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Nachtgestein

Grau in Grau
von

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Narben

Allein saß Millie auf ihrem alten Sofa in ihrem Wohnzimmer und betrachtete ein altes, vergilbtes Foto, das ihre Familie niemals zu Gesicht bekommen hatte. Auch ihre Tochter nicht, obwohl ihr Vater darauf zu sehen war.

Sie war alleine im Haus, aber das war nicht weiter verwunderlich. Ihre Tochter war schon vor Jahren ausgezogen, hatte geheiratet und ihre eigene Familie gegründet. Sie hätte das Foto aber auch nicht hervorgeholt, wenn sie nicht alleine gewesen wäre. Schließlich hatte sie diesen Teil von sich selbst immer vor allen anderen geheim halten wollen und bislang war es ihr gelungen.

Auf dem Foto war sie jung, sie war erst 17. Aber das Foto war schon alt, es stammte schließlich aus dem Jahre 1942.

Mildred Grimoxley war heute aber gar nicht mehr jung. Schon sehr lange nicht mehr.

Neben ihr selber waren noch drei andere Personen auf dem Schwarzweißfoto zu sehen. Ihre Freunde.

Will.

Jack.

Und Johnny.

Oh, Johnny…

Mit einer nun zittrigen Hand fuhr sie über das Gesicht des Mannes, den sie geliebt hatte. Nein, den sie immer noch liebte.

Das Foto war geschossen worden, als sie sich gerade kennengelernt und ihre ersten Abenteuer hinter sich hatten. Lange bevor Nimues Fluch sie selbst und Johnny heimgesucht hatte.

Millie betrachtete mit immer unklarer werdendem Blick das alte Bild in ihren ebenso alten Händen.

Will stand wie üblich mit einem leicht missmutigen Blick am Rand. Wahrscheinlich war es zu dem Zeitpunkt der Fotographie Jacks Arm gewesen, den er mit seinem üblichen Grinsen auf dem Gesicht um die Schultern seines Freundes geschlungen hatte, der Will gestört hatte. Neben Jack stand Millie selber auf ihre alte, treue Flinte gestützt. Sie war in Hosen und ihre alte Fliegerjacke gekleidet, die sie der Bequemlichkeit und Praktikabilität halber immer getragen hatte. Johnny selbst stand neben ihr mit einem verlegenen, aber glücklichen Ausdruck auf dem Gesicht. Der ansonsten so wackere Johnny war immer viel zu schüchtern gewesen, um ihr in der Öffentlichkeit beispielsweise den Arm um die Taille zu legen, aber irgendwie hatte sie es auf dem Bild geschafft, dass er es dennoch tat.

Tränen traten in ihre Augen, wie jedes Mal, wenn sie an ihn denken musste. Auch nach all den Jahren.

Von wegen ‚Zeit heilt alle Wunden‘…, dachte sie sich zynisch.

Will war ein Dämon und Jack war etwas, das man damals noch mit ‚Fee‘ bezeichnet hatte. Millie selbst stammte aus langen Linie von Hexenjägern. Nur Johnny war ein ganz normaler junger Mann gewesen, der von der eigentlichen Welt gar keine Ahnung gehabt hatte, als er auf Jack und Will miteinander streitend gestoßen war. Jack hatte ihr immer erzählt, wie perplex der junge Soldat gewesen war, als er sie zum ersten Mal erblickte und sie sich Zauber um die Ohren warfen, nur um Johnny ein bisschen in Verlegenheit zu bringen. Johnny war immer nur verlegen gewesen, wenn es um sie ging. Um sie, Millie. Alles andere hatte er immer mehr oder minder unbeeindruckt einfach hingenommen und sich damit auseinandergesetzt, egal, was es war. Wahrscheinlich war es das gewesen, was dafür gesorgt hatte, dass sie sich schließlich in ihn verliebte.

Millie fühlte wie die Tränen in ihren Augen überliefen und ihr die Wangen hinunterrannen, bis eine schließlich auf das vergilbte Foto tropfte. Ein Schluchzen baute sich in ihrer Kehle auf und nahm ihr den Atem. Mit ihrem Daumen wischte sie die Träne schließlich weg, als sie einen zitternden Atemzug zustande brachte.

Aber das alles war gewesen, bevor sie der Fluch für über 20 Jahre aus dem Leben der anderen katapultiert und sie alle so im Nachhinein auseinander gerissen hatte. Obwohl aus verschiedenen Clans waren Will und Jack einst die besten Freunde gewesen und standen heute auf verschiedenen Seiten des Gesetzes, wenn Millie es richtig mitbekommen hatte. Und Johnny… er hatte eine andere geheiratet.

Lange hatte sie ihn deswegen nicht aufgesucht und ihre gemeinsame Tochter alleine, ohne sein Wissen, aufgezogen. Erst vor fünf Jahren hatte sie ihn alleine mitten in der Nacht an seinem Sterbebett aufgesucht.

Und obwohl sie zu diesem Zeitpunkt auch schon alt und runzlig gewesen war und gebückt auf ihrem Stock lehnte, hatte er sie augenblicklich erkannt. Er hatte ihre faltige Hand in seiner ebenso faltigen gehalten und ihr um Atem ringend mitgeteilt, dass er nur geheiratet hatte, weil er geglaubt hatte sie, Millie, hätte nicht überlebt, aber er war nie glücklich geworden und da sein Herz immer ihr allein gehört hatte. Ihr Herz war übergeschwollen vor Glück und ihre Augen hatten sich schließlch genau wie jetzt mit Tränen gefüllt, als sein Blick von der Leere erfüllt worden war und seine Hand in ihrer schlaff wurde. Still und leise hatte sie bis zum Morgengrauen an seinem Bett gesessen und stumme Tränen vergossen.

Auch wenn die Zeit alle Wunden heilen mag, macht sie ihre Arbeit in meinen Augen sehr schlecht…

Mit einem Taschentuch trocknete sie sich die Tränen, doch es nützte nichts und sie kamen immer und immer wieder. Millie wusste nicht, wie lange sie noch so dasaß, doch sie hoffte inständig, dass gerade heute niemand auf die Idee kam, sie besuchen zu wollen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  TommyGunArts
2013-04-14T10:15:09+00:00 14.04.2013 12:15
Nun melde ich mich auch endlich bei dir. Entschuldige, dass es sich so hinzieht mit der Auswertung.
Aber nun erstmal der Kommentar:

Allein saß Millie auf ihrem alten Sofa in ihrem Wohnzimmer und betrachtete ein altes, vergilbtes Foto, das ihre Familie niemals zu Gesicht bekommen hatte.
-> An sich ein schöner Anfangssatz. Allerdings verwendest du zweimal "alt" und zweimal "auf", bzw. "in ihrem". Das könnte man noch etwas geschickter ausdrücken.

Schließlich hatte sie diesen Teil von sich selbst immer vor allen anderen geheim halten wollen und bislang war es ihr gelungen.
-> Sie hat also ein Geheimnis, dass sie manchmal sogar vor sich selbst versucht geheimzuhalten? Ich deute das einfach mal so. Gefällt mir aber!

Auf dem Foto war sie jung, sie war erst 17. Aber das Foto war schon alt, es stammte schließlich aus dem Jahre 1942.
Mildred Grimoxley war heute aber gar nicht mehr jung.

-> Wdh. "aber"

Oh, Johnny…
-> xDD Komisch, da habe ich direkt den Song von Jan Delay im Kopf!

Lange bevor Nimues Fluch sie selbst und Johnny heimgesucht hatte.
-> Ein Fluch? Jetzt wird es mysteriös

Johnny selbst stand
-> Das "selbst" ist hier eher störend

Will war ein Dämon und Jack war etwas, das man damals noch mit ‚Fee‘ bezeichnet hatte.
-> Woa, das kommt jetzt etwas überraschend. Ich hatte eigentlich angenommen hier ginge es um völlig normale Menschen... Na gut, das muss ich jetzt erstmal verdauen xD

Und Johnny… er hatte eine andere geheiratet.
-> Wie das Leben immer so spielt. Schade eigentlich, leider aber ein sehr alltägliches Phänomen...

Auch wenn die Zeit alle Wunden heilen mag, macht sie ihre Arbeit in meinen Augen sehr schlecht…
-> Hier mal ein sinngemäßes Zitat. Die Umsetzung finde ich an und für sich in Ordnung. Du hast Millie als inzwischen alt und runzlig beschrieben, was die "miserable Kosmetikerin" widerspiegelt. Allerdings kommt mir das noch etwas zu kurz. Die "(Nicht)Heilung der Wunden" hast du gut eingebracht und auch authentisch dargestellt. Interessant finde ich auch, dass du das Zitat ein wenig anders gesehen hast als ich. Du hast dich mehr darauf gestützt, dass die Zeit eben doch keine Wunden heilt, während ich genau das anders interpretiert hätte. Aber nun gut, das ist schließlich eine Sache der Auffassung und ich finde es um ehrlich zu sein super, dass deine Interpretation von meiner Abweicht.
Wenn ich jetzt die Geschichte im Gesamten betrachte fällt mir folgendes sofort auf: Bei der Wahl der richtigen Wörter tust du dich manchmal schwer und verwendest oft auch dieselben Wörter. Teilweise ist das ok, aber "alt" tauchte mir persönlich etwas zu oft auch, auch wenn ich weiß, dass deine Geschichte das Alter herausstellen soll. Aber gerade am Anfang ist das wirklich zu viel. Dann nimm lieber Synonyme.
Was mich noch gestört hat war die Sache mit den Dämonen, dem Fluch usw. Das hast du nur am Rande angeschnitten und ich als Leser weiß jetzt gar nicht so richtig wie ich das alles einordnen soll. Du hättest es entweder mehr erläutern und darauf eingehen oder es ganz weglassen sollen, da es so nur verwirrt und der eigentlich guten Geschichte ihren Reiz nimmt.
lg
E. Ternity
Von: abgemeldet
2012-12-28T20:29:08+00:00 28.12.2012 21:29
Jetzt bin ich durch Twitter neugierig geworden und lese es doch noch ein Kapitelchen ... und zwar dieses hier. Ist ja auch nicht allzu lange, also schaffe ich es schon noch. :)
Bin mal sehr gespannt ... es scheint auf jeden Fall verdammt traurig zu sein. Ich mag traurige Geschichten, auch wenn sie mich traurig machen (macht irgendwie Sinn :,D). TT___TT
Und wenn ich gerade schon so schön in Trauerstimmung bin, warum nicht? Übrigens habe ich jetzt schon nebenbei das Lied laufen, dass du zu diesem OS gepackt hast und ... oh Gott, das hört sich schon so traurig und bedrückend an. .___. (Das Lied ist sooo schön~ <3) *fängt an zu lesen*

War ja klar, dass ich weinen würde. So kurz dieser OS auch war, war er dafür umso trauriger. Ich habe wirklich nach und nach immer mehr Tränen in den Augen gehabt. Überemotional zu sein ist manchmal ganz schön anstrengend. Gut, dass ich hier alleine bin. Q___Q
Mir war Johnny irgendwie auf Anhieb sehr sympathisch, weil ich es gerade bei Männern/Jungen überaus liebenswert finde, wenn sie verlegen sind. Und dann diese traurige Geschichte ... wie er zu Millie sagte, dass er sie immer geliebt hat, bevor er starb. So verdammt traurig.
Ich glaube, wenn die Stelle in VQ kommt, in der Moira Millie aufsucht, werde ich sofort an diesen OS denken und wieder so traurig sein wie jetzt. Schon komisch, wie man mit Leuten mitfühlen kann, die man quasi gar nicht kennt und so gut wie nichts von ihnen weiß, aber trotzdem so berührt sein kann.
Mich würden die genauen Hintergründe zu diesem Fluch nun wahnsinnig interessieren und hoffe, du schreibst dazu mal irgendwann was genaueres, wenn du einen hiermit schon so traurig und neugierig machst. >.<
Ein schöner, emotionaler OS. T_T
Von: Futuhiro
2012-09-05T17:22:32+00:00 05.09.2012 19:22
Herrje, ich musste mich erstmal wieder reindenken, welche Welt und welche Story das hier überhaupt gerade war, zumal jetzt auch noch ein neuer Charakter die Hauptrolle hatte.

Ich weis noch nicht richtig, was ich von Millie und den anderen halte. Sie wurde irgendwie weder sympathisch noch negativ dargestellt, sondern es kamen mehr so reine Tatsachen rüber. Aber da ich sicher bin, daß die Leutchen alle noch eine ausführlichere Rolle spielen werden, bin ich einfach mal neugierig was kommt. ^^
(Im Gegensatz zu Alona hat es mich allerdings emotional noch nicht sehr angehoben, schlicht und ergreifend weil ich die Charaktere gar nicht kenne. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. ^^ - Schön geschrieben und spannend war es auf jeden Fall trotzdem. Ich wüsste schon gern, was es nun mit denen auf sich hat und was die mit den schleimigen Dingern in den Katakomben zu tun hat.)
Von:  Flordelis
2012-09-03T13:48:55+00:00 03.09.2012 15:48
Bei dem Titel muss ich an das gleichnamige StS-Lied denken.
... *weiterdenk*

Johnny. Q_Q
*kennt ihn noch nicht einmal, muss aber schon weinen, wenn sie daran denkt, dass er nicht mehr da ist*

Brb, crying forever. Q________Q

Sorry, ich kann absolut nichts mehr dazu schreiben, ich bin so mitgerissen und erschüttert und traurig und muss mir hier gerade dauernd die Tränen aus dem Gesicht wischen.
Du siehst also, es hat nicht nur dich beim Schreiben berührt, sondern auch mich beim Lesen. Q_Q


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