Delilah – Die Liebe einer Wölfin von Darklover ================================================================================ Kapitel 35: 35. Kapitel ----------------------- Dem stetigen Tröpfeln der Infusion zuzuschauen war auf eine verdrehte Art und Weise beruhigend. Delilah war in den vergangenen Stunden tatsächlich mehrmals vor purer Erschöpfung eingedöst, nur um immer wieder hochzufahren und beinahe panisch nach James' Atembewegungen zu sehen. Erst als sie auch noch seinen kräftigen Puls an der Hand spürte, konnte sie sich wieder beruhigt in dem unbequemen Sessel zurücksinken lassen und weiter dem Tröpfeln zusehen. Es fiel ihr viel zu schwer, ihren Blick länger als nötig auf James zu richten. Sie konnte zwar die schrecklichen Bilder seines Überlebenskampfes nicht vergessen, aber es fiel ihr zumindest ein bisschen leichter, sie zur Seite zu schieben, wenn sie ihn nicht so schwer verletzt im Bett liegen sah. Dean hatte hingegen weniger Probleme mit dem Schlafen gehabt, was vielleicht daran gelegen haben mochte, dass er dabei ständigen Körperkontakt zu seinem Bruder gehabt hatte und somit vielleicht instinktiv gewusst hatte, wenn etwas nicht in Ordnung gewesen wäre. Was sich vor knapp einer halben Stunde allerdings geändert hatte, als sein Vater nach Hause gekommen war, um ihn zu wecken, damit er alleine mit seinem Sohn reden konnte. Worüber – da musste Delilah nicht einmal spekulieren. Der Name Nadine fiel mehrmals, vor allem wenn Elijas Stimme einmal wieder lauter wurde, denn das Gespräch schien der Tonlage nach zu urteilen, immer mehr in einem Streit auszuarten. Also keine guten Nachrichten. Irgendwie hatte Delilah das auch nicht erwartet. Ihr schweres Seufzen verursachte ein unangenehmes Kratzen in ihrem Hals. Sie versuchte an dem Schmerz in ihrer Kehle vorbei zu schlucken und strich sich dabei vorsichtig über die wunde Haut, während sie überlegte, ob sie noch ein Glas Wasser trinken sollte. Doch wirkliche Linderung verschaffte es ihr nicht. Also richtete sie ihren Blick und ihre Gedanken lieber wieder kurz auf James, um sich von dem Gefühl abzulenken und dann auf den- Er sah sie aus klaren, goldbraunen Augen an. Der Schreibtischsessel rollte beinahe unter ihrem Hintern weg, als sie sich vor Überraschung hastig aufrichtete. "James! " Sofort bereute sie ihren Enthusiasmus und verzog für einen Moment gequält das Gesicht, bis der Schmerz seine Fänge etwas aus ihrer Kehle zog und sie wieder richtig atmen konnte. "De…li…", murmelte James leise mit schwacher Stimme und befeuchtete sich mühsam die trockenen Lippen. Er versuchte sich umzuschauen, vermutlich um sich besser orientieren zu können, doch der dicke Verband um seinen Hals hielt ihn auf, so dass er sich wieder auf ihr Gesicht und dann auf ihre Kehle konzentrierte, die inzwischen alle möglichen Farben angenommen hatte. Von einem dunklen, fast schwarzen Lila angefangen, über ein leuchtendes Rot bis hin zu verschorften Kratzern war alles dabei. Delilah kümmerte sich nicht weiter darum, sondern schenkte James stattdessen hastig Wasser ein. Sie nahm das Glas und führte es langsam an seine Lippen. Dabei legte sie eine Hand an seinen Hinterkopf und half ihm vorsichtig dabei, sich ein kleines Stück aufzurichten, damit er besser trinken konnte. Viel brachte er nicht hinunter, bevor es ihn zu sehr erschöpfte, aber wenigstens war seine Stimme nun schon etwas kräftiger. "Danke." Delilah ließ sich wieder auf dem Sessel neben ihm nieder und konnte nun gar nicht mehr den Blick von seinem wachen Gesicht nehmen. Sie war so unendlich froh, dass er sie überhaupt wieder anschauen konnte. Eigentlich sollte sie ihre Stimme schonen, immerhin schmerzte das Sprechen auch ziemlich, doch statt auf Young und die Schmerzen zu hören, trank Delilah das restliche Wasser aus und stellte dann das leere Glas zur Seite, ehe sie vorsichtig James Hand mit dem Zugang im Handrücken ergriff, die daraufhin schwach ihre Finger drückte, was ihr ein trauriges und glückliches Lächeln zugleich abrang. "Wie fühlst du dich? " James Mund verzog sich zu einer Grimasse, die sie einen Augenblick später als winziges Lächeln identifizierte. "Voll … beschissen. Und du?" "Auf jeden Fall besser … als du dich…", gab sie ehrlich zu, verschwieg ihm jedoch, dass sie damit nur ihr körperliches Gebrechen meinte. Denn in ihrem Inneren wurde sie von ihrer Schuld immer weiter aufgefressen. "Und das Baby?" James versuchte sich erneut etwas weiter aufzurichten, woraufhin ihm sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich, während ihm ein schmerzvolles Stöhnen entkam. "Nicht! " Sofort war Delilah bei ihm, berührte ihn vorsichtig an der unverletzten Schulter und drückte ihn mit sanfter Gewalt wieder zurück in die weichen Kissen. "Du musst … liegen bleiben. " Delilah setzte sich direkt neben ihn, damit er sie leichter ansehen konnte. Als er sich wieder gefangen hatte, nahm sie erneut behutsam seine Hand und legte sie schließlich langsam auf ihren Bauch, damit er die kleine Rundung spüren konnte. Allerdings entging ihm sicher das Prickeln darunter. Dafür war das Baby einfach noch zu klein. "Siehst du? Alles … in Ordnung. " Wieder lächelte sie, doch dieses Mal konnte Delilah das verräterische Glänzen in ihren Augen nicht verhindern. "Dank dir, James. Du hast uns … das Leben gerettet…" Vollkommen auf das Gefühl unter seinen Fingern konzentriert, bewegte James seine Hand zögerlich ein Stück weit über die Rundung ihres Bauches und schien sie dabei gar nicht gehört zu haben. Seine Lippen verzogen sich dabei zu einem sanften, entspannten Lächeln, während er die Augen schloss und das Gefühl tief in sich aufsaugte. Die Wärme, die er dabei an sie abgab, kroch direkt von ihrem Bauch ausgehend in ihr Herz und brachte es wild zum Schlagen, während Delilah bewusst wurde, dass das für ihn das erste Mal sein musste, dass er ihr gemeinsames Baby berührte. Tiefe Schuld begann ihre Schultern erneut niederzudrücken, da sie es James nicht schon viel früher gestattet hatte und es um ein Haar auch nie dazu gekommen wäre. Er hätte sterben können, ohne je sein Baby berührt zu haben, für das er sogar bereit gewesen war, sein Leben zu geben. Delilah wandte rasch den Blick ab und wischte sich unauffällig über die Augen, bevor sie sich langsam James' Hand entzog und aufstand. "Ich werde dann mal … die Anderen holen. " Hoffentlich konnte man ihrer ohnehin angegriffenen Stimme nicht anhören, dass sie kurz davor war, laut los zu schluchzen. Sie wollte James nicht auch noch damit belasten. "Deli, warte!" Sie blieb stehen, drehte sich aber nicht um, während die Welt vor ihren Augen verschwamm und ihre Wangen heiß wurden. "Wie schlimm war es?" Einfach unerträglich, hallte es laut durch ihr Herz und ihre Gedanken. "Ich ... hol die Anderen! " Delilah verließ beinahe fluchtartig das Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich. Im Flur lehnte sie sich für einen Moment mit der Stirn gegen die Wand und sammelte all ihre innere Kraft, die sie noch aufbringen konnte, um nicht endgültig zu einem Häufchen Elend zu zerfallen. Als sie Deans laute Stimme hörte, wischte sie sich noch einmal über das Gesicht und versuchte tiefer durchzuatmen und das Hicksen runter zu schlucken, das ihr im Hals steckte. Den Streit hatte sie schon ganz vergessen. "Scheiß auf die Regeln! Das Miststück hat sich auch einen Dreck darum geschert!" Irgendeine Tür wurde gewaltsam zugeschlagen. "Darum wurde sie auch bestraft." In Elijas Stimme schwang unterdrückte Wut mit, dennoch hielt er sich zurück, was man von seinem Sohn nicht gerade behaupten konnte. Dean ließ einen ganzen Schwall an Flüchen los. "Sie hätte J fast umgebracht! Ich werde einen Dreck tun und ihr das einfach so durchgehen lassen!" Dean stürmte aus dem Wohnzimmer, die Schlüssel zu seinem Pick-up in der einen und ein langes Jagdgewehr in der anderen Hand Plötzlich tauchte sein Vater hinter ihm auf, packte ihn am Kragen, riss ihm das Gewehr aus den Fingern und stieß ihn mit dem Rücken an die Wand. Sofort wollte sich Dean dagegen auflehnen, doch ein warnendes Knurren ließ ihn innehalten. "Du wirst ihr NICHT nachfahren und sie auch NICHT umbringen. Hast du mich verstanden?" Der beherrscht ruhige Tonfall war erschreckender, als es jede Drohung hätte sein können. Sogar Delilah stellten sich die Nackenhaare zu Berge. "Ob du mich verstanden hast?" Vater und Sohn duellierten sich mit Blicken. Dean war immer noch erregt genug, dass man ihm zutrauen würde, seinen eigenen Vater über den Haufen zu rennen. Elija sah das ebenfalls und verstärkte seinen Griff. "Sei kein Narr. Wenn du sie jetzt umbringst, gibst du dem Rudel das Recht, dich wie Freiwild zu jagen und ebenfalls abzuknallen. Selbstjustiz wird dich nicht weit bringen." "Aber-" Deans Blick ging an Elija vorbei und traf den von Delilah. Bei ihrem Anblick schien jegliche Gegenwehr sofort in ihm zusammenzubrechen, so dass er damit auch die Aufmerksamkeit seines Vaters auf sie zog. Harsch befreite er sich aus dessen Griff und kam ans Fußende der Treppe. "Ist etwas mit-?" Er stockte. Sofort schüttelte Delilah den Kopf. Deans bangem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, rechnete er mit dem Schlimmsten. "Er ist wach. " "Wirklich?" Seine Miene hellte sich schlagartig auf und er kam die Treppe hoch gerannt. Delilah nickte und ließ sich kurz in eine stürmische Umarmung ziehen, ehe Dean auch schon weiter rauschte, um nach seinem Bruder zu sehen. Sie selbst humpelte langsam und würdelos unter Elijas Blick die Treppe hinunter und an ihm vorbei in Richtung Küche, ohne einmal hochzublicken. Stattdessen stellte sie einen großen Topf mit Wasser auf den Herd, zog ein dickes Buch aus einem der Regale unter der Theke hervor und blätterte es durch, bis sie gefunden hatte, was sie suchte. Danach begann sie Gemüse aus dem Kühlschrank auf der Arbeitsfläche auszubreiten. "Ist es nicht etwas spät zum Kochen?" Elija betrat den Raum und ging zu dem breiten Schrank hinüber, der in einer Ecke neben dem großen Flachbildfernseher stand. Als er eine der Türen öffnete, konnte Delilah darin einen langen Metallkasten mit einem Tastenschloss daran erkennen, der einen Blick auf weitere Gewehre frei gab, nachdem Elija den richtigen Code eingegeben hatte. Bevor er das Jagdgewehr jedoch an seinen Platz zurück stellte, musste er es erst entladen und sichern. Dean war es also wirklich ernst damit gewesen, Nadine einfach zu erschießen. Ein Gewehr wäre so viel besser als ein Messer gewesen… "Eine richtig gute … stärkende Suppe kann … bis zu 8 Stunden lang … dauern. Im Moment wird James ... Mühe haben, etwas Festes ... hinunter zu bekommen. ", beantwortete Delilah endlich die Frage des alten Werwolfs, um nicht länger über das Was-wäre-Wenn nachzudenken. Es hätte ohnehin nichts gebracht, außer dass sie vermutlich nicht einmal mehr die Kraft dazu gehabt hätte, die Kartoffeln zu schälen und zu schneiden. Es war auch so schon schwer genug, sich mit dem Kartoffelschäler nicht selbst zu verletzen, so stark zitterten ihre Finger. Elija schloss den Schrank wieder und kam zu ihr herüber. Warum er nicht sofort zu seinem Sohn ging, war ihr ein Rätsel, stattdessen sah er ihr bei der Arbeit zu. "Ich habe dir Unrecht getan.", begann er nach einer Weile das Schweigen zu durchbrechen. "Als ich dich so voreilig für James' Zustand verantwortlich gemacht habe. Dafür muss ich mich entschuldigen." Erstaunt sah Delilah von der Zwiebel hoch, die sie gerade hatte schälen wollen und begegnete den graublauen Sturmaugen von Elija. Gerade in diesem Augenblick machten sie ihr einmal keine Angst. Noch merkwürdiger war jedoch, dass sie tiefe Aufrichtigkeit in dem harten Ausdruck erkennen konnte. Er meinte, was er sagte. Langsam senkte Delilah wieder den Blick; konnte ihm einfach nicht länger in die Augen sehen und schüttelte schwach den Kopf. "Er hat mich … verteidigt. Es ist … meine Schuld. " "Er hat getan, was jeder anständige Werwolf für seine Familie getan hätte. Dich trifft dabei keine Schuld. Ganz im Gegenteil. Das was du geschrieben hast und Young mir erzählt hat, ist für mich Beweis genug dafür, dass er ohne deinen Einsatz dort draußen einfach auf meiner Veranda gestorben wäre und das werde ich dir nie vergessen." Es musste am Schock liegen. Also nicht an ihrem, sondern an seinem. Anders konnte Delilah es sich nicht erklären, dass Elija so mit ihr sprach. Geistige Umnachtung. Das musste es einfach sein. Bestimmt würde er morgen schon wieder anders darüber denken. Besser sie sagte jetzt nichts weiter dazu. Ihre Kehle fühlte sich ohnehin schon so wund an, als hätte sie mit Reisnägeln gegurgelt. Sie sollte sich also langsam wirklich an Youngs Rat halten und mit dem Reden aufhören. Bei dem alten Werwolf fiel ihr das auch nicht wirklich schwer. Zum Glück stieß Elija sich schließlich von der Theke ab und ließ sie endlich alleine, um nach seinem Sohn zu sehen. Endlich waren die McKenzie-Männer wieder vereint und sie stand hier alleine in der Küche und kochte Suppe. Vielleicht kam die Welt der Drei doch langsam wieder in Ordnung. Delilah wünschte es sich zumindest aus ganzem Herzen, während sie die Zwiebel klein schnitt und der scharfe Geruch ihre Augen heftig tränen ließ. „Deli“ Jemand berührte sie sanft an der Schulter. Den Geruch konnte sie nicht erkennen. Sie hatte immer noch den Gestank des Putzmittels in der Nase, mit dem sie den Esstisch abgerieben hatte und dem sie einige Blasen an den Fingern verdankte. „Delilah, wach auf.“ Total erschlagen rollte sie sich noch enger zusammen und nuschelte leise: „Supp...scho...fer...ig? “ „Was?“ „Sie hat gefragt, ob die Suppe schon fertig ist. Wird aber noch ein paar Stunden dauern.“ „Ah, okay.“ Die Hand glitt von ihrer Schulter, schob sich unter ihren Rücken und den Kniekehlen durch, ehe sie vorsichtig von der Couch hochgehoben wurde. Die Bewegung riss sie weiter aus dem Schlaf und ließ sie kurz verschlafen blinzeln. „Dean? “ „Schon gut, Deli. Schlaf weiter. Ich bring dich nur ins Bett.“ „Hm...“ Ihr Kopf sank wieder schwer gegen seine Halsbeuge. Bett klang wirklich gut, vor allem da sie schon wieder eingeschlafen war, bevor Dean das Ende der Treppe erreicht hatte. Scharfe Klauen schlugen sich brutal in ihre Kehle; zerrten daran und drückten immer erbarmungsloser zu. Innerhalb weniger Herzschläge fühlte sich ihr Kopf so an, als wäre er eine heiße, sich ausdehnende Masse, die jeden Augenblick mit gewaltiger Macht explodieren würde. Am Schlimmsten fühlte sich jedoch ihre Lunge an. Von jeder Sauerstoffzufuhr abgetrennt, bäumten sich ihre Lungenflügel in wilder Verzweiflung dagegen auf, schrien nach Luft, während sie sich wüst in ihrer Brust gebärdeten. Als es sie endgültig zu zerreißen drohte, fuhr Delilah mit einem erstickten Schrei aus dem Schlaf hoch und sog völlig panisch Luft durch ihre brennende Kehle in ihre nach Sauerstoff lechzenden Lungenflügel. Kalter Schweiß bedeckte ihren ganzen Körper. Ihr dünnes Top klebte klatschnass auf ihrer Haut und sie zitterte so heftig, dass ihre Zähne immer wieder einmal aufeinander schlugen. Erst als Delilah vor Angst zu Hyperventilieren drohte und ihr bereits schwarze Flecken vor den Augen tanzten, zwang sie sich mit aller Gewalt dazu, ruhiger und tiefer einzuatmen, um wieder ein Stück weit auf den Boden der Realität zurückzukehren. Dennoch sah sie sich gehetzt und angstvoll in dem dunklen Zimmer um, konnte sie doch nur das Rauschen ihres eigenen Blutes und das wilde Pochen ihres Herzens hören, während ihr aus jeder schwarzen Ecke des Raumes Gefahr entgegen zu springen schien, bis sich ihre Augen endlich an die Dunkelheit angepasst hatten.. Da war niemand. Das Zimmer war leer und sie alleine. Hastig kämpfte Delilah sich aus der Bettdecke, die sich im Schlaf wie eine Fessel um ihren Körper gewickelt hatte und fiel dabei fast aus dem Bett. Ihre weichen Knie konnten sie kaum tragen, als ihre bandagierten Füße endlich den kalten Boden berührten und sie vorsichtig aufstand Als sie eilig aus ihrem Zimmer lief, hatte sie immer noch den Alptraum im Nacken sitzen, dessen Fühler sich auch noch eisigkalt ihren Rücken hinab schlängelten. Im ebenso verlassenen Flur blieb sie kurz unschlüssig stehen, ehe sie weiter auf Deans Zimmer zu ging, obwohl sich ihr ganzer Körper gegen jede noch so kleine Bewegung zu sperren schien. Am liebsten hätte Delilah sich auf dem Boden zusammengekauert, angstvoll gewinselt und sich gar nicht mehr gerührt. Doch auch das konnte sie nicht. Deans Zimmer war ebenfalls leer. Schlief sie denn etwa immer noch und musste nun in ihrem Alptraum durch ein verlassenes Haus irren, immer auf der Suche nach jemandem bei dem sie sich vor ihren Dämonen verkriechen konnte? Nein, verdammt! Mach dich nicht verrückt! Dean war bestimmt bei seinem Bruder. Also überquerte Delilah rasch den Flur und blieb vor James’ Zimmertür stehen. Sie war geschlossen und weil James vermutlich schlief, da es immer noch mitten in der Nacht war, wollte sie nicht anklopfen. Also öffnete Delilah kurzerhand leise die Tür einen Spalt breit und blickte hinein. Dean schlief auf einem der Couchsessel, den er wohl bequemer fand, als den Schreibtischstuhl und sogar eine ausklappbare Fußstütze besaß. Delilah wollte bei seinem Anblick beinahe vor Erleichterung zusammenbrechen. Sie war also doch nicht mutterseelenalleine in diesem Haus! Eine Diele knarrte leise unter ihren Füßen, als sie einen Schritt in das Zimmer trat, woraufhin Dean sofort aus seinem Schlaf hochzuckte. Er richtete seinen Blick sofort auf James. Erst als er sich sicher war, dass es seinem Bruder gut ging, schaute er sich im Raum um, bis seine Augen an ihr hängen blieben. „Deli?“ Gähnend streckte er sich für einen Moment lang ausgiebig, ehe er sie etwas wacher anblickte. „Wieso bist du nicht im Bett?“ Weil du nicht dort bist, beantwortete sie in Gedanken seine Frage, brachte aber keinen Laut über ihre bebenden Lippen. Stattdessen kam sie langsam mit immer noch rasendem Herzen näher. Als Dean sie nun deutlicher erkennen konnte, wurde sein Gesicht mit einem Schlag ernst und er richtete sich gerade im Sessel auf. „Alles in Ordnung mit dir?“ Delilah schüttelte schwach den Kopf und dann noch einmal sehr viel deutlicher. Bevor sie sich selbst der Bewegung bewusst wurde, stand sie auch schon bei Dean und kletterte vorsichtig zu ihm auf den breiten Sessel, um sich auf seinem Schoß und gegen seine warme Brust gelehnt zusammen zu rollen. Erst als sie seine Wärme zu spüren begann und sein ihr so vertrauter Duft ihre Nase erfüllte, wagte sie etwas von ihrer Anspannung loszulassen. Sofort begann es ihren Körper noch stärker durchzuschütteln. „Verdammt, Deli! Hast du eine Waschmaschine im Schleudergang verschluckt?“ Deans Arme schlossen sich auf der Stelle um ihren bebenden Körper, hüllten sie in vertraute Wärme und gaben ihr zugleich das Gefühl, vollkommen sicher zu sein. Delilah wollte über Deans Aussage lächeln, stattdessen schmiegte sie ihr Gesicht gegen seine Brust und begann zu weinen. Erst lautlos, als vereinzelte Tränen ihre Wange hinab liefen, doch als Dean ohne ein weiteres Wort zu sagen, auch noch durch ihr Haar und über ihren Rücken streichelte, brach die mühsam errichtete Mauer in ihr endgültig. Sie konnte sich einfach nicht mehr länger zusammenreißen. Es schüttelte sie heftig, während ein leiser Schluchzer den nächsten jagte, bis sie schon befürchtete, mit ihrem Hicksen James aufzuwecken, doch das passierte nicht. Auch nicht als Dean hilflos auf sie einzureden begann. Delilah verstand ihn nicht wirklich, fühlte sich aber unter dem leisen Raunen seiner Stimme behütet, wie lange nicht mehr, was sie sogar noch mehr zum Weinen brachte. Um die Laute zu dämpfen, vergrub sie ihr Gesicht endgültig an seiner Brust, so dass ihr nicht nur ihr eigener Atem heiß entgegen schlug, sondern sie auch noch den Stoff seines Shirts vollkommen durchnässte. Nicht nur mit ihren Tränen, wie ihre laufende Nase ihr unangenehm mitteilte, aber es schien Dean nicht weiter zu kümmern. Es dauerte lange, bis ihre Tränen zu versiegen begannen. Aber nicht etwa, weil sie keine mehr gehabt hätte, oder Delilah sich endlich hatte beruhigen können, nein, es war die pure Erschöpfung, die sie am Ende zur Ruhe zwang. Inzwischen war Dean dazu übergegangen, sein Gesicht gegen ihr Haar zu schmiegen und nur noch mit den Daumen sanft über ihren Nacken und ihre Seite zu streicheln, während seine Arme immer noch wie eine schützende Decke um ihr lagen. Hätte sie nicht permanent diese kleinen Streicheleinheiten gespürt, sie hätte angenommen, er wäre am Ende eingeschlafen. Doch Dean sah sie besorgt an, als Delilah langsam ihre Wange von dem nassen Stoff löste, den Kopf in den Nacken legte und zu ihm hochblickte. "Sagst du mir jetzt, was los ist?", flüsterte er so leise, als hätte er Angst, jeder andere Tonfall könnte sie sofort wieder in Tränen ausbrechen lassen. Delilah wusste nicht, was sie ihm antworten sollte. Es gab so Vieles, was sie völlig fertig machte und vielleicht auch ein kleines Bisschen ihre Hormone. Aber allen voran belastete die Sache mit James sie und dass er ihr beinahe unter den Händen weggestorben wäre, weil er sie mit seinem Leben verteidigt hatte, obwohl sie ihn ziemlich beschissen behandelt hatte, wenn sie länger darüber nachdachte. Dann war da auch noch dieser Alptraum, der sie auf erschreckend klare Art und Weise wieder in die Vergangenheit zurückversetzt hatte, zu genau jenem Zeitpunkt als Nadine ihr und ihrem Baby gerade das Leben aus dem Leib quetschen wollte. „Ich wünschte, sie wäre tot. “, war schließlich ihre einzige Antwort, ehe sie ihren Kopf wieder schwer auf Deans Brust legte und die brennenden Augen schloss. Sie war so verdammt fertig. „Irgendwann kommt der Tag-", begann Dean leise, aber mit fester Stimme: "-an dem sie für all das büßen wird." Delilah hatte keine Zweifel daran und selbst wenn es nie soweit kommen sollte, in diesem Augenblick war sie einfach nur froh, Dean bei sich zu haben. Er gab ihr Halt und das Gefühl von Sicherheit. Bisher hatte das keiner der Männer zusammengebracht, mit denen sie so etwas wie eine Beziehung gehabt hatte. Es bedeutete ihr dafür umso mehr. Eine Weile später schaffte sein beruhigender Herzschlag es sogar, sie wieder einschlafen zu lassen und dieses Mal blieb sie von weiteren Alpträumen verschont. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)