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Nachtgestein

Grau in Grau
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Nachdem ich "Die verwelkte Lilie" geschrieben hatte, wollte ich nun auch das hier zu Papier bringen. Ob es dem vorangegangen One-Shot ein bisschen an deprimierender Stimmung nimmt, weiß ich nicht genau, aber vielleicht ist es zumindest ein bisschen klärender.
Viel Spaß beim Lesen. ;) Komplett anzeigen

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Sternenklar

Die Nacht war sternenklar, als er in den dunklen Straßen seiner Beute folgte.

Jedes Mal wenn sein Vater nach Hause kam, sagte er Killian, dass er sich keine Sorgen machen müsste, denn er würde für ihn, seine kleinen Schwestern und seine Mutter sorgen. Es stimmte zwar, dass er immer Geld mitbrachte, wenn er nach Hause kam, aber er kam nun mal nicht ganz so häufig nach Hause. Auch wenn seine Mutter ihm, als er jünger gewesen war, immer gesagt hatte, dass sein Vater ein Handelsvertreter war und deswegen oft auf Reisen sei, kannte Killian mittlerweile die Wahrheit: sein Vater war ein Dieb. Genau wie seine Mutter. Genau wie Killian selbst.

Normalerweise machte es ihm nichts aus, manchmal etwas länger darauf warten zu müssen, wieder ordentliche Nahrung anstatt so etwas wie Haferschleim zu sich zu nehmen, aber vor zwei Monaten war seine Mutter erkrankt und sie brauchten dringend Geld für die Behandlung. Anfangs hatte sich seine Mutter vehement dagegen gesträubt, dass er, Killian, als einfacher Taschendieb auf den Straßen endete, wo er doch endlich an der Lincoln School ein Stipendium bekommen hatte, doch ihr Protest ging in einem heftigen Husten unter. Mit ihrem röchelnden Atem immer noch in den Ohren hatte er sich umgedreht und war aus ihrer kleinen Wohnung hinaus auf die Rostigen Hügel gegangen.

Eigentlich hatte er erwartet oder gehofft, dass er das, was er knapp zwei Jahre zuvor während seiner Eintrittsphase in den Vulpes-Clan gelernt hatte, so schnell nicht wieder - oder im besten Fall gar nicht mehr - brauchen würde, aber in der Not frisst der Teufel eben Fliegen. Nachdem seine ersten Versuche weniger gut verliefen und er fast geschnappt worden wäre, hatte er am Ende des ersten Tages immerhin genug Geld zusammen, um seiner Familie wenigstens feste Nahrung zu besorgen. Mittlerweile hatte er seine Technik perfektioniert: in seiner menschlichen Gestalt nahm er seiner Beute ihre Geldbeutel ab und sollten sie ihn verfolgen, nahm er einfach seine Fuchsgestalt an. Und rannte was das Zeug hielt. Zugegeben, vielleicht nicht der feinfühligste Plan, aber ein perfekt funktionierender. Inzwischen musste er in 85 Prozent der Fälle gar nicht mehr zum Fuchs werden, sondern ging einfach weiter, als wäre nichts gewesen.

Anfangs hatte ihn der Gedanke, unschuldige Passanten zu bestehlen, gestört und er hatte sich selbst nur auf diejenigen angesetzt, die schon von weitem so aussahen, als würden sie ein paar Mäuse nicht vermissen. Allerdings sah er die Sache inzwischen nicht mehr ganz so liberal und verfolgte das Prinzip ‚Wer zuerst kommt, der mahlt zuerst‘.

Für gewöhnlich war er nur während der Dämmerung aktiv, doch heute waren die Geschäfte in der neuen Einkaufsstraße aufgrund der bevorstehenden Feiertage länger geöffnet und die Menschen trugen prall gefüllte Geldbeutel mit sich. Killian hatte heute bereits ein hübsches kleines Sümmchen zusammen und wollte jetzt nur noch ein letztes Mal zuschlagen. Ursprünglich hatte er geplant, nach Hause zu gehen, doch nun bot sich eine unerwartete Gelegenheit für einen weiten kleinen Diebstahl; mitten in den Rostigen Hügeln.

Etwa fünfzehn Meter vor ihm ging ein Mädchen, deren schwarze Haare unter einer Baseballkappe hervorlugten und das etwa dasselbe Alter wie Killian haben musste. Auf den ersten Blick sah sie wie ein lokales Gangmitglied aus, doch auf den zweiten bemerkte Killian, dass ihre Kleidung viel zu sauber und viel zu unversehrt war, um dauerhaft auf den Straßen zu leben. Außerdem ging sie nicht wie ein Gangmitglied. Killian vermutete, dass sie ein reiches Töchterchen auf der Suche nach ein bisschen Aufregung in den Rostigen Hügeln war.

Wahrscheinlich eine von diesen dämlichen Mutproben, dachte er sich. Selber schuld. Wir sind schließlich keine Zootiere, die man einfach mal betrachten kommt, um dann in sein heiles Leben zurückzugehen.

Killian verabscheute solche Leute. Und seine neue Schule war voll von ihnen. Es war einfach die Hölle; Prestige hin oder her.

Und eben für diese ganz persönliche Hölle sollte jetzt dieses reiche Töchterchen büßen. Er konnte sogar sehen, wo sie ihr Geld trug. Und es war kein sonderlich sicherer Ort.

Er holte noch einmal tief Luft und näherte sich dann vorsichtig, aber nicht so vorsichtig, dass es wieder auffällig wäre, dem Mädchen vor ihm. Sie hatte eine seltsame Schrittgeschwindigkeit, sie rannte noch nicht, aber bewegte sich dennoch verhältnismäßig schnell, sodass Killian sich erst einpendeln musste. Es war zu einfach… Sie schien vollkommen in Gedanken zu sein und er streckte langsam die Hand nach dem Reißverschluss ihres Rucksacks aus…

Er hatte den Reißverschluss bereits geöffnet und konnte das weiche Leder des Portemonnaies unter seinen Fingern fühlen, als sich das Mädchen plötzlich umdrehte.

„Hey““, rief sie aus.

Nur seinem Geschick und seiner schnellen Reaktionsfähigkeit war es zu verdanken, dass es ihm tatsächlich gelang, die Geldbörse an sich zu nehmen. Ohne einen Moment für den Fluch zu verschwenden, der ihm auf den Lippen brannte, drehte er sich augenblicklich um und rannte so schnell er konnte.

„Hey, bleib stehen!“, hörte er das Mädchen hinter sich rufen.

Killian warf ihr über seine Schulter hinweg einen Blick zu – vollkommen davon überzeugt, dass das reiche Töchterchen nicht damit gerechnet hatte, dass man sie beklauen könnte und nun nicht wusste, was sie tun sollte. Doch zu seiner größten Überraschung musste er feststellen, dass ihm das Mädchen in einem gar nicht so großen Abstand folgte. Ihre violetten Augen schienen dabei regelrecht vor Wut zu glühen und er bemühte sich dazu, schneller zu laufen.

„Halt gefälligst an!“, rief sie erneut.

Killian war mittlerweile mehr als nur überzeugt davon, dass er wohl oder übel auf seinen perfektionierten Notfallfluchtplan zurückgreifen musste. Während des Rennens griff er in seine Jackeninnentasche, holte seine bisherige Beute heraus und steckte sie einfach in die Mitte des gerade erbeuteten Portemonnaies. Als er um eine Häuserecke rannte, um seine Verfolgerin abzuschütteln, erlaubte er sich einen Blick zurück.

Oh, Mist! hallte es schon fast panisch in seinem Kopf wieder.

Um die Hände des Mädchens hatten sich Schatten geformt, die wie lebendig vor sich hin waberten, während sie ihm mit einem erzürnten Ausdruck auf dem Gesicht hinterherstürmte.

Mein letzter Coup diese Nacht und muss natürlich auf eine Schwarze treffen!

Killian überlegte nicht lange und nahm das Geldbörsen-Beute-Bündel zwischen die Zähne und verwandelte sich. Anfangs war es schmerzhaft gewesen, sich zu verwandeln, und hatte auch zu lange gedauert, doch jetzt benötigte er nur noch einen Sekundenbruchteil.

Vincio !“, schrie sie.

Noch ehe seine vier Pfoten den Asphalt den Boden berühren konnten, fühlte er ein heißes Brennen auf seiner rechten Schulter. Beinahe hätte er aufgeschrien, doch der Gedanke daran, was der Verlust seiner nächtlichen Beute bedeuten würde, ließ ihn die Zähne zusammenbeißen und weiterrennen.

Er rannte, rannte so schnell ihn seine Pfoten trugen, schlug Haken und drehte sich nicht noch einmal zu dem Mädchen um.
 

Keuchend und mit vor Panik großen Augen betrachtete er seine Schulter im Badezimmerspiegel.

Als er in der letzten Nacht in seinem Lagerversteck in der Kanalisation angekommen war, hatte das Brennen bereits nachgelassen und er hatte sich nichts weiter dabei gedacht. Er hatte sich in der Dunkelheit schnell seine Reservekleidung angezogen und sein Versteck wieder versiegelt, um möglichst schnell aus der muffigen Luft wieder herauszukommen. Zu Hause angekommen war einfach nur vollkommen erschöpft und todmüde ins Bett gefallen. Als dann diesen Morgen sein Wecker geklingelt hatte, hatte Killian ihn mit Worten betitelt, die wahrscheinlich gar nicht existierten. Während er jedoch – immer noch vollkommen übermüdet – aus der Dusche gestiegen war, hatte er sein blaues Wunder erlebt. Oder vielmehr sein schwarzes.

Auf seinem rechten Schulterblatt befand sich eine tintenschwarze Schlange! Komplett mit Schuppen und allem. Der Körper des Tieres war ineinander verschlungen und ihr Kopf ruhte mit geschlossenen Augen auf dem Körper der Schlange.

Er hatte ja mit irgendwelchen Schrammen oder Verbrennungen gerechnet, aber nicht damit! Wie sollte er das bloß seiner Mutter erklären?!

Er rückte näher an den Spiegel um besser sehen zu können. Die Haut schien vollkommen glatt zu sein und es gab keine ausgefransten Ränder wie beispielsweise bei Tätowierungen. Allerdings hatte Killian bisher auch nur eine Tätowierung gesehen, bei seinem Vater, und er war sich nicht sicher, ob Tätowierungen vielleicht auch anders aussehen konnten.

Ungläubig wollte er mit seiner Hand die Schlange anfassen, doch als seine Finger die in der Tat glatte Haut berührten, fühlte es sich an, als würde ein kleiner Stromschlag seinen Körper durchziehen und die Augen der Schlange öffneten sich schlagartig.

Killian erschreckte sich dermaßen, dass er – in einem blinden und zum Scheitern verurteilten Versuch, sich die Schlange von der Haut zu wischen – um sich schlug und dabei ausrutschte. Er verlor das Gleichgewicht und landete um sich schlagend unsanft auf dem gekachelten Badezimmerboden.

Sein Atem ging keuchend und sein Herz schlug schneller als je zuvor, als er versuchte auf dem Boden sitzend, der Schlange einen Blick zuzuwerfen.

„Killian?“, hörte er Amalies verschlafene Stimme vor der geschlossenen Tür.

Obwohl er ihr versicherte, dass alles in Ordnung mit ihm war, wusste er, dass dies ganz und gar nicht der Fall war.
 

Er war den ganzen Tag in der Schule mehr als nur unkonzentriert, sodass es ihm beinahe entgangen wäre, als seine werten, wohlhabenden Mitschüler ihm seine Deutschbücher geklaut hatten. Nun nach dem Unterricht, stand er vor den dreien - Haiden, Philippson und Monroe – und versuchte seine Bücher zurückzubekommen.

„Gebt sie mir doch einfach wieder“, meinte er.

„Es wäre doch langweilig, wenn wir das so einfach tun würden, oder, Limmy?“, fragte Monroe mit einem hämischen Grinsen auf dem Gesicht, da er wusste, wie sehr Killian den Spitznamen hasste. „Du könntest ja ein bisschen für uns tanzen oder so. Was auch immer ihr auf den gammligen Hügeln für amüsant erachtet.“

Wie um seine Aussage zu unterstützen, schubste ihn Philippson.

So langsam hatte Killian genug. Er hatte zu wenig geschlafen, diese dämlichen Clowns gingen ihm auf die Nerven und er konnte nichts dagegen tun, weil sonst vielleicht noch sein Stipendium flöten ging, und seine Schulter kribbelte auf einmal auch noch wie verrückt. Sein unteres Augenlied begann bereits zu zucken und er machte einen ärgerlichen Schritt auf die drei Pfeifen vor ihm zu, um ihnen sein Schulbuch zu entreißen, doch blöderweise war Philippson, der sein Buch in Händen hielt, fast einen Kopf größer als er.

„Gib ihm sein Buch zurück“, ertönte plötzlich die kühle Stimme eines Mädchens.

Als Monroe seinen Kopf in die Richtung wandte, aus der die Stimme gekommen war, wahrscheinlich, um das Mädchen aufzufordern, sich um seinen eigenen Kram zu kümmern, versteinerte sich sein verärgerter Blick plötzlich.

Auch Killian unterbrach überrascht seinen von Misserfolg gekrönten Versuch, sein Buch zurückzubekommen und sah in die Richtung, in der das Mädchen sein musste; schließlich war es das erste Mal, dass ihm jemand half.

Als er jedoch seinen Blick auf das Mädchen richtete, gefror alles in ihm.

Was macht sie denn hier?!

Im ersten Moment dachte er das Mädchen von letzter Nacht, das er um ihre Geldbörse erleichtert hatte, vor sich zu haben. Sie hatte dieselben rabenschwarzen Haare und dieselben violetten Augen, doch als sie näher kam, erkannte er, dass sie es nicht war. Sie war älter als das Mädchen von gestern, schon mindestens fünfzehn oder sechzehn, denn sie trug den schwarzen Blazer der Oberstufe und ihren Arm zierte eine dunkelrote Armbinde mit der Aufschrift „Disziplinarkomitee“. Sie war auch größer als das Mädchen von gestern, das Killians Größe gehabt hatte. Als sie auf seine verhassten drei Mitschüler zuging, waren ihre Augen kühl und sie zeigte auch in keinster Weise Zeichen des Wiedererkennens von Killian.

Sie hielt ihre Hand Philippson entgegen und er gab ihr widerstrebend Killians Deutschbuch. Als sie das Buch auf der ersten Seite aufschlug, warfen Monroe, Haiden und Philippson sich unsichere Blicke zu.

Na, das ist doch mal was Neues.

„Wie heißt du?“, fragte das Mädchen von Disziplinarkomitee ihn schließlich.

„Killian Limmers“, antwortete er wahrheitsgetreu.

Nachdem sie offenkundig zufrieden nickte, gab sie ihm sein Buch zurück.

„Ihr drei kommt jetzt mit mir mit“, wies sie die drei Clowns an und drehte sich dann erneut zu Killian um. „Du wartest am besten hier, mit meiner Schwester“, meinte sie sanfter zu ihm und drehte sich dann in die Richtung, aus der sie gekommen war. „Clara? Kannst du bitte herkommen?“

„Natürlich, Viola“, sagte eine weitere Mädchenstimme, doch Killian war damit beschäftigt, dem Mädchen hinterherzusehen, als sie versuchte Mr. Morrisons Aufmerksamkeit zu erlangen, der gerade am Eingang des Korridors aufgetaucht war. Ihre schwarzen Haare warfen bei jedem Schritt neue Lichtreflexe zurück.

Als das Kribbeln in seiner Schulter stärker wurde, rollte er beinahe unbewusst mit seiner Schulter, um sich Linderung zu verschaffen. Er hatte bemerkt, dass sich jemand zu ihm gestellt hatte – wahrscheinlich die Schwester des Mädchens, das ihm geholfen hatte. Doch als er sich zu ihr umdrehen wollte, um ihr zu sagen, dass es nicht nötig war, dass sie mit ihn wartete, hielt er augenblicklich inne.

Dieses Mal stand wirklich das Mädchen von letzter Nacht vor ihm!

Sie schien allerdings genauso überrascht zu sein wie er, ihn hier zu sehen, denn ihre Augen weiteten sich und Schock breitete sich auf ihren Zügen aus.

„Was machst du hier?!“, zischte sie nach einem leicht panischen Blick in Richtung ihrer Schwester.

„Dasselbe könnte ich dich fragen!“, zischte Killian ärgerlich zurück.

„Gib mir das Portemonnaie zurück“, sagte sie, während er zeitgleich forderte: „Nimm dieses Ding von meiner Schulter!“

Es folgte ein Moment, in dem sie sich einfach nur wütend anfunkelten, doch sie brach den Blickkontakt zuerst und verzog den Mund.

„Nein, das geht nicht.“

„Bitte?!“, entfuhr es ihm.

Killian warf einen Blick über die Schulter zu ihrer Schwester, doch die schien noch in ein Gespräch mit Mr. Morrison vertieft zu sein, während die Clown-Triade bedröppelt daneben stand.

„Du hast es dahin gemacht, also mach es auch wieder weg!“, zischte er leise.

Sie sah schon fast betreten zur Seite. „Du verstehst mich nicht, ich kann es nicht rückgängig machen!“

„Was bist du denn für eine Schwarzmagierin?!“, erwiderte er fassungslos. „Oh, Gott, wie ich Leute wie euch hasse! Ihr kommt in die Rostigen Hügel, nur um eure kleinen Abenteuer zu erleben, um eurem Alltag zu entfliehen, und wisst dann noch nicht einmal mit euren Fähigkeiten umzugehen!“

Wütend trat er an ihr vorbei und ignorierte ihr überraschtes Gesicht. Er schritt aufgebracht den Gang hinunter und ließ auch ihre geflüsterten Warte-Rufe hinter sich verklingen.

„Bleib stehen!“, sagte sie und hielt ihm am Arm fest.

Sie musst tatsächlich den Gang hinter ihm hergerannt sein, denn ihr Brustkorb hob und senkte sich stärker als zuvor.

„Mir ist vollkommen egal, was du von mir hältst, aber ich brauche den Inhalt dieses Portemonnaies unbedingt wieder!“

Verärgert wie er war, rutsche Killian eine Antwort heraus, die er für gewöhnlich nicht gegeben hätte.

„Dann hättest du besser drauf aufpassen sollen.“

Er konnte sehen, dass sich der Ärger auch in ihr breit machte, aber ihr blieb nichts anderes übrig, als ihn gehen zu lassen, als ihre Schwester nach ihr rief und er die Gelegenheit nutzte und sich erneut umwandte.
 

Killian war wütend.

Wütend auf die Clown-Triade, weil sie Idioten waren.

Wütend auf das Mädchen, das wahrscheinlich Clara hieß, weil sie ihre eigenen Zauber nicht beherrschte.

Aber am wütendsten war er auf sich selber, weil er sich so hatte gehen lassen.

An diesem Nachmittag hatte er den letzten Blockunterricht sausen lassen und hatte die Schule verlassen. Da er früher als sonst unterwegs war, holte er, ehe er nach Hause ging, seine kleine Schwester Amalie aus ihrer Schule ab. Zu seinem Glück waren seine jüngeren Zwillingsschwestern Mimi und Ellie noch zu klein, um in den Kindergarten zu gehen, und er musste nicht drei kleine Mädchen durch die Straßen bugsieren, sondern nur eins.

Amalie hielt bei jedem Geschäft an und betrachtete sich aufgeregt den Inhalt ihrer Schaufenster, doch Killian konnte ihr nicht böse sein, wenn sie ihn mit ihren leuchtend blauen Augen strahlend ansah und ihre blonden Zöpfe im Wind wehten, wenn sie die Straße hinunterrannte, weil sie ein neues Schaufenster entdeckt hatte.

Nachdem er seine Schwester nach Hause gebracht hatte, hatte er dafür gesorgt, dass sowohl die beiden Kleinen, als auch seine Mutter versorgt waren. Obwohl seine Mutter ihm bestätigt hatte, dass alles in Ordnung war, glaubte Killian ihr nicht so recht, als sie sich die Beatmungsmaske ihrer Sauerstoffflasche aufsetzte, auch wenn sie ihm ein schwaches Lächeln geschenkt hatte.

Weil Mimi ihr Erbsenpüree nicht essen wollte und Ellie sich aus Solidarität natürlich mitgeweigert hatte, war es bereits dunkel, als Killian die Wohnung verlassen konnte. Allerdings beunruhigte ihn der Zustand seiner Mutter und er hatte ohnehin nicht lange vor, wegzubleiben, sondern wollte nur seine Beute aus ihrem Versteck holen und wieder nach Hause gehen.

Er wählte seinen üblichen Eingang am Südfriedhof, um in die Kanalisation zu gelangen. Wie für gewöhnlich auch war es dunkel und roch unangenehm hier unter der Stadt. Die Dunkelheit machte Killian aber immer weniger zu schaffen, als der Geruch. Er war ein Werfuchs und auch, wenn er sich erst seit seinem zehnten Lebensjahr vollständig verwandeln konnte, übertrugen sich die Fähigkeiten seiner beiden Gestalten auch auf die jeweils andere. Auf diese Art und Weise war es ihm möglich, seine Gedanken zu behalten, wenn er ihn seiner Tiergestalt war, oder in der Dunkelheit besser sehen zu können, weil sich die Zäpfchen in seiner menschlichen Netzhaut verändert hatten. Und genau deswegen war es ihm leider auch unmöglich, dem unmenschlichen Gestank zu entfliehen, der seine Nase heimsuchte.

Er kräuselte die Nase und schritt schnell durch die klammen Kanäle bis er zu der Stelle kam, an der einige der Backsteine, die die Kanalwand bildeten, locker waren und seine Beute versteckt hielten. An dieser Stelle war es so dunkel und die Luft stank so unangenehm, dass sich Killian von Anfang an sicher gewesen war, dass niemals jemand freiwillig hier herkommen würde, wenn er nicht musste. Er wusste, dass die tieferführenden Tunnel schon ein paar Jahre lang verlassen waren, weil ein paar großräumige Baumaßnahmen die Kanäle vor ein paar Jahren verlegt hatten. Er erinnerte sich noch daran, wie sein Vater ihm damals erklärt hatte, warum man die ganze Straße aufriss, als er gemeinsam mit ihm auf einer der Parkbänke gesessen hatte, sodass Killian in Ruhe sein Eis essen konnte.

Er ließ den Gedanken an seinen Vater mit einem physischen Kopfschütteln fallen – er würde sicher bald zurückkommen und dann musste Killian nicht so schnell wieder hier herunterkommen.

Vorsichtig hockte sich Killian nieder und löste den obersten lockeren Stein. Danach den Nächsten und den Übernächsten, bis sich vor ihm schließlich die kleine Öffnung auftat, in der er für gewöhnlich ein paar Kleidungsstücke zum Wechseln und ein altes Zigarrenkästchen seines Vaters aufbewahrte, das seine Beute beinhaltete. Er legte das Bündel alter Kleidung, das er mit sich gebracht hatte, in die Öffnung und holte die kleine Schatulle heraus, um seine Beute an sich zu nehmen.

Als er jedoch Claras Portemonnaie in Händen hielt, zögerte er.

Irgendwie sah ihr Portemonnaie nicht aus, wie das eines reichen Mädchens seines Alters… Für gewöhnlich hatten deren Geldbörsen irgendwelche bunten Farben oder glitzernde Steinchen darauf kleben, aber Claras Portemonnaie war schlicht, oder vielmehr praktikabel.

Jedoch ehe er sich um den Inhalt des Portemonnaies Gedanken machen konnte, glaubte er ein Geräusch vernehmen zu können. Er runzelte die Stirn, hielt mitten in der Bewegung inne und lauschte.

Da war es wieder.

Es klang… Killian wusste nicht wie es klang. Wie nichts, das er je gehört hatte auf jeden Fall. Wie eine Mischung aus Schmatzen und Schlurfen mit einer Prise Röcheln.

Seine rechte Schulter mit der Schlange drauf kribbelte wieder und er hatte ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Schnell packte er Claras Portemonnaie in eine seiner Hosentaschen, den Rest seiner Beute in die andere und verschloss schnell und geübt die Öffnung.

So leise er konnte, richtete er sich auf und ging langsam in die Richtung, aus der er das Geräusch vernommen hatte. Es ertönte erneut und dieses Mal ein gutes Stück lauter und auch näher. Er konnte etwas hören, das wie Schritte in dem niedrigen Wasserstand der Kanalisation wiederhallte.

Es war ihm entfallen, wie es passiert war, aber als er versuchte zu schlucken, fühlte sich seine Kehle trocken an und der Gestank machte es auch nicht besser.

Irre ich mich, oder nimmt der Gestank zu?

Nur wenige Schritte war er gegangen, als er eine Silhouette in dem dunklen Zwielicht ausmachen konnte. Wankend kam sie näher und verursachte dabei diese seltsamen schmatzenden Geräusche bei jedem Schritt.

Vielleicht nur ein Besoffener?

Doch als die wankende Silhouette ein kehliges Röcheln ausstieß, wusste Killian, dass dem nicht so war. Der unangenehme Gestank wurde immer stärker und das Kribbeln in seiner Schulter so stark, dass er unwillkürlich die Stelle unter seinem T-Shirt kratzte. Augenblicklich bereute er diese Aktion, als wieder ein kleiner Schlag durch ihn fuhr. Auch wenn das Gefühl nicht unangenehm war, ließ seine Plötzlichkeit Killian dennoch zusammenzucken.

Die Gestalt war vielleicht noch zwanzig Meter von ihm entfernt und hielt abrupt inne, als sie Killians Zusammenzucken bemerkte. Was ihn jedoch wesentlich mehr beunruhigte, war die Tatsache, dass sie sich danach schneller auf ihn zu bewegte!

„Oh, Mist!“, entkam es ihm und er wandte sich um, um in die dunkleren Tunnel zu rennen.

Auch wenn er sich in diesem Teil der Kanalisation nicht sonderlich gut auskannte, blieb ihm wohl kaum eine andere Möglichkeit, denn der Kanaltunnel war nicht breit genug, als dass er an der Gestalt ungeschoren vorbeischlüpfen könnte; selbst wenn er sich verwandelte. Als er hinter sich weitere spritzende Schritte hörte, hoffte er nur, dass es ihm gelang, seine Verfolger in der Dunkelheit abhängen zu können.

Er nahm wahllos eine der Abzweigungen, die sich ihm zwischendurch immer wieder boten. Dass er sich vollends verlaufen könnte, war eine geringere Sorge für ihn, als der Blick zurück, der ihm deutlich mehr als fünf Gestalten zeigte, die ihn verfolgten.

Sein Herz hämmerte, als er vor sich sah, wie der Tunnel heller wurde. Vielleicht hatte er einen der Ausgänge erreicht.

Doch er rannte nicht unter den freien Himmel, sondern landete in einem weiten Raum. Welcher nur eine Öffnung hatte, aus welcher er gerade gestürmt war.

Wer baut denn unterirdische Räume, aus denen man nicht mehr herauskommt?!

Wütend und panisch zugleich suchte er nach einem Ausweg und bemerkte gerade noch so die Tür am Eingang, an der er eben vorbeigerannt sein musste. Hastig schlug er die dünne Holztür zu und legte den Riegel vor. Gerade rechtzeitig, denn eine der Gestalten prallte gegen die geschlossene Tür. Das Einzige was er hatte von ihrem Gesicht sehen können, war eine verschmutzte, ledrig schwarze Haut und fahle, blinde Augen.

Keuchend bewegte er sich rückwärts in die Mitte des Raumes zurück, auf der Suche nach einem Ausweg, den er vielleicht doch vorher übersehen hatte, doch das Einzige, was er sehen konnte, war etwas Gerümpel in den Ecken des Raumes und ein Oberlicht im oberen Drittel der hinteren Wand, während die die Gestalten von außen gegen die Tür pochten. Als diese knarzender Weise wieder auf sich aufmerksam machte und vermuten ließ, dass sie nicht mehr lange standhalten können würde, wandte Killian sich ihr wieder panisch zu.

Ich muss irgendwie zu diesem Oberlicht hochkommen, sonst bin ich geliefert!

„Hey, Killian!“, ertönte just in diesem Moment hinter ihm eine bekannte Stimme und er wirbelte herum.

Clara lag halb in der Öffnung des Oberlichts und winkte ihm hektisch zu.

„Gib mir deine Hand, ich helf‘ dir hoch!“, meinte sie und streckte ihren Arm nach ihm aus.

Er ließ sich nicht zweimal bitten und rannte auf sie zu. Er legte seine Hand in ihre und sie zog ihn hoch, während er versuchte an der unebenen Wand hochzuklettern. Als Killian bereits halb in dem geöffneten Fenster hing, gab die Tür berstend nach. Clara zog ihn in demselben Moment aus dem Fenster als mehrere dieser übelriechenden Kreaturen in den Raum geplatzt kamen. Sie trugen lumpige Kleidung und ihre Haut wirkte nass, als sie mit ihren weißen, blinden Augen den Raum absuchten.

„Was zum Geier sind das?“, fragte Killian keuchend.

„Keine Ahnung“, erwiderte Clara, „aber ich bin nicht sonderlich erpicht darauf, es herauszufinden. Komm.“

Ohne ihm viel Zeit für Widerworte zu geben, zog sie ihn an der Hand hoch, die immer noch ihre umklammert hielt, und führte ihn weg von dem Fenster und den Wesen. Das Fenster hatte zu einem alten Lagerhaus oder etwas Ähnlichem gehört und die Straßen, durch die sie rannten, kamen Killian nur vage bekannt vor. Während sie durch die Dunkelheit rannten, ließ Clara Killians Hand nicht ein einziges Mal los.

Erst als sie wahrscheinlich durch die halbe Stadt gelaufen und sich sicher waren, dass die Kreaturen sie wohl nicht finden würden, hielten sie in einem der vielen Parks Thilons an und ließen sich abseits des Weges hinter einigen Büschen nieder. Allerdings schien der Mond so hell, dass Killian Clara mehr als nur gut sehen konnte, wie sie schwer atmend neben ihm hockte.

„Danke“, meinte er ehrlich und sein Mund war trocken, sodass er schlucken musste. Allerdings wusste er nicht, ob dies der Fall war, weil es ihm peinlich war, oder weil sie so weit gerannt waren. „Aber wie hast du mich überhaupt gefunden?“

Als sie ihn ansah, konnte er zuerst ihren Blick nicht deuten, aber als sie wegblickte, glaubte er einen Hauch von Verlegenheit in ihren Zügen zu sehen. Sie setzte sich anders hin, sodass sie auf ihren Beinen saß und er ihren Rücken sehen konnte, wenn sie sich nur weit genug drehte.

„Hiermit“, antwortete sie und zog ihr dunkles T-Shirt ein Stück höher.

Killians erster Impuls war es, verlegen wegzusehen, doch immerhin war es Clara selber, die ihr T-Shirt anhob und nicht er, und außerdem war Clara genau wie er selbst noch nicht alt genug, dass es sich der Gedanke an verlegen machende T-Shirt-Inhalte lohnen würden.

Als er jedoch sah, was sich auf ihrem Rücken befand, war alle anfängliche Verlegenheit verflogen. Auf Claras Rücken, auf der linken unteren Seite ein paar Zentimeter über ihrem Hosenbund war eine schwarze Schlange, die seiner eigenen zum Verwechseln ähnlich war. Der Leib der Schlange war ineinander gewunden, doch ihr Kopf war aufrecht erhoben und ihre gelben Augen blickten Killian von Claras Haut aus direkt an, während ihr Schwanz sich langsam bewegte.

„Der Zauber von gestern?“, fragte er atemlos.

Sie nickte zögerlich und zog ihr T-Shirt wieder zurecht.

„Und was ist das für ein Zauber? Warum hast du mich nicht einfach zum Stolpern oder so was gebracht?“

„Ähm…“, kam es kleinlaut von ihr. „Das wollte ich eigentlich machen…“

„Oh…“, kam es überrascht von ihm. „Ouh!“

Dieses Mal sah sie deutlich verlegen weg. „Ich wollte dich eigentlich paralysieren und mir dann mein Portemonnaie zurückholen, aber ich hab die Vokabeln verwechselt…“

Die Situation wirkte so absurd, dass er einfach lachen musste und es wurde nicht besser, als sie versuchte sich zu rechtfertigen.

„Ich wusste auf die Schnelle nur noch, dass die das Wort zusätzlich noch „fesseln“ oder „verbinden“ hieß und dann hab ich einfach eins der wahrscheinlich 1000 Wörter genommen, die genau das bedeuten…“

Er kämpfte immer noch mit seinen Lachern, als er fragte: „Und was macht dieser Zauber jetzt?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, er verbindet uns, aber ich bin mir nicht sicher.“

„Du hast also wirklich keine Ahnung, wie du ihn rückgängig machst, oder?“

Noch nicht!“, widersprach sie vehement. „Wenn ich das nächste Mal, die Gelegenheit bekomme, mich in die Bibliothek zu schleichen, dann bestimmt. Aber heute hat meine Schwester die ganze Zeit da drin gehockt.“ Sie verdrehte genervt die Augen.

Killian kurbelte seine grauen Zellen an. „Viola?“

Clara schüttelte den Kopf. „Nein, Flora, eine andere Schwester.“

Eine andere?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ja, eine. Ich hab sieben“, entgegnete sie als wäre es vollkommen normal, dass man sieben Schwestern hatte. Er hätte nicht mit ihr tauschen wollen; ihn trieben ja seine drei schon manchmal in den Wahnsinn. Aber vielleicht war das ja bei Dämonen so üblich, was wusste Killian schon?

„Was hast du eigentlich in diesem Kellerloch gemacht?“, wollte sie wissen.

Er sah sie skeptisch von der Seite her an.

Ach, was soll’s? Sie hat mir schließlich das Leben gerettet.

Außerdem sah sie recht harmlos aus, wie sie ihre Knie umarmte und neben ihm saß.

„Da unten lagere ich meine Beute“, antwortete er schlicht.

Sie seufzte niedergeschlagen, was ihn überraschte.

„So ein Mist, dann ist mein Portemonnaie immer noch da unten, aber ich will nicht da runter gehen…“

Das Teil scheint ihr wirklich viel zu bedeuten…

„Hier“, meinte er schließlich und hielt ihr ihr Portemonnaie hin. „Es ist noch alles drin.“

Sie schaute zuerst ungläubig auf das Portemonnaie und dann perplex zu ihm hoch. Das Nächste, was er mitbekam, war, dass sie halb auf ihm lag und ihn fest umarmte, während sie sich so oft bedankte, dass er sich richtig schlecht fühlte, ihr die Geldbörse überhaupt erst gestohlen zu haben.

Er würgte ein „schon okay“ heraus und sie ließ von ihm ab, sodass er röchelnd zu Atem kommen konnte. Aus dem Augenwinkel sah er wie sie das Portemonnaie öffnete und etwas aus dem Münzfach holte. Ein weiterer Blick sagte ihm, dass es sich um ein feingliedriges, silbernes Armband handelte.

Clara hatte das Armband mittlerweile fest mit beiden Händen umschlossen und summte glücklich vor sich hin, während das Portemonnaie fast vergessen vor ihr auf dem Rasen lag.

„Du wolltest von zu Hause abhauen, oder?“, fragte Killian sanft nach einer Weile.

Sie versteifte sich und hörte auf zu summen.

„Du hattest recht“, sagte sie anstatt ihm direkt zu antworten. Während sie mit dem einen Arm wieder ihre Beine umarmte, blickte sie auf das silberne Armband in ihrer freien Hand. „Ich will aus meinem Alltag ausbrechen und ich will meinetwegen auch Abenteuer erleben. Ich will nicht zu Hause hocken, wie Flora und darauf vorbereitet werden, irgendeinen neureichen Schnösel zu heiraten, den meine Eltern für mich ausgesucht haben, weil es günstig für den Clan ist.“ Sie ballte ärgerlich die Hand zur Faust und umschloss dabei das Armband. „Aber ich will Magie benutzen, wann und wie ich will und sie nicht unterdrücken, um normal zu wirken! Und ich will mein Leben leben, wie ich will!“

„Aber vielleicht hast du ja Glück und deine Eltern kommen erst in ein paar Jahren mit einem Schnösel an“, schlug er wenig hilfreich vor.

„Nein“, meinte sie düster. „Den haben sie schon gefunden. In drei Wochen ist das offizielle Treffen mit ihm und seinem Vater. Mensch, ich bin erst zwölf!“

Sie riss wütend Gras aus dem Boden und warf es weg. Sie schien zwar immer noch verärgert zu sein, aber nachdem sie diese Prozedur noch ein paar Mal wiederholt hatte, sah es aus, als ob sie sich wieder gefangen hätte. Killian wusste nicht wirklich, was er sagen sollte, also saß er schweigend neben ihr und beobachtete, wie sie den Rasen malträtierte.

„Also ja, ich wollte - beziehungsweise will immer noch - von zu Hause abhauen“, sagte sie schließlich. „Aber warum beklaust du Leute?“

„Meine Mutter ist krank, mein Vater ist seit Monaten nicht mehr zu Hause gewesen, wir brauchen das Geld und ich bin halt der Älteste“, antwortete er wahrheitsgetreu.

Genau wie er sie mittlerweile einschätzte, war sie nicht abwertend, sondern nickte einfach verstehend. Nach ein paar Augenblicken nahm ihr Gesicht jedoch einen berechnenden Ausdruck an.

„Was ist, wenn wir uns zusammentun?“, fragte sie plötzlich.

„Äh, was?“, entgegnete er überrumpelt.

„Überleg doch mal: Ich könnte dir den Rücken freihalten und würde gleichzeitig genügend lernen, um beim nächsten Mal, wenn ich versuche, von zu Hause abzuhauen, nicht gleich an der nächsten Straßenecke beklaut zu werden“, erläuterte sie. „Glaub mir, wenn ich könnte, wäre ich schon länger nicht mehr hier…“

Wenn sie es so sagt, ist wirklich was dran an der Sache… Und ich wäre nicht die ganze Zeit alleine…

„Aber was machen wir in der Schule?“, warf Killian ein. „Ist es nicht auffällig, wenn wir plötzlich anfangen, miteinander rumzuhängen?“

Auch wenn Killian innerlich hoffte, dass aus diesem Arrangement mehr als nur eine bloße Zweckgemeinschaft erwachsen würde, musste der diese Angelegenheit ansprechen. Zumal er keine Freunde in der Schule hatte. Clara runzelte die Stirn bei dem Gedanken daran.

„Hm“, machte sie. „Du hast schon recht… aber so tun, als würden wir uns nicht kennen, ist auch… blöd.“ Sie verzog missmutig das Gesicht und Killian musste unwillkürlich grinsen. „Aber es wäre auffällig, wenn ich auf einmal einen Freund hätte.“ Als sie dies sagte, röteten sich ihre Wangen leicht, aber Killian war zu überrascht über die Aussage, dass sie keine Freunde hatte, um sich augenblicklich um diese Tatsache zu kümmern.

„Du?“ Er hatte eigentlich gedacht, er wäre das Problemkind hier und nicht sie.

Sie überspielte ihre Verlegenheit mit einem weiteren Schulterzucken.

„Ich mag die Leute an unserer Schule eben nicht“, grummelte sie leise vor sich hin und wich seinem Blick aus.

Diese unerwartete Schüchternheit ließ ihn schmunzeln und er griff nach ihrer Hand, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, als sich eine Idee in ihm breit machte.

„Auch wenn wir in der Schule nichts zusammen machen können, kann ich dich immer noch bei einem Namen nennen, den sonst niemand in der Schule kennt“, schlug er ihr rasch vor, ehe ihn der Mut verließ. „Du heißt Clara, oder?“

Nachdem sie einen Blick auf seine Hand geworfen hatte, sah sie ihn wieder an und nickte unsicher.

Killian überlegte einen Moment. „Wie wäre es dann mit… ‚Claire‘? Das ist nicht zu weit hergeholt.“

Sie legte den Kopf schief, während sie sich den Namen offensichtlich durch den Kopf gehen ließ. Um ihr ein bisschen Privatsphäre zu geben, ließ er sich rücklings auf das Gras gleiten und betrachtete den sternenklaren Himmel über sich.

Ein paar Augenblicke später fühlte er eher, als dass er es sah, wie Clara sich neben ihm ins Gras legte und ebenfalls zu den Sternen hinauf blickte.

„‚Claire‘…“, meinte sie schließlich leise und er konnte das Lächeln in ihrer Stimme hören. „Ich mag ‚Claire‘.“

Narben

Allein saß Millie auf ihrem alten Sofa in ihrem Wohnzimmer und betrachtete ein altes, vergilbtes Foto, das ihre Familie niemals zu Gesicht bekommen hatte. Auch ihre Tochter nicht, obwohl ihr Vater darauf zu sehen war.

Sie war alleine im Haus, aber das war nicht weiter verwunderlich. Ihre Tochter war schon vor Jahren ausgezogen, hatte geheiratet und ihre eigene Familie gegründet. Sie hätte das Foto aber auch nicht hervorgeholt, wenn sie nicht alleine gewesen wäre. Schließlich hatte sie diesen Teil von sich selbst immer vor allen anderen geheim halten wollen und bislang war es ihr gelungen.

Auf dem Foto war sie jung, sie war erst 17. Aber das Foto war schon alt, es stammte schließlich aus dem Jahre 1942.

Mildred Grimoxley war heute aber gar nicht mehr jung. Schon sehr lange nicht mehr.

Neben ihr selber waren noch drei andere Personen auf dem Schwarzweißfoto zu sehen. Ihre Freunde.

Will.

Jack.

Und Johnny.

Oh, Johnny…

Mit einer nun zittrigen Hand fuhr sie über das Gesicht des Mannes, den sie geliebt hatte. Nein, den sie immer noch liebte.

Das Foto war geschossen worden, als sie sich gerade kennengelernt und ihre ersten Abenteuer hinter sich hatten. Lange bevor Nimues Fluch sie selbst und Johnny heimgesucht hatte.

Millie betrachtete mit immer unklarer werdendem Blick das alte Bild in ihren ebenso alten Händen.

Will stand wie üblich mit einem leicht missmutigen Blick am Rand. Wahrscheinlich war es zu dem Zeitpunkt der Fotographie Jacks Arm gewesen, den er mit seinem üblichen Grinsen auf dem Gesicht um die Schultern seines Freundes geschlungen hatte, der Will gestört hatte. Neben Jack stand Millie selber auf ihre alte, treue Flinte gestützt. Sie war in Hosen und ihre alte Fliegerjacke gekleidet, die sie der Bequemlichkeit und Praktikabilität halber immer getragen hatte. Johnny selbst stand neben ihr mit einem verlegenen, aber glücklichen Ausdruck auf dem Gesicht. Der ansonsten so wackere Johnny war immer viel zu schüchtern gewesen, um ihr in der Öffentlichkeit beispielsweise den Arm um die Taille zu legen, aber irgendwie hatte sie es auf dem Bild geschafft, dass er es dennoch tat.

Tränen traten in ihre Augen, wie jedes Mal, wenn sie an ihn denken musste. Auch nach all den Jahren.

Von wegen ‚Zeit heilt alle Wunden‘…, dachte sie sich zynisch.

Will war ein Dämon und Jack war etwas, das man damals noch mit ‚Fee‘ bezeichnet hatte. Millie selbst stammte aus langen Linie von Hexenjägern. Nur Johnny war ein ganz normaler junger Mann gewesen, der von der eigentlichen Welt gar keine Ahnung gehabt hatte, als er auf Jack und Will miteinander streitend gestoßen war. Jack hatte ihr immer erzählt, wie perplex der junge Soldat gewesen war, als er sie zum ersten Mal erblickte und sie sich Zauber um die Ohren warfen, nur um Johnny ein bisschen in Verlegenheit zu bringen. Johnny war immer nur verlegen gewesen, wenn es um sie ging. Um sie, Millie. Alles andere hatte er immer mehr oder minder unbeeindruckt einfach hingenommen und sich damit auseinandergesetzt, egal, was es war. Wahrscheinlich war es das gewesen, was dafür gesorgt hatte, dass sie sich schließlich in ihn verliebte.

Millie fühlte wie die Tränen in ihren Augen überliefen und ihr die Wangen hinunterrannen, bis eine schließlich auf das vergilbte Foto tropfte. Ein Schluchzen baute sich in ihrer Kehle auf und nahm ihr den Atem. Mit ihrem Daumen wischte sie die Träne schließlich weg, als sie einen zitternden Atemzug zustande brachte.

Aber das alles war gewesen, bevor sie der Fluch für über 20 Jahre aus dem Leben der anderen katapultiert und sie alle so im Nachhinein auseinander gerissen hatte. Obwohl aus verschiedenen Clans waren Will und Jack einst die besten Freunde gewesen und standen heute auf verschiedenen Seiten des Gesetzes, wenn Millie es richtig mitbekommen hatte. Und Johnny… er hatte eine andere geheiratet.

Lange hatte sie ihn deswegen nicht aufgesucht und ihre gemeinsame Tochter alleine, ohne sein Wissen, aufgezogen. Erst vor fünf Jahren hatte sie ihn alleine mitten in der Nacht an seinem Sterbebett aufgesucht.

Und obwohl sie zu diesem Zeitpunkt auch schon alt und runzlig gewesen war und gebückt auf ihrem Stock lehnte, hatte er sie augenblicklich erkannt. Er hatte ihre faltige Hand in seiner ebenso faltigen gehalten und ihr um Atem ringend mitgeteilt, dass er nur geheiratet hatte, weil er geglaubt hatte sie, Millie, hätte nicht überlebt, aber er war nie glücklich geworden und da sein Herz immer ihr allein gehört hatte. Ihr Herz war übergeschwollen vor Glück und ihre Augen hatten sich schließlch genau wie jetzt mit Tränen gefüllt, als sein Blick von der Leere erfüllt worden war und seine Hand in ihrer schlaff wurde. Still und leise hatte sie bis zum Morgengrauen an seinem Bett gesessen und stumme Tränen vergossen.

Auch wenn die Zeit alle Wunden heilen mag, macht sie ihre Arbeit in meinen Augen sehr schlecht…

Mit einem Taschentuch trocknete sie sich die Tränen, doch es nützte nichts und sie kamen immer und immer wieder. Millie wusste nicht, wie lange sie noch so dasaß, doch sie hoffte inständig, dass gerade heute niemand auf die Idee kam, sie besuchen zu wollen.

Die verwelkte Lilie

Gesittet und mit geradem Rücken schritt Angelique Mors durch die Flure des Anwesens. Auch wenn niemand weit und breit sehen konnte, dass sie sich anständig und wohlerzogen verhielt, war ihr dieses Verhalten über die Jahrzehnte hinweg in Fleisch und Blut übergegangen und sie bewahrte immer ihre Haltung. Selbst wenn Loretta, die Haushälterin, sich ein Stockwerk unter ihr befand, ihr Mann arbeiten und all ihre Kinder in der Schule waren.

So wie gerade.

Aber sie konnte sich keine Blöße geben.

Sie kam am Ende des Korridors zum Stillstand, in dem sich ein großer Erker befand und richtete die auf einem kleinen Tischchen angerichteten Blumen wieder her. Sie nahm die nicht mehr frischen Pflanzen aus der Vase, aber ehe sie eine bestimmte trockene Blüte in ihrer Hand zerdrücken konnte, hielt sie inne.

Es war eine blassrosa Lilie.

An für sich war eine verwelkte Lilie eine verwelkte Lilie, die auch Angelique nicht wieder beleben konnte und sie hatte in ihrem Leben sicherlich schon unzählige von ihnen aus Blumensträußen gezogen, doch als sie die Blume so in der Hand hielt, drangen Erinnerungen in ihr nach oben, von denen sie eigentlich geglaubt hatte, dass sie schon lange unerreichbar tief vergraben waren.

Damals, als sie geheiratet hatte, hatte ihr Hochzeitsstrauß auch rosafarbene Lilien beinhaltet.

Lange Zeit hatten für Angelique Blumen keine weitere Bedeutung gehabt, außer dass sie gelegentlich besonders wunderbar rochen und manchmal außerordentlich schön aussahen.

Ehe sie Wilfried Mors begegnet war.

Ihre Ehe war arrangiert gewesen, um die Verbindung zwischen Wilfrieds deutschen Clan und ihren französischen zu stärken und zu festigen, wie es alle paar Generationen zwischen ihren Clans üblich war. Angelique hatte sich auch nie etwas vorgemacht; sie hatte immer gewusst, dass sie aus politischen Gründen würde heiraten müssen, und so war es keine große Überraschung gewesen, dass irgendwann entsprechende Gesuche für sie und ihre Schwestern eintrafen. Sie war vielleicht nicht glücklich darüber gewesen und hätte die Zeit lieber damit verbracht zu reiten oder Bogen zu schießen, aber es war nun einmal, wie es war.

Unerwartet war jedoch gewesen, von wem ein gewisses Gesuch gesandt worden war.

Der Ténèbres-Clan, der Clan, in den Angelique hineingeboren wurde, war zwar ein beständiger Clan, aber überquerte ständig die unsichtbare Grenze zwischen unterer Oberschicht und oberer Mittelschicht. Daher war es umso überraschender für alle Beteiligten gewesen, als ein Gesuch vom Mors-Clan, einer der angeseheneren deutschen Clans, der während der Offenbarung eine ausschlaggebende Rolle innegehabt hatte, eingetroffen war und um ein Treffen mit Angeliques älterer Schwester Clarisse gebeten hatte. Doch offenbar war Wilfried Mors, der letzte lebende Sohn einer der Clanführer, tatsächlich auf der Suche nach einer Frau und durchzog das Land, das vor dem Krieg einmal Frankreich gewesen war.

Sie konnte sich noch bildhaft daran erinnern, dass ihre jüngere Schwester Giselle viel aufgeregter gewesen war, als Clarisse oder sie selbst. Sie hatte irgendwelche Seancen abgehalten und meinte herausgefunden zu haben, dass Clarisses damaliger noch Verehrer schon bei beiden Offenbarungen zugegen gewesen war. Angelique hatte dies stets als Humbug abgetan; Wilfried war zwar ein Stück älter als sie, aber so alt war er nun auch wieder nicht. Und sie glaubte, dass er ihr nach Jahrzehnten der Ehe doch schon so etwas Wichtiges mitgeteilt hätte. Dennoch musste sie bei dem Gedanken an ihre jüngere, quirlige Schwester lächeln.

In Erinnerungen vertieft, musste sie an ihre erste Begegnung denken und ließ sich auf einen der Stühle neben dem Tischchen nieder.

Eigentlich war ihr allererstes Treffen abgelaufen, wie all jene davor auch. Angelique hatte mit Giselle als Geleit für Clarisse neben ihren Eltern auf der einen Seite des Tisches und Wilfried mit seinem Vater und zwei wie sie mittlerweile wusste Cousins auf der anderen gesessen. Ja, gewiss, Angelique war aufgeregter gewesen, da ihnen dieses Mal ein angesehener Clan mit langer Geschichte gegenübersaß, aber sie hatte sich dennoch zu Tode gelangweilt und ihre Mutter hatte sie ständig mit strengen Blicken ermahnen müssen, sich vernünftig zu benehmen. Doch auch Clarisses vermeintlicher Verehrer hatte ganz so ausgesehen, als wäre er lieber ganz woanders gewesen, als dort an diesem Tisch. Angelique hatte damals vermutet, dass sein Vater ihn zu diesem Treffen gezwungen hatte und hatte Mitleid mit ihm gehabt.

Irgendwann hatten sie eine Pause eingelegt und Angelique war in den Garten gegangen, um sich nach dem langen Sitzen die Beine zu vertreten. Der Innenhofgarten war stets ihr Lieblingsort gewesen, nicht weil dort etwa Blumen waren, sondern weil sie dort immer ungestört war.

Heute hatte sie keinen blassen Schimmer mehr, wie sie auf die Idee gekommen war, aber damals muss für sie wohl einen Sinn ergeben haben, denn sie hatte sich eine der dort wachsenden Lilien, die ohnehin abgeknickt gewesen war, in die Haare gesteckt und hatte einfach im Garten getanzt.

Tanzen hatte sie nie so sehr gemocht wie Bogenschießen, aber es musste wohl für den Moment ausgereicht haben, um sich zu bewegen und ihre starren Muskeln etwas zu nutzen, ehe sie sich wieder stundenlang hatte in den großen Saal setzen und steif dasitzen müssen.

Sie wusste auch nicht mehr, wie lange sie getanzt hatte, aber was sie noch wusste, war, dass ihr während einer Umdrehung auf einmal aufgefallen war, dass jemand im Eingang zum Garten gestanden und ihr beim Tanzen zugesehen hatte. Schlagartig hatte sie innegehalten und die Blume war ihr aus dem Haar gefallen. Sie hatte sie nicht unbedingt grazil aufgefangen und unsicher aufgeschaut.

Natürlich war das Glück nicht auf ihrer Seite gewesen und es war ausgerechnet Wilfried gewesen, der dort gestanden und sie gesehen hatte.

Sie hatte sich augenblicklich die horrendsten Szenarien ausgemalt und schreckliche Angst gehabt, alles gründlich vermasselt zu haben, indem sie nicht nur sich, sondern wahrscheinlich gleich ihre ganze Familie bloßgestellt hatte.

Aber Wilfried schien nur amüsiert gewesen zu sein.

„Oh, stör dich nicht an mir. Es hat sehr… frei ausgesehen“, hatte er auf Französisch mit verschwindend wenig Akzent gesagt.

„Ähm, meine Mutter mag es nicht, wenn ich mich so verhalte…“, hatte sie verlegen gestammelt.

„Ah, mach dir darum keine Gedanken, ich werde es ihr nicht sagen“, hatte er mit einem Zwinkern erwidert und sich von der Wand abgestoßen. Er hatte ihr den Rücken gekehrt und sie war fast versucht gewesen, erleichtert durchzuatmen, als er noch einmal innegehalten und sie über seine Schulter hinweg angesehen hatte. „Du solltest öfter Lilien tragen, sie stehen dir.“

Danach war er ohne ein weiteres Wort gegangen.

Er hatte nicht weniger interessiert an ihrer Schwester gewirkt, als es vorher ohnehin schon der Fall gewesen war, aber auch nicht irgendwie mehr. Aber was für Angelique an dem Tag überraschenderweise unglaublich wichtig gewesen war, war die Tatsache, dass er ihrer Mutter nicht gesagt hatte, dass sie im Garten getanzt hatte.

Soweit Angelique es heute wusste, hatte er es ihr niemals gesagt. Damals nicht und auch heute nicht.

Als Wilfried am nächsten Morgen mit seinem Vater und seinen Begleitern abgereist war, war für Angeliques Familie seine Gleichgültigkeit Clarisse gegenüber schon ein sicheres Zeichen gewesen, dass er an keiner Verbindung mit ihr interessiert gewesen sein musste.

War er auch wirklich nicht.

Allerdings war es umso überraschender und ihr bis heute umso schleierhafter, warum er sie, Angelique, erwählt hatte und nicht ihre ältere Schwester oder generell jemanden aus einem angesehenerem Clan. Ihm hatten alle Türen offen gestanden.

Sie hatte nie eine romantische Liebesbeziehung erwartet. Sie hatte immer erwartet, für den Clan heiraten zu müssen, obgleich sie es eigentlich nicht unbedingt gewollt hatte.

Ihre Mutter war unglaublich aufgeregt gewesen, als unerwarteter Weise ein offizieller und formeller Heiratsantrag an Angelique adressiert eingetroffen war. Fast augenblicklich hatte sie damit begonnen, in Angelique das Benehmen einer feinen Dame fest zu verankern und ihr das Bogenschießen und Jagen zu verbieten. Sie war der Meinung gewesen, wenn Angelique in einen höheren Clan einheiratete, hatte sie sich auch wie eine höhere Dame zu benehmen und die jagten nun einmal nicht oder schossen wie wild Pfeile mit dem Bogen durch die Gegend.

Dennoch hatte Angelique darauf bestanden, dass zumindest ihr Brautstrauß unkonventionell aus Lilien bestand.

Seit dem Zeitpunkt, an dem sie vor dem Altar nervös „Ja“ gesagt hatte, hatte sie darauf geachtet, sich so zu benehmen, wie es ihre Mutter beigebracht hatte. Aufrecht und wohlerzogen. Und dies hatte sie versucht, an ihre Töchter weiterzugeben.

Allerdings hatte sie die Weisheit ihrer Mutter angezweifelt, als Louise sich von ihnen abgewandt hatte. Besonders da sie immer sehr viel von sich selbst in Louise wiedererkannt hatte. Aber sie hatte nicht nur an der Weisheit ihrer Mutter gezweifelt, sondern auch an ihren eigenen Fähigkeiten, auch wenn Wilfried nie etwas dergleichen geäußert hatte.

Wilfried hatte damals nichts zu ihrem Brautstrauß gesagt.

Angelique hatte nie eine romantische Liebesbeziehung erwartet.

Und sie hatte auch keine gehabt.

Sie wusste, dass Wilfried sie schätze und sie respektierte, selbst wenn es als Mutter seiner Kinder war, aber sie waren eher Partner denn ein Paar. Sie kannte ihn nun schon über dreißig Jahre und in all der Zeit hatte es nur einen einzigen Menschen gegeben, dem er näher als allen anderen um sich herum zu stehen schien.

Und das war Jonathan gewesen.

Jonathan Eldred Senior.

Dieser Mann hatte ihm so nahe gestanden, dass Wilfried nur bei ihm etwas tat, was er sonst niemals tat, da er zu allen anderen eine gewisse Distanz wahrte.

Er hatte ihn mit einem Spitznamen angesprochen.

Wilfried hatte ihn bis zu seinem Tod immer mit „Johnny“ angesprochen.

Angelique hatte nie erfahren, wie die beiden Männer sich kennengelernt hatten, aber sie wusste, dass sie eine sehr enge Freundschaft verband, die Wilfried mit sonst niemandem zu teilen schien.

Auch nicht mit ihr, seiner Frau.

In all den Jahren, in denen sie sich nun kannten und miteinander verheiratet waren, wusste sie, dass sie ihren eigenen Platz in seinem Leben hatte, aber niemals, auch nicht nur ein einziges Mal hatte er ihr gesagt, dass er sie liebte.

Gedankenverloren drehte sie die verwelkte Lilie weiterhin zwischen ihren Fingern hin und her und fragte sich unwillkürlich, ob sie damals vor dreißig Jahren die richtige Entscheidung getroffen hatte, in dem sie vor dem Altar „Ja“ gesagt hatte oder ob damals bereits alles verwittert gewesen war.

Wildlilie

Voller Unmut starrte Will aus dem Fenster und sah nicht wirklich, wie seine Cousins den Wagen beluden. Er war tatsächlich versucht, seine Stirn an die Scheibe der Autotür zu legen.

Heute verließen sie den Hof des Ténèbres-Clans, morgen wahrscheinlich den des St. Noir-Clans und übermorgen… wer wusste schon, wohin sein Vater ihn übermorgen schleifen würde? Es kam ihm vor, als wären sie schon mindestens dreimal durch ganz Frankreich gefahren.

Will wollte überhaupt nicht heiraten.

Und erst recht kein steifes Mitglied eines höheren Clans.

Unwillkürlich sprang ihm das Bild einer jungen Frau vor sein inneres Auge, die mit einer Lilie im Haar frei wie es ihr beliebte in einem kleinen Garten tanzte, und ein leichtes Lächeln drohte sich anzukündigen. Es hatte sehr lieblich und gleichzeitig auch ein Stück weit unschuldig ausgesehen, wie die zweite Tochter der Ténèbres – er glaubte, dass sie Angelique hieß - frei von den Sorgen des Lebens getanzt hatte.

Der Gedanke an diese Frei- und Unbeschwertheit ließ ihn mit einem Stich im Herzen an Jack denken.

Und an Millie.

Und Johnny.

Sein Lächeln war wie weggeblasen und Wehmut überkam ihn.

Will wollte nicht heiraten, aber sein Vater war leider einer ganz anderen Meinung.

Mit einem schweren Seufzen ließ sein alternder Vater sich neben ihm auf dem Sitzpolster nieder und versuchte, seinen Gehstock bequem neben sich zu arrangieren.

„Schon wieder nicht?“, fragte sein Vater ohne Umschweife.

Will antwortete nicht gleich, sondern beobachtete wie auf dem Hof zwei Knechte ein Pferd sattelten.

„Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich nicht heiraten will“, sagte er schließlich.

Sein Vater stöhnte auf.

„Aber es gehört zum guten Ton! Du kannst nicht unverheiratet in eine Führungsposition aufsteigen!“, begann sein Vater auf ein Neues die zwischen ihnen mittlerweile alte Diskussion. „Nachdem du… deine Mutter…“, setzte er zweimal neu an, doch Will würde sich keine Schuldgefühle einreden lassen, nicht nach allem, was passiert war, und schenkte seinem Vater einen entsprechenden Blick. Sein Vater verengte die Augen zu Schlitzen. „Ist es etwa wegen dieser… dieser Kitsune?!“, kam er zu einem fassungslosen Schluss, aber irgendwie fehlte der Aussage ein bisschen das Feuer. „Es tut mir zwar sehr Leid für dich, wirklich, aber sie hat Vulpine geheiratet.“

Will rollte entnervt mit den Augen. „Es ist nicht wegen Yuriko! Wie ich dir auch schon gesagt habe!“ Eigentlich war er damals nur mit Yuriko ausgegangen, weil er Vulpine eins hatte auswischen wollen; es hatte allerdings sehr geholfen, dass Yuriko ihren Standpunkt gegenüber Vulpine hatte klarstellen wollen. Und außerdem war da diese Wette mit Jack gewesen…

Verdammt. Er hätte anfangs niemals erwartet, dass er es wirklich einmal denken würde, aber er vermisste Jack wirklich sehr.

„Was denn dann?“, wollte sein Vater nun schon fast hilflos klingend wissen. „Wir hätten dich auch eine Kitsune heiraten lassen“, grummelte sein Vater schließlich in seinen ergrauten Bart, „sie war nur eben schon verheiratet. Und wir besuchen schon die kleineren Clans, wie die Ténèbres‘, anstatt die großen, aber wir können nicht zu sehr mit der Tradition brechen…“

Draußen auf dem Hof, so beobachtete Will abwesend, saß Angelique – wenn sie denn so hieß – in Reiterskluft und mit Köcher und Bogen ausgestattet auf dem frisch gesattelten Pferd auf. In ihrem rabenschwarzen Haar konnte er eine blassrosa Lilie ausmachen. Wäre er nicht gerade in einer wütenden Diskussion, die seine Zukunft schwerwiegend beeinflussen konnte, mit seinem Vater gewesen, hätte er wahrscheinlich geschmunzelt.

Will versuchte sich in eine angenehmere Sitzposition zu bringen, um auch seinen Vater besser sehen zu können, aber hielt mitten in der Bewegung inne, als ein sehr schmerzhaftes Stechen seinen gesamten Oberkörper durchzog. Wahrscheinlich würde die Wunde nie vollständig verheilen; Hexerei war leider schon immer eine zweischneidige Klinge gewesen.

Wie um dies als Anlass zu sehen, verließ ihn schlagartig all seine hitzige Wut und machte einer dumpfen Resignation Platz.

„Vater…“, begann er leise, ruhig und gefasst. „Hast du dich jemals gefragt, warum wir getan haben, was wir getan haben?“

Sein Vater schwieg.

„Ist dir jemals in den Sinn gekommen, dass wir vielleicht nicht an überholte und steife Traditionen gebunden sein wollten? Keiner von uns? Warum hätten sich sonst ein einfacher, aber brillanter Soldat, eine Hexenjägerin, ein Fea und ein Dämon zusammenschließen sollen, wenn nicht um alle Konventionen zu brechen?“

Wieder schwieg sein Vater erst. „Heute sagt man nicht mehr ‚Dämon‘, sondern ‚Schwarz‘“, meinte er schließlich.

„Ernsthaft?! Das ist es, woran du dich aufhängst?!“, wollte Will ungläubig wissen. Er bekam nur nebenbei mit, wie einer seiner beiden Cousins den Wagen gestartet hatte.

„Nein“, entgegnete sein Vater ernst. „Nein, ganz und gar nicht.“

Will schweig einen Moment, um sowohl seine Gedanken, als auch seine Argumente zu sortieren.

„Mittlerweile bin ich schon über 70 Jahre alt, ohne es wirklich realisiert zu haben, oder auch nur so auszusehen. Ein ganzes Menschenleben habe ich schon hinter mir, ohne es überhaupt vollständig gelebt zu haben und Jahrzehnte sind ins Land gezogen. Jede Frau, jedes Mädchen, das wir hier treffen, ist um Jahrzehnte jünger als ich und ich werde sie wahrscheinlich dennoch alle überleben. Diese Mädchen, dich, Mutter und sogar diese beiden“ – er deute zwischen seinen beiden Cousins auf dem Fahrer- und Beifahrersitz, die freundlicher Weise die Trennwand hochgefahren hatten, um ihnen Privatsphäre zu schenken, hin und her – „dort, obwohl sie beide vielleicht gerade mal 20 Jahre alt sind. Ich lebe in derselben Welt wie ihr, wie alle anderen, aber ich habe viel mehr davon gesehen und gleichzeitig sehr viel verpasst.“

Die Magie der Hexe hatte ihm zugleich gegeben und auch genommen. Allerdings war das, was sie ihm gegeben hatte, so verdreht und falsch, dass er es sich niemals gewünscht hätte, selbst wenn es seine eigene Wahl gewesen wäre und nicht der Fluch, der es war und auch sein sollte.

Still hatte sein Vater seiner Erklärung gelauscht und ergriff nach einigen Momenten erst wieder das Wort. „Deine Mutter und ich… wir haben schon vor langer Zeit verstanden, dass du die Dinge grundlegend ändern willst; in der Hinsicht warst du schon immer anders, als deine Geschwister. Aber auch du musst doch einsehen, dass dein Vorhaben nun nicht mehr so möglich ist, wie du es vielleicht ursprünglich geplant hattest“, erklärte sein Vater resigniert und blickte nicht sehend auf seine gefalteten Hände hinunter. Er wirkte mit einem Mal unglaublich alt.

Diese Aussage nahm Will ein wenig den Wind aus den Segeln, als ihm die Realisation, dass sein Vater vielleicht tatsächlich auf seiner Seite sein könnte, wie Schuppen von den Augen fiel.

„Leider sehe ich das wirklich“, gab Will bitter zu. „Wenn diese vermaledeite Hexe nicht gewesen wäre…“

Schon fast unbewusst legte er seine Hand auf seine Mitte.

Trostlos blickte er aus dem Fenster des langsam vom Hof des Ténèbres-Clans fahrenden Wagens.

Scheinbar blieben ihm nun wirklich nur noch zwei Möglichkeiten, wenn er einen dauerhaften Wechsel verursachen wollte. Entweder musste er heiraten und den Clan und seine Einstellung von innen heraus verändern oder er musste den Clan vollständig verlassen und sein Glück alleine von außen versuchen.

„Und du glaubst ernsthaft, dass Heirat die beste Option ist?“, fragte er seinen Vater schließlich leise und sah Angelique Ténèbres und ein paar weitere Reiter auf einem nahen Feld, parallel zur Straße, reiten. Scheinbar jagte sie und musste Beute erspäht haben, denn er konnte sehen, wie sie ihren Bogen im Ritt vom Rücken zog. Sie schien eine ausgezeichnete Reiterin zu sein. Oder bemerkenswerte Unterstützungsmagie zu beherrschen. Vielleicht sogar beides.

„Ja“, sagte sein Vater neben ihm, während er das Schauspiel auf dem Feld beobachtete. „Ja, das denke ich. Allerdings ist meine Meinung als dein Vater vielleicht nicht gerade die objektivste“, gab er zu, „da ich schließlich nicht will, dass du den Clan verlässt.“

„Dann werde ich eben heiraten“, entgegnete Will schlicht. Auch er wollte nicht auch noch seine Eltern verlieren, wenn es nicht sein musste, schließlich waren sie die letzten Außenposten, die ihm geblieben waren, und schenkte seinem verdutzen Vater ein trauriges Hochziehen seiner Mundwinkel. „Aber nur wenn meine zukünftige Braut auch damit einverstanden ist. Ich werde niemanden dazu zwingen.“

Draußen legte Angelique ihren Pfeil an, zielte und schoss, ohne jemals ihr Pferd dazu zu bringen, abzubremsen. Als der Pfeil die Sehne verließ und die Beute erlegte, fiel ihr die Lilie aus dem Haar. Dennoch lachte sie über ihre Schulter jemandem zu, den er nicht kannte, und Will hatte noch nie eine atemberaubendere oder schönere Person gesehen, als in diesem Moment. Nichts war mehr von dem Mädchen zu sehen, das gestern verzweifelt versucht hatte, nicht auffällig zu wirken, um ihre Familie unter keinen Umständen zu blamieren.

„Aber dafür müssten wir dennoch erst einmal eine Braut finden, die dir auch gefällt, Wilfried“, warf sein Vater schließlich ein, als er sich wieder gefangen hatte.

Als Will sah, wie Angelique den Hügel hinunter zu ihrer erlegten Beute galoppierte und ihre Haare frei im Wind wehten, lächelte er zum ersten Mal seit einer ganzen Ewigkeit wieder richtig, wie ihm schien.

„Ich denke, das habe ich bereits.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Irgendwie ist es recht unfluffig, aber ich wollte es dennoch schreiben, weil mir der Gedanke dazu schon seit einer Weile im Kopf herumgeschwirrt ist.
Ich überlege einen weiteren One-Shot zu schreiben, der dies hier nicht ganz so... deprimierend stehen lässt. ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (14)
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Von:  TommyGunArts
2013-04-21T14:45:31+00:00 21.04.2013 16:45
Und nun auch die zweite Geschichte, die du eingesendet hast.
Freut mich, dass du mit zwei Geschichten teilnimmst. :)
Entschuldige übrigens, wenn dieser Kommentar nicht ganz so ausführlich wird wie der andere. Ich versuche alles wichtige einzubringen.

Ich lebe in derselben Welt wie ihr, wie alle anderen, aber ich habe viel mehr davon gesehen und gleichzeitig sehr viel verpasst.“
-> Das Zitat passt wirklich sehr gut rein und lässt sich super lesen, auch in dieser veränderten Form. Es passt einfach wie angegossen. Gut gemacht!

Entweder musste er heiraten und den Clan und seine Einstellung von innen heraus verändern oder er musste den Clan vollständig verlassen und sein Glück alleine von außen versuchen.
-> Da ist Will in einen kleinen Zwiespalt geraten. Gut dargestellt und gut verständlich.

schenkte seinem verdutzen Vater ein trauriges Hochziehen seiner Mundwinkel.
-> Sehr schön beschrieben. Hier wird sehr gut deutlich, dass Will nur wegen seinem Vater zustimmt zu heiraten, aber innerlich darunter leidet.

Nichts war mehr von dem Mädchen zu sehen, das gestern verzweifelt versucht hatte, nicht auffällig zu wirken, um ihre Familie unter keinen Umständen zu blamieren.
-> Habe ich da jetzt was überlesen? Irgendwie verstehe ich grad nicht, was damit gemeint ist, mit der "Blamage-Sache"...

„Ich denke, das habe ich bereits.“
-> Vorausgesetzt sie will ihn auch :D Aber das will ich doch mal hoffen.

Insgesamt hat mir diese Geschichte deutlich besser gefallen als deine andere. Der Fantasie-Aspekt wird besser erklärt und man wird nicht so mit Wissen überschüttet. Also alles "gut verdaulich" und kompakt. Ein paar mehr Erklärungen zu bestimmten Dingen wären jedoch angebracht um das Gesamtverständis zu verbessern.
Mir gefällt besonders dieser Wechsel von dem Gespräch zwischen Will und seinem Vater zu Angelique, die Will beobachtet und die er schließlich auch heiraten möchte. Das ist dir gut gelungen und ist auch toll zu lesen.
Das Zitat finde ich sehr gut eingebracht und verändert. Da habe ich absolut nichts zu meckern!
Ich habe keine Tipp- oder Rechtschreibfehler o. ä. finden können, was mich sehr erfreut.
Gut gemacht!
lg
E. Ternity
Von:  TommyGunArts
2013-04-14T10:15:09+00:00 14.04.2013 12:15
Nun melde ich mich auch endlich bei dir. Entschuldige, dass es sich so hinzieht mit der Auswertung.
Aber nun erstmal der Kommentar:

Allein saß Millie auf ihrem alten Sofa in ihrem Wohnzimmer und betrachtete ein altes, vergilbtes Foto, das ihre Familie niemals zu Gesicht bekommen hatte.
-> An sich ein schöner Anfangssatz. Allerdings verwendest du zweimal "alt" und zweimal "auf", bzw. "in ihrem". Das könnte man noch etwas geschickter ausdrücken.

Schließlich hatte sie diesen Teil von sich selbst immer vor allen anderen geheim halten wollen und bislang war es ihr gelungen.
-> Sie hat also ein Geheimnis, dass sie manchmal sogar vor sich selbst versucht geheimzuhalten? Ich deute das einfach mal so. Gefällt mir aber!

Auf dem Foto war sie jung, sie war erst 17. Aber das Foto war schon alt, es stammte schließlich aus dem Jahre 1942.
Mildred Grimoxley war heute aber gar nicht mehr jung.

-> Wdh. "aber"

Oh, Johnny…
-> xDD Komisch, da habe ich direkt den Song von Jan Delay im Kopf!

Lange bevor Nimues Fluch sie selbst und Johnny heimgesucht hatte.
-> Ein Fluch? Jetzt wird es mysteriös

Johnny selbst stand
-> Das "selbst" ist hier eher störend

Will war ein Dämon und Jack war etwas, das man damals noch mit ‚Fee‘ bezeichnet hatte.
-> Woa, das kommt jetzt etwas überraschend. Ich hatte eigentlich angenommen hier ginge es um völlig normale Menschen... Na gut, das muss ich jetzt erstmal verdauen xD

Und Johnny… er hatte eine andere geheiratet.
-> Wie das Leben immer so spielt. Schade eigentlich, leider aber ein sehr alltägliches Phänomen...

Auch wenn die Zeit alle Wunden heilen mag, macht sie ihre Arbeit in meinen Augen sehr schlecht…
-> Hier mal ein sinngemäßes Zitat. Die Umsetzung finde ich an und für sich in Ordnung. Du hast Millie als inzwischen alt und runzlig beschrieben, was die "miserable Kosmetikerin" widerspiegelt. Allerdings kommt mir das noch etwas zu kurz. Die "(Nicht)Heilung der Wunden" hast du gut eingebracht und auch authentisch dargestellt. Interessant finde ich auch, dass du das Zitat ein wenig anders gesehen hast als ich. Du hast dich mehr darauf gestützt, dass die Zeit eben doch keine Wunden heilt, während ich genau das anders interpretiert hätte. Aber nun gut, das ist schließlich eine Sache der Auffassung und ich finde es um ehrlich zu sein super, dass deine Interpretation von meiner Abweicht.
Wenn ich jetzt die Geschichte im Gesamten betrachte fällt mir folgendes sofort auf: Bei der Wahl der richtigen Wörter tust du dich manchmal schwer und verwendest oft auch dieselben Wörter. Teilweise ist das ok, aber "alt" tauchte mir persönlich etwas zu oft auch, auch wenn ich weiß, dass deine Geschichte das Alter herausstellen soll. Aber gerade am Anfang ist das wirklich zu viel. Dann nimm lieber Synonyme.
Was mich noch gestört hat war die Sache mit den Dämonen, dem Fluch usw. Das hast du nur am Rande angeschnitten und ich als Leser weiß jetzt gar nicht so richtig wie ich das alles einordnen soll. Du hättest es entweder mehr erläutern und darauf eingehen oder es ganz weglassen sollen, da es so nur verwirrt und der eigentlich guten Geschichte ihren Reiz nimmt.
lg
E. Ternity
Von:  Flordelis
2013-02-20T19:35:15+00:00 20.02.2013 20:35
So, dann lesen wir mal weiter~
Heute wieder mit Herzchen, weil deutsche Sprachkonfiguration. XD ♥

> Will wollte überhaupt nicht heiraten.
Richard: Das Gefühl kenne ich. *seufz*

> Du kannst nicht unverheiratet in eine Führungsposition aufsteigen!
No: He, das ist wie bei uns! =D ... Deswegen wollen alle, dass ich jetzt heirate, da ich Kommandant bin. >_>

Awwwww, jetzt finde ich den gestrigen OS nicht mehr so bitter, das ist wirklich schön. =)
Ich hab zwar nicht alles vollständig verstanden, weil sehr detaillierte Welt, die ihr geschaffen habt, aber es hat mir gut gefallen.
Sprachlich konnte ich auch mal wieder absolut nichts aussetzen. Gut gemacht. =)
Antwort von:  Lianait
20.02.2013 21:28
> Awwwww, jetzt finde ich den gestrigen OS nicht mehr so bitter, das ist wirklich schön. =)
Freut mich, dass er dir gefallen hat. :3 (Und natürlich vielen Dank für deinen Kommentar. x3)
Nachdem der andere OS so deprimierend geendet hatte, wollte ich den hier einfach schreiben. Das war so ziemlich der Hauptgrund. =D

> Ich hab zwar nicht alles vollständig verstanden, weil sehr detaillierte Welt, die ihr geschaffen habt, aber es hat mir gut gefallen.
Sorry für meine Knotentendenzen. >_>
Aber ich hoffe, dass alles später ein bisschen klarer wird. =)
Von: Futuhiro
2013-02-20T16:09:19+00:00 20.02.2013 17:09
Ai, schönes Kapitel. ^^
Ich frage mich nur, ob die zwei jemals miteinander darüber gesprochen haben (also Angelique und Will, meine ich). Sicher hätte es beiden das Leben leichter gemacht.
Antwort von:  Lianait
20.02.2013 21:23
Danke für deinen Kommentar. :3
Nein. >_> Die beiden haben sich selber unnötig das Leben schwer gemacht, weil sie nicht mit einander geredet haben. Allerdings kann ich soviel sagen: Sie werden später miteinander reden und die Angelegenheit wird sich klären. Naja, soweit es geht. =D
Antwort von: Futuhiro
20.02.2013 21:26
Ach, die können später noch miteinander reden? Im letzten Kapitel hatte ich irgendwie den Eindruck, Will wäre an der Stelle schon verstorben und gar nicht mehr da.
Antwort von:  Lianait
20.02.2013 21:30
Ah, okay. Nein. Will ist nicht gestorben, sondern Johnny. =) Nach Knochenschmetterling kommt ein Punkt, an dem sie miteinander sprechen. =)
Antwort von: Futuhiro
20.02.2013 21:34
Ja, daß Johnny gestorben war, war mir klar. Aber es klang halt so, als ob Will auch ... naja ... vielleicht bin ich auch vom ersten Kapitel, wo es um das Foto ging, noch vorbelastet. ^^
Antwort von:  Lianait
20.02.2013 21:37
Vielleicht hab ich mich auch nur mal wieder nicht deutlich genaug ausgedrückt, das ist auch immer eine gute Option. :,D
Ey, ich bin so eine Nulpe... Ich hab das mit dem Foto geschrieben und find das selber traurig... >_>
Von:  Flordelis
2013-02-19T19:32:39+00:00 19.02.2013 20:32
So, nachdem ich alles andere für heute erledigt habe, kann ich endlich hier weiterlesen. <3
Das Interessante an diesem OS für mich ist, dass meine Oma meine Mutter Angelique nennen wollte - aber mein Opa war dagegen. =X

Jetzt will ich auch rosafarbene Lilien... ._.

> auf der Suche eine Frau
"nach einer" vielleicht?

Awwww Wilfried ist irgendwie süß. So verständnisvoll und locker. =)

Aber irgendwie schon traurig, wenn man in dem Glauben festhängt, nur eine Zweckehe zu führen.
(Erinnert mich an Dario und Claudia und ein wenig an Asti und Richard... traurig. D;)

Wilfried und Johnny...
*hegt spezielle Gedanken*
XDDD

War ein schöner OS, sprachlich gesehen. Und auch inhaltlich, wenngleich auch ein wenig bedrückend.
Arme Angelique. =/
Antwort von:  Lianait
19.02.2013 21:26
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar! *fausch*
Ich geh mal wieder eine Antwort in dein GB spammen. >:D
Von: Futuhiro
2013-02-19T18:50:56+00:00 19.02.2013 19:50
Okay, ich kenne die Charaktere nicht, aber die Story ist hübsch, sie wird nicht langweilig. ^^
Vielleicht hätte es ja geholfen, wenn sie wieder getanzt hätte. XD
Antwort von:  Lianait
19.02.2013 21:17
Danke für deinen Kommentar. :D
Ja, die Charaktere sind auch eher Randfiguren in Knochenschmetterling, weil sie Claires Eltern sind. Viel machen sie leider nicht. ._.
Naja, soviel kann ich doch sagen: Er liebt sie, aber es gibt da Komplikationen mit seinen eigenen Gedankengängen, wenn man so will. xD
Von: abgemeldet
2012-12-28T20:29:08+00:00 28.12.2012 21:29
Jetzt bin ich durch Twitter neugierig geworden und lese es doch noch ein Kapitelchen ... und zwar dieses hier. Ist ja auch nicht allzu lange, also schaffe ich es schon noch. :)
Bin mal sehr gespannt ... es scheint auf jeden Fall verdammt traurig zu sein. Ich mag traurige Geschichten, auch wenn sie mich traurig machen (macht irgendwie Sinn :,D). TT___TT
Und wenn ich gerade schon so schön in Trauerstimmung bin, warum nicht? Übrigens habe ich jetzt schon nebenbei das Lied laufen, dass du zu diesem OS gepackt hast und ... oh Gott, das hört sich schon so traurig und bedrückend an. .___. (Das Lied ist sooo schön~ <3) *fängt an zu lesen*

War ja klar, dass ich weinen würde. So kurz dieser OS auch war, war er dafür umso trauriger. Ich habe wirklich nach und nach immer mehr Tränen in den Augen gehabt. Überemotional zu sein ist manchmal ganz schön anstrengend. Gut, dass ich hier alleine bin. Q___Q
Mir war Johnny irgendwie auf Anhieb sehr sympathisch, weil ich es gerade bei Männern/Jungen überaus liebenswert finde, wenn sie verlegen sind. Und dann diese traurige Geschichte ... wie er zu Millie sagte, dass er sie immer geliebt hat, bevor er starb. So verdammt traurig.
Ich glaube, wenn die Stelle in VQ kommt, in der Moira Millie aufsucht, werde ich sofort an diesen OS denken und wieder so traurig sein wie jetzt. Schon komisch, wie man mit Leuten mitfühlen kann, die man quasi gar nicht kennt und so gut wie nichts von ihnen weiß, aber trotzdem so berührt sein kann.
Mich würden die genauen Hintergründe zu diesem Fluch nun wahnsinnig interessieren und hoffe, du schreibst dazu mal irgendwann was genaueres, wenn du einen hiermit schon so traurig und neugierig machst. >.<
Ein schöner, emotionaler OS. T_T
Von: Futuhiro
2012-09-05T17:22:32+00:00 05.09.2012 19:22
Herrje, ich musste mich erstmal wieder reindenken, welche Welt und welche Story das hier überhaupt gerade war, zumal jetzt auch noch ein neuer Charakter die Hauptrolle hatte.

Ich weis noch nicht richtig, was ich von Millie und den anderen halte. Sie wurde irgendwie weder sympathisch noch negativ dargestellt, sondern es kamen mehr so reine Tatsachen rüber. Aber da ich sicher bin, daß die Leutchen alle noch eine ausführlichere Rolle spielen werden, bin ich einfach mal neugierig was kommt. ^^
(Im Gegensatz zu Alona hat es mich allerdings emotional noch nicht sehr angehoben, schlicht und ergreifend weil ich die Charaktere gar nicht kenne. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. ^^ - Schön geschrieben und spannend war es auf jeden Fall trotzdem. Ich wüsste schon gern, was es nun mit denen auf sich hat und was die mit den schleimigen Dingern in den Katakomben zu tun hat.)
Von:  Flordelis
2012-09-03T13:48:55+00:00 03.09.2012 15:48
Bei dem Titel muss ich an das gleichnamige StS-Lied denken.
... *weiterdenk*

Johnny. Q_Q
*kennt ihn noch nicht einmal, muss aber schon weinen, wenn sie daran denkt, dass er nicht mehr da ist*

Brb, crying forever. Q________Q

Sorry, ich kann absolut nichts mehr dazu schreiben, ich bin so mitgerissen und erschüttert und traurig und muss mir hier gerade dauernd die Tränen aus dem Gesicht wischen.
Du siehst also, es hat nicht nur dich beim Schreiben berührt, sondern auch mich beim Lesen. Q_Q
Von: Futuhiro
2012-05-05T20:21:59+00:00 05.05.2012 22:21
Aha, so verhält sich das also mit den beiden. Nette Hintergrundinfo zur Hauptstory. (Mein Bild von Killian wandelt sich immer mehr.)

Ich frag mich nur immer noch, wie Clara / Claire ihn da unten im Abwasserkanal nun gefunden hat. Und was das für ein Armband war, das sie unbedingt wiederbrauchte. Und was das für Gestalten waren, die Killian da unten gejagt haben. Ich hoffe, die tauchen nochmal irgendwo auf. ^^


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