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BBC Sherlock
von

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Böses erwachen

2.

Böses erwachen
 

Das Erste was Sherlock bewusst wahrnahm war der Geruch nach steriler Seife und Desinfektionsmittel. Das als Anhaltspunkt und die abgehackten, verschwommenen Erinnerungsfragmente von gestern kombiniert, brauchte der Detektiv die Augen gar nicht erst zu öffnen um zu wissen, dass wieder einmal einer seiner Fälle für ihn ihm Krankenhaus geendet hatte.

So blieb er noch eine Weile ruhig liegen, versuchte sich zu entspannen, wartete die Reaktionen seines Körpers ab – anscheinend keine ernsten Verletzungen – und versuchte die Lücken zu schließen, die in seinen Erinnerungen von gestern vorhanden waren.
 

Ich hatte die Burschen gefunden, sie waren in den Docklands, wie vermutet. John und ich hatten draußen gewartet. Dichter Nebel lag über der Stadt und es hatte gerade wieder zu Regnen begonnen. John hatte gefroren, immer wieder hatte er sich seine Hände aneinander gerieben und seinen warmen Atem hinein geblasen.

Lestrade kam spät, dabei hatte ich eine kurze und deutliche SMS geschickt. Nicht mal er konnte die Anweisungen darin missverstehen, dafür waren sie zu klar formuliert gewesen. Ja und dann war Lestrade und die Polizei gekommen, warum nur hatte ich nicht mit so viel Dummheit und Unzulänglichkeit gerechnet? Dann hätte ich auf die Hilfe der Gesetzeshüter verzichtet und das ganze wäre so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber in dem Moment als das erste Blaulicht durch den Neben spitzet war mir klar, dass von jetzt an alles schief laufen würde. Und nur wegen Lestrades Inkompetenz! Blaulicht und Sirenen, war das denn die Möglichkeit? Noch auffälliger war wohl nicht gegangen?
 

Sherlock atmete tief durch. Aufgewühlt und zornig versuchte er, seine aufkommenden Gefühle unter Kontrolle zu bringen, um sich wieder den Fakten widmen zu können. Wut machte Blind für die wichtigen Dinge und das konnte sich Sherlock nicht erlauben. So durchforstete er weiter seine Erinnerungen, durchlebte den gestrigen Abend vor seinem inneren Auge erneut. Fast konnte er den Regen auf seiner Haut spüren, die Kälte des Windes, der durch seine Kleider kroch und den Geruch nach nassem Teer.
 

Ich habe sie verfolgt, wollte sie stellen. Sie hatten nicht mit meiner Ortskenntnis gerechnet und auch nicht mit meiner Schnelligkeit! So fand ich sie, alle Drei beim Verschnaufen auf einer Brücke.
 

Sherlock sah es vor sich, als wäre er Beobachte dieser Szene gewesen und nicht ein aktiver Teil davon. Wie in Zeitlupe waren seine Bewegungsabläufe von dem denkenden Gehirn des Genies zu einer Momentaufnahme geworden, die er Abspielen konnte, ähnlich wie ein aufgenommenes Fernsehprogramm. Er sah sich selbst, wie er sich duckte, zum Sprung ansetzte und…
 

Mein Handy! Natürlich, Lestrade! Wer sonst, er wollte wissen wo ich war, er musste bemerkt haben, dass die Verbrecher getürmt waren und wusste, ich würde ihnen dicht auf sein. Lestrade, ja nur der konnte so ein schlechtes Timing hinbekommen, dachte der Mann den nie nach, bevor er etwas tat? Dachte er nie an die Konsequenzen seines Handelns? Wie war der Mann bloß ein Inspektor geworden?
 

Wieder versuchte Sherlock seine Gefühle außen vor zu lassen. Er versuchte schließlich nur die Fakten zu rekonstruieren, die Auswirkungen, damit würde er sich später befassen.
 

Der Boxer, oh er war wirklich gut, eine harte Nuss.
 

Ganz in Gedanken tastete Sherlock nach seiner Nase. Sie war gerade, vermutlich professionell gerichtet, denn es klebte ein Pflaster darüber. Die Berührung schmerzte, die Haut war aufgeplatzt und geschwollen. Der ganze Bereich um seine Nase war empfindlich unter den tastenden Fingern, denen der Schmerz folgte.
 

Schüsse fielen, einer davon war von John gewesen. Er war aufgetaucht, offenbar angelockt vom Klang des Kampfes. Treuer John, immer da wenn man ihn brauchte, wenn auch meist ein paar Schritte hinter mir. Aber er war gekommen, hatte nach mir gesucht und mich gefunden. Mein Glück, was wäre passiert wenn er nicht aufgetaucht wäre…

John…
 

Angestrengt kräuselten sich ein paar Falten auf Sherlocks Stirn. Was war an der Brücke genau passiert? Warum hatte er nur noch Bruchstücke von Bildern die verschwommen durch seinen Geist glitten? Warum war nichts Greifbares mehr da, warum lag der Ausgang des Abends im Nebel?

Wütend riss Sherlock die Augen auf, fuhr sich genervt durch die verzottelten Haare und ließ dann einen tiefen Seufzer vernehmen.

Natürlich hatte er sich nicht getäuscht, er lag im Krankenhaus. Gehüllt in eine saubere, weiße Decke, gefangen in einem weißen, sterilen und unpersönlichen Raum. Und über allem lag dieser unnatürliche Geruch von vorgetäuschter Sauberkeit.

Er hasste Krankenhäuser!

Eine Infusionsnadel steckte in seinem rechten Arm und wurde in einer trägen Geschwindigkeit von einem Infusionsbeutel mit was auch immer versorgt. Er mochte keine Medikamente, zumindest keine, die er sich nicht selbst verordnet hatte. Sie machten ihn langsam, im denken sowohl wie im reagieren. Das konnte er nicht gebrauchen!

Schnell war die Nadel aus dem Arm gezogen, wohl wissen wie das Funktionierte, drückte Sherlock mit der nun ehemals sauberen Ecke der Bettdecke auf die Stelle, in der bis eben noch die Nadel gesteckt hatte. Begierig zog das weiß der Decke das wenige Blut auf, welches aus der Wunde austrat.

Zufrieden wollte er sich bereits aus dem Bett erheben, als er Schritte hörte, die sich ganz offensichtlich seinem Zimmer näherten. Schon war ein höfliches Klopfen zu vernehmen und die hellgraue Zimmertüre öffnete sich lautlos.
 

Wieder seufzte Sherlock und ließ sich gespielt theatralisch zurück in die Kissen fallen. Das Bett ächzte kurz unter dem plötzlichen Gewicht. Sherlock schloss die Augen, massierte sich die Schläfen um auf plötzlich aufgetretene Kopfschmerzen hinzuweisen. Natürlich wusste der Besucher längst, dass dies alles Gespielt und keineswegs ernst gemeint war. Nur das Symbol welches die Geste zu verstehen gab, das war ernst gemeint. >Mycroft du bereitest mir Kopfschmerzen!<

„Hallo lieber Bruder. Wie ich sehen, lebst du noch.“

Es wäre natürlich gelogen gewesen zu behaupten, Mycroft würde sich nicht um seinen Bruder sorgen! Das tat er, wirklich! Auch wenn ihm Sherlock das nicht glaubte und seine Führsoge stets auf taube Ohren stieß. Er wollte seinen kleinen Bruder nicht überwachen müssen, aber er musste es. Der Grund dafür lag ganz allein bei Sherlock. Der hatte sein Leben nicht im Griff und früher oder später könnte und würde das böse enden. Mycroft wusste das und war somit steht’s bemüht dies zu verhindern. Doch meist kam er zu spät, so wie heute.
 

Der Anruf aus dem Krankenhaus hatte ihm einen eiskalten Schauder über den Rücken laufen lassen. Wieder einmal hatte Sherlock es geschafft und sich ins Krankenhaus befördert. Mit leichten Verletzungen diesmal, starker Unterkühlung und dem beinahe ertrinken stand das zwar nicht ganz oben auf der Hitliste von Sherlocks Gründen für einen Krakenhausaufenthalt, über die Mycroft in seinem Kopf Buch führte, aber es war immerhin unter den Top 10.

Auch wenn Sherlock wie gewohnt unfreundlich auf sein Erscheinen reagierte, war der ältere Holmes doch unendlich erleichtert, seinen Bruder wohlbehalten und wieder ganz in alter Form vorzufinden – sein Reaktion war wie erwartet ausgefallen, also konnte es ihm nicht besonders schlecht gehen. Wohl wissend das Sherlock aus dieser Situation und gleich aus dem ganzen verdammten Krankenhaus so schnell wie möglich zu fliehen gedachte, schritt Mycroft an das Bett und ließ sich in dem Stuhl daneben nieder. Ganz der Aufpasser, der große Bruder.

Das Zimmer war klein, aber große Fenster ließen die Helligkeit des Tages herein. Mycroft wartet auf die erste Reaktion des Jüngeren und blickte derweil gelangweilt hinaus in den sonnigen Tag.
 

„Ich lebe noch, wie du sehen kannst, Bruder. Was willst du also noch hier? Dich beschweren weil ich mich in Gefahr gebracht habe? Zu deiner Information, es wäre alles nach Plan verlaufen, hätte Lestrade und seine Leute es nicht versaut.“

„Oh ich zweifle keineswegs an deinen Plänen, Sherlock. Aber du solltest besser als andere wissen, dass man die Inkompetenz von Mitarbeitern - in deinem Fall die der Polizei – stets in seine glorreichen Strategien mit einbeziehen sollte. Aber sei es drum, ich bin froh das es dir gut geht. Den Aussagen der Polizisten zufolge, war es dieses mal ziemlich knapp. Um ein Haar wärst du ertrunken! Nicht auszudenken! Ein Glück das John so beherzt eingeschritten ist.“

„John? Mein Gedächtnis, die Erinnerungen an gestern sind lückenhaft, was ist passiert, wie geht es John, wo ist er?“

„Langsam und eine Frage nach der Anderen. John liegt noch auf der Intensivstation und…“

Weiter kam er nicht, denn Sherlock setzte sich mit einem Ruck auf, seine grauen Augen fixierten den erschrocken zurückgewichenen Mycroft.

„Intensivstation?“ fragte er mit leicht bebender Stimme.
 

Bemüht nicht über diese, für Sherlock untypische, ja fast schon emotionale Reaktion zu lachen, sah Mycroft seinen aufgewühlten Bruder an. Es faszinierte ihn wie sehr doch John Watson seinen Bruder verändert hatte. Ob ihnen beiden das bewusst war? Zumindest war es nicht zu leugnen, dass Sherlocks Leben sich verändert hatte, seit John es mit ihm teilte und das in fast jeder Hinsicht zum Besseren. John tat ihm gut und Sherlocks Verhalten eben bestätigte nur noch deutlicher, wie viel seinem kleinen Bruder der Arzt bedeutete. Hatte Sherlock jemals einen Menschen so nahe an sich heran gelassen? War ihm jemals das Schicksal eines Menschen so nahe gegangen wie bei John?
 

„Was ist mit John?“ kam jetzt die Frage mit mehr Nachdruck. Ja richtig, Sherlock erwartete immer noch eine Antwort.

„Du hast also Gedächtnislücken? Gut, bei dem was die Ärzte mir erzählt haben, ist das nicht wirklich verwunderlich. Um ehrlich zu sein, du kannst dich darüber freuen, dass dies die einzigen Symptome sind die…“

Wieder wurde er von seinem Bruder unterbrochen, mit schneidender Stimme. „Was ist mit John?“ verlangte er zu wissen und beugte sich dabei ganz dicht zu seinem Bruder.

„John ist…“

Jetzt wurde Mycroft von einem Klopfen an der Tür unterbrochen, und die Aufmerksamkeit der beiden Holmes richtete sich auf den unerwünschten Eindringling.

„Komm ich Ungelegen?“ fragte Gregory Lestrade, als er sich dem finsteren Blick der beiden Brüder ausgeliefert sah.

Sherlock ließ von seinem Bruder ab, und konzentrierte sich auf den Inspektor. Gespannt den gestrigen Abend von jemanden rekonstruieren zu lassen, der näher am Geschehen dabei gewesen war als Mycroft, der zwar steht’s gute Informationen besaß aber eben immer alle aus zweiter Hand.

„Wir haben die Burschen“, verkündete Lestrade, aber man merkte ihm an, dass an der Sache trotzdem ein Hacken war. So fragte Sherlock unverblümt nach dem Aber.

Der Inspektor seufzte, spielte kurz unentschlossen mit seinen Händen und suchte offenbar nach den richtigen Worten.

„Einer ist uns entkommen“, gab er dann kleinlaut zu.

„Was? Wie konnte das passieren? Sie waren mit einem riesigen Aufgebot an Polizeiautos zum Tatort gebraust - eine Tatsache die ich übrigens nicht nachvollziehen kann, immerhin ging es darum ein paar Verdächtige in einem Mordfall zu stellen – und trotzdem ist ihnen einer davon entwischt?“
 

Sherlocks Frustration war deutlich zu hören, auch war Gregory klar, wie viel Ansehen er in den Augen des Detektivs aufgrund dieses Patzers verloren hatte. Im Vergleich zu Sherlock wirkte schnell mal jemand Inkompetent, und das rieb er den meisten Leuten gerne unter die Nase aber bisher war Lestrade davon verschont geblieben. Aber was sollte das? Er ärgerte sich doch auch! Das war nicht allein Sherlock Holmes vorbehalten! Jeder Fall den er nicht abschließen konnte kotzte ihn an! Alle Fehler die im Einsatz geschahen, hatten Folgen und dessen war sich Gregory durchaus bewusst. Er würde einen Bericht darüber schreiben und bestimmt auch eine Rüge von seinen Vorgesetzten kassieren. Klar im Nachhinein hätte man das ganze auch anders angehen können, bestimmt wurden Fehler gemacht und nicht alle lagen allein bei ihm.

Doch jetzt stand er hier, bereit und willig Sherlock Holmes um erneute Mithilfe zu bitten. Durchaus erleichtert, dass diesem arroganten Schnösel nichts Ernstes passiert war. Aber bei dem Gedanken an den guten Doktor Watson, drehte sich ihm der Magen um.
 

Im Gesicht des Inspektors konnte man deutlich den Umschwung von Wut auf Besorgnis lesen und Sherlock wäre nicht Sherlock gewesen, wenn ihm so etwas entgangen wäre. So war ihm auch schnell klar, dass die Sorge des DI nicht ihm galt.

„Ich frage jetzt ein letztes Mal und einer von euch wird mir diese Frage jetzt beantworten: Was ist mit John?“
 

Lestrade sah kurz zu Mycroft, der das Geschehen wortlos verfolgt hatte. Bestimmt hielt auch der ältere Holmes die Polizei und den DI für einen inkompetenten Stümper, die Frage war nur, warum Lestrade genau dieser Umstand besonders missfiel.

„Mein werter Bruder hat aufgrund der gestern erlittenen Verletzungen wohl einige kleine Lücken in seinen Erinnerungen.“

„Gut, wo soll ich anfangen? Wir haben die zwei Gefangenen verhört. Dabei handelt es sich um Renè Cohen und Paul Nightingale. Der Flüchtige heißt Stan Peters, wir konnten seine Waffe sicherstellen und aus ihr wurden drei Schüsse abgefeuert. Zwei Projektile konnten wir am Tatort sicherstellen, das dritte ist noch hier im Krankenhaus. Es wurde in einer mehrstündigen Operation aus John Watson entfernt.“

„John wurde angeschossen?“

„Ein direkter Treffer in den Rücken. Von Mr. Nightingale haben wir erfahren, dass besagter Peters sie gepackt hatte und über die Brücke werfen wollte. John hat das offensichtlich verhindern wollen, aber er kam zu spät. Daraufhin warf er Peters zu Boden und stieg auf die Brücke um Ihnen nach zu springen. Dabei schoss Cohen auf ihn und traf ihn in den Rücken, zumindest lautete Nightingales Aussage dahingehend. Natürlich behauptete Cohen er wäre nicht der Schütze gewesen und die Analyse aus dem Labor entlastete ihn. Er hat nicht geschossen, auf der Waffe waren nur die Fingerabdrücke von Peters und Nightingale.“
 

Sherlock starrte betreten auf seine Hände. Irgendwo in seinem Geist flackerten die zu Lestrades Geschichte passenden Bilder auf.
 

Der Hüne der mich gepackt hat, ich spürte den Beton der Brückenmauer in meinem Rücken, seine Hand wie ein Schraubstock um meine Kehle…

Dann das Gefühl des Fallens…irgendwo in der Ferne höre ich John rufen…dann ein kurzer aber intensiver Schmerz, als ich auf die Wasseroberfläche schlage…Kälte…Stille…ich versuche mich krampfhaft über Wasser zu halten, suche nach etwas woran ich mich festhalten kann…dann…nichts mehr, nur Schwärze und dann bin ich hier aufgewacht.
 

„John ist Ihnen nach gesprungen, hat sein Leben auf Spiel gesetzt um Sie aus dem Wasser zu ziehen. Gott allein weiß, wie ihm das gelungen ist!“ sprach Lestrade weiter und seine Stimme klang anerkennend ehrfürchtig. „Als wir ihr Handy zurückverfolgen ließen, bekamen wir das letzte Standortsignal und…“

Sherlock war aus seiner Starre erwacht als Lestrade sein Handy erwähnt hatte. Ja, diesbezüglich hatten sie beide noch ein Hünchen zu rupfen, denn erst der Anruf hatte all die Schwierigkeiten mit sich gebracht, mit denen sie sich jetzt herumschlagen mussten.

„Sie haben bei mir angerufen! Obwohl Ihnen klar sein musste, dass ich den Verbrechen auf der Spur bin! Was haben Sie sich nur dabei gedacht? Oh, lassen Sie mich raten, gar nichts!“ schimpfte Sherlock in einer Lautstärke, die sich nicht mit dem Anstand in einem Krankenhaus deckte.

„Sie jagten allein drei gefährliche Verbrecher! Verdammt was hätte ich den machen sollen?“

„Jedenfalls nicht anrufen! Ich hätte sie beinahe gehabt, da klingelte mein Telefon und machte sie auf mich aufmerksam! Das alles ist nur Ihrer Dummheit zuzuschreiben, Lestrade!“

„Jetzt aber mal langsam!“ brüllte nun auch der Inspektor. „Ob mit dem Anruf oder ohne, Sie hätten sich nie alleine gegen alle Drei durchsetzen können, nicht mal mit dem Überraschungsmoment. Außerdem waren Sie unbewaffnet.“

„John hatte seine Waffe!“

„Ja aber der war offensichtlich nicht in Ihren glorreichen Plan eingeweiht, sonst hätte das ja alles sicher besser funktioniert! Also seien Sie vorsichtig mit Ihren Verurteilungen und Schuldzuweisungen!“
 

Dazu konnte Sherlock nichts mehr sagen. Klar, genau das hatte ihm auch John schon einmal vorgeworfen. Aber John, der treue John war trotzdem an seiner Seite geblieben, hatte sein Leben riskiert…für ihn. Obwohl er wieder nicht mehr als eine Randnotiz in Sherlocks Plan gewesen war, denn John würde im richtigen Moment schon verstehen und wissen was Sherlock von ihm erwartete. Unter keinen Umständen aber hätte Sherlock je verlangt oder erwartet, dass John sein Leben setzten würde, in einem bloßen Versuch ihm das seine zu retten. Aber so war John…der gute, alte John Watson.
 

„Jedenfalls hörte ein Constable Johns Rufe und alarmierte die Rettungskräfte. Sie waren schon nicht mehr bei Bewusstsein, als man Sie endlich rettete. John hielt ihren Körper an den seinen gepresst und schaffte es irgendwie sich an einem Metallring an der Anlegestelle festzuhalten und gegen die Strömung zu kämpfen. Er war völlig am Ende, sein Körper war unterkühlt und er hatte im Wasser viel Blut verloren. Ich war bei ihm, als sie ihn in den Krankenwagen gelegt haben und da hat er ständig nach Ihnen gefragt. Er wollte nicht liegen bleiben, obwohl er kaum die Kraft hatte, seine Augen offen zu halten. Ich glaube Ihnen ist gar nicht bewusst, was für ein besonderer Mensch John Watson ist und was er bereit war für Sie zu tun. Seine Hingabe ist überwältigend! So einen Freund wünscht sich jeder, aber ich befürchte Sie sind der Einzige, der ihn nicht verdient hat.“
 

Lestrades Vortrag endete und Sherlock schluckte unbemerkt den Klos in seinem Hals hinunter. Natürlich hatte der Inspektor Recht, Sherlock würdigte Johns Hingabe nie in dem Ausmaß, indem er es verdient hätte.

Wieder bahnten sich die verschiedensten Gefühle einen Weg an die Oberfläche und Sherlock rang sie kraftlos nieder. Ein Zittern erfasste seinen Körper und er hasste sich für seine Schwäche! Aber John, Gott wie hatte das nur geschehen können, er wollte das nicht, hatte es nie gewollt. Nicht mal darüber nachgedacht hatte er, was passieren würde, wenn John einmal das Glück verließ. Sie waren schon so oft in Schwierigkeiten geraten und immer hatte er geglaubt, alles im Griff zu haben. Rühmte er sich doch ständig damit alles zu durchschauen und nie den Überblick über die wirklich wichtigen Dinge zu verlieren. Warum hatte er ihn verloren, wann und wo war das geschehen? Wer hatte ihm die Kontrolle entrissen? Oder war sie in dem Moment zersprungen, indem er auf der Wasseroberfläche aufgeschlagen war?
 

Mycroft und Lestrade beobachteten Sherlock ebenfalls mit gemischten Gefühlen. Auch sie waren voller Sorge um John und Wut darüber, nicht da gewesen zu sein, um das alles zu verhindern. Aber das Sherlock das alles so sehr mitnahm, damit hatten sie nicht gerechnet. Ja Gregory bekam sogar ein schlechtes Gewissen, bei all dem was er dem angeblichen gefühlslosen Sherlock gerade an den Kopf geworfen hatte. Ja es so beinahe so aus, als würden ihn seine Gefühle übermannen.

„Hören Sie, ich schicke Ihnen eine Arzt, wenn der Sie für gesund erklärt, dann können Sie zu John auf die Intensiv.“

Mycroft nickte bestätigen, „das ist eine gute Idee. Ich glaube du möchtest ohnehin aus diesen weißen Sachen raus. Ich hab dir frische Kleidung mitgebracht und John würde sich sicher freuen dich zu sehen, wenn er aufwacht.“ So stand der ältere Holmes auf und kämpfte den Drang nieder, seinen so verletzlich wirkenden kleinen Bruder in den Arm zu nehmen. Diese Geste würde sicher nicht gut aufgenommen werden, also verzichtete er.

„Der Inspektor hat Recht, Johns Genesung wird sich hinziehen und er wird Hilfe und Pflege brauchen. Ich finde bestimmt Jemanden, der ihm diese Betreuung zuteil werden lässt und...“

„Nein“, sagte Sherlock bewusst, aber mit zitternder Stimme. „Nein das ist etwas, das ich machen muss.“

Mycroft hatte damit gerechnet und nickte anerkennend. „Ich lasse dir deine Sachen bringen. Grüße John von mir und wünsch ihm gute Besserung. Inspektor“, Mycroft nickte ihm höflich zu und verließ den Raum.

„Hören Sie…“ sollte er sich entschuldigen, Lestrade wusste es nicht aber irgendwie tat ihm das Häufchen Elend hier leid. „Sagen Sie…sagen Sie John auch von mir und dem Rest des Yards gute Besserung. Wann immer Sie beide etwas brauchen…nun Sie wissen ja wie sich mich erreichen.“ Lestrade wartete noch einen Moment auf eine Antwort, als die ausblieb ging er leise, schloss die Tür hinter sich und ließ Sherlock Holmes mit seinen Gefühlen und seinen Vorwürfen allein zurück.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  sweetgwen
2012-03-01T14:08:33+00:00 01.03.2012 15:08
Hi^^
find die Story echt gut! Vor allem das erste Kapitel hat mir echt gut gefallen. Die Gefühlsbedingten Abschnitte bzgl Mycroft fand ich zwar ein wenig übertrieben, aber wer weiß schon, was wirklich in dessen Kopf vorgeht^^

Hoffe es geht bald weiter :D

LG Gwen


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