Spirit of Silence von YourBucky ================================================================================ Kapitel 2: SOS Kapitel 2 ------------------------ Spirit of Silence II "Ich hasse mein Leben!!!!" Sorraiah schob seine Unterlippe nach vorne und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein goldbraunes Auge funkelte. "Sorraiah, du bist verrückt! Absolut verrückt!" Der grauhaarige Mann konnte nichts anderes mehr tun, als verständnislos den Kopf zu schütteln. "Danke, das weiß ich selber! Aber... aber... Haddock, das ist nicht fair! Ich meine, ich bin Anwalt. Mein Job ist es, einen teuren Anzug zu tragen und wichtig auszusehen. Ich habe wirklich Besseres zu tun, als dem Rumgehopse irgendeines Möchtegernsängers zuzusehen und mich von einer Horde wildgewordener Teenager zertrampeln zu lassen!" "Also erst einmal nennt man das Bühnenshow, und um eines klarzustellen, dein Job ist es immer noch, Menschen vor Gericht zu verteidigen. Und wenn einer dieser Menschen nun mal ein berühmter Sänger ist, kann es dir doch nur recht sein, wenn du auch noch eine kostenlose Eintrittskarte zur Verfügung gestellt kriegst!" "Ich komme fast um vor Glück!" Sorraiahs Blick schweifte zu der riesigen Glasscheibe ab, die eine gesamte Wand von dem Büro seines Vorgesetzten bedeckte. Der Himmel war mit dicken Wolken verhangen. Bei seinem Glück würde es an diesem verfluchten Abend bestimmt auch noch anfangen zu regnen. "Andere Leute - meine Wenigkeit, ganz nebenbei bemerkt, auch eingeschlossen - würden für diese Karte morden!" Haddock vergrub das Gesicht in den Händen. "Sorraiah, warum hast du diesen Fall überhaupt angenommen?" "Ich war jung und brauchte das Geld!" Der junge Anwalt zauberte ein schiefes Grinsen auf sein Gesicht. "Warum gehen sie denn nicht hin, wenn sie für dieses ach-so-tolle Konzert sogar in Kauf nehmen würden, dass meine Wenigkeit sie wieder aus dem Knast raushauen müsste?" "Wenn ich könnte! Leider ließ sich beim besten Willen nur noch eine Karte besorgen, und das war schon schwer genug... und die ist leider auf deinen Namen ausgestellt..." "Ich leih ihnen meine ID-Card..." Sorraiah strich sich durch sein pechschwarzes Haar und stieß ein tiefes Seufzen aus. "Ich meine... ich... ich bin ja gar nicht so. Ich würde doch hingehen. Ich würd's mir ja anhören, aber... aber... muss das ausgerechnet heute Abend sein???" "Wir können ja gerne mal beim Management anrufen, ob sie das Konzert verschieben können, unser Staranwalt hat gerade seine Allüren..." "Von wegen Allüren!" Der Schwarzhaarige machte ein beleidigtes Gesicht. "Ich... ich habe meine Gründe!" "Deine Gründe? Ach so!" Haddocks Stimme klang inzwischen deutlich genervt. Dicke Schweißtropfen rannen seine zerfurchte Stirn herab. "Wenn Sir Masayume vielleicht die Güte hätte, dem unbedeutenden Wurm von Chef mitzuteilen, was denn selbige Gründe wären???" "Es... es sind gute Gründe!" Sorraiah begann, verlegen mit seinen Fingern zu spielen. "Sie wissen doch, dass sie mir vertrauen können, Boss?" "Im Moment weiß ich nur, dass ich in Kürze wegen einem Herzinfarkt in Frührente gehen kann!" Der Grauhaarige seufzte tief. "Bitte, Sorraiah, so rede doch mit mir!!!" "Das mache ich die ganze Zeit! Ich meine..." Der junge Anwalt senkte seinen Kopf ein wenig und blinzelte seinen Chef schüchtern an, als er in dessen Augen las, dass er unnachgiebig auf einer Antwort beharren würde. "Also, es ist so... ich... ich weiß nicht, wie ich das sagen soll..." Er holte tief Luft. "OK! Heute Abend kommt die letzte Folge von ,Just Complex' im IV und ich... ich meine... es ist nicht einfach nur irgendeine Vorabend-Animeserie, ich habe mein ganzes Leben lang keine einzige Folge verpasst und ich leide doch so schrecklich mit den Hauptcharakteren, ich meine, ich muss doch wissen, ob Kane und Asari zusammenkommen, oder ob diese Tussi sie auseinanderbringt und Asari, ich meine, seine Eltern wissen doch gar nicht, dass er sich noch mit einem Jungen trifft und, hey, im Alpha-Quadrant, wo die letzte Staffel schon lief, wird diese Folge als absoluter Höhepunkt gehandelt und obwohl ich an ihrem Gesichtsausdruck jetzt ganz deutlich sehe, dass sie dieses Problem für absolut lächerlich halten und mich am liebsten übers Knie legen würden, sie müssen sich mal vorstellen, dies ist das Ende, Schluss, aus, danach kommt nichts mehr und ich..." "SORRAIAH!!!!!" Haddocks Schreibtisch erbebte, als der grauhaarige Mann mit der geballten Faust reichlich unsanft auf das lederbezogene Metall schlug. "Ich fasse es nicht! Ich... ich kann das einfach nicht glauben!" "Sehen sie? Ich wusste, sie würden meine Gefühle nicht verstehen! Darum habe ich es ihnen ja auch nicht gesagt." "Sorraiah!" Der Mann in dem dunkelbraunen Anzug wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Um seine Mundwinkel zuckte es. "Ich arbeite nun schon länger in dieser Kanzlei, als du überhaupt auf der Welt bist. Aber in all den Jahren ist mir noch nicht so etwas... Unglaubliches vorgekommen wie... wie das hier... ganz ehrlich, wenn du nicht mein bester Mann wärst, würde ich dich auf der Stelle feuern!" "Aber Haddock!" Der Schwarzhaarige zog die Schultern ein und legte den unschuldigsten Gesichtsausdruck auf, den er nur irgendwie finden konnte. "Wie können sie so etwas sagen?" "Wie kannst du so auf meinen armen Nerven herumtrampeln?" Er schüttelte den Kopf und nahm hastig die Augen von Sorraiahs herzerweichendem Blick. "Bitte, wenn du ein Herz hast, geh zu diesem verfluchten Konzert und nehm diese Folge auf!" "Das ist nicht dasselbe!" Sorraiahs Miene wurde noch ein bisschen flehender und trauriger. "Kane und Asari finden vielleicht endlich ihr gemeinsames Glück und ich... ich... muss mir das Gekrächze von irgendeinem Pseudo-Sänger anhören!!! Wo ist da die Gerechtigkeit?" "Pseudo-Sänger?" Haddock zog eine Augenbraue nach oben. "Du trällerst doch auch ständig seine Lieder vor dich hin! Ich meine, es ist ja schon mal ein Wunder, wenn du nicht bei der Arbeit am Singen - oder Rauchen - bist, aber in letzter Zeit höre ich ständig Sachen von ihm..." "Häh?" Der junge Anwalt blinzelte seinen Chef verwirrt an. "Ich glaube, da müssen sie irgendwas verwechseln!!!" "Frag mich nicht!" Der Grauhaarige stieß einen tiefen Seufzer aus. "Ich bin doch eh ganz durch den Wind! Ich meine, ich habe heute wahrscheinlich den einzigen Menschen des gesamten Universums kennengelernt, der bei klarem Verstand eine Freikarte zu einem Spirit of Silence-Konzert ausschlägt!" Für einen Augenblick herrschte völlige Stille in dem kleinen Raum, nur vom Gang her drangen noch gedämpfte Stimmen und Schritte herein. Dann stürzte Sorraiah mit einem Schrei auf seinen Vorgesetzten zu und rüttelte ihn am Arm. "WAS?!? Eine... eine... eine... Freikarte? Für... für Spirit of Silence? Warum zum Teufel haben sie das nicht gleich gesagt???" "Ich habe es vorhin etwa hundertmal versucht, aber du hast mich ja nicht ausreden lassen! Und jetzt... hör auf damit, oder willst du mir das Genick brechen?" "Ja! Ich... ich meine, nein, natürlich nicht! Aber... aber..." Der junge Staranwalt schnappte nach Luft. "Ganz ruhig, Sorraiah! Aber sag mal, wie kann es sein, dass du das nicht wusstest?" "Hätte ich ahnen können, dass dieser Typ namens Dimi Aino, ich meine... dass... Spirit of Silence... oh my God!" Er atmete tief durch und fuhr sich mit der Hand durch sein schulterlanges schwarzes Haar. "Aber, Haddock, sag mir... wie hast du das gemacht? Die Karten sind seit Monaten ausverkauft!" "Das lass mal meine Sorge sein!" Der grauhaarige Mann grinste. "Oh Sorraiah, wie langweilig wäre mein Leben, wenn du nicht bei mir arbeiten würdest." "Unerträglich!" Sorraiah schüttelte lachend den Kopf. "Sorry, ich kann's immer noch nicht glauben... das ist... der Hammer. Ganz ehrlich! Chef? Ich... ich liebe sie!" "Ich dich auch, Sorraiah! Das weißt du doch!" Haddock strich dem jungen Anwalt mit einer zärtlichen Geste über seine bleiche Wange. Der Schwarzhaarige zuckte leicht zusammen, das Lächeln auf seinem Gesicht jedoch blieb. "Und jetzt mach, dass du wegkommst! Oder willst du etwa zu dem großen Auftritt zu spät kommen?" "Lieber sterbe ich!!!" Sorraiah angelte nach seinem Jackett, das er kurzerhand über der Lehne seines Drehstuhls abgelegt hatte, schlüpfte hinein und lief dann mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht auf die Türe zu. Dort blieb er noch einmal stehen und drehte sich zu seinem Vorgesetzten um. "Ähm, Haddock?" "Was ist denn?" "Was mache ich, wenn ich ihm gegenüberstehe und vor lauter Aufregung kein Wort mehr herausbekomme?" "Hey, das wird schon nicht passieren! Immerhin bist du ein Profi!" Der Grauhaarige lachte. "Und wehe dir, wenn ich morgen früh in den News sehen muss, dass irgendein verrückter Groupie im Anzug von den Sicherheitskräften in Verwahrung genommen werden musste!" "Ich werde sie garantiert grüßen, wenn ich bei der Festnahme gefilmt werde!" "Ich verlass mich auf dich, Sorraiah!" "Habe ich sie jemals enttäuscht?" Der junge Anwalt schenkte seinem Chef sein bezauberndstes Lächeln. "Gott, ich liebe diesen Job! Spirit of Silence - ich komme!!!" In der großen Halle, die sich im mittleren und größten der drei INFERIA-Türme befand, war es mucksmäuschenstill. Die großen Lampen, die an der Decke und den Wänden befestigt waren und die bis vor wenigen Minuten noch alles in einen strahlenden Glanz getaucht hatten um den Abend wirklich als etwas Besonderes zu präsentieren, waren aus und nun umhüllte die Finsternis alles. Eine geladene Spannung herrschte nun zwischen all den vielen Menschen, die sich vor der aufgebauten, gigantischen Bühne versammelt hatten und den wohl berühmtesten Musiker des Zeitalters sehen wollten. Es hatte kaum drei Stunden gedauert, nachdem man die Plakate, die verkündeten das "Spirit of Silence" einen Auftritt hatte, aufgehängt hatte, als alle Karten ausverkauft gewesen waren. Man hatte sich fast geprügelt um die letzten Tickets und tatsächlich waren drei Leute mit leichten Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Und jetzt wartete alle auf ihn, auf den Jungen mit der Stimme des Eises - wie man ihn immer nannte. Doch sie warteten nun schon fünf Minuten. Leises Flüstern begann und die ersten Kinder zupften an den Kleidern und Röcken ihrer Mamis und fragten, wann es denn endlich losginge. Auch die Jugendlichen, die in großen Fangemeinden hergekommen waren, wurden laut, wollten ihren Star sehen. Doch da hallte ein titanisches Grollen durch die Menge und alles verstummte. Seltsam trübe Lichter erhellten die Bühne nur mühsam und schleppend. Leichte Hintergrundgeräusche setzten sein. Das Tröpfeln von Wasser, ...das Zirpen einer Grille, ....rascheln von Blättern, ....Vögelschreie. Es klang, als wäre man tatsächlich in einem Regenwald. Das grüne und gelbe Licht wurde ein wenig heller und man konnte die ersten Umrisse von etwas Großem erkennen. Etwas Braunem, eckigen. Ein Blitzschlag fegte durch die Halle. Die Leute hielten sich die Hände vors Gesicht und staunten, als sie sie wieder wegnahmen. Die Bühne war taghell erleuchtet und doch schien sie in mystisches Licht getaucht zu sein. Die Leute sahen einen riesigen Berg aus dunklem Gestein, der sich fast bis zur Decke heraufzog. Aus einem Spalt in seiner Mitte ergoss sich ein Wasserfall tosend in einen See, der sich am Boden ausstreckte. Die Urwaldgeräusche wurden lauter, es klang jetzt nicht mehr nach Zufall, wann ein Tukan schrie, ein Busch raschelte oder ein Affe brüllte, es klang, als würde sich daraus eine Art Rhythmus bilden...aufbauen, ganz langsam, aber hörbar. Die Lichtkegel der Scheinwerfer bewegten sich nun auch, drehten sich, kreuzten sich im Takt. Fast unbemerkt schlichen sich leichte Elektrobeats und Trommeln dazu, erst langsam, dann schneller, bauten eine Geräuschkulisse auf, die einem keine Wahl ließ. Man musste seine Beine und Hüften dazu bewegen. Eine Frauenstimme startete zu singen. Verhalten, zart, fast wie eine Fee besang sie jemanden oder etwas in einer unbekannten Sprache, deren Worte so schön und so geheimnisvoll klangen, dass man von ihnen verzaubert wurde. Die Augen der Besucher glänzten und alle starrten mit einem verklärten Blick zu dem kleinen Plateau auf, das sich mitten aus dem Wasserfall streckte und einige Meter über dem aufgewühlten See befand. Doch dann brach plötzlich alles ab, die Frauenstimme verschwand, die Tiere und der Dschungel verstummten, die Beats und dir Trommeln hörten auf und alle Scheinwerfer gingen aus bis auf einen, der nun das Plateau anstrahlte. Die Spannung war gebannt. Was würde als Nächstes passieren? Eine feste und markante Stimme zerschnitt die Luft. Sie flutete durch die Masse und ließ einem eine Gänsehaut über die Arme fahren. Doch wo kam sie her? Von oben? Vom Plateau? Von unten? Aus dem See? "I know, that you're a little bit shy..." Die Stimme gehörte klar einem Mann, sie klang hart, stark und auch verführerisch. Als hätte er es mit einem Hintergedanken gesagt. "..but you know, when you want me to fall in love with you, you have to tell me, because.." Schon wieder dieser anzügliche Ton. Und noch immer keine Spur von seinem Eigentümer. "..even when I'm called Spirit of Silence by everyone, I just want to say now, what I feel for you..." Jetzt begann ein lauter Jubel durch die Leute zu gleiten. Endlich war er d, ihr Star, ihr Held, ihr Angebeteter, auch, wenn sie ihn noch nicht sahen, so hörten sie ihn doch. Die ersten Mädchen fielen schon in Ohnmacht und die Sanitäter hatten alle Mühe sich einen Weg zu ihnen zu bahnen. "..so shut up, sit down and just listen..." Mit einem gigantischen Knall war wieder alles beleuchtet, Flammensäulen schossen an den Seiten der Bühne in die Höhe und nun setzte wieder ein absolut heiß klingender Beat ein, der irgendwie aus Elektrogitarren, Trommeln und undefinierbaren Geräuschen zusammengesetzt war. Und auch der Star zeigte sich schließlich. Wie aus dem Nichts durchbrach er plötzlich die Wand des Wasserfalls und blieb dort stehen. Den Zuschauern - besonders den weiblichen - stockte der Atem. Spirit of Silence stand da nur in tief hängenden Jeans, die überall Schnittstellen und Ketten hängen hatten und in einem schwarzen Unterhemd, dass nun vom Wasser durchtränkt an seinem athletischen Körper klebte. Seine Haare, die in schwarz und blau erstrahlten hingen ihm nass und fransig ins Gesicht und seine Hüfte kreiste einmal ganz langsam, während er das Wasser an seinem Körper entlang rieseln ließ. Sein ganzer rechter Arm war mit einem Tattoo versehen. Man konnte es zwar nur aus den ersten Reihen erkennen, aber es war ein Drache, ein schwarzer Drache, der sich, umringt von Flammen und Blitzen, bis auf seinen Handrücken hinzog. Sein Mikrofon trug er als Headset. Und als er nun anfing sich zu dem Beat zu bewegen, unter den fallenden Wassermassen und seine Stimme erneut erklang, waren alle am tanzen. "Baby, all I want is you." "I'm serious with that" "And if somebody tries to steel you." "I will smash his head." Jetzt kam er tanzend zum Rand des Plateaus, wo er zeigte, dass er auch als Bauchtänzer gut aussah. "Cause I love you so damn babe." "That I really have to say," "That if you walk out of my life" "I'd kill myself, so stay" Nun schossen zu beiden Seiten des Plateaus Flammen empor und umrahmten den jungen Mann mit den silbernen Augen und dem blassem Körper. "I would die for you." "Just say you want it, you don't have to repeat it." "I would die for you" "I'd really do it, don't you want to ckeck it, baby?" Der Beat zog sich wieder zurück, die Flammen verschwanden, Dimi verstummte und erstarrte in der Bewegung. Leise begann eine kleine Trommel eine Art Trommelwirbel zu starten. Langsam...schneller...schneller...lauter....noch schneller...noch lauter...WUSCH Dimi sprang mit einem Köpper vom Plateau und tauchte in den kühlen See zu seinen Füßen ab. Das Publikum bekam einen Schreck, fielen riefen in Panik nach seinem Künstlernamen, denn niemand hier wußte, wie er wirklich hieß. Doch da kam plötzlich wieder etwas aus dem Wasser hervor, durchbrach die Oberfläche und erntete die ganze Aufmerksamkeit der Menge. Erst war es nur ein Haarschopf der auftauchte, doch dann wurden es immer mehr. Zuletzt zählte man zehn Stück. Wie sich zeigte waren es Dimi und neun Tänzer und Tänzerinnen, die nun, stehend aus dem Wasser glitten, als würden sie schweben. Kaum, dass die ganz draußen waren und es aussah, als würden sie au dem See stehen, setzte der Beat wieder ein und alle Zehn fingen an zu tanzen. Die Flammen schossen, begleitet von gewaltigen Explosionen wieder zur Decke und die Masse tobte. "I know you hear that every day." "there're many guys, who like you too." "But no one can kiss as climed as me." "So babe, what will you do?" "You know, my hipps can make you scream." "My lipps can drive you mad" "I still feel your teeth in my neck." "Last night I wasn't bad." Verschwörerisch umringten ihn nun die neun Tänzer und Tänzerinnen und kreisten ihn ein, umschlossen ihn immer enger, bis sie einem die Sicht auf ihn nahmen. Nach einer weitere Explosion stoben sie wieder auseinander und blieben wie tot am Boden liegen. Dimi stand mitten auf der Bühne und hatte eine waschechte Python um den Hals. Ihr kleiner, eckiger Kopf ruhte auf seiner linken Schulter, während sich ihr länglicher Körper über seine rechte Schulter um seine Hüften schlängelte und ihre Schwanzspitze sein linkes Bein umklammerte. Vielen Besuchern klappte der Mund auf, die eingeschworenen Fans feuerten ihren Held heftig an. "Baby." "I am ready" "For your nasty." "And dirty body moves." "So,baby." "come and take me" "hard and slowly" "and then let me come loose." Zeitgleich knallte es wieder, alles schien in Flammen aufzugehn und die Lichter wurden schwarz. Alle waren begeistert du klatschten, jubelten, schrien und kreischten. Das war der Spirit of Silence, den sie kannten. Seine Shows waren einfach bombastisch. Doch diese hier hatte gerade erst angefangen und keiner konnte ahnen, was noch kommen würde. Alles war möglich. Alles! Und da gingen die Lichter auch schon wieder an. Dimi stand allein vor dem Wasserfall, diesmal hatte er jedoch eine schwarze Hose und ein dunkelblaues Hemd an, das locker über dem Hosenbund hing. Seine Haare waren noch nass, doch sein Gesicht wieder trocken, aber auch.....abwesend. Es schien, als sei er bei anderen Gedanken, bei Sachen, die nur er kannte, die nur er kennen durfte. Und doch setzte er die schwarze Violine mit den silbernen Seiten und der goldenen Gravur an seine Schulter und begann zu spielen. Anstatt der üblichen Töne kamen jedoch elektronisch verzerrte Töne, die jedoch nicht weniger schön klangen, im Gegenteil. Sie klangen beruhigend, beschützend, klein und niedlich, liebevoll und zärtlich. Als käme ein kleines Mädchen zu einem, das ein süße, wunderschönes rotes Kleidchen trug, zwei weiße Schleifen in ihrem golden glänzenden Haar hatte und einen anlächelte, während sie einem die Hand hinhielt und die Augen freundlich zukniff. Man nahm einfach ihre Hand, ohne zu wissen, was sie wollte...wohin sie wollte, man vertraute ihr, ohne sie zu kennen, denn man kannte sie schon ewig, obwohl man sie das erste Mal traf. Man kannte nicht ihren Namen, ihre Heimat oder gar ihre Lieblingsfarbe, doch man kannte sie, man kannte sie besser, als sich selbst. Und sie nahm einen mit au eine wunderschöne, nie endende Reise in die eignen Träume, in die eigenen Phantasien, in eine eigene Welt, nur für einen allein und seine kleine Freunde mit dem roten Kleidchen und den beiden lustigen weißen Schleifen. Man war glücklich, hatte keine Sorgen, das kleine Mädchen nahm sie alle auf sich und gab einem einmal im Leben die Chance, nur glücklich zu sein, nur zu genießen, wie die Sonne einen belacht, wie das Gras duftet und wie die Blumen blühen. An Dimi dachte in dem Moment keiner mehr. Weder an ihn, an seine Geige, an diese ganze Show, noch an INFERIA, Attraya oder überhaupt an das Universum. Sie schwelgten alle in ihren Erinnerungen und durchlebten eine Zeit des Friedens. Das war seine Gabe, sein Talent und auch sein einziger Zweck. Er war dazu in der Lage, mit seinem Gesang und seiner Musik Menschen zu verzaubern, ihnen zu helfen und Glück zu bringen. Doch sich selbst konnte er kein Glück bringen. Das konnte niemand. Der einzige, der das je konnte, war verschwunden, und Dimi war sich sicher, ihn nie wieder zu sehen. Er war allein. Auch, wenn es hier Hunderte gab, die ihn feierten, er war allein. Sie alle feierten nicht Dimi Aino, den Jungen aus Ankaratra vom Saturn, der seine Mutter im Alter von neun Jahren verloren hatte und von seinem eigenen Vater misshandelt wurde, dann von zu Hause floh und bis zu seinem neunzehnten Lebensjahr durch das Universum tigerte, ohne zu wissen, wohin, bis ihn schließlich Godjira Tai Ling fand und zum Star aufbaute, der ihm half, sein großes Geheimnis zu verdecken. Sie alle feierten Spirit of Silence, den Sänger aus dem ewigen Eis, der eine Stimme hatte, die Granit zersprängen konnte und Eis zum schmelzen brachte. Sie feierten Den, der gerade hier auf den Bühne mit einer Schlange getanzt hatte, doch das war nicht Dimi. Der, der jetzt auf der Bühne stand, alleine für sich Violine spielte und einen traurigen Ausdruck in den Augen hatte und von keinem beachtet wurde, das war Dimi. Doch er hatte sich dran gewöhnt, dass ihn niemand wirklich kannte. Wie auch, außer Seiya hatte ihn nie wirklich jemand gekannt. Seine Eltern nicht, sein Bruder nicht, seine ehemaligen Manager und Peiniger nicht und auch Godjira nicht. Er war allein und unbekannt...im Grunde gab es ihn nicht einmal. Die Menschenmenge tobte. Lautes Geschrei erfüllte die gigantische Halle, zerriss die Dunkelheit in tausend Fetzen. Jeder einzelne der Konzertbesucher bebte vor Spannung auf den nächsten Auftritt, auf eine neue atemberaubende Performance ihres einzigartigen Helden, der in unerreichbarer Ferne auf der überdimensionalen Bühne stand. Die Scheinwerfer hüllten die ekstatischen Fans in erbarmungslose Finsternis. Als die Lichter endlich wieder aufflammten, brachen die Massen in ein ohrenbetäubendes Jubeln und Kreischen aus. Beinahe schien es so, als könnte keine Musik, auch nicht mit dem besten Verstärker und den größten Boxen, die tausendfachen Schreie der Menge durchdringen, doch kaum hatte der Spirit of Silence den Bogen an sein schwarzes Instrument gesetzt, kehrte mit einem Schlag vollkommene Stille ein. Die Zuschauer hielten den Atem an. Was würde sie jetzt erwarten? Als die sanfte, zärtliche, niedliche Melodie erklang, mit der wohl keiner im Saal gerechnet hatte, ging eine Veränderung mit den zahllosen Fans vor sich. Ihre Gedanken flogen davon, zurück in weit entfernte Erinnerungen. Scharen junger Mädchen träumten andächtig neben Großmüttern mit ihren Enkeln, neben ansonsten so gestressten Geschäftsmännern und in inniger Zweisamkeit versunkenen Liebespaaren. Sie standen ganz ruhig in vollkommener Einigkeit nebeneinander, doch gleichzeitig waren sie im Geiste Welten voneinander entfernt, während sie einem gemeinsamen süßen Traum folgten. Sorraiah war viel zu spät auf das Konzert gekommen, um noch einen guten Platz ergattern zu können. Eingeschlossen inmitten fremder, jubelnder Personen, hatte er von dem ersten überwältigenden Auftritt weitaus weniger mitbekommen, als ihm lieb gewesen war - zumal er, sehr zu seinem Ärger, nicht unbedingt zu den größeren Personen in dem völlig überfüllten Saal gehörte. Als die Musik verklungen war und Sorraiah beinahe von einem kreischenden Mädchen erschlagen wurde, dass ihn trotz ihrer höchstens fünfzehn Lebensjahre um fast einen halben Kopf überragte, fasste er kurzerhand den Entschluss, sich mit allen Mitteln nach vorne durchzuschlagen. Verdammt, er war doch nicht nur hier, um seinen Star auf einer der gigantischen Leinwände zu verfolgen. Er wollte ihn sehen. Während die Lichter schliefen und die Menge ihre erwartungsvolle Begeisterung der Bühne entgegenschrie, drängelte sich der junge Anwalt in wahrer Rekordgeschwindigkeit und ohne Rücksicht auf Verluste, empörte Aufschreie, Beschimpfungen oder Fußtritte der Bühne entgegen. Er war glücklicherweise recht geschickt und vor allem unglaublich routiniert darin, sich durch große Menschenmassen zu bewegen, sodass er förmlich spüren konnte, wie nahe er seinem Ziel schon gekommen war, auch wenn er natürlich noch nichts davon sehen konnte. Erst als die zarten Klänge der Musik wieder einsetzten, erstarrte er. Tatsächlich hatte Sorraiah jetzt einen ziemlich freien Blick direkt auf das wichtige Geschehen vor ihm. Die Halle war ein architektonisches Meisterwerk, in dem die Zuschauer schon der Mitte aus problemlos die Handlungen auf der Bühne verfolgen konnten, auch wenn größere Menschen vor ihnen standen. Vor dem jungen Schwarzhaarigen befand sich in diesem Augenblick allerdings eine Gruppe von Freundinnen im Grundschulalter, was dieses Phänomen der Baukunst noch zusätzlich begünstigte und ihm eine wahrhaft fantastische Aussicht gewährte. Sorraiah bemerkte allerdings nichts mehr von diesen Dingen. Seine gesamte Umgebung schien sich von einer Sekunde auf die andere schlicht und einfach aufzulösen. Der Blick seiner weit aufgerissenen Augen ruhte starr auf der einsamen Gestalt, die im Licht der Scheinwerfer stand und auf seiner nachtfarbenen Violine spielte. Die ruhigen Töne durchzuckten Sorraiah wie ein Blitz und raubten ihm eine Sekunde lang den Atem. Jeder einzelne seiner Herzschläge brachte seinen gesamten Körper zum Beben. Irgendetwas in ihm erwachte. Für den winzigen Bruchteil eines Momentes riss etwas an seinen Gedanken, schien sie mit sich fortreißen zu wollen in eine süße, wunderschöne Traumwelt. Dann breitete sich ein stechender, alles verzehrender Schmerz in seinem Inneren aus. Das schier unerträgliche Gefühl war nicht greifbar, es war überall und nirgends, doch obwohl der tiefste, tödlichste Messerstich nicht schlimmer sein konnte, war nichts an der rasenden Empfindung böse oder schlecht. Das Geigenspiel legte sich wie ein hellblaues Licht auf den Schmerz, jedoch ohne ihn fortzunehmen. Es war nicht wie eine Heilung, mehr wie eine Hand, die Sorraiah sanft durch sein schulterlanges Haar strich, flüchtig und doch unvorstellbar zärtlich seine Wange berührte. Es öffnete ihm vorsichtig die Augen und gab den Blick auf die unendlich weit entfernte und doch in unmittelbarer Nähe liegende Bühne frei. Der junge Anwalt starrte auf das Gesicht des Spielenden, der ganz alleine inmitten der viel zu großen künstlichen Märchenlandschaft stand. Er hatte mit einem Mal das absurde Gefühl, als einziger Mensch in der riesenhaften Halle zu stehen, in völliger Einsamkeit mit diesen unendlich traurigen Augen. Die unfassbar schöne Musik war wie ein unsichtbares Band zwischen ihnen gesponnen, und jeder einzelne Ton schien sich wie Feuer in Sorraiahs Herz zu graben. Er merkte weder, wie seine Hände zu zittern begannen, noch wie eine einzige, einsame Träne über seine bleiche Wange hinabrollte. In diesem Augenblick begriff Sorraiah, dass er zum ersten Mal in seinem Leben fühlte. Dimi spielte tapfer weiter und ließ seine Gedanken wandern. Zurück in seine Heimat, wo tatsächlich das ewige Eis herrschte. Er erinnerte sich an die hohen Berge, so weiß und rein, wie sie glitzerten, wenn die Sonne sie traf, an den frischen, kalten Wind, der ihm durch die Haare fuhr und ihn trotz der Kälte schützend an der Wange streichelte, an die Herden der leuchtenden Wale, von denen er jetzt nur noch Bilder hatte, wie sie gemächlich durch die Meere schwommen und ihre Lieder sangen, du wie er mit Seiya oft am Ufer des großen Ozeans gesessen hatte und sie sich gegenseitig im Arm gehalten hatten, weil sie nur sich hatten. Das Bild riss plötzlich ab und machte einer tobenden Menge Platz. Es war jedoch nicht die Menge im mittleren der drei INFERIA-Glastürme auf Attraya, sondern die Menge, die er auf seinem letzten Konzert hatte. Es war auf einem Privatgleiter gewesen und es waren nur hundert Gäste da, einer zuviel. Dimi hatte ihn damals sofort erkannt. Er hatte dieses fiese, dreckige Gesicht nie vergessen können. Natürlich hatte er sich nicht anmerken lassen, seinen ehemaligen Manager erkannt zu haben. Den Menschen, der ihm mehr als jeder andere weh getan hatte, der ihn fast zerstört und getötet hätte, obwohl er Letzteres im Endeffekt doch erreicht hatte. Dimi war fast schlecht geworden, wie er diesen ekeligen Schleimer lachen gesehen hatte. All der Schmerz und die tobende Wut war wieder hochgekommen. All der Zorn, der Hass, das war nicht mehr zu kontrollieren gewesen. Und so hatte Dimi seinen Plan in die Tat umgesetzt. Am Ende des Konzerts war sein Ex-Manager tot gewesen und ihn hatte man wegen Mordes angeklagt. Deswegen war er nun hier und würde gleich ein Treffen mit seinem Anwalt haben. Doch da erwachte Dimi wieder aus seiner Trance und brachte sein Violinensolo zu Ende. Wieder klatschten alle und wieder gingen die Lichter aus. Als es erneut hell wurde, war Dimi wieder zum Spirit of Silence geworden und versprühte Tatendrang und Stärke. Und so bekam anscheinend niemand mit, welch Schmerz tief in ihm ruhte, als er das nächste Lied ansetzte "Babe, I really have one, only one question on my mind. When, please tell me, when...will you kiss me?" "When rabbits speak french?" "Or snakes eat fog?" "When antz drive an airplane?" "Or a pig marries a frog?" "When trees turn silver?" "Or Eve becomes a chick?" "When Adam wears high heels?" "Or officials start working quick?" "When will you finally see, that I'm the place, you have to be?" "When will you kiss me?".......... Seiya....Ich vermisse dich so.............. Der Abend war wie im Flug vergangen. Die Bühnenshow war wie nicht anders zu erwarten genauso überraschend und grandios weitergegangen, wie sie begonnen hatte und am Ende der berauschenden Nacht gab es wohl kaum einen Zuschauer, der nicht vollkommen heiser und erschöpft, aber ebenso glücklich und durch und durch zufrieden die gigantische Halle des INFERIA-Towers verlassen hatte. Als Sorraiah in seinem Büro unter dem Dach des Westturmes saß und auf den funkelnden und glitzernden Ozean aus riesenhaften Hochhäusern, ruhelosen Gleitern und grellen Neonreklamen hinabblickte, erschienen ihm die vergangen Stunden wie ein unglaublich schöner Traum. Wenn er trotz aller Begeisterung für den unbestreitbar einmaligen Spirit of Silence doch nie ganz verstanden hatte, wie manche Menschen ihr halbes Vermögen ausgeben konnten, um noch eine letzte Karte auf dem Schwarzmarkt zu ergattern, oder schon zwei Wochen im voraus lediglich mit einem Schlafsack bewaffnet in eisiger Kälte vor der Konzerthalle campierten, nur um sich auch ganz bestimmt einen Platz in der ersten Reihe zu sichern, so waren spätestens nach diesem unglaublichen Ereignis auch jene letzten Zweifel verschwunden. "Baby all I want is you..." Sorraiahs Blick folgte den blinkenden Lichtern eines interplanetaren Passagierraumschiffes, das sich langsam in den sternenklaren Nachthimmel erhob, während das leise Singen des jungen Anwaltes die Stille der Nacht durchdrang. Trotz der späten Stunde und dem äußert mangelhaften Schlaf der vergangenen Tage war er nicht einmal ein kleines bisschen müde. "... that if you walk out of my life, I'd kill myself so stay..." Das weit entfernte Blinken in dem endlosen, silbern gesprenkelten Tuch des Himmels verblasste zunehmend, bis es irgendwann in das Meer der glitzernden Sterne eintauchte. Sorraiah prüfte kurz in der Glasscheibe, ob sein Anzug und seine Krawatte auch noch richtig saßen und ob seine pechschwarz glänzenden Haare auch wirklich noch die linke Hälfte seines Gesichts verdeckten. In dem grellen Neonlicht schien der Kontrast zwischen den nachtfarbenen Strähnen, die ihm über sein verhasstes rechtes Auge fielen, und der blassen Farbe seiner Haut noch größer als sonst. "I would die for you..." Sorraiah wandte sich hastig von seinem schönen Spiegelbild ab und konzentrierte sich wieder auf die schlaflose Stadt zu seinen Füßen. Gerade war sein umherschweifender Blick bei den wirbelnden Leuchtkreisen und dem riesigen, alles überragenden Lichterrund des Riesenrades auf dem Atalic Lake Vergnügungspark angelangt, als er plötzlich meinte, Geräusche auf dem Gang zu hören. "I'd really do it..." Er griff nach der zerdrückten Pappschachtel in seiner Hosentasche, zog eine Zigarette hervor und zündete sie sich an. "... don't you want to check it, baby?" An der Türe in seinem Rücken ertönte ein Klopfen. Fortsetzung folgt!!! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)