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Bitte bleib bei mir!

BBC Sherlock
von

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Zurück in die Baker Street?

4.

Zurück in die Baker Street?
 

„Tja, das stand leider zu befürchten. Sie brauchen sich aber keine Sorgen zu machen, denn wir glauben bei diesem Problem handelt es sich lediglich um eine Schwellung. So blad diese Schwellung an ihrer Wirbelsäule zurückgegangen ist, kommt das Gefühl in ihrem Bein wahrscheinlich wieder.“

„Ich möchte es sehen, die Bilder, die Berichte…“

Wieder lächelte der Arzt sein falsches Lächeln.

„Ich bitte Sie Doktor Watson. Ich weiß die Situation ist schwer für Sie, aber wir alle tun unser Bestes um…“

„Ich will den verdammten OP-Bericht!“ verlangte John, dessen Wut und Verzweiflung nur mehr als verständlich waren. Seine Hände hatten sich in das Laken geballt, sein sonst so ruhiges Gesicht war eine verzerrte Maske.
 

Sherlock saß noch immer neben ihm auf der Kante des Bettes und wusste nicht so recht, was er jetzt denken und fühlen sollte. John hatte bis gerade eben noch Verständnis gezeigt, hatte ihm keinerlei Schuld an den gestrigen Vorfällen gegeben. Würde das jetzt anders werden?

Auf jeden Fall würde sich der Alltag von ihnen Beiden radikal verändern, auch wenn John irgendwann das Gefühl in seinem Bein wieder erlangen würde, bis dahin wäre nichts mehr so, wie es mal war. Wie sollte er das nur überstehen? Wie sollte ihre Freundschaft das aushalten? Er hatte John zum Krüppel gemacht!
 

Sherlock bekam nicht mit, was John mit seinem Arzt besprach, erst als die Tür etwas lauter als die Höflichkeit es gebot ins Schloss viel, erwachte er aus seinen dunklen Gedanken.

Mulmig war ihm zu mute, als er sich jetzt wieder mit John allein im Zimmer sah. Vorsichtig hob er den Blick und suchte den seines Freundes. John wich ihm jedoch aus, besah sich die weiße Wand und sagte nichts. Lange sprach keiner ein Wort, und die Stille wurde immer unangenehmer. Die ganze Atmosphäre war geballt, schwer voller aufgestauter Gefühle.

Langsam hielt es Sherlock nicht mehr aus, sonst genoss er es, das John und er auch zusammen schweigen konnten, doch dieses Schweigen war so niederschmetternd und musste dringend beendet werden. Auch wenn John ihn jetzt anschreien würde, wahrscheinlich würde es keinen von ihnen schaden, wenn sie ihren Gefühlen Luft verschafften.

Irgendwas in Sherlock trieb ihn dazu, seine Hand auf Johns Arm zu legen, dann fragte er behutsam: „Wenn Sie möchten werde ich in der Baker Street alles vorbereiten. Sobald Sie hier raus können, bringen wir Sie nach Hause. Mrs. Hudson und ich werden Ihnen bei allem helfen. Sie müssen nicht hier im Krankenhaus bleiben…außer Sie ziehen dies natürlich vor.“

John sagte nichts, er fuhr sich kurz mit der Hand über das Gesicht, atmete einmal tief aus und erst dann brachte er es fertig, Sherlock anzusehen. „Klar ziehe ich mein eigenes Zimmer dem hier vor, doch in der Baker Street kann ich mich in einem Rollstuhl nicht bewegen. Ich wäre rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen und das kann ich Mrs. Hudson mit ihrer Hüfte nicht antun.“

„Ich werde mich um Sie kümmern. Was immer Sie brauchen, ich bin da.“

John lachte und es klang nicht besonders fröhlich, eher verbittert. „Sie?“ fragte er und sah seinen Freund durchdringend an. „Wie lange hält dieser Vorsatz wohl? 3 Tage, eine Woche? Wie lange bis es Sie langweilt?“

Sherlock schwieg, diese Worte taten weh, aber sie waren die Wahrheit. Wahrscheinlich waren sie deshalb auch so schmerzhaft, weil John hier Sherlocks Wesen traf.

„Es geht hier um Sie“, flüsterte der Detektiv und sah betreten auf seine Hände.

„Oh bitte, Sie und Schuldgefühle?“ es hätte schnippisch oder gar sarkastisch klingen sollen, aber irgendwie hörte es sich eher sanft und leidend an.

„So ein Unsinn, ich hab mich entschieden Ihnen zu folgen, vom ersten Tag an. Sie hatten mir die Wahl gelassen. Nichts davon war Ihre Entscheidung, es lag immer bei mir. Auch das Gestern.“

„Trotzdem macht es das nicht leichter, nicht für mich.“

„Warum? So sind Sie doch sonst nicht.“

„Ich weiß, ich kenne die Antwort auf diese Frage selbst nicht. Ich glaube fast, ich erkenne mich nicht wieder.“

„Tut mir ja leid, aber gerade im Moment kann ich nicht mit Mitleid dienen. Ich…ach verdammt! Wie hatte das nur passieren können!“ John schrie. „Warum zum Teufel musste das passieren? Was, was hab ich falsch gemacht?“

Sherlock wusste woher Johns Wut kam und das seine Fragen allesamt rhetorischer Natur waren. Trotzdem fühlte er sich schlecht dabei.

„Ich werde auf die Berichte warten…ich…wissen Sie was? Bitte gehen Sie.“

Verdutzt sah Sherlock in Johns gleichgültiges Gesicht. Noch immer las er Wut in Johns Augen, sie tobte wie ein Sturm und man merkte deutlich, wie er sich zu beherrschen bemühte. Als wolle er all die Frust und Angst nicht auf Sherlock abladen.

„Gehen Sie einfach, ich brauche Zeit. Zeit für mich, ich will Sie jetzt nicht hier haben.“ Er sprach langsam, bestimmt und Sherlock konnte gar nicht anders als dieser Aufforderung nachzukommen. So erhob er sich, streifte seine Kleidung glatt und bemühte sich um ein aufmunterndes Lächeln.

„Ich verstehe. Wenn Sie etwas brauchen, dann rufen Sie mich. Ich werde kommen, egal um welche Uhrzeit.“

„Sherlock…!“

„Nein John, Sie müssen nichts sagen. Ich werde gehen und erst wieder kommen, wenn Sie meine Anwesenheit ausdrücklich wünschen.“ Mit diesen Worten drehte sich Sherlock um und ging zur Tür. Warum hatte er insgeheim gehofft, John würde ihn aufhalten? Er öffnete die Tür, trat hinaus auf den Gang und sah noch ein letztes Mal zu seinem Freund. John lag in den Kissen, sein Blick stur zur Decke gerichtet.

„Gute Besserung“, wünschte Sherlock abschließend und schloss dann die Tür.
 

*******
 

Johns Laune besserte sich nicht, und alle, die ihm im Krankenhaus besuchen kamen, waren diesbezüglich nicht überrascht. Zwar bestand die Möglichkeit das er wieder vollkommen genesen würde, aber niemand nahm ihm Übel das ihm unterbewusst die Chance zu schaffen machte, dass er sein rechtes Bein vielleicht nie wieder würde bewegen können.

Alle waren verständnisvoll, alle wünschten ihm nur das Beste und keiner erwähnte Sherlocks Namen, nicht einmal beiläufig. Aber als Lestrade und all die bekannten Gesichter aus dem Yard zu Besuch kamen, viel John das Getuschel auf. Sie, die sie Sherlock gut genug kannten, gaben dem Freak die Schuld. Klar, John verstand warum sie das dachten, aber er gab Sherlock nicht die Schuld daran, oder? Zumindest fand er nicht die Kraft seinen Freund zu verteidigen. Sonst war er eigentlich nichts so. Wann immer man etwas gegen Sherlock sagte, argumentierte John dagegen, unterstützte seinen Freund wo es nur ging und war es nur mit Worten. Nie ließ er Schuld oder Geschwätz über den Detektiv kommen, obwohl diesem so etwas stets egal war. Nein, er wollte einfach immer klarstellen, das Sherlock nicht so war, wie die meisten Menschen glaubten. Sie begegneten ihm einmal, zweimal oder arbeiteten kurz mal mit ihm zusammen und glaubten sie wüssten wer er war und wie er tickte. John kannte ihn wirklich und deshalb war er immer sein größter Fürsprecher gewesen.

Nur nicht heute.

Er hatte keine Kraft und seine Zukunft erschien ihm gerade so unbedeutend und endlos…klar, das hier war alles Selbstmietlied, aber was sollte er sonst tun? Er war behindert, ein Krüppel und das vielleicht für den Rest seines Lebens! Keine Fälle mehr mit Sherlock, keine Verbrecherjagd, keine Gerenne durch ganz London…nichts war ihm geblieben, nur ein Soziopath der sich Schuldgefühlen hin gab und sein Selbstmitleid.
 

Die Tage vergingen zäh, sie sogen sich wie alter Kaugummi in die Länge und die kleine, weiße Wanduhr, - die aussah als hätte man sie auf einem Bahnhof mitgehen lassen - tickte in ihrer fröhlichen Manie Sekunde um Sekunde. John hasste das Tick, Tack verdeutlichte es ihm doch das seine Zeit unaufhörlich lief und die endlose Aneinanderreihung von Tagen hier in diesem Krankenzimmer Realität und nicht ein Traumgespinst waren.
 

„So John“, hatte eines Morgens – oder war es abends? – John hatte jedwedes Zeitgefühl verloren, geheißen, als sein Arzt zu ihm gekommen war.

„Morgen machen wir noch ein paar abschließende Aufnahmen und dann entscheiden wir, ob man Sie nach Hause lassen kann. Natürlich brauch ich Ihnen nicht zu sagen, was Sie alles in nächster Zeit vermeiden und wo Sie vorsichtig sein sollten, nicht wahr Herr Kollege?“

John verzog seinen Mund zu einem schrägen Lächeln und nickte.

„Ihr Freund versprach sich um Sie zu kümmern, sobald Sie das Krankenhaus verlassen dürfen. Haben Sie schon mit Ihm besprochen, wie es weitergehen soll?“

Wieder schüttelte John verneinend den Kopf. „Ich wollte Ihn nicht hier haben…ich…“ er brach ab.

„Nun offenbar macht er sich die größten Sorgen um Sie. Er war mehrmals hier im Krankenhaus, um sich nach Ihrem Befinden zu erkundigen. Da er aber nicht zu Ihrer Familie gehört, durfte ich Ihm keinerlei Informationen geben. Die Schwestern haben Ihn, so weit ich höre immer beruhigt und er ging mit dem Wissen, dass Sie sich den Umständen entsprechend gut schlagen. Er macht sich wirklich Sorgen, gerade jetzt wäre es wichtig, Ihn nicht aus ihrem Leben auszuschließen. Falls Sie psychologische Hilfe benötigen…“

„Ich komme zurecht, danke. Sherlock war also hier?“

„Ja, er sprach einmal mit mir, aber ich hab Ihn öfters hier gesehen. Er sagte seine Anwesenheit wäre Ihnen gerade nicht recht, aber er suchte dennoch Ihre Nähe.“

„Ich konnte nicht…ich wollte Ihm nicht die Schuld an allem geben, was ich getan hätte, wäre er hier geblieben und ich werde mich bei Ihm entschuldigen, aber bis jetzt…ich konnte seine Gegenwart einfach nicht ertragen.“

„Sie geben Ihm noch immer die Schuld?“

„Nein, nein es ist weniger die Schuld an der Situation, sondern vielmehr mein Frust und die Aussicht ein Leben lang behindert zu sein. Ich musste einfach als erstes selbst mit mir ins reine kommen, erst dann kann ich Sherlock wieder ohne Schuldgefühle begegnen.

Wissen Sie, als ich nach dem Kriegseinsatz zurück nach England kam, da hatte mein Leben keinen Sinn mehr. Ich fristete es mehr schlecht als recht und erst nachdem ich Sherlock Holmes begegnet war, da erfüllte mich wieder etwas. Ich hatte eine Aufgabe, mein Leben zurück und jetzt wird mir das erneut entrissen. Was mach ich denn mit diesem kümmerlichen bisschen Leben das mir noch geblieben ist? Für immer Sherlocks Klotz am Bein spielen?“

„Sie sehen das alles viel zu pessimistisch. Vielleicht ist Mr. Holmes einfach gerne bei Ihnen, und würde sich gerne um Sie kümmern. Wollen Sie nicht doch die psychologische Hilfe des Krankenhauses in Anspruch nehmen?“
 

John sah den Arzt lange an, vielleicht dachte er wirklich darüber nach, sich mit seinen Ängsten eine professionellen Hilfe zu holen, oder vielleicht wälzte er das Gespräch auch nur noch mal in seinem Kopf. Er triefte vor Selbstmitleid, vor Zweifel sowohl an sich wie auch an Sherlock. Nun möglicherweise hatte der Arzt Recht, vielleicht sah morgen die Welt freundlicher aus, vielleicht schien wieder die Sonne.

Wie aus Reflex griff seine rechte Hand hinab zu seinem Bein. Er rieb darüber, nahm mehr druck als nötig, doch er spürte nichts. Sein Blick glitt zum Fenster, wo sich ihm eine trübe, graue Landschaft präsentierte. Tiefe Wolken verschleierten den Himmel und obwohl es noch recht früh war, hätte es genauso gut spät abends sein können. Große Tropfen rannen die Scheiben hinab, nur um dann von einer Windböe erfasst und vertrieben zu werden.

Der Tag präsentierte sich so, wie Johns Gemütslage.
 

*******
 

„Guten Tag, Doktor Watson“, John war überrascht, aber dies legte sich schnell wieder. Es war klar das früher oder Später auch Mycroft Holmes ihm die Ehre eines Besuches erweisen würde.

„Ich hab gehört Sie kommen gerade aus dem CT? Wie sieht es aus?“

Eigentlich hatte er nichts gegen den älteren Holmes, er mochte es nur nicht, wenn Mycroft unter dem Deckmantel des großen Bruders sein Leben und das von Sherlock ausspionierte. Und genau so kam er sich auch jetzt wieder vor, obwohl sich Mycroft große Mühe gab, wirklich besorgt zu wirken.

„Die Schwellung ist noch nicht zurückgegangen. Man kann immer noch nicht sagen, ob sich alles wieder normalisieren und die Funktion meines Beines wiederhergestellt werden kann. Ansonsten geht es mir gut, danke der Nachfrage.“

Mycroft strich über seine schlichte, graue Krawatte und lächelte gespielt aufmunternd. Dann nahm er an Johns Bett platz, schlang ein Bein über das Andere und stützte seine Arme lässig auf seinem Schirm ab.

„Das heißt, Sie dürfen das Krankenhaus verlassen wenn Sie wollen?“

War das eine Frage oder eher eine Feststellung? John war sich nicht ganz sicher, doch ihrer beiden Blicke glitten in den Teil des Raumes, in dem ein bereits älterer Rollstuhl stand. Als warte er nur darauf, mit seinem neuen Patienten diesen Raum endlich verlassen zu können. Etwas Schwermütiges legte sich in Johns Blick und das entging seinem Gast natürlich nicht.

„Hören Sie, Doktor Watson, ich kann mir vorstellen wie schwer das für Sie sein muss. Da diese Verletzung entstand, als Sie meinem kleinen Bruder das Leben retteten, möchte ich mich wenigstens Finanziell erkenntlich zeigen. Zumindest so lange der Arbeitsausfall Sie von einem geregelten Leben abhält. Was sagen Sie dazu?“

Johns Blick löste sich vom Rollstuhl und am liebsten hätte er jetzt laut geschrieen. Er wollte Mycroft aus dem Zimmer werfen, ihn und sein Geld sonst wo hin wünschen…aber das wäre dämlich gewesen. Klar, er hatte Sherlock das Leben gerettet, eine Tatsache die er nicht bereute – ganz egal wie es ausgegangen war – und etwas das er jederzeit wieder tun würde. Er wollte dafür nicht belohnt werden, nicht von Mycroft und nicht für etwas, das selbstverständlich war. Andererseits hatte er ja wirklich nicht viele Ersparnisse, die ihm über diese Krankheitsphase hinweg helfen würden. Er konnte nicht arbeiten, also was sollte er tun? Seine monatlichen Kosten würden gnadenlos weiter fließen, das Leben in London war nicht billig, schon allein die Lebensmittel würden ihn Finanziell auszehren…er konnte dieses Angebot gar nicht ausschlagen.
 

„Ich weiß Sie ringen hier mit sich selbst, aber seien Sie versichert, das ist nicht nötig. Das Geld soll Ihnen helfen, auch damit Sie zurück in die Baker Street können. Sherlock ist ohne Sie noch unausstehlicher und viel mehr er selbst, als gut für Ihn wäre. Obwohl Sie ihm lieber nichts von unserem Gespräch hier erzählen sollten, denn er würde die Summe – ganz egal wie hoch sie ist – als üblichen Satz für das Erretten des kleinen Bruder ansehen, und mir dies ewig vorhalten.“

Mycroft erhob sich.

„Sherlock wird sicher bald hier sein und ich möchte ihm beileibe nicht über den Weg laufen. Wir hatten in den letzten Tagen weiß Gott genug…Auseinandersetzungen, um es höflich auszudrücken. Ich hätte wirklich nie gedacht, dass Sie meinem Bruder so gut tun würden.“

„Das beruht auf Gegenseitigkeit“, versicherte ihm John. „Auch ich brauche Ihren Bruder in meinem Leben, auf seltsame und unerklärliche Art, aber wir begegneten uns an einem Punkt, an dem wir beide nur gewinnen konnten und so profitierten wir von der Anwesenheit des jeweils anderen. Sehen Sie in mir bitte keinen Babysitter, der es nur gezwungener Maßen mit Ihrem Bruder aushält. Wir sind Freunde, bitte vergessen Sie das nicht, Mycroft.“

Dieses mal wirkte das Lächeln von Mycroft Holmes nicht falsch oder aufgesetzt, dieses mal war es aufrichtig und ehrlich.

„Er kann sich wirklich glücklich schätzten Sie zu haben und dieses Kompliment sollten Sie annehmen. Ich werde veranlassen, dass eine ausreichende Summe auf Ihr Konto eingezahlt wird. Bitte scheuen Sie sich nicht, das Geld auszugeben. Ansonsten bleibt mir nur noch, Ihnen endlich persönlich eine gute Besserung zu wünschen. Sollten Sie während ihrer Genesung einen bestimmten Arzt konsultieren wollen, um eine weitere Meinung ein zu holen, dann werde ich das gerne für Sie übernehmen. Geld spielt nun wirklich keine Rolle. Guten Tag, Doktor Watson.“

Und so verschwand Mycroft Holmes genau so schnell und leise, wie er gekommen war.
 

*******
 

„Sie wollten das ich kommen?“ Sherlock stand in der Tür des Krankenzimmers, unschlüssig ob er den Raum wirklich betreten sollte.

„Ja“, meinte John und legte ein Buch beiseite. „Ich hätte nicht geglaubt, dass Sie so schnell kommen würden. Wie geht es Ihnen?“

„Gut, und Ihnen?“

John seufzte, „Sie sehen aber nicht gut aus. Sie haben Gewicht verloren und zu wenig geschlafen. Es bedarf keinen Sherlock Holmes um das zu erkennen.“

Sherlock antwortete nicht, was hätte er denn sagen sollen? Natürlich hatte er nicht viel geschlafen, denn wann immer er seine Augen schloss, kamen die schrecklichen Bilder zurück. Schon seit vielen Jahren hatte er keine Alpträume mehr gehabt, denn eigentlich gab es nichts, wovor er sich fürchtete. Zumindest hatte er das geglaubt.

Und wie sollte man essen, wenn einen die Motivation dazu fehlte? Ohne John hatten sich die Tage schrecklich lang angefühlt und mehr als einmal war er versucht gewesen, sich in seine Drogen zu flüchten. Bedauerlicherweise waren sowohl Mrs. Hudson, Mycroft und auch Lestrade darauf vorbereitet gewesen und hatten stets darauf geachtet, ihm gar nicht erst die Gelegenheit für derartige Dummheiten zu geben.

„Sherlock? Wo sind Sie mit ihren Gedanken?“ fragte John und musterte seinen Freund besorgt.

„Sie haben angeboten, mich aus dem Krankenhaus zu holen. Die Ärzte haben das Okay dafür gegeben, die Unterlagen hab ich unterzeichnet. Wenn Sie mir beim Packen helfen würden, dann könnten wir gleich los.“

In Johns Stimme klang die freudige Erwartung mit, endlich wieder in die vertrauten Wände der Baker Street zurückkehren zu können.

Sherlock freute sich sehr darüber, das es John offensichtlich wieder besser ging. Zumindest seiner Stimmung, die bei seinem letzten Besuch noch auf einen neuen Tiefpunkt gewesen war. Aber jetzt wirkte sein Freund eher wieder wie der John Watson, den er kannte. Er hoffte bloß, dies würde so bleiben.

Während Sherlock Johns persönliche Sachen in eine Tasche packte und die ganzen Geschenke zu verstauen versuchte, sprachen Sie beide nur über Belanglosigkeiten. Das ganze wirkte noch ein wenig zu gezwungen, um als normal zu gelten, aber immerhin, sie waren auf dem besten Weg. Beide waren erleichtert, dass dieser Unfall zwischen ihnen nichts hatte zerstören können und kein Wort eine dauerhafte Schädigung bewirkt hatte.

So protestierte Sherlock auch nicht, als John sich aus eigener Kraft in den Rollstuhl bemühen wollte und verzichtete darauf hinzuweisen, dass er sich eigentlich noch schonen sollte. John war Arzt, er wusste das aber vielleicht war genau das die Gefahr! Vielleicht sah John das ganze zu locker, ein Umstand den er bei einem seiner Patienten bestimmt nicht gut geheißen hätte. Tja, Ärzte waren nun einfach sehr schlechte Patienten.

Und so verließen sie das Krankenhaus, John der seinen Rollstuhl nicht geschoben haben wollte und Sherlock der mit der Tasche neben ihm her trottete und seinen Freund mit gestrengem Blick überwachte.
 

*******
 

„Doktor Watson! Oh willkommen daheim!“ begrüßte ihn Mrs. Hudson und umarmte die im Rollstuhl sitzende Person. Dieser drückte seine Vermieterin freundlich und war gerührt als die ältere Dame sich verlegen eine Träne aus den Augenwinkeln wischte.

„Ich hab mir doch solche Sorgen um Sie gemacht! Oh, es freut mich das Sie jetzt wieder hier sind! Was immer Sie brauchen, scheuen Sie sich nicht darum zu bitten, ich werde Ihnen gerne helfen!“

„Vielen Dank Mrs. Hudson, aber ich komme bestimmt zu recht, danke.“

„Aber Sie dürfen doch nicht aufstehen! Übernehmen Sie sich bloß nicht! So was würde Ihrer Gesundheit nur schaden!“ schimpfte sie, als spräche sie mit einem kleinen Jungen – oder mit Sherlock – und nicht mit einem erwachsenen Mann – und Arzt. Aber John verstand, freute sich über die reizende Begrüßung und dieses liebenswerte Angebot.

„Natürlich, Sie haben Recht. Ich werde mich schonen und wann immer ich etwas brauche, werde ich Sie oder Sherlock um Hilfe bitten. Zufrieden?“

Sie lächelte, strich John mit einer liebevollen Geste über den Arm. Dann sah sie zu Sherlock, hob tadelnd ihren Zeigefinger und wandte sich dann an ihre beiden Mieter.

„Sie zwei sind mir schon welche, stürzt euch in so gefährliche Situationen ohne die Hilfe der Polizei! Sie sollten beide klüger sein, und nicht immer so viel riskieren! Das wird Sie eines Tages noch Kopf und Kragen kosten! Versprechen Sie mir, Sie beide, dass Sie in Zukunft besser auf sich acht geben werden!“

„Das werden wir, Mrs. Hudson. Machen Sie sich bitte keine Sorgen. Wir geloben Besserung, nicht wahr Sherlock?“

John konnte sich nicht zu seinem Freund umdrehen, und Mrs. Hudson fand, das dies gerade auch gut so war. Denn Sherlock war hinter dem Rollstuhl stehen geblieben und sein Blick wirkte steinern und kalt. Was immer er gerade empfinden mochte, man konnte es nicht erkennen.
 

„Ähm, Sherlock…haben Sie schon überlegt wie wir…“ John deutete verlegen auf die 17 Stufen, die sie von ihrer Wohnung trennten. Es viel ihm nicht leicht allen solche Umstände zu bereiten und normalerweise war er derjenige der Hilfe anbot und nur selten der, der sich brauchte. Das hier war in so vielerlei Hinsicht alles neu für ihn. Aber sie würden das hin bekommen, sie alle zusammen, daran zweifelte er nicht. Ja es fühlte sich fast so an, als hätte er die trüben Gedanken alle samt im Krankenhaus zurück gelassen und konnte hier wieder ungestört optimistisch sein. Er wollte sich nicht weiter in Selbstmitleid ertränken, er wollte nicht an all die vielen >was wäre wenn< Szenarien denken und auch nicht an die Schrecken eines Lebens im Rollstuhl.

Sherlock war zu ihm getreten, griff mit einem seiner langen, aber sehr kräftigen Arme um Johns Oberkörper und den andern Schob er unter Johns Oberschenkel. Als wäre John ein kleines Kind, hob ihn der Detektiv spielerisch leicht aus seinem Rollstuhl. Behutsam drückte er den warmen Körper seines Freundes an sich und trug ihn die Treppen hinauf.

Wortlos setzte er ihn in einen Sessel, holte dann den Rollstuhl und stellte ihn für John in Reichweite.

„Möchten Sie Tee?“ Sherlock ging in die Küche und man konnte ihn dort hantieren hören.

„Ja, sehr gern“, rief John ihm hinterher und sah sich zufrieden um. Sherlock hatte die Wohnung während seiner Abwesenheit also nicht auf den Kopf gestellt! Schön! Keine neuen Einschusslöcher in der Wand oder sonstige Dummheiten die Spuren hinterlassen hatten. Alles war genau so, wie es sein sollte. John war beruhigt.

Jetzt musste sich nur noch die Situation zwischen ihnen wieder normalisieren. Vielleicht sollte er sich bei Sherlock entschuldigen? Nun wie immer auch die Tage in der nächsten Zeit verlaufen würden, bestimmt würde zwischen ihnen alles wieder so werden, wie vorher.
 

Nun, Johns Gedanken sollten lügen gestraft werden, denn tief in ihnen wussten beide bereits, dass nichts mehr so werden würde wie früher.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  sweetgwen
2012-03-14T21:07:14+00:00 14.03.2012 22:07
Hmmm! Interessting!
Find deine Story echt gut: Wie du die Chars getroffen hast, die Überlegungen, die die beiden haben, die kleinen Details; find ich alles sehr wirklichkeitsnah. Gefällt mir sehr gut^^.
Hoffe du schreibst bald weiter, denn ich bin schon gespannt, was da noch so tolles kommt! ^^
LG Gwen
Von:  sweetgwen
2012-03-14T21:06:43+00:00 14.03.2012 22:06
Hmmm! Interessting!
Find deine Story echt gut: Wie du die Chars getroffen hast, die Überlegungen, die die beiden haben, die kleinen Details; find ich alles sehr wirklichkeitsnah. Gefällt mir sehr gut^^.
Hoffe du schreibst bald weiter, denn ich bin schon gespannt, was da noch so tolles kommt! ^^
LG Gwen
Von:  -Anthea-
2012-03-12T19:16:16+00:00 12.03.2012 20:16
Ach Gott, der arme John. Ich konnte ihn mir richtig vorstellen, wie er da in seinem Krankenhausbett liegt und ganz geschockt ist von der Diagnose vielleicht nicht mehr laufen zu können. >__<
Und als er dann allein sein wollte um seinen Frust nicht an anderen auszulassen... das hat einen wirklich irgendwie mitgenommen. =/
Aber jetzt ist er ja erst einmal wieder zu Hause und mal schauen was das dann alles so bringt. Aber natürlich sollte allen klar sein, dass die Dinge nicht mehr so sein werden wie sie vorher waren... Ich meine, selbst wenn es zu 100% stimmt was er sagt und er Sherlock keine Vorwürfe macht was seinen jetzigen Zustand angeht, so... wird er eben wirklich auf Hilfe angewiesen sein. Und so werden sie sich in Situationen begegnen, die vorher nicht waren... das fertigmachen im Bad und so weiter. Das wird schon eine ganz schöne Umstellung und wird automatisch Veränderung mit sich bringen. Ob zum Guten oder Schlechten wird sich erst noch zeigen.
Nun... ich bin jedenfalls neugierig wie es weitergeht und werd auf jeden Fall weiter lesen. =)


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