Stadt, Land, Fluss
Eigentlich müsste man sich freuen, dass Ivan heute nur Stadt-Land-Fluss mit einer zusätzlichen Kategorie („Dinge, die man mit Wodka tun kann“) spielen will. Während Raivis rätselt, ob Absurdistan ein Land ist, und Toris wie auf glühenden Kohlen sitzt, weil er zu seinem Rendezvous mit Natalia nicht zu spät kommen möchte (da sie ihm beim letzten Mal alle Finger gebrochen hat, fragt er sich, was sie diesmal mit ihm anstellen wird), ist Eduard seit zwanzig Sekunden fertig („Antsia, Aserbaidschan, Amme, Auf Ex trinken“), traut sich aber nicht, es zu sagen. Am Ende gewinnt Ivan. Er mag Stadt-Land-Fluss.
Die letzte Gelegenheit
Ivan nimmt die Zigarette aus dem Mund und stößt den Rauch durch die Nase aus. In den Falten auf seinem Gesicht stehen Müdigkeit und Humorlosigkeit.
„Du hast jetzt die letzte Gelegenheit, etwas zu tun, was du dir von morgen an nicht mehr erlauben wirst.“
Einen Moment lang sieht Eduard ihn von der Seite her an. Dann streckt er die Hand aus, zieht die Zigarette zwischen Ivans Fingern hervor, drückt sie auf dessen Schulter aus, womit er ein schwarzes Loch in die Mitte der dort aufgenähten Flagge sengt, lässt sie fallen und tritt sie in die verbrannte Erde zu ihren Füßen.
Notre petite famille
„Auf unsere Freundschaft“, sagt Francis und nippt an seinem Wein.
Schweigend sieht Ludwig hinab auf das nächtliche Paris. Wenn er will, kann er hier und dort noch Wahlplakate erkennen.
„Es hat sich nichts geändert, oder?“
„Woran geändert?“
„Zwischen uns“, antwortet Ludwig, ohne eine Miene zu verziehen.
Francis lacht, aber es liegt etwas Trauriges darunter. „Arthur ist nicht zu gebrauchen, wenn es um unsere kleine Familie geht. Wir beide geben den Ton an, mon ami, niemand sonst. Wenn wir uns zerstreiten würden, wäre das... tödlich.“
Er verstummt, und Ludwig weiß, dass Francis „ihre kleine Familie“ nicht aufgeben wird. Egal, was kommt.
Das Mädchen mit dem grünen Kleid
Nichts ist da, wo es sein sollte. Schlamm in seinen Stiefeln. Sand in seinen Haaren. Etwas, das tot auf der Straße gelegen hat, in seinem Magen. Wo ist das kleine Mädchen mit dem grünen Kleid? Er will bei ihm sein. Hier gehört er nicht hin.
„Sve! Hier drüben ist er!“
Schwere Schritte um ihn herum. Arme in seinem Nacken, in seinen Kniekehlen, starke Arme, eine breite Brust. Er tritt und spuckt, bringt dann aber nicht mehr die Kraft dafür auf. Seit fast dreißig Jahren herrscht Krieg, und er gehört nicht hierher. Wo ist das kleine Mädchen mit dem grünen Kleid?
Abend
Ein warmer Wind fuhr durch die Gasse und spielte mit Ludwigs Haaren. Die Häuser links und rechts des Kopfsteinpflasters waren dunkel. Es war schön, dass sie endlich ein wenig Zeit für sich hatten.
„Es ist wirklich ein wunderschöner Abend, nicht wahr?“
Feliciano, dessen Kopf in Ludwigs Schoß lag, antwortete nicht. Ludwig seufzte leise.
„Bevor sie ankommen, möchte ich dich gern um etwas bitten.“
Etwas tropfte auf die Straße. Erneut kam ein heißer Windstoß auf und Ludwig fröstelte. Er strich durch Felicianos Haare, blieb beinahe in den verknoteten Strähnen hängen, zerrieb das klebrige Blut zwischen den Fingern.
„Bitte bleib am Leben.“
Ein weiter Weg
Die Landkarte, über der groß United States of America steht, liegt ausgebreitet auf dem Küchentisch. Weiter rechts ist ein Umriss auf die Tischplatte gezeichnet, der entfernt an die Küstenlinie Europas erinnert. Spanien ist ziemlich eingedellt, Großbritannien musste auf ein Tischbein ausweichen und die Ostsee befindet sich, da der Tisch zu kurz ist, auf der Tapete.
„Und da“, erklärt Toris etwas außer Atem und malt einen letzten Kringel an die Wand, „liegt Litauen.“
„Ach so!“, sagt Alfred erfreut. „Und ich dachte immer, du kommst aus Europa!“
Toris seufzt, als ihm klar wird, dass er noch einen weiten Weg vor sich hat.
Die Engelchen werden geschaukelt
Feliciano ist ein fleißiger Junge, denn Faulheit ist eine Sünde, und er will ja in den Himmel kommen. Der Reisigbesen wischt sorgfältig über den steinernen Boden und kehrt den Staub beiseite. Er wird kehren, bis alles sauber ist, und er wird dabei ein kleines Liedchen singen, weil es dann leichter geht. Man darf nicht faul sein, man darf nicht so lange schlafen, schon gar nicht mitten am Tag. Daran denkt er.
Er denkt daran, weil sein Po noch immer wehtut von dem Stock, denn Faulheit ist eine Sünde. Roderich will ja nur, dass Feliciano später auch in den Himmel kommt.
Beliebiges Snowrabbit-Fanart, post-WWII
Es wirkt alles so vertraut. Die hoch aufgerichtete Gestalt Ivans im Schnee und Gilbert, der mit gesenktem Kopf hinterher trottet, die Uniform zerfetzt, die Lippen zu einem wütenden Strich zusammen gepresst und einen Verband über dem einen Auge. In dem anderen, unverletzten und deswegen freien Auge liegt ein Ausdruck von Resignation.
Alles wäre so vertraut, wenn Ivan sich nicht plötzlich umdrehen und sagen würde: „Weißt du eigentlich, dass durch die Bewegung des gesunden Auges das verletzte mit bewegt wird, sich dadurch immer wieder wund scheuert und niemals heilt, wenn du nicht schleunigst beide gleichzeitig verbindest?“
Medizin zerstört die schönsten Fanarts.
Handschuhe
„Ivan? Ist Ihnen eigentlich kalt?“
„Nein. Wieso?“
Die Finger sind durch seinen Mantelkragen eingedrungen, haben sich in die warme, intime Enge zwischen Schal und Hals gezwängt und tasten an seinen Nacken herum. Raivis zieht die Schultern hoch, aber die Finger bleiben, wo sie sind.
„Warum tragen Sie Ihre Handschuhe nicht?“
„Weil mir nicht kalt ist.“
Fingernägel kratzen über seine Haut. Es tut nicht weh, aber es kratzt. Es ist so unangenehm, dass er Mühe hat, still zu sitzen.
„Sind Sie sicher, dass Ihnen nicht kalt ist?“
„Ganz sicher.“
„Könnten Sie Ihre Handschuhe anziehen?“, versucht Raivis es ein letztes Mal.
„Nein.“
Wach
Es fühlt sich falsch an, hier im Wohnzimmer zu stehen, denn hier ist es hell und laut und wach. Er sollte nicht mehr wach sein.
„Papa?“
Ludwig sitzt mit Gilbert auf dem Sofa. Sie reden und trinken und lachen, aber Ludwigs Lachen verschwindet, als er sich zur Tür umsieht.
„Nicki? Du solltest doch im Bett sein.“
Nervös spielt er mit den nackten Zehen auf dem Teppich. Ludwig kommt herüber und geht vor ihm in die Hocke. Er riecht nach Bier.
„Was ist los? Hast du geweint?“
„Papa?“ Er nimmt all seinen Mut zusammen und fragt. „Hast du mich eigentlich lieb?“
Triff meinen Bruder
Natürlich hätte Feliciano selbst hierher finden können, aber aus Respekt hat er es nie versucht. Er hat gewartet, bis Ludwig ihn her führt.
„Nicht Berlin. Ich wollte keine Symbolik.“
Der Grabstein ist aschgrau. Kein Adler, kein Wahlspruch, kein Tamtam. Ein junger Engel schält sich halb aus dem Granit, den Kopf erschöpft auf den Arm gebettet. Auf der glatten Vorderseite des Steins stehen keine Daten, keine Jahreszahlen. Nur Gilberts Name.
„Da ist noch Platz unter seinem Namen“, sagt Feliciano langsam.
„Ja.“
Es ist kein Engel, fällt ihm plötzlich auf. Er hat keine Flügel.
„Damit beizeiten genug Platz für meinen Namen bleibt.“
Zu null verlieren
Vor zwanzig Jahren ist Raivis ausgezogen, aber nun ist er gezwungenermaßen wieder hier. Wäre sein Leben ein Spiel, er würde es haushoch verlieren.
„Dummer, kleiner Raivis...“
Zärtlich streicht Ivan ihm über die Wange, und Raivis packt seine Hand, schiebt sich den erstbesten Finger in den Mund und beißt zu.
Ivan brüllt auf und versucht, sich loszureißen, aber Raivis hat sich festgebissen. Halb blind vor Schmerzen gibt er dem Jungen eine so heftige Ohrfeige, dass seine Kiefer sich öffnen. Der gequälte Finger blutet und pocht.
„Was sollte das?“
Raivis leckt sich die Lippen. „Ich hatte keine Lust, zu null zu verlieren.“
6. 6. 1944 – D-Day
Ungeschickt und überschwänglich schlingt Alfred den Arm um Arthurs Hals. Sein Grinsen stinkt nach Bier.
„Zukünftige Generationen werden sich an diesen Tag erinnern, Arty!“
„Lass mich los!“, faucht Arthur. „Und sprich nicht so laut. Francis schläft nebenan.“
„Sie werden uns als Helden verehren!“, fährt Alfred unverändert laut fort und knallt seine Bierflasche auf den Tisch. Arthur gibt es auf, sich von ihm befreien zu wollen. Matthew nuckelt still an seinem Bier und ist auch keine Hilfe.
„Sie werden diesen Tag feiern als... als... internationalen Tag des Kanonenfutters!“
Alfred lacht und lacht und wimmert und beginnt, in Arthurs Kragen zu schluchzen.
Freakshow
Der Vorhang öffnet sich, und ein Raunen geht durch die Zuschauer.
„Kommen Sie und staunen Sie, meine Herrschaften! Sehen Sie hier einen europäischen Staat, der vor ein paar Jahren knapp an der Staatspleite vorbeigeschrammt ist, sich aber mittlerweile vollständig erholt hat! Eine Sensation, meine Damen und Herren!“
Raivis kauert auf einem bunten Podest und betrachtet die Menschen, die ihn anstarren. So viele aufgerissene Augen und Münder und ausgestreckte Zeigefinger.
„Und wenn man ihm ein Leckerchen hinwirft“, tönt der Marktschreier, „dann macht er sogar Männchen!“
Raivis macht Männchen und hofft, dass die Show bald vorbei ist. Er hat nämlich eine Scheinwerferallergie.
Tag am Meer I
Natalia sieht gut aus im Bikini. Ständig schielt er zu dem vertrockneten Gebüsch hinüber, hinter dem sie halb verborgen darauf wartet, dass Yekaterina mit Umziehen fertig ist. Natalia sieht sehr gut aus im Bikini.
„Toris. Wo starrst du denn die ganze Zeit hin?“
Toris wird rot bis über beide Ohren und wendet sich hastig Ivan zu. „Wer? Ich? Ich mache gar nichts!“
Ivan schnalzt tadelnd mit der Zunge, aber seine Augen funkeln amüsiert. „Willst du Eduard und Raivis nicht im Wasser Gesellschaft leisten?“
„Natürlich“, antwortet Toris und rappelt sich auf. Außerhalb von Ivans Sichtweite kann er ungestört weiter Natalia beobachten.
Tag am Meer II
„Was für ein traumhaftes Wetter! Kommst du mit schwimmen, Vanya?“
„Später vielleicht.“
Yekaterina strahlt Ivan an und macht sich auf den Weg ins Meer. Toris beobachtet verstohlen Natalia, die ihn ignoriert. Ein Stück weiter draußen toben Raivis und Eduard im Wasser. Eduard hat Raivis hochgehoben, der mit den Beinen strampelt und lautstark protestiert, aber vor Lachen kein klares Wort herausbringt. Ihr Planschen und Kreischen dringt an Ivans Ohren wie aus weiter Ferne, er ist nur Zuschauer dieser unbändigen Freude. Zwischen den aufspritzenden Wassertropfen verwischen Eduards Grinsen und Raivis' strahlende Augen und die Folternarben auf ihren Schultern.
Beinahe möchte Ivan lachen.
Ich bin verliebt
„Eduard?“
„Ja?“
„Ich glaube, ich bin verliebt.“
Stirnrunzelnd blickte Eduard von seinem Buch auf. „Aha. In wen?“
Raivis sah auf seine Füße. „Weiß nicht. Vielleicht in Ivan.“
„Halte ich für unwahrscheinlich.“
„Und ich erst. Aber immer, wenn ich ihn sehe, hab ich so ein komisches Gefühl im Bauch.“
Eduard überlegte kurz, streckte den Zeigefinger aus und piekste Raivis auf der rechten unteren Seite in den Bauch. Mit einem Aufschrei wich Raivis zurück.
„Was machst du da?“
„Tut es weh, wenn ich das mache?“
„Ja, sehr. Lass es bitte bleiben.“
„Du bist nicht verliebt“, sagte Eduard trocken. „Dein Blinddarm muss raus.“
Lasciate ogni speranza, voi ch'entrate
„Jetzt geh schon und hol Feliciano“, sagt Erzsébet und rührt in ihrem Gulasch.
„Nein“, erwidert Roderich störrisch.
„Es war ein dummer Kinderstreich. Kein Grund, ihn ohne Abendessen ins Bett zu schicken.“
„Ein Kinderstreich? Hast du eine Ahnung, was er da über unsere Eingangstür geschmiert hat?“
„Irgendetwas Italienisches. Ich konnte es nicht entziffern.“
„Lasst alle Hoffnung fahren, die ihr hier eintretet. Aus der göttlichen Komödie von Dante.“
„Ziemlich dramatisch. Aber was findest du so schlimm daran?“
Mit zitternden Fingern stellt Roderich sein Glas ab. „Es ist die Inschrift über dem Eingang zur Hölle.“
Erzsébet muss lachen und tarnt es als Husten.
Zu heiß gebadet
„Ich hoffe, niemand sagt etwas Falsches“, flüstert Toris Eduard zu, während sie beobachten, wie Ivan und Gilbert sich betrinken.
„Was wäre etwas Falsches?“
„Es könnte alles sein. Zum Beispiel ...“
„Ich sag's dir, Braginsky!“, lallt Gilbert und knallt sein Glas auf den Tisch. „Du hast 'nen Schuss weg. Irgendwer muss dich als Kind zu heiß gebadet haben.“
„Das ist ja wohl die Höhe!“, erwidert Ivan empört. „Ich hätte mich als Kind gefreut, wenn mich überhaupt mal jemand heiß gebadet hätte!“
Er schnippt mit den Fingern. „Toris! Ich will, dass du mich heiß badest. Sofort!“
„Genau das hatte ich befürchtet“, stöhnt Toris.
Raivis und der Judo-Pinguin
„Ich werde Analphabet“, stöhnt Raivis.
Unbeeindruckt blättert Eduard eine Seite weiter. „Das glaube ich kaum. Es ist nur Kyrillisch.“
„Wer soll sich das denn merken? Was ist ... das hier?“
„Ein Ju.“
„Es sieht aus wie ein Pinguin, der neben einem Eisloch steht!“
„Dein Pinguin kann sogar Judo.“
Raivis starrt Eduard an und versucht, nicht hysterisch zu werden. „Das hilft mir nicht weiter!“
„Es ist eine Eselsbrücke. Judo. Das Ju.“
„Bestimmt merke ich mir nur, dass der Pinguin irgendwie kämpft“, jammert Raivis. „Der Buchstabe heißt also demnächst Karate.“
„Dann haben wir alle etwas zu lachen, und das ist doch auch schön.“
Trunkenheit am Steuer
„Ich versprech's dir, Licia“, sagt Feliks, den Blick nur ein kleines bisschen getrübt vom Alkohol. „Beim nächsten Mal fahre ich selber.“
„Ist ja kein Problem“, seufzt Toris. „Ich bringe dich nach Hause. Aber trink wenigstens endlich aus, die Kneipe macht bald zu.“
„Du glaubst mir nicht“, sagt Feliks beleidigt.
„Nein. Du trinkst immer so viel, dass ich dich nicht mehr guten Gewissens hinters Steuer lassen kann.“
„Beim nächsten Mal nicht! Wetten wir?“
„Worum wollen wir wetten?“
„Wenn ich verliere“, verkündet Feliks großspurig, leert sein Glas in einem Zug und knallt es auf die Theke, „dann soll meine Hauptstadt Vilnius sein.“
Aber so gut wie
„Da draußen ist was los, hmm?“
„Wieder eine Kundgebung, wegen Sacco und Vanzetti. Ich will mir die Sache mal ansehen.“
„Bleib lieber hier“, sagt Alfred unbehaglich. „Mein Boss ist schon misstrauisch genug, weil ich mir einen Bolschewiken ins Haus geholt habe.“
Toris blinzelt verblüfft. „Einen Bolschewiken? Wo?“
„Na, dich.“
„Ich bin kein Bolschewik.“
„Aber Russe, das reicht auch.“
„Ich bin auch kein Russe!“
„Aber so gut wie!“
„Was heißt hier so gut wie?!“
„Ist doch egal!“, blafft Alfred ihn an. „Ich will nicht, dass du gehst!“
„Wie Sie wünschen, Sir“, faucht Toris und hängt seinen Hut wieder an die Garderobe.
Drei Namen
Alle anderen sind längst auf ihre Hotelzimmer gegangen, Erzsébet als erste. Nur sie beide sitzen noch an der Bar.
„Es ist mir egal, ob meine Kinder in hundert Jahren noch wissen, wer Bismarck war.“
Ludwigs Augen glänzen fiebrig. Feliciano ist sich nur nicht sicher, ob er sich heute im strömenden Regen erkältet hat oder ob es Begeisterung ist.
„Aber an drei Namen sollen sie sich erinnern!“
„Welche Namen?“, fragt Feliciano.
Ernst zählt Ludwig an den Fingern ab. „Morlock. Rahn.“
Er fiebert und sollte ins Bett, aber seine völlig untypische Glückseligkeit bringt Feliciano zum Lächeln.
„Und der dritte Name?“
„Nochmal Rahn.“
Fünf Minuten vor dem dritten Weltkrieg – heiteres Metaphernsuchen
„Ich habe mir schon früher meine Freiheit erkämpft. Ich bin erwachsen. Sie können die Zeit nicht zurückdrehen.“
Ivan lächelt nachsichtig. „Zeit ist ein großes Wort, kleiner Raivis. Es würde ja schon genügen, all diese neumodischen Freiheitsvorstellungen aus deinem Verstand zu löschen. Ein bisschen Gehirnwäsche hat noch niemandem geschadet.“
Raivis sucht verzweifelt nach Worten. „Sie können nicht in meinen Kopf sehen, egal, was Sie tun!“
„Das stimmt natürlich. Aber ich stelle mir deinen Kopf gerne wie eine Kiste mit Porzellan vor. Wenn ich die Kiste fallen lasse, brauche ich nicht mehr hineinzusehen, um zu wissen, dass nur noch Scherben darin sind.“
Joyful all ye nations rise!
Arthur war gestern früh im Bett, und dementsprechend früh ist er wieder auf den Beinen. Unten im Wohnzimmer herrscht Chaos, halb geleerte Gläser stehen auf dem Tisch, unter dem Weihnachtsbaum türmt sich zerknülltes Geschenkpapier, und auf Sofas, Sesseln und Boden zusammengedrängt schlummern die anderen Nationen. Am Kamin hängt Arthurs Strumpf, prall gefüllt und unangetastet. Sein Herz macht einen kleinen Sprung.
„Joyful all ye nations rise!“, trällert er, drängelt sich zwischen den schlafenden Bündeln hindurch und stolpert beinahe, als jemand nach seinem Knöchel greift.
„Steck dir dein joyful sonstwo hin, Tommy“, stöhnt Gilbert. „Nicht alle feiern Weihnachten einen Tag zu spät.“