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Bitte bleib bei mir!

BBC Sherlock
von

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Ein Plan geht auf

25.

Ein Plan geht auf
 

„Ist das nicht zu viel auf einmal?“ fragte Greg, der sich gegen die Kälte auf dem Bürgersteig jetzt seinen Mantel fester um den Körper schlang und leicht bibberte. Schließlich hatte er gerade noch im mollig warmen Auto vor sich hin gedöst. So unsanft in die Kälte entlassen zu werden, damit hatte er nicht gerechnet.

Mycroft dagegen hatte seinen langen, schwarzen Mantel nicht einmal zugeknöpft, auch sein Schal lag mehr zur Dekoration denn als wirklicher Schutz um seinen Hals. Fast so, als mache ihm die Kälte gar nichts aus, die Greg bis in die Poren kroch.

„Zu viel auf einmal?“ fragte er und hob eine Augenbraue in nachdenklicher Geste. „Was meinen Sie damit?“

„Na, das“ und Greg deutete mit dem Daumen auf die Haustüre. „Ich war erst heut Morgen bei Sherlock, sieht das nicht verdächtig aus wenn ich jetzt hier aufkreuze und ihm von John erzähle?“

„Weshalb glauben Sie das?“ fragte Mycroft ungerührt und schaute auf seine Uhr. Ob der Politiker wirklich um diese Uhrzeit noch einen Termin hatte oder bloß einen auf Geschäftig machte, um nicht weiter über etwas diskutieren zu müssen, was in seiner Welt offenbar kinderlicht zu verstehen war, konnte der DI nicht sagen.

Langsam begann Greg von einem Bein auf das Andere zu hüpfen, denn die winterliche Kälte drang immer mehr auf ihn ein. Seinem Mund entwand sich beim Ausatmen eine große Wolke die in die kalte Nachtluft entschwand, und irgendwie löste dieses Bild in ihm den Wunsch nach einer Zigarette aus. An solchen Tagen, wenn so vieles auf ihn einprasselte, dann bereute er es auf Johns Drängen damals eingegangen und mit Sherlock das Rauchen aufgehört zu haben. Alles nur damit der Sturkopf mehr Ansporn bekam.
 

„Sie frieren, drinnen ist es wärmer“, schlug Mycroft vor und stieg in seinen Wagen.

Greg versuchte noch eine weitere Frage loszuwerden, trat auf die Limo zu in deren Inneren Mycroft gerade verschwunden war, doch kaum da er neben dem Auto stand, wurde ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Offenbar hatte Mycroft kein Interesse an weiterer Konversation. Es war auch nicht viel mehr nötig gewesen als diese unhöfliche Geste, um Gregory endlich zum Handeln an zu treiben. Er wandte sich zur Tür, die schwarze Limo nach wie vor aus den Augenwinkeln betrachtend. Gut, das Auto fuhr wenigstens nicht weg, was darauf schließen ließ, dass Mycroft auf ihn warten würde. Gewiss nicht seinetwegen oder weil er nett war und ihn zuhause absetzen wollte, nein, vielmehr um hinterher weitere Einzelheiten zu erfahren. Nicht nur das Mycroft davon ausging, dass Greg einen Plan hatte, er war auch dreist genug hinterher noch Meldung zu verlangen. Eine Tatsache die der DI schrecklich unhöflich fand und doch war es die typische Arroganz der Holmes die stets zu glauben schienen, alle anderen Menschen wären nur zu ihrem Vergnügen und als Personal mit ihnen hier auf Erden.
 

Brummend und irgendwie ziemlich unzufrieden mit der Situation entließ Greg das schwarze Auto aus seinem sachten Seitenblick. Ein Taxi fuhr vorbei und kurz flackerte etwas in seinem Geist auf, eine Frage, was der Politiker wohl tun würde, wenn er einfach eines der Taxis zu sich wank, einstieg und nach Hause fuhr. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als er daran dachte, und er versuchte sich für einen Augenblick vorzustellen, welch einen köstlichen Ausdruck Mycrofts Gesicht wohl zieren würde.

Eine kalte Windböe, welche ihm Eiskristalle wie spitze kleine Nadeln ins Gesicht wehte, ließ ihn seine Arme noch ärger um den Körper schlingen und erinnerte ihn brutal daran, warum er hier war.

Einen Moment lang starrte er die grüne Tür noch an, überlegend was er Sherlock sagen und wie er seine erneute Anwesenheit hier erklären sollte, läutete er an der Tür.
 

Im Gang roch es angenehm nach Bratäpfeln und Gregory fragte sich unwillkürlich, ob auch ein Mensch wie Sherlock diesen Duft mit dem nahenden Weihnachtsfest verband oder ob es so etwas in seiner Welt nicht mehr oder gar nie gegeben hatte? Er wusste zwar nichts über die Eltern oder die Kindheit der beiden Brüder, aber seiner Meinung nach musste die Mutter eine komische Person gewesen sein. Wenn man so ihre Kinder betrachtete, nur eine Mutter konnte derartige Schäden anrichten.

Vielleicht hatte es Weihnachten in dem Sinne – so wie es in seiner heilen kleinen Welt damals gefeiert worden war – im Hause der Familie Holmes gar nie gegeben? War Geborgenheit schon von Kindesbeinen an ein Fremdwort für die Zwei gewesen? Kinder, die um der Nachkommen und des Namens wegen da waren, aber für die keiner so recht Zeit aufbringen konnte? Würde die mangelnde Liebe erklären, die nicht nur zwischen den Geschwistern selbst herrschte, sondern auch in ihrem Ungang mit den Mitmenschen sichtbar wurde.
 

Gregory seufzte, als er oben vor Sherlocks Wohnungstüre stand. Das er stets nur schöne Erinnerungen an die Weihnachtsfeste und auch an die Vorweihnachtszeit besaß, lag vielleicht an den Augen der Kindheit, die noch Magie zu sehen vermochten, und denen der Zauber der Jahre ihren Stempel aufgedrückt hatte. Er schüttelte den Kopf, versuchte die Gedanken an vergangenes zu vertreiben und sich auf seien Aufgabe zu besinnen. Schließlich wusste er immer noch nicht was er Sherlock eigentlich sagen wollte.

Er klopfte trat ein und was der Hausgang schon an Weihnachtstimmung verbreitet hatte, wurde hier jäh beendet. Das Zimmer war schummrig, miefig und immer noch so unordentlich wie heute Morgen. Kein Zauber oder Weihnachtsduft lag hier in der Luft. Ob Sherlock überhaupt bemerkt hatte, mit welch großen Schritten sie der Weihnachtszeit entgegen gingen? Wahrscheinlich nicht. Sherlock schätzte die Zeit in der die Menschen um ihn her sentimental wurden und in Erinnerungen an leuchtende Kinderaugen schwelgten, überhaupt nicht.

Eigentlich war er stets bemüht dieser Stimmung zu entkommen, als sehne er nichts mehr herbei als den tristen Januar mit all dem immer größer werdenden Frust der Menschen – was bei den Bergen an Rechnungen die zum Jahresbeginn in die Häuser flatterten und dem stetig wachsenden Schneemengen – auch kein Wunder war.
 

Sherlock saß, die Beine an die Brust gezogen und die Arme darum geschlungen auf dem Sofa. Eine Position, die mehr als nur Zerbrechlichkeit ausstrahlte und Greg seine vorherige Frage verneinen ließ.

Sherlock war wohl nie in die Gunst des Weihnachtszaubers oder der Familiären Liebe dieser Stillen Zeit gekommen. Kein wunder also, dass er sich so schwer mit Gefühlen tat.

Doch Greg war nicht hier um Mitleid mit Sherlock zu haben, nein er war hier um dieser nach Nähe bettelnder Gestallt zu helfen.

Schmunzelnd ob der Tatsache, dass es wohl an der Weihnachtszeit und ihrer allgemein melancholischen Stimmung lag, die ihm solch sentimentales Zeug denken ließ. Nur gut das Sherlock zwar der Menschen Stimmungen lesen konnte, aber einer vorweihnachtlichen Rührseligkeit in so weit nichts abgewinnen konnte, um auch nur auf die naive Idee zu kommen, nach den Hintergründen zu fragen. Wahrscheinlich wäre er ihm auf ewig böse gewesen, hätte er gewusst wie Greg ihn hier in Gedanken bemitleidete.

Sentimentales Gedöns, Gregory schob es beiseite und ließ sich Sherlock gegenüber nieder.
 

„Mein Bruder wartet draußen auf dich, also was sollst du mir sagen?“ fragte er nicht unhöflich aber dennoch ohne jedweder Begeisterung in der Stimme.

„Ich soll dir gar nichts sagen…“ begann Greg und erntete ein verächtliches Schnauben.

„Ja, natürlich! Du warst erst heute Morgen hier, das und die Tatsache dass Mycroft samt Wagen noch unten park. Wie wahrscheinlich ist also deine freiwillige Anwesenheit hier?“

„Gering, glaube ich“, scherzte der Inspektor, genau so eine Reaktion hatte er ja befürchtet gehabt. „Ist doch egal oder, ich bin hier und…“

„Und in sentimentaler – lass mich raten – Vorweihnachtsstimmung und damit kannst du jemand anderem auf die Nerven gehen! Mycroft zum Beispiel. Der kann damit noch weniger anfangen als ich, hätte aber eine große Portion davon verdient. Also lass mich alleine und erdrücke ihn unter all dem menschlichen Ballast den ihr Weihnachtsstimmung nennt!“

Den letzten Teil hatte Sherlock sehr ruhig und mit so viel Kälte in der Stimme gesprochen, dass Lestrade seine gute Stimmung damit fast abhanden gekommen wäre. Schnell sammelte er sich wieder, wusste er doch was Sherlock quäle und immerhin war er genau deshalb hier, um dem Abhilfe zu schaffen.
 

„Ich bin nicht wegen Mycroft hier, nicht auf Wunsch oder Bitte und gewiss nicht um dich zu überwachen oder etwas derartiges. Ich spioniere nicht für ihn. Nein, vielmehr komm ich, um eine gute Nachricht zu überbringen.“

„Hmm“ gab Sherlock gelangweilt von sich, „bist du unter die Gläubigen gegangen, dass du die frohe Kunde über die baldige Geburt unseres Erlösers verbreitest?“

Erst musste Greg nachdenken, war das, was Sherlock sagte doch nicht annähernd das, was er erwartet hatte, doch dann begann er zu lachen.

„Gut, auch wenn es nur Sarkasmus ist. Du wirst schön langsam wieder der alte.“

„Hmm“, kam es erneut und nicht gerade zustimmend von dem Lockenkopf der sich jetzt in einer bequemen Position auf das Sofa legte und seinen Gegenüber zu ignorieren begann.

„Ich war bei John.“

Schon hatte sich Greg die volle Aufmerksamkeit des Detektivs wieder erworben.

„Er…“ kurz stockte Greg um zu überlegen, „er hat mich zufällig angerufen“, log er. „Wollte mir was Tolles zeigen und glaub mir, es war eine herrliche Überraschung! Er macht Vorschritte, er kann sein Bein wieder bewegen! Zwar noch nicht gehen, aber immerhin es geht aufwärts! Oh du hättest ihn sehen müssen, er war so glücklich und zufrieden mit sich selbst! Ein vorzeitiges Weihnachtswunder! Ach, wenn einen so was nicht in melancholische Stimmung versetzen darf, was dann?“
 

Gefühle waren schon immer eine Sache gewesen, derer sich Sherlock nie sicher gefühlt hatte. Hätte man ihn gebeten zu beschreiben was er in diesem Augenblick gefühlt hatte, er wäre nicht im Stande gewesen auch nur eine vage – wissenschaftliche – Beschreibung abzugeben. Alles in ihm schien in Aufruhr, fast als ob etwas von ihnen nach außen brechen wollte. Ein reges Durcheinander an Gefühlen, ein solch breit gefächertes Spektrum verschiedenster Empfindungen hatte er noch nie durchlebt! Und über all den verschiedenen Gefühlen, verwirrt und begeistert zugleich von dem Sturm der gerade in ihm tobte, erhellte sich auch sein Gesicht.
 

„Na?“ fragte Greg mit einem schlecht unterdrückten Lachen in der Stimme. „Hat dich der Zauber der Vorweihnachtszeit auch endlich erreicht? So wie du aussiehst…“ seine Stimme wurde ruhiger, das Lachen verschwand daraus und er sah Sherlock ernst, aber glücklich an. „So wie du jetzt aussiehst, so hab ich dich noch nie gesehen.“

„Ich bin…“ glücklich, überwältigt, ja so etwas wollte er sagen doch er brachte es nicht über sich. Das er in der Lage war sich so für John zu freuen…das war wirklich etwas Besonderes. Noch nie hatte er so viele Gefühle für einen Menschen gehabt, dass dessen Glück ihm so viel schenkte, als wäre es das seine.
 

„Sherlock“, begann Gregory ruhig und berührte den Arm des Detektivs. Er hatte das Gefühl ihn jetzt einfach berühren zu müssen, ihn vor dem Strudel an Empfindungen zu retten, in dem er gefangen schien.

„Sherlock bitte, zu sehen was für eine enorme Freude dir diese Aussage bereitet ist der letzte und endgültige Beweis. Du brauchst John! Lass ihn wieder Teil deines Lebens werden, er wartet nur darauf. Geh zu ihm, entschuldige dich und alles wird wieder gut, so wie früher. Nein, halt, nicht wie früher, besser! Ich verspreche dir, es wird so viel besser werden. Du glaubst gar nicht was nach einer ernst gemeinten Entschuldigung noch alles auf dich wartet!
 

Das Hochgefühl dieses Stimmungskarussells verschwand so jäh, wie es gekommen war.

Sherlock verkroch sich hinter seiner Emotionslosigkeit, versuchte wieder Herr seiner Sinne zu werden und alle Gefühle zu unterdrücken bis auf das Minimum. Die ernste Maske des Genies übermalte seine gerade noch vor Freude erhellten Gesichtszüge und brachte den rationalen Sherlock zurück.
 

Gregory sah den Umschwung in der Stimmung und auch seine gute Laune verlor sich haltlos und ließ ihn mit dem unangenehmen Gefühl gefallen zu sein, zurück.

„Was ist?“ fragte er vorsichtig. Er hatte wirklich geglaubt seinen letzten Trumpf gar nicht erst ausspielen zu müssen. Ja er hatte wirklich geglaubt – nicht nur gehofft, sondern fest geglaubt – das Sherlock diese gute Nachricht endgültig zu John treiben würde. War denn einen Entschuldigung wirklich nicht machbar? War der Schatten zu hoch, als das man einmal darüber springen konnte? Sicher nicht, schließlich kannte er Sherlocks sehnen, warum also sein Zögern?

„Du meinst ich sollte mich einfach entschuldigen?“ fragte er vorsichtig, stockend als spräche er etwas Vulgäres aus, dessen er sich jetzt schon schämte.

Fast hätte Greg gelacht, war es doch, so schien es ihm, nur Sherlocks Unsicherheit die die Stimmung trübte. Doch nein, nein, tief in den unergründlichen Weiten dieser grauen Augen lag noch mehr, ein Schatten, ein Kummer der nicht so einfach zu erklären war. Etwas, das er noch nicht verstanden hatte aber schwer auf der Seele des jüngeren Freundes lastete.

„Was ist los? Glaubst du…“ er unterbrach sich kurz, setzte sich aufrechter hin und fuhr sich ganz unbewusst einmal mit der Hand durch seine Haare. „Denkst du etwa er würde dir nicht verzeihen?“

„Es kann mir nicht verzeihen, denn für das was ich getan habe gibt es einfach keine Entschuldigung. Ich hab es versucht, wirklich! Hab mir Gedanken gemacht, in mich gehorcht wie du es mir einst vorgeschlagen hast und doch komm ich zu keinem Ergebnis.“

„Aber“ Greg stockte, „das ist doch albern!“ schimpfte er.

„Albern sagst du? Vielleicht hast du Recht, John ist ein Idiot, er würde mir vergeben ohne zu wissen was er damit alles falsch macht. Klar kann ich mich für die Schmerzen entschuldigen, für die Körperlichen wie auch die seelischen Wunden die ich ihm, bewusst und unbewusst zugefügt habe, doch das würde nichts ändern.“

Greg überlegte, was meinte Sherlock nur?

„Natürlich würde das etwas ändern, das wäre ein erster Schritt, verstehst du denn nicht…?“ jetzt war es an Sherlock ihn zu unterbrechen und das nicht minder leise. Aufgebracht dröhnte seine Stimme durch den Raum.

„Du verstehst nicht! Alles, all das konnte nur passieren weil ich John kein guter Freund war. Wäre ich der Freund gewesen den er verdient hätte, dann wäre…ich…“ Er hielt inne, sammelte sich und sprach weiter ehe Greg ihm dazwischen gehen konnte. „Hätte ich getan was meine Pflicht war, hätte John gepflegt wie es der Anstand verlangte, dann wäre ich bei ihm gewesen. Es wäre nie zu der Geiselnahme gekommen, wäre ich nur an seiner Seite gewesen wie ich es versprochen hatte. Und warum war ich nicht dort, weil ich den Kitzel der Jagt verspürt hatte, weil ich nicht auf mir sitzen lassen wollte das so ein Niemand wie Peters mir – Sherlock Holmes – entkommen konnte! Ich war wie besessen von diesem Spiel und ja, es war ein Spiel für mich und es wird auch immer ein Spiel bleiben. Solang ich alleine bin, kann ich es nach meinen Wünschen gestalten weil ich keine unbekannten Faktoren mit einplanen muss. Doch meine Gefühle trübten schon damals mein Urteilsvermögen, ich hab mich in die Sache verrannt, weil ich um jeden Preis gewinnen wollte!“
 

Er schwieg, ließ den Wutausbruch in Gregs Gedanken widerhallen wie ein unerwünschtes Echo, das einen immer und immer dieselbe Absurdität zurief.

Ja, da war er der unverkennbare Beweiß dass die Brüder wenigstens dies eine Verband. Ihr Spieltrieb. In der Kindheit nicht zur Gänze ausgelebt, blockiert und vertrieben von Pflichten und erzwungenem Fleiß. Sie hassten es zu verlieren. Sie spielten Spiele und in ihren Augen gab es nur Gewinner oder Verlierer. Keiner von beiden konnte sehen, dass es auch Spiele gab in deinen alle verloren. War ihnen das in ihrer Weißheit nie gekommen? Gerade würde keiner gewinnen und jeder würde als Verlierer das Feld verlassen.
 

„Worauf willst du hinaus?“ fragte Lestrade bemüht ruhig. „Glaubst du John kennt dich nicht gut genug um zu wissen wie du bist? Er wird dir vergeben weil er es versteht. Er versteht warum du hinter Peters herjagen musstest. Davor brauchst du dich nicht zu fürchten, er wird es verstehen.“ Greg sprach seine Worte mit so viel Überzeugung im Ton, das Sherlock ihn unwillkürlich ansehen musste. Sein Blick riss sich vom Teppich los, suchte den des DI und brannte sich in dessen Augen.
 

„Ich war nicht für John da“, sprach er langsam und behutsam. „Verstehst du, ich hätte für ihn da sein sollen und nicht bloß so tun als ob.“

„Natürlich und diese Einsicht ist etwas Wunderbares!“ wurde er gelobt. „John wird sich freuen wenn er das alles so aus deinem Munde hört. Zeigt es doch wie viel er dir bedeutet.“

„Es ändert nichts“ beharrte Sherlock. „Weil die Menschen sich nicht ändern. Verstehst du? Ich kann mich nicht ändern, ich werde mich nicht ändern. Ich bin so wie ich bin, ein Kind der Umstände. Meinen Lebensweg, meine berufliche Bestimmung hab ich ganz alleine Gefunden und das hat es einfach für mich gemacht. Ich musste keine Rücksicht nehmen über nichts zweimal nachdenken. Das wird auch immer so sein, denn die Fälle werden sich nicht ändern. Sie werden nach wie vor meine Gedanken einnehmen und ganz egal was John mir auch bedeutet, sie werden ihn fasenweiße verdrängen. Es wird Dinge geben die ich wichtiger finde, und über ihn stellen werde. So bin ich nun mal, der weltweit einzige Consulting Detective.“

„Du musst nicht eine Hälfte von dir Aufgeben nur um eine andere zu bekommen“, sagte Greg bestimmt und ließ seinen Blick nicht los. „Plane John in Zukunft mit ein, sei offener und halte ihn nicht für dumm. Er kann selbstständig denken und handeln. Bisher war er eine art Gehilfe von dir, mach ihn zu deinem Partner. Selbstredend wird sich etwas in deiner Welt verändern, aber nur zum bessern.“

„Es geht hier nicht um mich“, versicherte ihm Sherlock. „Meine Bedenken betreffen alle John. Er wird niemals den Freund in mir haben, den er verdient hätte. Selbst wenn er bereit ist über meine Fehler hinweg zu sehen, ich vermag dies nicht mehr. Sie liegen alle so klar vor meinen Augen, jeder einzelne davon und wenn John erst wieder Teil meines Lebens ist, werden noch viele folgen. Ich bin kein guter Freund, nicht mal ein besonders guter Mensch.“

„Ja“, Greg zog das Wort wie Kaugummi in eine unnötige Länge. Er wirkte gelangweilt. „Du wiederholst dich, wir wissen wie und wer du bist, auch John! Und ja, du bist kein besonders guter Mensch, John wird dir auch dabei helfen, denn er macht dich menschlicher.

Er vermisst dich, du ihn, kannst du es nicht einfach damit gut sein lassen? Das reicht doch fürs erste und niemand, ich wiederhole, niemand will das du dich änderst. Die kleinen Dinge verändern sich sowieso von ganz allein, weil die Liebe das Leben immer ändert. Kleine Dinge, Sherlock, gib den kleinen Dingen eine Chance und sie werden von selber größer. Du hast einer Beziehung bisher nie die Chance gegeben, nur daher kommt deine Unsicherheit. Lass dich darauf ein, das ist mein letzter Rat an dich.“
 

Gregory erhob sich, Mantel und Schal hatte er diesmal gar nicht abgelegt und nun schwitzte er leicht, war froh, die warme Wohnung bald hinter sich lassen zu können. Die ganze Situation ermüdete ihn. Er wollte nach hause, seine Füße hoch legen, etwas Essen und dann unter zu Hilfenahme des langweiligen Fernsehprogramms einschlafen.
 

Sherlock wirkte nachdenklich. „Würde eine SMS genügen?“

Greg hielt in seiner Bewegung inne und überlegte. „Genügen, für was?“

„Als Entschuldigung.“

Gregory sah ihn vernichtend an, „nicht dein Ernst oder?“

Sherlock erkannte das als Verneinung und schwieg wieder.

„Also muss ich zu John?“

„Müssen nicht, aber sonst war alles, jedes Gespräch, umsonst.“ Greg seufzte theatralisch.

„Was soll ich ihm sagen?“

„Die Wahrheit, erzähl was du mir gesagt hast. Das ist nicht der überdeutlichste Gefühlsausbruch, aber genau das was John möchte. Glaub mir.“

„Es ist wirklich alles meine Schuld, nicht wahr?“

„Du hast ihn verletzt und damit spiel ich nicht auf die Schusswunde an. Entschuldige dich doch einfach, so schwer ist das nicht!“ Langsam war seine Geduld aufgebraucht. Warum kauten sie das alles schon wieder durch? Was war nicht klar an einem >entschuldige dich<?

Langsam, kaum merklich nickte Sherlock.

„Ich werde mich entschuldigen, ich glaub ich hab endlich die richtigen Worte gefunden.“

Lestrades Miene erhellte sich, das war eine gute Nachricht, trotzdem war ein dezenter Schups in die richtige Richtung nicht verkehrt und schließlich hatte er genau das mit John besprochen.

„Das ist wunderbar! Ach noch eine Kleinigkeit, bring ihm ein Geschenk mit, nichts großes, das gehört sich so wenn man einen Kranken besucht.“

Irritiert sah Sherlock ihn an. „Sicher?“

„Ja, ganz sicher. Wie wäre es mit Blumen?“

„Wie dumm, wie einfach, wie langweilig“, kommentierte er und herausfordernd blitzte es in seinen hellen Augen auf, als er Greg ansah.

Greg, der nur auf diesen Augenblick gewartet hatte, konterte.

„Aber John mag Blumen, er freut sich immer über die Sträuße, die ihm diese hübsche Pflegerin ins Zimmer bringt.“

Misstrauen überfiel Sherlock, trübt das Funkeln der Herausforderung in den unergründlichen Augen.

„Was für eine Pflegerin?“

Greg zuck die Achseln, „irgendeine halt, sie ist für ihn zuständig. Sehr nett und wirklich was fürs Auge. John mag sie. Es ist wirklich schön zusehen das er in ihr eine Stütze für seine schwere Aufgabe gefunden hat. Die beide gehen regelmäßig zusammen spazieren und wenn John nicht raus kann, dann bringt sie ihm Blumen mit und darüber freut er sich immer sehr.“

Gut, das entsprach alles nicht ganz der Wahrheit, aber das musste Sherlock ja nicht wissen. Es reichte völlig, wenn die Worte ihre gewünschte Wirkung tun würden. Und das taten sie.

Man konnte sehen, wie Sherlock diese Tatsache quer im Magen lag. Der sonst so gelassene und beherrschte Detektiv dem nie die Gesichtszüge entglitten, war heute genauso deutlich zu lesen wie all die anderen Menschen, die er stets ob ihrer Menschlichkeit zu verachten bereit war.

Der Plan war aufgegangen!

Eine Weile beobachtete Gregory ihn stumm, wie er da nachdenklich, die Hand am Kinn auf dem Sofa saß und sich sein Blick ins Leere richtete. Dann erhob sich Sherlock, verließ das Wohnzimmer und betrat sein Schlafzimmer. Greg hörte ihn sogleich hantieren.

„Was machst du?“ fragte er etwas lauter um im Nebenzimmer gehört zu werden.
 

Sherlock war bereit. Noch nie war eine Aufgabe klarer vor seinen Augen gelegen als diese hier. Er wusste was zu tun war und wenn alles gut ging, dann würde er gewinnen! Ja, seine einzige Obsession war der Sieg. Er würde John zurückholen und ihn dann besitzen! Gut, das war ein großes Wort doch gerade war ihm das egal. John würde ihm gehören, nur ihm. Er würde ihn nie wieder hergeben, geschweige denn mit jemand anderem Teilen.

Ja, wenn John seine Entschuldigung annehmen würde, dann konnte er ihn besitzen, ganz und gar. Eine unsagbare Vorfreude erfüllte ihn, als läge ein besonders kniffliger Fall vor ihm. Doch da war noch mehr, wieder diese Begierde wie er sie nur für John empfand. Er hatte seine Erfahrungen einst mit naiven Mädchen und notgeilen Jungs gesammelt, Lust war ihm nie fremd gewesen, auch wenn er sie strikt zu kontrollieren verstand. Niemals wäre er seinen Trieben blindlings gefolgt oder hätte ihnen gar die Oberhand gelassen. Nein, so viel Kontrolle wollte er niemals opfern, stets musste der Geist über die Gefühle obsiegen, denn wer wäre er denn würde er sich von seinen niedersten Instinkten leiten lassen? Nur ein weiterer einfacher Mensch, ein dummer Niemand.

Doch John hatte das Blatt gewendet, hatte ihn verändert.

„Er tut dir gut“, hatte Mycroft zu ihm gesagt.

„Er macht dich menschlicher“, war Lestrades Meinung und er gab den beiden jetzt Recht.

John Watson hatte ihn verändert, auch wenn es eine Weile gedauert hatte zu verstehen und zu akzeptieren wusste er doch seit der Trennung von John, dass es keinen Weg zurück mehr gab. Wenn er weiter wollte, dann konnte er nur nach vorne gehen und er hatte nie vorgehabt stehen zu bleiben. Nur würde dieser Weg ohne John keinen Sinn ergeben, auch wenn dieser in ihm so viele seiner Schwächen hervorrief, so war er auch stets ein Quell der Stärke und sein stärkster Halt gewesen.

Der einzige Mensch den er um sich geduldet hatte und den er jetzt mit einer Intensität vermisste, die er sich selbst nie zugetraut hätte. Dabei war es nicht bloß heiße Begierde die ihn durchlief, wenn er an John dachte, sondern dieser natürliche Trieb wurde gemischt, ja schon fast überlagert von diesem Gefühl das nur Liebe sein konnte.
 

Sherlock hatte sich selbst die Gedanken an eine Beziehung zu John verboten. Weder freundschaftlich noch tiefer gehend, wollte er doch nicht noch mehr Kummer über sich bringen indem er unerreichbaren Fantasien nach hing, doch jetzt, jetzt wusste er das eine Möglichkeit auf beides bestand und schon waren die Bilder mit den dazugehörenden Gefühle nicht mehr aufzuhalten! Die Vorstellung John berühren zu können, ihn küssen zu dürfen wann immer ihm danach war. Bei ihm sein, sich an ihn klammern, einmal John den stärkeren sein und sich einfach nur halten lassen. Geborgenheit genießen und sich dann mit John vereinigen, in heißen Nächten gezeichnet von Leidenschaft und Gefühlen gleichermaßen. Wie es wohl war auf diese Art zu empfinden? Fast beängstigte ihn die Flut all dieser Vorstellungen. John musste einfach genauso fühlen! Und wenn dem so war dann würde er die Chance auf eine Beziehung gewiss ergreifen! Doch selbst wenn nicht, er würde ihn nicht dieser Frau überlassen! Er gehörte ihm! Ihm ganz allein und jetzt würde er den Grundstein dafür legen!
 

Von solcher Aufregung durchzogen schien sein ganzer Körper zu vibrieren, ja fast zu beben als wäre es ihm nicht möglich länger still zu halten, durchzogen von einer schreckliche Rastlosigkeit und dabei merkte er kaum, dass Greg an ihn heran getreten war.

„Was tust du da?“ fragte er erneut.

Mit einem Ruck drehte sich Sherlock zu ihm um, sein feuriger Blick loderte regelrecht und entfachte schlagartig auch ein Feuer der Begeisterung in Greg. Endlich war es soweit!

„Ich packe!“ rief Sherlock beschwingt und voller Tatendrang. „Wonach sieht es denn sonst aus? Ich packe und fahre zu John!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  knoedelchen
2013-06-25T11:09:27+00:00 25.06.2013 13:09
Grad deine ganze Fanfiction in einem Schwung gelesen und ich muss sagen mir hat sie sehr gefallen :)
Einige Rechtschreibfehler waren zwar vorhanden aber sie wurden von Kapitel zu Kapitel weniger (stört mich eig nicht, nur wenn sie zu Verwechselungen führen wie Arme statt Armee :D). Ich bin sehr gespannt wie Sherlock nun auf John trifft und wie es weiter geht mit den beiden <3
Liebe Grüße
ein begeisteter Leser
Von:  Verath
2013-04-09T21:15:57+00:00 09.04.2013 23:15
Oh, endlich! Endlich sieht Sherlock es ein und will zu John, um alles zwischen ihnen in Ordnung zu bringen!
Ich freue mich tierisch auf das nächste Kapitel und kann es kaum erwarten ;)
Von:  toru-san
2013-03-21T10:13:45+00:00 21.03.2013 11:13
Och, noch kein neues Kapitel da??? Schreib schnell weiter. Bitte, bitte, bitte, bitte!!!
Toru
Von:  toru-san
2013-02-09T13:29:16+00:00 09.02.2013 14:29
Hehe. Das Kapitel gefällt mir sehr. Schön, dass Greg noch diesen Trumpf in der Hinterhand ausgepackt hat und damit Sherlock aus der Reserve gelockt hat. Und das Verhalten von Mycroft ist auch so schön passend. In seinem warmen, schwarzen Auto.. Grins!

Also schnell weiter. Will unbedingt wissen, ob Sherlock so eine "normale" Entschuldigung hinbekommt oder sich durch die Gefühle verzettelt. Und ob John ihn trotzdem versteht. ^^

Liebe Grüße toru
Von:  BlackWolfMika
2013-01-16T00:33:22+00:00 16.01.2013 01:33
Oh mein Gott! Oh mein Gott!!
Ein neues Kapitel!!!!!!!!!!!!
*freu*
*herum spring*
*sofort les*
*es zum 20 mal verschlungen hab*
Okay, ich denke ich lotte jetzt endlich ein Kommentar hinterlassen!!!
Oh my god!!!!!!
Ich liebe dieses Kapitel!
Ich liebe diese wilde Flamme die gerade in Sherlock entzündet wurde!!!
Was für eine geniale Idee.
Aber es stimmt Sherlock und die Frauen von John, das war ja schon immer so eine Sache und ihn damit den Arsch hoch bekommen zulassen, ist das Beste überhaupt.
Okay, deine Story wollte ich eh schon gerne als Folge mit den Schaupielern sehen, aber ab jetzt noch mehr und noch dringlicher!!!
Oh mein man ich will sehrn wie das Feuer in den augen lodert und wie Sherlock zu John aufbricht und sie......
Oh nein ich male es mir noch nicht aus!
Ich will es lesen!!!!
Bitte, bitte schreib schnell weiter!!!!
Ich vergehe hier sonst noch!!
Sorry, das ist zwar etwas egoistisch, aber ich denke du verstehst was ich meine!!!
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel!!
So ich werde dann noch weitere Male lesen wie das Feuer entfacht wird!
*grins*
Von:  Sisilia11
2013-01-15T22:02:13+00:00 15.01.2013 23:02
Schön wie immer; es wurde auch langsam Zeit, dass Sherlock Einsicht zeigt und seinen Hintern in Bewegung setzt!!! Bin gespannt auf das nächste Kapitel.
LG
Sisilia

Von:  Nara-san
2013-01-15T15:43:29+00:00 15.01.2013 16:43
Wahaha! ^^ Endlich hat er es eingesehen und fährt zu John! x3
Und die Story mit der Pflegerin war wirklich brilliant! xD


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