Sex mit dem Ex von Chibi-Neko-Chan (100 Storys Zirkel) ================================================================================ Prolog: Was Ebbe nimmt, bringt Flut wieder ------------------------------------------ Nachdem ich gestern wieder fast die ganze Nacht wach war und gelernt habe, liege ich heute nur noch faul auf der Couch und starre auf den Flimmerkasten vor mir. Ich gähne müde und reibe mir über die Augen. Schlaf könnte ich auch mal wieder gut gebrauchen. „Adrian?“, höre ich die Stimme meines Bruders, rege mich aber kein Stück. „Mhm?“, frage ich nur nach und zappe zu einem anderen Sender. „Ah, du bist schon wach? Du weißt doch, dass Fernsehen am frühen Morgen nicht gut ist!“, schimpft er auch sofort und nimmt mir die Fernbedienung ab. Ich lasse mich tiefer in die Couch rutschen. Seit dem Unfall vor vielen Jahren, versucht Evan sowohl seine Bruder-, als auch die Vater- und Mutterrolle einzunehmen. Aber er weiß, dass das sicher niemals klappen wird. Trotzdem ist er immer für mich da und mein bester Freund. Ich kämpfe mich hoch und sehe ihn fragend an. Wollte er jetzt was von mir, oder nicht? „Ach ja! Meintest du nicht, dass bald wieder Elternsprechtag bei euch ist?“, fragt er nach, aber ich schüttele den Kopf. „Nein.“, sage ich nur knapp. Solche Tage verfluche ich seit damals und versuche sie so gut es geht zu ignorieren. „Ich mache erst mal Kaffee.“, murmel ich und sofort folgt Evan mir. Er ist abhängig von dem schwarzen Gebräu und so bekommt man ihn dazu, fast alles zu machen. Also setze ich den Kaffee auf und sehe zu, wie er anfängt zu kochen. Sonderlich spannend ist es nicht, aber besseres zu tun habe ich auch nicht. „Ich bin nachher noch mit Alex verabredet.“ Als ob mich das interessieren würde. Alex ist Evan's feste Freundin und um ehrlich zu sein, kann ich sie nicht ausstehen. Sie ist eine falsche Schlange und nutzt meinen Bruder doch nur aus. Allerdings ist der zu blöd, um es zu bemerken. „Ich komme morgen wieder.“, meint er lächelnd. Ich zucke mit den Schultern. „Mach mal.“, murre ich und gieße den fertigen Kaffee in zwei Tassen. Auf das Thema mit Alex bin ich schon lange nicht mehr gut zu sprechen. Anfangs tat sie ja immer sehr freundlich, aber nach und nach kam ich dahinter. Und als sie sich dann auch noch an mir vergreifen wollte, war es ganz vorbei. Meinem Bruder habe ich davon nichts erzählt. Ich wollte ihn nicht unnötig noch mehr belasten als eh schon. Schließlich ist er nur noch nicht mit der Hexe zusammengezogen, weil er mich nicht alleine lassen möchte. Das liegt mitunter vor allem daran, dass das Ereignis vor vielen Jahren ein Trauma bei mir hinterlassen hat. Ich kann kaum noch in ein Auto steigen, ohne Panik zu bekommen. Daher sind öffentliche Verkehrsmittel bei mir so ein kleines Problem und wenn es nicht Stunden weg liegt, laufe ich immer überall hin. Oder fahre Fahrrad. Ich weiß, das ist ziemlich dämlich, aber ich kann dagegen einfach nichts machen. Ich stelle den Kaffee vor Evan, der aussieht, als würde er gleich wieder einschlafen. Sofort ist er wieder hellwach und macht sich über die Tasse her. Im Nu hat er alles ausgetrunken, worüber ich nur den Kopf schütteln kann. „Ich mach mich dann mal fertig.“, sagt er und steht auf. Er kommt auf mich zu, streicht mir durch die Haare und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Nach dem Unfall war das seine Lösung mich wieder zu beruhigen, wenn ich aus welchem Grund auch immer weinen musste. Inzwischen macht er es fast immer, wenn er weggeht, mich sieht oder denkt, dass ich mich nicht wohl fühle. Ich denke seit dem Geschehen haben wir eine andere Bindung zueinander, als andere Geschwister. Aber wirklich beurteilen kann ich es nicht. Ich habe nicht viele Freunde und die meisten sind Einzelkinder. Außerdem gehe ich sie nicht oft besuchen, daher kann ich ihre Familienverhältnisse nicht mit meinen vergleichen. Will ich auch gar nicht. Einige Zeit später ist Evan schon aus dem Haus verschwunden. Ich lasse mich im Wohnzimmer wieder seufzend auf die Couch fallen und schalte den Fernseher ein. Ich habe gerade einfach nichts besseres zu tun. Ich bin müde und merke, dass mir nach einiger Zeit die Augen zufallen. Krampfhaft versuche ich mich wachzuhalten, aber es klappt nicht und kurz danach bin ich eingeschlafen. Geweckt werde ich von dem unendlich lauten Klingeln unserer Türglocke. Ich schrecke hoch und werfe einen Blick auf die Uhr. Inzwischen ist es draußen schon wieder dunkel geworden. Ich habe wirklich den ganzen Tag verschlafen. Erneut wird geklingelt und jetzt scheint die ungeduldige Person vor der Tür, nicht mehr von dem Knopf ablassen zu wollen. Ich kämpfe mich genervt hoch und richte einigermaßen meine Frisur. Dann stapfe ich in den Flur. „Ja ja, ich komme schon!“, sage ich und öffne die Tür. Das was ich da sehe, lässt mir einen Moment das Blut in den Adern gefrieren. Sofort schlage ich die Tür wieder zu, bleibe aber wie erstarrt stehen. Ich starre auf das dunkle Holz und reibe mir über die Augen. Träume ich etwa noch? Langsam öffne ich sie wieder und werde nun mit einem gereizten Blick durchbohrt. Das kann doch nicht wahr sein. „Ja danke! So begrüßt du also-“ Die Tür fällt wieder ins Schloss. Ich will das nicht wahrhaben! Das geht gar nicht! Es kann nicht er sein. Dann würde das Schicksal mir einen mehr als miesen Streich spielen! Mit einem letzten Versuch öffne ich sie wieder. Hoffentlich bekommt keiner unserer Nachbarn das mit, wäre schon ziemlich peinlich. Jedoch steht der Kerl immer noch da und bevor ich ihn ausschließen kann, hat er sich einfach in unser Haus vorgekämpft und steht nun vor mir im Flur. Nur langsam gleitet die Tür nun ins Schloss und schließt sich mit einem leisen Klacken. „So begrüßt du also deinen alten Freund?“, fragt er mich, aber ich bringe kein Wort heraus. Das geht nicht. Wieso ist er hier? Wieso nicht-? „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen!“ „Du solltest schon längst tot sein, Cem!“ Kapitel 1: Nur wer den Mut zu Träumen hat, hat die Kraft zu kämpfen ------------------------------------------------------------------- Still sitzen wir am Küchentisch und wissen wohl beide nicht, was wir sagen sollen. Ich starre auf den Tisch und knabbere auf meiner Lippe herum. Ich verstehe das nicht. Wieso ist der Kerl wieder da? Soweit ich das wusste, war Cem eigentlich auch bei dem Unfall ums Leben gekommen und nun sitzt er hier und trinkt fröhlich seinen Kaffee. „Du hast dein Aussehen geändert.“, sagt er und ich schrecke aus meinen Gedanken zurück. Ich hebe kurz den Blick und zucke mit den Schultern. Dann brumme ich nur ein paar unverständliche Worte. Wie kann er so tun, als wäre alles wie immer?! Er hat sich Jahre nicht blicken lassen, er hat nicht angerufen, er hat mir nicht geschrieben. Da ist es doch verständlich, dass ich mit der Situation nicht klarkomme. „Es passt zu dir.“, versucht er erneut einen Smalltalk zu betreiben, ich nicke nur dankend. Am besten gehe ich wieder schlafen und wenn ich aufwache, dann ist er verschwunden und alles war nur ein Traum. „Also sehr gesprächig bist du ja nicht gerade.“, stellt er amüsiert fest. „Na ja, dann muss ich wohl mehr reden. Hübsch hässlich habt ihr es hier.“ Will er mich jetzt fobben, oder was? Ich murre nur auf. „Aber was soll man auch von zwei Kerlen erwarten, die ohne Frau in einem Haus leben.“ Cem lacht auf. Scheinbar nimmt er die gesamte Situation alles andere als ernst. „Wie geht es dir denn so? Alles fit im Schritt? Ich war bis vor einigen Jahren im Krankenhaus. Die Ärzte meinten, ich habe Glück, dass ich mich überhaupt noch an etwas erinnern kann. Na ja, Glück im Unglück sozusagen. Aber wäre auch schade, wenn ich dich nicht mehr kennen würde, oder? Wobei ich das Gefühl habe, dass du mich eigentlich nur loswerden möchtest.“ Da hat er es aber gut auf den Punkt gebracht! Ich stehe schweigend auf und hole mir einen zweiten Kaffee. Sonst schlafe ich gleich noch am Tisch ein, während Cem mich vollquasselt. „Wie ging es dir nach dem Unfall? Hattest du starke Verletzungen?“ Ich zucke zusammen. Darüber rede ich nicht. Nicht einmal mit Evan habe ich je ein Wort darüber verloren. Meine Laune sinkt mit jeder Minute, die Cem seinen Mund aufmacht, um mir etwas zu sagen. „Ich habe im Koma gelegen. Na ja, das Laufen musste ich erst mal wieder lernen, aber ansonsten ging es mir soweit ganz gut. Die letzten paar Jahre habe ich dann versucht, alles von der Schule wieder aufzuholen. Ist ja gar nicht so einfach. Aber wer braucht den Quatsch schon? Ich weiß ja auch so, was ich später mal machen möchte und das meiste ist dafür ziemlich unnütz. Wie siehst du das?“ Wenn er mich fragt, dann finde ich ihn momentan ziemlich unnütz. Kann er nicht einfach wieder verschwinden? „Ist Evan eigentlich gar nicht hier?“ Wie kann ein Mensch nur so viel reden, ohne auch nur eine Antwort zu bekommen? „Deshalb ist es so ruhig.“, scherzt Cem und lacht erneut. „Vermutlich würde er wenigstens mit mir reden. Wo ist er denn? Bei seiner Freundin? Oder ist er immer noch Single, weil er auf dich aufpassen muss?“ Also das war jetzt definitiv ein Vorwurf! Darauf gehe ich besser nicht ein, wie auf den ganzen anderen Mist! „Willst du denn gar nicht mit mir reden?“, fragt Cem nach. Jetzt sehe ich ihn erstmals wieder richtig in die Augen. Sie sind immer noch so dunkel und stechend wie damals schon. Mich überkommt eine Gänsehaut und ich wende mich wieder ab. „Nein!“, sage ich dann und gehe aus der Küche. „Du bist vermutlich auch nur eine meiner Fantasien, wäre ja nichts neues.“, sage ich und winke ab. Ich habe seit damals stark mit Einbildungen und ähnlichen zu kämpfen. Aber mein Bruder war so freundlich, mich nicht in Behandlung zu geben, als ich ihm versprach, nicht auf solche Sachen einzugehen. Es war von uns beiden ziemlich verantwortungslos, aber es hat ja glücklicher Weise funktioniert. Nur bin ich jetzt dafür auch etwas mehr zurückgezogen, als damals. „Ich bin keine Einbildung! Ich bin wirklich da! Soll ich dich zwicken? Man Adrian! Jetzt hab dich nicht so, wir sind doch beide keine Kinder mehr!“, meint Cem genervt und folgt mir. „Geh weg! Verschwinde einfach! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben!“, keife ich ihn an und schlage seine Hand von meiner Schulter, die sich gerade genähert hat. Cem sieht mich kopfschüttelnd an. „Du kannst vor der Vergangenheit nicht fliehen, mein Lieber. Du kannst nicht einfach vergessen und ich gehöre genauso zur Gegenwart, wie alles andere auch. Ich gehöre nicht nur in die Vergangenheit. Schon mal daran gedacht, dass die Vergangenheit dich irgendwann einholen könnte?“, meint er und lässt sich auf der Couch nieder. Ich schüttele den Kopf. „Hör auf dich in mein Leben einmischen zu wollen! Du gehörst nicht mehr dazu! Verschwinde einfach.“, sage ich und mache den Fernseher aus, der die ganze Zeit noch lief. Daran habe ich gar nicht mehr gedacht. „Adrian! Ich lag vier Jahre im Koma! Ich musste danach allerhand Dinge wieder erlernen. Ich hatte niemanden mehr. Alle von meiner Familie waren tot und meine Tante und mein Onkel wollten mich nicht haben. Und ich habe es auch überstanden, ok?! Ich habe das Heim überlebt, die Schule, die Krankenhäuser und den Tod meiner Familie. Ich habe den Unfall überlebt! Wir haben ihn überlebt. Wir sind beide ein kleines Wunder. Aber vielleicht wollte das Schicksal es auch so.“ Das ist definitiv nicht der Cem, den ich kenne. Der Cem, den ich kenne ist cool und ruhig. Er kann sauer und aufbrausend werden und beschützt mich vor allem. Der Cem den ich kenne, ist mein bester Freund. „Du bist nicht Cem!“, sage ich abweisend. „Den Cem den du kanntest, Adrian, den gibt es nicht mehr. Es ist viele Jahre her, ich habe mich auch verändert.“, meint er und macht einen Schritt auf mich zu. Ich weiche sofort zurück, aber davon lässt er sich nicht beirren. Er streckt die Arme aus und greift nach mir. Er drückt mich an sich und meine Augen werden groß. „Ich bin Cem! Versteh das doch!“, sagt er, aber ich wehre mich, um mich zu befreien. Er drückt fester zu und ich bekomme kaum noch Luft. „C-em!“, bringe ich hervor. „Ich bin Cem! Nimm mich an! Hör auf, mich vergessen zu wollen, sonst sterbe ich!“, sagt er und eine Hand legt sich um meinen Hals. Ich reiße die Augen auf und versuche mich von ihm zu lösen. „Wenn ich sterbe, dann nehme ich dich mit.“, sagt er und lächelt, während er zudrückt. Ich bekomme kaum noch Luft, es schmerzt. „Hör...auf!“, keuche ich und er beugt sich zu mir. „Wir bleiben auf ewig zusammen.“ Seine Lippen berühren meine, während ich noch immer erstarrt nach Luft schnappe. Plötzlich zerreißt ein Klingeln das Geschehen. Cem löst sich von mir und zerfällt. Ich spüre die Tränen auf meiner Wange und sehe, wie die einzelnen Stücke, wie Papier im Wind davonfliegen. „C-Cem?“, frage ich heiser und sehe mich um. „Cem!“, rufe ich nun lauter und renne los. Ich weiß nicht mehr, wo ich bin. Es ist dunkel. Zu dunkel! Ich höre Sirenen und plötzlich wird es gleißend hell. Ich kann einen Brand erkennen. Ein brennendes Auto. Die Feuerwehr, Notwagen und die Polizei. Was ist das? Ich trete langsam näher heran und streiche mir über die Wange. Die Tränen haben inzwischen aufgehört zu fließen. Als ich nur noch wenige Meter entfernt stehe, erkenne ich es. Sie ziehen Menschen aus dem Auto und legen sie auf eine Trage. Alles scheint wie in Zeitlupe zu verlaufen. Ein kleines Kind, was schreit und weint. Es ist ein Junge. Seine Mutter ist tot. Sein Vater liegt bewusstlos im Krankenwagen. Nur sein Bruder ist da und hält ihn im Arm. Ich will das nicht mehr sehen. Nicht schon wieder! Ich ertrage das nicht mehr. Auch die andere Familie wird geborgen. Alle sind tot. Die Eltern, der älteste Sohn und der Kleine. Oder lebt er noch? Er scheint nicht mehr zu atmen, er bewegt sich nicht. Aber etwas scheint ihn dennoch am Leben zu erhalten. Die Leute verschwinden, die Polizei und die Feuerwehr begleiten den Krankenwagen zum Krankenhaus. Es wird still. Alles ist weg, als wäre es nie passiert. Ich drehe mich um, möchte zurückgehen. Ich möchte Cem suchen, der sich gerade vor mir aufgelöst hat. Wo ist er hin? Ein Junge sitzt am Grab. Ein Familiengrab, wie mir scheint. Wie alt der Junge wohl ist? Bestimmt noch keine zehn Jahre. Er weint und sagt immer wieder leise die Namen seiner Eltern. Ich möchte zu ihm gehen und ihn trösten. Aber mit jedem Schritt, den ich tue, entfernt er sich weiter von mir. „Nein! Warte!“, rufe ich und strecke meine Hand nach ihm aus. „Geh nicht! Lass mich nicht alleine!“ Der Junge dreht sich um, ich erschrecke. Er hat kein richtiges Gesicht. Es ist dunkel, die Augen scheinen herauszustechen. Es ist ein grauenhaftes Bild. Wie ein Zombie, ein Toter. Er steht auf und ich möchte nur noch weg! „Du bist Schuld, an dem Tod meiner Eltern! Du bist die Ursache für den Unfall!“, sagt der Junge und kommt langsam auf mich zugetorkelt. Ich gehe zurück, aber die Entfernung wird nicht größer, sondern immer kleiner. „Du bist ein Mörder!“ „Nein! Nein!“, schreie ich und reiße meine Augen auf. Ich atme schwer und schwitze. Mein Herz rast. Ich liege auf der Couch in meinem Wohnzimmer. Der Fernseher läuft leise im Hintergrund. Ich versuche mich aufzustützen, aber meine Arme zittern zu sehr und können mich nicht halten. Also lasse ich mich wieder fallen und streiche mir über mein schweißnasses Gesicht. Meine Haare kleben an meiner Stirn. „Adrian?!“, höre ich eine bekannte Stimme, kann meinen Kopf aber nicht drehen. Ich starre an die Decke, immer noch erschrocken und zitter. „Adrian, ist alles ok?“, fragt mich Cem und kommt auf mich zu. Er hockt sich neben mich und streicht mir die Haare aus der Stirn. „Gott sei Dank. Ich dachte schon, dass du gar nicht mehr aufwachst. Du bist vorhin einfach umgekippt!“, sagt er und greift nach meiner Hand. Sofort verkrampft sie sich um seine Finger. Langsam sehe ich ihn an und begreife nicht, was gerade passiert ist. Wieso nur ist er hier? „Du- ..du bist...nicht..“ Ich schüttele mühsam meinen Kopf und schlucke. „Ich bin hier, keine Sorge.“, sagt Cem leise und steht auf. „Warte kurz.“ Er befreit seine Hand und verschwindet im Badezimmer. Kurz danach kommt er mit einem nassen Tuch wieder. Er streicht mir damit über mein Gesicht, wischt mir den Schweiß ab und streicht mit seinem Daumen vorsichtig über meine Hand. „Du-“ Er lächelt mich an und wiederholt seine Worte. „Ich bin hier, ich bin hier.“, redet er beruhigend auf mich ein. „Keine Angst. Ich lasse dich nicht alleine. Ich bleibe bei dir.“ Ich erinnere mich, dass Cem es damals immer gesagt hatte, als ich mir wehgetan hatte. Oder als ich Angst hatte und meine Eltern gerade nicht zu Hause waren. Er war immer bei mir. Also muss es wirklich Cem sein! Aber ich will es einfach nicht begreifen. Er ist doch tot? „Tot..“, murmel ich leise und starre ihn an. Er zieht an meinem Hemd, aber da ich darauf nicht reagiere, lässt er es bleiben und beginnt einfach, die Knöpfe aufzuknöpfen. „Cem ist tot.“, sage ich leise und eindringlich. Er reagiert darauf nicht. „Ich bin alleine.“ Cem zieht mir mein Hemd aus und fährt mit dem Lappen nun auch über meine Brust. Ich zucke zusammen. Er ist so kalt. Aber ich bin noch immer zu benommen, um wirklich darauf zu reagieren. „Ich bin Cem. Und ich lebe noch.“, sagt er leise, während er meinen Bauch entlang streicht. „Ich habe dir doch immer gesagt, dass ich dich nicht alleine lasse!“, meint er und lächelt mir aufmunternd zu. „Ich bin immer da, wenn du mich brauchst.“ Ich spüre, wie mir die Tränen hochkommen. Langsam strecke ich meine Arme aus und lege sie ihm um den Nacken. Ich ziehe ihn in meine Arme und drücke mich an ihn. „Cem! Cem! Ich hab dich so..so vermisst!“, heule ich los und schluchze auf. „Du bist ein Idiot! Lass mich-... lass mich nicht mehr alleine.“ Ich schniefe und spüre, wie er lächelt. Sein unbekümmertes Lächeln, was er schon früher immer hatte. Auch wenn ich weinen musste, er war immer stark. Er musste nie weinen. Es wäre komisch gewesen, wenn ausgerechnet Cem den Unfall nicht überlebt hätte. „Ich lasse dich niemals alleine.“, flüstert Cem mir zu und streicht beruhigend über meinen Rücken. „Ohne mich würdest du es nicht schaffen. Deshalb bleibe ich immer bei dir. Wenn etwas ist, musst du nur zu mir kommen, ok?“, sagt er leise und ich nicke schwach. „Duschen.“, sage ich dann und lasse von ihm ab. Er lächelt und hilft mir hoch. „Willst du, dass ich mitkomme?“, fragt er dreist nach, ich verziehe nur mein Gesicht. „Alleine duschen!“, sage ich dann und gehe ins Bad. Mein Hemd habe ich auf der Couch vergessen, aber es ist ja sowieso vollgeschwitzt. Ich schließe die Tür hinter mir ab und ziehe mir meine Hose und die Boxershorts aus. Ich suche mir schon mal ein Handtuch heraus und lege es bereit. Die Klamotten werfe ich unachtsam in die Schmutzwäsche. Ich drehe die Dusche an und warte, bis das Wasser warm geworden ist, ehe ich hineintreten. Ich ziehe den Vorhang zu und lass das warme Wasser auf meiner Haut abperlen. Es fühlt sich gut an, fast wie eine kleine Massage. Ich versuche mich wieder zu entspannen, was leichter gesagt ist, als getan. Sonst ist immer Evan bei mir, wenn ich nach einem Alptraum erwache. Jetzt war es plötzlich Cem. Ich muss das erst einmal alles verarbeiten. Ich weiß nicht mehr, was Wirklichkeit ist und was nicht. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Lag er wirklich nur im Koma? Hat er sich deshalb nicht gemeldet? Aber es waren „nur“ vier Jahre im Koma, danach hätte er doch anrufen können? Wieso hat er es nicht getan? Wollte er gar keinen Kontakt zu mir? Ich hätte damals sicherlich anders reagiert, als jetzt. Damals, wo ich auch noch ein Kind war und alles nicht ganz verstanden habe, oder es nicht verstehen wollte. Ich seufze leise und schüttele den Kopf. Ich greife nach dem Shampoo und schmiere es mir in meine Haare. Ich zupfe leicht an einer Strähne und sehe sie mir an. Tja, ganz umsonst gefärbt und geschnitten. Schließlich lebt Cem ja nun doch noch und ich muss mich nicht mehr an ihn erinnern. Ich habe ihm den Schnitt sozusagen geklaut, nur damit ich ihn nicht vergesse. Aber ich hätte ihn sowieso nie und nimmer vergessen. Da fällt mir gerade ein, dass er sich gar nicht verändert hat, jedenfalls nicht vom Äußeren. Klar, er ist gewachsen und männlicher geworden, aber seine Frisur und seinen Style hat er beibehalten. Es ist komisch, ihn jetzt anzusehen, nach so langer Zeit. Ich wasche mir das Shampoo wieder aus den Haaren und seife mich ein. Ich spüle alles wieder ab, stelle die Dusche aus und trete heraus. Ich schnappe mir das Handtuch und trockne mich langsam ab. Ich nehme mir zusätzlich ein Handtuch für die Haare und binde es mir um den Kopf, damit ich nicht alles voll tropfe. Das andere Handtuch binde ich mir um die Hüften. Ich werfe einen Blick in den Spiegel und sehe mich an. Ich bin blass und sehe auch so nicht gerade gesund aus. Vielleicht sollte ich mich doch noch einmal hinlegen? Aber ich habe Angst davor. Angst wieder zu träumen. Ich will es nicht mehr sehen! Ich will die Vergangenheit endlich vergessen. Ich wende mich von meinem Spiegelbild ab und schnappe mir die Creme. Ich creme mich ein und lasse mir auch dabei ordentlich Zeit. Dass Cem noch im Wohnzimmer wartet, stört mich nicht. Hat er sich doch ausgesucht. Schließlich habe ich ihn nicht hierher bestellt! Leise verlasse ich das Bad und schleiche mich den Flur entlang. Ich habe keine Lust, dass er mich noch nackt sieht! Also schlüpfe ich in mein Zimmer und krame mir frische Sachen heraus. Ich lasse mein Handtuch fallen und ziehe mir die Boxershorts an. Danach folgt die Hose. Auch einen Pullover ziehe ich mir über. Die Handtücher bringe ich zurück ins Badezimmer und werfe sie in die Wäsche. Das Shirt muss ich noch aus dem Wohnzimmer holen. Ich gehe zu Cem zurück, der sich auf die Couch gesetzt und gewartet hat. „Ähm.“, sage ich und weiß nicht recht, was wir jetzt machen können. Er sieht auf und lächelt mir zu. „Geht es dir wieder besser?“, fragte er nach und ich nicke. „Klar, kein Problem.“, murmel ich. Es ist mir unangenehm, dass ich vor ihm die Hülle habe fallen lassen. Dabei waren wir mal die besten Freunde, eigentlich muss mir vor ihm gar nichts mehr unangenehm sein. Aber nach so einer langen Zeit bin ich an diesen engen Umgang einfach nicht mehr gewöhnt. Ich schnappe das Shirt, was er inzwischen auf die Couch gelegt hat und bringe es zur Schmutzwäsche. Ich gehe in die Küche und räume die Tassen weg. Da ich momentan nichts besseres zu tun habe, kann ich auch ein wenig sauber machen. „Darf ich hier bleiben?“, fragt Cem nach, ich reagiere wieder nicht. „Schweigst du mich jetzt wieder an, oder wie?“, fragt er nach und seufzt genervt auf. Cem fährt sich durch seine Haare und tritt näher an mich heran. „Komm schon, rede doch mal mit mir.“, bittet er mich. Ich räume schweigend die Tassen in den Schrank. „Ich weiß nicht, wo ich sonst hin will. Ich habe jetzt die ganze Zeit alleine gewohnt, nachdem ich aus dem Heim raus durfte und von einer Familie abgeholt wurde. Aber seit ich achtzehn bin, habe ich meine eigene Wohnung. Sie liegt allerdings außerhalb der Stadt. Eigentlich wohne ich nämlich schon lange nicht mehr hier. Meine Adoptivfamilie wohnt dreihundert Kilometer weiter.“ Und was interessiert mich das jetzt? Gar nichts! Genau! Ich zucke also nur belanglos mit den Schultern. „Du hättest nicht herkommen müssen. Wäre vermutlich besser gewesen, wenn du nie wieder gekommen wärst.“, murmel ich und packe das Geschirrtuch weg. Ich wische den Tisch ab und mache die Kaffeemaschine sauber. Dann stelle ich sie weg, so wie die anderen Sachen. „Misch dich bitte nicht in mein Leben ein. Wir waren früher beste Freunde. Wir waren immer zusammen. Jetzt haben wir beide unser eigens Leben, du musst dich nicht mehr um mich kümmern, ich komme auch alleine klar.“, sage ich und verlasse die Küche. Ich versuche vor ihm zu flüchten und ihn auf Abstand zu halten, aber er denkt gar nicht daran, einfach aufzugeben. „Das sehe ich ja, wie gut du alleine zurecht kommst. Du wohnst immer noch mit Evan zusammen! Du hast Alpträume und wachst heulend auf. Du schreist und zitterst. Das ist nicht normal Adrian!“, meint Cem und sieht mich vorwurfsvoll an. Ich zucke mit den Schultern. „Das geht dich alles nichts an, Cem. Das ist mein Leben! Hör auf zu versuchen, wieder zu mir zu treten. Ich will dich nicht mehr hier haben. Wir sind keine Freunde mehr, ok?“, meine ich und weise ihn ab. „Adrian. Ich werde nicht so einfach gehen, das weißt du. Du bist der einzige, der mich so verdammt gut kennt. Also hör auf so zu tun, als wäre die Sache damit gegessen.“, versucht Cem es weiter. Der Typ wird nicht aufgeben, das merke ich so schon. Ich schüttele mit dem Kopf. „Du machst alles nur schlimmer. Wenn du nicht hier wärst, hätte ich diesen Traum nicht gehabt. Ich hätte mich nicht wieder an früher erinnert. Ich hätte friedlich geschlafen und meine Sachen gemacht. Ich wäre nicht so aufgewühlt und verwirrt.“ Ich drehe mich zu ihm um und sehe ihn wütend an. „Du nervst, Cem! Geh einfach weg und lass dich nicht mehr blicken!“, meine ich sauer. Ich weiß auch nicht, was mich so sauer gemacht hat. Sein Auftauchen? Nein. Sein Verhalten? Ich glaube nicht. Ich weiß es nicht. Ich will es nicht wissen. Ich will nur wieder meine Ruhe. „Adrian, liebst du mich noch?“, fragt Cem nach. Das versetzt mir sofort einen Stich ins Herz. „Ich habe dich immer noch lieb, Adrian. So wie früher, weißt du? Als wir klein waren und ich dich im Arm gehalten habe. Ich habe doch immer wieder gesagt, wie sehr ich dich lieb habe. Und du hast mir zugestimmt. Hast du mich immer noch lieb?“, fragt er ruhig nach. „Tze!“, mache ich ein abwertendes Geräusch und schlage die Hand weg, die er in meine Haare legen will. „Fass mich nicht an!“, zische ich ihm zu. Er sieht mich mehr oder minder unbeeindruckt an. „Ich habe dich nicht mehr lieb! Ich bin erwachsen geworden, du auch! Wir sind keine Kinder mehr, kapier das doch endlich! Du kannst die Zeit nicht zurückdrehen! Und es wird auch nie wieder so sein, wie es einmal war! Hör auf, dir und mir etwas vorzulügen!“ Ich laufe den Flur entlang in mein Zimmer und suche mir eine Jacke aus dem Schrank. „Was hast du vor?“, fragt Cem mich, ich sehe ihn vorwurfsvoll an. „Ich gehe raus, frische Luft schnappen!“, meine ich grummelnd. „Adrian! Lauf nicht immer vor deinen Problemen weg! Du musst dich ihnen auch mal stellen! Sei nicht so ein verdammter Feigling!“, schimpft er los, aber ich höre nicht auf ihn. Er versteht mich nicht. Mich und meine Gefühle! Er kann gar nichts verstehen! Schließlich war ich damals auch alleine der Grund, weshalb dieser Unfall passierte. Weshalb unsere Familien starben und auseinanderbrachen. Weshalb wir getrennt wurden. Alles war meine Schuld. Ich war der Grund! Und der Unfall ist die Folge und gleichzeitig die Ursache dafür, wie es mir jetzt geht. Wie mein Leben verlaufen ist. Dass ich psychisch gestört bin und nie wieder normal werde. Dass ich mich oft Nachts nur in den Schlaf weinen kann, dass ich schreien will und meinen Frust irgendwo raus lassen. Ich bin an allem Schuld. „Wenn ich wiederkomme, dann bist du weg!“, sage ich ihm und werfe ihm ein letztes Mal einen undefinierbaren Blick zu. Ich öffne die Tür, ziehe mir meine Schuhe an und trete hinaus. Ohne mich umzudrehen, oder den Blick zu heben, murmel ich nur noch leise die Worte. „Ich hab dich immer noch lieb.“ Und schon bin ich verschwunden. Die Tür fällt hinter mir ins Schloss und ich renne die Straße entlang. Nur weg! Am besten doch gleich zum Psychologen! Nein, da will ich nicht hin. Ich schaffe es auch ohne Psychologen. Ich brauche solche Leute nicht! Ich schaffe es alleine mit Evan, meine Gefühle auf die Reihe zu bekommen und alles zu vergessen. Psychologen würden mich nur immer wieder daran erinnern. An den Tod meiner Eltern, an den Unfall, an das Geschehen. Alles, was sich immer wieder vor meinem inneren Auge abspielt. Ich renne die Straßen entlang, ohne darauf zu achten, wohin. Ich renne in einen Park und bleibe erst nach einer Weile außer Atem stehen. Die Blicke der Leute ignoriere ich gekonnt. Ich will nichts mit ihnen zu tun haben. Ich will die Blicke nicht mehr sehen. Ich weiß auch so, dass ich anders bin. Ich bin nicht normal, das weiß ich doch alles! Ich lasse mich auf einer Bank nieder und seufze auf. Mein Gesicht lasse ich in meine Hände fallen und schüttele immer wieder leicht den Kopf. Ich will das alles nicht mehr. Wäre ich damals doch auch gestorben. Ich, nicht die anderen. Ich bin der Schuldige. Die anderen haben das doch alle gar nicht verdient. Ich will nicht mehr weinen müssen. Nicht mehr dieses Leid ertragen. Ich will einfach nur meine Ruhe! „Adrian?“, höre ich eine Stimme und sehe erschrocken auf. „Hey Kleiner, was ist denn los mit dir?“, fragt mich mein bester Freund und lässt sich neben mir nieder. Ich weiß nicht, was ich sagen soll und reagiere wie üblich nicht, wenn ich nicht reden will. Basti sieht mich besorgt an und streicht mir leicht über den Rücken. „Kann ich dir helfen?“, fragt er nach und ich lehne mich gegen ihn. „Nein.“, murmel ich leise und schließe meine Augen. Er legt mir einen Arm um und zieht mich zu sich. Er kuschelt sich an mich, ohne was zu sagen. So bleiben wir eine kleine Ewigkeit sitzen und ignorieren beide die Blicke von den Leuten, die an uns vorbeilaufen. „So mein Kleiner!“, meint Basti da plötzlich total motiviert. „Wir muntern dich jetzt mal auf. Aber vorher erzählst du mal, was vorgefallen ist.“, meint er lächelnd. Ich habe eigentlich keine Lust, so wirklich darüber zu reden. „Ein alter Freund von mir ist wieder da.“, sage ich leise. „Ein alter?“, fragt Basti nach und schmunzelt. „Meinst du vor deinem-?“ Ich nicke, bevor er seinen Satz zu Ende spricht. Jetzt scheint er wohl auch ein wenig baff zu sein. „Aber ich dachte, die wären alle-“ Er lässt den Satz in der Luft stehen. Tja, da bin ich schon so weit wie er. Ich verstehe es ja auch nicht. „Wie wäre es mit einem Eis?!“, fragt Basti nach und steht auf. Er zerrt mich mit hoch und ich sehe ihn verdattert an. „Jetzt? Es ist Herbst! Es ist doch auch so schon kühl genug!“, sage ich baff und sehe ihn fragend an: „Ach was! Nur die Harten kommen in den Garten!“, meint er grinsend. „Und die Härteren zur Gärtnerin.“, ergänze ich den Satz und lächele ein wenig. Ich lasse mich von ihm mitziehen, während er mir wieder irgendetwas über Maya erzählt und über seine Probleme. Ich glaube er will, dass ich meine dadurch vergesse und Basti war einfach bisher noch nie gut darin, jemanden aufzumuntern. Aber er bemüht sich wenigstens. „Ich weiß nicht, ich glaube ich mache mit ihr Schluss.“, murmelt er seufzend. Ich sehe ihn überrascht an. „Aber ihr ward doch immer das beste Paar schlechthin. Was ist denn passiert, dass es auf einmal so schlimm mit euch läuft?“, frage ich überrascht nach. „Na ja..also.“ Er scheint nicht ganz zu wissen, wie er antworten soll. Basti kratzt sich am Kopf und zuckt mit den Schultern. „Ich hab mich in jemand anderen verliebt.“, gibt er dann kleinlaut zu und mir fällt die Kinnlade herunter. „Also das hätte ich jetzt nicht gedacht.“, sage ich und wir betreten das kleine Eiscafé. Wieso hat es zu so einer Jahreszeit überhaupt noch auf? „Und deswegen essen wir jetzt auch ein Eis!“, meint Basti wieder grinsend. Ich schüttele nur den Kopf. „Du bist der bekloppteste beste Freund, den man haben kann.“ Hosted by Animexx e.V. 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