen Moment lang gefallen, zuckt dann aber nur demonstrativ mit den Schultern. „Altah! Wat is? Hassu noch nie ein' Hamstah geseh'n oda wat?“, quietscht sie los. Wojtek setzt vor Schreck etwas zurück, bis er gegen den kaputten Fernseher stößt. Unter seinen Füßen knirschen ein paar Scherben. „... du kannst sprechen!“, stellt er fest und deutet entsetzt auf das Hamstermädchen. Basys Öhrchen wackeln. „Boah, da bist aba a ganz Schlauah, wa? Sieht scho iwie so aus, würdah i ma sag'n! So, so, un da bist also diesah Wojtek, eh? Hast in da FF ja scho dei Fett wegbekomm'n un so, dat muss ma aba ma konkret feststellahn!“ Wojtek sieht die Gruppe nur noch verwirrt an. Ein flaues, irgendwie unangenehmes Gefühl macht sich in seinem Kopf breit. „Nun, ich ... habe keine Ahnung, wovon du überhaupt redest. Was ist hier eigentlich los?“, wispert er. Das Gefühl ebbt ab, doch ihm ist, als würde es in seinem Kopf irgendwie ... leer. Abermals herrscht für ein paar Sekunden Stille im Raum. Dando setzt schließlich seine Sense ab, während Goe vortritt und sich verhalten räuspert. „Nun, ich sollte mich wohl für unsere etwas seltsame Reaktion auf deine Ankunft entschuldigen. Es ist jedoch so, dass...“ Vor Wojteks Füßen steigt Dampf vom Boden auf und Goe bricht abrupt ab. Der Rothaarige sieht überrascht nach unten. Vor ihm beginnt der Boden zu schwingen, als würde er plötzlich aus Wasser bestehen. Die Erscheinung breitet sich aus, bis ein kreisrunder Bereich von etwa einem Meter Durchmesser davon betroffen ist. Dann geht alles ganz schnell; aus dem Gewaber springt Malik heraus, sodass Wojtek nur noch erschrocken aufschreien kann. Der Junge packt ihn noch im Fall an den Schultern. Durch den Schwung wird Wojtek rabiat von den Füßen gerissen und hinterher gezogen. Schreiend verschwindet er im Boden, der sich einen Moment später wieder völlig normalisiert hat. „Oh mein Gott, Goe!“, platzt es gleich aus Eli heraus. „Hat Malik den Neuen nun in sein Nest gezerrt und wird sich dort mit ihm paaren, um ihn anschließend aufzufressen?!“ „Nein, mein Teuerster, ich glaube nicht, dass Malik so was macht“, entgegnet Goe todernst. „Zumindest nicht, ohne uns vorher darüber zu informieren!“ Dando seufzt und reibt sich die Stirn. „Verschont mich mit eurem Gequassel“, murrt er und sucht nebenbei nach seiner Zigarettenschachtel. „Sagt mir lieber, was hier eigentlich los ist! Wieso erscheint plötzlich ein Typ in unserem Wohnzimmer, der nur zwei Zeilen Text hatte, während von den Haupt-Sues jede Spur fehlt?“ „Ja, das würde mich auch interessieren“, meint Arin nickend. „Und wieso sieht er so unverschämt gut aus, dass ich plötzlich schade finde, dass es in dieser FF nie Beschreibungen der Charaktere gab?“ „OIch will aber lieber wissen, wieso Malik aus dem Boden flutscht und ihn entführt. Wir konnten uns ihm ja noch nucht mal richtig vorstellen! Vermutlich ist der arme Wojtek ganz verwirrt und hat auch Angst.“ Eli seufzt traurig. „Genau, Altah! Dat hiea is wie in da Film Pandorum, wo diesah Typ in seinah Kältekaps'l aufwacht un direkt von da Mutant'n gefressahn wird. Wisst iha, wat i meine?“ „Äh, Basy“, mischt sich Arin ein, „hier wurde niemand gefressen. Okay? Wir können ja...“ Aber Goe fährt ihm kurzerhand ins Wort. „Dem stimme ich zu! Feurio!“ Er klatscht in die Hände. „Ich möchte hoffen, dass Malik für dieses ungeheuerliche und entwürdigende Verhalten einige höchst löbliche Rechtfertigungen vorzubringen hat! Anderenfalls werde ich ihn wohl züchtigen müssen. Man kann sich ja immerhin nicht alles gefallen lassen.“ „Pass nur auf, dass ich nicht gleich dich züchtige, mein Lieber“, kichert es plötzlich durch die Gedanken der Kommentatoren, als Malik sich mental zu Wort meldet. „Geht einfach zu Dr. Weinberg und lasst euch über den Status der FF informieren. Diesem Gary Sue hier müssen wir erst mal einige Fragen stellen! Die Umstände sind diesmal etwas ... spezieller als sonst.“ „Ja, das sagtest du bereits“, ruft Dando missmutig. „Und wirst du uns auch irgendwann erklären, was diesmal so speziell und besonders sein soll?!“ Aber darauf antwortet Malik nicht mehr. „Es ist geschehen, MSTsaw!“, hallt es an einem anderen Ort, in einer anderen Welt, durch die Gedanken des alten Mannes, der vor seinem Spiegel steht und damit beschäftigt ist, die Bandagen abzuwickeln, die sein Gesicht verhüllen. MSTsaw stutzt und hält inne. „Jetzt bereits?“, fragt er. „In der Tat, MSTsaw! Du weißt, dass diese Kommentatoren dem Wahnsinn der FFs mehr zu trotzen vermögen als irgendwelche anderen. Was du in die Wege geleitet hast, ist eingetreten: Der Gary Sue wurde erfolgreich beschworen.“ „Oh!“, ruft MSTsaw freudig aus. „Das ist ja prima! Sehr tüchtig, diese Burschen und der Hamster; das wusste ich schon! Wünscht Ihr, dass ich mich nun auf den Weg mache und die andere Mary Sue suche, Elypsion?“ Strahlend vor Freude wickelt er die letzten Bandagen ab und enthüllt den entstellten, dunkel gefärbten Teil seines Gesichts. Einen Moment hält er inne, während er nur ansieht, was aus ihm geworden ist. Das nekrotische, mehr tote als lebendige Fleisch seiner linken Gesichtshälfte hat sich weiter regeneriert und er wird die Bandagen nicht mehr brauchen; aber die Narbe, die längst und mittig durch sein Gesicht verläuft, zeigt sich dafür überdeutlich. Er ist erstaunt, wie wenig ihn seine entstellte Erscheinung kümmert. „Ja, MSTsaw, es wird Zeit“, hört er wieder den älteren Autor in seinen Gedanken. „Die Mary Sue muss ihren Platz im Deus Ex Machina wieder einnehmen. Nicht nur muss sie ihre Rolle erfüllen; nein, du wirst ihre Kräfte benötigen, wenn die Kommentatoren das MSTing erst abgeschlossen haben. Sonst wird mein Plan scheitern!“ MSTsaw runzelt die Stirn. „Aber wenn sie nun bereits die erste Hälfte der FF hinter sich gebracht haben, habe ich nicht mehr viel Zeit!“ Hastig öffnet er die Schublade der Kommode, auf der er seine Bandagen abgelegt hat und macht sich daran, etwas zu suchen. „Ich weiß nicht, ob ich sie innerhalb einiger Stunden finden und überwältigen kann!“ „Sei unbesorgt, MSTsaw, du irrst dich“, versichert Elypsion, „dir bleibt mehr Zeit. Die Kommentatoren werden sich erholen müssen und Wojteks Erscheinung hat den Plot in der Welt der Chaosfee verändert. Eine Nebenhandlung ist eingetreten und ehe diese nicht beendet wurde, wird das MSTing nicht beendet werden.“ MSTsaw grummelt nur, während er weiter in seiner Schublade kramt. Er findet nicht, was er sucht, stößt sie zu und öffnet die nächste. „Wenn ich eine Frage stellen darf, Elypsion: Woher wisst Ihr, was sich in der Welt dieser Chaosfee zuträgt? Seid Ihr nicht praktisch blind, was die Geschehnisse im Multiversum angeht?“ Der ältere Autor lässt mit seiner Antwort auf sich warten. MSTsaw vermutet bereits, dass er überhaupt keine bekommen wird. Schließlich durchsucht er weiter die Schubladen. Dann allerdings... „Wie ich dir gesagt habe, MSTsaw, sehe ich durch die Augen meiner Kinder und höre durch ihre Ohren. Einige meiner Kinder befinden sich auch in der Welt der Chaosfee. Also weiß ich, was in der Welt der Chaosfee geschieht, sobald sie es wissen.“ „Ah, natürlich!“, ruft MSTsaw aus, während er meint, verstanden zu haben und die letzte Schublade aufzieht. „Ihr habt diesen Wojtek geschaffen und könnt durch ihn sehen und hören!“ „Nein, Narr!“, gellt Elypsion Stimme durch seinen Kopf. MSTsaw zuckt vor Schreck zusammen. „Du irrst dich wieder! Dieser Wojtek ist nicht mein Sohn. Er ist ein Bastard, ein Hybrid, den ich nicht völlig, sondern nur zum Teil schuf, indem ich einen Sue manipulierte, der in diesem Multiversum bereits niedergeschrieben war. Ich habe herausgefunden, wie ich solche Sues mit Kräften und Fähigkeiten erfüllen und sie verändern kann, sobald sie die vierte Wand passieren, ja, aber sie werden niemals von mir geschaffen worden sein. Also werde ich durch sie nicht sehen oder hören und nicht zu ihnen sprechen können. Verstehst du das, MSTsaw? Es ist sogar so, dass ich diesen Sues nicht einmal nehmen kann, was ich ihnen gab, sollte ich mich dazu entscheiden! Diese Sues sind Fehlschläge meiner Experimente am Multiversum der Feenschale, die Kontrolle über ihre Sues zu übernehmen. Doch sie haben sich als nützlich erwiesen – sie sind in dieser Hinsicht dir sehr ähnlich.“ „Mir ähnlich?!“, ruft MSTsaw aus. Gerade hat er gefunden, was er suchte; einen in ein vergilbtes Tuch eingeschlagenen, doppelt handgroßen Gegenstand, den er der Kommode entnimmt und auf ihr ablegt. Wieder starrt er nur sein faltiges, halb entstelltes Gesicht an. Das schwarze Auge hält er geschlossen, er will es nicht sehen. Die Lider wirken auf dieser Seite wie haarlose, aufgequollene Falten. „Ich habe dir dies bereits erklärt, MSTsaw! Hast du es nicht verstanden?“ „Oh, oh, nein“, murmelt der Alte und runzelt die Stirn, „verstanden habe ich, Elypsion, ich kann nur nicht nachvollziehen, wieso ICH ein Fehlschlag sein soll! Wie Ihr ja wisst, erweise ich mich als sehr nützlich, was Eure Pläne betrifft und bin mächtig genug, eine MSTing-Sue-Per in ihre Knie zwingen zu können. Da Eure eigentliche Dienerin nun außerhalb Eurer Reichweite ist und Ihr auf sie nicht mehr zurückgreifen könnt, bin ich zudem Eure einzige Option! Das müsst Ihr jetzt aber mal zur Kenntnis nehmen, zum Donnerwetter!“ „Beurteile du nicht meine Optionen, kleiner Gary Sue, willst du nicht, dass ich dir die Grenzen deiner Optionen aufzeige!“, brüllt Elypsion zornig. Obwohl MSTsaw sich dem älteren Autor willentlich unterworfen hat, kann er plötzlich nicht anders, als in dieser wahnsinnigen, grotesken Mischung aus Eifer und Desinteresse, die ihn erfüllt, darüber zu lächeln. „Verstanden hast du zudem nichts: Du irrst dich wieder! Du magst ein Fehlschlag sein, ja, doch nicht meiner. Andere haben zu verantworten, was mit dir geschehen ist und warum du bist, was du bist. Diese Geschehnisse lagen genauso außerhalb meiner Reichweite wie nun Dr. Golden Chie. Aber ich bin ein Wissenschaftler – ich erkenne das Potential in den zahllosen Fehlern dieses Multiversums. So auch in dir! Dass mein Sohn, der Paninischneider, niemals im Verlauf eines normalen MSTings in dieses Multiversum trat, wie es von mir geplant wurde, haben die verfluchten MSTing-Sues herbeigeführt! Wäre es anders gekommen, stünde er unter meiner Kontrolle. Nun aber lebt er in dir! Mein Sohn ist nicht mehr, so wie auch du nicht mehr bist. Ihr seid eins – ebenfalls ein Bastard, ein Hybrid aus den Sues zweier älterer Autoren, geschaffen unter besonderen Umständen. Da ich einen Teil dieses Hybriden dereinst niederschrieb, bin ich jedoch fähig, durch dich zu sehen, durch dich zu hören und mit dir zu sprechen. Es ist der Teil deiner Selbst, der einmal mein Sohn war, mit dem ich kommuniziere – und es ist auch dieser Teil deiner Selbst, der mir dienen möchte. Hast du es nun verstanden, MSTsaw?“ MSTsaw hält einen Moment inne, nachdem Elypsion in seinem Monolog geendet hat. Immer noch betrachtet er sein Gesicht im Spiegel. Diese grässliche Visage mit der Farbe der Verwesung, welche die linke Seite seines Gesichts ausmacht... Selbst das Haar ist auf dieser Seite seines Kopfes schütter, ungepflegt und wirkt wie aufgesetzt. Er kann es kämmen wie er will, es bringt nichts. „Ja, Elypsion“, murmelt der alte Mann. Ein undeutbares Lächeln stiehlt sich auf seine Züge. „Ich habe es nun verstanden.“ Er lächelt noch immer, während er den Gegenstand auspackt, den er aus der Kommode nahm; eine graue Maske, welche die schwermütig dreinblickende Hälfte eines Gesichts darstellt. Die goldene, lächelnde Hälfte wollte er ebenfalls noch suchen, doch die braucht er nun nicht mehr. „Sei du dir ob deines Verständnisses nicht zu sicher, MSTsaw“, parliert wieder Elypsion, während der alte Mann seine Maske aufsetzt und die Halterungen an Ohr und Nase befestigt. „Was ich dir mitteile, kann nur vollends auf Ebenen verstanden werden, die außerhalb deines dreidimensionalen Verständnisses liegen.“ Aber MSTsaw interessiert das Geschwätz des vermeintlichen Götterwesens nicht mehr. Er schließt kurz das rechte Auge, atmet tief ein und wirft dann abermals einen Blick in den Spiegel. „Nun, wie auch immer!“, meint er und wendet sich mit wehender Robe von der Kommode ab. „Ich breche auf, um Setha Kashka zu suchen.“ In seinen Gedanken kann er Elypsion gehässig kichern hören. „Suchen musst du diese Sue nicht, MSTsaw. Ich weiß, wo sie sich befindet, denn ich sehe durch die Augen meiner Kinder und höre durch ihre Ohren. Also sage ich dir, wohin du gehen musst!“ Als Wojtek die Augen aufschlägt, sind die fremden Jungs und der sonderbare, sprechende Hamster verschwunden. Er sitzt auf einer weinroten, mit goldenen Kissen dekorierten Chaiselongue, in einer Art Salon, so protzig, dass es fast lächerlich wirkt. Aber er hat kaum Zeit, sich umzusehen. Vor ihm, ebenfalls auf einer pompösen Sitzgelegenheit, thront eine Frau undefinierbaren Alters, wie er sie noch nie zuvor gesehen hat. Sie zieht seinen Blick fast magisch an. Ihr Haar ist nachtschwarz und ihre Haut so weiß wie Schnee, während in ihren violetten Augen ein Schimmer liegt, irgendwo zwischen allwissend und unnahbar. Ein Lächeln huscht über die Lippen des Schneewittchenverschnitts, während sie sich nach vorne beugt. Sie trägt ein schwarzes Nadelstreifenkleid mit einem bauschigen Rüschenkragen und... Die schwarzhaarige Göttin kichert. Wojtek wird bewusst, dass er sie anstarrt. Er senkt verlegen den Blick. „Nun“, erhebt sie die Stimme, „erlaube mir zunächst, dass ich mich für den etwas ... ungewöhnlichen Empfang entschuldige. Du sollst wissen, Fremder, dass die Gründe dafür nicht dich als Person betreffen. Das ist jetzt allerdings nicht weiter wichtig.“ Sie neigt ihren Kopf und lächelt erneut. „Ich bin die Chaosfee! Sage mir nun, wie dein Name lautet.“ Aber Wojtek sagt nichts. Er ist noch immer viel zu verblüfft und verwirrt von allem. Die Chaosfee?! Jemand räuspert sich. Er ist nicht allein mit der Frau. Aus dem Augenwinkel, etwas abseits und verborgen im Halbschatten, kann er noch jemanden erkennen. Er dreht sich und bemerkt einen wahren Hünen von einem Mann, der eine schwere, aufwändig verzierte Rüstung trägt und einen Hammer schultert, der fast so lang ist wie Wojtek groß. Ehrfürchtig sucht er den Blick des älteren Mannes und sieht in ein von Narben und wildem Bartwuchs bestimmtes Gesicht. Und auf seiner Schulter ... abermals räuspert sich die Chaosfee. Wojtek zuckt zusammen. „Oh! Pardon. Ich bin Wojtek“, beginnt er, verstummt jedoch sofort wieder, als er sich nicht an seinen Nachnamen erinnern kann. Wojtek kneift die Augen zusammen. Sein Nachname? Wenngleich es ihm seltsam vorkommt, ist er sich nicht sicher, ob er überhaupt einen hat! „Wojtek, so, so“, murmelt die Chaosfee. „Stimmt irgendetwas nicht?“ Sie sieht ihn fordernd an ... oder eher misstrauisch. Der Rothaarige zuckt nur unschlüssig mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ich“, stammelt er los und braucht erst wieder einige Sekunden, ehe er fortfahren kann, „fühle mich seltsam.“ Er reibt sich die Schläfen, aber die Chaosfee setzt sofort nach. „Ich nenne nun ein Wort, Wojtek, und ich möchte, dass du mir aufmerksam zuhörst: MSTing.“ Wojtek sieht sie verwundert an. Er hat keine Ahnung wovon sie spricht. Als er ihren Blick sucht, bemerkt er, dass sie gar nicht ihn ansieht. Offenbar steht jemand hinter ihm, aber er traut sich nicht, sich umzuwenden. Wojtek wird immer nervöser. Ein unangenehmes Kribbeln macht sich in seinem Nacken breit. Plötzlich nickt die Chaosfee. Wojtek versteht beim besten Willen nicht, warum überhaupt. „Ich nenne ein weiteres Wort, Wojtek und bitte dich darum, mir abermals gut zuzuhören: MSTsaw.“ „... w-was?“, stottert er. Langsam kommt ihm all das hier wie ein wirrer, absurder Traum vor. Er muss eingeschlafen sein, während er die wissenschaftliche Abhandlung über Psychosen gelesen hat. So revanchiert sich nun offenbar sein Unterbewusstsein. „Was wollen Sie denn nur von mir?!“ Die Chaosfee lehnt sich zurück und es scheint, als würde sie sich anspannen. Plötzlich wirkt sie viel imposanter, trotz ihres zierlichen Körperbaus. „Wojtek, verfolgst du die Absicht, mir oder jemand anderem hier zu schaden oder meinen Verbündeten ein Leid zuzufügen?“, fragt sie ihn mit drohender Stimme. Er kann nicht anders, als sie für zwei, drei Sekunden nur anzustarren und dann lauthals loszulachen. Ja, das hier ist offensichtlich nur ein absurder Traum. „Ich bitte um Ernsthaftigkeit!“, ruft die Chaosfee sogleich. „Es mag sein, dass all dies hier dich verwirrt, aber in Anbetracht der Umstände, in denen wir uns befinden, entgehen mir wohl die Pointen.“ „Gnädigste“, setzt Wojtek an, nun viel entspannter durch seine Erkenntnis, dass das hier nur ein klargeträumter Traum ist, „ich kann ja nichts dafür, dass Sie gerade in Umständen leben, aber ich wäre sehr verbunden, würden Sie das nicht an mir auslassen. Ich war es nicht!“ Die Chaosfee runzelt verwundert die Stirn. Links von Wojtek erklingt quietschiges, vergnügtes Gekicher. Er sieht dorthin und erblickt, auf der Schulter des Hammerträgers, einen grauen, in einen dunklen Mantel gehüllten Hamster. Offenbar kann der auch sprechen. Dem Tierchen scheint sein Satz gut gefallen zu haben, anders als dem Hünen, der nur grimmig mit den Kiefern mahlt. Wojtek kichert, winkt den beiden Traumgespinsten zu. Später möchte er unbedingt ergründen, was sie zu bedeuten haben, darum gibt er sich Mühe, sich alles einzuprägen. Jemand tippt ihm gegen den Rücken. Er wendet sich um und erblickt den Jungen, der ihn vorhin noch durch den Boden gezerrt hat. Sein dunkles, fettiges Haar hängt ihm bis über die Augen. Bei der spärlichen Beleuchtung hier scheint es so, als würde die Haut des Jungen grünlich fluoreszieren. Interessant! Aber noch ehe Wojtek etwas sagen kann, kichert das seltsame Kind und neigt sich über die Lehne der Chaiselongue. „Wenn du mir einfach glaubst, dass das hier kein Traum ist, wird es für uns alle viel leichter“, wispert der Junge. Er klingt, als bräuchte er dringend ein Halsbonbon. Ein seltsames Lächeln stiehlt sich auf seine schmalen Lippen, doch Wojtek kann es nicht deuten, da er den Blick des Jungen nicht sieht. Als würde der Sonderling es selbst bemerken, schüttelt er sich das Haar aus dem Gesicht und glotzt ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Sie sind stechend grün und von tiefbläulichen Halonierungen umgeben. Rechts hat er sieben Pupillen, links eine einzige große, die sich eben zu einem katzenhaften Schlitz verengt. „Kein Traum? Bist du dir da auch ganz sicher?“, kichert Wojtek verschmitzt und will sich gar nicht lumpen lassen. „Ja, ganz sicher“, meint der Junge gelangweilt. Er schnellt mit einer Hand vor und tippt Wojtek gegen die Stirn. Der spürt noch einen kurzen, elektrischen Stoß, welcher durch seinen gesamten Körper zu zucken scheint; dann wird alles um ihn herum schwarz. Wojtek erschlafft und sinkt in der Chaiselongue zusammen. „Keine Sorge, er schläft nur“, sagt Malik gleich, als er spürt, wie die anderen alarmiert näherkommen. Er geht um das Möbel herum und sieht hoch zur deutlich größeren Chaosfee, die als Erste heran ist. „Von ihm geht keine Gefahr aus. Ich habe in seinen Gedanken und Erinnerungen herum gewühlt, als du ihn befragt hast, um seine Gedanken auf die Schlagworte zu lenken. Er weiß weder etwas über MSTsaw, MSTings, die Organisation oder das Multiversum. Außerdem glaubt er, er würde nur träumen, wie ihr euch ja schon denken könnt.“ „Nun, das beruhigt mich“, murmelt die Chaosfee schließlich. Sie verschränkt die Arme und bedenkt den schlafenden Rothaarigen mit einem nachdenklichen Blick. „Wir werden ihm einiges erklären müssen, wenn er wieder aufwacht. Dem Jungen wird gewiss nicht gefallen, dass er von einem Moment auf den anderen aus seiner Welt heraus und in unsere gerissen wird. Vielleicht sollte ich versuchen, ein Tor zu...“ „Nein!“, ruft Malik, viel lauter, als es nötig gewesen wäre und unterbricht sie einfach. Hinter sich kann er Torquemada gereizt Luft einziehen hören und spürt sofort dessen Wut über sein Verhalten, aber das interessiert ihn nicht. „Interessanterweise leidet der Kerl an Amnesie, wie ich festgestellt habe.“ Malik schmunzelt. „Er weiß noch, wie er heißt, was er mag, was er gelernt hat und so weiter, aber er hat jedwede Erinnerung verloren, die eine Beziehung zu Freunden, Verwandten oder seiner Heimat ausmachen würde. Dieser Wojtek ist wie ein unbeschriebenes Blatt und wird keine Probleme damit haben, hier zu bleiben.“ Er kichert hämisch. „Übrigens hatte er vor, Psychologie zu studieren und als Therapeut zu arbeiten. Seinen Aufenthalt bei uns kann er also einfach als Praktikum betrachten!“ Seit der Katastrophe am Judicial Court sind drei Tage vergangen. Die entsetzlichen und gleichsam auch geheimnisvollen Geschehnisse sorgten noch weit über Maines Grenzen hinaus für Bestürzung und Verwunderung. Wo einige einen von langer Hand geplanten Terroranschlag vermuteten, sahen andere den makaberen Versuch, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung weg von wirtschaftlichen und politischen Problemen zu lenken ... mit verschärften Mitteln. Viele Theorien wurden entworfen, manche glaubhafter als andere und manche so abstrus, dass der Autor dieser Rahmenhandlung sie als Konzept für eines seiner Zwischenkapitel verwenden könnte. Unter diesem Aspekt nimmt es nicht Wunder, dass ausgerechnet jene Bürger, die hinter der Katastrophe etwas Dämonisches, etwas Magisches und etwas unbegreiflich Böses vermuteten, gewollt von Mächten, die weit über das menschliche Verständnis hinausgingen, mit ihren Ideen noch am nächsten an der Wahrheit liegen sollten. Gerade der esoterischer denkende Teil der Bevölkerung, die Gläubigen und Religiösen, fanden sich von unbestimmbarer Angst erfüllt und nahmen mit perfidem Eifer Anteil an den Geschehnissen. Dem und wohl auch der sehr ausschweifenden Berichterstattung war es zu verdanken, dass Trauer- und Gedenkgottesdienste zu Ehren der Opfer selbst auf der anderen Seite des Kontinents noch abgehalten wurden. Nun, am vierten Abend nach den Geschehnissen im Judicial Court, wird auch die Cathedral Of The Blessed Sacrament in Sacramento, der Hauptstadt Kaliforniens, zum Anlaufpunkt für zahlreiche Trauernde und Verängstigte. Die Menschen erschienen so zahlreich, dass auf den Sitzbänken des Doms kein Platz mehr frei ist. Noch unter den Torbögen, die in die gewaltige, sakrale Halle führen und um die Sitzbänke herum reihen sich einige Anwesende aneinander, während vorne, vor dem Altar und einer schier unüberblickbaren Masse von Fotos und Kerzen, der Prediger seine Gebete spricht. Der Raum schwelgt in goldenem, die Seele wärmendem Kerzenschein, nur noch übertroffen durch das Licht, das die Lampen der imposanten Domkuppel auf den Bereich um den Altar herum werfen. Der Blickfang dieser Kuppel, eine edle, mit einer Taube verzierte Buntglasscheibe genau in ihrem Zentrum, erstrahlt wie ein Mahnmal an den Glauben und die Nächstenliebe ... oder so ähnlich. Keiner ahnt, dass sich fast 35 Meter über dem Gottesdienst, in dem kleinen Wartungsraum, der über der Kuppel und ihrer Buntglasscheibe liegt, ein ungebetener Gast herumtreibt. Keiner sah ihn kommen, als er, während der Gottesdienst bereits im Gange war, einfach aus dem Nichts heraus direkt im Wartungsraum erschien. „Eine solche Ironie habe ich selten erlebt, Elypsion“, kichert MSTsaw voller kindischem Vergnügen, während er dabei ist, ein wirr beschriebenes Blatt Papier mit etwas Klebeband auf dem Boden neben der Glasscheibe zu befestigen. Es ist das achte Blatt; vier hat er noch und beeilt sich, sofort das nächste anzubringen. „Da tauche ich erst bei dieser Gerichtsverhandlung auf und gewinne schnell die Oberhand, um unseren Plan einzuleiten und ein paar Tage später geht es bei einem Trauergottesdienst für diese paar menschlichen Würmer weiter! Das müsst Ihr Euch nun aber mal durch den Kopf gehen lassen, sage ich! Werden diese Narren dann noch einen Trauergottesdienst für den Trauergottesdienst abhalten oder was?!“ Der alte Mann lacht schallend und presst sich sofort beide Hände auf den Mund, um es so gut es geht zu unterdrücken. „Ich erkenne den Sinn in deiner Arroganz und deinem selbstinszenierenden Verhalten nicht, MSTsaw“, dröhnt es durch seine Gedanken, als Elypsion zu ihm spricht. „Es mag sein, dass deine neu gewonnenen Kräfte den Größenwahn aufleben lassen, der deiner Seele schon immer inne lag. Doch ist es nötig, so offen und provokant vorzugehen, wenn du deine Aufträge ausführst? Denke immer daran, dass die MSTing-Sues die allgegenwärtige Gefahr in diesem Multiversum sind! Fährst du so fort, werden sie bald leichtes Spiel haben, dich aufzuspüren!“ „Oh, diese dummen MSTing-Sues können mir nicht gefährlich werden, nein, nein, nein... Die kommen nicht nach Silent Hill und selbst wenn, dann mache ich sie platt und stecke sie in den Deus Ex Machina“, brabbelt MSTsaw, während er das nächste Blatt auf den Boden klebt und die Glasscheibe ein Stück weiter umrundet. „Ich möchte nur, dass alles schön zusammenpasst! Erst die Verhandlung, nun dieser Trauergottesdienst hier, auf dem ich einen leibhaftigen Engel fangen werde! Da könnte man fast meinen, ein Autor hätte alles geschrieben und fein aufeinander abgestimmt! Also muss ich das Plothole natürlich in der Kuppel öffnen. Von da aus haben Alessas Ketten auch leichtes Spiel - wie schön.“ MSTsaw lacht maliziös, während er die letzten Blätter anbringt. Er erhebt sich und betrachtet sein Werk; zwölf um die Glasscheibe herum angebrachte FF-Seiten, immer zwei gegenüber, wie Zahlen auf einer Uhrscheibe. „Mir soll es recht sein, solange du nicht scheiterst, MSTsaw! Gehe nun endlich und fange die Mary Sue! Setha muss ihre Rolle wieder erfüllen und ihren Platz im Deus Ex Machina einnehmen.“ „Natürlich, ja, jetzt, wo ich alles vorbereitet habe, werde ich das wohl besser tun, nicht wahr?“ Er holt tief Luft und tritt, ein fanatisches Lächeln auf den Lippen, mitten auf die Glasscheibe. Sie knackt bedenklich unter seinem Gewicht. „Was hast du vor?!“, plärrt Elypsion in seinen Gedanken. MSTsaw kichert nur noch. „Ich nehme direkt den kurzen Weg, habe keine Lust, erst noch runter zu laufen und durch den Haupteingang reinzugehen!“ Er spannt sich, springt hoch, zerschmettert die mit einer Taube verzierte Scheibe schließlich unter sich und stürzt knapp 35 Meter in die Tiefe. „Soll ... soll das etwa heißen, dass das schöne FF-Netzwerk jetzt ganz kaputt ist und wir uns niachts mehr ansehen können?“, murmelt Eli zögerlich. Er, Goe und Basy haben sich zwischenzeitlich bei Doktor Weinberg eingefunden. Die eifrige Wissenschaftlerin hantiert auf ihrer Konsole herum, während ihr die Kommentatoren mit mehr gutem Willen als Verständnis dabei zusehen. „Ja, so sieht das jetzt wohl aus, sage ich mal. Sie verstehen schon? Da gipfeln die FF-Fluktuationen und der Massezuwachs der FF in einem fulminanten ... eh ... Gipfel, wenn Sie verstehen, und dann erscheint plötzlich dieser Gary Sue, was hier auch noch gemessen werden konnte und eine Spannungsspitze legt unser System lahm, da das Mini-Plothole die vierte Wand irgendwie ... Dings – sage ich mal.“ Sie seufzt niedergeschlagen und rückt sich die Brille zurecht. „Wir werden womöglich Tage brauchen, um das alles wieder zu reparieren. Möchte nur hoffen, dass Sie noch ein paar FFs im Schrank liegen haben, um sich die Zeit zu vertreiben! Das meine ich damit, wenn ich sage, dass wir uns viel zu sehr auf moderne Technologie verlassen! Da haben wir unsere MSTcoms, die wir anschließen können und die uns interdimensionale Kommunikation ermöglichen und alles, aber kaum zerfetzt es uns die Rechenzentrale, stehen wir da, ohne jede Möglichkeit, FFs zu genießen und den Freuden des Lesens zu frönen! Es ist so furchtbar!“ Die Doktorin bricht schluchzend in Tränen aus, während die Kommentatoren nicht umhin kommen, sich skeptische Seitenblicke zuzuwerfen. Plötzlich flucht Dr. Weinberg ungehalten. „Was ist denn jetzt los? Ich verstehe nicht!“, gackert sie und starrt entsetzt auf den Bildschirm. Goe nähert sich dem Monitor, auf dem nur ein Gewirr grüner Einsen und Nullen zu sehen ist, die in atemberaubender Geschwindigkeit auftauchen und wieder verschwinden. „Was genau sehen Sie denn, Frau Doktor? Konnten Sie die FF wieder herstellen?“, fragt er nach und sieht sie aus dem Augenwinkel an. Das Wissenschaftshuhn räuspert sich. „Nun, dasselbe wie Sie sehe ich, möchte ich mal meinen, ja? Nein, die FF habe ich noch nicht, ich habe nur einen Berg Einsen und Nullen! Was erwarten Sie von mir?! Ich bin Wissenschaftlerin in Sachen Plotdevicetechnologie und Multiversalphysik, keine Computerexpertin! ARGH!“ Goe weicht zurück, um dem Schnabel des vor Zorn übersprudelnden Wissenschaftshuhns zu entgehen, als Dr. Weinberg nach ihm hacken will. „Nun gehen Sie schon und lassen uns hier unsere Arbeit machen! Wir melden uns dann, wenn wir was haben!!!“, kreischt sie. Goe wendet sich sofort ab. Leicht verstört machen sich die Kommentatoren auf den Rückweg. Entsetztes Schweigen hängt wie ein drückender Schleier über der Masse der Anwesenden. Für einen Moment sind die letzten, noch auf dem Boden zerberstenden Scherben sogar das einzige Geräusch, das überhaupt zu hören ist. Mit vor Entsetzen und Verwirrung erstarrten Zügen nähert sich der Priester dem in eine braune Robe gehüllten Mann, der eben durch die Glasscheibe der Kuppel brach und genau auf dem Altar aufschlug. Er rührt sich nicht, doch da macht sich der Priester auch keine Hoffnungen. Einen Sturz aus solcher Höhe überlebt keiner. Wenigstens hatte der arme Mann, der wohl zum Wartungspersonal gehört, noch Glück im Unglück: Nicht ein einziger Blutstropfen ist zu sehen und ... plötzlich zuckt der vermeintliche Leichnam. Immer wieder. Spastische Krämpfe scheinen ihn zu erfüllen. Das hohle Knacken seiner gebrochen Knochen ist deutlich hörbar. Entsetzt weicht der Priester einige Schritte zurück und sieht zur Gemeinde. Noch immer ist es fast totenstill im Dom. Nur die Geräusche des zuckenden Körpers sind zu hören, der immer wieder auf dem Altar aufschlägt, fast unnatürlich laut. Auf einmal schwingt sich der Mann empor und saugt gierig Luft ein. Er ist so schnell, dass es seinem Alter – und dem Sturz – blanken Hohn spricht. Abermals weicht der Priester einen Schritt zurück. Er stöhnt nur noch verblüfft, als der Mann schließlich mit einem leichtfüßigen Hüpfer vom Altar springt und sich einige Glasscherben von der Robe klopft. „Sehr geehrte Damen und Herren, werte Schizophrene“, hebt MSTsaw mit gellender Stimme an, während er den Blick seines unmaskierten Auges hochkonzentriert über die Masse schweifen lässt. Seine Worte hallen dröhnend von den hohen Wänden wieder ... und sie alle starren ihn nur an. „Ich bitte freundlich um Verständnis für meinen sehr gewagten Auftritt!“ Während er spricht, rückt er seine Maske gerade, die beim Aufprall etwas verrutschte. „Aber wüssten Sie um die Umstände, die mich hierher führen, würden Sie gewiss verstehen, warum...“ Sie alle starren ihn an, immer noch. Keiner rührt sich; ein einziger, gaffender Mob. Es macht ihn wahnsinnig. MSTsaws Finger beginnen zu zittern. „Ach, scheiß doch drauf!“, plärrt er und reißt die Arme empor. „Deus Ex Machina!“ Dann geht alles ganz schnell. In der Kirche wird es stockdunkel, als die paar Lampen und sämtliche Kerzen einfach ausgehen. Ein Fliegeralarm heult auf, scheint gleichzeitig von überall her zu kommen und hallt noch zwischen den Wänden und der Kuppel wieder, um ein Vielfaches verstärkt. Erste, verängstigte Rufe und Flüstern werden unter der Gemeinde laut. Dann heult die Sirene zum zweiten Mal und mit ihr breitet sich ein blutiges, rotes Licht im Dom aus, ausgehend von der Kuppel, von der MSTsaw eben noch herunterfiel. Hinter dem Loch, wo nur der kleine Wartungsraum sein sollte, kaum zu erkennen aus dieser Entfernung, ist nun etwas anderes. „Flieht, ihr alle!“, brüllt von irgendwoher hysterisch eine Stimme; die Stimme eines Mädchens, melodisch, rein, glockenhell, wie so viele sich wohl einen Engel vorstellen. Ein diabolisches Grinsen stiehlt sich auf MSTsaws Lippen. Er hat sie gefunden! Zum dritten Mal dröhnt die Sirene. Das blutige Licht wird immer heller. Angstvoll erheben immer mehr Leute die Köpfe und sehen zur Kuppel empor. Der massive Bau scheint zu zerbröckeln. Nein, er löst sich in hauchdünne Flocken und Fetzen auf, beginnend um den kreisrunden Bereich herum, in dem vormals noch die Glasscheibe eingefasst war. Binnen weniger Sekunden zerfällt die gesamte Kuppel. Dahinter ist etwas Fürchterliches: Eine wabernde, rotbraune Masse, die wie ein zuckender Tunnel in die endlose Ferne zu führen scheint. Von dort kommt das Licht. Es wirft blutige Strahlen im herabfallenden Staub. „Rennt doch endlich weg!“, kreischt abermals die Mädchenstimme und übertönt noch das immer lauter werdende Gemurmel und Gefasel der Masse. MSTsaw bemerkt, wie es weiter hinten unruhig wird. Sie will sich wohl einen Weg nach vorne bahnen, die Mary Sue, aber der Pöbel ist so gelähmt vor Angst und Erstaunen, dass er sie gar nicht wahrnimmt, denkt er sich. „Aber nicht doch!“, ruft MSTsaw gleich zurück und breitet gebieterisch die Arme aus. „Bleiben Sie ruhig allesamt wo Sie sind! Durch die Türen kommen Sie nun eh nicht mehr nach draußen und ich kümmere mich schon darum, dass Sie von hier verschwinden! Lassen Sie sich das aber mal gesagt sein, Himmel, Herr, Kreuz und Donnerwetter!“ Trotzdem rütteln hinten bereits einige an den Türflügeln. Vergebens. Ängstliche und überraschte Schreie sind zu hören, woraufhin MSTsaw nur noch genervt seufzt. „Ja, ja, ja“, lallt er, winkt ab, „kaum passiert mal was Ungewöhnliches, das euch in Erstaunen versetzt, bricht unter euch Heiligen und Glaubensstarken gleich wieder die Panik aus, was? Idioten!“ Er fährt herum und sieht zum Priester, der ängstlich auf dem Boden kauert und sein Kreuz vor sich hält. „Narren, allesamt!“, brüllt MSTsaw. Er reißt abermals die Arme empor und ruft seinen Deus Ex Machina an. Schließlich bricht die Hölle los. Ein metallisches, allgegenwärtiges Rasseln und Scheppern erklingt von der Decke. Aus der unheimlichen Erscheinung, die dort ist, wo die Kuppel sein sollte, stoßen unzählige, von geisterhaftem Eigenleben erfüllte Ketten herunter! Ein ganzer Schwall schlingt sich sofort um den Priester, während noch mehr aus dem Loch herunterfahren und nur in der Luft herumzucken. Der Mann schreit vor Angst und Schmerz auf, als er an Armen und Beinen emporgerissen wird. Hilflos zappelt er herum und versucht sich zu befreien. MSTsaw wendet sich wieder der Gemeinde zu. Seine Robe bauscht sich, als er herumfährt und das blutige Licht lässt sein Auge aufleuchten, spiegelt sich auf seiner Maske. Er hebt die Hand und scheint in einer einzigen Bewegung auf alle gleichzeitig zu deuten. „Aber das ist schon irgendwie köstlich, nicht wahr? Da rottet ihr euch an Orten wie diesem hier zusammen, um euren wirren und irrsinnigen Praktiken nachzugehen, an deren Sinn ihr nur mit gutem Willen glauben könnt und erkennt doch nicht, dass ironischerweise gerade das der Beweis dafür ist, dass es zwischen Himmel und Erde mehr gibt, als die menschliche Schulweisheit sich erklären kann!“ MSTsaw lacht gehässig, als seine Ketten den Priester einfach zerfetzen. Blut spritzt umher, so weit, dass es einigen sogar ins Gesicht klatscht. Das Geschehen versetzt die Masse in blanke Panik, aber sie kommen kaum dazu, die Flucht zu ergreifen. „Deus Ex Machina!“, schreit MSTsaw abermals. Hunderte der Ketten stoßen hernieder und packen wahllos Leute, manche am Hals, manche sogar nur an den Knöcheln. Immer mehr werden in die Luft und auf das dämonische Portal zugezogen. Der Dom versinkt in Agonie und panischen Schreien, die das Gerassel übertönen. Dann sieht er sie. Sie steht mitten auf dem Gang, der sich nun leert, gekleidet in ein schlichtes Jeansoutfit und eine pinke Rüschenbluse. Das silberweise, rötlich schimmernde Haar hängt ihr wie ein Schleier bis zum süßen Apfelpo und ein Ausdruck blanken Unglaubens liegt in ihren rubinroten, grün gepunkteten Augen. MSTsaw stößt sich ab und springt mit einem weiten Satz vom Podest. „Setha Kashka!“, ruft er erfreut und winkt ihr zu. „Endlich treffen wir uns wieder, mein liebes Kind! Ich war schon besorgt, dir wäre etwas zugestoßen!“ Setha rennt los. Noch während sie sich abstößt, vollführt die Mary Sue eine hastige, kompliziert wirkende Bewegung mit der Rechten. Sie berührt ihren Bauch ... und zieht mit einem Ruck ein goldenes, mit einem Horusauge verziertes Kurzschwert aus ihrem Körper! Sie packt die Waffe mit beiden Händen und schlägt mit aller Kraft auf die Ketten ein, welche sich in ihrer unmittelbaren Nähe um die Leute schlingen. Aber wie sinnlos dieses Unterfangen ist, bemerkt sie nur einen Augenblick später; für jede Kette, die sie durchtrennt, schießen sofort zwei neue heran! Entsetzt fährt sie herum und rennt auf MSTsaw zu. Sie reißt ihr Schwert empor und stößt es dem Alten schreiend entgegen. Aber er lacht nur spöttisch, duckt sich unter ihrem Hieb hinweg und springt ohne Mühe fünf, sechs Meter zurück. MSTsaw landet wieder auf dem Altar. „Also Setha!“, ruft er und bedenkt sie mit einem tadelnden Blick. „Mir ist ja bewusst, dass die Jugend entsetzlich verdorben ist, aber dass junge Gören heutzutage schon alte Herren mit Schwertern angreifen, das ernüchtert mich nun doch ganz schön! Deus Ex Machina!“ Immer mehr Leute werden emporgerissen. Sethas Augen weiten sich vor Entsetzen, als sie bemerkt, dass bereits fast die gesamte Gemeinde gepackt wurde! Immer mehr verschwinden im Portal. „MSTsaw, du Teufel! Was hat das alles zu bedeuten?!“, schreit sie und beißt vor Wut die Zähne aufeinander, packt ihr Schwert fester. „Und wie ... wieso lebst du noch?!“ Aber der Alte grinst nur jovial. „Mein liebes Kind, ich darf ja wohl sehr bitten! Deine Umgangsformen lassen wirklich zu wünschen übrig.“ Erste Ketten wirbeln herum und halten auf Setha zu. Die Mary Sue steppt zur Seite, rennt einige Schritte und entgeht den herabstoßenden Spitzen in letzter Sekunde. Sie treffen mit einer solchen Wucht auf, dass kleine Stücke aus dem Marmorboden geschlagen werden. „Ich kann mir denken, dass du mich willst, du Monster! Aber lass die Leute frei!“, schreit die junge Mary Sue. Sie setzt mit übermenschlichen Kräften vor, springt auf MSTsaw zu und stößt ihre Klinge nach ihm. Er weicht dem Hieb im letzten Moment aus. Sethas Schlag zerschmettert den Altar, auf dem MSTsaw eben noch stand. „Mein liebes Kind“, fährt er kichernd fort, als er in einigem Abstand wieder zur Ruhe kommt, „was kann ich denn dafür, dass du dich ausgerechnet an einem Ort wie diesem hier aufhältst, wenn ich mich entscheide, dich wieder nach Hause zu holen? Du solltest schon im Bettchen liegen, wie sich das für ein junges Mägdelein werktags gehört, aber hallo! Doch ich möchte ja nicht heucheln: Nicht nur war es mir so möglich, dich ohne Schwierigkeiten zu finden, nein, auf diesem Weg komme ich gleich noch gratis an genug neue Sklaven für mein etwas größeres Projekt.“ MSTsaw lächelt freudig. „Wenn das keine doppelt schöne Nachricht ist! Deus Ex Machina!“ Ein Ruck geht durch das undurchschaubare Kettengewirr. Mittlerweile sind es so viele, dass der Klang ihrer Bewegungen zu einem einzigen, nicht enden wollenden Rasseln verschmilzt. Ein Dutzend davon zuckt herum. Ihre Spitzen richten sich genau auf Setha, als würden sie sie anvisieren. Dann schnellen sie voran und sirren so schnell auf die Mary Sue zu, dass sie ihren Bewegungen kaum folgen kann. „Oh nein!“, kreischt sie und streckt in letzter Sekunde ihre linke Hand empor. Um das Handgelenk trägt sie einen goldenen Ring, auf dessen rissiger Oberfläche ein Auge eingraviert wurde. Das Schmuckstück leuchtet sogleich rosarot und ein wabernder Schutzschild baut sich um Setha auf, an dem die Ketten einfach abprallen. MSTsaw hebt eine Augenbraue, während er der Erscheinung zusieht. Mit einem Wink seiner Hand befehligt er noch mehr Ketten, die herbei schwirren und auf den Schutzschild peitschen. Rosarote, leuchtende Splitter fliegen davon, aber noch hält die Barriere seinen Angriffen stand. Dahinter kann er Setha erkennen. „Ach, verfluchter Mary-Sue-Nippes schon wieder! Das dauert mir nun aber wirklich zu lang!“, ruft MSTsaw genervt und reißt sich die Maske vom Gesicht. Als er sein tiefschwarzes Auge aufschlägt, flammt sofort ein roter Funke darin auf, der immer heller wird. Die Ketten ziehen sich zurück – dann ist Sethas Schutzschild plötzlich verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben! MSTsaw hält den goldenen Armreif in der Hand. Er betrachtet ihn kurz und lässt ihn in einer Tasche seiner Robe verschwinden. Noch ehe die Mary Sue überhaupt bemerkt, wie ihr geschieht, stößt das klirrende, metallische Gewirr abermals auf sie nieder. In letzter Sekunde rollt sie sich zur Seite hin ab. Funken schlagen auf, als die Kettenspitzen mit unglaublicher Kraft auf den Boden schlagen und zurückfedern. Hastig kommt Setha auf die Füße, rennt los und reißt ihr Schwert herum, um mit der Breitseite die Ketten zurückzuschlagen, die schon wieder heran sind. Der Aufprall reißt ihr die Klinge fast aus der Hand. Den abermals auf sie eindringenden Metallschlingen entgeht sie mit tänzelnden, eleganten Schritten und hält direkt auf MSTsaw zu. Aber der Alte belächelt sie nur. Voller unverhohlener Arroganz verzieht er seine unheimliche Visage. Setha läuft es eiskalt den Rücken hinunter, als sie seine nun unmaskierte Gesichtshälfte, die mehr tot als lebendig zu sein scheint und dieses schauderhafte, böse Auge bemerkt. Er bewegt sich nicht einmal vom Fleck. Hinter ihm wirbeln Ketten heran, sirren teils mit nur wenigen Zentimetern Abstand um ihn herum rasen genau auf Setha zu! Die Mary Sue beißt die Zähne aufeinander, packt ihr Schwert so fest sie kann und reißt es empor. Sie durchschlägt vier, fünf der Schlingen einfach, duckt sich unter anderen hindurch und entgeht einer nur mit einem gewagten Sprung. Schreiend stößt sie ihr Schwert nach MSTsaw. Den Widerstand, als die Spitze ihrer Waffe gegen seine Brust stößt, registriert sie noch. Doch in diesem Moment geschieht etwas: Für einen Sekundenbruchteil scheint ein Zucken durch den Raum, die Mauern, ja, sogar durch Setha selbst zu verlaufen. Dann ist MSTsaw einfach verschwunden. „Was?!“, jappst die Mary Sue, als ihr Angriff ins Leere geht und sie zu Boden fällt. Aber ihr wird keine Pause gegönnt. Sofort rollt sie zur Seite und entgeht den heranschnellenden Ketten im letzten Moment. Sie sind so schnell, dass sie sich in das hölzerne Podest bohren, als träfen sie auf keinerlei Widerstand, nur um einen Moment später von unten hervorzubrechen und abermals wild nach ihr zu peitschen. Setha rappelt sich hoch und springt zur Seite. Hinter sich kann sie MSTsaw lachen hören. Sie fährt herum und erblickt den Alten, der es sich auf einer Bank in der vordersten Reihe gemütlich gemacht hat. Über ihm baumelt ein herabhängender Wald mehr und mehr erlahmenden, von metallenen Gliedern umschlungenen Körper, die nach oben und in den Tunnel gezogen werden. Erst jetzt wird Setha vollends bewusst, wie still es im Saal geworden ist. Abgesehen von ihrem stoßweise gehenden Atem hört sie nur noch das metallische Klirren, sonst nichts. Hier schreit niemand mehr. Sie alle wurden gepackt und nach oben gezogen, hinein in das unsägliche Portal, binnen einiger weniger Minuten. Die letzten verschwinden soeben. Der entsetzliche Anblick gibt Setha neue Kraft. Sie spurtet los, entgeht hastig einigen herannahenden Ketten und springt vom Podest. Abermals will sie sich auf MSTsaw stürzen, doch ihr Wutschrei verwandelt sich in einen Schmerzensschrei, als sie plötzlich am Fuß gepackt und zurückgerissen wird. Ihr fällt das Schwert aus der Hand und geht scheppernd zu Boden. Setha wird mehrere Meter durch die Luft geschleudert. Sie kracht wuchtig gegen eine der Bänke. Diese wird durch den Aufprall noch zurückgeworfen und stößt gegen die nächste Bank. Im Schwung stak so viel Wucht, dass noch vier, fünf weitere Bänke in Bewegung kommen und nötig sind, die Bewegung abzufangen. Setha kann das Holz knacken hören. Stechende Schmerzen flammen in ihrem Rücken auf und der Aufprall treibt ihr sämtliche Luft aus den Lungen, sie ist wie gelähmt. Als sie die Augen aufschlägt, gewahrt sie, wie ein Schwarm der Ketten sich um die religiöse Insignie schlingt, die über dem Podest hängt; ein fast drei Meter langes Kreuz aus blankem Gold. Ein Ruck geht durch die Konstruktion, als die Dinger daran zerren. Die Halterungen reißen. MSTsaws unheimliche Schlingen wirbeln herum und schleudern Setha das Kreuz entgegen. Sie schreit vor Schreck auf, rafft ihre verbleibende Kraft zusammen und springt im letzten Moment von der Bank. Das Holz wird unter dem Aufprall der Insignie zerschmettert. Keuchend geht Setha zu Boden, mitten auf dem Flur. Vorne sieht sie MSTsaw. Vor seinen Füßen liegt ihr Schwert. Er geht in die Hocke, ergreift es und wiegt es prüfend auf und ab. Setha will aufspringen, doch die Ketten sind schneller, kommen plötzlich aus allen Richtungen. Die Sue schreit auf, als sie von immer mehr Schlingen gepackt und umwickelt wird, bis nur noch ihr Kopf frei ist. Sie kann sich nicht mehr bewegen. Ihre Sinne schwinden. „Nun, liebes Kind, ich glaube, dass dies ein guter Moment ist, um einmal ganz offen zuzugeben, dass ich sehr beeindruckt von dir bin!“, kichert der Alte und schlendert langsam auf sie zu. Die Bewegungen der Ketten werden schlagartig langsamer, genauso wird auch das Klirren und Scheppern leiser. „Silent Hills Zerstörung konnte ich zensieren und die Stadt wieder auferstehen lassen, die Zerstörung des Deus Ex Machina konnte ich ebenso zensieren und das Gerät wieder herstellen, aber deinen Tod, dessen ich mir so sicher war wie du dir des meinigen, ja, den konnte ich nicht zensieren! Woran liegt das nur, fragte ich mich damals.“ MSTsaw hat sie fast erreicht, ist keine fünf Schritte mehr entfernt. „Die Antwort würde mich sehr interessieren! Da ich nicht glaube, dass mein närrischer Neffe dich nach meinem Ableben aus dem Deus Ex Machina befreit hat, sodass du dein kleines, beneidenswert einfaches Sue-Leben leben kannst, nehme ich an, dass du bis zur Zerstörung des Deus Ex Machina in ihm gefangen warst. Nachdem er explodierte und die Stadt mit sich ins Verderben riss, konntest du dich, deinen Engelskräften sei Dank, wohl noch aus deiner eigenen Asche regenerieren! Oder wie war das? Häh?!“ Er sieht sie fordernd an, als er schließlich vor ihr verharrt, wartet offenbar auf eine Antwort. Aber Setha schert sich nicht darum. Mit vor Verachtung lodernden Augen räuspert sie sich und spuckt ihn nur an. „Widerliche Bestie! Was bist du nur für ein Mensch?!“, schreit sie. Sofort zerren sich die Ketten noch enger zusammen und pressen ihr die Luft aus den Lungen. Setha stöhnt vor Schmerz, sieht Sterne und farbige Lichter vor sich aufflammen. „Also wirklich!“, tadelt MSTsaw sie, schüttelt den Kopf. Er hebt demonstrativ das Schwert und hält es vor sich. „Ich kenne deine Schwäche, mein liebes Kind! Du magst ja faktisch unsterblich sein, aber das nützt dir auch nichts, denn sobald dein Herz durchbohrt wird, kannst du dich nicht mehr bewegen und bist völlig wehrlos, so lange dein Engelsherz angehalten wird!“ Blankes Entsetzen durchfährt Setha, als sie endlich begreift, was ihr Gegner vorhat. Sie erinnert sich noch gut an die Zeit, die sie in MSTsaws ungeheuerlichem Deus Ex Machina verbrachte; bei vollem Bewusstsein und nahezu jeder Kraft beraubt. „Daher werde ich dies hier nun auch zu einem Ende bringen und...“ Aber weiter kommt er nicht. Gleißende Lichtstrahlen brechen aus dem metallischen Kokon hervor, der Setha gefangen hält. MSTsaw setzt zurück, kneift die Augen zusammen. „Was hat das zu bedeuten?!“, ruft er, aber er erhält keine Antwort. Mit einem berstenden Knall wird das Gefängnis zersprengt. Setha schwebt über dem Boden, emporgehalten von unsichtbaren Kräften. Sie leuchtet immer heller. Dampf steigt von ihrem Körper auf, als sich die Wunden regenerieren, welche durch die stachelbesetzten Fesseln in ihre Haut gerissen wurden. Die Mary Sue schreit auf und ihren Schulterblättern entwächst ein imposantes Paar strahlender, weißer Schwanenflügel. Sie funkeln, als wären sie über und über mit Diamanten besetzt. Mit eiserner Miene schwebt Setha empor und fixiert den diabolischen Alten, der nur mit den Augen rollt. „Ah, stimmt“, murmelt MSTsaw, „die kannst du ja bei Bedarf ausfahren, um dir die Haut zu retten. Wortwörtlich. Verdammte Mary Sue!“ Er reißt die Rechte empor und abermals sirren unzählige seiner Ketten heran, stoßen vor und nähern sich Setha aus allen Richtungen. Die Sue schlägt einmal mit ihren Flügeln; eine gleißende Druckwelle breitet sich donnernd aus und drängt die unheilvollen Schlingen einfach zurück. Auch die Sitzbänke werden davongeschleudert und zerschellen berstend an den Wänden. MSTsaw wird von den Füßen gerissen und geht, vor Überraschung aufjaulend, zu Boden, während das Schwert davonfliegt und irgendwo hinter dem zerstörten Altar landet. „MSTsaw!“, ruft Setha und schwebt höher, wehrt abermals einen ganzen Schwall der Ketten ab, die schon wieder heran sind. Das Licht, das von ihr ausgeht, treibt den blutig roten Schein zurück. Es wird wieder hell in der Kirche. „Ich habe keine Ahnung, warum du hier bist und was du vorhast. Ich will es auch gar nicht wissen!“ „Pah! Als ob du es überhaupt begreifen würdest, närrische, unwissende Göre, du! Und dabei ist er auch dein Herr, unglaublich!“, brüllt der Alte und reckt das Kinn vor, während er sich aufrichtet. Blut sickert aus seinem Mundwinkel. „Etwas so Brunzdummes wie dich hat er geschaffen, das ist unglaublich!“ MSTsaw bricht in schallendes Gelächter aus, aber Setha ignoriert es. „Sag mir, MSTsaw...“, ertönt ihre engelsgleiche Stimme. Silberblau leuchtende Federn lösen sich aus ihren Flügeln und fallen anmutig zu Boden. „Was ist mit dir geschehen? Ich sehe dich an und sehe, dass du MSTsaw bist, doch ich sehe auch, dass du nicht mehr der bist, den ich gekannt habe. Du bist nicht der einsame, alte Mann, der in seiner Trauer und Verbitterung langsam dem Wahnsinn anheim fiel und anfing, Trost und Beschäftigung im Lesen zu finden! Eine dunkle Aura umgibt dich. Wer ist dieser 'Herr', von dem du sprichst?“ „Ach, erspar' mir doch deinen hirnverbrannten Pathos über Licht und Dunkelheit!“, spottet MSTsaw und wackelt albern mit den Fingern. Erneut wirbeln seine Ketten heran. „Deus Ex Machina!“, schreit er auf und die Ketten verändern sich. Knisternde Funken zucken an ihnen entlang, springen untereinander über und werden immer dichter. Schließlich umhüllt ein massives Netz knisternder Blitze jedes einzelne der Kettenglieder. Sie stoßen Setha entgegen, doch die Sue ist schneller; abermals schlägt sie mit den Flügeln, wirft die Projektile zurück und mehr noch: Eine gleißende Sphäre heiligen Lichts folgt der Druckwelle. Sie ist so hell, dass MSTsaw seine Augen hinter den Händen verbergen muss. Er sieht nicht mehr, wie unzählige, leuchtende Federn aus Sethas Flügeln schießen und die Ketten durchschlagen, wo sie sie treffen. Scheppernd fallen die Schlingen zu Boden. „Wie bitte?!“, brüllt MSTsaw, der die Augen zu öffnen versucht und gewahrt, was um ihn herum geschieht. „Du! Ist das denn die Möglichkeit?!“ Aber Setha unterbricht ihn in seiner Litanei, während die Helligkeit immer intensiver wird. „MSTsaw!“, ruft sie abermals und breitet die Arme aus. „Ich werde nicht zulassen, dass du noch mehr Unheil über die Welt bringst als nun bereits geschehen! Ich kann mir denken, dass du auch der bist, der hinter der Katastrophe von vor einigen Tagen steckt und dein Treiben findet hier sein Ende! Die Menschheit braucht Liebe, keinen Hass!“ „Bla, bla, bla“, meint der Alte nur gedehnt und beobachtet schräg grinsend, wie sich das Licht um Setha herum zu verdichten beginnt. Zwölf glühende, silberblaue Speere entstehen in der Luft und umkreisen die Sue. Schließlich klatscht sie in die Hände. Ihre Speere wirbeln herum und rasen auf MSTsaw zu. Schnell setzt der Alte zurück und versucht ihnen auszuweichen, aber sein Fuß tritt nicht auf festen Boden. Wie aus einer Laune des Schicksals heraus, liegt die Maske, die er sich noch vorhin vom Gesicht riss, genau hinter ihm. Das Stück Tand fängt seine Bewegung nicht ab. MSTsaw rutscht ab und verliert die Balance. Seine Augen weiten sich vor Überraschung, als er realisiert, dass er ausgleitet und zu Boden fallen wird. Doch dazu kommt es nicht mehr. Krachend schlagen die Speere aus allen Richtungen auf ihm ein und durchbohren seinen Körper so schnell, dass er nicht zu Boden gedrückt sondern schräg in der Luft gehalten wird. Er stößt noch gurgelnde, röchelnde Laute aus, als plötzlich eine Woge aus Schmerz und Feuer über ihm zusammenbricht. Aus zitternden Augen sieht er zu Setha empor, die noch immer wie ein leibhaftiger Engel in der Luft schwebt. Seine rechte Hand zuckt, als wolle er sie nach ihr ausstrecken. Dann erschlafft der alte Mann. Mit seinen Bewegungen endet auch das Rasseln der Ketten endgültig. Die, die noch intakt sind, erschlaffen und hängen Sekunden später träge aus dem Portal heraus. „Ach, MSTsaw“, wispert Setha traurig. Eine einzelne Träne rinnt ihr aus dem Auge und hinterlässt eine schillernde Spur auf ihrer Wange. „Ich weiß nicht, wie du überleben konntest, oder was dich endgültig um den Verstand gebracht hat, aber...“ Schluchzend sinkt sie zu Boden und kommt mit den Zehenspitzen voran auf. „Wie konnte all das nur geschehen?“, wimmert Setha, während sie ihren Blick durch den verwüsteten, menschenleeren Dom schweifen lässt. Blut besudelt weiträumig den Boden. Überall liegen zerschmetterte Bänke herum, Dekorationen wurden wild verstreut. Sie kann noch einige Handtaschen sehen, die die Gemeindemitglieder verloren haben müssen. Hinten ragt das goldene Kreuz aus einem Berg von Trümmern hervor. Das Bild der Verwüstung erfüllt Setha mit blankem Entsetzen. Sie wendet sich um und wirft mit einer Mischung aus Hilflosigkeit und Ernüchterung einen letzten Blick auf den von Lichtspeeren aufgespießten MSTsaw. Er rührt sich nicht mehr. Weinend wendet sich Setha ab und geht ein paar Schritte. Ihre Flügel legen sich an ihren Rücken. Sie schließt die Augen, um sich die Tränen besser wegwischen zu können. Was für ein Chaos... Als sie wieder aufsieht, bemerkt sie gerade noch, wie der Alte, direkt vor ihr, mit ihrem Millenniumsschwert ausholt und es ihr kraftvoll in die Brust rammt. Setha erstarrt, als ein Ruck durch ihren Körper fährt und die Klinge ihr Herz durchbohrt. Alles an ihr erstarrt, sogar ihre Augen, die, fassungslos und voller Unglauben, nur noch MSTsaw fixieren. Er grinst sie manisch an. „Dass du aber auch nicht einfach artig sein kannst, du verzogenes Gör, du! Fürchterlich, dieser Aufruhr hier! Und sieh dir nur an, wie du meine Robe zugerichtet hast!“ Setha erschlafft. Schließlich wird sie nur noch durch die Klinge in ihrer Brust emporgehalten. MSTsaw hält sie fest umklammert. Das Leuchten ihrer Flügel erstirbt; erst fallen nur einige Federn zu Boden, dann lösen sie sich ganz auf. Alles versinkt wieder in blutiger, roter Helligkeit, als auch Sethas Heiligenschein erstirbt. Abermals wird das Rasseln der Ketten laut. Setha sieht nicht mehr, wie wieder Bewegung in das Gewirr kommt, noch mehr davon aus dem Portal austreten. Als sie heran sind, umwickeln sie die Mary Sue fast behutsam, schlingen sich um ihre Brust und fixieren das Schwert. Die unsterbliche Engelstochter, Setha Kashka, zum zweiten mal besiegt von einem alten Mann aus Silent Hill, wird emporgehoben und in die Hölle gezogen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)