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BBC Sherlock
von

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Konzentrationsschwierigkeiten

10.

Konzentrationsschwierigkeiten
 

„Sie müssen dafür Sorge tragen das so etwas nicht noch mal passiert! Wenn Ihnen diese Verantwortung zu viel ist, sollten Sie Ihren Freund hier bei uns lassen. Wir können rund um die Uhr für Ihn Sorgen, uns ist er sicher kein Klotz am Bein.“

Sherlock schwieg, auch wenn er liebend gerne geschrieen hätte. Was bildete sich dieser Arzt überhaupt ein? Natürlich wusste er, dass es seine Schuld war die John zu dieser Dummheit verleitet hatte. Den Mann frierend in der Badewanne sitzen zu lassen…klar das er sich selbst aus dieser misslichen Lage hatte befreien wollen. Aber zu diesem Unfall war es nicht gekommen weil Sherlock es leid war sich zu kümmern, sondern weil er gerade mit sich selbst nicht klar kam.

Was also glaubte dieser Arzt aus der Notaufnahme schon zu wissen? Er schloss von einem Unfallhergang auf stereotype Charaktereigenschaften ohne zu deduzieren. Stümper!

„Wie geht es Ihm?“ fragte Sherlock, innerlich immer noch bebend vor Wut, aber mit seiner üblichen Gelassenheit nach außen hin.

„Wir haben Mr. Watson für ein CT und ein MRT angemeldet, erst danach wissen wir genaueres. Fürs erste haben wir Ihm Schmerzmittel verabreicht. Wenn er nach den Tests in sein Zimmer darf, können Sie zu Ihm.“

Sherlock nickte, „wann wird das in etwa sein?“

„Wieso, müssen Sie arbeiten?“ der Satz triefte vor lauter Sarkasmus.

Sherlock stand wortlos auf, erdolchte den Arzt mit einem bösen Blick und verließ die Notaufnahme. Er musste sich hier nicht belehren oder gar verspotten lassen. Klar hatte er zu arbeiten, dafür würde er sich bestimmt nicht rechtfertigen! Er brauchte auch keine Entschuldigung, nicht für das was er tat, denn er machte die Welt sicherer, er rettete Leben! Er tat gute Dinge!

Nun, zumindest manchmal.

Er fühlte sich schäbig, nutzlos…fast so als hätte er einen wichtigen Fall mitten drin abgebrochen und versuchte jetzt mit dieser Tatsache klar zu kommen. John so im Stich zu lassen, ihm nicht die dringend benötigte Hilfe zu sein die er gebraucht hätte…ja genau deshalb waren sie jetzt hier. Hier an diesem toten Ende, das Krankenhaus.

Was mochte John wohl jetzt über ihn denken? John deduzierte nicht, er sah die Dinge, nur die, die wirklich geschehen waren und verstand ihre Hintergründe erst dann, wenn man ihn darauf hinwies. Sicher würde er Sherlocks Beweggründe nicht einmal erahnen können. Wäre es anders, hätte ihm das seltsame Verhalten seines Mitbewohners bereits alles Wichtige offen gelegt, und das obwohl Sherlock selbst nicht wusste was in ihm vorging.

Aber wie gesagt, John deduzierte nicht, er fühlte, empfand…

Es war zum Haare raufen, Sherlock kam bei seinen verworrenen Gedankengängen und Empfindungen auf seine eigene Art einfach nicht mehr weiter. Nichts war logisch, nichts gab einen Sinn und deshalb entzog sich ihm die Lösung. Das Problem siedelte sich auf emotionaler Ebene an und war deshalb weit von einer rationalen Erklärung entfernt.

Also was fühlte John in diesem Moment? War es Wut? Sherlock kannte diese Empfindung, oh ja, die Wut kannte er nur all zu gut! Ein so einfaches Gefühl, so simpel und obwohl nicht rational, zumindest für ihn immer logisch zu erklären und nachzuvollziehen. Deshalb war Wut gut, sie war planbar, man konnte sie in vielen Fällen erahnen und leicht deduzieren.

Oder war er nicht wütend, vielleicht war er enttäuscht. Enttäuschung, Sherlock empfand selten Enttäuschung. Er erwartete nichts von anderen Menschen, somit konnten sie ihn nur positiv überraschen. Von sich selbst verlangte er Perfektion und daran hielt er sich meistens auch. Was wenn John von ihm Enttäuscht war? Welche Konsequenzen würden sich daraus ergeben?

Schon seltsam das er sich das fragte. Bisher wären ihm solche Gedanken nie in den Sinn gekommen. Was störte es ihn, wenn jemand einen Grund fand um von ihm enttäuscht zu sein? Er hätte ihn widerlegt, so wie er immer alle widerlegte, die ihm mit Gefühlen kamen.

Gefühle…warum ließen die Menschen sich von ihnen beeinflussen, sich treiben, wenn sie doch auch den rationalen Weg wählen und alles durchdenken könnten?
 

Tief in seinen Gedanken versunken, die Umgebung aber nie ganz vergessend, war Sherlock vom Krankenhausgelände zur Hauptstasse gegangen. Dort blieb er kurz stehen, atmete einmal tief ein und wieder aus, bevor er sich um ein Taxi bemühte.

Er würde jetzt erst einmal seinen Job machen, all die für den Tag gesteckten Ziele erfüllen und dann weiter sehen. Schließlich war er sehr gut darin, sich nur auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren. Doch wie so oft in letzter Zeit gelange es ihm nicht, John völlig aus seinen Gedanken zu verbannen. Irgendwo am Rande seines stets aktiven Geistes, wimmert eine leise Stimme vor sich hin, klagte ihn an und hielt ihm Johns Zustand unter die Nase. Trotzdem glaubte er fest daran, im Moment ohnehin nichts anderes machen zu können als weiter zu arbeiten wie bisher.

Er würde es sogar verstehen, wenn John ihn wieder mal nicht sehen wollte. Jetzt im Zimmer seines Freundes aufzutauchen wäre dumm und kontraproduktiv gewesen. Nein, er würde John Zeit geben, hoffend das die erste Wut verrauchen und er ihn heute Abend nicht aus dem Zimmer werfen würde. Da…da war es wieder! Dieses verdammte, undefinierbare Gefühl! Ein ziehen, ein Stechen, ein Schmerz tief in ihm.

John würde das Recht auf seiner Seite haben, auch wenn er Sherlock nie wieder sehen wollen würde, es war nachvollziehbar, nach allem was geschehen war. Doch es schmerzte, es schmerzte so sehr…
 

Sherlock verließ das Taxi, schwamm eine Weile mit durch den Strom aus menschlichen Körpern, der sich immer um diese Tageszeit durch die Innenstadt quälte. Dann bog er von der Hauptstraße ab, erst waren noch einige Menschen um ihn her, dann wurden es immer weniger. Auch die Gebäude änderten sich, von chicen, neuen Bürokomplexen, hin zu schäbigen Altbauten deren mit Graffiti beschmierten Wände ihrem trostlosen Dasein kaum Einhalt boten.

Eine Eingangstüre aus Metall, der blaue Lack blätterte langsam ab und darunter kam rostendes Grau zum Vorschein, war Sherlocks Ziel. Das Gebäude in welches ihn diese Tür führen würde, lag in einem offenen Hof, auf den auch die Türen der umliegenden Gebäude führten. Irgendjemand hatte sich mal die Mühe gemacht und hatte in den kleinen, dreckigen Grünstreifen, - der zu besseren Zeiten vielleicht mal ein Anlaufpunkt für die Mitarbeiter in der Mittagspause hatte darstellen sollen – einige Büsche und Sträucher gepflanzt. Sie wucherten wie Unkraut, verteilten Laub und Dreck über den gepflasterten Innenhof und schenkten dem ganzen Eindruck eine weitere, verdreckte und heruntergekommenen Note. Niemand kümmerte sich hier mehr um irgendetwas. Die großen Firmen waren jetzt in den neuen Gebäuden, in denen mit Klimaanlagen und Fahrstühlen. Niemand wollte mehr die alten, mit endlosen Treppen und miefigen Großraumbüros. Es lebe die Zukunft.

Sherlock erreichte die Metalltüre und ihr Ausgebleichtes >Ziehen< Schild, welches nur noch an einer Niete über dem Türbügel hing, wackelte einladend und mit einem Blick über die Schulter verschwand er im Treppenhaus.
 

Niemand konnte Sherlock Holmes verfolgen, dessen war er sich sicher. Egal wohin er ging, seine Umgebung behielt er stets im Auge. Bestand doch immer die Möglichkeit eines Feindes im Schatten, eines Beobachters oder eines Attentäters. Egal womit man rechnen konnte, Sherlock Holmes kannte sie alle und keiner blieb ihm lange auf den Fersen, es sei denn, es war Teil des Plans.

So war sich Sherlock auch heute wieder sicher, das ihn niemand hier her verfolgt hatte. Nicht das es in diesem speziellen Fall von großer Bedeutung in Sachen Geheimhaltung gewesen wäre, aber würde Irgendjemand, der möglicherweise auf der Gehaltsliste von wieder einem anderen Jemand stand, auch nur eines seiner Verstecke kennen, dann könnte sich das unvorteilhaft für ihn entwickeln.

Trotzdem gänzlich unbesorgt nahm der Detektiv die vielen Treppen in den dritten Stock, zog unterm gehen einen Schlüssel hervor und stand schon bald vor einer weiteren Tür. Sie war im dezenten hellgrau gehalten, hatte eine meeresgrüne Zimmernummer direkt auf Augenhöhe und war genauso wenig einladend wie der triste Rest des Flures.

Dahinter verbarg sich ein spärlich eingerichteter Raum hinter trübem Glas. Ein altes, ramponiertes Sofa stand in der Mitte, davor ein viel zu niedriger Tisch. Eine altmodische Schminkkommode aus dunklem Holz und mit einem riesigen, drehbaren Spiegel stand direkt am Fenster. Der Rest des Zimmers war von Schränken, Regalen und Kisten belagert, in denen sich alle Arten von Kleidungstücken, Schuhen und Assecuaß türmten, die man für Geld kaufen konnte. Perücken in allen Längen und Farben sowie Hüte quollen aus den übervollen Kartons. Eine ganze Batterie an Schminkutensilien, die jede Frau würde neidisch werden lassen, stand in einem Regal neben der Kommode.

Das hier war ein Raum, den Sherlock Holmes betrat und immer wieder jemand anderes verließ. Egal wer er werden wollte oder müsste, hier konnte er es. Hier schlüpfte er in eine Maske, versteckte sich hinter seinem schauspielerischen Talent und flüchtete für die Zeit der Observation von seinem alten Selbst, hin in eine ganz andere Persönlichkeit. Er konnte ein Bettler sein, ein Edelmann mit Titel, ein Börsenmakler – ein guter oder ein schlechter – ein Arbeitsloser, ein Bauerbeiter, ein Arzt oder eine Frau werden und sich ganz in seiner Rolle verlieren. Für eine Zeit lang mal nicht man selbst sein, viele Leute würden ihn dafür beineiden. Und Sherlock tat das hier auch gern, es war fast wie Urlaub von sich selbst zu machen und erst wenn er die Verkleidung ablegte, in seine gewohnte Kleidung schlüpfte, erst dann war er wieder er selbst. Vielleicht würde es ihm auch heute helfen und als jemand anders würde ihm die Last von der Schulter genommen. Die Last der Schuld, die Last seiner eigenen Gefühle.
 

So verließ wenig später ein schäbiger Obdachloser mit verfilztem Bart und langen Haaren das Gebäude durch die blaue Metalltür, die zuvor noch Sherlock Holmes geöffnet hatte. Ein leichter, fast schon zu kalter dunkelbrauner Mantel umspielte seine Füße, die in eine grünen Cordsamthose und verschlissene schwarze Stiefel gesteckt waren. Sein Weg führte ihn durch das ehemalige Industriegebiet immer weiter Richtung Themse. Vor ihm kam des London Eye in Sicht und er schlenderte weiter in den angrenzenden Jubilee Gardens. Der Park war trotz des kühlen Windes gut besucht, offensichtlich waren die wenigen Sonnenstrahlen trügerisch genug, um auch Einheimische in den Park zu locken. Wie erwartet waren viele Touristen hier die begeistert Fotos machen, als wäre das London Eye die größte Sehenswürdigkeit der Stadt.

Sherlock suchte seine übliche Parkbank, er war spät dran – der heutige Morgen war definitiv nicht nach Plan verlaufen – und setzte sich. Eine Weile sah er dem Riesenrat zu, wie es sich gemächlich drehte. Immer wieder liefen Touristen an ihm vorbei und jeder mied den Penner auf seiner Bank. Es mussten mindestens zwanzig Minuten vergangen sein, bis sich eine ebenso schäbige Gestallt mit Hund neben ihm auf der Bank nieder ließ und ein genießerisches Stöhnen von sich gab. „Endlich sitzen“, meinte Agilo und kraulte den blinden Humphrey, der unruhig zu seinen Füßen saß. „Humphrey mag keine langen Spaziergänge mehr, er verlässt sein Revier nur sehr ungern.“

„Er wird eben alt“, sage Sherlock ungerührt. Er verstand ohne hin nicht warum Menschen sich Haustiere hielten. Früher, als Katzen und Hunde noch Nutztiere waren, das hatte er verstehen können, doch heute…

„Das Wetter, es liegt eindeutig am Wetter. Das ist nicht gut für die Knochen, das sag ich dir, Kumpel.“

Sherlock lächelte in sich hinein. Auch Agilo war ein guter Schauspieler. Trotz der plumpen und viel zu vertrauten Anrede, derer er sich aufgrund von Sherlocks Verkleidung heute bedienen musste, schwang immer eine Spur Respekt für seinen Gegenüber mit.

„Es wird Winter.“

„Solche Prophezeiungen behalt für dich!“ schimpfte der Alte. „Winter“, schnaubte er, „und das vielleicht auch noch jetzt schon! Nein, nein mein Freund, der Winter soll ruhig noch auf sich warten lassen, oder sehnst du ihn dir herbei?“

„Ich mag den Winter, er ist zwar eine unangenehme Jahreszeit, aber auch nicht schlechter als eine der andere. Was kann er denn dafür, dass uns in seiner Umarmung kalt ist? Und trotzdem verfluchen wir ihn jedes Jahr aufs Neue.“

Agilo lachte laut und ein paar Spaziergänger sahen zu ihnen her und gingen dann tuschelnd ihres Weges. Für ihre Ohren klang das Gespräch belanglos, sicher. Vielleicht auch ein klein wenig grotesk, aber bestimmt nicht wie eine Botschaft, die unterschwellig in jedem Wort mit schwang.
 

Das Wetter ist nicht gut für die Knochen

Der Verletzte ist noch am leben, zumindest gibt es keine Leiche also Grund zu Hoffen
 

Es wird Winter

Der Gesuchte wird bald im Leichensack liegen, es ist immer noch Eile geboten!
 

Solche Prophezeiungen behalt für dich

Für eine Leiche bezahlst du mich ja nicht!
 

Nein, nein mein Freund, der Winter soll ruhig noch auf sich warten lassen, oder sehnst du ihn dir herbei?

Ich werde den Kerl finden, ich brauche das Geld. Warte nur ab, oder hast du es dir anders überlegt?
 

Ich mag den Winter, er ist zwar eine unangenehme Jahreszeit, aber auch nicht schlechter als eine der andere. Was kann er denn dafür, dass uns in seiner Umarmung kalt ist? Und trotzdem verfluchen wir ihn jedes Jahr aufs Neue

Wenn er stirbt, dann kann man nichts daran ändern. Zeig mir seine Leiche und wir reden über die Bezahlung, aber lieber will ich ihn lebendig! Ich hab mit Ihm noch was zu klären
 

„Das ist schön zu hören, alter! Ich werd mir Mühe geben, vielleicht mag ich den Winter dann auch irgendwann wegen seines Charakters.“

Agilo schüttelte immer noch belustigt den Kopf. Humphrey legte derweil seine Schnauze auf Sherlocks Knie und sabberte ohne unterlass auf dessen Hose. Die sog die Feuchtigkeit wie ein Schwamm auf und Sherlock beschloss, dieses Kleidungsstück nach dem heutigen Tag auszumustern.

„Du wist mir doch aber bescheid geben, ob der Winter kommt oder nicht? Du spürst das in deinen Knochen, ich nicht. Aber ich verlass mich wie immer stets auf dein Gefühl.“

Agilo brummte zufrieden, „das kannst du auch, Junge! Du weißt, ich würde dich doch nie hängen lassen. Aber sag mal, hast du ein wenig Kleingeld? Der alte Humphrey hat Hunger, der Marsch durch London hat ihn ziemlich geschlaucht.“

„Geld gibt’s erst wenn du mir bestätigen kannst, dass der Winter vorbei ist.“

„Oder wenn ich beweise das er aus bleibt?“ fragte der Alte hoffnungsvoll.

„Mal sehen“, meinte Sherlock und erhob sich von der Bank. Humphrey jaulte protestierend. „Ich hab noch zu tun. Du weißt wie du mich erreichst?“

Agilo nickte.

Sherlock war schon fast außer hörweite, als ihm der Alte noch etwas zu rief. Fast wäre es im Lärm und Gelächter der vielen Menschen um sie her untergegangen.

„Vergiss niemals wie kalt der Winter sein kann, egal wie überlegen du dich ihm fühlst! Keine noch so dicke Jacke schützt dich auf ewig vor den Gefahren des Erfrierens!“

Wieder nicht mehr als eine Bemerkung, die jeder ungewollte Zuhörer nicht als interessante Information sondern als Randnotiz im Pennerdasein hinnehmen würde. Doch Sherlock verstand was Agilo damit sagen wollte. Es war eine Warnung, eine Warnung das jedes verletzte Tier welches man in die Ecke trieb, früher oder später aus Verzweiflung heraus angreifen würde.
 

*******
 

Kaum war er wieder Sherlock Holmes, brachte ihn das nächste Taxi zu Scotland Yard. Sich der vielen Augenpaare bewusst, die auf ihm ruhten, während er zu Gregory Lestrades Büro ging. Er klopfte nicht an die Tür, sondern trat ungefragt ein.

Der Inspektor blickte auf, deutete ihm sich zu setzten während er mit der anderen Hand den Telefonhörer ans Ohr hielt.

„Ja, ja, verstanden. Ich melde mich wenn es etwas Neues gibt. Gut Sir, ich werde Donovan darauf ansetzen. Verstanden, ja. Ja, nein das nicht. Okay.“ Er legte auf, lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und verschränkte die Finger ineinander.

„Wie geht es John?“ fragte er mit eisigem Ton. „Hab gehört er ist wieder im Krankenhaus. Ein Unfall im Badezimmer, sehr bedauerlich. Mycroft zahlt im dafür bestimmt nicht genug.“

Sherlock war wirklich überrascht, das erkannte Gregory offensichtlich, denn er lächelte zufrieden. Aber Sherlock wollte gerade nicht auf solche Sticheleien eingehen, und erst recht wollte er nicht über Mycroft reden.

„Ich weiß, ich hab es versaut. Können wir zurück zu Stan Peters.“

„Diesbezüglich hab ich nichts neues“, sagte Greg gerade heraus und musterte Sherlock. Er schien dünner als sonst, seine Haut war blas und eingefallen. Beunruhigend, selbst für die Verhältnisse dieses Mannes.

„Das ist bedauerlich, denn auch meine Suche war bisher ohne Erfolg. Ich bin jedoch noch nicht dazu gekommen Ihnen das Neuste mitzuteilen. Der Verbrecher wurde angeschossen und das heißt, unsere Zeit ist begrenzt um Ihn…“

„Ja ich weiß, einer seiner Mittäter hat heute Morgen etwas in diese Richtung verlauten lassen. Die Nachricht kam gerade aus dem Gefängnis, wir wussten nicht wie sicher diese Information ist, wo haben Sie die Ihre her?“ Neugierig lehnte sich Lestrade in seinem Stuhl nach vorne.

„Vom Schützen höchst selbst. John hat sich gestern in einem Gespräch daran erinnert.“

„Warum wurde ich nicht gleich davon in Kenntnisse gesetzt?“ schimpfte Gregory. Er hasste es Informationen nicht sofort zu bekommen und immer hinter Sherlock her zu hinken.

„Ich wollte gleich ein paar Fäden ziehen, die Polizei behindert mich bloß, Sie wissen doch wie pedantisch die sind. Protokolle, Regeln und Vorschriften die eingehalten werden müssen. Ihr reagiert viel zu spät!“

„Aber du und deine dubiosen Quellen, Ihr seid schneller!“

„Wir sind es, ich kann zwar noch nichts positives Berichten, aber wir sind dran.“

„Wer sind wir, Sherlock?“

„Tut nichts zur Sache“, er erhob sich. „Halte mich auf den Laufenden, ich rufe dich sobald ich eine Spur habe.“

„Warte!“ verlangte Lestrade. Sherlock drehte sich noch einmal zu ihm um. Zeigte ihm dabei deutlich seine gelangweilte Mine, in der Hoffnung er würde nicht noch weitere dumme Fragen beantworten müssen.

„Was ist das zwischen dir und John?“

Noch schlimmer als überflüssige Fragen zu klaren Fakten, ein Gespräch über John. Gregory würde das gewiss in die emotionale Schiene lenken und von ihm Antworten verlangen, die er nicht geben konnte.

„Ich hab einen kleinen Fehler gemacht und die Konsequenzen daraus haben sich zu schnell in die falsche Richtung entwickelt, als das ich noch etwas hätte abfangen könne. Reicht das? Ich gestehe meine Schuld ein, ich werde mich bei John entschuldigen und…“

„Und alles ist wieder beim alten, hmm? Sag mir Sherlock, glaubst du das wirklich? Du sagst einmal >es tut mir leid, war nicht so gemeint< und John sagt, >klar, vergessen wir das ganze einfach<?“

Sherlock schwieg.

„Das hast du dir wirklich gehofft? Wow, also selbst für deine Verhältnisse ist das vermessen.“

„Wenn ich John nur erklären könnte wie es zu all dem kam, dann würde er mir sicher verzeihen. Er verzeiht mir doch immer, schließlich ist er mein bester Freund.“

„Freundschaft ist was schönes, aber dafür kannst du nicht nur nehmen, man muss auch mal was geben. Irgendwann wird John noch umkommen und von dir wird man als Grabrede hören >er war mein bester Freund, klar war es meine Schuld, es tut mir leid, aber ich weiß er verzeiht mir seinen Tod<“
 

Verzweifelt wandte sich Sherlock hin und her. Eigentlich wollte er Greg gar nicht all zu sehr in seine Gedanken einlassen. Andererseits war Gregory Lestrade ein durchaus kluger und vernünftiger Mann. Ein ganz normaler Mensch, er hatte Gefühle und er lebte mit ihnen, offen und ehrlich. Vielleicht sollte er sich ihm anvertrauen?

Immerhin war Sherlock jetzt so weit um zu erkennen, dass er allein mit diesem Problem nicht fertig wurde, das er nicht weiter kam. Er brauchte Hilfe und wenn nicht von Greg, von wem dann?

John konnte er nicht fragen, mit ihm hatte schließlich alles angefangen. Nein, mit John würde er erst reden, wenn er für sich selbst die Antworten gefunden hatte, die er suchte.

Mycroft viel aus. Aber so was von! Dann auch noch die Tatsache das er John bezahlte! Brauchte John jetzt schon einen Bonus um weiterhin in der Baker Street zu wohnen oder war das nur ein kleines Dankeschön für die Rettung des törichten, kleinen Bruders? Nein, mit Mycroft würde er zwar auch noch sprechen, aber ganz sicher über ein anderes Thema!

Sonst blieb nur noch Mrs. Hudson und wahrscheinlich war es nicht ratsam, mit einer Frau über Gefühle zu sprechen. Sherlock schüttelte es schon allein bei dem Gedanken. Nein, mit einer Tasse Tee in der Hand über sein Gefühlsleben zu philosophieren, und die Sichtweise einer Frau dazu zu hören, das grenzte an Folter!
 

„Du glaubst also er wird mir nicht verzeihen?“ fragte Sherlock und kam wieder zum Schreibtisch. Er sah recht verzweifelt aus, egal wie gut er es zu überspielen versuchte und ließ sich wieder auf dem Stuhl nieder.

Greg hatte spätestens jetzt Mitleid. Er kannte Sherlock lang genug und wusste, wie schwer er sich mit Gefühlen tat. Zumindest alles, was über die einfachsten Regungen hinausging. Aber vielleicht würde Sherlock jetzt wirklich mit ihm reden, sich mitteilen und Hilfe, gut gemeinte Hilfe auch mal annehmen.

So setzte er sich bequem auf seinen Stuhl, musterte den zu Boden blickenden Sherlock und wappnete sich für ein langes und intensives Gespräch über das Gefühlsleben eines Soziopath.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Nara-san
2012-05-20T21:54:15+00:00 20.05.2012 23:54
Wah! Ich bin gespannt was das für eine Unterhaltung wird! xD Den letzten Satz find ich am geilsten!
Die Idee mit der extra Wohnung, wo er seine Sachen aufbewahrt ist nicht schlecht. Seine ganzen Sachen kann er wirklich schlecht in seiner Wohnung haben.
Freue mich auf das nächste Kapi! ^^
Von:  ImSherlocked
2012-05-19T14:24:22+00:00 19.05.2012 16:24
Uiuiuiuii~ Greg darf sich mit Sherlock "unterhalten" und zwar über ein Thema, bei dem der sonst so überkluge Consulting Detectiv keine Ahnung hat ^__^ da bin ich ja mal gespannt, was das wird.

Die Idee mit dem verlassenen Gebäude fand ich auch sehr ansprechend, ich kann mir wirklich gut vorstellen, dass er sich sowas aufgetrieben hat, auch wenn das in den Büchern und der Serie ja etwas anders ist, aber schließlich muss man seine Fantasie ja spielen lassen. Bin schon wieder sehr gespannt auf das nächste Kapitel. Ich hoffe, Sherlock kann geholfen werden ^^


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