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Bitte bleib bei mir!

BBC Sherlock
von

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Mein Freund und Helfer?

23.

Mein Freund und Helfer?
 

„Guten Tag, Mrs. Hudson.“ Gregory grüßte freundlich, stellte seinen Regenschirm neben der Tür ab und deutete nach oben.

„Ist er da?“

Die gute Mrs. Hudson sah recht mitgenommen aus und wirkte ziemlich aufgelöst.

„Oh ich wünschte er würde die Wohnung mal verlassen“, sagte sie matt. „Er ist seit Tagen da oben! Hin und wieder koche ich etwas für ihn damit er wenigstens isst, aber reden will er mit mir nicht mehr. Ich glaube er ist mir noch böse“, flüsterte sie leise und sah besorgt zur Treppe. Ihr ganzes Verhalten wirkte auf den Inspektor fast so, als hätte sich die nette Dame etwas zu Schulden kommen lassen. „Ich hab seinen Bruder hier her gebeten“, sprach sie weiter, also ob sie Gregs Gedanken erahnt hätte, „Ich dachte er könnte ihm helfen, doch seit diesem Zusammentreffen ist alles noch schlimmer geworden.“ Sie hob die Hände und machte eine hilflose Geste.

Das war allerdings eine Tatsache, die Greg schon aus dem Telefonat mit dem älteren der beiden Holmes Brüder hatte heraushören können. Auch wenn es ihm nicht bewusst gewesen war, dass Mrs. Hudson dieses unglückliche Aufeinandertreffen eingefädelt hatte. Aber über das Treffen war er informiert worden und somit auch in einige Details eingeweiht. Mycroft Holmes machte sich jedoch seit diesem Besuch nur noch mehr Sorgen um seinen Bruder und hatte deshalb ihn auf den Plan gerufen. Und hier stand er nun, Detektiv Inspektor Gregory Lestrade, als letzte noch übrig gebliebene Vertrauensperson oblag nun ihm die fragwürdige Ehre mit Sherlock zu reden. Nicht das er sich viel davon versprach. Nein, Sherlock würde wahrscheinlich gar nicht mit ihm reden, er würde ihn höchstens anschreien oder – wenn er glück hatte – einfach gänzlich ignorieren. Greg wusste wirklich nicht, wie er hier helfen sollte. Andererseits stand er dem Dickkopf Sherlock in Sachen Sturheit in nichts nach und er kannte Sherlock mittlerweile lang genug, um ihn ein wenig einigermaßen zu können. Nun, er hatte Mycroft versprochen es wenigstens zu versuchen.

„Ich geh dann einfach mal rauf und seh nach ihm“, schlug Greg vor, verabschiedete sich von der gutherzigen Vermieterin und erklomm die 17 Stufen.
 

Wie es die Höflichkeit ihm gebot, klopfte er an. Wie erwartet erhielt er keine Einladung einzutreten und verschaffte sich nach kurzem Warten selbst Einlasse.

Der Raum war abgedunkelt, der schwere Stoff der Vorhänge verdeckte die Fenster und sperrte den kläglichen Rest Tageslicht aus, der es durch die dicken Regenwolken bis nach London schaffte. Die Luft im Zimmer roch verbraucht, so als hätte sich schon lange keiner mehr die Mühe gemacht zu lüften.

Kaum hatten sich seine Augen an das Zwielicht gewöhnt, erkannte er die reglose Gestallt von Sherlock Holmes auf der Couch. Er lag mit dem Gesicht zur Rückenlehne, die Beine leicht angewinkelt und die Arme an die Brust gezogen da.

Greg unterdrückte ein Seufzen, zog seinen vom Regen durchnässten Mantel aus und hängte ihn auf. Dann kam er leise auf Sherlock zu, von dem er immer noch nicht wusste, ob er wirklich schlief.

„Sherlock?“ fragte er vorsichtig und setzte sich in einen Sessel. „Sherlock?“

Ihm wurde nicht geantwortet und die angesprochene Gestallt rührte sich auch keinen Millimeter. Schlief er wirklich oder war das nur Taktik? Greg wusste über welch außergewöhnlich guten Gehörsinn der Consulting Detective verfügte und die Türklingel war hier oben nicht einmal schwer zu hören. Selbst wenn er aus dem kurzen und recht leisen Gespräch nicht auf den Besucher hatte schließen können, so wäre ihm doch spätestens bei der dritten – leicht knarrenden – Treppenstufe klar gewesen, dass der Besucher zu ihm wollte. Was war leichter als sich abzuwenden und schlafend zu stellen? Gut, wenn Sherlock Spielchen spielen wollte, dann bitte.
 

„Mir egal ob du schläft oder nicht, ich bleib hier sitzen und warte. Draußen gießt es in Strömen, ich hab’s nicht eilig da wieder raus zu kommen.“

Für die nächsten Minuten saß der DI einfach nur da, trommelte mit den Fingern eine Melodie auf der Armlehne des Sessels und sah sich um. Dann erhob er sich gelangweilt und schritt durch den Raum. Verursachte hier und da ein Geräusch, ganz in der Hoffnung Sherlocks Neugierde damit zu wecken. Der hasste es nämlich wenn man an seine Sachen ging, oder – der Himmel bewahre – etwas durcheinander brachte was keiner offenkundigen Ordnung entsprach, aber laut Aussage doch einem System folgte. Doch auch damit erzielte er keine Reaktion. Erst als er nach weiterem warten beschloss, seinen Trumpf auszuspielen, gewann er diese Runde. Mit einer fließenden Handbewegung öffnete er die Vorhänge und ließ den Tag herein.

Sherlock akzeptierte offensichtlich seine Niederlage, denn er setzte sich ruckartig auf und funkelte den DI böse an. Der trug ein siegreiches Lächeln zur schau und setzte sich wieder zu Sherlock.

„Morgen, oder besser gesagt, Mittag.“

„Was willst du?“ fragte Sherlock barsch und sah bedauernd zu den nunmehr geöffneten Fenstern. Kurz blinzelte er gegen das helle Licht und versuchte weiterhin Gregory zu ignoriere. Eine Taktik die fehlschlagen würde, soviel stand fest. Lestrade fehlte zwar jedes deduktive Gespür, aber wenn er erst einmal an einen Fall – und jetzt gerade eben an Sherlock – dran war, dann war dieser Mann überraschend hartnäckig. Die einzige, wirklich bewundernswerte Eigenschaft die er besaß, zumindest laut Sherlocks Meinung.
 

„Dein Bruder schickt mich“, begann Gregory ehrlich, um seinem verschlossenen Freund Offenheit zu demonstrieren. Vielleicht würde sich dieser dann auch aufrichtiger ihm gegenüber verhalten. Außerdem war die schlanke Gestallt hier neben ihm stets scharfsinnig genug und wusste sicher längst, dass der Besucht des DI dem Drängen des großen Bruders geschuldet war.

Abfällig schnaubte Sherlock, offenbar sagte ihm Greg hier wirklich nichts Neues und dennoch tat er gerne seine Wut kund. Immerhin ging es hier um Mycroft, den Störenfried Nummer 1 in Sherlocks Leben. „Ich hab meinen Bruder aus gutem Grund rausgeworfen“, stellte er klar und winkte sprichwörtlich mit dem Zaunpfahl.

„Ja, er hat mir davon erzählt.“ Greg hatte allerdings nicht vor sich rauswerfen zu lassen, denn er hatte den Seitenhieb sehr wohl verstanden.

Sherlock murmelte etwas vor sich hin. Offenbar unzufrieden damit, dass Mycroft alles gleich brühwarm dem DI hatte erzählen müssen. Es war eine Sache dass sein großer Bruder ihn durchschauen konnte, eine Andere diese auf eben jenem Weg gesammelten Informationen gleich an dritte weiterzugeben, die nichts mit der ganzen Sache zu tun hatten.

„Mir ist klar, dass dir das alles unangenehm ist, aber glaub mir nur eines, keiner von uns meint es schlecht mir dir und wir machen uns nur Sorgen.“

„Es gibt keinen Grund zur Sorge, das hab ich auch schon Mycroft versichert. Gut, gerade ist kein interessanter Fall in Aussicht und deshalb verbringe ich zu viel Zeit mit nichts tun, aber ich bin weit davon entfernt auch nur über Drogen nachzudenken.“

„Nun, das zu hören ist schon mal ein Anfang. Trotzdem kann es so nicht weitergehen! Du isst kaum, Schlaf bekommst du nach den dunklen Ringen unter deinen Augen zu urteilen auch nicht genug und nach einer so schweren Trennung sollte man nicht immer allein sein.“

Wütend verschränkte Sherlock seine Arme vor der Brust und sah Greg mit durchdringendem Blick an. „Was heißt hier Trennung? John und ich waren kein Paar dessen Beziehung zerbrochen ist! Unsere Wege hab sich lediglich getrennt, so etwas kommt vor.“

„Tu nicht so, nicht mir gegenüber, bitte.“ Greg sprach sanft, fast so als wollte er ein verängstigtes Kind trösten. „Vor mir musst du nicht den Gefühlskalten spielen, das hatten wir alles schon. Ich weiß es besser, also lass es.“

Stille senkte sich über sie, Greg wusste beim besten Willen nicht, in welche Richtung er dieses Gespräch lenken sollte, wo doch jeder Weg der falsche – also ein Wutausbruch von Sherlock – sein könnte.

„Mycroft hat mir erzählt weswegen du John…also warum…“ sollte er es direkt aussprechen oder war es taktisch klüger dem dünnen Eis, auf welchem er zu stehen glaubte, keinen verbalen Kratzer zuzufügen? „Nun auf jeden Fall hat mir Mycroft alles erzählt und ich glaub dir das nicht. John zu beschützen indem du ihn von dir stößt, das ist Unfug, hab ich recht?“ Er betete die Eisdecke möge das Gewicht dieser Aussage tragen.

„Nein, es ist wirklich das Beste für ihn. Er wollte doch immer ein normales Leben, so was mit Frau und Kind. Bitte, jetzt kann er das haben.“ Sherlocks Stimme wirkte zwar trotzig, jedoch blieb der befürchtete Wutausbruch aus.

Gut, erster Punkt abgehakt ohne durch die Eisdecke ins kalte Wasser zu brechen, Greg beschloss zum Angriff über zu gehen.

„Oh komm schon, das glaub ich dir jetzt nicht! Ich erinnere mich noch gut an das Gespräch zwischen uns, das in meinem Büro. Und was du mir damals für einen Vortrag gehalten hast! So was von wegen du willst nicht das er geht, du möchtest ihn immer bei dir haben!“ zählte Gregory auf.

Sherlock wollte ihn unterbrechen, aber der DI ließ sich nicht stoppen. „Du hast von einer Anziehung gesprochen, von körperlicher Begierde die dir zu unterdrücken in seiner Gegenwart immer schwerer fällt. Außerdem wolltest du ihn doch keiner Frau überlassen, oder irre ich mich da? Und jetzt wünscht du John plötzlich dass er eine Frau findet mit der er zusammenbleiben will?“

Sherlock schluckte trocken, aber mit jedem Wort das Gregory über die Lippen kam, wurde nicht nur seine Wut auf Mycroft – der alles verraten hatte – und auf Greg immer größer, – der einfach nicht aufhören konnte – sondern auch die Wut auf sich selbst. Verzweiflung griff wieder nach ihm, ließ ihn schwindlig werden. Schließlich stimmte alles was Greg hier sagte, er wollte John, begehrte ihn und konnte ihn doch nicht haben! Warum hielt man ihm vor, was er eh schon wusste? Das brachte nichts!

„Verdammt, ich weiß was ich gesagt habe!“ kam er Lestrades nächstem Redeschwall zuvor. Dieser klappte den vor erstaunen und zum Protest geöffneten Mund nun wieder zu und sah den vor Wut bebenden Sherlock an.

„Ich weiß das auch alles, aber ich kann…ich kann nicht. Es ging nicht! Nicht mehr, okay?“

„Das…“ Greg versuchte wieder zu sprechen, den nach diesem Geständnis in sich zusammen gesunkenen Sherlock irgendwie wieder aufzubauen, doch der ließ ihn noch immer nicht zu Wort kommen.

„Das John weg ist, ist gut für uns beide. Zusammen wären wir beide gefangen gewesen. Weil ich ihm jede Frau vergrault hätte und er trotzdem nie aufgehört hätte sie zusehen, anstatt mich! Ja es ist schwer, ja ich vermisse ihn, aber lieber jetzt als dann wenn alles in Trümmern liegt. So können wir uns beide aufrappeln, wieder zu uns selbst finden und unsere Leben getrennt und befreit wieder aufnahmen.“

„John wollte nie ein Leben getrennt von dir! Er wollte hier sein, hier bei dir in der Baker Street und mit dir Fälle bearbeiten. Du hast ihn vergrault, obwohl du genau dasselbe willst!“

„Verdammt, verstehst du denn nicht!“ Sherlock sprang von solcher Rage gepackt auf, dass Gregory instinktiv ein wenig zurück wich. „Die gemeinsame Zeit haben sowohl John als auch ich sehr genossen, ohne Frage. Ja ich hab sie zerstört, indem sich meine Gefühle für meinen Freund wandelten, seine für mich jedoch gleich blieben. Seit Johns Verletzung war zwischen uns nichts mehr wie früher. Auch ich vermisse das alles, aber zumindest ich kann nicht mehr zurück! Diese Gefühle, sie verschwinden einfach nicht!“ rief er aufgebracht und mit teils zitternder Stimme. „Obwohl ich mir das doch so sehr gewünscht habe“, fügte er so leise hinzu, dass Lestrade ihn kaum verstand. Doch der hatte ohnehin schon genug gehört.

„Du hast das Band zwischen euch ruiniert, weil du ihn lieber ganz aus deinem Leben streichen wolltest als mit der Angst zu leben, er könnte deine Gefühle nicht teilen?“

Sherlock sah den im Sessel sitzenden Greg an. Der strich sich in einer nachdenklichen Geste mit der Hand über das Kinn.

„Na ja, Liebe macht ja bekanntlich blind. Trotzdem hast du mir besser gefallen, als du der Liebe noch Egoismus unterstellt hattest.“

Nach diesen Worten erhob sich Gregory, griff nach dem immer noch nassen Mantel und zog ihn sich über. Ein kurzer Blick aus dem Fenster verriet ihm, dass der starke Regen in leichten Schneefall übergegangen war. Ein weitaus angenehmerer Zustand wie er fand.

„Was wird das?“

Greg sah in das verwirrt wirkende Gesicht des Consulting Detektive der ihm blass und mit gebückter Gestalt gegenüber stand.

„Ich dachte das wäre offensichtlich, ich gehe.“

Ein verächtliches Schnauben, ganz hatte sich der alte Sherlock wohl doch noch nicht verloren. Ein gutes Zeichen, oder nicht?

„Natürlich seh ich das, meine Frage lautet eher warum du jetzt aufbrichst, mitten unter unserem Gespräch?“

„Hmm“, machte Lestrade und zuckte die Schultern. „Ich bin nur hier weil dein Bruder mich dazu – sagen wir mal – genötigt hat. Ich sehe in unserem Gespräch kein vorankommen, also was soll ich meine Zeit hier bei dir verschwenden? Ich steh nicht so drauf von dir angeschrieen zu werden. Deshalb werde ich jetzt gehen.“

„Ich...“ für einen kurzen Augenblick war Sherlock tatsächlich sprachlos. „Ich dachte du wärst hier um mir zu helfen!“ fast verzweifelt klang dieser Satz in die Stille der Wohnung hinein.

„Dir helfen? Wie?“ fragte Greg während er sich seinen Schal umband. „Ich kann dir nicht helfen, ganz ehrlich, ich wüsste nicht wie.“

„Du...aber du bist der Einzige...du hast es erkannt, noch vor mir! Du kennst dich mit Gefühlen und den Problemen die sie mit sich bringen aus, also bitte hilf mir!“

Jetzt war die Aufbruchstimmung komplett verflogen. Sherlock Holmes bat um Hilfe? Das war ein Jubiläum! Ein Tag den er sich wohl rot im Kalender markieren sollte, denn so was würde bestimmt nicht so schnell wieder geschehen. Nur was hätte er antworten können? Gab es Hilfe bei diesem Problem für dessen einzige Lösung Sherlock zu feige war? Also was wollte er hier noch? Sherlock zum hundertsten mal erklären, dass nur John ihm Absolution erteilen konnte und das sich nicht ohne einem Gespräch mit ihm erreichen ließ?
 

„Was hab ich vor dir erkannt?“ fragte Greg um die unangenehm angespannte Situation zu lindern und das gestockte Gespräch wieder aufzunehmen. Zwar wäre er nur zu gerne auf der Tatsache rumgetrampelt, dass Sherlock etwas erst nach ihm erkannt hatte, war aber ein zu guter Freund, um auf die Sache mit der Bitte um Hilfe weiter einzugehen. Sherlock war das ohnehin sehr schwer gefallen, dessen war sich Gregory sicher.

Der hagere Mann fuhr sich durch sein zerzaustes Haar, sah zu Boden und wirkte ein wenig verlegen, als er auf Lestrades Frage zu antworten begann.

„Du wusstest damals schon dass ich John liebe. Mir wurde das erst jetzt bewusst.“

Lang wurde kein weiteres Wort mehr gesprochen und wieder senkte sich eine Verlegenheit über die Beiden, welche fast körperliches Unbehagen mit sich brachte. Dann ein Seufzen von Greg und Sherlock hob seinen Kopf um seinen Freund wieder direkt anzusehen.

„Du wirst mir also helfen?“

Der angesprochene rührte sich nicht. Erst langsam dämmerte ihm die Schwere von Sherlocks Geständnis. Mit seiner gescheiterten Ehe war er wohl nicht der richtige für Beziehungstipps, aber so verzweifelt wie Sherlock auf ihn wirkte, wie sollte er ihm da Hilfe verweigern können? Doch wie sollte er das ganz starten?

Sherlock war ein brillanter Mann, warum ihm das Ziehen von Schlussfolgerungen in diesem Fall so schwer viel, verstand Greg nicht. Eigentlich war es leicht, andererseits hatten ihn all seine Gesprächspartner schon auf diese eine Möglichkeit hingewiesen. Alle hatten ihm geraten er solle zu John gehen, alles gestehen und dann auf sein wohl verdientes Urteil warten. Das hatte nicht funktioniert und somit würde er ihn davon auch nicht überzeugen können. Sie redeten hier immerhin von Sherlock, der niemals mit einem Vorschlag zu einer 50-50 Chance einverstanden gewesen wäre, erst recht nicht wenn die zweite Option Ablehnung seiner Gefühle hieße.

Vielleicht sollte er ganz unterschwellig das Telefonat mit John einfließen lassen? Das wäre einen Möglichkeit, Sherlock direkt mit der Nase auf etwas zu stoßen und es ihm dann als seine Idee zu verkaufen. Ein Versuch wäre es wert.
 

Sherlock wurde langsam ungeduldig! Warum kam von Lestrade keine Antwort? Da befolgte er schon mal den Rat seines Bruders und vertraute sich und sein instabiles Gefühlsleben jemandem an – ja verdammt, er hatte um Hilfe gebeten! – nur um dann zu erkennen, dass ihm dieser angebliche Freund jetzt nicht helfen würde.

Zumindest vertraute er Greg Lestrade in der einen Hinsicht, dass er sich nicht Lustig über ihn und sein Problem machen würde. Auch traute er dem älteren Mann nicht zu, dass dieser etwas von den Dingen die in diesem Raum gesprochen worden waren an dritte verriet. Gut, an Mycroft wahrscheinlich schon, aber so komisch es auch klang, im Moment konnte Sherlock damit leben.
 

„Ich...also ich hab keine Lösung für dich, aber ich bewundere dein Problem.“

Im ersten Moment war Sherlock baff, was sollte denn dieser dumme Spruch? Hatte er sich so in dem DI getäuscht und dieser würde sich doch über ihn lustig machen? Nein, nein, dafür war seine Menschenkenntnis einfach zu gut! Selbst in dem gequälten Zustand in dem sich Herz und Geist zurzeit befanden, lag er mit keiner seiner Deduktionen so falsch, um das hier erklären zu können.

„Was soll das heißen! Willst du dich über mich lustig machen?“ fragte er enttäuscht und einem erneuten Wutausbruch ziemlich nah.

„Nein!“ versicherte ihm Greg sofort, „was ich damit sagen will ist folgendes, dein Problem ist keines von der Sorte die man deduzieren kann. Es gibt hier keine Fakten zu sammeln die letzten Endes zur einzig richtigen Lösung führen. Denn es gibt keine 100% richtige Antwort, keinen sicheren Ratschlag. Dafür sind Gefühle zu launenhaft.“

„Wenn es anders wäre“, sagte Sherlock gereizt, „dann hätte ich die Lösung auch ohne Probleme selbst gefunden, danke! Da es aber nun mal nicht so einfach ist und Gefühle nicht unbedingt zu meine Stärken zählen, möchte ich ja auch dein Meinung dazu hören.“

„Also was erwartest du von mir? Alles was ich dir raten kann ist, stell Kontakt her. Klar du hast John enttäuscht, aber er könnte einen Freund gebrauchen. Sei doch erst mal wieder das und alles andere kommt dann vielleicht von selbst.“

Sherlock überlegte.

„Sie es doch so, solange ihr getrennt seit, kann nichts besser werden. Rauft euch zusammen und dann findet ihr bestimmt mal die Zeit euch auszusprechen...ja“, Greg sah seinen Gegenüber streng an, als der widersprechen wollte und fuhr ungerührt fort: „Ja ihr müsst euch aussprechen, John kann dein Verhalten nicht deduzieren, er ist nur ein ganz gewöhnlicher Mensch. Also wirst du nicht umhin kommen ihm alles zu erklären. Es reicht wenn du einmal ehrlich bist, John wird nicht erwarten dass du jemals ein emotionaler Mensch sein wirst, der gern über Gefühle spricht. Er kennt dich und was noch wichtiger ist, er mochte dich von Anfang an so wie du warst. Für ihn musst du dich nicht verstellen, doch ohne dass du deine Gefühle vor ihm offen legst, geht es nicht!“

„Aber...“ setzte Sherlock an.

„Das ganze Leben besteht aus Abers. Nichts ist sicher, auch nicht die Gefühle die John für dich hegt. Doch ich denke du tust ihm unrecht, ich glaube wirklich das auch bei ihm mehr Gefühl mit im Spiel ist, als ihm lieb sind.“

Sherlock überlegte lange, stumm verlor sich sein Blick im Nichts.

„Du kannst jetzt gehen“, sagte er irgendwann mit einer Geste zur Tür. Dann drehte er sich um, ging zum Sofa und ließ sich darauf nieder, streckte sich aus und starrte an die Decke.

„Das war’s? Ich...das ist alles, mehr sagst du nicht?“

Lestrade war verblüfft, hatte er gerade noch geglaubt irgendwie zu Sherlock durchgedrungen zu sein, glaubte er sich jetzt im falschen Film.

„Was du sagst ist einleuchtend, sehr vernünftig und genau das gleiche – wenn auch in etwas anderer Ausführung – das ich mir schon von allen anderen um mich besorgten Menschen anhören musste. Es reicht. Außer du hasst noch etwas Nützliches zum Abschluss – wovon ich nicht ausgehe – und da offensichtlich auch dir nichts wirklich Brauchbares einfällt, kannst du jetzt gehen.“

„Wirst du zu ihm gehen?“ fragte Greg säuerlich und trat an die Couch heran. Dabei verteilte sein Mantel beim gehen kleine Regentropfen auf dem Boden.

„Sherlock? Wirst du ihn besuchen?“

Keine Antwort.

Greg wurde langsam richtig wütend, da gab er sich Mühe und das sollte der Dank sein?

„Sherlock, nach allem was passiert ist, muss der erste Schritt von dir kommen! Raff dich auf und riskiere mal was sonst hast du doch auch kein Problem damit! Sherlock...hörst du mir zu? Er braucht dich! Verdammt, er fühlt sich isoliert, seine Schwester ist wie erwartet keine Hilfe und vor ein paar Wochen hat er mich abends angerufen, voll in Panik weil er Angst vor seiner OP hatte! Eigentlich wollte Harry ihn besuchen, aber sie hat kurzfristig abgesagt. Sherlock, er ist einsam, er hat angst vielleicht nie wieder laufen zu können! Kannst du dir vorstellen wie er sich gerade fühlt?“
 

Offensichtlich hatte irgendwas davon Sherlocks Aufmerksamkeit geweckt, denn die klaren, grau-blauen Augen richteten sich durchdringend auf Lestrade.

„Operation?“ fragte er und ein nicht zu deutender Schatten legte sich für einen Moment über seine Züge.

„Ja er sagte was von Schwellungen lindern oder so was. Ich verstehe nicht all zu viel davon, nur eines hab ich deutlich verstanden und zwar das er angst hatte. Angst vor der Zukunft, vor dem was noch so kommt und im Moment muss er alleine da durch. Verstehst du? Er braucht jemanden an seiner Seite. Sei dieser Mensch Sherlock!“

Erst war es still, dann erhob sich Sherlock und sah den DI mit seinem üblichen, undurchschaubaren Blick an.

„Ist sie gut verlaufen, die OP?“

Greg nickte, „ja soweit ich weiß.“

„Du...“ Sherlock stockte, „du hast also öfters Kontakt mit ihm?“

„Ja, wir telefonieren hin und wieder, wieso?“

Sherlock zuckte die Schultern.

„Ich dachte mir nur...hat er je etwas gesagt, du weißt schon, über mich?“

Greg unterdrückte ein Schmunzeln. Jetzt endlich war er da, wo er hingewollt hatte. Sherlock hatte den Köder gefressen und wenn jetzt alles gut ging – er Drückte sich mental die Daumen – dann würde seine nächste Aussage die entscheidende Wendung bringen.

„Ja, er hat dich erwähnt.“

Die Neugierde war Sherlock ins Gesicht geschrieben, mit großen Augen wurde Greg von ihm angeblickt ungeduldig wartend zu erfahren, was John wohl über ihn gesagt hatte. Vorsichtiger Optimismus keimte in ihm auf.

„John wollte wissen wie es dir so geht. Er macht sich immer noch Sorgen um dich.“ Sagte Greg wahrheitsgemäß.

Von dieser Tatsache erfreut und doch nicht wissend wie er damit umgehen sollte, ließ sich Sherlock wieder auf dem Sofa nieder. So viele verwirrende Emotionen tobten in ihm, dass er sie kaum auseinander halten konnte. Und über allem lag ein überwältigendes Gefühl von Glück. John hasste ihn nicht! Zumindest nicht in dem von ihm geahnten Ausmaß.
 

Als Gregorys Handy sich unerwartet meldete, zuckten beide kurz zusammen. Gerade waren sie noch jeder in seiner eigenen Gedankenwelt gewesen, fühlten sie sich jetzt recht unsanft zurück in die Realität gestoßen.

Der DI zog das Telefon aus seiner Manteltasche, wischte kurz über das Display, welches von draußen ein paar Regentropfen abbekommen hatte und las den in gewohnt schwarzen, akkuraten Buchstaben gezeigten Namen Mycroft Holmes. Das sollte er Sherlock gegenüber wohl besser nicht erwähnen.

„Willst du nicht ran gehen?“ wurde er gefragt.

„Nicht wichtig“, kam die Antwort und er drückte den Anruf weg.

Sherlock lachte, „das lass meinen werten Bruder lieber nie hören, auch wenn es sich mit meiner Meinung deckt.“

Greg schmunzelte, weniger über Sherlocks Worte als über dessen erstaunliche Fähigkeit Dinge sofort zu erkennen, ganz egal wie gekonnt man sie vor ihm zu verbergen suchte. Auch egal.

„Ich ruf ihn zurück, eigentlich sollte er doch wissen dass ich noch hier bin. Er hat sicher auch ein Augenpaar auf mich gerichtet.“

Ein seltsames Lächeln schlich sich auf Sherlocks Gesicht, das Gregory noch nie bei ihm gesehen hatte und auch in keiner weiße deuten konnte.

„Du hast ja gar keine Ahnung“, sagte er im verschwörerischen Tonfall.

Greg schüttelte den Kopf und wollte darauf nicht weiter eingehen. „Wie auch immer...ich glaube darüber möchte ich gar nicht so genau Bescheid wissen. Trotzdem werde ich jetzt gehen.“ Ungesagt klang die Frage nach, ob man Sherlock jetzt alleine lassen konnte. Dieser nickte, „geh.“ Ob Befehl oder einfache Akzeptanz dieser Tatsache, das konnte Gregory nicht genau sagen.
 

Kaum stand er jedoch auf der Straße, meldete sich erneut das Telefon. Eigentlich wollte er jetzt nicht mit Mycroft sprechen, aber dieser würde sicher nicht locker lassen. So nahm er den Anruf entgegen während er durch den leichten Schneefall hindurch, die Baker Street entlang ging.

„Hallo Detektiv Inspektor“, grüßte ihn die sachliche und stets unterkühlt klingende Stimme von Mycroft Holmes.

„Ich hoffe mein Anruf kommt nicht Ungelegen“, fragte er. Greg verzog das Gesicht, als ob du das nicht wüsstest, als ob dir jemals was entgehen würde, besonders wenn es in deinem Interessensbereich liegt.

„Natürlich nicht, hab ohnehin nichts weiter zu tun.“ Dieser Satz klang sogar durch die schlechte Handyverbindung sarkastisch.

„Das ist schön zu hören“, meinte der ältere Holmes und beendete die Verbindung. Überrascht besah sich Lestrade das Handy, aus welchem jetzt das Tuten des Freizeichens kam. Hatte Mycroft den Sarkasmus nicht als solchen verstanden oder sich so darüber geärgert um einfach aufzulegen? Doch noch bevor er sich weiter darüber wundern konnte, hielt ein schwarzer Wagen am Straßenrand und ein Herr im dunklen Anzug öffnete für ihn die Tür.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Spiegelscherben
2012-12-16T13:37:20+00:00 16.12.2012 14:37
Ich liebe diese FF. EHRLICH. ICH LIEBE SIE.

Und jetzt hast du auch noch eine Andeutung für Mystrade gebracht. ICH VERNEIGE MICH <3 <3 <3 XD

Mach bloß weiter so! Ich verfolge die Story weiterhin gespannt! :D
Von:  BlackWolfMika
2012-12-14T01:59:10+00:00 14.12.2012 02:59
Oh mein Gott! Oh mein Gott!!
*hytersich hin und her renn*
Ein neuer Teil!!
*freu*
*strahl*
*sofort lesen muss*

^^
Sorry, ich wollte dir meine Aufregung vermitteln, die ich heute hatte, als ich die tolle ENS bekommen habe, dir mir verriet, das ein neues Kapitel online ist.
^^
Nach dem ich es nun dein neustes Kapitel gelesen habe muss ich sagen, das es viel zu kurz war.
XDD
Ich finde den neuen Teil total toll.
Ich habe es förmlich vor mir gesehen, mit welcher Begeisterung Lestrade zu Sherlock ist und welche Freude auf seinen Gesicht war, als sich Mycroft bei ihm meldete.
Das Gespräch von Sherlock und Lestrade fand ich auch super.
Ich hoffe nur, das es nun auch endlich was bewirkt und er seinen Po mal zu John schwingt.
Meiner Meinung nach wird das endlich mal Zeit.
Das einzige was ich mich die ganze Zeit frage ist, warum keiner auf die Idee gekommen ist, sich Sherlock zu schnappen und in ein Taxi zu verfrachten und mit ihm zu John zu fahren.
Vielleicht sollte das mal Mycroft vorgeschlagen werden, der bringt doch sicher Sherlock dort hin und "nervt" seinen kleinen Bruder dann noch etwas.
XDD
Mal sehen was wirklich passiert.
Ich für meinen Teil freue mich schon wieder riesig auf den Nächsten.
Bis dahin werde ich wohl alle 23 Kapitel immer und immer wieder lesen.
Deine Story hat einen sehr, sehr großen Suchtfaktor.^^

Also schreibe so toll deine Story weiter!!
Bis zum nächen Kapitel, dein Fan und Bewunderer.

John H. Watson


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