Delilah – Die Liebe einer Wölfin von Darklover ================================================================================ Kapitel 14: 14. Kapitel ----------------------- Delilah träumte. Unruhig warf sie sich im Bett herum, versuchte sich instinktiv von der aggressiv aufgeladenen Stimmung in der Luft zu verstecken, doch ein unbestimmtes Gefühlsgewitter umkreiste sie lauernd, als warte es nur noch darauf, Blitze auf sie herab zischen zu lassen. Jemand stritt sich vor ihrem Fenster. Zunächst leise und gedämpft, doch die Stimmen wurden lauter, wütender, bis sie abrupt mit einem Stöhnen abbrachen. Schweiß brach ihr in der darauffolgenden Stille überall am ganzen Körper aus und ließ sie die Bettdecke wegstrampeln. Als plötzlich ein bestialisches Knurren durch das dicke Glas des Fensters zu ihr hindurch drang, bekam sie es mit der Angst zu tun. Eine Gänsehaut kroch über ihren Körper, während das aggressive Knurren immer weiter anschwoll und plötzlich schien sich das zusammengebraute Gewitter mit geballter Macht zu entladen. Kampfgeräusche wurden laut, schmerzvolles Jaulen wechselte sich mit wütendem Knurren ab und der Klang, als würden immer wieder schwere Körper zu Boden geworfen werden, mischte sich darunter. Ihr Atem ging flach und hektisch, während ihr Herz wie wild gegen ihren Brustkorb donnerte. Ein lauter Knall zerriss die Luft. Delilah fuhr in ihrem Bett hoch. Das Blut raste an ihren Ohren vorbei und erst als sie sich wieder etwas beruhigt hatte, konnte sie die Stille um sich herum wahrnehmen. Immer noch saß ihr eine unbestimmte Angst im Nacken, doch langsam erfasste sie erneut die Müdigkeit und sie ließ sich wieder erschöpft zurück in das Kissen sinken, während sie die Decke auf halber Höhe ihren Körper hoch zog. Der Traum war bereits vergessen. Oh Gott, sie hatte mit Dean geschlafen! Delilah hatte noch nicht einmal die Augen aufgeschlagen, da kam diese Erkenntnis beinahe wie eine Eingebung über sie und das war absolut kein gutes Gefühl. Ihr Unterbewusstsein musste sich schon gestern klar darüber gewesen sein, sonst hätte sie Dean nicht schon vor der Dusche aus dem Zimmer geschickt mit der Ausrede, dass sie ziemlich erschöpft sei und sich gleich hinlegen wollte. Auch wenn es die Wahrheit gewesen und sie tatsächlich sofort auf der Stelle eingeschlafen war, kaum dass sie sich ihren Pyjama übergezogen hatte. Aber wovor sie gestern so gemütlich hatte flüchten können, davon wurde sie jetzt mit voller Wucht wieder eingeholt. Wie blöd konnte man eigentlich sein? Sie war gerade einmal drei Tage hier und schlief schon mit einem der Brüder. Das war selbst für sie ein neuer Rekord in Sachen Dummheit. Vor allem, da sie sich nicht zu intensiv mit ihnen hatte einlassen wollen. Delilah war zwar keinesfalls so dumm, zu glauben, dass Sex irgendwie bindend wäre, sonst hätte sie auch nicht erst mit all den anderen Kerlen in ihrem Leben schlafen dürfen, aber sie konnte selbst nicht leugnen, dass wiederholte Intimität mit der Zeit immer komplizierter wurde und gerade das konnte sie sich im Augenblick ganz und gar nicht leisten. "Scheiße!" Was war nur in sie gefahren? Sie hätte Dean noch nicht einmal küssen sollen! Bereits das war ein Fehler gewesen, allerdings einer bei dem es ihr nur sehr schwer fiel, ihn zu bereuen. Denn sie liebte die Art, wie er küsste. Bei Deans Küssen hatte man das Gefühl, er könne ewig so weiter machen. Als hätte er alle Zeit der Welt und wäre sich doch bewusst, wie einmalig dieser Moment war, den es daher umso mehr auszukosten galt. Und das war noch nicht einmal alles. In jeder seiner Bewegungen konnte man trotzdem die Kraft erahnen, die dicht unter der Oberfläche lauerte und nur darauf wartete, entfesselt zu werden. Entfesselt. Ja, das war das richtige Wort. Denn die Art, wie er sie gegen die Wand gevögelt hatte, konnte man nicht mit gemütlichem Blümchensex vergleichen. Viel mehr waren sie übereinander hergefallen wie wilde Tiere. Dean war dabei sanft geblieben und hatte ihr auch nicht wehgetan, aber selbst bei ihm schien eine Sicherung durchgebrannt zu sein. Immerhin hatte er ihr zuvor noch unmissverständlich mitgeteilt, dass er sie nicht anrühren durfte. Er hatte am Ende sehr viel mehr als das getan, wie Delilah sich immer noch allzu deutlich bewusst war. Allein der Gedanke daran brachte ihr Blut bereits wieder in Wallung und überzeugte sie mehr denn je davon, dass Deans Küsse mehr mit ihr angestellt hatten, als ihr einfach nur zu gefallen. Er hatte etwas in ihr geweckt, das seit Wochen im Tiefschlaf gelegen hatte, vielleicht sogar schon sehr viel länger. Gerade deshalb durfte das nicht noch einmal geschehen. Aber wie sollte sie ihm das klar machen, jetzt nachdem sie ihn schon so weit an sich heran gelassen hatte? Und dann war da ja auch immer noch sein Bruder… "Verdammt." Delilah rollte sich zu einem Ball zusammen und starrte aus dem Fenster. Es konnte noch nicht allzu lange hell sein. Die Sonne stand noch viel zu tief. James hatte sie bisher zwar nicht so offen angemacht, wie damals in der Großstadt, aber sie hätte schon sehr blind sein müssen, um nicht zu bemerken, dass er zumindest offen für Gelegenheiten gewesen wäre, wenn sie diese hätte ergreifen wollen. Er war ihr ohne Scheu nahe gekommen und für einen kurzen Moment lang, waren sie sich sogar verdammt nahe gekommen, als sie an seiner starken Schulter Schutz gesucht hatte. Jetzt im Nachhinein betrachtet, kam es ihr so vor, als hätte sie ihn für ihre Zwecke ausgenutzt. Das konnte selbst die Tatsache nicht mildern, dass sie sich normalerweise nie zu dieser Art von Nähe hinreißen ließ. Ein bisschen Kuscheln nach dem Sex war okay, aber aus einem anderen Grund als ihrer Lust hatte sie sich noch nie so an einen Mann geschmiegt. Zumindest nicht, seit ihr wirklicher Vater gestorben war und sie somit jegliche Rückzugsmöglichkeit verloren hatte. Seit dem war sie ihre eigene Festung gewesen und das sollte auch weiterhin so bleiben. Ganz egal, ob sie bei James für einen kurzen Moment einen Aussetzer gehabt hatte. Auch das würde nie wieder passieren. Obwohl es natürlich ein Fehler gewesen war, machte sich Delilah bewusst, dass sie hier gerade dabei war, aus einem kleinen Ausrutscher ein riesiges Drama zu kreieren. Das einzige wirkliche Drama, was sie und die Brüder anging, war ihre Schwangerschaft. Dagegen war alles andere einfach nur nichtig und das sollte sie auf keinen Fall vergessen. Dean hatte sie gestern allerdings sehr gekonnt dazu gebracht, es zu vergessen… "Ach, Mist." Langsam setzte sie sich im Bett auf und warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Es war noch nicht einmal halb acht. Vielleicht gewann sie endlich ihren alten Schlafrhythmus zurück. Sie konnte es nur hoffen. Genauso wie sie hoffte, dass Dean die Sache nicht so ernst nahm und es einfach nur als das ansah, was es nun einmal gewesen war – guter Sex. Nicht mehr und nicht weniger. Es fiel Delilah erst auf, als sie sich anzuziehen begann und selbst da musste sie einen Moment lang überlegen, was nicht stimmte. Eine seltsame Stimmung lag in der Luft. Es war nichts Greifbares und doch sträubten sich ihr mehrmals die Nackenhaare. Es war vollkommen still. Beinahe totenstill. Auf jeden Fall eine andere Art von Stille, als die gestrige und je länger diese Stille anhielt, umso unwohler fühlte sie sich. Genau aus diesem Grund schlich Delilah eher die Treppe hinunter, als dass sie ging und zuckte schon bei dem kleinsten Knarzen der alten Dielenbretter zusammen. Als wäre sie ein Verbrecher auf der Flucht und obwohl sie ihr Verhalten selbst als lächerlich empfand, konnte sie doch nichts dagegen tun. Ihr Herz sackte ihr endgültig in die Kniekehlen, als sie den Vater der Zwillinge am Küchentisch sitzend mit einer Zeitung in der Hand vorfand. Sofort blieb sie wie angewurzelt stehen und jeder Muskel in ihrem Leib begann sich zu verspannen. Delilah war sich sicher, keinen Laut von sich gegeben zu haben, dennoch blickte der Werwolf genau in diesem Moment von seiner Zeitung hoch und schenkte ihr einen langen unergründlichen Blick, der definitiv in die Kategorie ungemütlich eingeordnet werden sollte. Er wirkte noch nicht einmal überrascht. "Guten Morgen." Seine Stimme war rau und düster, fast wie ein bedrohliches Knurren. Delilah zuckte zusammen und für einen Moment fühlte sie sich an den Alptraum von letzter Nacht erinnert. Plötzlich war ihr Mund wie ausgetrocknet. Nur mühsam brachte sie eine halbwegs anständige Erwiderung zu Stande und selbst dabei stotterte sie. "G-Guten Morgen." Am liebsten wollte sie sich sofort ins nächste Erdloch stürzen. Aber selbst dazu war sie nicht fähig. Sie stand da wie festgewachsen. Eine zerrissene Augenbraue hob sich langsam. Hellte verblüffender Weise aber auch den finsteren Gesichtsausdruck etwas auf. "Kaffee?" Delilah überlegte verzweifelt, während sie sich so unauffällig wie möglich ihre klatschnassen Handflächen an ihrer Jeans abwischte. Scheiße. Sie konnte doch wohl schlecht ablehnen, wenn er ihn ihr schon anbot, oder? Und das bisschen Koffein würde ohnehin ziemlich schnell wieder von ihrem Körper abgebaut werden. Einmal konnte doch nicht schaden. "Ehm…" Verdammt noch mal, krieg endlich dein Maul auf! "Ja, danke." Sie wollte schon zur Kaffeemaschine losstarten, als der riesige Werwolf sie erneut dazu brachte, wie angewurzelt stehen zu bleiben, da er ihr zuvor kam und selbst aufstand. In aller Ruhe holte er einen Becher aus dem Schrank, goss etwas von dem duftenden Kaffee hinein und drehte sich mit der Tasse in der Hand zu ihr herum. "Milch und Zucker?" Delilah hoffte, dass ihr Gesichtsausdruck nicht einmal halb so entgeistert aussah, wie sie sich fühlte. Sie konnte zunächst nur nicken, doch als sich wieder diese verwegene Augenbraue hob, als wäre diese gleichgesetzt mit einem Fragezeichen, fügte sie noch rasch hinzu: "Drei Stück Zucker, bitte." Kommentarlos holte der Werwolf eine Zuckerdose aus dem Schrank, gab die drei Stück Zucker in den Kaffeebecher, stellte auch noch einen kleinen Löffel hinein und brachte dann alles zusammen mit der Milch an den Küchentisch. Direkt neben seinem eigenen angestammten Platz am Kopfende des Tischs. Heilige Scheiße! Das war eine unmissverständliche Aufforderung, sich direkt neben ihn hinzusetzen. Und selbst wenn nicht, wäre es wohl verdammt unhöflich gewesen, sich ans andere Ende des Tisches oder gleich in einen ganz anderen Raum zu setzen, nur um ihm aus dem Weg zu gehen. Jeder Muskel in ihrem Körper war angespannt, als sie sich dazu zwang, zum Tisch hinüber zu gehen und sich neben den Furcht einflößenden Vater der Zwillinge zu setzen. "Danke.", presste sie rasch hervor, ehe sie sich damit ablenkte, etwas Milch in den Kaffee zu tun, bis er die gewünschte Helligkeit aufwies. Nervös sprang Delilah keine Sekunde später wieder auf, um die Milch zurück in den Kühlschrank zu stellen. Den alten Werwolf störte das wenig. Er hatte sich bereits wieder hinter seine Zeitung begeben und dafür war sie ihm überaus dankbar. Natürlich fühlte sie sich immer noch nicht wohl in seiner Nähe, aber solange er mit der Zeitung beschäftigt war, würde er seine Aufmerksamkeit wohl nicht wieder auf sie richten. Delilah hatte schließlich nicht vergessen, wie er sie bisher behandelt hatte und der Streit hing auch noch viel zu präsent in ihren Gedanken herum, um sich entspannen zu können. Es wunderte sie sogar ziemlich, dass er ihr heute Morgen so 'freundlich' gesonnen war. Sie hatte keine Ahnung, womit sie das verdient hätte. Erst recht nicht, wenn man die Ereignisse des gestrigen Tages bedachte. Sofort versteifte sich Delilahs Körper noch mehr, so dass sie es kaum schaffte, den Kaffee leise umzurühren, so sehr zitterten ihre Finger, während sie überlegte, ob der Werwolf von dem Quickie mit einem seiner Söhne wusste. Gott bewahre, sie hoffte nicht! Wo waren die Brüder überhaupt? James könnte vielleicht noch schlafen, aber Dean musste auf jeden Fall schon auf den Beinen sein. Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, schon jetzt mit ihm zu reden, bevor er zu viel in die Sache hinein interpretierte, obwohl sich Delilah fast sicher war, dass er keiner der Typen war, die deshalb gleich an eine feste Beziehung dachten. Da müsste sie sich schon sehr in ihm täuschen. Eine Weile blieb sie noch sitzen, ohne auch nur einen Schluck von dem Kaffee getrunken zu haben. Sie hing ihren Gedanken nach und merkte dabei selbst nicht, wie sie sich wenigstens ein bisschen entspannte. Doch jedes Mal wenn der alte Werwolf die Zeitung umblätterte, war ihre Anspannung wieder da und dieses Hin und Her begann sie ziemlich schnell wieder zu ermüden. Außerdem hatte sie Hunger, doch solange der Kerl in der Küche saß, wollte sie sich nicht einfach vom Inhalt des Kühlschranks bedienen. Also stand sie schließlich auf, bedankte sich noch einmal für den Kaffee und trat zusammen mit der Tasse den Rückzug an. Sie würde Dean suchen, um klarzustellen, dass das gestern eine einmalige Sache gewesen war und nicht noch einmal vorkommen würde. Schon als sie das Haus verließ, konnte sie laute Musik aus der Werkstatt wummern hören, die ihr den Weg wies. Dean hatte sich offenbar bereits an die Arbeit gemacht und das bestätigte ihr auch der VW, der nun in der Sonne glänzend auf einem der freien Parkplätze stand. Sie verspürte beinahe den Drang, sich die Ohren zuzuhalten, als ihr Eminem dröhnend laut entgegen brüllte, kaum dass sie die Tür zur Werkstatt geöffnet hatte. Selbst der Kaffee in ihrer Tasse schien zu vibrieren. Auf den ersten Blick konnte sie keinen der Brüder entdecken, bis sie beinahe über ein Paar Beine stolperte, das unter einem uralten Bentley hervor lugte. Das Auto war tatsächlich so beeindruckend, wie sie anhand von James' Erzählungen angenommen hatte, auch wenn sie niemals so viel Geld für so ein Teil ausgeben würde. Delilah war sich nicht sicher, zu wem die Beine gehörten, da der Geruch der Werkstatt den des Mannes beinahe überdeckte. Doch als sie sich neben dem Auto in die Hocke begab, stieg ihr der vage Duft von Moos und Walderde in die Nase, untermalt von einem sehr dominanten Geruch nach männlichem Wolf. Er war sogar stärker, als sie ihn in Erinnerung hatte. Beinahe hätte sie den Kaffee fallen gelassen, als Dean regelrecht unter dem Auto hervor schoss und sie vor Schreck aus dem Gleichgewicht brachte. Gerade noch so konnte sie sich mit der flachen Hand an der Tür des Bentleys abfangen, um nicht auf dem Po zu landen. Delilah wollte schon zu einer grimmigen Begrüßung ansetzen, als ihr regelrecht die Spucke wegblieb, während sie Deans Gesicht anstarrte. Sie war sich ziemlich sicher, dass der breite Riss in seiner immer noch leicht geschwollenen Unterlippe gestern noch nicht dagewesen war. Genauso wie der leuchtendrote Kratzer an seinem Hals. "Was ist passiert?", wollte sie immer noch leicht atemlos wissen, woraufhin Dean fragend die Stirn runzelte, sich etwas aufrichtete, nach einer kleinen fleckigen Fernbedienung griff und den Lärmpegel auf erträglichem Maße herunter drehte. "Hi. Was hast du gerade gesagt?" Er setzte sich auf den kleinen Wagen, mit dem er vorhin noch unter dem Bentley gelegen hatte und tat so, als wäre nichts gewesen. Dabei sahen die Wunden selbst für werwölfische Verhältnisse noch frisch aus. "Ich wollte wissen, ob du dir morgens gerne einen kleinen Fight gönnst." Bei dem Gedanken bekam sie erneut eine Gänsehaut und sie wurde schon wieder an ihren Alptraum erinnert. Dean hingegen sah sie zunächst auch weiterhin fragend an, bis sie mit dem Zeigefinger an ihre Unterlippe tippte und er endlich begriff. Für einen Moment schien er sich nicht entscheiden zu können, wie er reagieren sollte, doch schließlich zuckte er einfach mit den Schultern. "Eigentlich nicht." Mehr gab es da offenbar seiner Meinung nach nicht zu sagen. Stattdessen glitt sein Blick zu dem immer noch dampfenden Kaffee in ihrer Hand und Delilah hielt ihm die Tasse hin. Sie würde es ja doch nicht über sich bringen, einen Schluck davon zu trinken. "Ist aber mit drei Stück Zucker." Sie mochte das Getränk eben gerne süß, auch wenn diese Zeiten erstmal vorbei waren. "Kein Problem. Ich trinke ihn fast in jeder Variante." Dean nahm ihr die Tasse aus der Hand und lächelte sie auf eine Weise an, die ihr sofort wieder dieses bestimmte Kribbeln im Bauch verursachte. Selbst die verletzte Unterlippe konnte sie nicht von dem Gedanken abhalten, ihn noch einmal küssen zu wollen. Vergiss es! "Danke." Er hatte gerade einmal einen Schluck genommen und wollte ihr den Becher wieder zurück geben, ehe Delilah abwehrend den Kopf schüttelte und sich aus der Hocke erhob. "Nein, trink ruhig aus." Das war besser, als ihn wegzuschütten. "Also, was ist passiert?", bohrte sie noch einmal nach, da sie sich nicht so leicht abspeisen lassen wollte. Immerhin kamen Deans Verletzungen ja nicht einfach von irgendwo her. Dean kam ebenfalls auf die Beine, nahm noch einmal einen großen genüsslichen Schluck von dem Kaffee, während er sie dabei beobachtete und dann ihrem Blick auswich. "Ein Unfall." Ja, klar und seit Neuestem verwandelte sie sich in ein pinkfarbenes Schaf. Glaubte er denn wirklich, sie würde ihm das so einfach abkaufen? Offenbar nicht, denn er wich ihr noch weiter aus, in dem er an ihr vorbei zu einer Werkbank ging, den Kaffee dort abstellte und an irgendeinem Schuhkarton großen Teil herum zu schrauben begann. Gut, dann würde sie eben nicht weiter nachfragen. So dringend wollte sie es nun auch wieder nicht wissen. Sie hatte schließlich noch andere Punkte im Kopf, die angesprochen werden sollten. "Also, Dean. Wegen gestern…" Sie sah, wie sich sein Körper auf subtile Weise anspannte, obwohl sich an seinen Bewegungen nichts änderte. Vielleicht bildete sie sich das aber auch nur ein. "Ja?" Auch seine Stimme verriet nichts, sondern war ruhig und gelassen wie zuvor. Delilah nahm einen Schraubenschlüssel in die Hand und drehte ihn so, dass sie die Nummer darauf lesen konnte. Dean hatte ihr gestern erklärt, wo sie diese fand, um die Größe bestimmen zu können. Er selbst hatte das meistens auch mit bloßem Auge erkannt, aber er arbeitete auch schon sehr viel länger mit diesem Werkzeug. "Ich wollte nur sagen, dass ich nicht genau weiß, was da in mich gefahren ist, obwohl es mir gefallen hat. Ich denke nur nicht, dass wir das in nächster Zeit wiederholen sollten. Ich meine, ich… Das war einfach nicht … geplant und es…" Sie verstummte. Irgendwie kam sie sich gerade so vor, als würde sie mit Dean schlussmachen und das war nun wirklich nicht der Fall. Delilah atmete einmal tief durch und umschloss das harte Metall in ihren Händen fester. "Ich meine, wir hatten zwar Sex. Schon wieder. Aber deshalb sollten wir keine große Sache daraus machen." So, damit war es raus. Jetzt war es an Dean seine Meinung dazu zu äußern, allerdings machte er mehr den Eindruck, als hätte er ihr gar nicht zugehört. Stattdessen schraubte er noch eine Weile an dem ihr unbekannten Teil herum und gerade, als sie ihn fragen wollte, ob er verstanden hatte, legte er den Schraubenzieher weg, drehte sich zu ihr um und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Werkbank. Sein Gesichtsausdruck war zwar nichtssagend, aber Delilah hatte dennoch ein ungutes Gefühl im Bauch, obwohl sie nicht sagen konnte, wieso. "Also wollen wir doch zuerst einmal klarstellen, dass ich es war, der in dich gefahren ist und daher ist es mir durchaus nicht entgangen, dass es dir gefallen hat. Aber trotzdem danke, dass du mir auch noch die Bestätigung gegeben hast. Das erleichtert mich ungemein." Wäre Delilah eine andere, sie wäre bei Deans Worten rot angelaufen, doch stattdessen fragte sie sich, ob sein letzter Satz sarkastisch gemeint gewesen war. Es hatte sich nicht so angehört. Zudem lag ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen. Sie war sich aber trotzdem nicht sicher. "Zweitens haben wir auch beim ersten Mal keine große Sache daraus gemacht und ich sehe keinen Grund, das jetzt zu ändern, obwohl ich froh bin, dass wir es dieses Mal nur zwischen uns beiden ausmachen konnten." Das Lächeln wurde größer, während er sich von der Werkbank abstieß und näher kam. Delilah wusste sofort, was er damit meinte, obwohl sie selbst nicht wirklich sagen könnte, was ihr nun besser gefallen hatte. Der Dreier mit Dean und seinem Bruder zusammen, oder der Quickie hinter dem Werkzeugschuppen mit ihm alleine. Eigentlich waren beide Male Fehler gewesen, die sie keines Falls noch einmal wiederholen durfte. Und wenn man es genau nahm, dann war der Dreier sehr wohl eine große Sache gewesen, die durchaus noch zum Thema werden würde, aber im Augenblick war sie froh, dass Dean nichts davon ahnte. Es wäre der falsche Zeitpunkt gewesen, ihm jetzt von der Schwangerschaft zu erzählen. "Und drittens halte ich dich für eine Frau, die sehr genau weiß, was sie will." Dean blieb dicht vor ihr stehen und hob sanft ihr Kinn an, während er ihr auf genau jene Weise tief in die Augen blickte, wie sie es schon im Wald bei ihm erlebt hatte. Das Kribbeln wurde heftiger und ihr ganzer Körper fühlte sich mit einem Mal an, als stünde sie unter Strom. Ihr verräterischer Mund bettelte geradezu darum, von ihm geküsst zu werden und einen Moment später tat er es sogar, wenn auch nur flüchtig. "Du musst dich nur noch entscheiden." Einen Augenblick lang war sie zu überrascht, um weder auf den Kuss noch auf seine Worte reagieren zu können. Delilah ließ es sogar zu, dass Dean einen Schritt zurück trat und die Distanz zwischen ihnen somit vergrößerte. Er sah sie an, doch das Lächeln war von seinen Lippen verschwunden. Als hätten die ihren es einfach weggewischt. Delilah kam wieder zu sich und machte selbst auch noch einen Schritt zurück. Wenn sie Dean richtig verstanden hatte, überließ er es ihr, ob sie aus der Sache mehr machte oder nicht und genau das wollte ihr ganz und gar nicht gefallen. Obwohl sie nicht sagen könnte, warum sie so empfand. Aber es war besser so. Das wusste sie. "Gut, dann wäre das geklärt." Delilah wurde das Herz schwer, während sie sich äußerlich weiter von Dean zu distanzieren versuchte, obwohl ihre Instinkte etwas ganz anderes verlangten. Aber ihre Hormone hatten hier nichts mehr zu melden. Sie hatte schließlich schon genug Probleme am Hals. "Ich halte dich dann mal nicht länger von der Arbeit ab. Bis später." Natürlich war es feige von ihr, die Flucht anzutreten, aber etwas räumlicher Abstand von diesem Mann konnte nicht schaden. Ganz im Gegenteil, wenn er sie auch nur ein paar Sekunden länger geküsst hätte, wäre die Sache vermutlich ganz anders verlaufen und das wollte sie auf keinen Fall noch einmal riskieren. Ihr Herz raste noch immer. Mit knurrendem Magen machte sie einen Bogen um das Haus, um nicht Gefahr zu laufen, Deans Vater zu begegnen und wurde dabei von einem seltsamen Geräusch angelockt, das sie nicht sofort zuordnen konnte. Als sie auf der anderen Seite des Hauses um die Ecke bog, traf sie überraschend auf James, der gerade mit solch einer Leichtigkeit eine Axt schwang, als wöge sie nicht mehr als eine Spielzeugrassel. Die Wucht des Aufpralls war jedoch so enorm, dass das Holzstück auf dem Block vor ihm sauber in zwei Hälften auseinander und ein Stück weit weg flog. Delilah wollte ihn gerade begrüßen, als sie die Kratzer und blauen Flecken auf seinem entblößten Rücken entdeckte und sie endlich begriff. Sie hatte nicht geträumt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)